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Michael Fritsch

Entrepreneurship
Theorie, Empirie, Politik
2. Auflage
Entrepreneurship
Michael Fritsch

Entrepreneurship
Theorie, Empirie, Politik

2., überarbeitete und aktualisierte Auflage


Michael Fritsch
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Jena, Deutschland

ISBN 978-3-662-57983-1 ISBN 978-3-662-57984-8 (eBook)


https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8

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V

Vorwort zur zweiten Auflage

Für die zweite Auflage meines Lehrbuches habe ich den Text an diversen Stellen geglät-
tet, aktualisiert und ergänzt, ohne die bewährte Grundstruktur des Buches zu verändern.
Weiterhin wurden die empirischen Angaben sowie die Literaturhinweise auf den ak-
tuellen Stand gebracht. Die in diesem Buch enthaltenen Grafiken stehen auf meiner
Website als Download im PPT-Format zur Verfügung: 7 http://m-fritsch.de/material/
entrepreneurship-theorie-empirie-politik/.

Bei der Überarbeitung des Buches bin ich auf vielfache Weise unterstützt worden. So hat
Alina Sorgner die Daten und Grafiken zur Entwicklung unternehmerischer Selbständig-
keit in Deutschland aktualisiert. Jürgen Egeln und Sandra Gottschalk haben mir aktuelle
Daten zu den Finanzierungsquellen junger Unternehmen zur Verfügung gestellt. Moritz
Zöllner hat die Grafiken zur Entwicklung der Gründungstätigkeit sowie zu den Finan-
zierungsquellen junger Unternehmen erstellt. Die neuen Karten zur räumlichen Struktur
des Gründungsgeschehens in Deutschland hat Rosemarie Mendler mit gewohnter Ak-
kuratesse angefertigt. Ihnen allen sei an dieser Stelle sehr herzlich gedankt. Sämtliche
verbliebenen Fehler und Ungenauigkeiten habe ich natürlich selbst zu verantworten.

Ich hoffe, dass sich dieses Buch weiterhin als geeignete Grundlage für Lehrveranstal-
tungen sowie als Informationsquelle für alle diejenigen erweist, die an dem Thema
Entrepreneurship interessiert sind. Für Hinweise, Kommentare und Verbesserungsvor-
schläge bin ich sehr dankbar.

Michael Fritsch
Jena
im Juni 2018
Vorwort zur ersten Auflage

Unternehmensgründungen und Entrepreneurship haben während der vergangenen


Jahrzehnte zunehmend Interesse im Bereich der empirischen Forschung und der Politik
gefunden. Auch in Lehrveranstaltungen an höheren Bildungseinrichtungen gewinnt die-
ses Thema zunehmend an Bedeutung. Zwar gibt es inzwischen eine Reihe von Büchern
mit mehr oder weniger stark ausgeprägtem Ratgeber-Charakter für potenzielle Grün-
der; allerdings fehlen – jedenfalls im deutschsprachigen Raum – Quellen, die den Stand
der Forschung auf diesem Gebiet aus volkswirtschaftlicher bzw. sozialwissenschaftlicher
Perspektive darbieten, und damit als Grundlage für entsprechende Lehrveranstaltungen
dienen können.

Dieses Buch ist geprägt von meiner langjährigen Beschäftigung mit dem Thema „Entre-
preneurship“ in Forschung und Lehre. Stoffauswahl und Inhalt orientieren sich an meiner
Einführungsvorlesung „Entrepreneurship und Unternehmensentwicklung“, die ich in
den letzten Jahren an der Friedrich-Schiller-Universität Jena für Studenten der Wirt-
schaftswissenschaften und diverser anderer Fachrichtungen gehalten habe. Aus dem
Charakter einer Einführung folgt, dass sich die Darstellung auf die wesentlichen und
als gesichert anzusehenden Erkenntnisse beschränkt, und nicht der Anspruch erhoben
wird, sämtliche Facetten des Themas widerzuspiegeln. Ich habe mich in dem Text um
eine möglichst allgemeinverständliche Darstellungsweise bemüht und insbesondere ver-
sucht, Ökonomen-Jargon zu vermeiden. Im Interesse der Lesbarkeit habe ich im Text
weitgehend auf Literaturhinweise verzichtet und diese jeweils am Ende eines jeden Ka-
pitels konzentriert.

Michael Fritsch
Jena
im April 2015
VII

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung: Die Rolle von Entrepreneurship in Wirtschaft und


Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

2 Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5


2.1 Entrepreneurship . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.2 Entrepreneurship und Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.3 Arten von Entrepreneurship . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.3.1 Einteilung nach Innovationsrelevanz und Motiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.3.2 Einteilung nach den Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.3.3 Einteilung nach der Vorerfahrung und der Anzahl der Gründer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.3.4 Einteilung nach der Phase im Gründungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.3.5 Einteilung nach dem Neuheitsgrad und dem rechtlich-organisatorischen Status des
Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.4 Mögliche Wirkungen des Gründungsgeschehens auf die Wirtschaftsentwicklung . 15
2.5 Von der gemanagten zur unternehmerischen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.6 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.7 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3 Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit,


Gründungsgeschehen und Marktdynamik in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.1 Wesentliche Ausprägungen von Gründungsgeschehen und Marktdynamik . . . . . . . 23
3.2 Die empirische Erfassung von Gründungen und unternehmerischer
Selbstständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3.3 Datenquellen für eine Analyse des Gründungsgeschehens in Deutschland . . . . . . . . 26
3.4 Gründungen und unternehmerische Selbstständigkeit in Deutschland . . . . . . . . . . . . 27
3.5 Die sektorale Struktur der Gründungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3.5.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3.5.2 Gründungen in innovativen Wirtschaftszweigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
3.6 Regionale Unterschiede des Gründungsgeschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
3.7 Die Gründungsaktivitäten im internationalen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.8 Marktdynamik im Industrielebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.9 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.10 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

4 Die Entscheidung für unternehmerische Selbstständigkeit: Theorie . . . . . 41


4.1 Der Ansatz des Occupational Choice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
4.2 Das Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
4.3 Einige Erweiterungen des Grundmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
4.4 Zusammenfassung: Was die Theorie erklärt – und was nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4.5 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
VIII Inhaltsverzeichnis

Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

5 Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51


5.1 Was sind unternehmerische Fähigkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
5.2 Gründungen und Qualifikation des Gründers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
5.2.1 Qualifikationsniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
5.2.2 Die Struktur der Qualifikationen (Skill Balance) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
5.3 Die unternehmerische Persönlichkeit: Für eine Gründung förderliche
Persönlichkeitsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
5.4 Wie entstehen unternehmerische Fähigkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
5.4.1 Der Transfer der Gründungsneigung zwischen den Generationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
5.4.2 Genetische Faktoren, Erziehung und Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
5.4.3 Ausbildung und Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
5.4.4 Gesellschaftliches Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
5.5 Was fördert und prägt das Erkennen unternehmerischer Gelegenheiten? . . . . . . . . . 62
5.6 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
5.7 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

6 Demografische Merkmale und Berufsverläufe von Gründern . . . . . . . . . . . . . 67


6.1 Demografische Merkmale von Gründern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
6.1.1 Gründungswahrscheinlichkeit und Lebensalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
6.1.2 Unterschiede der unternehmerischen Selbstständigkeit zwischen Männern und
Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
6.1.3 Migration und Gründungsneigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
6.2 Standortwahl von Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
6.3 Berufliche Tätigkeit vor der Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
6.3.1 Gründungen aus Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
6.3.2 Die relativ hohe Gründungsneigung von Beschäftigten in Kleinunternehmen . . . . . . . . 72
6.3.3 Innovative Spin-offs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
6.4 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
6.5 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

7 Gründungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
7.1 Kapitalausstattung von Gründern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
7.2 Spezielle Probleme der Gründungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
7.3 Kreditrationierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
7.4 Venture Capital als Gründungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
7.4.1 Besonderheiten hoch-innovativer Gründungen und daraus resultierende
Finanzierungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
7.4.2 Definition und Arten von Venture Capital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
7.4.3 Ablauf von VC-Finanzierung und einige empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
7.5 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
7.6 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
IX
Inhaltsverzeichnis

Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

8 Individuelle, gesamtwirtschaftliche, sektorale und regionale


Determinanten von Gründungen und unternehmerischer
Selbstständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
8.1 Institutionelle Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
8.1.1 Der institutionelle Rahmen für unternehmerische Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
8.1.2 Gründungsbarrieren: Der administrative Gründungsaufwand im internationalen
Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
8.2 Wie entstehen unternehmerische Gelegenheiten und wie kann man sie fördern? . . 98
8.3 Persönliche Charakteristika und Gründungsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
8.4 Wohlstandsniveau, Konjunktur, Arbeitslosigkeit und Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
8.5 Marktspezifische (sektorale) Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
8.6 Die Bedeutung des regionalen Umfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
8.6.1 Zur Identifikation eines regionalen Einflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
8.6.2 Die Bedeutung von regionalen Gegebenheiten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
8.7 Die systemische Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
8.8 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
8.9 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

9 Wie entwickeln sich junge Unternehmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113


9.1 Die Gründungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
9.2 Die Entwicklung von Gründungskohorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
9.3 Die Erklärung des Zusammenhangs von Scheiteranfälligkeit und
Unternehmensalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
9.3.1 Liability of Newness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
9.3.2 Liability of Smallness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
9.3.3 Liability of Adolescence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
9.3.4 Liability of Aging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
9.4 Die Größenstruktur von Gründungskohorten und die Produktivitätsentwicklung
im Zeitverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
9.5 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
9.6 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

10 Erfolgsfaktoren von Unternehmensgründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125


10.1 Personenbezogene Analyse: Einkommen und Zufriedenheit von Selbstständigen . 126
10.2 Unternehmensbezogene Analyse: Hypothesen und empirische Evidenz zum
Erfolg von Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
10.2.1 Zur Methodik von Erfolgsfaktoren-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
10.2.2 Indikatoren zur Beurteilung des Erfolgs von Unternehmensgründungen . . . . . . . . . . . . 129
10.2.3 Hypothesen und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
10.3 Schnell wachsende Unternehmen (Gazellen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
X Inhaltsverzeichnis

10.4 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139


10.5 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

11 Wirkungen von Gründungsprozessen auf wirtschaftliche Entwicklung . . 143


11.1 Historischer Exkurs: Die Birch-Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
11.2 Direkte und mögliche indirekte Effekte von Gründungen auf wirtschaftliche
Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
11.3 Der empirische Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
11.3.1 Methodische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
11.3.2 Der direkte Beitrag von Unternehmensgründungen zur Beschäftigungsentwicklung . 149
11.3.3 Der Gesamteffekt von Gründungen auf wirtschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
11.3.4 Die Qualität von Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
11.3.5 Unterschiede der Wirkungen des Gründungsgeschehens zwischen Regionen und
Branchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
11.3.6 Regionale Wachstumsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
11.4 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
11.5 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

12 Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
12.1 Gegenstand der Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
12.2 Ziele der Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
12.3 Mögliche Begründungen für eine Förderung von Entrepreneurship . . . . . . . . . . . . . . . 162
12.3.1 Marktversagen als Begründung von Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
12.3.2 Systemversagen als Begründung von Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
12.4 Arten, Strategien und Ansatzpunkte für Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
12.4.1 Zwei Strategien der Entrepreneurship-Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
12.4.2 Ansatzpunkte für eine Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
12.5 Möglichkeiten zur Förderung innovativer Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
12.5.1 Noch einmal: Merkmale innovativer Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
12.5.2 Ansatzpunkte speziell zur Förderung innovativer Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
12.5.3 Ausgewählte Instrumente zur Förderung innovativer Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
12.5.4 Schlussbemerkung zur Förderung innovativer Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
12.6 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
12.7 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

13 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
XI

Abbildungsverzeichnis

Abb. 2.1 Schumpeter’sches und Kirzner’sches Entrepreneurship . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9


Abb. 2.2 Produktives, unproduktives und destruktives Entrepreneurship . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Abb. 3.1 Anzahl der unternehmerisch selbstständigen Personen und
Selbstständigenrate in Ost- und Westdeutschland 1991–2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Abb. 3.2 Selbstständige mit und ohne Beschäftigte in Deutschland 1991–2016 . . . . . . . . . 28
Abb. 3.3 Anzahl der Unternehmensgründungen in Deutschland 1995–2016 . . . . . . . . . . . . 29
Abb. 3.4 Unternehmensgründungen in Deutschland 1995–2016 in innovativen
Branchen des Verarbeitenden Gewerbes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Abb. 3.5 Räumliche Verteilung der durchschnittlichen jährlichen Anzahl der
Gründungen pro 1.000 Beschäftigten in Deutschland 2010–2016 . . . . . . . . . . . . . . 33
Abb. 3.6 Regionale Struktur der Gründungen in innovative Branchen des
Verarbeitenden Gewerbes – Durchschnittliche jährliche Anzahl der
Gründungen pro 1.000 Beschäftigten 2010–2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Abb. 3.7 Die Total Earl-Stage Entrepreneurial Activity 2017 in verschiedenen Ländern . . . 36
Abb. 3.8 Marktzutritte und Marktaustritte im Verlauf des Industrielebenszyklus . . . . . . . . . 36
Abb. 4.1 Ein einfaches Modell der unternehmerischen Selbstständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Abb. 5.1 Persönlichkeit und Qualifikationen als Determinanten unternehmerischer
Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Abb. 5.2 Typen von Risikopräferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Abb. 5.3 Einflussfaktoren auf die Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten . . . . . . . . . . 61
Abb. 6.1 Lebensalter und Gründungswahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Abb. 7.1 Finanzierungsquellen von jungen Unternehmen in Deutschland.
(Sonderauswertungen des IAB/ZEW-Gründungspanels zur
Finanzierungsstruktur von bis zu vier Jahre alten Unternehmen.
Eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Abb. 7.2 Gleichgewicht auf dem Kreditmarkt und Kreditrationierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Abb. 7.3 Der bankoptimale Zinssatz bei risikoreichen Projekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
Abb. 7.4 Arten von Beteiligungskapital (Equity) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
Abb. 9.1 Beschäftigung in Gründungskohorten und Überlebensraten in
Westdeutschland 1976–2005 – privater Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
Abb. 9.2 Hazardraten in Gründungskohorten – Westdeutschland 1976–2005 – privater
Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Abb. 9.3 Markteintritt und mindestoptimale Unternehmensgröße (MOG) . . . . . . . . . . . . . . . 119
Abb. 10.1 Nettoeinkommen pro Arbeitsstunde von Solo-Entrepreneuren, Unternehmern
mit weiteren Beschäftigten und abhängig Beschäftigten in Deutschland 2009 . . 127
Abb. 11.1 Direkte und indirekte Effekte von Gründungen auf Wirtschaftswachstum . . . . . . 145
Abb. 11.2 Gründungsgeschehen und Marktprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
Abb. 11.3 Gründungen und regionale Beschäftigungsentwicklung – Verteilung der
Time-Lags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
Abb. 11.4 Potenzielle regionale und branchenspezifische Einflussfaktoren auf die
Wirkungen von Unternehmensgründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Übersichtenverzeichnis

Übersicht 2.1 Arten von Entrepreneurship . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11


Übersicht 3.1 Wesentliche Ausprägungen der Marktdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Übersicht 3.2 Sektorale Struktur der Gründungen in Deutschland 2010–2016 . . . . . . . . . . . . 30
Übersicht 3.3 Wesentliche Kennzeichen eines entrepreneurhaften und eines
routinisierten technologischen Regimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Übersicht 7.1 Entwicklungsphasen hoch-innovativer Unternehmensgründungen und
Finanzierungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Übersicht 8.1 Empirische Befunde zur Bedeutung von persönlichen Charakteristika für
die Gründungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
Übersicht 8.2 Empirische Befunde zur Wirkung von Wohlstandsniveau, Konjunktur,
Arbeitslosigkeit und Kosten auf das Niveau der Gründungsaktivitäten . . . . . . 101
Übersicht 8.3 Empirische Befunde zur Wirkung von markt- bzw. branchenspezifischen
Faktoren auf das Niveau der Gründungsaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Übersicht 8.4 Empirische Befunde zur Wirkung von regionalen Gegebenheiten auf das
Niveau der Gründungsaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Übersicht 10.1 Hypothesen und empirische Befunde zur Bedeutung der Person des
Gründers für den Gründungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
Übersicht 10.2 Hypothesen und Befunde zur Bedeutung interner Charakteristika für den
Gründungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
Übersicht 10.3 Hypothesen zur Bedeutung von Standortbedingungen und regionalem
Umfeld für den Gründungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Übersicht 10.4 Hypothesen und Befunde zur Bedeutung von Marktgegebenheiten für
den Gründungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Übersicht 12.1 Ansatzpunkte einer Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
1 1

Einführung: Die Rolle von


Entrepreneurship in Wirt-
schaft und Gesellschaft

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_1
2 Kapitel 1  Einführung: Die Rolle von Entrepreneurship in Wirtschaft und Gesellschaft

Der Begriff Entrepreneurship steht für Fakto- pational Choice, mit dem zu erklären versucht
1 ren wie unternehmerische Initiative, Kreativi- wird, warum jemand sich dazu entschließt, un-
tät, Innovation und das Eingehen ökonomi- ternehmerisch tätig zu sein bzw. in abhängiger
scher Wagnisse. Er bezeichnet diejenigen For- Beschäftigung zu verbleiben. Eine Schlüsselrol-
men von Unternehmertum, die eine zentrale le kommt dabei den unternehmerischen Fähig-
Triebkraft für wirtschaftliche Entwicklung dar- keiten zu. 7 Kap. 5 beschäftigt sich zum einen
stellen. Da diese dynamischen Elemente des mit der Frage, was unter den unternehmeri-
Entrepreneurship vor allem mit neuen und jun- schen Fähigkeiten einer Person zu verstehen ist;
gen Unternehmen in Verbindung gebracht wer- zum anderen geht es darum, wie solche unter-
den, stehen Unternehmensgründungen meist nehmerischen Fähigkeiten erworben werden.
im Zentrum der Beschäftigung mit Entrepre- Dies umfasst nicht zuletzt auch die Übertra-
neurship; so auch in diesem Buch.1 gung von unternehmerischen Fähigkeiten zwi-
Dieses Buch soll in das Thema Entrepre- schen den Generationen. Das folgende 7 Kap. 6
neurship einführen und einen Überblick über behandelt demografische Merkmale und Kar-
den Stand der Forschung bieten. Dabei geht es riereverläufe von Gründern, wobei auch auf die
einmal darum, das Phänomen Entrepreneur- Standortwahl von Unternehmensgründungen
ship in seinen verschiedenen Spielarten zu be- eingegangen wird.
schreiben und seine Bedeutung für Wirtschaft 7 Kap. 7 ist dem wichtigen Bereich der
und Gesellschaft aufzuzeigen. Zum anderen Gründungsfinanzierung gewidmet. Dabei wird
werden Engpässe und Probleme behandelt so- zunächst ein Überblick über die Finanzie-
wie wirtschaftspolitische Handlungsoptionen rungsstruktur junger Unternehmen gegeben.
diskutiert. Kurz, das Buch soll einen Überblick Es schließt sich eine Erläuterung von Informa-
über ein sich sehr dynamisch entwickelndes tionsproblemen im Verhältnis zwischen Grün-
Themengebiet geben und dabei nicht zuletzt der und Kapitalgeber an. Diese Probleme so-
auch als Entscheidungshilfe für wirtschaftspo- wie relativ hohe Unsicherheit über den Erfolg
litische Akteure dienen. von Gründungsprojekten können zu einer ein-
Ausgangspunkt in 7 Kap. 2 ist eine Charak- geschränkten Funktionsfähigkeit des Marktes
terisierung von Entrepreneurship in seinen we- für Gründungskapital führen, mit der Folge,
sentlichen Ausprägungen. 7 Kap. 3 behandelt dass zu geringe finanzielle Mittel für Unterneh-
zunächst die Vorgehensweise sowie die Pro- mensgründungen zur Verfügung gestellt wer-
bleme bei der empirischen Erfassung von Un- den (Kreditrationierung). Eine mögliche Lö-
ternehmungsgründungen und unternehmeri- sung für dieses Problem, das vor allem für
scher Selbstständigkeit. Darauf aufbauend wird Gründer innovativer Unternehmen relevant ist,
ein Überblick über das Gründungsgeschehen besteht in der Beteiligungsfinanzierung (Ven-
und die Entwicklung von unternehmerischer ture Capital). Es wird ein Überblick über die
Selbstständigkeit in Deutschland sowie auch besonderen Finanzierungsprobleme von inno-
in ausgewählten anderen Ländern während vativen Gründungen gegeben und in einige
der letzten Jahre gegeben. Insbesondere wer- wesentliche Grundlagen der Beteiligungsfinan-
den auch Unterschiede zwischen Branchen und zierung eingeführt. Dabei geht es insbesondere
Regionen aufgezeigt. 7 Kap. 4 präsentiert das um die Frage, inwieweit die Finanzierungs-
grundlegende theoretische Modell des Occu- probleme innovativer Gründungen durch Ven-
ture Capital gelöst werden können und welcher
1
Dies stellt insofern eine Einengung des Themas dar, wirtschaftspolitische Handlungsbedarf in die-
als Entrepreneurship in dem hier verstandenen Sin- sem Bereich besteht.
ne eine Verhaltensweise darstellt, die auch in alt- Das 7 Kap. 8 gibt einen Überblick über em-
etablierten Unternehmen auftreten kann. Entrepre-
neurhaftes Verhalten ist auch keineswegs auf die
pirische Ergebnisse zu den Bestimmungsgrün-
wirtschaftliche Sphäre beschränkt, sondern kann ei- den von Gründungsaktivitäten sowohl in na-
gentlich sämtliche Lebensbereiche betreffen. tionaler, sektoraler wie auch in regionaler Per-
Einführung: Die Rolle von Entrepreneurship in Wirtschaft und Gesellschaft
3 1
spektive. Die Kenntnis dieser Determinanten In 7 Kap. 11 werden die zentralen For-
des Gründungsgeschehens ist von entscheiden- schungsergebnisse zum Effekt von Unterneh-
der Bedeutung für die Politik, wenn sie das mensgründungen auf wirtschaftliche Entwick-
Gründungsgeschehen beeinflussen, also bei- lung vorgestellt. Dabei wird insbesondere er-
spielsweise Unternehmensgründungen fördern läutert, auf welche Weise positive Wachstums-
will. 7 Kap. 9 beschäftigt sich mit Entwick- wirkungen von Unternehmensgründungen zu-
lungsmustern junger Unternehmen und von stande kommen und wovon das Ausmaß der
Gründungskohorten. Dabei werden insbeson- Wachstumsimpulse von Unternehmensgrün-
dere auch mögliche Ursachen für das hohe dungen abhängt. Die Kenntnis der relevanten
Scheiterrisiko junger Unternehmen behandelt. Zusammenhänge ist von entscheidender Be-
Gegenstand von 7 Kap. 10 ist der Erfolg von deutung für die Ausgestaltung und die Beurtei-
Unternehmern und von jungen Unternehmen. lung von Maßnahmen der Entrepreneurship-
Dabei liegt der Schwerpunkt bei den Deter- Politik, die mit dem Ziel der Förderung
minanten des Erfolgs von Unternehmensgrün- wirtschaftlichen Wachstums betrieben werden.
dungen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse Ansatzpunkte und Möglichkeiten der Förde-
empirischer Studien zum Einkommen von Un- rung von Gründungen und unternehmerischer
ternehmern im Vergleich zu abhängig Beschäf- Selbstständigkeit sind dann Gegenstand von
tigten zusammengefasst und diskutiert. 7 Kap. 12. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der
Allgemein werden von Gründungsprozes- Förderung innovativer Gründungen. Abschlie-
sen wichtige Impulse für wirtschaftliche Ent- ßend werden einige zentrale Ergebnisse zusam-
wicklungsprozesse erwartet. Solche positiven mengefasst.
Wachstumseffekte stellen eine zentrale Motiva-
tion für die Beschäftigung mit Entrepreneur-
ship dar.
5 2

Entrepreneurship,
Gründungen,
Marktdynamik

2.1 Entrepreneurship – 6

2.2 Entrepreneurship und Gründungen – 9

2.3 Arten von Entrepreneurship – 10


2.3.1 Einteilung nach Innovationsrelevanz und Motiv – 10
2.3.2 Einteilung nach den Wirkungen – 13
2.3.3 Einteilung nach der Vorerfahrung und der Anzahl der
Gründer – 14
2.3.4 Einteilung nach der Phase im Gründungsprozess – 14
2.3.5 Einteilung nach dem Neuheitsgrad und dem
rechtlich-organisatorischen Status des Unternehmens – 15

2.4 Mögliche Wirkungen des Gründungsgeschehens auf die


Wirtschaftsentwicklung – 15

2.5 Von der gemanagten zur unternehmerischen


Gesellschaft – 16

2.6 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse – 17

2.7 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 2 – 18

Literaturhinweise – 18

Weiterführende Literatur – 18

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_2
6 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

Wesentliche Fragestellungen nature du commerce en général“). Der Öko-


nom Jean-Baptiste Say (1767–1831, „Treatise on
4 Was ist Entrepreneurship? Political Economy“) beschrieb den Entrepre-
2 4 Was kennzeichnet entrepreneurhaftes Verhal- neur als „Master-Agent“, der Ressourcen kom-
ten? biniert, um Bedürfnisse zu befriedigen.Say be-
4 Welche Arten von Entrepreneurship lassen tont in diesem Zusammenhang, dass Entrepre-
sich unterscheiden? neurship Wissen, Urteilsfähigkeit und Risiko
4 Welche Bedeutung hat Entrepreneurship für beinhaltet. Im englischen Sprachgebrauch be-
die wirtschaftliche Entwicklung? zeichnete man den Unternehmer früher gele-
gentlich auch als Adventurer (= Abenteuerer).
Die moderne Diskussion um Entrepreneur-
Dieses einführende Kapitel erläutert den We- ship wurde entscheidend durch den österrei-
sensinhalt von Entrepreneurship, stellt ver- chischen Ökonomen Joseph Alois Schumpe-
schiedene in diesem Zusammenhang relevan- ter (1883–1950) geprägt. Schumpeter forschte
te Begriffe vor und zeigt wichtige Dimen- nach den wesentlichen Triebkräften wirtschaft-
sionen des Themas auf. Dabei geht es zu- licher Entwicklung. Er vertrat die Ansicht, dass
nächst einmal um den Begriff des Entrepre- wirtschaftliche Entwicklung in Schüben bzw.
neurship (7 Abschn. 2.1) sowie um den Zu- Zyklen verläuft, die jeweils durch bestimmte
sammenhang zwischen Entrepreneurship und grundlegende Innovationen ausgelöst werden.
der Gründung von Betrieben bzw. Unterneh- Als Auslöser solcher Entwicklungszyklen iden-
men (7 Abschn. 2.2). Darauf aufbauend folgt tifizierte Schumpeter innovative Unternehmer,
in 7 Abschn. 2.3 ein Überblick über verschie- die revolutionäre Neuerungen eingeführt und
dene Arten von Gründungen bzw. Entrepre- durchgesetzt haben. Diese Schumpeter’schen
neurship. 7 Abschn. 2.4 beschreibt einige we- Unternehmer waren in aller Regel nicht die
sentliche Wirkungen von Gründungen auf die Erfinder selbst, sondern Anwender von Erfin-
wirtschaftliche Entwicklung. 7 Abschn. 2.5 be- dungen.Meist handelte es sich um Außensei-
handelt das Phänomen der unternehmerischen ter der betreffenden Branche, die neu hinzu-
Selbstständigkeit im gesellschaftlichen Maß- kamen und sich gegen den teilweise heftigen
stab und vergleicht wesentliche Kennzeichen Widerstand der etablierten Anbieter behaupten
einer von Entrepreneuren geprägten Wirtschaft mussten. In seinem Buch „Sozialismus, Kapita-
und Gesellschaft („Entrepreneurial Society“) lismus und Demokratie“ beschreibt Schumpeter
mit einem von Großunternehmen dominier- die Funktion des Unternehmers als
ten System („Managed Society“). 7 Abschn. 2.6
fasst die wesentlichen Ergebnisse zusammen.
» . . . die Produktion durch Anwendung einer
Erfindung oder einer neuen technischen
2.1 Entrepreneurship Möglichkeit zu verändern oder zu revo-
lutionieren, also ein neues Produkt oder
Der Begriff Entrepreneur geht auf das franzö- ein herkömmliches Produkt auf eine neue
sische Verb entreprendre zurück, das „etwas Weise zu erzeugen.
tun“ bzw. „etwas unternehmen“ bezeichnet. Be- . . . Solche neuen Dinge zu unternehmen
zogen auf Geschäftstätigkeit wurde er wahr- ist schwierig und begründet eine besondere
scheinlich erstmals im 17. Jahrhundert als Be- ökonomische Funktion, erstens weil es
zeichnung für jemanden gebraucht, der ein außerhalb der Routineaufgaben liegt,
ökonomisches Projekt mit unsicheren Gewinn- auf die sich jeder versteht, und zweitens
aussichten durchführt, also Unsicherheit trägt wegen der mannigfachen Widerstände der
(Richard Cantillon, 1680–1734, „Essai sur la Umwelt. . . .
2.1  Entrepreneurship
7 2
» Diese Funktion besteht ihrem Wesen nach von Benzin- und Elektroantrieb von PKWs fanden bereits
weder darin, irgendetwas zu erfinden, noch Anfang der 1970er-Jahre an der Rheinisch-Westfälischen
Technischen Hochschule Aachen statt, stießen bei der
sonst wie Bedingungen zu schaffen die die
deutschen Automobilindustrie aber auf wenig Interesse.
Unternehmung ausnützt. Sie besteht darin, Der wirtschaftliche Durchbruch solcher Hybrid-Antriebe
dass sie Dinge in Gang setzt. (Schumpeter, fand dann mehr als 30 Jahre später durch japanische An-
1942/1946, 215) bieter statt.

Ein wesentliches Element der von Schum- Die Durchsetzung grundlegender Innova-
peter gegebenen Definition von Entrepreneur- tionen führt zu Strukturwandel, in dessen
ship ist die wirtschaftliche Anwendung von Er- Verlauf etablierte Technologien, Unternehmen
findungen bzw. ganz allgemein von Wissen, bzw. Industrien unrentabel und durch neue
die Innovation. Dabei wird Innovation sinn- Unternehmen bzw. Industrien ersetzt wer-
vollerweise umfassend verstanden als die Ein- den. Der durch die Einführung grundlegender
führung neuer Produkte (Produktinnovation), Neuerungen ausgelöste Strukturwandel wird
die Nutzung neuer Produktionsverfahren (Ver- auch als kreative Zerstörung charakterisiert.
fahrensinnovation), die Erschließung neuer Beispiele für eine solche kreative Zerstörung
Bezugsquellen (Beschaffungsinnovation) und/ sind etwa die Freisetzung von Arbeitskräften in
oder als die Erschließung neuer Absatzmärk- der Textilindustrie durch Einführung automa-
te (Marketinginnovation). Schumpeter fand in tisierter Webstühle im späten 18. und frühen
seinen historischen Studien diverse Beispiele 19. Jahrhundert, die Verdrängung von Pferde-
dafür, dass das Wissen bzw. die Erfindung, die droschken durch das Automobil in der ers-
innovativem Entrepreneurship zugrunde lag, ten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der Ersatz
bereits längere Zeit allgemein bekannt war. Als von Schreibmaschinen durch Computer oder
entscheidenden Engpass für die ökonomische die Verdrängung von stationärem Einzelhan-
Wirksamkeit von Wissen identifizierte er des- del durch Einkäufe im Internet. Ein Beispiel für
sen Anwendung durch innovative Unterneh- eine grundlegende Neuerung, durch die eine
mer. Schumpeter war sich sehr wohl darüber völlig neue Industrie geschaffen wurde, ohne
bewusst, dass nur ein kleiner Teil der Unterneh- dass Bestehendes in größerem Ausmaß obsolet
merschaft auf die von ihm beschriebene Weise wurde, ist die Einführung des Buchdrucks im
dynamische Anstöße erzeugt. Schumpeter’sche 15. Jahrhundert.
Unternehmer sind eine eher seltene Ausnahme, Die Wirkungen von innovativem Entre-
nicht die Regel. Demgemäß stellt das Fehlen preneurship können außerordentlich vielfäl-
Schumpeter’scher Unternehmer einen entschei- tig sein und weitere unternehmerische Gele-
denden Engpass wirtschaftlicher Entwicklung genheiten eröffnen. Beispielsweise führte die
dar. Einführung der Eisenbahn über eine Sen-
kung der Transportkosten zu einer räumli-
Für Schumpeters Erkenntnis, dass nicht das Wissen bzw. chen Ausweitung von Märkten und begünstig-
die Erfindung, sondern deren Umsetzung durch innova- te so die Ausschöpfung von Größenvorteilen
tive Unternehmer den eigentlichen Engpass wirtschaftli-
durch Massenproduktion. Dies hatte dann wie-
cher Entwicklung darstellt, lassen sich vielfältige Beispie-
le finden. So wurde etwa das Telefon zu einem wesentli- derum deutliche Auswirkungen auf die Sied-
chen Teil Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland von lungsstruktur, etwa dadurch, dass nun größe-
Johann Philipp Reis entwickelt, aber erst Jahre später in re Fabriken rentabel wurden und aus diesem
den USA wirtschaftlich erfolgreich eingeführt. Das MP3- Grund die Bevölkerung in den Städten zu-
Speicherformat für Musik wurde Ende der 1980er-Jahre nahm. Weitere Beispiele bieten Innovationen
am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlan-
gen entwickelt, erfuhr aber erst Jahre später mit der Ein-
im Bereich der Telekommunikation, wie zum
führung des iPod durch die Firma Apple die kommerziell Beispiel das Internet und das Smartphone. Die-
erfolgreiche Anwendung. Forschungen zur Kombination se Neuerungen haben zum einen zu einer dras-
8 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

tischen Senkung von Kommunikationskosten 4 Wachheit (Alertness) und das Erkennen


geführt, was wiederum die Koordination der von Gelegenheiten (Opportunity Recogni-
Arbeitsteilung über große räumliche Distan- tion),
2 zen (Globalisierung) begünstigt. Zum anderen 4 Kreativität,
hat die Verbreitung dieser Technologien we- 4 Initiative und Gestaltungswille,
sentliche Auswirkungen auf individuelles Ver- 4 Einführung neuer Ideen,
halten, auf viele Bereiche der sozialen Be- 4 Streben nach Selbstverwirklichung,
ziehungen sowie auf die Gesellschaft insge- 4 eigenverantwortliches Handeln,
samt. 4 Durchsetzungswille und -fähigkeit sowie
Zum Thema Entrepreneurship haben Au- 4 Risikobereitschaft.
toren unterschiedlicher Fachrichtungen wich-
tige Beiträge geleistet. Diese Vielfalt des jewei- Dieses Bild des dynamischen Unternehmers,
ligen fachlichen Hintergrunds ist wahrschein- des Entrepreneurs, steht in deutlichem Gegen-
lich ein wesentlicher Grund dafür, dass sich bis satz zu der Rolle des Unternehmers im öko-
heute keine einheitliche Definition des Begrif- nomischen Standardmodell der vollständigen
fes etabliert hat. Die Spanne der vorgeschla- Konkurrenz. In diesem Modell wird der Unter-
genen Begriffsbildungen reicht von Entrepre- nehmer nicht als ein unter Unsicherheit han-
neurship als Bezeichnung für das Management delnder Initiator von Veränderungen gesehen,
eines Unternehmens bis hin zum wagemuti- sondern er ist ein Anpasser an die von ihm
gen Innovator Schumpeter’scher Prägung. Ge- nicht zu beeinflussenden Rahmenbedingun-
meinsam ist so gut wie allen diesen Defini- gen. Die weitgehende Ausblendung von dyna-
tionen, dass ein entrepreneurhaft Handelnder mischem Unternehmertum im ökonomischen
versucht, Veränderungen zu bewirken. Entre- Standardmodell hat bereits Joseph Schumpeter
preneurship stellt damit ein dynamisches Ele- mit der Bemerkung kritisiert, die Behandlung
ment im Wirtschaftsgeschehen dar. Dabei geht wirtschaftlicher Phänomene ohne angemesse-
es weniger um die Optimierung eines gege- ne Einbeziehung der Rolle des Entrepreneurs
benen Status quo, sondern um dessen Verän- sei wie eine Diskussion über „Hamlet“ ohne Be-
derung. Entrepreneurship versucht Verände- rücksichtigung des Prinzen von Dänemark.
rung. Somit kann entrepreneurhaftes Handeln Eine viel diskutierte Definition von Entre-
als das Experimentieren mit neuen Produk- preneurship, die einen gewissen Gegensatz zur
ten bzw. Geschäftsideen charakterisiert wer- Sichtweise Joseph Schumpeters kennzeichnet,
den. Es ist damit eine inhärent mit Unsicherheit geht auf den Ökonomen Israel Kirzner zurück.
und Risiko verbundene Aktivität. Diese fun- Nach Kirzner besteht die Tätigkeit des Entre-
damentale Unsicherheit ist keineswegs auf die preneurs vor allem darin, Gewinnmöglichkei-
Einführung von Innovationen bzw. auf inno- ten wahrzunehmen, die sich aus Unvollkom-
vative Gründungen beschränkt. Auch der Er- menheiten des Marktes ergeben. Ein Beispiel
folg einer Unternehmensgründung, die allein hierfür sind Arbitrage-Geschäfte, die Preisun-
auf einer Imitation herkömmlicher Produkte terschiede zwischen Märkten ausnutzen und
bzw. Konzepte beruht, kann nicht mit Sicher- auf diese Weise zu einer Angleichung der Prei-
heit prognostiziert werden. Aufgrund dieser se führen. Der Entrepreneur trägt dazu bei,
Unsicherheit muss der Entrepreneur dazu be- dass sich die Märkte an ein Optimum annähern
reit und in der Lage sein, Risiken einzuge- oder dieses Optimum sogar erreichen.
hen. Der Unterschied zwischen Entrepreneur-
Entrepreneurship lässt sich auch anhand ship im Sinne von Kirzner und dem dyna-
der Merkmale von Personen und deren Hand- mischen Unternehmertum nach Schumpeter
lungen kennzeichnen. Solche entrepreneurhaf- lässt sich grafisch mit Hilfe von Transformati-
ten Eigenschaften von Personen sind etwa: onskurven illustrieren (. Abb. 2.1). Die Trans-
2.2  Entrepreneurship und Gründungen
9 2

Transformationskurve

B Schumpeter

Kirzner
A

. Abb. 2.1 Schumpeter’sches und Kirzner’sches Entrepreneurship

formationskurve gibt Kombinationen zweier 2.2 Entrepreneurship und


Güter X und Y an, die in einer Volkswirtschaft Gründungen
zu einem bestimmten Zeitpunkt maximal pro-
duziert werden können; sie beschreibt also
das Produktionspotenzial. Punkte die zwischen Entrepreneurship in dem hier beschriebenen
den Achsen und der Transformationskurve lie- Sinne stellt eine Leitungsfunktion dar, die
gen (z. B. Punkt A in . Abb. 2.1), bezeichnen man auch allgemein als „Unternehmertum“ be-
ineffiziente Zustände, in denen die Produkti- schreiben könnte. Demnach ließe sich jede
onsmöglichkeiten aufgrund von Marktunvoll- unternehmerische Tätigkeit oder, ganz allge-
kommenheiten nicht vollständig ausgeschöpft mein, berufliche Selbstständigkeit als Entrepre-
werden. Kirzner’sches Entrepreneurship führt neurship auffassen. Mit einer solchen Begriffs-
dazu, dass die vorhandenen Möglichkeiten bes- fassung ist allerdings entrepreneurhaftes Ver-
ser ausgeschöpft werden, d. h. ausgehend von halten von abhängig Beschäftigten innerhalb
einem ineffizienten Zustand, wird ein Zustand eines bestehenden Unternehmens, zum Bei-
erreicht, der näher an der Transformationskur- spiel durch angestellte Manager, vom Begriff
ve oder sogar auf dieser Kurve liegt. Im Ge- des Entrepreneurship ausgeschlossen. Solches
gensatz dazu erweitert Schumpeter’sches Entre- entrepreneurhaftes Verhalten von abhängig Be-
preneurship durch Einführung einer grund- schäftigten innerhalb bestehender Unterneh-
legenden Innovation die Produktionsmöglich- men wird auch als Intrapreneurship bezeichnet.
keiten, wodurch sich die Transformationskurve Entrepreneurship als eine auf Veränderun-
nach außen verschiebt, und etwa ein Punkt gen abzielende Tätigkeit wird insbesondere
wie C in . Abb. 2.1 erreicht werden kann. Im neu gegründeten und jungen Unternehmen
Vergleich zum Ausganspunkt B repräsentiert zugesprochen, obwohl grundsätzlich natürlich
Punkt C ein höheres gesellschaftliches Wohl- auch alt-etablierte Unternehmen im Schum-
standsniveau, weil hier eine größere Menge bei- peter’schen Sinne innovativ handeln können.
der Güter X und Y produziert werden kann. Der Grund für diese Einengung des Begriffs
10 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

auf neu gegründete und junge Unternehmen werden. Der wesentliche Grund dafür, dass alt-
besteht darin, dass bei den Newcomern ei- etablierte Unternehmen nur selten radikale In-
ne besondere Dynamik gesehen wird. Versteht novationen einführen, besteht aber wohl da-
2 man die Gründung eines Unternehmens als ein rin, dass sie davor zurückscheuen, sich selbst
mehr oder weniger risikoreiches Experiment, Konkurrenz zu machen und damit ihr etablier-
mit dem die ökonomische Tragfähigkeit einer tes Produktprogramm zu kannibalisieren. Wird
Geschäftsidee getestet wird, dann stellt das Ni- der Vorschlag eines Mitarbeiters für ein neues
veau der Gründungsaktivitäten in einem Land, Produkt von der Unternehmensleitung abge-
einer Branche oder einer Region ein Maß dafür lehnt, so besteht häufig die einzige Möglichkeit
dar, inwiefern Neues ausprobiert wird. Dieser zur Verwirklichung dieser Idee in der Grün-
Experiment-Charakter ist bei den am Markt dung eines eigenen Unternehmens.
etablierten Unternehmen in weit geringerem
Maße gegeben, da hier bereits Erfahrungen
über den Erfolg des betreffenden Geschäftsmo- 2.3 Arten von Entrepreneurship
dells existieren.
Die Bedeutung von Gründungen für Ent- Angesichts der vielfältigen Formen von
wicklungsimpulse wird durch die Beobachtung Entrepreneurship ist es sinnvoll, zwischen ver-
unterstrichen, dass grundlegende, radikale In- schiedenen Arten von Entrepreneurship zu
novationen in der ganz überwiegenden Anzahl differenzieren. Der folgende Überblick über
der Fälle von neuen Unternehmen eingeführt solche Einteilungen von Entrepreneurship
werden. Ein prominentes Beispiel für eine sol- unterscheidet zwischen Innovationsrelevanz
che radikale Innovation durch Newcomer ist und Motiv (7 Abschn. 2.3.1), den Wirkungen
die Entwicklung des Flugzeugs durch die Ge- von Entrepreneurship (7 Abschn. 2.3.2), der
brüder Wright, die ursprünglich Fahrradhänd- Vorerfahrung und der Anzahl der Gründer
ler waren, und ihre Flugversuche neben die- (7 Abschn. 2.3.3), der Phase im Gründungs-
sem Geschäft. Andere Beispiele sind etwa die prozess (7 Abschn. 2.3.4) sowie nach dem Neu-
Entwicklung des Personal Computers durch heitsgrad und dem rechtlich-organisatorischen
Elektronik-Bastler Mitte der 1970er-Jahre so- Status (7 Abschn. 2.3.5). In . Übersicht 2.1 sind
wie viele Bereiche der Internet-Ökonomie, wie die verschiedenen Definitionen zusammenge-
etwa die Entwicklung von Browsern, Suchma- stellt.
schinen, Auktionsplattformen, sozialen Netz-
werken etc.
Im Vergleich zu den Gründungen verhalten
2.3.1 Einteilung nach
sich die bereits am Markt etablierten Firmen
in Bezug auf radikale Innovation in der Re- Innovationsrelevanz und
gel recht zurückhaltend. Es gibt viele Beispiele Motiv
dafür, dass die Initiative von Mitarbeitern für
neue Produkte in etablierten Unternehmen ab- Da Entrepreneurship im Kern auf Innova-
gelehnt wurde und diese Mitarbeiter ihre Idee tion und Erneuerung abzielt, liegt es nahe,
dann mittels Gründung eines eigenen Unter- Gründungen entsprechend ihrer Relevanz für
nehmens – häufig erfolgreich – umgesetzt ha- Innovationsprozesse zu unterscheiden. Dem-
ben (ausführlich hierzu 7 Abschn. 5.6). Diese nach sind unter innovativen Gründungen sol-
Reserviertheit etablierter Unternehmen gegen- che neuen Unternehmen zu verstehen, die mit
über neuen Ideen kann einmal mit einer ri- einem wesentlich neuen Produkt, einer neu-
sikoscheuen Haltung angesichts der unsiche- en Produktionsweise, einem neuartigen Ver-
ren Erfolgsaussichten einer Innovation erklärt triebskonzept und/oder einer neuen Beschaf-
2.3  Arten von Entrepreneurship
11 2

. Übersicht 2.1 Arten von Entrepreneurship

Unterteilung nach der Innovationsrelevanz

Innovative Gründungen Die Gründung ist mit einer wesentlichen Neuerung verbunden (i. d. R.
Produktinnovation). Z. B. Hightech-Gründung bzw. technologieorientier-
te Unternehmensgründung (TOU).

Wissensintensive Gründungen Für die Gründung ist spezielles Wissen erforderlich bzw. es werden
wissensintensive Güter produziert. Spezielle Kategorie im Dienstleis-
tungssektor.

Nicht-innovative (imitative bzw. Die Gründung ist nicht mit einer wesentlichen Innovation verbunden.
replikative) Gründung

Unterteilung nach dem Motiv

Opportunity Entrepreneurship Gründung bzw. Führung eines Unternehmens, um eine sich bietende
Chance zu ergreifen bzw. eine Idee zu realisieren (z. B. innovatives Unter-
nehmen).

Necessity Entrepreneurship Gründung bzw. Führung eines Unternehmens aus einer Notlage heraus
(z. B. aufgrund drohender oder tatsächlich eingetretener Arbeitslosig-
keit).

Ambitious Entrepreneurship Unternehmen mit starker Wachstumsorientierung.

Social Entrepreneurship Neben ökonomischen Zielen werden mit dem Unternehmen in wesentli-
chem Umfang auch soziale Ziele verfolgt.

Unterscheidung nach den Wirkungen

Produktives Entrepreneurship Trägt direkt oder indirekt zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen
Wohlfahrt bei (Schumpeter’scher Unternehmer). Beispiel: Innovative
Gründungen.

Unproduktives Entrepreneurship Bewirkt lediglich eine Umverteilung von Einkommen. Z. B. nicht-


innovative Gründungen, Rent-Seeking, Aufwand zur Steuervermeidung,
Abschreibungsgesellschaften.

Destruktives Entrepreneurship Führt zu einer Verringerung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt. Bei-


spiele: Raubrittertum, Korruption, Kriminalität, Krieg, Sklavenhandel.

Unterteilung nach der Vorerfahrung des Gründers

Novice Entrepreneur Jemand gründet erstmalig ein Unternehmen.

Habitueller Entrepreneur, Serien- Jemand gründet wiederholt Unternehmen.


gründer

Portfolio-Gründer (Parallel Entre- Jemand, der ein Unternehmen gründet und ein früher von ihm gegrün-
preneur) detes Unternehmen parallel dazu weiterführt.

Re-Starter Ein Gründer, der vorher bereits ein Unternehmen gegründet hat und
nach Schließung oder Verkauf des Unternehmens wieder gründet.

Spin-off Gründung Der Gründer war vor dem Schritt in die Selbstständigkeit in einer Organi-
sation (Unternehmen, Hochschule, Forschungsinstitut) tätig und knüpft
mit dem neuen Unternehmen direkt an diese Tätigkeit an.
12 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

. Übersicht 2.1 (Fortsetzung)

Unterteilung nach der Anzahl der beteiligten Personen


2 Einzelgründer Der Gründer ist eine einzelne Person.

Team-Gründer Mehrere Personen schließen sich zusammen und gründen ein Unterneh-
men, in dem sie gemeinsam tätig sind.

Solo-Entrepreneur Ein Unternehmer, der die alleinige Arbeitskraft in dem Unternehmen


darstellt (Selbstbeschäftigung; evtl. einschließlich mithelfender Familien-
angehöriger).

Unterscheidung nach der Phase im Gründungsprozess

Latenter oder potentieller Entre- Person, die ein Unternehmen gründen könnte, bisher aber noch keine
preneur konkreten Schritte hierzu unternommen hat.

Nascent Entrepreneur Jemand, der dabei ist, ein Unternehmen zu gründen oder der die Grün-
dung eines Unternehmens konkret plant.

Junger Unternehmer (Young Entre- Leiter eines jungen Unternehmens – im Global Entrepreneurship Monitor
preneur) (GEM) operationalisiert als Unternehmen, das weniger als 3,5 Jahre alt ist.

Unterteilung nach dem Neuheitsgrad des Unternehmens

Originäre Gründung Für die Gründung werden neue Kapazitäten errichtet.

Derivative Gründung Für die Gründung werden keine neuen Kapazitäten errichtet (z. B. Über-
nahme eines bestehenden Betriebs/Unternehmens).

Unterteilung nach dem Grad an rechtlich-organisatorischer Selbstständigkeit

Selbstständige Gründung Der Gründer ist unabhängig.

Unselbstständige Gründung Der Gründer steht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu anderen Unter-


nehmen (z. B. Übernahme einer Filiale, Franchisenehmer, etc.).

fungsmethode verbunden sind. Man spricht Entsprechend dem Gründungsmotiv wird


in diesem Zusammenhang auch von High- häufig zwischen OpportunityEntrepreneurship
tech-Gründungen oder technologieorientier- und NecessityEntrepreneurship unterschieden.
ten Unternehmensgründungen (TOU). Empi- Von Opportunity Entrepreneurship spricht man,
risch grenzt man diese innovativen Gründun- wenn das wesentlich Motiv der Gründung da-
gen häufig über ihr Produktprogramm bzw. ih- rin besteht, eine sich bietende Chance zu er-
re Branchenzugehörigkeit ab. Eine solche pro- greifen bzw. eine Idee zu realisieren, wie dies
duktorientierte Definition innovativer Grün- bei der Gründung eines innovativen Unterneh-
dungen erweist sich im Dienstleistungssektor mens in der Regel unterstellt werden kann. Ne-
allerdings deshalb als problematisch, weil vie- cessity Entrepreneurship bezeichnet die Grün-
le Dienstleistungsanbieter gar kein klar defi- dung bzw. Führung eines Unternehmens aus
niertes Produkt haben, sondern überwiegend einer Notlage heraus, etwa aufgrund drohen-
ihr Wissen problemorientiert im Interesse der der oder tatsächlich eingetretener Arbeitslo-
Kunden anwenden. Aus diesem Grund werden sigkeit. Mit AmbitiousEntrepreneurship kenn-
innovative Gründungen im Dienstleistungs- zeichnet man eine Gründung, die mit starker
sektor als wissensintensiv klassifiziert. Nicht- Wachstumsorientierung betrieben wird.
innovative Gründungen bezeichnet man gele- Der Begriff des Social Entrepreneurship wird
gentlich auch als imitativ oder replikativ. zum Teil recht unterschiedlich definiert. Allge-
2.3  Arten von Entrepreneurship
13 2
mein bezeichnet man damit ein Unternehmen, Destruktives Entrepreneurship bezeichnet
das in wesentlichem Umfang auch soziale Ziele alle diejenigen Aktivitäten, die zwar den Merk-
verfolgt, wobei diese soziale Komponente un- malen von entrepreneurhaftem Verhalten wie
terschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Wird Eigenverantwortlichkeit, Initiative, Risikobe-
der sozialen Komponente ein hoher Stellenwert reitschaft und Durchsetzungsfähigkeit entspre-
beigemessen, dann ist der wirtschaftliche Er- chen, im Ergebnis aber zu einer Verringerung
folg lediglich ein notwendiges Mittel, um die der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt führen.
Existenz des Unternehmens und damit die Er- Beispiele hierfür wären etwa Raubrittertum,
füllung der sozialen Ziele zu sichern. Diese Kriminalität, Sklavenhandel und ähnliche Ak-
sozialen Ziele können sehr vielfältig sein und tivitäten. Mit der Unterscheidung dieser drei
etwa den Umweltbereich, gesellschaftliche Inte- Arten von Entrepreneurship ist die Vorstellung
gration von bestimmten Bevölkerungsgruppen verbunden, dass die Wirkungen von entrepre-
oder die Bereitstellung als erwünscht angesehe- neurhaftem Verhalten auf wirtschaftliche Ent-
ner Güter betreffen. wicklung wesentlich von den gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen und den damit verbun-
denen Anreizen abhängen. Entsprechend be-
steht eine wichtige Aufgabe der Politik darin,
2.3.2 Einteilung nach den
die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass
Wirkungen sie für produktives Entrepreneurship förder-
lich sind und unproduktive sowie destruktive
Entsprechend den Wirkungen von Gründun- Formen von Entrepreneurship möglichst un-
gen bzw. Entrepreneurship auf die wirtschaft- terbunden werden.
liche Entwicklung unterscheidet man zwi- Der Unterschied zwischen produktivem,
schen produktivem, unproduktivem sowie de- unproduktivem und destruktivem Entrepre-
struktivem Entrepreneurship. Damit wird der neurship lässt sich wiederum anhand von
Tatsache Rechnung getragen, dass Entrepre- Transformationskurven illustrieren. Demnach
neurship nicht per se zu Wachstum beiträgt, bewirkt produktives Entrepreneurship eine Er-
sondern ganz im Gegenteil auch wohlfahrts- höhung des Produktionspotenzials und damit
mindernd wirken kann. eine Verschiebung der Transformationskurve
Produktives Entrepreneurship meint die Er- nach außen, also etwa von Punkt B in . Abb. 2.2
richtung solcher Unternehmen, die einen po- nach Punkt C. Unproduktives Entrepreneur-
sitiven Beitrag zur Entwicklung leisten. Von ship hat keinen Einfluss auf die Produktions-
unproduktivem Entrepreneurship spricht man, möglichkeiten, sondern führt allenfalls zu einer
wenn lediglich eine Umverteilung von Ein- Veränderung der hergestellten Güterkombina-
kommen bzw. von Marktanteilen bewirkt wird tion. Es kann als Bewegung entlang einer gege-
(Beispiel: Marktdynamik durch rein imita- benen Transformationskurve, etwa von Punkt
tive Gründungen). Hierzu gehören insbeson- B nach Punkt B‘, dargestellt werden. Destruk-
dere auch Erfindungsreichtum und Initiati- tives Entrepreneurship bewirkt eine Verringe-
ve im Bereich der Steuervermeidung (z. B. rung des Produktionspotenzials, was als Ver-
Gründung von Abschreibungsgesellschaften) schiebung der Transformationskurve zum Ur-
oder zur Erlangung spezieller Vergünstigun- sprung hin bzw. als Veränderung von Punkt B
gen (Rent-Seeking). Da viele Formen eines sol- in . Abb. 2.2 nach Punkt A dargestellt werden
chermaßen unproduktiven Entrepreneurship kann. Als Ergebnis dieser Entwicklung kann
die Anreize zu effizientem Verhalten mindern, von beiden Gütern nur noch eine geringere
können sie langfristig destruktiv wirken. Menge als vorher hergestellt werden.
14 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

2 Transformationskurve

unproduktiv
B‘ C

B produktiv

A
destruktiv

. Abb. 2.2 Produktives, unproduktives und destruktives Entrepreneurship

2.3.3 Einteilung nach der Entsprechend der Anzahl der an einem


Vorerfahrung und der Anzahl Gründungsprojekt beteiligten Personen unter-
der Gründer scheidet man zwischen Einzelgründern und
Team-Gründern. Ein Unterfall eines Einzel-
gründers ist der Solo-Entrepreneur, der die al-
Bei einer Unterteilung nach der Vorerfahrung
leinige Arbeitskraft in dem betreffenden Unter-
des Gründers unterscheidet man zwischen ei-
nehmen darstellt (Selbstbeschäftigung), even-
nem Novice Entrepreneur, der erstmalig ein
tuell ergänzt um mithelfende Familienangehö-
Unternehmen gründet, sowie einem habituel-
rige.
len Entrepreneur bzw. Seriengründer, der bereits
über unternehmerische Erfahrung verfügt und
zum wiederholten Male als Gründer tätig wird.
Habituelle Entrepreneure werden weiter unter-
2.3.4 Einteilung nach der Phase im
teilt in Portfolio Gründer und Re-Starter. Ein
Portfolio Gründer ist jemand, der ein Unterneh- Gründungsprozess
men gründet und parallel dazu ein früher von
ihm gegründetes Unternehmen weiterführt. Im Weit verbreitet ist die Unterscheidung von Un-
Gegensatz dazu gründet ein Re-Starter erst ternehmern entsprechend der Phase im Grün-
nachdem ein bereits früher von ihm gegrün- dungsprozess. Demnach bezeichnet man Per-
detes Unternehmen geschlossen bzw. verkauft sonen, die ein Unternehmen gründen könnten,
wurde. Spin-off Gründer waren vor dem Schritt bisher aber noch keine konkreten Schritte hier-
in die Selbstständigkeit in einer Organisati- zu unternommen haben, als latente oder poten-
on (Unternehmen oder öffentliche Forschungs- zielle Unternehmer. NascentEntrepreneurs sind
einrichtung) tätig und knüpfen mit den Unter- Personen, die eine Grünung konkret planen
nehmen direkt an diese Tätigkeit an. oder bereits konkrete Schritte zu einer Grün-
2.4  Mögliche Wirkungen des Gründungsgeschehens auf die Wirtschaftsentwicklung
15 2
dung unternommen haben. Es handelt sich also 2.4 Mögliche Wirkungen des
um im Werden befindliche Unternehmer. Gründungsgeschehens auf die
Junge Unternehmer (YoungEntrepreneurs) Wirtschaftsentwicklung
sind Leiter von noch nicht am Markt eta-
blierten Unternehmen. Der Global Entrepre-
neurship Monitor (GEM), ein internationaler Die Wirkungen von Gründungen auf die wirt-
Forschungsverbund, der weltweit Informatio- schaftliche Entwicklung sind vielschichtig und
nen zum Gründungsgeschehen erhebt, klassifi- komplex. Aus der Entwicklung der neu gegrün-
ziert solche Unternehmen als jung, bei denen deten Unternehmen, also etwa die Anzahl und
der Zeitpunkt der Gründung weniger als 3,5 Qualität der entstandenen Arbeitsplätze, lassen
Jahre zurück liegt. Unternehmen, die 3,5 Jahre sich allenfalls erste Hinweise zu diesen Wir-
und älter sind, werden im Rahmen des GEM- kungen ableiten. Neben diesem direkten Effekt
Projektes als etabliert (EstablishedBusiness Ow- der Gründungen sind mindestens zwei Arten
nership) klassifiziert. Von diesen Unternehmen von indirekten Wirkungen zu berücksichtigen.
wird angenommen, dass sie die Anfangspro- Dabei handelt es sich zum einen um die Ver-
bleme weitgehend überwunden haben und im drängung etablierter Anbieter durch erfolgrei-
Markt etabliert sind. che Newcomer, ein Prozess, den Schumpeter
als kreative Zerstörung gekennzeichnet hat. In
einer genaueren Analyse der Effekte von Grün-
2.3.5 Einteilung nach dem dungen sind daher neben den Zuwächsen in
den neuen Unternehmen auch die Verluste in
Neuheitsgrad und dem
den verdrängten Alt-Unternehmen zu berück-
rechtlich-organisatorischen sichtigen. Zum anderen induziert der Wettbe-
Status des Unternehmens werb durch Newcomer in der Regel Reaktio-
nen der etablierten Anbieter, wie beispielswei-
Nach dem Neuheitsgrad der Gründung unter- se Kostenreduktion, Erhöhung der Flexibilität
scheidet man zwischen einer originären Grün- und Veränderungen des Produktprogramms.
dung (für die Gründung werden neue Kapazi- Solche Reaktionen können zu wesentlichen
täten errichtet) sowie einer derivativen Grün- Produktivitätssteigerungen und zu verbesser-
dung, für die bestehende Kapazitäten genutzt ter Wettbewerbsfähigkeit der etablierten Fir-
werden, wie etwa im Falle der Übernahme ei- men führen, was sich dann auch positiv auf die
nes bestehenden Unternehmens. Man kann da- Wirtschaft insgesamt auswirkt. Die durch Un-
von ausgehen, dass der Experiment-Charakter ternehmensgründungen ausgelösten Prozesse
im Falle einer originären Gründung wesentlich sind häufig eng mit Innovation und Struktur-
stärker ausgeprägt ist als bei der Übernahme wandel verknüpft.
eines bereits längere Zeit etablierten Unterneh- Für das Ausmaß der durch Gründungen
mens. ausgelösten Effekte sind zwei Faktoren von we-
Entsprechend dem rechtlich-organisatori- sentlicher Bedeutung:
schen Status kann man zwischen selbststän- 4 Erstens, hängen die Wirkungen wesentlich
digen und unselbstständigen Gründungen un- davon ab, inwiefern die Newcomer eine
terscheiden, wobei die unselbstständige Grün- Herausforderung für die etablierten An-
dung durch ein Abhängigkeitsverhältnis zu an- bieter darstellen und Verbesserungen anre-
deren Unternehmen gekennzeichnet ist. Ein gen. Daher ist zu vermuten, dass für die
Beispiel für eine unselbstständige Gründung Wachstumseffekte von Gründungen weni-
wäre die Errichtung eines Unternehmens als ger die Anzahl neuer Unternehmen, son-
Franchisenehmer, der eng an Geschäftskonzept dern vor allem ihre Qualität im Sinne ei-
und sonstige Vorgaben des Franchisegebers ge- ner Herausforderung der etablierten Anbie-
bunden ist. ter von Bedeutung ist. Bestimmungsgründe
16 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

dieser Qualität der Gründungen sind et- gen, dass die in einer Gesellschaft vorhandenen
wa die unternehmerischen Fähigkeiten des Fähigkeiten und Potenziale besser in produkti-
Gründers, die Intensität der Vorbereitung ver Weise ausgeschöpft werden.
2 der Gründung sowie die Innovativität des
Produktprogramms und der Produktions-
weise. 2.5 Von der gemanagten zur
4 Zweitens, werden die Wirkungen auch we-
sentlich dadurch bestimmt, wie stark und
unternehmerischen
auf welche Weise die etablierten Anbieter Gesellschaft
auf die Herausforderung durch die neuen
Wettbewerber reagieren. Die Entwicklung der modernen Industriege-
sellschaften war lange Zeit durch eine immer
Aus dieser wettbewerblichen Interaktion von stärker werdende Stellung von marktmächtigen
neuen und etablierten Unternehmen ergeben Großunterunternehmen gekennzeichnet. Die-
sich die Wirkungen von Gründungen. Dabei ist se ca. Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende
es letztendlich unbedeutend, ob sich die neu- Entwicklung beruhte zu einem wesentlichen
en oder die etablierten Unternehmen am Markt Teil auf den Kostenvorteilen der industriellen
durchsetzen. Wichtig ist der Anstoß von Verän- Massenproduktion. Sowohl die Marktmacht als
derungen durch Gründungen und die entspre- auch die politischen Einflussmöglichkeiten der
chend produktive Reaktion der etablierten An- großen Unternehmen waren und sind dazu ge-
bieter. Durch das Erzeugen von solchen wett- eignet, die Wirksamkeit von Markt und Wett-
bewerblichen Impulsen leisten Gründungen bewerb als Koordinationsmechanismus negativ
einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwick- zu beeinträchtigen.
lung, selbst dann, wenn sie nach einiger Zeit Eine von Großunternehmen geprägte Ge-
wieder aus dem Markt ausscheiden müssen. sellschaft wird deshalb als gemanagt bezeich-
Die Wirkungen von Gründungen auf die wirt- net, weil wesentliche wirtschaftliche Entschei-
schaftliche Entwicklung werden in 7 Kap. 11 dungen nicht von Unternehmern, sondern von
ausführlich behandelt. angestellten Managern getroffen werden. Diese
Eine weitere wichtige Funktion von Entre- Manager werden im Zweifel nur recht unvoll-
preneurship für die Gesellschaft besteht da- ständig von den Eigentümern, in der Regel den
rin, dass unternehmerische Selbstständigkeit Aktionären (Großunternehmen haben heutzu-
die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs bietet, tage in der Regel die Rechtsform einer Akti-
etwa die sprichwörtliche Karriere „vom Teller- engesellschaft), kontrolliert. Die Organisation
wäscher zum Millionär“. Schon Schumpeter hat eines großen Unternehmens ist notwendiger-
im Rahmen seiner historischen Analysen klar weise stark hierarchisch geprägt, mit typischen
herausgearbeitet, dass es häufig nicht die Rei- Merkmalen bürokratischer Strukturen, die ein
chen und Wohl-Etablierten waren, die als dyna- hohes Maß an Inflexibilität mit sich bringen.
mische Unternehmer gewirkt haben, sondern Eine Karriere innerhalb solcher Großunterneh-
meist gesellschaftliche Außenseiter. Die Grün- men – auch als langwierige Ochsentour gekenn-
dung eines eigenen Unternehmens stellt eine zeichnet – erfordert formale Qualifikationen,
Möglichkeit dar, seine Talente weitgehend un- Unterordnung und Disziplin. Diese Erfolgsfak-
abhängig von formaler Qualifikation und übli- toren stehen in deutlichem Gegensatz zu den
chen Karrierepfaden zu entfalten und kommer- typischen Kennzeichen von Entrepreneurship
ziell zum Tragen zu bringen. Dies ist nicht nur im Sinne Schumpeters, wie etwa Flexibilität,
deshalb wichtig, weil es die Chancen- und Leis- Eigeninitiative und dem Willen zur Durchset-
tungsgerechtigkeit in einer Gesellschaft erhöht. zung eigener Ideen (siehe 7 Abschn. 2.1).
Die Möglichkeit zu unternehmerischer Selbst- In eigentlich allen entwickelten Industrie-
ständigkeit kann auch wesentlich dazu beitra- staaten ist der Trend zu immer größeren Un-
2.6  Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse
17 2
ternehmen spätestens seit Beginn der 1970er- reitschaft, die sich zum Teil grundlegend von
Jahre zum Stillstand gekommen. Seit dieser den oben genannten Erfolgsfaktoren in einer
Zeit mussten viele ehemalige Großunterneh- gemanagten Gesellschaft unterscheiden.
men massiv Beschäftigung abbauen. Ein Grund
hierfür ist die durch den Trend zur Globali-
sierung der Wirtschaft beförderte zunehmende 2.6 Zusammenfassung
Preiskonkurrenz aus Schwellenländern im Be-
reich der standardisierten Massenproduktion.
wesentlicher Ergebnisse
Eine weitere Ursache wird in der steigenden
Nachfrage nach mehr individuellen und da- Entrepreneurship bezeichnet Unternehmer-
mit nicht-standardisierten Gütern und Dienst- tum im Sinne der Gründung und Leitung
leistungen gesehen, die sich nicht in großen eines Unternehmens. Erfolgreiches Entre-
Stückzahlen herstellen lassen. Mit diesen Ent- preneurship erfordert das Erkennen von
wicklungen verschob sich die Konkurrenz in- unternehmerischen Gelegenheiten, Kreativität,
nerhalb der Industrieländer immer stärker hin Initiative, Gestaltungswillen, Eigenverant-
zu wissensintensiven Tätigkeiten und innova- wortung, Durchsetzungsfähigkeit sowie die
tiven Produkten in den frühen Phasen ihres Bereitschaft und die Fähigkeit zum Tragen
Lebenszyklus. von Risiko. Ein wesentliches Motiv für die
Unter diesen Bedingungen erwiesen sich Beschäftigung mit dem Phänomen des Entre-
neu gegründete Unternehmen, die von ihren preneurship besteht in der Erkenntnis, dass
Eigentümern geführt wurden, vielfach als sehr Innovation, Strukturwandel und Wachstum
erfolgreich. Prominente Beispiele für Produkt- wesentlich auf dem Wirken von innovati-
bereiche, die wesentlich durch neu gegründete ven Unternehmerpersönlichkeiten beruhen
Unternehmen bzw. durch dynamische Unter- bzw. dass ein Fehlen von innovativem Entre-
nehmerpersönlichkeiten initiiert und vorange- preneurship eine wesentliche Ursache von
trieben wurden, sind der Personal Computer, Wachstumsschwäche darstellen kann.
die Internetwirtschaft und die Biotechnologie. Die Gründung eines Unternehmens im All-
Begünstigt wurde diese zunehmende Bedeu- gemeinen und eines innovativen Unterneh-
tung von Neugründungen und Unternehmer- mens im Besonderen stellt ein Experiment
tum durch Entwicklungen im Bereich flexibler dar, mit dem eine Geschäftsidee einem empi-
Fertigungstechniken (z. B. computergesteuer- rischen Test unterzogen wird. In dieser Sicht
te Anlagen) und der Informationstechnologie. spiegelt sich in den Gründungsaktivitäten das
Diese Technologien haben zu einer deutlichen Ausprobieren von Neuerungen wider. Entspre-
Reduktion der mindestoptimalen Betriebsgrö- chend der Innovationsrelevanz, dem Grün-
ße geführt, wodurch sich die Markteintrittsbar- dungsmotiv, den Wirkungen, der Vorerfahrung
rieren in vielen Bereichen wesentlich vermin- des Gründers und weiterer Kriterien lassen sich
dert haben. verschiedene Arten von Entrepreneurship un-
Die Entwicklung zu einer stärker kleinteilig terscheiden.
organisierten Wirtschaft, in der neue Unter- Die wesentlichen Wirkungen von Entre-
nehmen eine wesentliche Rolle spielen, wird preneurship sind indirekter Natur und erge-
auch als Trend zu einer stärker unternehmeri- ben sich aus dem Wettbewerbsprozess. Dabei
schen Gesellschaft (Entrepreneurial Society) ge- lässt sich vermuten, dass diese Wirkungen um-
kennzeichnet. Wesentliche Erfolgsfaktoren in so stärker ausgeprägt sind, je größer die Her-
einer solchen Gesellschaft sind die eingangs ausforderung ist, die vom Marktzutritt eines
(7 Abschn. 2.1) vorgestellten Merkmale unter- Unternehmens auf die Wettbewerber ausgeht.
nehmerischen Handelns im Sinne von Entre- Dies lässt wiederum vermuten, dass nicht al-
preneurship wie Initiative, Gestaltungswille, le Arten von Gründungen gleichermaßen re-
Eigenverantwortung, Flexibilität und Risikobe- levant für wirtschaftliches Wachstum sind. Es
18 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

kommt demnach weniger auf die Anzahl der nekers und Thurik (1999) geben einen detail-
Gründungen als vor allem auf ihre Qualität, lierten Überblick über verschiedene Auffas-
im Sinne der Herausforderung der etablierten sungen und Definitionen von Entrepreneur-
2 Wettbewerber, an. ship. Baumol (2004) hat viele Beispiele für
Die Entwicklung vieler moderner Indus- radikale Innovationen zusammengestellt, die
triegesellschaften war über einen langen Zeit- im 20. Jahrhundert durch neue Unternehmen
raum durch die Vorherrschaft großer, markt- eingeführt worden sind. Die Bedeutung von
mächtiger Unternehmen gekennzeichnet, die Spin-off Gründungen für wirtschaftliche Ent-
vorwiegend von angestellten Managern geführt wicklung behandeln Klepper (2009) sowie Acs
wurden. Die karriereförderlichen Eigenschaf- et al. (2009). Zur Sicht von Unternehmens-
ten und Verhaltensmuster in einer solchen ge- gründung als Experiment siehe Kerr, Nanda
managten Gesellschaft unterscheiden sich we- und Rhodes-Kropf (2014). Zu Besonderheiten
sentlich von den Merkmalen unternehmeri- innovativer Gründungen siehe Fritsch (2011).
schen Handelns im Sinne von Entrepreneur- Die Entwicklung von der gemanagten zur un-
ternehmerischen Gesellschaft wird ausführlich
ship. Seit Beginn der 1970er-Jahre ist in vielen
Gesellschaften eine Entwicklung hin zu einer in Audretsch (2007) beschrieben. Zur unter-
mehr durch Entrepreneurship geprägten un- nehmerischen Gesellschaft siehe insbesondere
ternehmerischen Gesellschaft (Entrepreneurial auch Drucker (2011).
Society) zu verzeichnen. Baumol (1990) hat die Unterscheidung von
produktivem, unproduktivem und destrukti-
vem Entrepreneurship eingeführt. Zur Abgren-
2.7 Wesentliche Begriffe zu zung verschiedener Arten von Entrepreneur-
Kapitel 2 ship im Rahmen des GEM-Projektes siehe
Bosma (2013) sowie die Website des GEM-
Projektes unter 7 www.gemconsortium.org.
4 Entrepreneurship Hinsichtlich der grundlegenden Arbeiten
4 Arten von Entrepreneurship: produktiv, von Joseph Schumpeter zu dem Thema sei
unproduktiv, destruktiv, innovativ, sozial, insbesondere auf seine Bücher »Theorie wirt-
opportunity motiviert, necessity, Social, schaftlicher Entwicklung« (1912) sowie »Busi-
Solo-, Kirzner’scher Unternehmer, Schum- ness Cycles« (1939/1961) verwiesen. Vor allem
peter’scher Unternehmer) das Buch »Business Cycles« bietet viele histo-
4 Erfindung (Invention) rische Beispiele für die vielfältigen Wirkungen
4 Gemanagte Gesellschaft der Einführung radikaler Innovationen
4 Innovation
4 Kreative Zerstörung
4 Unternehmensgründer
4 Unternehmer Weiterführende Literatur
4 Unternehmerische Gesellschaft (Entrepre-
neurial Society) Acs, Zoltan J., Pontus Braunerhjelm, David B. Audretsch
4 Unternehmerische Selbstständigkeit und Bo Carlsson (2009): The knowledge spillover
4 Unternehmerisches Verhalten theory of entrepreneurship. Small Business Eco-
nomics, 32, 15–30. https://doi.org/10.1007/s11187-
008-9157-3
Audretsch, David B. (2007): The Entrepreneurial Society.
Literaturhinweise Oxford: Oxford University Press. https://doi.org/10.
1093/acprof:oso/9780195183504.001.0001
Baumol, William J. (1990): Entrepreneurship: Producti-
Sehr informative Einführungen in den The- ve, Unproductive and Destructive. Journal of Politi-
menbereich Entrepreneurship finden sich bei cal Economy, 98, 893–921. https://doi.org/10.1086/
Baumol (2004) sowie bei Parker (2018). Wen- 261712
Weiterführende Literatur
19 2
Baumol, William J. (2004): Entrepreneurial Enterprises, Parker, Simon (2018): The Economics of Entrepreneurship.
Large Established Firms and Other Components 2nd ed., Cambridge: Cambridge University Press.
of the Free-Market Growth-Machine. Small Business https://doi.org/10.1017/9781316756706
Economics, 23, 9–21. https://doi.org/10.1023/B:SBEJ. Schumpeter, Joseph A. (1912): Theorie der wirtschaftli-
0000026057.47641.a6 chen Entwicklung. Leipzig: Duncker & Humblot.
Bosma, Niels (2013): The Global Entrepreneurship Moni- Schumpeter, Joseph A. (1939/1961): Konjunkturzyklen:
tor (GEM) and Its Impact on Entrepreneurship Re- eine theoretische, historische und statistische Analyse
search. Foundations and Trends in Entrepreneurship, 9, des kapitalistischen Prozesses. Göttingen 1961: Van-
143–248. https://doi.org/10.1561/0300000033 denhoek. Englischsprachige Originalausgabe: Busi-
Drucker, Peter F. (2011): Innovation and Entrepreneurship. ness cycles: a theoretical, historical, and statistical
London: Routledge. analysis of the capitalist process. New York 1939:
Fritsch, Michael (2011): Start-ups in Innovative Industries McGraw-Hill.
– Causes and Effects. In David B. Audretsch, Oliver Schumpeter, Joseph A. (1942/1946): Capitalism, Socia-
Falck, Stephan Heblich und Adam Lederer (Hrsg.): lism, and Democracy. New York 1942: Harper. Zi-
Handbook of Innovation and Entrepreneurship, Chel- tiert nach der deutschsprachingen Ausgabe Kapita-
tenham: Elgar, 365–381. lismus, Sozialismus und Demokratie. Bern 1946: Fran-
Kerr, William R., Ramana Nanda und Matthew Rhodes- cke.
Kropf (2014): Entrepreneurship as Experimentation. Wennekers, Sander und Roy Thurik (1999): Linking
Journal of Economic Perspectives, 28, 25–48. https:// Entrepreneurship and Economic Growth. Small Busi-
doi.org/10.1257/jep.28.3.25 ness Economics, 13, 27–55. https://doi.org/10.1023/
Klepper, Steven (2009): Spinoffs: A review and synthesis. A:1008063200484
European Management Review, 6, 159–171. https://
doi.org/10.1057/emr.2009.18
21 3

Überblick zu unternehme-
rischer Selbstständigkeit,
Gründungsgeschehen
und Marktdynamik
in Deutschland

3.1 Wesentliche Ausprägungen von Gründungsgeschehen und


Marktdynamik – 23

3.2 Die empirische Erfassung von Gründungen und


unternehmerischer Selbstständigkeit – 25

3.3 Datenquellen für eine Analyse des Gründungsgeschehens


in Deutschland – 26

3.4 Gründungen und unternehmerische Selbstständigkeit in


Deutschland – 27

3.5 Die sektorale Struktur der Gründungen in


Deutschland – 29
3.5.1 Überblick – 29
3.5.2 Gründungen in innovativen Wirtschaftszweigen – 31

3.6 Regionale Unterschiede des Gründungsgeschehens – 32

3.7 Die Gründungsaktivitäten im internationalen


Vergleich – 35

3.8 Marktdynamik im Industrielebenszyklus – 35

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_3
3.9 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse – 37

3.10 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 3 – 38

Literaturhinweise – 38

Weiterführende Literatur – 38
3.1  Wesentliche Ausprägungen von Gründungsgeschehen und Marktdynamik
23 3
Wesentliche Fragestellungen 3.1 Wesentliche Ausprägungen
von Gründungsgeschehen und
4 Was sind die wesentlichen praktischen Ausprä- Marktdynamik
gungen von Entrepreneurship?
4 Anhand welcher Sachverhalte kann man
Entrepreneurship und Marktdynamik empi- Durch die Gründung eines Unternehmens tritt
risch erfassen? ein neuer Anbieter in den Markt ein und ist da-
4 Wie genau ist die empirische Erfassung von mit Teil des Wettbewerbsprozesses. Ein Markt-
Entrepreneurship? zutritt kann aber auch durch etablierte Un-
4 Wie hat sich das Gründungsgeschehen wäh- ternehmen erfolgen, die neue Produkte in ihr
rend der letzten Jahre entwickelt? Welche re- Angebot aufnehmen und somit als zusätzli-
gionalen und sektoralen Muster des Grün- che Anbieter in dem betreffenden Markt aktiv
dungsgeschehens sind erkennbar? werden. Die Kehrseite einer Gründung bzw. ei-
4 Wie entwickelt sich das Gründungsgeschehen nes Marktzutritts ist der Marktaustritt bzw. die
im Verlauf des Industrielebenszyklus? Stilllegung eines Unternehmens. Während ei-
ne Stilllegung immer auch einen Marktaustritt
bedeutet, kann ein Marktaustritt auch oh-
Dieses Kapitel gibt einen Überblick zu we- ne eine Stilllegung stattfinden, nämlich dann,
sentlichen Ausprägungen von Gründungsge- wenn ein Unternehmen das Angebot eines
schehen und Marktdynamik sowie zu Entwick- bestimmten Produktes einstellt, als Anbieter
lung und Struktur der Unternehmensgrün- auf anderen Märkten aber weiterhin existiert
dungen in Deutschland. Anknüpfend an eini- (. Übersicht 3.1).
ge grundlegende Definitionen (7 Abschn. 3.1) Unter dem Netto-Marktzutritt versteht man
wird auf Probleme der empirischen Erfas- den Saldo der entsprechenden Bruttogrößen,
sung von Gründungen und unternehmeri- also Marktzutritte abzüglich Marktaustritte. Da
scher Selbstständigkeit (7 Abschn. 3.2) einge- Informationen über Marktzutritte etablierter
gangen. Daran anknüpfend werden wesent- Unternehmen bzw. über Marktaustritte wei-
liche Datenquellen zu Gründungen und un- terhin bestehender Unternehmen in der Regel
ternehmerischer Selbstständigkeit in Deutsch- nur unvollständig verfügbar sind, operationa-
land vorgestellt (7 Abschn. 3.3). Der empiri- lisiert man diesen Begriff meist als Anzahl der
sche Überblick über das Gründungsgeschehen Gründungen abzüglich der Anzahl der Stillle-
in Deutschland betrachtet sowohl die zeitliche gungen. Empirisch zeigt sich, dass die Anzahl
Entwicklung von Gründungen und unterneh- der Gründungen und die Anzahl der Stilllegun-
merischer Selbstständigkeit (7 Abschn. 3.4) als gen bzw. Marktzutritte und Marktaustritte häu-
auch die Branchenstruktur von Gründungen fig in etwa die gleiche Größenordnung haben,
(7 Abschn. 3.5) sowie regionale Unterschiede so dass der Netto-Marktzutritt im Vergleich
(7 Abschn. 3.6). 7 Abschn. 3.7 bietet einen in- zu den Bruttogrößen sehr gering ausfällt und
ternationalen Vergleich des Niveaus der Grün- die durch die Bruttogrößen bewirkte Markt-
dungsaktivitäten in Deutschland. Schließlich dynamik nur sehr eingeschränkt widerspiegelt.
wird der Verlauf der Gründungsaktivitäten im Als ein Maß für die Fluktuation des Unter-
Produktlebenszyklus behandelt (7 Abschn. 3.8). nehmensbestandes auf einem Markt kann die
Die wesentlichen Ergebnisse werden dann in Summe aus Marktzutritten und Marktaustrit-
7 Abschn. 3.9 zusammengefasst. ten bzw. Gründungen und Stilllegungen die-
24 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

. Übersicht 3.1 Wesentliche Ausprägungen der Marktdynamik

Bezeichnung Definition
Gründung Errichtung eines Betriebes bzw. Unternehmens ) Veränderung der Population wirtschaftli-
cher Einheiten.

3 Marktzutritt Eintritt in eine Konkurrenzbeziehung zu anderen Unternehmen ) Veränderung der Wett-


bewerbsbedingungen auf dem betreffenden Markt.

Stilllegung Schließung eines Betriebes bzw. Unternehmens.

Marktaustritt Aufgabe der Geschäftstätigkeit in einem Markt. Auflösung der Konkurrenzbeziehung zu


anderen Unternehmen.

Netto- Marktzutritte abzüglich Marktaustritte. Meist operationalisiert als Gründungen abzüglich


Marktzutritt Stilllegungen.

Turbulenz Marktzutritte plus Marktaustritte. Meist operationalisiert als Gründungen plus Stilllegungen.

nen, was auch als Turbulenz bezeichnet wird als den Arbeitsmarktansatz (Labor Market Ap-
(. Übersicht 3.1). proach) bei der Bildung einer Gründungsrate.
Will man das Niveau der Gründungsaktivi- Die auf die regionalen Beschäftigten, die Er-
täten bzw. der Marktdynamik in verschiedenen werbsbevölkerung oder auf die Wohnbevölke-
Branchen oder Regionen miteinander verglei- rung bezogene Anzahl der Gründungen kann
chen, so sind Angaben zur absoluten Anzahl sehr anschaulich als Wahrscheinlichkeit da-
der Gründungen oder Stilllegungen in der Re- für interpretiert werden, dass jemand aus dem
gel nur wenig hilfreich, da hierbei die unter- ansässigen Potenzial an Gründern tatsächlich
schiedlichen Potenziale der jeweiligen Bran- als Unternehmer tätig wird. Analog kann man
chen bzw. Regionen unberücksichtigt bleiben. auch für die Marktzutritte bzw. den Netto-
Beispielsweise ist die Anzahl der Gründungen Marktzutritt, für die Anzahl der Stilllegungen
in dicht besiedelten Gebieten deshalb höher bzw. Marktaustritte oder für die Turbulenz ei-
als im vergleichsweise dünn besiedelten länd- ne Rate bilden, indem man deren Anzahl durch
lichen Raum, weil dort mehr Menschen le- die Anzahl der Beschäftigten oder die Anzahl
ben, die als Gründer aktiv werden können. Um der Erwerbspersonen dividiert.
hier Vergleichbarkeit herzustellen, bildet man Eine alternative Möglichkeit der Bildung ei-
dann häufig eine Rate, indem man die absolu- ner Rate besteht darin, die Anzahl der Grün-
ten Werte auf eine Größe, bezieht, in der sich dungen, Stilllegungen etc. auf die Anzahl der
die ökonomischen Potenziale der Region oder vorhandenen Betriebe bzw. Unternehmen zu
Branche widerspiegeln. beziehen, was auch als ökologischer Ansatz
Zur Messung des Niveaus der Gründungs- (Ecological Approach) bezeichnet wird.2 Die
aktivitäten oder der unternehmerischen Selbst- sich ergebende Quote lässt sich vor allem für
ständigkeit ist es am gebräuchlichsten, die An- die Stilllegungen sinnvoll interpretieren, näm-
zahl der Gründungen bzw. die Anzahl der lich als Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Be-
Selbstständigen auf die Anzahl der Beschäf-
tigten oder die Anzahl der Erwerbspersonen darin, dass die Erwerbspersonen sowohl die Beschäf-
zu beziehen, den Teil der Bevölkerung also, tigten als auch die Arbeitslosen umfassen.
2
Der Begriff ökologisch bezieht sich hierbei nicht auf
der als potenzielle Gründer bzw. Selbstständi-
den Umweltbereich, sondern auf den Ansatz der
ge in Frage kommt.1 Man bezeichnet dies auch Organisationsökologie (Organizational Ecology). Die
Organisationsökologie beschäftigt sich mit dem Ent-
1
Der Unterschied zwischen der Anzahl der Beschäf- stehen, der Entwicklung und der Auflösung von Or-
tigten und der Anzahl der Erwerbspersonen besteht ganisationen wie z. B. Unternehmen.
3.2  Die empirische Erfassung von Gründungen und Selbstständigkeit
25 3
trieb in dem betreffenden Zeitraum die Tätig- ne Rechnung, die auch als Scheinselbstständig-
keit einstellt. Für die Anzahl der Gründungen keit bezeichnet wird.
bzw. Marktzutritte ist der ökologische Ansatz Ebenfalls zweifelhaft kann die Einordnung
hingegen eher ungeeignet. Dies ergibt sich da- solcher Fälle sein, in denen die Geschäftstä-
raus, dass die Anzahl der Beschäftigten und tigkeit für eine Zeit lang unterbrochen wird:
damit der potenziellen Gründer bzw. Unter- Stellt die Wiederaufnahme der Geschäftstä-
nehmer pro Unternehmen sehr unterschiedlich tigkeit nach einer längeren Pause eine Grün-
ausfallen kann, und diese Potenziale durch die dung dar? Schließlich sind in diesem Zusam-
Anzahl der Unternehmen nur sehr unscharf menhang auch die Fälle zu nennen, in denen
wiedergegeben werden. ein Gewerbe angemeldet wird, ohne dass es
jemals zur Aufnahme von Geschäftstätigkeit
kommt (Scheingründungen). Diese Beispiele
zeigen, dass es eine objektiv richtige allgemeine
3.2 Die empirische Erfassung von Definition von Gründungen nicht gibt. Die je-
Gründungen und weils zweckmäßige Definition einer Gründung
unternehmerischer sollte sich daher an der jeweiligen Fragestellung
Selbstständigkeit orientieren, wobei gewisse Ungenauigkeiten in
der empirischen Praxis unvermeidbar sind.
Eine weitere Schwierigkeit bei der empi-
Die Identifikation von Gründungen ist mit er- rischen Erfassung von Gründungen stellt die
heblichen Abgrenzungsproblemen verbunden. Bestimmung des Gründungszeitpunkts dar. Al-
Dementsprechend kann man im konkreten ternativen bei der Bestimmung des Gründung-
Einzelfall durchaus unterschiedlicher Ansicht zeitpunktes wären etwa
darüber sein, ob ein bestimmter Vorgang eine 4 der Zeitpunkt, zu dem der Entschluss zur
Gründung darstellt oder nicht. Selbstständigkeit gefasst wurde,
Ein solcher Zweifelsfall ist die Aufnahme 4 der Zeitpunkt der Aufstellung eines Ge-
von unternehmerisch selbstständiger Tätigkeit schäftsplanes,
als eine Nebenerwerbstätigkeit, die zusätzlich 4 die Gewerbeanmeldung,
zu abhängiger Beschäftigung erfolgt. Insbeson- 4 der Eintrag in das Handelsregister bzw. in
dere dann, wenn eine solche Nebenerwerbs- die Handwerksrolle,
tätigkeit geringfügig ist (beispielsweise nur an 4 der Erwerb der ersten Produktionsmittel,
Wochenenden durchgeführt wird) und für die 4 die Aufnahme der Produktion, die Erstel-
Erwerbstätigkeit des Betreffenden insgesamt lung des ersten Angebotes bzw. der Zeit-
nur eine untergeordnete Rolle spielt, wird man punkt des ersten Umsatzes.
die betreffende Person in der Regel nicht als
Unternehmer ansehen. Diese verschiedenen Möglichkeiten machen
Verändert ein Unternehmen die Rechts- deutlich, dass es keine objektiv richtige Bestim-
form oder wechselt der Eigentümer eines be- mung des Gründungszeitpunktes gibt. Da so-
stehenden Unternehmens, so kann dies als die wohl die Definition von Gründungen als auch
Fortführung eines bestehenden Unternehmens die Bestimmung des Gründungszeitpunktes in
oder als eine Gründung verbunden mit der den verschiedenen Datenquellen zum Teil sehr
Stilllegung des alten Unternehmens angesehen unterschiedlich gehandhabt werden, stimmen
werden. Ein weiterer Zweifelsfall wäre die Auf- demzufolge auch die Angaben zur Anzahl der
spaltung eines bestehenden Unternehmens in Gründungen nicht miteinander überein. Empi-
mehrere rechtlich selbstständige Unternehmen rische Angaben zu den Gründungen sind daher
oder die abhängige Geschäftstätigkeit auf eige- als Näherungswerte anzusehen.
26 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

3.3 Datenquellen für eine Analyse schehens stellt der Global Entrepreneurship Mo-
des Gründungsgeschehens in nitor (GEM) dar. Das GEM-Projekt ist ein in-
Deutschland ternationaler Forschungsverbund, im Rahmen
dessen jährliche Befragungen von Haushalten
und Experten zum Gründungsgeschehen in
Für Deutschland existieren eine Reihe von inzwischen mehr als 100 Ländern durchge-
3 Datenquellen, die Auskunft über Gründun- führt werden. Da diese Erhebungen nach ei-
gen und unternehmerische Selbstständigkeit nem einheitlichen Konzept erfolgen, sind die
geben. Als umfassende Statistiken, die sich gut Informationen auch international miteinander
für eine räumlich und sektoral differenzierte vergleichbar. Ein weiterer Vorteil des GEM ist
Analyse von Gründungen im Zeitablauf eig- darin zu sehen, dass Länder sehr unterschied-
nen, bieten sich insbesondere die Betriebsda- lichen Entwicklungsstandes enthalten sind, was
tei der Statistik der sozialversicherungspflich- eine Analyse der Bedeutung von Entrepreneur-
tig Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit ship unter sehr unterschiedlichen Rahmenbe-
sowie das Unternehmenspanel des Zentrums dingungen erlaubt. Die Ergebnisse des GEM-
für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW Projektes werden länderweise und internatio-
Mannheim) an. Der wesentliche Vorteil die- nal vergleichend in der Regel jährlich publiziert
ser beiden Datenquellen besteht darin, dass (siehe 7 www.gemconsortium.org). Ältere Da-
die jeweilige Grundgesamtheit aller Gründun- tensätze der Befragungen sind im Internet frei
gen weitgehend erfasst wird. Allerdings sind zugänglich.
sehr kleine Unternehmen bzw. Betriebe ohne Zwei weitere Datenquellen, die sich insbe-
einen sozialversicherungspflichtig Beschäftig- sondere für eine Analyse der Gründungsent-
ten nicht in den Daten enthalten oder deutlich scheidung auf Mikroebene gut eignen, sind der
unterrepräsentiert. Eine Schwäche beider Da- Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes so-
tenquellen besteht auch darin, dass sie so gut wie das Sozioökonomische Panel (SOEP). Ein
wie keine Informationen über die Person des Nachteil dieser beiden Quellen ergibt sich da-
Gründers, also über sein Alter, seine Qualifika- raus, dass sie jeweils nur Stichproben umfassen,
tion, seinen Karriereweg etc. enthalten. so dass die verfügbare Anzahl an Beobach-
Ein wesentlicher Unterschied zwischen bei- tungen für kleinräumige Untersuchungen, etwa
den Quellen liegt darin, dass die Angaben der auf der Ebene von einzelnen Städten oder Krei-
Beschäftigtenstatistik auf der Ebene von Be- sen, oder für Analysen von einzelnen Branchen
trieben vorliegen, und damit eindeutig regional in der Regel zu gering ist.
zugeordnet werden können. Die Angaben im Der Mikrozensus ist eine jährliche Befra-
ZEW-Unternehmenspanel beziehen sich hin- gung einer repräsentativen Stichprobe von ca.
gegen jeweils auf das gesamte Unternehmen, so 820.000 Personen, die in rund 370.000 Haus-
dass auch die Aktivitäten von eventuell vorhan- halten leben. Diese Daten lassen sich anhand
denen Zweigbetrieben dem jeweiligen Haupt- der verwendeten Gewichtungsfaktoren auf die
sitz zugerechnet werden und daher keine klare Gesamtbevölkerung hochrechnen. Ein Vorteil
Regionalisierung möglich ist. Auch unterschei- des Mikrozensus besteht darin, dass Grün-
den sich beide Quellen hinsichtlich des Schwer- dungen und unternehmerische Selbstständig-
punkts der erhobenen Informationen. Wäh- keitbesonders differenziert erfasst werden. So
rend die Beschäftigtenstatistik im Wesentlichen wird in dieser Quelle etwa zwischen Haupt-
nur Angaben zur Anzahl und Qualifikation der und Nebenerwerb unterschieden. Eine Schwä-
Beschäftigten enthält, liegt der Schwerpunkt che des Mikrozensus ergibt sich daraus, dass die
des ZEW-Unternehmenspanels auf finanziellen Angaben zu einzelnen Personen nur für weni-
Kennziffern. ge aufeinanderfolgende Jahre erhoben werden,
Die derzeit aussagefähigste Datenquelle für so dass etwa im Falle einer Gründung nur sehr
internationale Vergleiche des Gründungsge- begrenzt Aussagen darüber möglich sind, wie
3.4  Gründungen und unternehmerische Selbstständigkeit in Deutschland
27 3
lange die Gründung besteht bzw. wie erfolg- können Gründungen im Unternehmensregis-
reich sie ist. ter nicht eindeutig identifiziert werden.
Das Sozioökonomische Panel (SOEP) ist
eine jährliche repräsentative Bevölkerungsbe-
fragung zur allgemeinen Lebenssituation, die 3.4 Gründungen und
viele Themenbereiche abdeckt und dabei auch unternehmerische
Informationen zum Einkommen und zu unter-
nehmerischer Selbstständigkeit umfasst (siehe
Selbstständigkeit in
7 http://www.diw.de/soep). Dabei lassen sich Deutschland
die Angaben der im SOEP enthaltenen Perso-
nen über längere Zeiträume verknüpfen, was Laut Mikrozensus waren in Deutschland im
eine entsprechende Analyse der Entwicklung Jahr 2016 rund 4,1 Millionen Personen im
der unternehmerischen Selbstständigkeit auf Vollerwerb unternehmerisch tätig, was rund
der personellen Ebene erlaubt. Ein wesentli- 10,5 Prozent aller Erwerbstätigen entspricht
cher Nachteil des SOEP besteht in der relativ (. Abb. 3.1). Dieser Anteil stieg von 1991 bis
geringen Fallzahl, die kaum Analysen für ein- zum Jahr 2013 von 8 Prozent auf 11,3 Prozent
zelne, kleinräumig abgegrenzte Regionen oder an und ist seitdem wieder rückläufig. Ein Teil
für einzelne Wirtschaftszweige zulässt. Weiter- des Anstiegs der unternehmerischen Selbst-
hin liegen nur sehr wenige Informationen zu ständigkeit seit Beginn der 1990er Jahre geht
den Merkmalen und zur Entwicklung des be- auf die starke Zunahme der Zahl der Selbst-
treffenden Unternehmens vor. ständigen in Ostdeutschland (von 443 Tausend
Weitere Datenquellen, aus denen sich An- im Jahr 1991 auf 845 Tausend im Jahr 2016)
gaben zu Gründungen und unternehmerischer zurück. Seit dem Jahr 2004 liegt die Selbststän-
Selbstständigkeit ableiten lassen, sind etwa die digenrate in den neuen Bundesländern über
Gewerbeanzeigenstatistik3 und die Steuersta- dem entsprechenden Wert für Westdeutsch-
tistik. Die amtliche Statistik in Deutschland er- land. Differenziert man zwischen Selbstständi-
stellt auf der Grundlage diverser Quellen ein gen mit und ohne abhängig Beschäftigten, so
Unternehmensregister, das für wissenschaft- zeigt sich deutlich, dass der Anstieg der un-
liche Analysen allerdings nur unter erhebli- ternehmerischen Selbstständigkeit in Deutsch-
chem Aufwand und mit wesentlichen Geheim- land so gut wie ausschließlich auf die Solo-
haltungsbeschränkungen zugänglich ist. Bisher Selbstständigen zurückzuführen ist, die ihr Un-
ternehmen ohne weitere Beschäftigte führen
3
Die Gewerbeanzeigenstatistik beruht auf den obli- (. Abb. 3.2). Demgegenüber ging der Anteil der
gatorischen Gewerbeanmeldungen bei den Gewer- Selbstständigen mit abhängig Beschäftigten so-
bemeldeämtern. Der Informationsgehalt der Statis-
gar leicht zurück.
tik zur Person des Gründers und zum betreffenden
Gewerbe ist sehr gering. Auswertungen über den Die Anzahl der Unternehmensgründun-
Bestand an Selbstständigen liegen nicht vor. Da viel- gen schwankt über die Zeit nicht unerheblich,
fach Gewerbe angemeldet, aber nicht ausgeübt wer- nämlich zwischen 373 Tsd. im Jahr 2005 und
den, ist die Anzahl der Gründungen in der Gewerbe- 211 Tausend im Jahr 2016 (. Abb. 3.3). Dabei
meldestatistik einerseits erheblich überschätzt; an-
sind die relativ hohen Gründungsraten um das
dererseits fehlen Informationen über nicht melde-
pflichtige Wirtschaftsbereiche, wie etwa die freien Jahr 2004 herum zu einem wesentlichen Teil
Berufe. Empirische Analysen (Fritsch et al. 2003) ha- durch die zu dieser Zeit besonders intensiven
ben gezeigt, dass die Anzahl der Gründungen in wirtschaftspolitischen Bemühungen zur Förde-
dieser Statistik stark überhöht ausgewiesen wird. Da rung von Gründungen durch arbeitslose Perso-
erhebliche Unterschiede zwischen den Bundeslän- nen bedingt. Seit dem Ende der 1990er Jahre
dern hinsichtlich der Aufbereitung der Daten beste-
hen, sind die Angaben der Gewerbeanzeigenstatis-
weist die Anzahl der Unternehmensgründun-
tik auch nur beschränkt zwischen den Bundeslän- gen in Deutschland einen rückläufigen Trend
dern vergleichbar. auf. Zwischen dem Jahr 1998 bis zum Jahr 2016
28 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

5,000 14%
Tausend

4,500
12%
4,000

3,500 10%
3 3,000
8%
2,500
6%
2,000

1,500 4%
1,000
2%
500

0 0%
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
Ostdeutschland (einschließlich Berlin) Westdeutschland
Selbständigenrate in Deutschland Selbständigenrate in Westdeutschland

. Abb. 3.1 Anzahl der unternehmerisch selbstständigen Personen und Selbstständigenrate in Ost- und
Westdeutschland 1991–2016 (Quelle: Mikrozensus)

5,000 7%

4,500
6%
4,000

5%
3,500

3,000
4%

2,500

3%
2,000

1,500 2%

1,000
1%
500

0 0%
1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2005

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

Selbständige mit Beschäftigten Selbständige ohne Beschäftigten


Selbständigenrate mit Beschäftigten Selbständigenrate ohne Beschäftigten

. Abb. 3.2 Selbstständige mit und ohne Beschäftigte in Deutschland 1991–2016 (Quelle: Mikrozensus)
3.5  Die sektorale Struktur der Gründungen in Deutschland
29 3

400.000

350.000

300.000

250.000

200.000

150.000

100.00

50.00

0
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Verarbeitendes Gewerbe Dienstleistungen Sonstiges

. Abb. 3.3 Anzahl der Unternehmensgründungen in Deutschland 1995–2016 (Quelle: ZEW Unternehmenspanel)

sank die Anzahl der Unternehmensgründun- Demgegenüber ist die mindestoptimale Größe
gen um etwas mehr als 40 Prozent. in vielen Bereichen des Dienstleistungssektors
wesentlich niedriger, so dass der für eine er-
folgreiche Gründung notwendige Ressourcen-
3.5 Die sektorale Struktur der einsatz deutlich geringer ist.
Gründungen in Deutschland Ausgesprochen innovative Unterneh-
mensgründungen sind für die wirtschaftliche
Entwicklung von besonderer Bedeutung (hier-
3.5.1 Überblick zu 7 Abschn. 7.4.1 sowie 7 Abschn. 12.5). Die
empirische Erfassung von hoch-innovativen
In Deutschland entfällt der ganz überwiegen- Gründungen ist mit erheblichen Problemen
de Teil der Gründungen (84,2 Prozent) auf verbunden, die zu Ungenauigkeiten der em-
den Dienstleistungssektor; demgegenüber ist pirischen Erfassung führen. Häufig greift man
der Anteil der Gründungen im Verarbeitenden zur Erfassung innovativer Gründungen auf
Gewerbe mit 4,7 Prozent wesentlich geringer deren Branchenzugehörigkeit zurück, wobei
(. Übersicht 3.2). bestimmte Wirtschaftszweige als innovativ
Der relativ geringe Anteil der Gründun- angesehen werden. Entsprechend dem durch-
gen im Verarbeitenden Gewerbe ist zu einem schnittlichen Anteil der F&EAusgaben an den
wesentlichen Teil durch die relative hohe min- Aufwendungen insgesamt unterscheidet man
destoptimale Größe in diesem Sektor bedingt, im Verarbeitenden Gewerbe zwischen Bran-
wodurch das Ausmaß der für eine erfolgrei- chen der „Spitzentechnologie“, Branchen der
che Gründung erforderlichen Ressourcen ent- „hochwertigen Technologie“ sowie „nicht-
sprechend hoch ausfällt (hierzu 7 Abschn. 8.5). technologieintensiven“ Branchen.
30 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

. Übersicht 3.2 Sektorale Struktur der Gründungen in Deutschland 2010–2016 (Quelle: ZEW Unternehmens-
panel)

Sektor bzw. Branche Durchschnittliche jährliche Anteil an der durchschnittlichen


Anzahl der Gründungen Anzahl aller Gründungen in %
Bergbau, Energie, Wasser 3.294 1,67
3
Verarbeitendes Gewerbe 9.347 4,74

davon:

– Spitzentechnologie 405 0,21

– Hochwertige Technologie 1.097 0,56

– Nicht-technologieintensive Branchen 7.856 3,98

Baugewerbe 18.470 9,36

Dienstleistungen 166.205 84,23

davon:

– Handel und Gastgewerbe 35.534 18,01

– Verkehr und Nachrichtenübermittlung 6.952 3,52

– Kredit- und Versicherungsgewerbe 5.619 3,85

– Sonstige Dienstleistungen 96.178 48,74

– Wissensintensive Branchen 21.924 11,11

Insgesamt 197.746 100

Die Abgrenzung von innovativen Wirtschaftszweigen Der zahlenmäßige Anteil der Gründungen
des Verarbeitenden Gewerbes beruht auf einer an deut- in Branchen der Spitzentechnologie und der
sche Verhältnisse angepasste Klassifikation der OECD; hochwertigen Technologie ist in der Regel sehr
hierzu Fritsch (2011). Dementsprechend werden Bran-
chen als der „Spitzentechnologie“ zugehörig angesehen,
gering. In Deutschland betrug dieser Anteil
wenn der Anteil der F&E-Ausgaben an den Aufwendun- im Zeitraum 2010 bis 2016 lediglich 0,77 Pro-
gen insgesamt mehr als 8,5 Prozent ausmacht. In Bran- zent. Wissensintensive Branchen des Dienst-
chen der hochwertigen Technologie beträgt dieser An- leistungssektors werden ebenfalls anhand des
teil zwischen 3,5 und 8,5 Prozent. Anteils der F&E-Aufwendungen abgegrenzt.
Im Unterschied zu Unternehmen in innova-
Eine solche Form der Identifikation von in- tiven Branchen des Verarbeitenden Gewerbes
novativen Gründungen anhand der Branchen- haben Anbieter in Branchen der wissensin-
zugehörigkeit ist mit erheblichen Unschär- tensiven Dienstleistungen häufig kein standar-
fen verbunden. Denn einerseits sind sicherlich disiertes Produkt, sondern bieten Problemlö-
nicht sämtliche Unternehmen und Unterneh- sungen an, die auf die Bedürfnisse des jewei-
mensgründungen in diesen Branchen als hoch- ligen Kunden zugeschnitten sind. Der Anteil
innovativ anzusehen, andererseits finden hoch- der Gründungen in wissensintensiven Bran-
innovative Gründungen auch in anderen Wirt- chen lag in Deutschland während des Zeit-
schaftszweigen statt. raums 2010 bis 2016 bei 11,11 Prozent. Das
3.5  Die sektorale Struktur der Gründungen in Deutschland
31 3

3.500

3.000

2.500

2.000

1.500

1.000

500

0
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Spitzentechnologie Hochwertige Technologie

. Abb. 3.4 Unternehmensgründungen in Deutschland 1995–2016 in innovativen Branchen des Verarbeitenden


Gewerbes (Quelle: ZEW Unternehmenspanel)

dieser Anteil deutlich höher ausfällt als der Dienstleistungssektor erklärt werden, denn
Anteil der Gründungen in innovativen Bran- auch in besonders innovativen Bereichen des
chen des Verarbeitenden Gewerbes liegt un- Dienstleistungssektors, wie etwa den „tech-
ter anderem daran, dass die wissensintensi- nologieorientieren Dienstleistungen“ oder den
ven Branchen des Dienstleistungssektors aus Bereich „Software“ lässt sich in den letzten Jah-
statistischen Gründen relativ breit abgegrenzt ren eher eine Abnahme als eine Zunahme der
sind. Anzahl der Gründungen feststellen.
Der starke Rückgang der Gründungen in
innovativen Branchen des Verarbeitenden Ge-
3.5.2 Gründungen in innovativen werbes seit dem Mitte/Ende der 1990er Jahre
Wirtschaftszweigen ist insofern bemerkenswert, weil sich während
dieses Zeitraumes die Rahmenbedingungen für
Die Anzahl der Unternehmensgründungen in innovative Gründungen in Deutschland durch
innovativen Wirtschaftszweigen des Verarbei- Einrichtung von Technologie-Transferstellen
tenden Gewerbes ist in Deutschland seit mehr und ein größeres Angebot an Gründungsfinan-
als 20 Jahren stark rückläufig und hat sich seit zierung eigentlich deutlich verbessert haben.
dem Jahr 1995 mehr als halbiert (. Abb. 3.4). Insbesondere hat es in diesem Zeitraum immer
Offenbar kann dieser deutliche Rückgang nur wieder große Anstrengungen der Politik gege-
in geringem Maße mit dem allgemeinen Struk- ben, die Gründung innovativer Unternehmen
turwandel vom Verarbeitenden Gewerbe zum zu fördern.
32 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

3.6 Regionale Unterschiede des von Hochschulen oder von außeruniversitären


Gründungsgeschehens Forschungseinrichtungen (Institute der Max
Planck- und der Fraunhofer Gesellschaft, Ein-
richtungen der Leibniz-Gemeinschaft) kon-
Bei der Bildung regionaler Gründungsraten zentriert sind. Insbesondere zeigt sich dabei
wird die Anzahl der Gründungen in der Regel auch ein enger statistischer Zusammenhang
3 auf die Anzahl der in der Region lebenden Be- zwischen der Häufigkeit innovativer Grün-
schäftigten, auf die Erwerbspersonen oder auf dungen und der Ausrichtung der vorhande-
die Wohnbevölkerung bezogen. Dies ist insbe- nen Hochschulen oder Forschungseinrichtun-
sondere deshalb sinnvoll, weil sich in empiri- gen auf Natur- und Ingenieurwissenschaften.
schen Untersuchungen gezeigt hat, dass Grün- Dieser Befund weist sehr deutlich auf die Rolle
dungen in der Regel in unmittelbarer räumli- des regional vorhandenen Wissens für inno-
cher Nähe zum Wohnort des Gründers statt- vative Gründungen hin (ausführlicher hierzu
finden (7 Abschn. 6.2). Die auf die regiona- 7 Abschn. 8.6.2 und 7 Abschn. 12.5).
le Erwerbsbevölkerung oder auf die Wohnbe- Empirische Untersuchungen für verschie-
völkerung bezogene Anzahl der Gründungen dene Länder, darunter die Bundesrepublik
spiegelt somit die Gründungsneigung in einer Deutschland, haben gezeigt, dass die regionale
Region wider und lässt sich als Wahrschein- Struktur der Gründungsaktivitäten und des Ni-
lichkeit dafür auffassen, dass jemand aus dem veaus an unternehmerischer Selbstständigkeit
regional ansässigen Potenzial an Gründern als über längere Zeiträume ziemlich konstant sind.
Unternehmer tätig wird. Dies bedeutet, dass Regionen, die in früheren
Die Anzahl der Gründungen pro 1.000 Be- Jahren eine relativ hohe (niedrige) Gründungs-
schäftigten weist zwischen den Regionen we- oder Selbstständigenrate hatten auch heute re-
sentliche Unterschiede auf (. Abb. 3.5). Wäh- lativ hohe (niedrige) Raten aufweisen.
rend das Maximum bei einem Wert von ca. 8 Dieser Befund einer stark ausgeprägten Per-
liegt, hat die Region mit der niedrigsten Ra- sistenz regionaler Gründungsaktivitäten kann
te einen Wert von 1,8. Besonders hohe Grün- im Wesentlichen zwei Arten von Ursachen ha-
dungsraten finden sich in größen Städten wie ben. Zum einen kann es sein, dass auch die
Berlin, München, Hamburg und deren Um- wesentlichen Determinanten regionaler Grün-
feld, in den norddeutschen Küstenregionen, dungsaktivitäten im Zeitablauf relativ unver-
im Köln-Bonner-Raum sowie im südlichen ändert sind. Zum anderen könnte der Befund
Baden-Württemberg. Relativ niedrige Grün- auf das Vorhandensein einer mehr oder weni-
dungsraten sind für weite Teile Ostdeutsch- ger stark ausgeprägten regionalen Kultur un-
lands und Hessens, sowie im Westen von ternehmerischer Selbstständigkeit hindeuten.
Rheinland-Pfalz und im Saarland zu verzeich- Die erstgenannte Erklärung ist insofern trag-
nen. fähig, als viele der Determinanten regiona-
Besonders stark ausgeprägt sind die regio- ler Gründungsaktivitäten (ausführlich hierzu
nalen Unterschiede der Gründungsraten bei 7 Abschn. 8.6), wie z. B. der Anteil der Be-
innovativen Branchen des Verarbeitenden Ge- schäftigten in Kleinbetrieben, die Infrastruk-
werbes. Wie . Abb. 3.6 zeigt, weisen hier ins- turausstattung, das Ausmaß von Innovations-
besondere die Regionen Süd-Bayern und wei- aktivitäten in der Region im Zeitablauf kei-
te Bereiche von Baden-Württemberg (etwa der ne großen Schwankungen aufweisen. Auf die
Stuttgarter Raum) relativ hohe Gründungsra- Wirksamkeit einer regionalen Kultur unter-
ten auf. Nähere Analysen zu regionalen Unter- nehmerischer Selbstständigkeit könnte man
schieden innovativer Unternehmensgründun- insbesondere dann schließen, wenn ein rela-
gen zeigen sehr deutlich, dass diese Grün- tiv hohes Niveau an unternehmerischer Selbst-
dungen vor allem auf Städte mit Standorten ständigkeit auch dann festgestellt werden kann,
3.6  Regionale Unterschiede des Gründungsgeschehens
33 3

. Abb. 3.5 Räumliche Verteilung der durchschnittlichen jährlichen Anzahl der Gründungen pro 1.000 Beschäftig-
ten in Deutschland 2010–2016 (Quelle: ZEW Unternehmenspanel)

wenn sich wesentliche Rahmenbedingungen lich hierzu Fritsch und Wyrwich 2014, 2019). So kann
für das Gründungsgeschehen in einer Region man beispielsweise sowohl für ostdeutsche als auch für
im Zeitablauf drastisch verändert haben. westdeutsche Regionen einen statistisch signifikant po-
sitiven Zusammenhang zwischen dem heutigen Niveau
unternehmerischer Selbstständigkeit und der Selbst-
Empirische Analysen für Deutschland ergeben deutliche ständigenquote im Jahr 1925 feststellen. Dies könnte
Hinweise auf eine sehr langfristige Persistenz des re- bedeuten, dass eine einmal herausgebildete regionale
gionalen Niveaus unternehmerischer Selbstständigkeit, Entrepreneurship-Kultur so gravierende Einschnitte wie
obwohl verschiedene schockartige Veränderungen der die Weltwirtschaftskrise, die nationalsozialistische Dikta-
regionalen Rahmenbedingungen stattfanden (ausführ- tur während des Dritten Reichs, die Zerstörungen wäh-
34 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

. Abb. 3.6 Regionale Struktur der Gründungen in innovative Branchen des Verarbeitenden Gewerbes – Durch-
schnittliche jährliche Anzahl der Gründungen pro 1.000 Beschäftigten 2010–2016 (Quelle: ZEW Unternehmenspanel)

rend des Zweiten Weltkriegs, die Besatzung durch die hinzu. Diese Befunde sind ein sehr deutlicher Hinweis
Siegermächte und den politischen Neuanfang überdau- auf das Vorhandensein einer regionalen Kultur unterneh-
ern kann. Besonders eindrucksvoll ist diese Persistenz merischer Selbstständigkeit, die über lange Zeitperioden
des regionalen Niveaus unternehmersicher Selbststän- andauert (hierzu auch 7 Abschn. 5.4.4, 7 Abschn. 8.6 so-
digkeit in den Regionen Ostdeutschlands, die zusätzlich wie 7 Abschn. 11.3.5 und 7 Abschn. 11.3.6).
noch 40 Jahre lang von einem sozialistischen Regime
beherrscht wurden, das nachdrücklich und auf vielfälti- Für die Politik ergibt sich aus diesen Befunden
ge Weise versucht hat, privates Unternehmertum abzu-
der Hinweis, dass sich das Niveau unterneh-
schaffen. Als weitere drastische Veränderung der Rah-
menbedingungen kommt in Ostdeutschland noch der merischer Selbstständigkeit bzw. die regionale
schockartige Transformationsprozess nach dem Zusam- Entrepreneurship-Kultur nur auf längere Sicht
menbruch des sozialistischen DDR-Regimes im Jahr 1989 verändern lassen. Eine Politik, die solche Ver-
3.8  Marktdynamik im Industrielebenszyklus
35 3
änderungen bewirken will, muss also langfris- Im Vergleich zu den meisten Nachbarländern
tig angelegt sein und kann kaum darauf hoffen, und zu einigen anderen entwickelten Industrie-
auf kurze Sicht wesentliche Änderungen zu be- staaten fällt der Wert für die Total Early-Stage
wirken. Entrepreneurial Activity (TEA) für Deutsch-
land im Jahr 2017 mit 5,28 relativ niedrig aus
(. Abb. 3.7). Dies gilt auch, wenn man be-
stimmte Untergruppen von Gründungen be-
3.7 Die Gründungsaktivitäten im trachtet, wie etwa Gründungen mit hohen
internationalen Vergleich Wachstumsambitionen. Sowohl für Österreich
als auch für die Schweiz liegt der TEA-Wert
Für einen internationalen Vergleich von Grün- mit 9,63 bzw. 8,47 deutlich über dem Wert
dungsaktivitäten bieten sich die Daten des Glo- für Deutschland. Allgemein zeigt ein Vergleich
bal Entrepreneurship Monitor (GEM) an (siehe über die Breite der im GEM vertretenen Natio-
7 Abschn. 3.3). Ein zentraler Indikator für das nen für die Entwicklungs- und Schwellenlän-
Gründungsgeschehen im Rahmen des GEM ist der ein relativ hohes Niveau der Gründungs-
der Total Early-Stage Entrepreneurial Activity aktivitäten an, wobei es sich überwiegend um
(TEA) Index. Dieser Indikator gibt den Anteil Gründungen aus Not (Necessity Entrepreneur-
der Nascent Entrepreneurs und der jungen Un- ship) handelt. In den entwickelten und innova-
ternehmer (Young Entrepreneurs) an der Be- tionsgetriebenen Ländern überwiegen dann in
völkerung im Alter von 18 bis einschließlich 64 der Regel solche Gründungen, deren primäres
Jahren an. Ziel in der Umsetzung bestimmter unterneh-
Die Nascent Entrepreneurs sind im Rah- merischer Gelegenheiten (Opportunity Entre-
men des GEM konkret definiert als Personen, preneurship) besteht.
die
4 zum Zeitpunkt der Befragung versuchen
allein oder mit Partnern ein neues Unter- 3.8 Marktdynamik im
nehmen zu gründen (hierzu zählt jede Art Industrielebenszyklus
selbstständiger Tätigkeit),
4 in den letzten zwölf Monaten etwas zur
Unterstützung dieser Neugründung unter- Die Bedeutung von Gründungen für die Markt-
nommen haben (z. B. durch die Suche nach dynamik hängt wesentlich mit dem Lebens-
Ausstattung oder Standorten, Organisation zyklus des betreffenden Produktes bzw. der
eines Gründungsteams, Erarbeitung eines jeweiligen Industrie zusammen. Marktzutritte
spielen vor allem in den frühen Phasen der
Geschäftsplans, Bereitstellung von Kapital),
4 die Inhaber- oder Teilhaberschaft im Unter- Marktentwicklung, der Einführungs- und der
nehmen anstreben und Wachstumsphase, eine wesentliche Rolle. Da-
4 während der letzten drei Monate keine Voll- bei steigt die Anzahl der Anbieter im Zeitver-
zeitlöhne oder -gehälter bezahlt haben. lauf an, so dass der Netto-Marktzutritt einen
positiven Wert aufweist (siehe . Abb. 3.8). Die-
se frühen Phasen sind durch ein hohes Maß an
Als junge Unternehmer (Young Entrepreneurs) Innovation sowie durch Unsicherheit über die
gelten diejenigen 18- bis 64-jährigen, die zukünftige Marktentwicklung gekennzeichnet.
4 Inhaber oder Teilhaber eines bereits beste- Insbesondere in der Markteinführungspha-
henden Unternehmens sind, bei dem sie in se sind die meisten Anbieter Kleinunterneh-
der Geschäftsleitung mithelfen und men, so dass auch die F&E-Aktivitäten über-
4 aus diesem Unternehmen nicht länger als wiegend von Kleinunternehmen durchgeführt
3,5 Jahre Gehälter, Gewinne oder Sachleis- werden. Da die angewandte Technologie rela-
tungen erhalten haben. tiv neu ist, existiert noch wenig industriespe-
36 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

18%
Total Early Stage Entrepreneurial Activity 2017

16%

14%

3 12%

10%

8%

6%

4%

2%

0%
Großbritannien
Frankreich
Italien
Griechenland
Bulgarien

Schweiz

Irland
Deutschland

Finnland

Ungarn

Polen

Niederlande

-------------------
Japan
China
Australien
USA
Kanada
Spanien

Schweden

Portugal

Österreich

Lettland

. Abb. 3.7 Die Total Earl-Stage Entrepreneurial Activity 2017 in verschiedenen Ländern

Anzahl
Anbieter

Entrepreneurhaftes Routinisiertes
Regime Regime

Shake out

Anzahl Marktzutritte

Anzahl Anbieter

Anzahl
Marktaustritte
Zeit
Netto-
Marktzutritt

. Abb. 3.8 Marktzutritte und Marktaustritte im Verlauf des Industrielebenszyklus

zifisches Wissen, das für einen erfolgreichen ner Vielzahl von Varianten angeboten, da sich
Marktzutritt erforderlich ist. Wettbewerb findet noch kein dominierendes Design durchgesetzt
in diesem Stadium wesentlich über die Quali- hat. Aufgrund der relativ großen Bedeutung
tät der Produkte und weniger über deren Preis von Unternehmensgründungen und von klei-
statt. In der Regel wird ein Produkt in ei- nen Unternehmen bezeichnet man diese Phase
3.9  Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse
37 3

. Übersicht 3.3 Wesentliche Kennzeichen eines entrepreneurhaften und eines routinisierten technologi-
schen Regimes

Entrepreneurhaftes Regime Routinisiertes Regime

Frühes Stadium eines technologischen Pfades; Fortgeschrittenes Stadium eines technologischen Pfades;
wenig industriespezifisches Wissen. erhebliches industriespezifisches Wissen.

Kein dominierendes technologisches Paradigma. Es existiert ein dominierendes technologisches Paradigma.

Eher Qualitäts- als Preiskonkurrenz. Stark ausgeprägte Preiskonkurrenz.

Hoher Anteil an kleinen und jungen Firmen an Hoher Anteil großer und alt-etablierter Firmen an der Inno-
der Innovationstätigkeit. vationstätigkeit.

Marktzutritt relativ leicht möglich. Marktzutritt nur schwer möglich.

des Marktes als entrepreneurhaftes technologi- dungshemmnis. In der Regel nimmt die An-
sches Regime; gelegentlich wird sie auch Schum- zahl der Anbieter im Zeitverlauf weiter ab, so
peter Mark I-Regime genannt. dass der Netto-Marktzutritt negativ ausfällt.
Mit der Etablierung eines dominanten De- Wesentliche Kennzeichen des entrepreneurhaf-
signs ändern sich die Wettbewerbsverhältnisse ten und des routinisierten technologischen Re-
auf dem Markt: Die Produkte der verschiede- gimes sind in . Übersicht 3.3 zusammengestellt.
nen Anbieter werden nun einander ähnlicher, Beispiele für ein entrepreneurhaftes tech-
und da die Nachfrager zunehmend eine be- nologisches Regime sind der Mikro-Computer
stimmte Qualität als selbstverständlich voraus- in den frühen 1980er-Jahren und die Inter-
setzen, findet der Wettbewerb in immer stärke- netökonomie der 1990er-Jahre. Ein routinisier-
rem Maße über den Preis statt. Mit der Standar- tes technologisches Regime herrscht heutzuta-
disierung der Fertigungsprozesse und intensi- ge etwa in der Automobilindustrie sowie in der
verem Preiswettbewerb nimmt die umgesetzte Pharmazeutischen Industrie.
Menge zu und es entsteht ein routinisiertes tech-
nologisches Regime oder Schumpeter Mark II-
Regime. Häufig findet der Übergang vom entre- 3.9 Zusammenfassung
preneurhaften zum routinisierten Regime rela-
tiv abrupt statt, wobei die Anzahl der Anbie-
wesentlicher Ergebnisse
ter innerhalb kurzer Zeit dramatisch zurück-
geht, was als Shakeout bezeichnet wird (siehe Die genaue Identifikation von Unternehmens-
. Abb. 3.8). gründungen ist mit konzeptionellen Proble-
Nach dem Shakeout wird das Marktgesche- men verbunden. So kann man in einer gan-
hen von relativ wenigen etablierten Großun- zen Reihe von Konstellationen durchaus un-
ternehmen beherrscht, in denen auch die In- terschiedlicher Ansicht darüber sein, ob es
nnovationsaktivitäten und das relevante Wis- sich um das Fortbestehen eines etablierten Be-
sen konzentriert sind. Die Innovationsaktivitä- triebs bzw. Unternehmens handelt oder ob eine
ten stellen weitgehend Routinetätigkeiten dar. neue organisatorische Einheit gegründet wur-
Aufgrund von Größenvorteilen der etablierten de. Auch für die Festlegung des Zeitpunktes
Anbieter ist ein Marktzutritt nur noch rela- einer Gründung bestehen Alternativen. Auf-
tiv schwer möglich, so dass Unternehmens- grund solcher Abgrenzungsprobleme gibt es
gründungen eine untergeordnete Rolle spielen. keine objektiv richtige Information zur Anzahl
Auch das erhebliche Ausmaß an industriespe- der Gründungen; vielmehr sind solche Anga-
zifischem Wissen, dass für einen erfolgreichen ben immer nur als Näherungswerte aufzufas-
Marktzutritt erforderlich ist, wirkt als Grün- sen.
38 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

In Deutschland ist die unternehmerische 4 Total Early-Stage Entrepreneurial Activity


Selbstständigkeit in den letzten 20 Jahren deut- (TEA)
lich angestiegen; insbesondere in den neuen 4 Turbulenz
Bundesländern hat die Anzahl der privaten
Unternehmen im Verlauf des mit der Wen-
de im Jahr 1989 begonnenen Transformations- Literaturhinweise
3 prozesses sehr stark zugenommen. Der ganz
überwiegende Großteil der Gründungen fin- Probleme der statistischen Erfassung von
det dabei im Dienstleistungssektor statt. In re- Gründungen behandeln Fritsch und Niese
gionaler Hinsicht können die Gründungsraten (2004). Verschiedene Datenquellen zu Grün-
sehr unterschiedlich ausfallen, wobei sich zeigt, dungen in Deutschland werden in Fritsch
dass das regionale Niveau der Gründungstä- et al. (2003) einander gegenübergestellt. Eine
tigkeit bzw. der unternehmerischen Selbststän- Übersicht über das GEM-Projekt bietet Bosma
digkeit im Zeitablauf ein hohes Maß an Per- (2013).
sistenz aufweist, was als Indiz für die Existenz Zur Langfristigkeit regionaler Niveaus von
einer regionalen Entrepreneurship-Kultur an- Entrepreneurship bzw. zu einer regionalen
gesehen werden kann. Im internationalen Ver- Entrepreneurship- Kultur in Deutschland sie-
gleich fällt das Niveau der Gründungsaktivitä- he Fritsch und Wyrwich (2014, 2017 und 2019).
ten in Deutschland eher gering aus. Dies lie- Entsprechende Analysen für Großbritannien
ße sich als Hinweis auf einen entsprechenden finden sich bei Fotopoulos (2014) sowie bei Fo-
Nachholbedarf in Deutschland auffassen. topoulos und Storey (2017). Eine grundlegen-
Gründungen sind vor allem in der Früh- de Darstellung des Zusammenhangs zwischen
phase der Entwicklung eines Marktes unter den Marktdynamik und Industrielebenszyklus bie-
Bedingungen eines entrepreneurhaften techno- tet Klepper (1997); eine empirische Analyse von
logischen Regimes von Bedeutung. In späte- Shakeout-Prozessen in ausgewählten Industri-
ren Phasen des Industrielebenszyklus, wenn die en findet sich bei Klepper und Simons (2005).
Bedingungen eines routinisierten technologi-
sches Regimes gelten, spielen Gründungen kei-
ne wesentliche Rolle mehr. Weiterführende Literatur

Bosma, Niels (2013): The Global Entrepreneurship Moni-


3.10 Wesentliche Begriffe zu tor (GEM) and Its Impact on Entrepreneurship Re-
search. Foundations and Trends in Entrepreneurship, 9,
Kapitel 3 143–248. https://doi.org/10.1561/0300000033
Fotopoulos, Georgios (2014): On the spatial stickiness
of UK new firm formation rates. Journal of Eco-
4 Gründungsrate nomic Geography, 14, 651–679. https://doi.org/10.
4 Gründungszeitpunkt 1093/jeg/lbt011
4 Marktaustritt Fotopoulos, Georgios und David Storey (2017): Persis-
4 Marktzutritt tence and Change in Interregional Differences in
Entrepreneurship: England and Wales, 1921–2011.
4 Nebenerwerbstätigkeit
Environment and Planning A, 49, 670–702. https://
4 Netto-Marktzutritt doi.org/10.1177/0308518X16674336
4 Persistenz von Entrepreneurship Fritsch, Michael, Reinhold Grotz, Udo Brixy, Michael Nie-
4 Produktlebenszyklus se und Anne Otto (2003): Die statistische Erfassung
4 Selbstständigenrate von Gründungen in Deutschland – Ein Vergleich
4 Solo-Selbstständigkeit von Beschäftigtenstatistik, Gewerbeanzeigenstatis-
tik und den Mannheimer Gründungspanels. Allge-
4 Stilllegung meines Statistisches Archiv, 87, 87–96.
4 Technologisches Regime: entrepreneurhaf- Fritsch, Michael und Michael Niese (2004): Alternative
tes und routinisiertes Indikatoren des Gründungsgeschehens. In Micha-
Weiterführende Literatur
39 3
el Fritsch und Reinhold Grotz (Hrsg.): Empirische Directions for Future Research. International Review
Analysen des Gründungsgeschehens in Deutschland. of Entrepreneurship, 15, 395–416.
Heidelberg 2004: Physica, 5–17. https://doi.org/10. Fritsch, Michael und Michael Wyrwich (2019): Regio-
1007/978-3-7908-2668-5 nal Trajectories of Entrepreneurship, Knowledge, and
Fritsch, Michael (2011): Start-ups in Innovative Industries Growth – The Role of History and Culture. Cham:
– Causes and Effects. In David B. Audretsch, Oliver Springer. https://link.springer.com/book/10.1007
Falck, Stephan Heblich und Adam Lederer (Hrsg.): %2F978-3-319-97782-9
Handbook of Innovation and Entrepreneurship, Chel- Klepper, Steven (1997): Industry Live Cycles. Industrial
tenham: Elgar, 365–381. and Corporate Change, 6, 145–181. https://doi.org/
Fritsch, Michael und Michael Wyrwich (2014): The Long 10.1093/icc/6.1.145
Persistence of Regional Levels of Entrepreneur- Klepper, Steven und Kenneth L. Simons (2005): Industry
ship: Germany 1925 to 2005. Regional Studies, 48, shakeouts and technological change. International
955–973. https://doi.org/10.1080/00343404.2013. Journal of Industrial Organization, 23, 23–43. https://
816414 doi.org/10.1016/j.ijindorg.2004.11.003
Fritsch, Michael und Michael Wyrwich (2017): Persistence
of Regional Entrepreneurship: Causes, Effects, and
41 4

Die Entscheidung
für unternehmerische
Selbstständigkeit: Theorie

4.1 Der Ansatz des Occupational Choice – 42

4.2 Das Grundmodell – 43

4.3 Einige Erweiterungen des Grundmodells – 44

4.4 Zusammenfassung: Was die Theorie erklärt – und was


nicht – 47

4.5 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 4 – 49

Literaturhinweise – 49

Weiterführende Literatur – 49

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_4
42 Kapitel 4  Die Entscheidung für unternehmerische Selbstständigkeit: Theorie

„Praxis ohne Theorie ist blind.“ Wahl zwischen der Gründung eines Unterneh-
(nach Immanuel Kant 1781) mens bzw. unternehmerischer Selbstständig-
keit, einer Tätigkeit als abhängig Beschäftig-
„Es gibt nichts Praktischeres als eine gute
ter sowie der Nicht-Beschäftigung hat. Unter-
Theorie.“
sucht werden die Bestimmungsgründe einer
(Kurt Lewin 1951, 169)
Entscheidung für oder gegen unternehmeri-
sche Selbstständigkeit. Dabei lautet die grund-
Wesentliche Fragestellungen
legende Hypothese, dass die Gründungsent-
4 4 Auf welche Weise kann die individuelle Ent-
scheidung im Wesentlichen durch die subjek-
tive Einschätzung der Vor- und Nachteile der
scheidung für oder gegen unternehmerische
Selbstständigkeit im Vergleich zu abhängiger
Selbständigkeit erklärt werden?
Beschäftigung oder zu Nicht-Beschäftigung be-
4 Was sind die wesentlichen Bestimmungsgrün-
stimmt wird. Im Ergebnis wird dann diejenige
de bei der Entscheidung zur Gründung eines
Erwerbsform gewählt, die im Vergleich zu den
eigenen Unternehmens?
relevanten Alternativen am vorteilhaftesten er-
4 Welche nicht-monetären Einflüsse können bei
scheint.
der Entscheidung für oder gegen Entrepre-
Für den Erklärungsgehalt dieses Ansatzes
neurship eine Rolle spielen?
ist es von zentraler Bedeutung, worin jemand
die Vor- und Nachteile einer bestimmten Er-
werbsform sieht. Welche Bedeutung hat in die-
Wie kann man erklären, dass jemand als Unter- ser Hinsicht das zu erzielende Einkommen?
nehmer tätig ist, während andere in abhängiger Wie wichtig sind die Arbeitsumstände wie etwa
Beschäftigung oder arbeitslos bleiben? Dieses Arbeitszeiten, Arbeitsort, körperliche Anstren-
Kapitel behandelt theoretische Ansätze, die sich gung sowie psychische Belastung? Welche Rolle
einer Beantwortung dieser Frage widmen. Aus- spielen Machtbefugnisse und Handlungsauto-
gangspunkt und von zentraler Bedeutung ist nomie? Wie bedeutend ist die Sicherheit, dass
dabei der Ansatz des Occupational Choice, der Arbeitsplatz und Einkommen erhalten bleiben?
mit anderen Erklärungen verknüpft wird. Welchen Einfluss haben die Karriereaussich-
Zunächst stellt 7 Abschn. 4.1 den Grund- ten? Ohne eine Konkretisierung dieser Punkte
ansatz des Occupational Choice vor. Daran bliebe der Ansatz weitgehend tautologisch.
anschließend wird dann ein einfaches forma- Die Sichtweise, dass die Erwerbsform das
les Grundmodell abgeleitet (7 Abschn. 4.2), das Ergebnis einer Wahlentscheidung darstellt, ist
den Ausgangpunkt für diverse Erweiterungen allerdings nicht ganz unproblematisch. Dies
bildet (7 Abschn. 4.3). In 7 Abschn. 4.4 wer- gilt insbesondere für Personen, die von Arbeits-
den die wesentlichen Überlegungen zusam- losigkeit betroffen sind. Hier hängt es auch vom
mengefasst und Schlussfolgerungen für Weiter- Blickwinkel des Betrachters ab, ob Arbeitslo-
entwicklungen der Theorie des Occupational sigkeit als freiwillig oder als unfreiwillig an-
Choice gezogen. gesehen wird. Denn wenn jemand deshalb ar-
beitslos wird, weil das Unternehmen, in dem er
abhängig beschäftigt ist, aufgrund wirtschaftli-
4.1 Der Ansatz des Occupational cher Probleme schließen muss, dann kann man
Choice zumindest bezweifeln, ob hier eine freiwillige
Wahl stattgefunden hat; schließlich wurde die
Der Ansatz des Occupational Choice stellt die Arbeitslosigkeit durch Entscheidungen ande-
Person des Gründers bzw. Unternehmers in rer Personen herbeigeführt. Eine pragmatische
den Mittelpunkt der Betrachtung und nicht Herangehensweise an dieses Problem bestün-
das gegründete Unternehmen. Ausgangpunkt de darin, nach der Dauer der Arbeitslosigkeit
ist die Annahme, dass jede Erwerbsperson die zu unterscheiden. Entsprechend wäre Arbeits-
4.2  Das Grundmodell
43 4
losigkeit aufgrund von unverschuldeter Ent- ternehmerischen Fähigkeiten x einer Person
lassung zunächst als unfreiwillig anzusehen; abhängt, d. h.  D .x/ mit  0 .x/ > 0.
ein längerer Verbleib in Arbeitslosigkeit könnte Nimmt man darüberhinaus an, dass der Lohn
hingegen als freiwillige Entscheidung gewertet in abhängiger Beschäftigung nicht mit den un-
werden. ternehmerischen Fähigkeiten variiert, so erhält
man den in . Abb. 4.1 dargestellten Zusam-
menhang, der die Grundform eines bekannten
4.2 Das Grundmodell Modells von Robert Lucas (1978) wiedergibt.
Demnach werden Personen mit einem hohen
Im Grundmodell des Occupational Choice er- Niveau an unternehmerischen Fähigkeiten da-
gibt sich die Entscheidung für oder gegen un- zu neigen, als Unternehmer tätig zu sein und
ternehmerische Selbstständigkeit durch einen Personen mit relativ geringen unternehmeri-
Vergleich mit dem Netto-Nutzen in abhängiger schen Fähigkeiten als Beschäftigte einzustellen.
Beschäftigung oder in Erwerbslosigkeit. For- In . Abb. 4.1 kennzeichnet xQ den marginalen
mal ausgedrückt lautet die Grundgleichung Unternehmer, der ein Einkommen gleich dem
in abhängiger Beschäftigung erzielbaren Ar-
p  D g.  w; Z/: beitslohn realisiert ( D w), und gegenüber
beiden Erwerbsformen indifferent ist.
Dabei gibt P  die Wahrscheinlichkeit für un- In diesem Zusammenhang wird häufig un-
ternehmerische Selbstständigkeit an,  ist der terstellt, dass die Beschäftigtenzahl eines Un-
Netto-Nutzen aus unternehmerischer Tätigkeit ternehmens positiv mit dem Niveau der Fä-
und w ist der Netto-Nutzen, der in abhängi- higkeiten des betreffenden Unternehmers ver-
ger Beschäftigung erzielt wird. Der Einfachheit knüpft ist. Demnach führen dann die fähigsten
halber wird im Folgenden zunächst unterstellt, Unternehmer auch die größten Unternehmen,
dass sowohl der Gewinn aus unternehmeri- während der marginale Unternehmer Solo-
scher Tätigkeit als auch das Einkommen in Entrepreneur, d. h. ohne abhängig Beschäftigte
abhängiger Beschäftigung rein pekuniäre Grö- tätig ist.
ßen, also Geldeinheiten darstellen. Ein entspre- Entsprechend diesen Überlegungen hängt
chendes Maß, das auch den Aufwand an Ar- die Anzahl der Unternehmer in einem Land
beitszeit berücksichtigt, wäre der Gewinn bzw. bzw. in einer Region von den unternehmeri-
das Arbeitseinkommen pro Arbeitsstunde. Z schen Fähigkeiten der Bevölkerung sowie von
repräsentiert entscheidungsrelevante Faktoren, den in den beiden Erwerbsalternativen erziel-
die nicht mit dem Geldeinkommen in Zusam- baren Einkommen ab. Wenn alle anderen Um-
menhang stehen, wie etwa ein höheres Maß an stände unverändert bleiben, dann ist die An-
Autonomie und Selbstverwirklichung in unter- zahl der Unternehmer umso geringer, je höher
nehmerischer Selbstständigkeit. die Einkommen sind, die in abhängiger Be-
Je stärker der in unternehmerischer Selbst- schäftigung erzielt werden können. In diesem
ständigkeit erzielbare Gewinn () das Einkom- Modell wird unterstellt, dass eine ausreichen-
men in abhängiger Beschäftigung (w) über- de Anzahl an unternehmerischen Gelegenhei-
steigt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, ten vorhanden ist. Entsprechend der Sichtweise
dass jemand als Unternehmer tätig ist. Wenn von Joseph Schumpeter (siehe 7 Abschn. 2.1)
die in den verschiedenen Erwerbsalternativen wird der Engpass weniger in den vorhande-
erzielbaren Einkommen sicher und einkom- nen unternehmerischen Gelegenheiten als viel-
mensunabhängige Faktoren unbedeutend sind mehr in den unternehmerischen Fähigkeiten
(d. h. Z D 0), dann wird jemand als Unterneh- gesehen.
mer tätig sein, wenn  > w. Lucas (1978) leitet aus seinem Modell die
Weiterhin sei unterstellt, dass der Gewinn Hypothese ab, dass der Anteil der Unterneh-
aus unternehmerischer Tätigkeit  von den un- mer an den Erwerbstätigen im Zeitablauf sinkt,
44 Kapitel 4  Die Entscheidung für unternehmerische Selbstständigkeit: Theorie

Einkommen

Gewinn π (x)

Arbeitslohn w

4
Marginaler
Unternehmer Unternehmerische
Fähigkeiten (x)

Abhängig Beschäftigte Unternehmer


~
x

. Abb. 4.1 Ein einfaches Modell der unternehmerischen Selbstständigkeit

was – wie wir bereits aus dem vorherigen Ka- schen Fähigkeiten in der Gesellschaft allgemein
pitel wissen (siehe 7 Abschn. 3.4) – in klarem angestiegen ist.
Widerspruch zu der Entwicklung während der
letzten Jahrzehnte in Deutschland wie auch in
einer Reihe anderer Länder steht. Lucas ar-
4.3 Einige Erweiterungen des
gumentiert wie folgt: Da über die Jahre im-
mer mehr Kapital akkumuliert und kapitalin- Grundmodells
tensiver produziert wird, werden die Arbeit-
nehmer auch entsprechend produktiver. Sofern Das Grundmodell des Occupational Choice
sich – wovon die neoklassische Wirtschafts- stellt einen fruchtbaren Ausgangspunkt für vie-
theorie ausgeht – die Entlohnung der Arbeit- le Erweiterungen und Verfeinerungen dar. Ei-
nehmer an der Arbeitsproduktivität orientiert, ne wichtige Erweiterung des Modells besteht
müssen auch die Löhne ansteigen, so dass un- in der realitätsnahen Annahme, dass auch das
ternehmerische Selbstständigkeit im Vergleich Einkommen in abhängiger Beschäftigung mit
zu einer abhängigen Beschäftigung immer we- den Fähigkeiten einer Person ansteigt; es gilt al-
niger attraktiv wird. so w D w.x/ mit w 0 > 0. In diesem Falle weist
Der im Gegensatz zum Lucas-Modell zu auch die Kurve für das Lohneinkommen eine
verzeichnende Anstieg der Selbstständigen- positive Steigung auf, und es hängt vom Verlauf
quoten könnte damit erklärt werden, dass eine der beiden Einkommenskurven ab, inwiefern
Reihe von nicht-monetären Motiven für un- sich bei einem bestimmten Fähigkeitsniveau
ternehmerische Selbstständigkeit, wie zum ein Schritt in die Selbstständigkeit lohnt. Eine
Beispiel Autonomiestreben und Wunsch nach wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist,
Selbstverwirklichung von vielen Menschen welche Arten von Fähigkeiten für das Einkom-
stärker gewichtet werden. Es könnte auch sein, men in abhängiger Beschäftigung und für den
dass durch die praktischen Erfahrungen mit Gewinn als Unternehmer relevant sind. Han-
unternehmerischer Selbstständigkeit ein ge- delt es sich hier um die gleichen Fähigkeiten
sellschaftlicher Lernprozesses stattgefunden oder sind in beiden Erwerbsarten jeweils unter-
hat, durch den das Niveau der unternehmeri- schiedliche Qualifikationen wichtig? In dieser
4.3  Einige Erweiterungen des Grundmodells
45 4
Hinsicht wird etwa die Hypothese vertreten, gen, desto steiler verläuft diese Gerade. Bei ei-
dass man als Unternehmer eher Generalist sein nem stärkeren Anstieg der Gewinn-Geraden
muss und eine Vielzahl an unterschiedlichen schneidet sie die Gerade für den Arbeitslohn
Kenntnissen benötigt, während sich das Ein- aus abhängiger Beschäftigung weiter links, was
kommen als Mitarbeiter in einem Unterneh- bedeutet, dass unternehmerische Selbststän-
men eher an den Spezialkenntnissen orientiert digkeit nun für einen größeren Anteil der Er-
(ausführlicher hierzu 7 Abschn. 5.2.2). werbsbevölkerung vorteilhaft ist.
Eine andere wichtige Erweiterung des Auch die Entstehung von besonders profita-
Grundmodells ergibt sich dann, wenn man blen unternehmerischen Gelegenheiten würde
die Annahme aufgibt, dass die unternehme- in dem Modell zu einer stärkeren Steigung der
rischen Fähigkeiten fest vorgegeben und vor Gewinn-Geraden und einem größeren Anteil
der Gründung bekannt sind. Deutlich realisti- an unternehmerisch tätigen Personen führen.
scher ist es zu unterstellen, dass die (potenziell) Eine bloße Vermehrung der Anzahl unterneh-
Selbstständigen unsicher über ihre unterneh- merischer Gelegenheiten hat in diesem Grund-
merischen Fähigkeiten sind und erst im Verlauf modell hingegen solange keinen Einfluss auf
der unternehmerischen Tätigkeit lernen, wie das Niveau der unternehmerischen Selbststän-
gut sie zum Führen eines Unternehmens in der digkeit, wie die Geraden für die beiden Ein-
Lage sind. Plausibel wäre in diesem Zusam- kommensalternativen hiervon unberührt blei-
menhang auch die Annahme, dass ein Teil der ben.
unternehmerischen Fähigkeiten im Verlauf der Ein wichtiger Einwand gegen das darge-
Geschäftstätigkeit im Sinne eines learning by stellte Grundmodell des Occupational Choice
doing erworben wird. Übertragen auf das in besteht darin, dass Unsicherheit über den Ge-
. Abb. 4.1 dargestellte Grundmodell bedeutet winn aus unternehmerischer Tätigkeit und da-
dies, dass jemand nach erfolgter Gründung mit auch das Risiko eines Scheiterns des Unter-
auf der horizontalen Achse mit der Zeit weiter nehmens ausgeklammert bleibt. Damit kom-
rechts platziert ist, weil seine unternehmeri- men die Risikopräferenzen der potenziellen
schen Fähigkeiten durch Lernen während der Gründer ins Spiel. In entsprechenden Erweite-
selbstständigen Tätigkeit zunehmen. Dies im- rungen des Grundmodells wird unterstellt, dass
pliziert, dass der erzielte Gewinn mit der Zeit der Gewinn aus Unternehmertätigkeit mit ei-
ansteigt und das entsprechende Unternehmen nem höheren Maß an Unsicherheit behaftet ist
wächst. als das Einkommen aus abhängiger Beschäf-
Die Annahme, dass die Einkommenser- tigung. Weiterhin nimmt man in der Regel
zielungsmöglichkeiten in unternehmerischer an, dass die Menschen unterschiedliche Ri-
Tätigkeit allein von den unternehmerischen sikopräferenzen haben bzw. in unterschiedli-
Fähigkeiten abhängen, stellt eine wesentliche cher Weise dazu in der Lage sind, Unsicher-
Vereinfachung dar, mit der von den relevan- heit zu akzeptieren. In der eingangs angeführ-
ten Rahmenbedingungen abstrahiert wird. Tat- ten Gleichung kann dies dadurch berücksich-
sächlich sind die Möglichkeiten zur Einkom- tigt werden, dass die Funktion g.:/ nun nicht
menserzielung als Unternehmer wesentlich mehr in deterministischer Weise bestimm-
von institutionellen Gegebenheiten geprägt, te Einkommens- bzw. Gewinnniveaus angibt,
wie etwa den geltenden steuerlichen Regelun- sondern nur entsprechende Wahrscheinlich-
gen, dem Wettbewerbsrecht und dem Arbeits- keiten; Z beschreibt dann u. a. die individuelle
recht. Übertragen auf das in . Abb. 4.1 dar- Risikopräferenz. In einem solchen Modellrah-
gestellte Grundmodell bestimmen solche in- men werden vor allem solche Personen Un-
stitutionellen Faktoren die Steigung der Gera- ternehmen gründen, die über eine relativ ho-
den für den Gewinn aus unternehmerischer he Risikotragfähigkeit verfügen, während be-
Tätigkeit. Je günstiger diese Rahmenbedingun- sonders risikoscheue Personen es vorziehen,
46 Kapitel 4  Die Entscheidung für unternehmerische Selbstständigkeit: Theorie

in möglichst sicherer abhängiger Beschäftigung Berufserfahrung eine wesentliche Quelle der


zu sein (ausführlicher zu Risikopräferenzen unternehmerischen Fähigkeiten darstellen. Da-
von Gründern 7 Abschn. 5.3). rüber hinaus gibt es deutliche Hinweise darauf,
In einem bekannten Modell, das die Bedeu- dass Vorbildeffekte in der Familie und in sozia-
tung der Risikopräferenzen analysiert, kom- len Netzwerken (Peer-Effekte) eine signifikante
men Kihlstrom und Laffont (1979) zu dem Rolle spielen. Inwiefern hier auch genetischer
Ergebnis, dass Personen mit einer relativ ho- Vererbung eine Bedeutung zukommt, ist noch
hen Risikotragfähigkeit tendenziell auch relativ weitgehend unklar (hierzu 7 Abschn. 5.4.2).
4 große Unternehmen führen. Als eine weitere Da das Einkommen, das in einer bestimm-
Determinante des Niveaus unternehmerischer ten Erwerbsform erzielt werden kann, die fi-
Selbstständigkeit in einer Gesellschaft wird in nanzielle Grundlage für die Lebenshaltung dar-
diesem Modell das Vorhandensein von Mög- stellt, spielt es für die Gründungsentscheidung
lichkeiten zur Risikoteilung, wie z. B. Märk- eine wichtige, häufig die zentrale Rolle. Es ist
te für Beteiligungskapital oder Möglichkeiten aber in vielen Fällen nicht das einzige Motiv
zur Versicherung von Risiken, herausgearbei- für unternehmerische Selbstständigkeit. Wei-
tet. Die Existenz solcher Möglichkeiten der tere wichtige Aspekte, die für eine Tätigkeit
Aufteilung von Risiken führt dazu, dass ein grö- als Unternehmer sprechen können, sind etwa
ßerer Anteil der Erwerbsbevölkerung dazu wil- ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Zeit-
lens und in der Lage ist, die mit unternehme- souveränität („sein eigener Chef sein“) sowie
rischer Selbstständigkeit verbundenen Risiken die Möglichkeit zur Umsetzung eigener Ideen.
auf sich zu nehmen. Auch Regelungen, die das Mit solchen vom Einkommen unabhängigen
Scheitern als Unternehmer betreffen, wie z. B. Motiven könnte erklärt werden, warum Per-
die Bestimmungen des Insolvenzrechts, sind in sonen in unternehmerischer Selbstständigkeit
diesem Zusammenhang relevant. verbleiben, obwohl sie in abhängiger Beschäfti-
Neben der Bereitschaft und Fähigkeit zum gung ein höheres Einkommen erzielen könnten
Tragen von Risiken hat die psychologische (ausführlicher hierzu 7 Abschn. 10.1).
Forschung eine Reihe von weiteren Persön- Viele Autoren sind der Ansicht, dass die Be-
lichkeitsmerkmalen wie z. B. Extraversion und deutung des Geld-Einkommens im Vergleich
Offenheit für Erfahrungen identifiziert (siehe zu nicht-pekuniären Vorteilen unternehmeri-
7 Abschn. 5.3), die für eine erfolgreiche Tätig- scher Selbstständigkeit mit steigendem Niveau
keit als Unternehmer von Bedeutung sind und des Geld-Einkommens abnimmt. Die wesent-
die Neigung zu unternehmerischer Selbststän- liche Begründung für diese Vermutung be-
digkeit u.U. erhöhen. Ein weiteres Bindeglied steht in der Vorstellung, dass die Befriedi-
zwischen persönlichen Eigenschaften und Oc- gung der Bedürfnisse einer Hierarchie folgt,
cupational Choice kann in solchen Merkmalen wobei immaterielle Bedürfnisse erst dann in
bzw. Fähigkeiten gesehen werden, die jeman- den Vordergrund rücken, wenn die materiel-
den dazu befähigen, vorhandene unternehme- len Grundbedürfnisse in befriedigender Wei-
rische Gelegenheiten als solche zu erkennen. se abgedeckt sind. Entsprechend ist zu ver-
Im Grundmodell können solche Eigenschaften muten, dass Entrepreneurship aus finanzieller
sowohl als unternehmerische Fähigkeiten x als Not (Necessity Entrepreneurship) für Perso-
auch durch den Vektor der entscheidungsrele- nen mit einem niedrigen Einkommensniveau
vanten Eigenschaften Z abgebildet werden. bzw. in armen Ländern eine relativ große Rolle
Eine wichtige Frage ist, auf welche Weise spielt, wohingegen unter relativ gut verdienen-
sich die für die Gründungsentscheidung re- den Personen bzw. in wohlhabenden Ländern
levanten persönlichen Eigenschaften und Fä- die Bedeutung von Opportunity Entrepreneur-
higkeiten herausbilden bzw. wie sie erworben ship dominiert.
werden. In diesem Zusammenhang kann man Holmes und Schmitz (1990) behandeln den
wohl davon ausgehen, dass Ausbildung und Zusammenhang zwischen unternehmerischen
4.4  Zusammenfassung: Was die Theorie erklärt – und was nicht
47 4
Fähigkeiten und der Qualität von Gründungen. Bei der Behandlung der verschiedenen Va-
In Anlehnung an Schumpeter gehen die Auto- rianten des Modells des Occupational Choice
ren davon aus, dass die unternehmerischen Ge- ergaben sich deutliche Hinweise auf Fragen,
legenheiten exogen vorgegeben sind. In ihrem die bisher nicht in befriedigender Weise be-
Modell sind es die relativ fähigen Unterneh- antwortet werden können und die durch die
mer, welche die besonders erfolgversprechen- Forschung weiter zu klären sind. Hierbei sind
den unternehmerischen Gelegenheiten erken- insbesondere die folgenden vier Bereiche her-
nen und dann auch mit relativ hoher Wahr- vorzuheben:
scheinlichkeit erfolgreich umsetzen. Demge- 4 Ein zentraler Bereich, in dem Klärungsbe-
genüber betreiben die weniger fähigen Un- darf besteht, betrifft die Frage, was genau
ternehmer eher Routine-Entrepreneurship im die im Rahmen des Occupational Choice
Sinne Kirzners (siehe 7 Abschn. 2.1). Dement- relevanten unternehmerischen Fähigkeiten
sprechend stellen die unternehmerischen Fä- ausmacht. Inwieweit unterscheiden sich die
higkeiten der Erwerbsbevölkerung die zentrale für die erfolgreiche Tätigkeit als Unter-
Determinante für die Qualität der Gründungen nehmer relevanten Fähigkeiten von den
dar. Qualifikationen, die für eine erfolgreiche
Tätigkeit als abhängig Beschäftigter wich-
tig sind? Inwiefern unterscheiden sich die
4.4 Zusammenfassung: Was die relevanten unternehmerischen Fähigkeiten
Theorie erklärt – und was nicht nach dem Geschäftsfeld eines Unterneh-
mens (z. B. entsprechend der Branche)?
Die Theorie des Occupational Choice versucht, 4 Ein zweiter wichtiger Bereich für Weiter-
die individuelle Entscheidung für oder gegen entwicklungen des Modells betrifft die Ent-
unternehmerische Selbstständigkeit zu erklä- stehung der unternehmerischen Persön-
ren. Indem diese Theorie die Person des Grün- lichkeitsmerkmale und Fähigkeiten. Wel-
ders bzw. Unternehmers in das Zentrum der che Faktoren begünstigen oder hemmen
Betrachtung stellt, bietet sie sich insbesondere die Herausbildung von unternehmerischen
auch als wesentliche Grundlage für politische Fähigkeiten? Welche Rolle spielen hierbei
Maßnahmen an, mit denen versucht wird, Art Faktoren im persönlichen und regionalen
und Ausmaß an unternehmerischer Selbststän- Umfeld einer Person? Inwieweit sind unter-
digkeit zu beeinflussen (hierzu 7 Kap. 12). nehmerische Einstellung und unternehme-
Theorien und Modelle stellen eine Verein- rische Fähigkeiten auch durch genetische
fachung der Realität dar. Der Sinn und Zweck Faktoren bedingt? Inwieweit bilden sich
solcher Vereinfachungen besteht darin, uns bei die unternehmerischen Einstellungen und
der Erfassung und der gedanklichen Durch- Fähigkeiten während der Tätigkeit in un-
dringung von realen Phänomenen zu helfen, ternehmerischer Selbstständigkeit heraus?
indem wichtige Dinge hervorgehoben wer- Und, nicht zuletzt, was bestimmt die Fähig-
den, unwichtige Aspekte hingegen ausgeblen- keit, die vorhandenen unternehmerischen
det bleiben. Ausgehend von einem einfachen Gelegenheiten zu erkennen?
Kalkül der individuellen Vorteilhaftigkeit von 4 Ein dritter Bereich ist die genauere Spe-
unternehmerischer Selbstständigkeit im Ver- zifikation derjenigen für den Occupatio-
gleich zu abhängiger Beschäftigung bzw. Ar- nal Choice relevanten Faktoren, die nicht
beitslosigkeit, zeigt der Ansatz des Occupatio- mit dem Geld-Einkommen in Zusammen-
nal Choice zentrale Zusammenhänge auf. Wie hang stehen. Dies umfasst diejenigen Ein-
sich gezeigt hat, kann das einfache Grundmo- flüsse, die im Grundmodell in dem Sym-
dell durch verschiedene Modifikationen und bol Z zusammengefasst sind, wie zum Bei-
Erweiterungen an die Realität angenähert wer- spiel Autonomie und Selbstverwirklichung.
den. Was sind die wesentlichen Elemente un-
48 Kapitel 4  Die Entscheidung für unternehmerische Selbstständigkeit: Theorie

ter diesen nicht-pekuniären Faktoren? Wel- punkt für die Entrepreneurship-Politik darstellt
che Bedeutung haben welche dieser nicht- (siehe hierzu auch 7 Abschn. 8.2).
pekuniären Bestimmungsgründen des Oc- Eine wichtige Weiterentwicklung des Mo-
cupational Choice im Vergleich zum peku- dells wäre die Differenzierung zwischen ver-
niären Einkommen? Wie variiert die Ge- schiedenen Arten von Entrepreneurship, wie
wichtung dieser beiden Arten von Einfluss- z. B. zwischen produktivem vs. unprodukti-
größen mit der Höhe des pekuniären Ein- vem, innovativem vs. imitativem, Opportuni-
kommens und mit dem gesellschaftlichen ty vs. Necessity Entrepreneurship. Ausgangs-
4 Wohlstandsniveau? punkt hierbei wäre die Hypothese, dass die
4 Schließlich ist, viertens, der Einfluss der Wirkungen der Rahmenbedingungen auf die
institutionellen, sektoralen und regiona- verschiedenen Arten von Entrepreneurship
len Rahmenbedingungen genauer zu klä- sehr unterschiedlich ausfallen können. Sinn-
ren. Dies ist insbesondere deshalb wich- voll könnte auch sein, zwischen verschiedenen
tig, weil die Ausgestaltung dieser Rahmen- Arten von Unternehmensgründungen zu un-
bedingungen einen wesentlichen Ansatz- terscheiden, also etwa zwischen dem Aufbau
punkt für die Entrepreneurship-Politik dar- eines neuen Unternehmens und der Übernah-
stellt. So stellt sich zum einen die Frage nach me eines bestehenden Unternehmens. Wichtig
der relativen Bedeutung der Rahmenbedin- wäre wahrscheinlich auch die Unterscheidung
gungen. Sind die z.T. ganz erheblichen Un- zwischen der Tätigkeit als Unternehmer mit
terschiede im Niveau von Entrepreneurship abhängig Beschäftigten im Vergleich zu einem
zwischen Regionen (siehe 7 Abschn. 3.6) Solo-Entrepreneur, beispielsweise der freibe-
eher auf die Rahmenbedingungen oder ruflichen Tätigkeit.
mehr auf die unternehmerischen Neigun- Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben,
gen und Fähigkeiten der Bevölkerung zu- dass die Behandlung des Occupational Choice
rückzuführen? Zum anderen ist zu klären, als einen einstufigen Wahlakt eine starke Ver-
welche Rahmenbedingungen sich beson- einfachung gegenüber der Realität darstellt.
ders günstig auf das Niveau von Entrepre- Tatsächlich ist die Gründung eines eigenen
neurship auswirken, indem sie zu einem Unternehmens in aller Regel das Ergebnis ei-
relativ starken Anstieg der Gewinn-Kurve ner Abfolge mehrerer bewusster, wie wahr-
(vgl. . Abb. 4.1) führen. scheinlich auch unbewusster Entscheidungen.
Bevor sich jemand tatsächlich unternehme-
Einen für den Occupational Choice u.U. we- risch selbstständig macht, ist er häufig erst ein-
sentlichen Bereich der Rahmenbedingungen mal mehr oder weniger gründungsinteressiert
stellt die Art und Anzahl der verfügbaren un- und dann Nascent Entrepreneur.1 Occupatio-
ternehmerischen Gelegenheiten dar. Während nal Choice ist eine Entwicklung und die eigent-
das Modell des Occupational Choice unter- liche Gründungsentscheidung ist ein Teil dieser
stellt, dass die unternehmerischen Gelegenhei- Entwicklung.
ten in ausreichendem Maße vorhanden sind Das Modell des Occupational Choice bie-
und keinen Engpass darstellen, deuten räum- tet einen guten Ausgangspunkt zur Beantwor-
lich differenzierte Analysen darauf hin, dass das tung der Frage: „Wieso wird jemand Unterneh-
Niveau unternehmerischer Selbstständigkeit in mer und wieso bleibt jemand in abhängiger
einer Region wesentlich von dem in der Region Beschäftigung?“ Damit stellt es insbesondere
vorhandenen Wissen und den sich daraus erge- eine geeignete Grundlage für entsprechende
benden unternehmerischen Gelegenheiten be-
einflusst wird. Dies beinhaltet letztendlich die 1
Diese Entscheidungsabfolge ist im Rahmen der so-
Frage, inwiefern die Schaffung unternehme- genannten PSED-Studien (Panel Study of Entrepre-
rischer Gelegenheiten (etwa durch Förderung neurial Dynamics) für eine Reihe von Ländern einge-
von F&E-Aktivitäten) einen relevanten Ansatz- hend empirisch untersucht worden.
Weiterführende Literatur
49 4
Maßnahmen der Wirtschaftspolitik dar. Die in differenzierten Überblick über die wesentli-
den folgenden Kapiteln präsentierten empiri- chen Ansätze, wie etwa die Modelle von Lucas
schen Befunde zu Merkmalen von Gründern (1978), von Holmes und Schmitz (1990) sowie
und Gründungen sowie zu Einflüssen des re- von Kihlstrom und Laffont (1979). Zu einem
gionalen und sektoralen Umfeldes zeigen An- Überblick über PSED-Studien siehe Davidsson
satzpunkte für wesentliche Weiterentwicklun- und Gordon (2012).
gen des Modells des Occupational Choice auf.

Weiterführende Literatur
4.5 Wesentliche Begriffe zu
Davidsson, Per und Scott R. Gordon (2012): Panel stu-
Kapitel 4 dies of new venture creation: a methods-focused
review and suggestions for future research. Small
Business Economics, 39, 853–876. https://doi.org/10.
4 Abhängige Beschäftigung
1007/s11187-011-9325-8
4 Arbeitslosigkeit Holmes, Thomas und James A. Schmitz (1990): A Theory
4 Einkommen of Entrepreneurship and Its Application to the Study
4 Gewinn of Business Transfers. Journal of Political Economy, 98,
4 Institutionelle Rahmenbedingungen 265–294. https://doi.org/10.1086/261678
Kant, Immanuel (1781/2004): Kritik der reinen Vernunft. Ri-
4 Nicht-pekuniäre Faktoren
ga 1781: Hartknoch / Frankfurt am Main 2004: Suhr-
4 Peer-Effekte kamp.
4 Occupational Choice Kihlstrom, Richard E. und Jean-Jaques Laffont (1979): A
4 Persönliche Charakteristika General Equilibrium Entrepreneurial Theory of Firm
4 Risikoneigung Formation Based on Risk Aversion. Journal of Politi-
cal Economy, 87, 719–748. https://doi.org/10.1086/
4 Selbstverwirklichung
260790
4 Unsicherheit Knight, Frank H. (1921): Risk, Uncertainty and Profit. New
4 Unternehmerische Fähigkeiten York: Houghton Mifflin.
4 Unternehmerische Selbstständigkeit Lewin, Kurt (1951): Problems of Research in Social Psy-
chology. In D. Cartwright (Ed.): Field Theory in Social
Science; Selected Theoretical Papers, New York: Harper
& Row.
Literaturhinweise Lucas, Robert E. (1978): On the Size Distribution of Busi-
ness Firms. Bell Journal of Economics, 9, 508–523.
Als ein früher Vertreter der Sicht der Erwerbs- https://doi.org/10.2307/3003596
Parker, Simon (2007): Entrepreneurship as Occupational
form als ein Ergebnis einer freiwilligen Wahl- Choice. In Maria Minniti (ed.), Entrepreneurship: The
handlung gilt der Arbeitsmarktökonom Frank Engine of Growth. Vol. 1, Westport (Conn.): Praeger,
Knight (1921). Die Darstellung des Grundmo- 81–100.
dells des Occupational Choice orientiert sich Parker, Simon (2018): The Economics of Entrepreneurship.
an Parker (2007). Parker (2018) gibt einen 2nd ed., Cambridge: Cambridge University Press.
https://doi.org/10.1017/9781316756706
51 5

Unternehmerische
Fähigkeiten von Gründern

5.1 Was sind unternehmerische Fähigkeiten? – 52

5.2 Gründungen und Qualifikation des Gründers – 53


5.2.1 Qualifikationsniveau – 53
5.2.2 Die Struktur der Qualifikationen (Skill Balance) – 54

5.3 Die unternehmerische Persönlichkeit: Für eine Gründung


förderliche Persönlichkeitsmerkmale – 55

5.4 Wie entstehen unternehmerische Fähigkeiten? – 57


5.4.1 Der Transfer der Gründungsneigung zwischen den
Generationen – 57
5.4.2 Genetische Faktoren, Erziehung und Familie – 58
5.4.3 Ausbildung und Beruf – 59
5.4.4 Gesellschaftliches Umfeld – 60

5.5 Was fördert und prägt das Erkennen unternehmerischer


Gelegenheiten? – 62

5.6 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse – 62

5.7 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 5 – 63

Literaturhinweise – 63

Weiterführende Literatur – 64

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_5
52 Kapitel 5  Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern

Wesentliche Fragestellungen keiten), wie etwa die Risikoneigung. Die unter-


nehmerischen Fähigkeiten ergeben sich dann
4 Was sind unternehmerische Fähigkeiten? Wel- aus dem Zusammenspiel dieser beiden Kom-
che Komponenten der unternehmerischen Fä- ponenten. 7 Abschn. 5.2 behandelt die für eine
higkeiten lassen sich unterscheiden? erfolgreiche Gründung erforderlichen Qualifi-
4 Welche Arten von Qualifikationen sind für die kationen und 7 Abschn. 5.3 stellt die für eine
unternehmerischen Fähigkeiten wichtig? unternehmerische Tätigkeit förderlichen Per-
4 Gibt es unternehmerische Persönlichkeits- sönlichkeitsmerkmale vor. 7 Abschn. 5.4 geht
merkmale? der Frage nach, wie die Herausbildung von
4 Wie kommen unternehmerische Fähigkeiten unternehmerischen Fähigkeiten erklärt werden
5 zustande? Welchen Einfluss haben genetische kann. Dabei werden insbesondere Einflüsse
Vererbung, Sozialisation, Ausbildung und Be- von Veranlagung, Erziehung und Sozialisation
rufserfahrung auf die unternehmerischen Fä- auf die Gründungsneigung beleuchtet. Schließ-
higkeiten? lich wird gefragt, welche Faktoren das Erken-
4 Inwiefern werden die unternehmerischen Fä- nen und Ergreifen von unternehmerischen Ge-
higkeiten durch das persönliche Umfeld ge- legenheiten (Opportunity Recognition) beein-
prägt? flussen (7 Abschn. 5.5). 7 Abschn. 5.6 fasst die
wesentlichen Ergebnisse dieses Kapitels zusam-
men.
Im Modell des Occupational Choice (siehe
7 Kap. 4) kommt den unternehmerischen Fä-
higkeiten einer Person die Schlüsselrolle für die 5.1 Was sind unternehmerische
Wahl der Erwerbsform zu. In diesem Kapitel Fähigkeiten?
wird erläutert, worin unternehmerische Fähig-
keiten bestehen und welche Faktoren zu ihrer
Entwicklung beitragen. Dabei wird Entrepre- Es lassen sich zwei wesentliche Komponen-
neurship als Prozess aufgefasst. Diese dyna- ten der unternehmerischen Fähigkeiten unter-
mische Sichtweise berücksichtigt die Tatsache, scheiden, nämlich Qualifikationen und Persön-
dass die Fähigkeit und die Bereitschaft zu un- lichkeitsmerkmale (siehe . Abb. 5.1). Qualifi-
ternehmerischer Selbstständigkeit in der Regel kation umfasst das erlernte Wissen und die
nicht plötzlich von heute auf morgen entste- erlernten Fertigkeiten, was häufig auch als kog-
hen. Vielmehr entwickeln sie sich über längere nitive Fähigkeiten bezeichnet wird. Die Persön-
Zeiträume auf der Grundlage von Veranlagun- lichkeitsmerkmale bzw. die nicht-kognitiven
gen, Ausbildung, Erfahrungen sowie gegebe- Fähigkeiten – zum Beispiel Extraversion, Ge-
nenfalls auch angesichts von aufkommenden wissenhaftigkeit und Risikoneigung – haben
Notwendigkeiten, wie etwa dem Fehlen einer
alternativen Erwerbsmöglichkeit.
Im Folgenden wird zunächst der Begriff der
Persönlichkeits-
unternehmerischen Fähigkeiten näher erläu-
merkmale
tert (7 Abschn. 5.1). Dabei lassen sich zwei we-
sentliche Komponenten unterscheiden. Zum Unternehmerische
einen handelt es sich dabei um die Qualifi- Fähigkeiten
kationen einer Person im Sinne von Wissen
und erlernten Fertigkeiten (kognitiven Fähig- Qualifikationen
keiten), die während der Erziehung, der Ausbil-
dung und der praktischen Tätigkeit erworben
werden. Zum anderen sind es bestimmte Per- . Abb. 5.1 Persönlichkeit und Qualifikationen als
sönlichkeitsmerkmale (nicht-kognitive Fähig- Determinanten unternehmerischer Fähigkeiten
5.2  Gründungen und Qualifikation des Gründers
53 5
einen wesentlichen Einfluss auf die Interessen,sammen hängen, dass höher qualifizierte Per-
die jemand entwickelt, wie zum Beispiel Natur-sonen ihre unternehmerischen Fähigkeiten hö-
wissenschaften, Wirtschaft und Management, her einschätzen als geringer qualifizierte. Dabei
künstlerische Tätigkeit etc. Diese Interessen ha-
wäre dann zu fragen, ob diese Selbsteinschät-
ben Auswirkungen auf das, was die betreffen- zung sachlich gerechtfertigt ist und, falls ja,
de Person lernen will bzw. als Qualifikation welche Teilqualifikationen hier besonders rele-
nachfragt. Darüber hinaus haben die Persön- vant sind.
lichkeitsmerkmale einen Einfluss darauf, auf Eine weitere Erklärung könnte sein, dass
welche Weise sich jemand eine bestimmte Qua- relativ hoch qualifizierte Personen in der Re-
lifikation aneignet und wieviel Aufwand hier- gel auch ein vergleichsweise hohes Einkom-
für erforderlich ist. Schließlich können sich die
men in abhängiger Beschäftigung beziehen und
Persönlichkeitsmerkmale auch darauf auswir- daher gute Möglichkeiten zur Vermögensbil-
ken, wie die erworbenen Qualifikationen ein- dung haben, was ihnen die Finanzierung ei-
gesetzt werden, also zum Beispiel, welchen Be-nes Gründungsprojektes erleichtert. Allerdings
ruf jemand ergreift und/oder welche Erwerbs- kann sich ein relativ hohes Einkommen in ab-
form die Person wählt. Sind bestimmte unter- hängiger Beschäftigung auch als Gründungs-
nehmerische Persönlichkeitsmerkmale wie et- hemmnis erweisen, weil es das relativ sichere
wa Risikotragfähigkeit und Extraversion relativ
Einkommen darstellt, das ein Gründer mit dem
schwach ausgeprägt, dann verringert dies die Schritt in die Selbstständigkeit aufgibt (Op-
Wahrscheinlichkeit dafür, dass jemand ein Un- portunitätskosten). Die faktisch relativ hohe
ternehmen gründet und die erworbenen Quali- Gründungsneigung von höher Qualifizierten
fikationen im Rahmen unternehmerisch selbst- bedeutet, dass diese hohen Opportunitätskos-
ständiger Tätigkeit nutzt. ten durch andere Faktoren überkompensiert
Während sich die Qualifikation einer Per- werden, die positiv auf die Gründungsentschei-
son durch den Lernprozess verändert, sind dung wirken.
die Persönlichkeitsmerkmale – zumindest ab Der höchste erreichte Ausbildungsab-
einem bestimmten Lebensalter – weitgehend schluss stellt allerdings ein recht unvoll-
konstant. Die unternehmerischen Fähigkeiten kommenes Maß für die qualifikatorische
ergeben sich aus dem Zusammenspiel dieser Komponente der unternehmerischen Fähigkei-
beiden Komponenten. ten dar. Denn erfolgreiches Unternehmertum
erfordert in der Regel über einen bestimmten
Ausbildungsabschluss hinaus auch praktische
5.2 Gründungen und Qualifikation Erfahrungen in einem bestimmten Beruf bzw.
des Gründers Branchenumfeld. Dabei dürfte der richtige
Mix von Qualifikationen wesentlich von den
5.2.1 Qualifikationsniveau Charakteristika der betreffenden Branche ab-
hängen.
Die Gründung und das erfolgreiche Führen Ein deutlicher Hinweis auf die Bedeutung
eines Unternehmens sind anspruchsvolle Tä- von Qualifikationen jenseits formaler Ausbil-
tigkeiten, die ein hohes Maß an Qualifikation dungsabschlüsse kann in der Beobachtung ge-
erfordern. Misst man das Qualifikationsniveau
mit dem höchsten erreichten Ausbildungsab- eher ein u-förmiger Zusammenhang zwischen Grün-
schluss, so zeigt sich in der Regel, dass der dungsneigung und dem Niveau der formalen Qua-
lifikation zu verzeichnen, d. h. die Gründungsnei-
Anteil der Selbstständigen mit dem Qualifika-
gung ist sowohl für Personen mit relativ geringem
tionsniveau ansteigt.1 Dies könnte damit zu- Qualifikationsniveau als auch für Personen mit ho-
hen Ausbildungsabschlüssen relativ hoch. Für einen
1
So der Befund für Deutschland (hierzu Fritsch, Kriti- Überblick über diesen Zusammenhang in anderen
kos und Rusakova2012). Für einige andere Länder ist Ländern siehe Poschke (2013).
54 Kapitel 5  Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern

sehen werden, dass viele Unternehmensgrün- 4 Nahrungsmittel in geeigneter Qualität und zu einem
der vor dem Schritt in die Selbstständigkeit günstigen Preis zu beschaffen,
in Kleinunternehmen tätig waren. Die beson- 4 die Buchhaltung im Griff zu haben,
4 Märkte und Konkurrenten zu analysieren,
dere Gründungsneigung von Beschäftigten in 4 eine Speisekarte aufzustellen und Gäste für das Re-
Kleinunternehmen wird unter anderem damit staurant zu gewinnen.
erklärt, dass diese Personen relativ häufigen
direkten Kontakt mit dem Unternehmer als Er kann für bestimmte Aufgaben zwar jeweils Spezia-
listen engagieren, an die er diese Aufgaben delegiert; die
Rollenmodell haben, was es ihnen ermöglicht,
Aufgabe der Auswahl und der Führung dieser Spezialis-
unternehmerische Qualifikationen durch An- ten verbleibt aber in jedem Fall bei ihm.
schauung zu erwerben. Zum anderen wird die
5 relativ hohe Gründungsneigung von Beschäf- Analog ist die Lage bei der Gründung eines innovativen
tigten in Kleinunternehmen auf die besondere Unternehmens durch einen Ingenieur. Grundproblem ist
hier häufig das Fehlen kaufmännischer Kenntnisse (et-
Vielfalt der Tätigkeitsbereiche bzw. den gerin-
wa in den Bereichen Kostenrechnung und Marketing),
gen Spezialisierungsgrad der Arbeit zurückge- die für den Unternehmenserfolg unerlässlich sind. Ei-
führt (ausführlicher hierzu 7 Abschn. 6.3.2). Die ne Lösung für dieses Qualifikationsdefizit könnte in der
Bedeutung der Qualifikationsvielfalt wird mit Bildung eines Gründungsteams bestehen, in dem die
der Hypothese der Balanced Skills herausgear- wesentlichen Kenntnisse vertreten sind, also etwa eine
gemeinsame Gründung eines Kaufmanns und eines In-
beitet, die nachfolgend behandelt wird.
genieurs. Ein anderer Weg ist das Wahrnehmen von kom-
binierten Ausbildungsgängen, wie etwa das Studium
des Wirtschaftsingenieurwesens, die sowohl technisch-
naturwissenschaftliches Wissen als auch kaufmännische
5.2.2 Die Struktur der Kenntnisse vermitteln.
Qualifikationen (Skill
Formal lässt sich die Jack of all Trades-Hy-
Balance)
pothese wie folgt in einem einfachen Produk-
tionsmodell darstellen. Dabei bezeichnen X1
Edward Lazear (2004, 2005) hat in seiner Theo- und X2 spezifische Qualifikationen, also z. B.
rie der Balanced Skills die Qualifikationsan- ingenieurwissenschaftliches und kaufmänni-
forderungen an einen erfolgreichen Unterneh- sches Wissen. Als Angestellte in einem Un-
mer im Vergleich zu den Anforderungen an ternehmen, insbesondere in einem Großun-
einen abhängig Beschäftigten herausgearbei- ternehmen, das typischerweise durch ein ho-
tet. Dabei lautet die Kernaussage dieses An- hes Maß an Arbeitsteilung gekennzeichnet ist,
satzes, dass eine erfolgreiche Gründung viel- werden die Beschäftigten gemäß ihrer Spezi-
fältige Qualifikationen erfordert, während in alkenntnisse entlohnt. Das Einkommen eines
abhängiger Beschäftigung eher Spezialkennt- Spezialisten ergibt sich dann entsprechend der
nisse gefragt sind. Entsprechend dieser Jack am stärksten ausgeprägten Qualifikation, also
of all Trades („Hansdampf in allen Gassen“)- auf der Grundlage von X1 oder X2 , d. h.
Hypothese sollten Gründer also Generalisten
sein, die über eine Vielzahl unterschiedlicher Einkommen des
Qualifikationen verfügen. Man bezeichnet die D max ŒX1 ; X2  :
Spezialisten
Struktur der Qualifikationen auch als Skill Ba-
lance.
Das Einkommen eines Gründers bzw. Selbst-
ständigen wird hingegen durch den am
Will ein Koch ein eigenes Restaurant eröffnen, so reicht es schwächsten ausgeprägten Faktor begrenzt,
für den Erfolg seines Projektes nicht aus, dass er gut ko- also
chen kann. Darüber hinaus muss er auch dazu fähig sein,
4 die entsprechenden Ressourcen (Kapital und even-
tuell Fördermittel) zu mobilisieren, Einkommen des
4 geeignetes Personal zu finden und zu führen,
D  min ŒX1 ; X2  ;
Entrepreneurs
5.3  Für eine Gründung förderliche Persönlichkeitsmerkmale
55 5
wobei der Faktor  für den Marktwert der un- ausgeprägt sind. Im Unterschied zu Qualifi-
ternehmerischen Fähigkeiten steht. Der Koch kationen, die sich durch Lernprozesse verän-
oder der Ingenieur kann also nur dann als Un- dern, ist die Struktur der Persönlichkeitsmerk-
ternehmer erfolgreich sein, wenn er auch über male ab einem bestimmten Lebensalter relativ
die entsprechenden kaufmännischen Kennt- stabil. Allgemein werden folgende Persönlich-
nisse verfügt. Ebenso muss der Kaufmann über keitsmerkmale als förderlich für eine erfolgrei-
weitere Fachkenntnisse verfügen, um ein Re- che Unternehmensgründung angesehen:
staurant oder ein technologieorientiertes Un- 4 Fähigkeit zum Tragen von Risiko,
ternehmen erfolgreich führen zu können. Oh- 4 Kreativität,
ne die passende Kombination von Kenntnissen 4 Selbstvertrauen,
besteht eine sehr hohe Gefahr des Scheiterns. 4 pro-aktive Handlungsbereitschaft,
Entsprechend diesem einfachen Modell, wä- 4 interne Kontrollüberzeugung,
re die Gründung eines eigenen Unternehmens 4 Eigenverantwortlichkeit,
dann rational, wenn das erwartete Einkom- 4 Leistungsmotivstärke,
men aus unternehmerischer Selbstständigkeit 4 Stresstoleranz.
das erwartete Einkommen aus abhängiger Be-
schäftigung übersteigt, also wenn
Zur Abbildung der Persönlichkeitsstruktur ei-
 min ŒX1 ; X2  > max ŒX1 ; X2  : nes Menschen wurde das Konzept Big Five
entwickelt. Diesem Ansatz liegt die Annahme
Empirische Untersuchungen weisen tatsächlich zugrunde, dass sich die Grundstruktur der Per-
auf einen positiven Zusammenhang zwischen sönlichkeit eines Menschen mit fünf Merkma-
der Vielfalt an Qualifikationen einer Person len hinreichend erfassen lässt. Hierbei handelt
und ihrer Gründungsneigung hin. Dabei ist na- es sich um:
türlich von wesentlicher Bedeutung, dass die 4 Offenheit für Erfahrungen,
relevanten Qualifikationen bzw. Erfahrungs- 4 Extraversion (Außenorientierung),
felder zueinander passen. Beispielsweise kann 4 Gewissenhaftigkeit,
man davon ausgehen, dass technische Fähigkei- 4 Neurotizismus (geringe Belastbarkeit, emo-
ten und kaufmännisches Wissen häufig in einer tionale Labilität) sowie
Weise zueinander komplementär sind, die ei- 4 Verträglichkeit im Sinne von geringer Kon-
ne Gründung bzw. den Erfolg in unternehme- fliktbereitschaft.
rischer Selbstständigkeit begünstigen. Demge-
genüber wäre beispielsweise die Kombination
Empirische Untersuchungen weisen darauf
von technischen Kenntnissen mit einer Aus-
hin, dass sich die ersten drei dieser Big
bildung zum Konzertpianisten wohl nur für
Five-Dimensionen, nämlich Offenheit für
sehr eng begrenzte Geschäftsbereiche als kom-
Erfahrungen, Extraversion und Gewissenshaf-
plementär für erfolgreiche unternehmerische
tigkeit, positiv auf die Gründungsneigung einer
Selbstständigkeit einzustufen.
Person auswirken. Demgegenüber scheinen
Neurotizismus und geringe Konfliktbereit-
5.3 Die unternehmerische schaft eher einen negativen Einfluss auf die
Gründungsneigung zu haben. Allerdings ist
Persönlichkeit: Für eine
die Stärke des Einflusses der Persönlichkeits-
Gründung förderliche merkmale auf die Entscheidung für oder
Persönlichkeitsmerkmale gegen unternehmerische Selbstständigkeit
im Vergleich zu anderen Einflussfaktoren
Die psychologische Forschung hat gezeigt, dass vergleichsweise gering. Es gibt auch Hinwei-
bestimmte Persönlichkeitsmerkmale bei unter- se darauf, dass der Einfluss von einzelnen
nehmerisch tätigen Personen besonders stark Persönlichkeitsmerkmalen auf die Gründungs-
56 Kapitel 5  Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern

entscheidung anders ausfällt als der Einfluss Die verschiedenen Typen von Risikopräferenzen las-
auf den Unternehmenserfolg. sen sich anhand von . Abb. 5.2 veranschaulichen. Die
Kurven stellen den Nutzen dar, den jemand aus einer
Diese Zusammenhänge zwischen den Big Five Persön- Investition zieht, mit der er zusätzliches Einkommen
lichkeitsmerkmalen und erfolgreichem Unternehmer- erzielen kann, wobei Unsicherheit über die Höhe des
tum lassen sich wie folgt plausibilisieren: Offenheit für hieraus tatsächlich fließenden Einkommens besteht; im
Erfahrungen begünstigt den Entschluss, die Option der schlimmsten Fall ist der Einsatz verloren. Risikoscheue
unternehmerischen Selbstständigkeit in die Tat umzu- Personen stellen diese Unsicherheit in Rechnung, indem
setzen. Außenorientierung ist für die Vermarktung erfor- sie beispielsweise einen Erwartungswert bilden und da-
derlich. Gewissenhaftigkeit begünstigt das rechtzeitige bei den im Erfolgsfall zu erwartenden Ertrag mit der Ein-
Abarbeiten der zu bewältigenden Aufgaben. Weiterhin trittswahrscheinlichkeit (0  Eintrittswahrscheinlichkeit
erfordert das erfolgreiche Führen eines Unternehmens  1) multiplizieren. Dabei nimmt der Nutzen, der einem
5 emotionale Stabilität (geringes Maß an Neurotizismus) Einkommenszuwachs beigemessen wird, mit ansteigen-
dem Einkommensniveau ab, so dass die entsprechende
sowie Konfliktfähigkeit (niedriges Maß an Verträglich-
keit). Kurve – wie in . Abb. 5.2 dargestellt – immer flacher ver-
läuft. Risikoneutrale Personen ignorieren die Unsicher-
heit der Investition; für sie ist Einkommen gleich Nutzen.
Da der Erfolg einer Unternehmensgründung Personen, die aus der Unsicherheit einen Nutzen ziehen,
mit einem hohen Maß an Unsicherheit verbun- der das möglicherweise zu erzielende Einkommen über-
den ist, erweist sich für die Gründungsneigung steigt, werden als risikoliebend klassifiziert.
auch die Fähigkeit zum Tragen von Risiken
als bedeutend. Personen mit geringer Risiko- In der Literatur ist umstritten, inwiefern die Risikonei-
tragfähigkeit bzw. mit einem hohen Bedürfnis gung ein separates sechstes Persönlichkeitsmerkmal ne-
ben den Big Five darstellt oder ob sie sich als ein Resultat
nach Sicherheit werden die Gründung eines ei- aus diesen Big Five-Charakteristika ergibt. Empirisch be-
genen Unternehmens bzw. unternehmerische steht jedenfalls zwischen den Big Five-Merkmalen und
Selbstständigkeit also eher vermeiden. Um ei- Maßen für die Risikoneigung einer Person ein statistisch
nem möglichen Missverständnis vorzubeugen: signifikanter Zusammenhang, so dass sich die Risikonei-
Wenn hier von der Erfordernis eines gewissen gung einer Person zu einem erheblichen Teil mit den Big
Five erklären ließe bzw. die Big Five auf die Risikoneigung
Maßes an Risikotragfähigkeit für eine Unter- zurückgeführt werden können. Auf jeden Fall leistet die
nehmensgründung die Rede ist, dann geht es Risikoneigung – zusätzlich zu den Big Five – einen sehr
dabei nicht etwa darum, das Risiko gewisser- deutlichen Erklärungsbeitrag zu der Entscheidung für
maßen zu suchen. Empirische Untersuchungen oder gegen unternehmerische Selbstständigkeit.
zeigen klar, dass Unternehmer in aller Regel
keine Spielernaturen oder Hasardeure sind.2 Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt,
Wie fast alle Menschen sind sie eher vorsichtig dass Gründer dazu tendieren, die Erfolgsaus-
und risikoscheu; allerdings sind sie tendenziell sichten einer Gründung zu hoch einzuschät-
weniger risikoscheu als abhängig Beschäftigte zen. Dabei kann es zum einen sein, dass sie
und eher dazu bereit, kalkulierbare Risiken auf zum Überoptimismus neigen und generell die
sich zu nehmen. Wahrscheinlichkeit für ein Scheitern als unrea-
listisch niedrig einstufen. Zum anderen kann
Menschen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Um- es sein, dass sie sich zwar der allgemeinen
gangs mit Unsicherheit. Dabei bezeichnet Unsicherheit
Wahrscheinlichkeit für ein Scheitern durch-
einen Zustand, in dem das Eintreten eines bestimmten
Ereignisses nicht exakt vorausgesagt werden kann. aus bewusst sind, sie aber ihre eigenen Fähig-
keiten überschätzen und glauben, dass gerade
2
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die Risikoprä- sie nicht scheitern werden (Überzuversicht).
ferenzen von Menschen empirisch zu erfassen. Hin- Basierend auf der Annahme, dass Gründun-
weise hierauf liefern etwa der persönliche Fahrstil gen wachstumsfördernde Effekte haben (siehe
oder das Betreiben risikoreicher Sportarten. Bewährt hierzu 7 Kap. 11), kann man dieser Überschät-
hat sich in dieser Hinsicht auch die Frage danach,
welchen Anteil eines bestimmten Betrages jemand
zung der eigenen Erfolgsaussichten durchaus
bei vorgegebener Gewinnwahrscheinlichkeit in ei- eine gesellschaftspolitisch positive Wirkung zu-
ner Lotterie einsetzen würde. sprechen, denn würden alle Gründer ihre Er-
5.4  Wie entstehen unternehmerische Fähigkeiten?
57 5

Nutzen
risikoscheu

risikoneutral

risikoliebend

Einkommen

. Abb. 5.2 Typen von Risikopräferenzen

folgschancen vollkommen realistisch einschät- auf die Persönlichkeitsentwicklung und den Er-
zen, so wäre die Anzahl der Gründungen wahr- werb unternehmerischer Qualifikationen iden-
scheinlich deutlich geringer als sie tatsächlich tifiziert werden.
ist.

5.4.1 Der Transfer der


5.4 Wie entstehen Gründungsneigung zwischen
unternehmerische den Generationen
Fähigkeiten?
Empirische Untersuchungen ergeben regelmä-
Die Frage nach dem Zustandekommen unter- ßig, dass Personen, bei denen mindestens ein
nehmerischer Fähigkeiten bzw. nach den rele- Elternteil unternehmerisch tätig war, eine rela-
vanten Einflussfaktoren wurde besonders in- tiv hohe Neigung zu unternehmerischer Selbst-
tensiv anhand der Übertragung der Neigung zu ständigkeit aufweisen. Dieser positive Zusam-
unternehmerischer Selbstständigkeit zwischen menhang ist umso stärker, je länger die un-
den Generationen, also von den Eltern auf ihre ternehmerischen Tätigkeit der Eltern andauer-
Nachkommen, diskutiert. 7 Abschn. 5.4.1 fasst te und je größer der Unternehmenserfolg war.
die empirischen Befunde hierzu zusammen. Am stärksten ist der Zusammenhang dann aus-
Daran anknüpfend behandelt 7 Abschn. 5.4.2 geprägt, wenn beide Elternteile als Unterneh-
den Einfluss von genetischen Faktoren und der mer tätig waren. War nur ein Elternteil un-
Erziehung in der Familie. 7 Abschn. 5.4.3 be- ternehmerisch selbstständig, so ist die Grün-
schreibt die Bedeutung von Ausbildung und dungsneigung dann höher, wenn es sich dabei
beruflichem Umfeld und in 7 Abschn. 5.4.4 wird um den Vater handelt. Darüber hinaus wurde
dann auf den Effekt des gesellschaftlichen Um- in einigen Untersuchungen auch ein positiver
feldes eingegangen. Wie sich zeigt, können ei- Zusammenhang mit einer unternehmerischen
ne ganze Reihe von Einflüssen des Umfelds Tätigkeit der Großeltern aufgezeigt, unabhän-
58 Kapitel 5  Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern

gig davon, ob auch die Eltern als Unternehmer einen positiven Effekt, allerdings sind viele
tätig waren. Unternehmer nicht wesentlich wohlhabender
Eine mögliche Erklärung für eine Über- als abhängig Beschäftigte (ausführlich hierzu
tragung von Entrepreneurship zwischen Ge- 7 Abschn. 10.1), so dass dieser Einfluss eben-
nerationen bestünde in der Vererbung even- falls nur relativ schwach ausgeprägt ist. Folg-
tuell relevanter genetischer Faktoren, also ei- lich muss der dominierende Effekt von den
nes „Unternehmer-Gens“. Neben einer solchen drei erstgenannten Faktoren ausgehen, also der
Vererbung (hierzu 7 Abschn. 5.4.3) lassen sich Übertragung von Persönlichkeitsmerkmalen
fünf weitere mögliche Wege unterscheiden, auf und/oder der Vermittlung von unternehmeri-
denen ein Transfer der Neigung zu unterneh- schen Qualifikationen über das Vorbild unter-
5 merischer Selbstständigkeit zwischen Genera- nehmerischer Selbstständigkeit (Peer-Effekt).
tionen stattfinden kann. Im Einzelnen handelt
es sich dabei um:
4 die Übertragung von entrepreneurship-
5.4.2 Genetische Faktoren,
relevanten Persönlichkeitsmerkmalen, wie
etwa dem Streben nach Autonomie und der Erziehung und Familie
Fähigkeit zum Tragen von Risiko, von den
Eltern auf ihre Nachkommen im Rahmen Es gibt unterschiedliche Ansichten dazu, inwie-
der Erziehung. weit eine unternehmerische Persönlichkeit auf
4 den Erwerb allgemeiner Geschäfts- und genetischer Veranlagung und somit auf Ver-
Management-Qualifikationen durch die erbung beruht. Die Identifikation eines sol-
Nähe zu einem Unternehmer (Peer-Effekt). chen genetischen Einflusses auf die Entwick-
Dieser „Peer“-Effekt wird in der Regel lung einer unternehmerischen Persönlichkeit
darauf zurückgeführt, dass die reale An- ist unter anderem deshalb schwierig, weil da-
schauung unternehmerischer Tätigkeit in zu der Einfluss der Vererbung vom Einfluss der
den Nachkommen den Wunsch oder sogar Erziehung im Elternhaus sowie von Einflüs-
die Fähigkeit zu Unternehmertum fördert –sen des sozialen Umfelds isoliert werden muss.
und nicht etwa abschreckend wirkt! Bisherige Untersuchungen haben beispielswei-
4 den Erwerb von branchen- oder unterneh- se versucht, den Effekt genetischer Vererbung
mensspezifischen Kenntnissen und Erfah- auf die Gründungsneigung dadurch nachzu-
rungen durch die Nachkommen, eventuell weisen, dass man die Karriereverläufe eineii-
verbunden mit einem relativ leichten Zu- ger Zwillinge verfolgt hat, die kurz nach der
gang zu relevanten Netzwerken. Geburt in verschiedenen Familien aufgewach-
4 die Unternehmensnachfolge, also die Wei- sen sind. Dabei ergab sich ein positiver Ef-
terführung eines elterlichen Familienunter-
fekt von unternehmerischer Selbstständigkeit
nehmens durch die Nachkommen. der Adoptiveltern auf die spätere Gründungs-
4 die Bereitstellung günstiger Finanzie- neigung der Kinder, was angesichts der glei-
rungsmöglichkeiten für eine Unter- chen genetischen Ausstattung der Kinder auf
nehmensgründung durch wohlhabende einen deutlichen Einfluss der Erziehung hin-
unternehmerisch tätige Eltern. weist. Der Zusammenhang zwischen unterneh-
merischer Selbstständigkeit der leiblichen El-
In entsprechenden Untersuchungen zeigt sich, tern und der Gründungsneigung der in Adop-
dass der Transfer von Unternehmertum zwi- tivfamilien aufgewachsenen Kinder war hinge-
schen Generationen nur unwesentlich auf der gen wesentlich schwächer ausgeprägt (hierzu
Weitergabe eines Familienunternehmens an die Lindquist, Son und van Praag 2015).
nachfolgende Generation beruht. Die Höhe Untersuchungen zur Bedeutung des Erzie-
des Vermögens der Eltern hat zwar ebenfalls hungsstils der Eltern weisen darauf hin, dass
5.4  Wie entstehen unternehmerische Fähigkeiten?
59 5
sich eine unterstützende und anregungsreiche hinsichtlich der Entscheidung für ein bestimm-
Erziehung, die einerseits klare Grenzen auf- tes Vertiefungsfach in der Schule, die Wahl der
zeigt, andererseits aber auch viele Entwick- Fachrichtung eines Hochschulstudiums und/
lungsoptionen bietet, über verschiedene Zwi- oder die Entscheidung für eine bestimmte Be-
schenstationen letztendlich positiv auf die Her- rufsausbildung. Es ist auf vielfache Weise ge-
ausbildung einer unternehmerischen Persön- zeigt worden, dass solche Wahlentscheidun-
lichkeit auswirken kann. Wichtig ist dabei of- gen durch die Persönlichkeitsmerkmale ge-
fensichtlich, dass den Kindern und Jugend- prägt sind. Ein besonders wichtiger Meilenstein
lichen wesentliche Autonomiespielräume in- in der Karriere einer Person ist die Berufs-
nerhalb klarer Regeln eingeräumt werden. Ein wahl. Da bestimmte Berufsfelder durch mehr
solcher Erziehungsstil kann dazu beitragen, oder weniger häufige Gelegenheiten für unter-
Selbstvertrauen, Selbstständigkeit, Führungs- nehmerische Selbstständigkeit gekennzeichnet
stärke und ein Gefühl der Kontrolle zu entwi- sind, stellt die Wahl eines bestimmten Berufes
ckeln, was sich dann bereits in früher Kind- offenbar bereits eine gewisse Vorentscheidung
heit und Jugend in entsprechendem Verhalten, für oder gegen spätere unternehmerische Tätig-
wie z. B. der Übernahme von Führungsrollen keit dar.
in Schule und Freundeskreis niederschlagen Solche Unterschiede in den Gelegenheiten
kann. Weiterhin wurde festgestellt, dass spätere zu unternehmerischer Selbstständigkeit zwi-
Unternehmer in ihrer Jungend relativ häufig zu schen den Berufsfeldern schlagen sich etwa im
leichten Regelverstößen3 neigen, sich also et- Anteil der Selbstständigen in einem bestimm-
was weniger angepasst verhalten als Personen, ten Beruf nieder. So weisen beispielswiese Inge-
die als Erwachsene dann als abhängig Beschäf- nieure, Mediziner, Künstler, Landwirte und die
tigte tätig sind. freien Berufe relativ hohe Selbstständigenquo-
ten auf, während unternehmerische Selbststän-
digkeit bei Personen mit vorwiegend un- und
5.4.3 Ausbildung und Beruf angelernten Tätigkeiten, etwa in Bearbeitungs-
berufen oder in Sicherheitsberufen, relativ ge-
ring ausfällt. Auch in Sozialberufen ist der An-
Neben Elternhaus und Erziehung kann die
teil der unternehmerisch selbstständigen Per-
Ausbildung in Schule und Hochschule sowie
sonen nur unterdurchschnittlich hoch. Und:
die Berufserfahrung eine wesentliche Bedeu-
Wer die Sicherheit des öffentlichen Dienstes an-
tung auf die Herausbildung von unternehmeri-
strebt, der weist in der Regel nur eine geringe
schen Fähigkeiten und damit auch auf die Nei-
Wahrscheinlichkeit dafür auf, irgendwann ein-
gung zu unternehmerischer Selbstständigkeit
mal ein eigenes Unternehmen zu gründen.
haben. Dabei geht es neben der Vermittlung
Solche berufsspezifischen Unterschiede im
von bestimmten Qualifikationen insbesondere
Anteil der Selbstständigen können auf eine Rei-
auch um die Stimulierung bestimmter Persön-
he unterschiedlicher Ursachen zurückzuführen
lichkeitsmerkmale wie beispielsweise die Nei-
sein. Mögliche Gründe sind etwa das Maß an
gung zu Eigeninitiative und Eigenverantwort-
berufsspezifischer Arbeitsplatzsicherheit, be-
lichkeit, zu Selbstkontrolle sowie den Mut und
rufsspezifische Regulierungen (z. B. Vorausset-
die Fähigkeit zur Umsetzung eigener Ideen.
zung der Meisterprüfung für die Eröffnung
Im Verlauf von Ausbildung und Karriere er-
eines Handwerkbetriebes), Unterschiede zwi-
geben sich vielfache Wahlmöglichkeiten, sei es
schen den in Selbstständigkeit und in abhängi-
3
ger Beschäftigung erzielbaren Einkommen so-
Unter leichten Regelverstößen sind kleinere Verge-
hen deutlich unterhalb der Schwelle einer kriminel-
wie das berufsspezifische Qualifikationsprofil,
len Handlung zu verstehen. Hierzu Obschonka et al. das sich während der praktischen Berufstä-
(2013). tigkeit entwickelt. Weiterhin können die Exis-
60 Kapitel 5  Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern

tenz standardisierter berufsspezifischer Rol- räumliche Umfeld zurückführen (hierzu insbe-


lenvorbilder in selbstständiger Tätigkeit (z. B. sondere auch 7 Abschn. 8.6). Man kann sich den
Arztpraxis, Rechtsanwalts- oder Steuerberater- Effekt des regionalen Umfelds als eine Art Filter
Kanzlei) sowie eine geringe Mindestgröße für vorstellen, der einige der globalen und natio-
unternehmerische Selbstständigkeit in einem nalen Rahmenbedingungen verstärkt, andere
bestimmten Beruf förderlich sein. hingegen abschwächt (siehe hierzu . Abb. 5.3).
Dabei können sich diese Wirkungen des re-
gionalen Umfelds auf sämtliche Phasen des
5.4.4 Gesellschaftliches Umfeld unternehmerischen Prozesses erstrecken, von
der Erziehung und Sozialisation über Ausbil-
5 Die Persönlichkeitsmerkmale und die unter- dung, Berufswahl und Berufserfahrung bis hin
nehmerischen Qualifikationen werden wesent- zur Entscheidung für oder gegen unternehme-
lich durch das politische und ökonomische rische Selbstständigkeit.
Umfeld sowie durch die institutionellen und Ein wesentlicher Wirkungsmechanismus,
sozialen Rahmenbedingungen geprägt. Hin- über den das soziale Umfeld prägend auf die
sichtlich der institutionellen Rahmenbedin- Neigung zu unternehmerischer Selbstständig-
gungen ist es sinnvoll, zwischen den formalen keit wirkt, sind die Vorbild- bzw. Peer-Effekte,
Regeln, wie zum Beispiel Gesetzen und Verord- die durch die direkte Anschauung von Unter-
nungen, sowie den informellen Institutionen zu nehmertum entstehen. Wenn jemand sieht, was
unterscheiden. Die informellen oder auch wei- ein Unternehmer tut, wie er handelt, wie er
chen Institutionen umfassen die ungeschriebe- auf Probleme reagiert und wie er entscheidet,
nen Regeln des Umgangs miteinander sowie dann kann dies die Neigung dieser Person sti-
insbesondere auch die Werthaltungen der Be- mulieren, selbst unternehmerisch tätig zu sein.
völkerung, wie beispielsweise die Akzeptanz Solche Peer-Effekte, spielen sehr wahrschein-
von privatem Unternehmertum, die Einstel- lich für die Übertragung einer unternehmeri-
lung zu Individualismus, zu materiellen Werten schen Einstellung bzw. der Gründungsneigung
und/oder zu Eigenvorsorge sowie zum Umfang von Eltern auf ihre Nachkommen eine wichtige
der Staatstätigkeit. Rolle (7 Abschn. 5.4.2).
Einen wesentlichen Bestandteil der sozia- Mit den Peer-Effekten, die sich aus direk-
len Rahmenbedingungen macht das vorhande- tem Kontakt mit einem Unternehmer ergeben,
ne Sozialkapital aus. Dabei meint Sozialkapital wird auch die besondere Gründungsneigung
die Häufigkeit und Qualität der sozialen Be- von Beschäftigten in Kleinunternehmen erklärt
ziehungen der Menschen untereinander, was (hierzu 7 Abschn. 6.3.2), wie auch die Beobach-
auch mit dem Begriff der sozialen Netzwerke tung, dass Personen, deren Kollegen ein Unter-
umschrieben wird. Intensive soziale Beziehun- nehmen gegründet haben oder deren Freunde
gen fördern nicht nur den Informations- und unternehmerisch tätig sind, eine relativ hohe
Wissenstransfer, sondern können insbesondere Gründungsneigung aufweisen. Entrepreneur-
auch bei der Beschaffung der für eine Grün- ship hat also die Tendenz, über den Weg der
dung erforderlichen Ressourcen hilfreich sein. direkten Anschauung gewissermaßen überzu-
Entsprechende Untersuchungen zeigen, schwappen und somit andere Personen zu „in-
dass die für Entrepreneurship relevanten fizieren“.
Umfeldbedingungen zwischen Ländern und Infolge der begrenzten räumlichen Mo-
Regionen sehr unterschiedlich ausfallen kön- bilität der Menschen sind die Peer-Effekte
nen. So lässt sich wohl ein wesentlicher Teil durch direkte Anschauung von Unternehmer-
der regionalen Unterschiede im Niveau der tum weitgehend auf die Region beschränkt, in
Gründungstätigkeit und der unternehmeri- der jemand lebt. Dabei hängt die Wahrschein-
schen Selbstständigkeit auf das entsprechende lichkeit dafür, dass jemand direkten Kontakt
5.4  Wie entstehen unternehmerische Fähigkeiten?
61 5

Regionales
Erziehung und
Umfeld
Sozialisation Global und
national relevante
Rahmen -
Ausbildung bedingungen:

– politisch,
Berufswahl und – institutionell,
Berufserfahrung – ökonomisch,
– sozial.

Erfahrung als
Unternehmer

. Abb. 5.3 Einflussfaktoren auf die Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten

mit einem Unternehmer hat, davon ab, wie weit Entwicklung in Ostdeutschland nach dem Zu-
unternehmerische Selbstständigkeit in der be- sammenbruch der DDR bietet ein gutes Bei-
treffenden Region verbreitet ist, also von der spiel hierfür. Mit der deutschen Wiederver-
Selbstständigenquote. Entsprechende Untersu- einigung am 3. Oktober 1990 wurden die in
chungen zeigen, dass die Gründungsneigung in Westdeutschland etablierten formalen Institu-
Regionen mit einem hohen Anteil an Selbst- tionen buchstäblich über Nacht in Ostdeutsch-
ständigen in der Regel relativ hoch ist, was land eingeführt. Ungeachtet der in Ost und
vermutlich zu einem wesentlichen Teil darauf West identischen formalen Institutionen sind
zurückzuführen ist, dass es vor Ort vergleichs- aber auch noch 25 Jahre nach diesen Regelän-
weise viele unternehmerische Rollenvorbilder derungen immer noch eine spezifisch ostdeut-
gibt. Wenn es relativ normal ist, unternehme- sche Mentalität sowie entsprechende Verhal-
risch tätig zu sein, dann stimuliert dies die tensweisen identifizierbar. Die Bedeutung ei-
Gründungsneigung in einer Region bzw. Ge- ner regionalen Entrepreneurship-Kultur zeigt
sellschaft. Auch die Werthaltungen der Bevöl- sich besonders deutlich an der Entwicklung des
kerung variieren in der Regel mit der Verbrei- regionalen Niveaus unternehmerischer Selbst-
tung von unternehmerischer Selbstständigkeit ständigkeit in Ostdeutschland. So besteht zwi-
in einer Region. Auf diese Weise kann eine re- schen der regionalen Selbstständigenquote im
gionale Entrepreneurship-„Kultur“ entstehen, Jahr 1925 und der Gründungs- bzw. Selbst-
die sich sowohl auf die Persönlichkeitsentwick- ständigenquote zu Beginn des 21. Jahrhun-
lung als auch auf die Vermittlung unternehme- derts ein positiver und statistisch signifikanter
rischer Qualifikationen auswirkt, und somit die Zusammenhang (hierzu auch 7 Abschn. 3.6).
Herausbildung unternehmerischer Fähigkeiten Dies deutet darauf hin, dass die regiona-
in der Bevölkerung stimuliert. le Entrepreneurship-Kultur in Ostdeutschland
Eine Kultur unternehmerischer Selbststän- sowohl den Nationalsozialismus und die Zer-
digkeit stellt eine informelle Institution dar. störung des Landes im zweiten Weltkrieg, die
Empirische Untersuchungen zeigen, dass sol- Besatzung durch die sowjetische Armee und
che informellen Institutionen in der Regel sehr 40 Jahre Sozialismus als auch die Schock-
dauerhaft sind und sich sehr viel langsamer Transformation der deutschen Wiedervereini-
verändern, als die formalen Institutionen. Die gung überdauern konnte.
62 Kapitel 5  Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern

5.5 Was fördert und prägt das Muster auf neue Zusammenhänge. Eine relativ
Erkennen unternehmerischer gute Fähigkeit zum Erkennen unternehmeri-
Gelegenheiten? scher Gelegenheiten kann weiterhin für F&E-
Beschäftigte angenommen werden, die mit den
technischen Möglichkeiten gut vertraut sind.
Die Identifikation von erfolgversprechenden
Möglichkeiten für eine Unternehmensgrün-
dung stellt ein Kernelement im unternehmeri- 5.6 Zusammenfassung
schen Prozess dar. Inwiefern ein gegebenes An-
gebot an potenziell tragfähigen unternehmeri-
wesentlicher Ergebnisse
5 schen Gelegenheiten erkannt wird, hängt zum
einen vom Informationsstand einer Person ab, Es lassen sich zwei Komponenten der un-
also vom Zugang zu Informationen sowie von ternehmerischen Fähigkeiten unterscheiden,
den unternommenen Suchprozessen. Zum an- nämlich zum einen die erlernbaren Qualifi-
deren ist hier die Fähigkeit zum Erkennen un- kationen und zum anderen bestimmte Per-
ternehmerischer Gelegenheiten (Opportunity sönlichkeitsmerkmale, deren Struktur im Zeit-
Recognition) von Bedeutung, die einen wichti- ablauf weitgehend stabil ist. Zwischen dem
gen Bestandteil der allgemeinen unternehmeri- Ausbildungsniveau und der Gründungswahr-
schen Fähigkeiten darstellt. scheinlichkeit besteht ein positiver Zusammen-
Für den Informationsstand über unterneh- hang. Demnach weisen Personen mit einem
merische Gelegenheiten spielen die allgemei- Hochschulabschluss die höchste Gründungs-
ne Lebenserfahrung, das Bildungsniveau sowie wahrscheinlichkeit auf. Neben dem Qualifika-
der Mix (Skill Balance, siehe 7 Abschn. 5.2.2) tionsniveau ist insbesondere die Vielfalt und
der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten Struktur der Qualifikationen (Skill Balance)
eine wesentliche Rolle. Weiterhin wichtig sind für erfolgreiches Unternehmertum von Bedeu-
aktive Suchprozesse sowie die Einbindung in tung.
professionelle und soziale Netzwerke. Die Fä- Die empirische Forschung hat eine Rei-
higkeit zum Erkennen unternehmerischer Ge- he von Persönlichkeitsmerkmalen identifiziert,
legenheiten wird einmal bestimmt durch die die für Gründer charakteristisch sind und sich
Kenntnis über wirtschaftliche Zusammenhän- positiv auf den Erfolg von Gründungen aus-
ge, das Wissen über Märkte und über (poten- wirken. So weisen Gründer von Unternehmen
ziell) vorhandene Bedürfnisse bei den Nach- häufig ein relativ hohes Maß an Außenorientie-
fragern. Somit wäre zu erwarten, dass diese rung (Extraversion) und Offenheit für Erfah-
Art von Wissen bei solchen Personen beson- rungen sowie an Gewissenhaftigkeit auf. Wei-
ders stark ausgeprägt ist, die eine betriebswirt- terhin sind sie in der Regel emotional rela-
schaftliche Ausbildung absolviert haben, die tiv belastbar und gehen Konflikten nicht aus
Managementfunktionen wahrgenommen ha- dem Weg. Eine wichtige Voraussetzung für eine
ben und/oder die im Bereich Vertrieb/Marke- Gründung stellt ein gewisses Maß an Risiko-
ting tätig sind. tragfähigkeit dar. Viele Gründer neigen aber
Weiterhin wichtig für das Erkennen un- dazu, über-optimistisch zu sein und dabei die
ternehmerischer Gelegenheiten sind kognitive Erfolgswahrscheinlichkeit für ihr Projekt zu
Prozesse und damit Aufmerksamkeit, Wahr- überschätzen.
nehmungsfähigkeit, Intelligenz und Kreativi- Die Fähigkeit und die Bereitschaft einer
tät. Dabei beinhaltet Kreativität insbesondere Person zu unternehmerischer Selbstständigkeit
die Betrachtung der Dinge aus einem unkon- entwickelt sich meist über einen längeren Zeit-
ventionellen Blickwinkel („out of the box“) so- raum. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass
wie assoziatives Denken, also das Erkennen be- das soziale Umfeld im Verlauf von Erziehung
stimmter Muster und die Übertragung dieser und Sozialisation, Ausbildung, Berufswahl und
5.7  Wesentliche Begriffe zu Kapitel 5
63 5
Berufserfahrung in dieser Hinsicht einen prä- 4 Rollenmodell
genden Einfluss hat. Ein wichtiger Weg auf 4 Skill Balance
dem diese Einflüsse des sozialen Umfelds wirk- 4 Sozialkapital
sam werden, sind Vorbild- bzw. Peer-Effekte. 4 Spezialist
Generell kann man feststellen, dass die Grün- 4 Stresstoleranz
dungsneigung einer Person deutlich höher ist, 4 Überoptimismus
wenn ein direkter Kontakt zu selbstständig tä- 4 Unternehmerische Gelegenheiten
tigen Personen, wie z. B. Eltern, Geschwistern, 4 Vererbung
Freunden und Bekannten besteht. Die Erkennt- 4 Verträglichkeit
nis, dass unternehmerische Fähigkeiten teil- 4 Werthaltungen
weise durch das soziale Umfeld geprägt sind,
bedeutet, dass man sie beeinflussen kann.
Unternehmensgründungen ergeben sich Literaturhinweise
aus dem Aufeinandertreffen von entspre-
chenden Personen und unternehmerischen Eine Darstellung des Zusammenhanges zwi-
Gelegenheiten. Das Erkennen solcher un- schen unternehmerische Persönlichkeit, Qua-
ternehmerischer Gelegenheiten erfordert lifikationen und unternehmerischen Fähigkei-
einen gewissen Informationsstand, insbeson- ten bzw. Erfolg findet sich in Rauch und Frese
dere auch das Wissen über wirtschaftliche (2007a). Der Zusammenhang zwischen Grün-
Zusammenhänge sowie weitere kognitive Fä- dungsneigung und Ausbildungsniveau ist in
higkeiten. internationalen Studien nicht ganz eindeutig
(hierzu Parker 2018); für Deutschland ist die-
ser Zusammenhang – wie im Text dargestellt –
5.7 Wesentliche Begriffe zu eindeutig positiv; siehe hierzu Fritsch, Kriti-
kos und Rusakova (2012). Die Balanced Skill-
Kapitel 5 Theorie wurde von Edward Lazear aufgestellt.
Zu einer ausführlichen Fassung siehe Lazear
4 Berufserfahrung (2005); wesentlich kürzer ist die Darstellung
4 Branchenerfahrung in Lazear (2004). Empirische Tests der Jack of
4 Big Five all Trades-Hypothese bieten et al. Åstebro und
4 Eigenverantwortlichkeit Thompson (2011), Bublitz und Noseleit (2014)
4 Extraversion sowie Wagner (2003, 2006). Zu den Persön-
4 Fähigkeiten lichkeitsmerkmalen von Gründern siehe Cali-
5 kognitive endo, Fossen und Kritikos (2010, 2014), Rauch
5 nicht-kognitive und Frese (2007b), Zhao und Seibert (2006)
5 unternehmerische sowie Zhao, Seibert und Lumpkin (2010). Das
4 Generalist Konzept der unternehmerischen Persönlich-
4 Gewissenhaftigkeit keit wird von Schmitt-Rodermund (2005) her-
4 Jack of all Trades-Hypothese ausgearbeitet.
4 Kreativität Empirische Evidenz zu leichten Regelver-
4 Managementerfahrung stößen von späteren Unternehmern während
4 Netzwerke ihrer Jugend präsentieren Obschonka et al.
4 Neurotizismus (2013). Zum Transfer der Gründungsneigung
4 Offenheit für Erfahrungen zwischen Generationen siehe Parker (2018)
4 Opportunity Recognition sowie vertiefend auch Chlosta et al. (2012).
4 Peer-Effekt Zum Einfluss der Erziehung und Sozialisation
4 Persönlichkeitsmerkmale auf die Persönlichkeitsmerkmale siehe Schmitt-
4 Risikoneigung Rodermund (2005) sowie auch Obschonka, Sil-
64 Kapitel 5  Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern

bereisen und Schmitt-Rodermund (2011). Zu Caliendo, Marco, Frank Fossen und Alexander Kritikos
einer empirischen Studie der genetischen Ver- (2010): The impact of risk attitudes on entrepreneuri-
erbung der Neigung zu Entrepreneurship siehe al survival. Journal of Economic Behavior & Organiza-
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Lindquist, Sol und van Praag (2015). Den Ein- 02.012
fluss des beruflichen Umfeldes auf die Grün- Caliendo, Marco, Frank Fossen und Alexander Kriti-
dungsneigung behandeln Fritsch, Bublitz und kos (2014): Personality Characteristics and the De-
Rusakova (2012). cision to Become and Stay Self-Employed. Small
Einen Überblick über die Bedeutung von Business Economics, 42, 787–814. https://doi.org/10.
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regionalem Sozialkapital für Entrepreneurship Chlosta, Simone, Holger Patzelt, Sabine B. Klein und
bieten Westlund und Bolton (2003); siehe hier- Christian Dormann (2012): Parental role models and
5 zu auch Westlund, Larsson und Olsson (2014). the decision to become self-employed: the mode-
Zum Einfluss von regionalen Werthaltungen rating effect of personality. Small Business Econo-
auf das Gründungsgeschehen siehe Kibler, mics, 38, 121–138. https://doi.org/10.1007/s11187-
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Kautonen und Fink (2014). Speziell zu Peer- Eckhardt, Jonathan T. und Scott Shane (2010): An Update
Effekten siehe Bosma et al. (2012). Die Persis- to the Individual-Opportunity Nexus. In Zoltan J. Acs
tenz von informellen Institutionen wird grund- und David B. Audretsch (eds): Handbook of Entrepre-
legend bei North (1994) und bei Williamson neurship Research. 2nd ed., New York: Springer, 47–
(2000) behandelt. Zur Persistenz der Neigung 76. https://doi.org/10.1007/978-1-4419-1191-9_3
Fritsch, Michael, Elisabeth Bublitz und Alina Rusakova
zu unternehmerischer Selbstständigkeit über (2012): Berufstätigkeit und Entrepreneurial Choice –
längere Zeiträume siehe Fritsch und Wyrwich Welchen Einfluss hat die Berufstätigkeit auf die Ent-
(2014, 2019). Welter (2011) gibt einen ausführ- scheidung zur unternehmerischen Selbständigkeit?
lichen Überblick über die mögliche Bedeutung In Alexandra Krause und Christoph Köhler (Hrsg.):
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für Entrepreneurship. Fritsch, Michael, Alexander Kritikos und Alina Rusako-
Eine ausführliche Behandlung der Entste- va (2012): Who Starts a Business and who is Self-
hung und des Erkennens unternehmerischer Employed in Germany? Jena Economic Research Pa-
Gelegenheiten bieten Shane (2003, 18–60) so- pers # 001-2012, Friedrich-Schiller-Universität und
wie Eckhardt und Shane (2010). Zur Klassi- Max-Planck-Institut für Ökonomik Jena.
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fikation von Risikopräferenzen, ihrer Bedeu- Persistence of Regional Levels of Entrepreneur-
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wie auch zu Überzuversicht und Überoptimis- 955–973. https://doi.org/10.1080/00343404.2013.
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und Fähigkeiten als Vorläufer für unternehmerische
Aktivität im Erwachsenenalter. Wirtschaftspsycholo-
gie, H. 2, 7–23.
67 6

Demografische Merkmale
und Berufsverläufe
von Gründern

6.1 Demografische Merkmale von Gründern – 68


6.1.1 Gründungswahrscheinlichkeit und Lebensalter – 68
6.1.2 Unterschiede der unternehmerischen Selbstständigkeit zwischen
Männern und Frauen – 69
6.1.3 Migration und Gründungsneigung – 70

6.2 Standortwahl von Gründungen – 70

6.3 Berufliche Tätigkeit vor der Gründung – 71


6.3.1 Gründungen aus Arbeitslosigkeit – 71
6.3.2 Die relativ hohe Gründungsneigung von Beschäftigten in
Kleinunternehmen – 72
6.3.3 Innovative Spin-offs – 73

6.4 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse – 75

6.5 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 6 – 76

Literaturhinweise – 76

Weiterführende Literatur – 77

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_6
68 Kapitel 6  Demografische Merkmale und Berufsverläufe von Gründern

Wesentliche Fragestellungen 6.1 Demografische Merkmale von


Gründern
4 Finden Gründungen vorwiegend in einem be-
stimmten Lebensalter statt? In welcher Phase
der beruflichen Karriere ist die Gründung ei- 6.1.1 Gründungswahrscheinlich-
nes eigenen Unternehmens besonders wahr- keit und Lebensalter
scheinlich?
4 Weisen Frauen in Bezug auf Entrepreneurship Empirisch lässt sich ein deutlich ausgepräg-
Besonderheiten auf? ter Zusammenhang zwischen dem Lebensal-
4 Wieso waren viele Gründer vor dem Schritt in ter einer Person und der Wahrscheinlichkeit
die Selbständigkeit in kleinen Unternehmen für die Gründung eines eigenen Unternehmens
tätig? feststellen. Dabei steigt die Gründungswahr-
4 Wie erfolgversprechend sind Gründungen aus scheinlichkeit mit dem Lebensalter zunächst
6 Arbeitslosigkeit? an und nimmt dann nach dem Erreichen ei-
nes Maximalwertes wieder ab. In . Abb. 6.1 ist
dieser Zusammenhang in schematischer Weise
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit demogra- illustriert.
fischen Merkmalen und den Berufsverläu- Die relativ geringe Gründungsneigung in
fen von Gründern. Dabei geht es zunächst jungen Jahren lässt sich damit erklären, dass die
um das Alter von Gründern, um Unterschie- Kompetenz, Erfahrung und das Selbstvertrau-
de in der Gründungsneigung zwischen Män- en in die eigenen unternehmerischen Fähigkei-
nern und Frauen sowie um Besonderhei- ten zu Beginn der Berufstätigkeit noch rela-
ten der Gründungsaktivitäten von Migranten tiv schwach ausgeprägt sind. Auch bestehen in
(7 Abschn. 6.1). 7 Abschn. 6.2 beschreibt die diesem frühen Stadium kaum Möglichkeiten,
empirischen Befunde zur Standortwahl von um Ersparnisse zu bilden, die als Grundstock
Gründungen. Daran anschließend werden drei für die Finanzierung eines Gründungsprojek-
Typen der Berufsverläufe von Unternehmens- tes dienen können. Entsprechend ist der Kar-
gründern betrachtet, die von der Häufigkeit riereverlauf von Gründern meist dadurch ge-
her bzw. aus der Sicht der Wirtschaftspoli- kennzeichnet, dass sie nach Beendigung ihrer
tik besonders relevant sind. Dabei handelt es Ausbildung zunächst eine abhängige Beschäfti-
sich erstens um Gründungen aus Arbeitslo- gung aufnehmen und erst nach längerer Zeit in
sigkeit und die Frage, inwieweit von Grün- abhängiger Beschäftigung die Gründung eines
dungen aus Arbeitslosigkeit eine nachhaltige
Lösung von Beschäftigungsproblemen erwar-
tet werden kann (7 Abschn. 6.3.1). Zweitens
wird den möglichen Gründen für die besonders Maximum (in Deutschland bei ca. 41 Jahren)
Kapazität zur
stark ausgeprägte Gründungsneigung von Be- Gründung
schäftigten in Kleinunternehmen nachgegan-
gen (7 Abschn. 6.3.2). Drittens schließlich geht
es um die Beobachtung, dass viele innovative
Gründungen als Spin-offs aus etablierten in-
Lebensalter
novativen Unternehmen entstehen, woran die
Wissens-Spillover-Theorie des Entrepreneur-
ship anknüpft (7 Abschn. 6.3.3). Abschließend
werden die wesentlichen Ergebnisse zusam- . Abb. 6.1 Lebensalter und Gründungswahrschein-
mengefasst (7 Abschn. 6.4). lichkeit
6.1  Demografische Merkmale von Gründern
69 6
eigenen Unternehmens ernsthaft in Erwägung len, dass Frauen im Vergleich zu Männern im
ziehen. Durchschnitt ein niedrigeres Qualifikationsni-
Die Abnahme der Gründungsbereitschaft veau aufweisen, was zu einem wesentlichen Teil
mit dem Alter, nachdem ein Maximalwert er- auf die Besonderheiten des frauentypischen
reicht wurde, kann mit mindestens drei Fak- Rollenmodells in der Gesellschaft zurückzu-
toren erklärt werden. Erstens ergeben sich für führen ist. Da die Gründungsneigung in einem
viele Menschen mit dem Lebensalter durch positiven Zusammenhang mit dem Bildungs-
Heirat und Familiengründung Verpflichtun- niveau (vergleiche hierzu 7 Abschn. 5.2.1) steht,
gen, die gegen die Übernahme des Risikos ei- ergibt sich hieraus für Frauen eine geringere
ner Unternehmensgründung sprechen. Zwei- Gründungswahrscheinlichkeit.
tens steigt mit der Dauer der beruflichen Kar- Zweitens folgt aus dem im Durchschnitt ge-
riere in abhängiger Beschäftigung in der Regel ringeren Qualifikationsniveau von Frauen ein
auch das Einkommen an, so dass man ein im- in abhängiger Beschäftigung niedrigeres Ein-
mer höheres sicheres Einkommen (= Opportu- kommen, was geringere Möglichkeiten bietet,
nitätskosten der Gründung) aufgibt, wenn man Ersparnisse für ein Gründungsprojekt zu bil-
seine Stelle kündigt, um ein eigenes Unterneh- den und sich damit ebenfalls negativ auf die
men zu gründen. Drittens schließlich sinkt mit Wahrscheinlichkeit für eine Gründung aus-
dem Alter aufgrund der Begrenztheit der Le- wirkt. Drittens schließlich könnte auch die ten-
benszeit in der Regel auch die Bereitschaft, sich denziell schlechtere Entlohnung von Frauen für
in langfristigen Projekten zu engagieren. gleich qualifizierte Arbeit und die damit ver-
Das Lebensalter mit der höchsten Wahr- bundenen geringeren Möglichkeiten zur Bil-
scheinlichkeit für eine Gründung weist im dung von Ersparnissen einen solchen negati-
internationalen Vergleich nur geringe Unter- ven Effekt auf die Gründungswahrscheinlich-
schiede auf, wobei die maximale Gründungs- keit haben. Da durch geringere Entlohnung für
neigung in ärmeren Ländern in jüngeren Al- gleiche Arbeit aber auch die Opportunitätskos-
tersgruppen erreicht wird als in den reiche- ten der unternehmerischen Tätigkeit sinken,
ren Ländern. In Deutschland liegt die maxi- steigt entsprechend dem Grundmodell des Oc-
male Gründungsneigung derzeit bei einem Al- cupational Choice andererseits der Anreiz zur
ter von knapp über 40 Jahren. Aufgrund des Selbstständigkeit (7 Abschn. 4.2).
Zusammenhangs zwischen Lebensalter und Eingehende Analysen zeigen allerdings,
Gründungsneigung wird das Niveau der Grün- dass Einflussfaktoren wie das Bildungs- und
dungsaktivitäten in einem Land bzw. einer Re- das Einkommensniveau das geringere Niveau
gion unter anderem von der Altersstruktur der an unternehmerischer Selbstständigkeit von
Bevölkerung beeinflusst. Frauen nur zum Teil erklären können. Bei ei-
ner Erklärung der relativ geringen Gründungs-
neigung von Frauen sind wohl auch tradier-
6.1.2 Unterschiede der te Rollenbilder und historische Faktoren be-
deutend. So entwickelte sich Lohnarbeit von
unternehmerischen
Frauen außerhalb von Haus und Hof in Mit-
Selbstständigkeit zwischen teleuropa erst relativ langsam im Verlauf des
Männern und Frauen 19. Jahrhunderts. Bis Anfang des 20. Jahrhun-
derts war verheirateten Frauen in vielen Re-
In aller Regel fällt der Anteil der Frauen un- gionen Deutschlands die Führung eines Unter-
ter den Gründern bzw. den unternehmerisch nehmens per Gesetz verboten. Bis gegen Ende
selbstständigen Personen relativ gering aus. des 20. Jahrhunderts war etwa in Deutschland
Dies lässt sich auf verschiedene Gründe zu- die Gründung und Führung eines eigenen Un-
rückführen. So dürfte erstens eine Rolle spie- ternehmens für verheiratete Frauen dadurch
70 Kapitel 6  Demografische Merkmale und Berufsverläufe von Gründern

stark erschwert, dass sie größere Bankgeschäfte te Migranten aus bestimmten Ländern auf dem
in der Regel nicht ohne explizite Einwilligung Arbeitsmarkt generell schlechtere Chancen ha-
ihres Ehemanns tätigen konnten. ben, überhaupt eine adäquate Beschäftigung
Wenn Frauen ein Unternehmen gründen, zu finden und ein relativ hoher Anteil der
so sind diese Firmen häufig kleiner und weni- Gründungen dieser Migranten aus der Not her-
ger stark wachstumsorientiert als die von Män- aus stattfindet, also Necessity Entrepreneurship
nern gegründeten Unternehmen. Berücksich- darstellt. Ebenso kann es sein, dass relativ gut
tigt man den Effekt der Größe einer Grün- qualifizierte Zuwanderer vor allem innovative
dung sowie der Qualifikation des Unterneh- Unternehmen gründen, um sich bietende un-
mers bzw. der Unternehmerin auf den Grün- ternehmerische Gelegenheiten wahrzunehmen
dungserfolg, so sind von Frauen gegründete (Opportunity Entrepreneurship).
Unternehmen nicht weniger ökonomisch er-
folgreich als Unternehmen, die von Männern
6 gegründet worden sind (ausführlicher hierzu 6.2 Standortwahl von
7 Abschn. 10.2.3).
Gründungen

Es kann als ein Stylized Fact der Gründungs-


6.1.3 Migration und
forschung angesehen werden, dass der Standort
Gründungsneigung für die Gründung in der ganz überwiegenden
Mehrzahl der Fälle in räumlicher Nähe zum
Empirische Untersuchungen zeigen häufig eine Wohnort des Gründers gewählt wird. Nicht sel-
relativ stark ausgeprägte Neigung von Auslän- ten findet die Gründung auch im Wohnbereich
dern bzw. von Personen mit Migrationshinter- oder in der sprichwörtlichen Garage des Grün-
grund zu unternehmerischer Selbstständigkeit. ders statt. Dieser Befund ist nicht zuletzt ein
Eine Erklärung hierfür könnte in der Selekti- Indiz dafür, dass die Gründung eines Unter-
vität von Wanderungen liegen: Menschen, die nehmens einen regionalen Prozess darstellt, der
international mobil sind, weisen häufig ein re- wesentlich durch regionale Gegebenheiten ge-
lativ hohes Qualifikationsniveau und ein hohes prägt wird.
Maß an Eigeninitiative auf, Eigenschaften also, Der Grund für die starke Ortsgebundenheit
die in der Regel mit einer eher hohen Grün- von Gründern ist vermutlich vor allem darin
dungsneigung verbunden sind. zu sehen, dass die Gründung eines Unterneh-
Eine weitere Erklärung für eine hohe Grün- mens in der Regel mit einem sehr hohen Maß
dungsneigung von Migranten könnte sein, an Unsicherheit verbunden ist und der Grün-
dass die im Herkunftsland erworbenen Aus- der vermeiden will, diese Unsicherheit durch
bildungsabschlüsse nicht als gleichwertig aner- Wahl eines Standortes in einem unbekannten
kannt werden, so dass sie für ihre Qualifikatio- räumlichen Umfeld zu erhöhen. Einen wesent-
nen keine adäquate Entlohnung in abhängiger lichen Effekt können in diesem Zusammen-
Beschäftigung erhalten. Aus diesem Grunde hang auch die privaten und beruflichen Netz-
kann es für Zuwanderer dann besonders loh- werke des Gründers haben, die in der Regel
nend sein, ihre Kenntnisse nicht in abhängiger in seiner Wohnregion konzentriert sind. Sofern
Beschäftigung, sondern in unternehmerischer ein Gründer räumlich mobil ist, wird er in al-
Selbstständigkeit zu vermarkten. ler Regel dazu tendieren, sich zunächst an dem
Weitere Zusammenhänge zwischen Migra- neuen Standort zu etablieren und Kontakte auf-
tion und Entrepreneurship sind zu einem we- zubauen bzw. sich in regionale Netzwerke zu
sentlichen Teil vom jeweiligen Herkunftsland integrieren, bevor er den Schritt in die Selbst-
und der Qualifikation der Zuwanderer geprägt. ständigkeit wagt. Die Standortverlagerung des
So kann es etwa sein, dass gering qualifizier- Gründers geht somit der Gründung voraus.
6.3  Berufliche Tätigkeit vor der Gründung
71 6
6.3 Berufliche Tätigkeit vor der dungen durch Arbeitslose in der Regel den
Gründung Gründungen aus Not (Necessity Entrepreneur-
ship) zugerechnet werden. Inwiefern die so mo-
tivierten Gründungen die wirtschaftliche Ent-
Es wurde bereits verschiedentlich darauf hin- wicklung stimulieren können und ob eine För-
gewiesen, dass der Entschluss zur Gründung derung von Gründungen aus Arbeitslosigkeit
eines eigenen Unternehmens in der Regel durch die Politik einen Weg zur Lösung von Be-
wesentlich durch die im Berufsverlauf ge- schäftigungsproblemen darstellt, ist allerdings
machten Erfahrungen geprägt ist. Dies schlägt nicht ganz klar.
sich etwa darin nieder, dass Gründungen Gegen einen besonderen Beschäftigungs-
nur relativ selten direkt nach Abschluss einer beitrag von Gründungen durch Arbeitslose
Ausbildung stattfinden, sondern dem Schritt spricht einmal, dass Überleben und Wachstum
in die Selbstständigkeit meist eine längere von Gründungen wesentlich von der Qualifika-
Phase der abhängigen Beschäftigung voraus- tion des Gründers abhängen (hierzu ausführ-
geht (7 Abschn. 6.1.1). Entsprechend entwi- lich 7 Kap. 10), die arbeitslosen Personen im
ckeln sich die Fähigkeit und die Bereitschaft zur Durchschnitt aber meist nur ein relativ niedri-
unternehmerischen Selbstständigkeit über län- ges Qualifikationsniveau aufweisen. Weiterhin
gere Zeiträume auf der Grundlage von Neigun- verfügen viele der Arbeitslosen aufgrund ge-
gen, erworbenen Qualifikationen, Erfahrungen ringer Einkünfte auch nur über geringe Mittel
sowie gegebenenfalls auch angesichts von auf- zur Finanzierung eines Gründungsvorhabens.
kommenden Notwendigkeiten wie etwa dro- Weiterhin zeigen empirische Untersuchungen,
hender oder bereits eingetretener Arbeitslosig- dass arbeitslose Personen im Durchschnitt ei-
keit. ne geringere Gründungsneigung aufweisen als
Im Folgenden werden drei wesentliche Personen in Erwerbstätigkeit. Allerdings stel-
Aspekte dieser Dynamik behandelt, die in der len die Arbeitslosen eine durchaus heterogene
Forschung bzw. in der Politik große Beach- Gruppe dar. Differenziert man nach der Dauer
tung gefunden haben. Dabei handelt es sich der Arbeitslosigkeit, so ergibt sich für Kurzzeit-
zum einen um die Erklärung des Phänomens, arbeitslose, verstanden als Personen, die bis zu
dass Beschäftigte in Kleinunternehmen eine einem Jahr arbeitslos sind, eine deutlich höhere
besonders hohe Gründungsneigung aufweisen Gründungsneigung als für Langzeitarbeitslose,
(7 Abschn. 6.3.2). Zum anderen geht es um die also Personen, deren Arbeitslosigkeit länger als
Beobachtung, dass viele innovative Gründun- ein Jahr andauert.
gen als Spin-offs aus etablierten innovativen Angesichts hoher Arbeitslosenquoten wur-
Unternehmen entstehen (7 Abschn. 6.3.3). Ein de während der letzten Jahrzehnte in vielen
weiteres Thema sind Gründungen aus der Ar- Ländern versucht, die Gründung von Unter-
beitslosigkeit, die in vielen Ländern massiv ge- nehmen durch Arbeitslose zu fördern. Wesent-
fördert werden, in der Hoffnung, hierdurch zur liche Mittel hierbei waren Qualifikationsmaß-
Lösung von Beschäftigungsproblemen beizu- nahmen sowie die Sicherung eines Mindestein-
tragen (7 Abschn. 6.3.1). kommens während der Gründungsphase. Die
entsprechenden Unternehmen sind in der Re-
gel kleiner als Gründungen aus abhängiger Be-
schäftigung und konzentrieren sich häufig auf
6.3.1 Gründungen aus
Branchen, die durch eine entsprechend geringe
Arbeitslosigkeit mindestoptimale Größe gekennzeichnet sind,
wie zum Beispiel personenbezogene Dienstleis-
Drohende oder tatsächliche Arbeitslosigkeit tungen. Viele dieser Unternehmen haben ne-
kann ein wesentlicher Anlass zur Gründung ben dem Unternehmer selbst keinen weiteren
eines eigenen Unternehmens sein, wobei Grün- Beschäftigten (Solo-Entrepreneurship).
72 Kapitel 6  Demografische Merkmale und Berufsverläufe von Gründern

In Bezug auf die Dauerhaftigkeit der aus merische Tätigkeit überwiegend als positi-
Arbeitslosigkeit heraus gegründeten Unterneh- ves Vorbild wahrgenommen.
men hat sich gezeigt, dass diese Unternehmen 4 Die Tätigkeitsfelder in Kleinunternehmen
im Durchschnitt länger im Markt verbleiben sind relativ weit gefasst, so dass die Tä-
als Unternehmen, die aus Beschäftigung heraus tigkeit der Beschäftigten vielfältiger ist als
gegründet wurden. Es ist allerdings nicht ganz in Großunternehmen, die in der Regel ein
klar, inwiefern die längere Überlebensdauer weitaus höheres Maß an Spezialisierung
von Gründungen aus Arbeitslosigkeit als be- aufweist. Eine solche weite Abgrenzung der
sonderer Erfolg zu werten ist, denn der Grund Aufgabengebiete in Kleinunternehmen för-
hierfür könnte ja darin bestehen, dass ein we- dert das Denken in unternehmerischen Zu-
nig profitables Unternehmen deshalb nicht auf- sammenhängen und somit die Qualifikati-
gegeben wird, weil als einzige Alternative zur on der Beschäftigten für unternehmerische
selbstständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit Tätigkeit. Dadurch ist auch die Vielfalt der
6 gesehen wird. Qualifikationen bei Beschäftigten in Klein-
Trotz dieser Unklarheiten über den Erfolg betrieben tendenziell höher, was dann ent-
von Gründungen aus Arbeitslosigkeit waren sprechend der Jack of all Trades-Hypothese
die entsprechenden politischen Programme in (7 Abschn. 5.2.2) ebenfalls eine relativ ho-
Deutschland insofern erfolgreich, als sie vie- he Gründungsneigung von Beschäftigten in
len arbeitslosen Personen eine dauerhafte Be- Kleinbetrieben erklären kann.
schäftigungsperspektive eröffnet haben. Dabei 4 Es kann sein, dass vor allem solche Per-
waren die durch die Wiedereingliederung in sonen in Kleinunternehmen tätig sind, die
das Erwerbsleben bewirkten Einsparungen an für eine Gründung förderliche Persön-
Arbeitslosenunterstützung in der Regel deut- lichkeitsmerkmale aufweisen (Selbstselekti-
lich höher als die Kosten der Starthilfen für die onseffekt). Wie noch ausführlich erläutert
Gründungsprojekte. wird, sind Arbeitsplätze in Kleinunterneh-
men aufgrund einer vergleichsweise hohen
Stilllegungswahrscheinlichkeit von Klein-
6.3.2 Die relativ hohe unternehmen relativ unsicher (ausführli-
cher hierzu 7 Abschn. 9.3.2). Es wäre also
Gründungsneigung von
durchaus plausibel, wenn Personen mit ei-
Beschäftigten in ner geringen Risikoneigung eine Tätigkeit
Kleinunternehmen in Kleinunternehmen wegen der höheren
Gefahr einer Stilllegung meiden und des-
Diverse Untersuchungen haben ergeben, dass halb die Tätigkeit in einem Großunterneh-
viele Gründer vor dem Schritt in die Selbststän- men bevorzugen. Auch könnte ein höhe-
digkeit in kleinen Unternehmen tätig waren res Maß an Eigenverantwortlichkeit und
bzw. dass Beschäftigte in Kleinunternehmen Selbstständigkeit in Kleinunternehmen auf
häufig eine deutlich höhere Gründungsneigung Personen mit unternehmerischer Persön-
aufweisen als Personen, die in Großunterneh- lichkeit besonders anziehend wirken.
men arbeiten. Für dieses Phänomen bieten sich
vor allem die folgenden drei Erklärungen an: Weiterhin könnte eine Rolle spielen, dass Ar-
4 In Kleinbetrieben tätige Personen haben in beit in Kleinunternehmen in vielerlei Hinsicht
der Regel sehr viel öfter und intensiver di- als weniger attraktiv gelten kann als die Tä-
rekten Kontakt mit dem Unternehmer als tigkeit in einem Großunternehmen. Beispiels-
dies in Großunternehmen der Fall ist. Sie weise ist die Beschäftigung in Kleinunterneh-
lernen auf diese Weise das Rollenmodell men in der Regel finanziell schlechter dotiert
unternehmerischer Tätigkeit besser kennen als vergleichbare Beschäftigung in Großunter-
(7 Abschn. 5.4.4). Dabei wird die unterneh- nehmen, wobei häufig auch ein geringeres Ni-
6.3  Berufliche Tätigkeit vor der Gründung
73 6
veau an Sozialleistungen gewährt wird. Auch 6.3.3 Innovative Spin-offs
sind die Arbeitsplätze in Kleinunternehmen
aufgrund einer relativ hohen Stilllegungswahr-
scheinlichkeit besonders unsicher. Schließlich
Häufige Karrieremuster der Gründer
bieten Kleinunternehmen aufgrund der sehr innovativer Spin-offs
flachen Hierarchien nur geringe interne Auf- Anders als bekannte Beispiele wie die Firmen
stiegsmöglichkeiten; wer beruflich weiter kom- Apple, Microsoft oder Google vermuten las-
men will, der muss in ein größeres Unterneh- sen, erfolgt die Gründung innovativer Unter-
men oder in die unternehmerische Selbststän- nehmen meist nicht direkt nach einer ent-
digkeit wechseln.1 sprechenden – meist akademischen – Ausbil-
Diese relativ geringe Attraktivität der Tä- dung, sondern erst nach einer längeren Phase
tigkeit in Kleinunternehmen erklärt allerdings der Berufstätigkeit. Dementsprechend unter-
nur den geringen Anreiz zum Verbleib, nicht scheidet sich das Durchschnittsalter von Grün-
aber eine höhere Gründungsneigung der Be- dern innovativer Unternehmen in Deutschland
schäftigten in Kleinunternehmen. Anknüpfend auch nicht vom Durchschnittsalter der Grün-
an die Erkenntnis, dass Arbeitsplätze in Klein- der nicht-innovativer Unternehmen. Innovati-
unternehmen in der Regel eine geringe Quali- ve Gründungen stellen somit in der Regel Spin-
tät aufweisen, wird gelegentlich argumentiert, offs aus bestehenden Unternehmen dar.
dass viele Beschäftigte in Kleinunternehmen Eine Besonderheit von innovativen Spin-
gerne zu einem besser bezahlten Arbeitsplatz off-Gründungen ist, dass der Anlass für den
in Großunternehmen wechseln würden, sie Ausstieg des Gründers aus dem etablierten Un-
von Großunternehmen aufgrund tatsächlicher ternehmen durch Gründung einer eigenen Fir-
oder vermuteter geringer Qualifikation aber ma häufig in Meinungsverschiedenheiten über
nicht eingestellt werden. Aus diesem Grunde die Umsetzung innovativer Ideen bzw. über die
bietet die unternehmerische Selbstständigkeit Geschäftspolitik besteht. Oft ist es so, dass je-
für solche Personen dann eventuell einen Weg, mand deshalb ein innovatives Unternehmen
ihr Einkommen zu verbessern. gründet, weil er seine Vorstellungen innerhalb
Welche dieser Erklärungen für die höhe- des etablierten Unternehmens, dem Inkubator,
re Gründungsneigung von Beschäftigten in nicht durchsetzen kann. Da innovative Ide-
Kleinunternehmen besondere Relevanz hat, ist en als solche kaum verkauft werden können,
weitgehend ungeklärt. Zu vermuten ist, dass stellt die Gründung eines eigenen Unterneh-
sowohl Kontakt mit unternehmerischen Rol- mens häufig den einzigen Weg dar, die Idee
lenmodellen, Vielfalt der Tätigkeitsbereiche als umzusetzen.
auch die Selbstselektion von Personen mit ei- Das Geschäftskonzept innovativer Spin-offs
nem unternehmerischen Persönlichkeitsprofil beruht häufig zu einem wesentlichen Teil auf
zu einer Erklärung beitragen können. Wissen, dass der Gründer während seiner Tä-
tigkeit im Inkubator-Unternehmen erworben
hat. Mit seinem Angebot operiert das Spin-
1
Im Gegensatz zu diesen Faktoren, die eine Tätig- off-Unternehmen meist auf demselben oder
keit in einem Großunternehmen als vergleichsweise auf einem angrenzenden Markt und macht so-
unattraktiv erscheinen lassen, steht der Befund, dass
mit dem Inkubator-Unternehmen Konkurrenz.
die Arbeitszufriedenheit von Beschäftigten in Klein-
betrieben im Allgemeinen signifikant höher ist als Da der Standort der Gründung in der Regel
bei Beschäftigten in Großunternehmen (Benz und in räumlicher Nähe zum Wohnort des Grün-
Frey2008). Eine Erklärung für die höhere Arbeitszu- ders gewählt wird und dieser sich meist nahe
friedenheit der Beschäftigten in Kleinbetrieben trotz am alten Arbeitsplatz befindet, sind Spin-off-
niedrigerer Löhne und trotz geringerer Arbeitsplatz- Gründungen ein wesentlicher Weg zur Her-
sicherheit kann in einer größeren Tätigkeitsvielfalt
und einem höheren Maß an Selbstbestimmung ver-
ausbildung räumlicher Cluster von Unterneh-
mutet werden. men mit ähnlichem Produktprogramm. Ent-
74 Kapitel 6  Demografische Merkmale und Berufsverläufe von Gründern

sprechende empirische Untersuchungen deu- Viele Spin-off-Gründungen, die aus privaten


ten darauf hin, dass sowohl die Anzahl innova- Unternehmen hervorgehen, operieren auf den
tiver Spin-offs, die aus einer innovativen Firma gleichen Märkten wie das jeweilige Inkuba-
stattfinden, als auch deren Erfolg, wesentlich tor-Unternehmen. Aufgrund dieser direkten
durch den Umfang und die Qualität des in Konkurrenzbeziehung zum Inkubator-Unter-
der Inkubator-Firma vorhandenen Wissens be- nehmen sind die Anreize zu einer Kooperati-
stimmt wird. on zwischen diesen Unternehmen in der Regel
Im Zusammenhang mit solchen Spin-off- nur schwach ausgeprägt. Darüber hinaus kön-
Prozessen stellt sich die Frage, warum die nen die Möglichkeiten zu einer solchen Zusam-
Inkubator-Firma der innovativen Idee nicht menarbeit, die aus der Sicht des Wettbewerbs-
nachgeht und das entsprechende neue Produkt rechts ein Kartell darstellt, auch durch rechtli-
nicht selbst am Markt einführt. Neben einer all- che Beschränkungen begrenzt sein.
gemeinen organisationalen Trägheit, die insbe- Anders liegen die Dinge bei einem speziel-
6 sondere großen, etablierten Unternehmen häu- len Fall eines Spin-off, nämlich der Gründung
fig nachgesagt wird, lassen sich hierfür im We- eines innovativen Unternehmens aus einer
sentlichen zwei Gründe anführen: Hochschule oder einer sonstigen öffentlichen
1. Die Inkubator-Firma verkennt häufig die Forschungseinrichtung, mit der das in dieser
Gewinnpotenziale des neuen Produktes. Organisation vorhandene Wissen kommer-
Ein wesentlicher Grund für eine solche zialisiert wird. Da einer kommerziellen Ver-
Fehleinschätzung besteht darin, dass die marktung des Wissens durch die Hochschule
Erfolgsaussichten von Innovationen in der oder die öffentliche Forschungseinrichtung
Regel mit einem hohen Maß an Unsicher- selbst infolge ihres öffentlich-rechtlichen oder
heit behaftet sind. Hinzu kommt, dass sol- gemeinnützigen Status in der Regel institutio-
che Ideen häufig nur schwer kommuniziert nelle Beschränkungen entgegenstehen, kann
werden können (Problem asymmetrischer eine solche Kommerzialisierung nur außerhalb
Information).2 dieser Organisationen in privaten Unterneh-
2. Die Inkubator-Firma schätzt die Gewinn- men, also beispielsweise in einem Spin-off,
potenziale einer Neuerung häufig deshalb erfolgen. Dabei stehen die Hochschulen bzw.
geringer ein als der Spin-off Gründer, weil öffentlichen Forschungseinrichtung solchen
durch Einführung einer Produktvariante Spin-offs in aller Regel sehr positiv gegenüber
das vorhandene Produktprogramm durch und versuchen mehr oder weniger intensiv,
Konkurrenz aus der eigenen Firma ge- die Entstehung solcher Ausgründungen zu
wissermaßen „kannibalisiert“ wird. Dieses fördern (siehe hierzu 7 Abschn. 12.5.3). Wei-
Problem besteht für den Spin-off-Gründer terhin besteht in der Regel auch ein intensives
nicht. Interesse der Hochschulen am Erfolg und
an der weiteren Zusammenarbeit mit diesen
Gründungen etwa in Form von F&E-Koopera-
2
Dies stellt insbesondere auch das Grundproblem bei tion.
Investitionsentscheidungen von Venture Capital-
Investoren dar (siehe hierzu 7 Abschn. 7.4). Es gibt Die Wissens-Spillover-Theorie des
diverse empirische Beispiele dafür, dass die Gewinn- Entrepreneurship
potenziale von innovativen Konzepten falsch einge-
schätzt wurden. So hat etwa Chester Carlson, der das Die dargestellten empirischen Befunde werden
moderne Fotokopieren entwickelt hat, seine Erfin- in der Wissens-Spillover-Theorie des Entrepre-
dung in den 1940er Jahren der Firma Kodak angebo- neurship zusammengefasst. Kernpunkt dabei
ten, die damals das weltweit führende Unternehmen ist, dass innovative Gründungen als Wissens-
für fotografische Materialien war. Kodak lehnte ab
mit der Begründung, dass niemand diese Erfindung
Spillover aus etablierten Organisationen – Un-
benötigen würde und kein Markt hierfür vorhanden ternehmen, Hochschulen, außeruniversitären
sei. Forschungseinrichtungen – angesehen wer-
6.4  Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse
75 6
den. Aufgrund der Hemmnisse, die einer mulieren. Die Möglichkeiten hierzu werden in
Umsetzung dieses Wissens in der Inkuba- 7 Abschn. 12.5 behandelt.
tor-Organisation entgegenstehen, bliebe dieses
Wissen innerhalb der Inkubator-Organisation
weitgehend ungenutzt. Die Gründung eines in- 6.4 Zusammenfassung
novativen Unternehmens stellt daher einen we-
wesentlicher Ergebnisse
sentlichen Weg dar, um dieses Wissen nutzbar
zu machen.
In diesem Prozess des Wissens-Spillover In diesem Kapitel wurde ein Überblick über
durch Gründung innovativer Unternehmen ist wesentliche demografische Merkmale von Un-
die regionale Dimension bzw. der Standort ternehmensgründern sowie über die Tätigkeit
aus mindestens zwei Gründen relevant. Ers- vor der Gründung und die Standortwahl für
tens ist neues Wissen in der Regel nur räum- Gründungsprojekte gegeben. Die größte Wahr-
lich beschränkt verfügbar. Zweitens werden scheinlichkeit für die Gründung eines eigenen
Unternehmen fast immer nahe am Wohnort Unternehmens besteht im mittleren Lebensal-
des Gründers errichtet (siehe 7 Abschn. 6.4), ter, also etwa zwischen dem 35. und dem 45. Le-
der sich meist in der Nähe des Standortes bensjahr. Dies bedeutet, dass die Gründung
der Inkubator-Organisation befindet. Die gro- meist nicht direkt nach Abschluss einer Ausbil-
ße Bedeutung der regionalen Dimension bei dung, sondern erst nach einer längeren Phase
der Entstehung innovativer Gründungen zeigt der abhängigen Beschäftigung stattfindet.
sich etwa darin, dass die Standorte innovati- Die im Vergleich zu Männern geringere
ver Gründungen stark im näheren Umkreis von Gründungsneigung von Frauen ist wohl vor al-
Hochschulen, außeruniversitären Forschungs- lem auf geschlechtsspezifische Rollenmodelle
einrichtungen und F&E-Standorten etablierter und das daraus häufig resultierende niedrigere
Unternehmen konzentriert sind. Ausbildungsniveau zurückzuführen. Das nied-
In Bezug auf Absolventen von Hochschulen rigere Ausbildungsniveau und entsprechend
kann dieser positive Zusammenhang zwischen geringe Löhne führen dann dazu, dass Frauen
Hochschulstandort und Standort einer innova- meist über geringere finanzielle Mittel verfü-
tiven Gründung allerdings nur eingeschränkt gen, die für ein Gründungsprojekt eingesetzt
gelten, da diejenigen Absolventen, die später werden können. Frauen gründen tendenziell
ein innovatives Unternehmen gründen, dies in kleinere Unternehmen als Männer, insbeson-
aller Regel erst nach einer längeren Phase der dere sind die von Frauen gegründeten Un-
abhängigen Beschäftigung tun. Da ihre Berufs- ternehmen meistens weniger wachstumsorien-
tätigkeit häufig mit räumlicher Mobilität ver- tiert.
bunden ist, findet diese Gründung dann nicht Dass die Gründungsneigung von Migran-
am Hochschulort statt. Dementsprechend wur- ten in der Regel relativ hoch ausfällt, lässt sich
de in einer Studie, die Gründungsaktivitäten im Wesentlichen auf zwei Einflüsse zurückfüh-
von ehemaligen Studenten des Massachusetts ren. Erstens sind Migranten meist vergleichs-
Institute of Technology (MIT) ermittelt hat, weise gut qualifiziert und weisen ein hohes Maß
festgestellt, dass sich ca. zwei Drittel der von an Eigeninitiative auf, was für Gründungen
diesen Gründungen geschaffenen Arbeitsplät- förderlich ist. Zweitens besteht für Migranten
ze in anderen Regionen befindet. häufig ein relativ hoher Anreiz zur Gründung,
In der Wirtschaftspolitik gibt es vielfäl- weil ihre im Heimatland erworbenen Qualifi-
tige Ansätze, mit denen versucht wird, den kationen oft nicht vollständig anerkannt wer-
Wissenstransfer aus Unternehmen, Hochschu- den oder Arbeitgeber eine Entlohnung entspre-
len und außeruniversitären Forschungsein- chend der Qualifikation verweigern. Insofern
richtungen in innovative Gründungen zu sti- bietet sich häufig die Gründung eines eigenen
76 Kapitel 6  Demografische Merkmale und Berufsverläufe von Gründern

Unternehmens als ein Weg zur adäquaten Ver- tätig gewesen. Das Gründungsprojekt ist dann
marktung der vorhandenen Qualifikation an. in der Regel auch durch Wissen geprägt, das
Der Standort von Gründungen befindet der Gründer während der Tätigkeit in diesem
sich fast immer in räumlicher Nähe zum Unternehmen erworben hat. Ein wesentliches
Wohnort des Gründers, so dass die Gründung Motiv für die Gründung besteht in der Regel
eines Unternehmens als ein regionaler Prozess darin, dass sich die innovative Idee innerhalb
zu verstehen ist. Dies ist insbesondere damit zu des Inkubator-Unternehmens nicht umsetzen
erklären, dass eine Gründung mit einem hohen lässt. Für den innovativen Spin-off-Gründer
Maß an Unsicherheit verbunden ist und der stellt die Errichtung eines eigenen Unterneh-
Gründer davor zurückscheut, diese Unsicher- mens dann in der Regel die einzige Möglichkeit
heit durch Tätigkeit in einem ihm unbekannten dar, um seine Idee realisiert zu sehen.
räumlichen Umfeld noch zusätzlich zu erhö-
hen.
6 Gründungen von arbeitslosen Personen 6.5 Wesentliche Begriffe zu
sind meist relativ klein und finden überwie- Kapitel 6
gend in Branchen mit einer geringen mindest-
optimalen Größe statt. Im Vergleich zu anderen
Gründungen weisen Gründungen aus Arbeits- 4 Arbeitslose als Gründer
losigkeit jedoch häufig höhere Überlebensraten 4 Arbeitszufriedenheit
auf. Entsprechende Förderprogramme sind zu- 4 Frauen als Gründerinnen
mindest insoweit erfolgreich, als sie einigen Ar- 4 Inkubator-Firma
beitslosen eine Beschäftigungsperspektive er- 4 Kleinunternehmen
öffnen. 4 Lebensalter
Beschäftigte in Kleinunternehmen weisen 4 Migranten als Gründer
in aller Regel eine deutlich höhere Grün- 4 Peer-Effekte
dungswahrscheinlichkeit auf als Personen, die 4 Spin-off-Gründung
in Großunternehmen tätig sind. Aus diesem 4 Standortwahl
Grund werden Kleinunternehmen häufig als 4 Tätigkeitsfelder
Saatbeet für Unternehmensgründungen ange- 4 Wissens-Spillover-Theorie des Entrepre-
sehen. Eine mögliche Erklärung für diese hö- neurship
here Gründungsneigung von Beschäftigten in
Kleinunternehmen besteht darin, dass die ty-
pischerweise relativ weit abgegrenzten Tätig- Literaturhinweise
keitsfelder in Kleinunternehmen das Denken
in unternehmerischen Zusammenhängen för- Zum Zusammenhang zwischen Lebensalter
dern, wobei insbesondere auch der vergleichs- und Gründungen siehe Lévesque und Minni-
weise häufige und enge direkte Kontakt mit ti (2006) sowie Parker (2018). Die relativ ho-
dem Unternehmer Vorbildeffekte erzeugt. Hin- he Gründungsneigung von Beschäftigten in
zu kommt, dass ein Arbeitsplatz in einem Kleinunternehmen behandelt ausführlich Par-
Kleinunternehmen aus verschiedenen Grün- ker 2009, 2018). Zur Arbeitszufriedenheit von
den relativ unattraktiv ist, so dass die Anreize Beschäftigten in kleinen und großen Unterneh-
zum Verbleib verhältnismäßig gering ausfallen. men siehe Benz und Frey (2008). Einen Über-
Gründungen innovativer Unternehmen blick über die Entstehung innovativer Spin-offs
finden eher selten direkt nach der Ausbildung, bietet Klepper 2009). Zur Wissens-Spillover-
wie zum Beispiel einem Hochschulstudium, Theorie des Entrepreneurship siehe Acs et al.
statt. Meist ist der Gründer vor dem Schritt in (2009). Die Ergebnisse der in 7 Abschn. 6.3.3
die Selbstständigkeit eine Zeit lang in einem an- erwähnten Befragung von MIT-Alumni wer-
deren Unternehmen als abhängig Beschäftigter den in Roberts und Eesley (2011) sowie in Ro-
Weiterführende Literatur
77 6
berts, Murray und Kim (2015) dargestellt. Zur Dahl, Michael S. und Olav Sorenson (2009): The Embed-
Standortwahl von Gründungen siehe Dahl und ded Entrepreneur. European Management Review, 6,
Sorenson (2009) sowie Figueiredo, Guimaraes 172–181. https://doi.org/10.1057/emr.2009.14
Figueiredo, Octavio, Paulo Guimaraes und Douglas
und Woodward (2002). Analysen von Program- Woodward (2002): Home-Field Advantage: Locati-
men zur Förderung von Gründungen durch on Decisions of Portuguese Entrepreneurs. Journal
Arbeitslose in Deutschland siehe Caliendo und of Urban Economics, 52, 341–361. https://doi.org/10.
Kritikos (2009, 2010). Allgemein zum Zusam- 1016/S0094-1190(02)00006-2
menhang zwischen Arbeitslosigkeit und Unter- Klepper, Steven (2009): Spinoffs: A review and synthesis.
European Management Review, 6, 159–171. https://
nehmensgründungen Parker (2018). doi.org/10.1057/emr.2009.18
Lévesque, Moren und Maria Minniti (2006): The effect of
aging on entrepreneurial behavior. Journal of Busi-
Weiterführende Literatur ness Venturing, 21, 177–194. https://doi.org/10.1016/
j.jbusvent.2005.04.003
Parker, Simon (2009): Why do small firms produce the
Acs, Zoltan J., Pontus Braunerhjelm, David B. Audretsch
entrepreneurs? Journal of Socio-Economics, 38, 484–
und Bo Carlsson (2009): The knowledge spillover
494. https://doi.org/10.1016/j.socec.2008.07.013
theory of entrepreneurship. Small Business Eco-
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nomics, 32, 15–30. https://doi.org/10.1007/s11187-
2nd ed., Cambridge: Cambridge University Press.
008-9157-3
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Roberts, Edward B. und Charles E. Eesley (2011): Entrepre-
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Caliendo, Marco und Alexander Kritikos (2009): Die
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Chancen und Risiken. Perspektiven der Wirtschafts-
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nomics, 35, 71–92. https://doi.org/10.1007/s11187-
009-9208-4
79 7

Gründungsfinanzierung

7.1 Kapitalausstattung von Gründern – 80

7.2 Spezielle Probleme der Gründungsfinanzierung – 82

7.3 Kreditrationierung – 83

7.4 Venture Capital als Gründungsfinanzierung – 85


7.4.1 Besonderheiten hoch-innovativer Gründungen und daraus
resultierende Finanzierungsprobleme – 85
7.4.2 Definition und Arten von Venture Capital – 85
7.4.3 Ablauf von VC-Finanzierung und einige empirische Befunde – 88

7.5 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse – 90

7.6 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 7 – 90

Literaturhinweise – 91

Weiterführende Literatur – 91

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_7
80 Kapitel 7  Gründungsfinanzierung

Wesentliche Fragestellungen Venture Capital (VC) sowie Typen von VC-


Gebern (7 Abschn. 7.4.2); schließlich werden
4 Was sind die wesentlichen Finanzierungsquel- empirische Befunde zu VC-Partnerschaften
len neu gegründeter Unternehmen? vorgestellt (7 Abschn. 7.4.3). 7 Abschn. 7.5 fasst
4 Wieso versagt der Markt für Gründungskapi- dann noch einmal die wesentlichen Punkte zu-
tal? sammen.
4 Inwiefern stellt Venture Capital eine Lösung für
das Marktversagen bei der Gründungsfinan-
zierung dar?
4 Welche Besonderheiten weisen hoch-
7.1 Kapitalausstattung von
innovative Unternehmensgründungen auf? Gründern
4 Wie ist der Ablauf einer Gründungsfinanzie-
rung mit Venture Capital? Die Gründung eines eigenen Unternehmens er-
fordert einen mehr oder weniger großen Ein-
satz von Ressourcen und damit Kapital. Ka-
7 Die Verfügbarkeit finanzieller Mittel ist für pitalgeber wie Banken knüpfen ihre Kreditbe-
die Umsetzung eines Gründungsprojektes von reitschaft in der Regel an Sicherheiten, wozu
zentraler Bedeutung. Dies gilt insbesonde- insbesondere vorhandenes Vermögen, also Ei-
re dann, wenn zunächst erhebliche Investi- genkapital des Gründers, dienen kann. Inso-
tionen erforderlich sind, bevor wesentliche fern kann das Eigenkapital des Gründers einen
Einnahmen anfallen, wie dies typischerweise zentralen Engpass für Gründungsprojekte dar-
bei großen Projekten und hoch-innovativen stellen.
Gründungen der Fall ist. Im Folgenden gibt Trotz der Rolle von Eigenkapitalausstattung
7 Abschn. 7.1 zunächst einen Überblick über ty- des Gründers als möglicher Engpass von Un-
pische Finanzierungsquellen von neu gegrün- ternehmensgründungen findet man in entspre-
deten Unternehmen. Daran anschließend wer- chenden empirischen Untersuchungen einen
den dann Probleme des Marktes für Grün- nur schwach ausgeprägten oder gar keinen
dungskapital behandelt, die zu einem Markt- Zusammenhang zwischen dem Einkommen
versagen führen können (7 Abschn. 7.2). Im bzw. dem Vermögen einer Person und ihrer
Einzelnen geht es dabei vor allem um Pro- Gründungsneigung. Empirische Untersuchun-
bleme asymmetrischer Information und Un- gen zu den Charakteristika von Gründern zei-
sicherheit. Eine wesentliche Folge dieser Pro- gen deutlich, dass die wenigsten Gründer wohl-
bleme kann darin bestehen, dass Kreditgeber habend sind. Dies deckt sich mit der bereits
(Banken) Kredite rationieren, also finanziel- von Joseph Schumpeter gemachten Feststellung,
le Mittel in geringerem Umfang herausreichen dass die dynamischen Unternehmer in der Re-
als es eigentlich dem Marktgleichgewicht ent- gel nicht aus dem gutsituierten Establishment
spräche. In 7 Abschn. 7.3 wird die Rationali- kommen, sondern eher relativ arme Außensei-
tät eines solchen Verhaltens anhand eines ein- ter sind. Gründung setzt also nicht zwangsläu-
fachen Modells der Kreditrationierung erläu- fig das Vorhandensein von großen finanziellen
tert. Ressourcen voraus und kann als eine wesentli-
Besonders gravierend sind diese Proble- che Quelle von gesellschaftlicher Mobilität an-
me bei der Finanzierung innovativer Unter- gesehen werden.
nehmen, weshalb hier nicht Kreditfinanzie- Eine mögliche Erklärung für den allenfalls
rung, sondern Beteiligungsfinanzierung (Ven- schwach ausgeprägten Zusammenhang zwi-
ture Capital) das geeignete Mittel darstellt. schen Einkommen bzw. Vermögen und Grün-
7 Abschn. 7.4 gibt einen Überblick über Beson- dungsneigung könnte darin bestehen, dass ein
derheiten technologieorientierter Unterneh- hohes Einkommen entsprechend hohe Oppor-
mensgründungen (7 Abschn. 7.4.1), Arten von tunitätskosten einer Gründung impliziert, was
7.1  Kapitalausstattung von Gründern
81 7

Verwandte, Freunde etc.


14%
aus Geschäftstätigkeit
75,5%

Inhaber/Gründer
9,5%

Förderdarlehen
6%

Beteiligungskapital
8%

Sonstiges
1%

dritte Kapitalgeber
13%
Bankkredite (inkl.
Kontokorrentkredit)
71%

. Abb. 7.1 Finanzierungsquellen von jungen Unternehmen in Deutschland. (Sonderauswertungen des IAB/ZEW-
Gründungspanels zur Finanzierungsstruktur von bis zu vier Jahre alten Unternehmen. Eigene Darstellung)

die Gründungsneigung entsprechend mindert. dite einschließlich Überziehungskredite dar,


Eine andere Erklärung könnte sein, dass vie- was lediglich gut neun Prozent des Finanzie-
le Gründer Wege finden, ihr Gründungsprojekt rungsbedarfes insgesamt ausmacht. Der Rest
ohne wesentliches Fremdkapital zu realisieren. setzt sich im Wesentlichen aus Förderdarle-
Statistische Erhebungen zeigen jedenfalls, dass hen (sechs Prozent der Mittel von Dritten bzw.
viele Gründer kein Fremdkapital von Finanz- deutlich weniger als ein Prozent des gesamten
instituten aufnehmen, sondern versuchen, die Finanzierungsbedarfs), Mitteln von Verwand-
notwendigen Ressourcen aus dem eigenen Ein- ten, Freunden etc. (14 Prozent der Finanzie-
kommen und Vermögen sowie durch Kredite rung durch Dritte bzw. knapp zwei Prozent
von Verwandten und Freunden aufzubringen. der insgesamt eingesetzten Mittel) sowie Betei-
Sprichwörtlich sind in diesem Zusammenhang ligungskapital (acht Prozent der Finanzierung
die drei großen F als Finanzierungsquelle, näm- durch Dritte bzw. ca. ein Prozent des Gesamt-
lich „Family“, „Friends“ und „Fools“, also Fa- bedarfs) zusammen.
milie, Freunde und Dummköpfe. Der relativ geringe Anteil an Bankkredi-
Dies spiegelt sich in der durchschnittlichen ten an der Finanzierung junger Unternehmen
Finanzierungsstruktur junger Unternehmen in dürfte im Wesentlichen die Funktionsprobleme
Deutschland im Zeitraum 2013–2016 wider des Marktes für Gründungskapital widerspie-
(. Abb. 7.1). Demnach stammt nur ca. 9,5 Pro- geln, die in den folgenden beiden Abschnitten
zent der eingesetzten Mittel vom Inhaber bzw. behandelt werden. Neben diesen Funktions-
Gründer selbst und nur 13 Prozent von drit- problemen des Marktes für Gründungsfinan-
ten Kapitalgebern; 77,5 Prozent des Finanzbe- zierung könnte auch eine Rolle spielen, dass
darfs wird hingegen aus Einnahmen der lau- Gründer sich nicht in die Abhängigkeit von Fi-
fenden Geschäftstätigkeit abgedeckt. Von den nanzinstitutionen begeben wollen und deshalb
Mitteln Dritter stellen 71 Prozent Bankkre- keine Kredite nachfragen.
82 Kapitel 7  Gründungsfinanzierung

7.2 Spezielle Probleme der Sofern durch die finanziellen Mittel For-
Gründungsfinanzierung schung und Entwicklung (F&E) finanziert
wird, kommt erschwerend hinzu, dass solche
Aufwendungen in der Regel stark ausgeprägten
Der Markt für Gründungsfinanzierung ist in spezifischen Charakter haben und damit ein
besonderer Weise von Problemen asymme- hohes Maß an Irreversibilität aufweisen. Dies
trischer Information und Unsicherheit gekenn- liegt daran, dass die Ergebnisse von unvoll-
zeichnet. Asymmetrische Information bedeu- endeten F&E-Projekten, insbesondere dann,
tet, dass eine der beiden Marktseiten – An- wenn sie nicht wie erhofft ausfallen, kaum ver-
bieter oder Nachfrager – besser als die je- marktet werden können. In diesem Fall sind
weils andere Marktseite über relevante Sach- die bisherigen Aufwendungen für das Projekt
verhalte informiert ist. Unsicherheit meint, weitgehend verloren (Sunk Cost). Aus diesem
dass die zukünftige Entwicklung nicht ge- Grund ist das Ausfallrisiko für den Kapital-
nau vorhersehbar ist. Beide Probleme lassen geber stark vom Erfolg der F&E-Aktivitäten
sich durch zusätzliche Aufwendungen zur In- abhängig. Dabei kann sich für ihn insbeson-
7 formationsbeschaffung und Informationsver- dere die Frage stellen, ob er ein bisher nicht
arbeitung (Screening) oder durch das Signa- erfolgreiches F&E-Projekt aufgeben soll, wo-
lisieren einer relativ hohen Qualität bzw. ei- mit seine bisherigen Investitionen weitgehend
nes geringen Risikos eines Projekts (Signal- verloren sind oder ob er sich für eine Weiterfi-
ing) nur sehr eingeschränkt lösen (siehe hierzu nanzierung entscheidet und somit dem guten
7 Abschn. 7.3.). Geld weitere Mittel „hinterher wirft“.
Asymmetrische Information zu Lasten ei- Auch seitens des Kapitalnehmers – hier: des
nes potenziellen Finanziers eines Gründungs- potenziellen Gründers – besteht ein Problem
projektes besteht deshalb, weil er der asymmetrischen Information insofern, als
4 die Qualität des Geschäftsgegenstandes in er das Geschäftsgebaren des Kapitalgebers im
der Regel schlechter einschätzen kann als Voraus nur relativ ungenau einschätzen kann.
der Gründer – dies dürfte insbesondere Insbesondere kann er bei Vertragsabschluss
bei hoch-innovativen Gründungen relevant nicht genau wissen, inwiefern der Kapitalge-
sein, wo die Beurteilung von Machbarkeit ber unklare Regelungen, die ein Kreditvertrag
und Marktchancen häufig spezielles tech- zwangsläufig enthält, während der Laufzeit des
nologisches Wissen voraussetzt; Vertrages in opportunistischer Weise zu seinen
4 Fähigkeiten des Gründers relativ schlecht Lasten ausnutzen wird. Auch kann der Kredit-
einschätzen kann; bei etablierten Unterneh- nehmer bei Vertragsschluss kaum genau ein-
men kann ein Kapitalgeber hierzu das Ver- schätzen, in welcher Weise der Kapitalgeber die
halten bzw. den Erfolg der Unternehmens- in der Regel einzuräumenden Kontrollrechte
leitung in der Vergangenheit heranziehen – wahrnimmt.
im Falle neuer Unternehmen bzw. von Per- Zu diesen Problemen asymmetrischer In-
sonen, die vorher noch nicht unternehme- formation hinzu kommt die hohe Unsicherheit
risch tätig waren, liegen solche Informatio- über die Marktchancen und damit die zukünf-
nen nicht vor, so dass hier die Einschätzung tige Entwicklung eines neuen Unternehmens.
entsprechend schwerer fällt; Dies gilt insbesondere für solche Gründungen,
4 nach Vertragsabschluss erfolgsrelevante die mit einer wesentlichen Produktinnovation
Handlungen des Kapitalnehmers (insbe- in den Markt eintreten. Da die Gefahr eines
sondere Verstöße gegen Vereinbarungen) Scheiterns bei neuen Unternehmen im Allge-
im Zweifel nicht ohne weiteres erkennen meinen deutlich höher ist als bei etablierten
kann (Problem der Hidden Action bzw. des Unternehmen (7 Abschn. 9.2), wäre im Falle
Moral Hazard). einer Finanzierung mittels Kredit dann auch
7.3  Kreditrationierung
83 7
der risikoadäquate Zinssatz entsprechend hö-
her anzusetzen. Es kann allerdings sein, dass Zinssatz (i)
dieser risikoadäquate Zinssatz aus der Sicht
eines Kapitalgebers nicht optimal ist und er Angebot
deshalb einen niedrigeren Zinssatz wählt, da-
für aber das Kreditvolumen begrenzt (ratio-
niert). Die Grundlogik einer solchen Kreditra- iG
tionierung und die verschiedenen Formen der
Kreditrationierung behandelt der nachfolgen-
iR
de Abschnitt. Nachfrage

7.3 Kreditrationierung KA KG KN Kredite /


Nachfrager
Ausgangspunkt sei ein perfekt funktionieren-
der Markt für Kredite. Auf einem solchen
. Abb. 7.2 Gleichgewicht auf dem Kreditmarkt und
Markt stellen die Anbieter von Krediten um- Kreditrationierung
so mehr Mittel zur Verfügung, je höher der
zu erzielende Zinssatz ist; entsprechend ver-
läuft die Angebotskurve in . Abb. 7.2 von links wertes weniger Kredit erhält, als er nachfragt. Kreditratio-
unten nach rechts oben. Die Nachfrager wol- nierung vom Typ II ist dann gegeben, wenn die Kreditver-
len umso mehr Kapital zur Verfügung gestellt gabe durch die Kapitalgeber von der Einschätzung der
persönlichen Kreditwürdigkeit abhängt und bestimmte
bekommen, je niedriger der Zinssatz ist; die
Nachfrager einen Kredit erhalten, andere jedoch nicht.
Kurve für die Nachfrage nach Kredit verläuft Einen Unterfall der Kreditrationierung vom Typ II stellt
also von links oben nach rechts unten. Aus die- das sogenannte Redlining dar. Von Redlining spricht man,
sem Zusammenspiel von Angebot und Nach- wenn etwa die Bewohner bestimmter Stadtviertel oder
frage ergibt sich der Gleichgewichts-Zinssatz Antragsteller mit bestimmten Eigenschaften (Staatsbür-
gerschaft, ethnische Zugehörigkeit, sozialer Status) kei-
für Projekte einer bestimmten Risikoklasse in
nen Kredit oder nur ein beschränktes Kreditvolumen er-
Punk G in . Abb. 7.2 als iG und es wird das Kre- halten.
ditvolumen KG ausgereicht.
Kreditrationierung liegt dann vor, wenn
von den Kapitalgebern ein geringeres Kredit- Die Frage, wieso Kreditgeber bei risikobehafte-
volumen als im Gleichgewicht, also zum Bei- ten Projekten nicht den Gleichgewichtszinssatz
spiel KA , bewilligt wird. Für diese Kreditvo- verlangen, sondern das Kreditvolumen bei ei-
lumen liegt der Zinssatz (iR ) zwar unterhalb nem unter dem Gleichgewichtswert liegenden
des Gleichgewichtszinses (iG ), allerdings be- Zinssatz rationieren, kann mit Unsicherheit
steht hier ein Nachfrage-Überhang, denn die und Problemen asymmetrischer Information
Kreditnachfrage im Ausmaß von KN  KA in erklärt werden. Nehmen wir hierzu der Ein-
. Abb. 7.2 kommt nicht zum Zuge, obwohl die fachheit halber an, die Akteure hätten keine be-
Nachfrager bereit wären, den entsprechenden sondere Risikovorliebe, sondern verhalten sich
Zinssatz iR zu zahlen. Folge dieser Kreditratio- risikoneutral, d. h. sie orientieren sich allein
nierung ist, dass gesamtwirtschaftlich eigent- am Erwartungswert einer Investition (zu ver-
lich erwünschte Projekte keine Finanzierung schiedenen Typen von Risikopräferenzen siehe
7 Abschn. 5.3). Weiterhin sei unterstellt, dass
finden und daher unterbleiben.
ein Kreditgeber zwar den erwarteten Ertrag
Man unterscheidet mehrere Formen der Kreditrationie-
von Projekten im Voraus erkennen kann, nicht
rung. Kreditrationierung vom Typ I liegt vor, wenn jeder aber das Risiko eines Scheiterns des Unterneh-
Nachfrager beim Zinssatz unterhalb des Gleichgewichts- mens und damit eines teilweisen oder totalen
84 Kapitel 7  Gründungsfinanzierung

Kreditausfalls. Allerdings weiß der Kreditge-


ber aus seiner allgemeinen Lebenserfahrung, Erwarteter
Ertrag (E)
dass ein Scheitern umso wahrscheinlicher ist,
je höher der erwartete Ertrag eines Projektes
ist. Variiert der Kapitalgeber nun den Kredit-
zins entsprechend dem Projektrisiko, so kann
er einerseits auf höhere Zinseinnahmen hof- E*
fen, andererseits muss er aber auch ein höheres
Ausfallrisiko in Kauf nehmen. Die Gruppe der-
jenigen Nachfrager, die bereit sind, für die Fi-
nanzierung ihrer Projekte einen relativ hohen i* Zinssatz (i)
Zinssatz zu zahlen, dürfte daher einen hohen
Anteil relativ schlechter Risiken umfassen, die
. Abb. 7.3 Der bankoptimale Zinssatz bei risikoreichen
eine hohe Wahrscheinlichkeit des Scheiterns
Projekten
aufweisen.
7 Der Zusammenhang zwischen dem Zins-
satz und dem erwarteten Ertrag des Kreditge-
bers ist in . Abb. 7.3 dargestellt. Dabei neh- lich ist die Gefahr eines Marktversagens bei re-
men mit ansteigendem Zinssatz zwar einer- lativ geringen Kreditsummen besonders hoch.
seits die Zinseinnahmen zu, andererseits steigt Weiterhin könnte der Kreditgeber Sicherheiten
aber auch die Wahrscheinlichkeit für ein Schei- für seinen Kredit fordern, was bei vielen Grün-
tern des Projektes und damit das Risiko für dern allerdings auf sehr enge Grenzen stößt, da
einen Kreditausfall. In Abhängigkeit vom An- sie kaum über Eigenkapital verfügen.
stieg dieses Kreditausfallrisikos kann es dann Die Möglichkeiten für den Kreditnachfra-
sein, dass – wie in . Abb. 7.3 dargestellt – der er- ger, dem potenziellen Kreditgeber ein rela-
wartete Ertrag (E*) ab einem bestimmten Zins- tiv geringes Risiko zu signalisieren (Signaling),
satz abnimmt. Derjenige Zinssatz, bei dem der sind im Falle der Gründungsfinanzierung sehr
erwartete Ertrag des Kapitalgebers (E*) maxi- begrenzt. Dies liegt – wie bereits erwähnt –
miert wird, stellt den für den Kreditgeber opti- vor allem daran, dass ein erstmaliger Gründer
malen Zinssatz (i*) dar. Hieraus folgt, dass sich noch keine Reputation als Unternehmer und
der Zinssatz nur beschränkt zur Kompensation keine entsprechende Kredithistorie nachweisen
von Risiken eignet, so dass der bankoptimale kann. Entsprechende Signale könnten hier von
Zinssatz (i*) nicht dem markträumenden Zins- der Qualifikation des Gründers ausgehen, wes-
satz entspricht. halb sich vermuten ließe, dass Gründer mit
Zwar lassen sich die Probleme eines Kapi- hoher Qualifikation (z. B. gemessen am Ausbil-
talgebers bei der Einschätzung eines Projektes dungsniveau) es leichter haben, einen Kredit zu
durch Beschaffung und Verarbeitung von In- erlangen als Nachfrager mit einer relativ gerin-
formationen über das Projekt und über die Per- gen Qualifikation. Im Falle hoch-innovativer
son des Kreditnehmers (Screening) reduzieren, Gründungen bestehen weitere Möglichkeiten
allerdings ist dies aufgrund des damit verbun- zum Signalisieren einer relativ hohen Qualität
denen Aufwandes ökonomisch nur begrenzt einer Gründung in der Patentierung einer dem
sinnvoll. Da der Anteil der Screening-Kosten Projekt zugrundeliegenden Erfindung oder der
am erwarteten Ertrag mit dem Kreditvolumen Kooperation mit bekannten Wissenschaftlern
abnimmt, lohnt sich Screening vor allem bei (z. B. Nobelpreisträgern), die das Projekt unter-
großen Projekten. Aus diesem Grund kann es stützen.
für einen Kreditnachfrager leichter sein, eine Alles in allem muss man aber wohl davon
hohe Kreditsumme im Vergleich zu einem re- ausgehen, dass die Möglichkeiten des Scree-
lativ geringen Kreditvolumen zu erhalten. Folg- ning und Signaling die mit einer Kreditvergabe
7.4  Venture Capital als Gründungsfinanzierung
85 7
verbundenen Probleme asymmetrischer Infor- vorliegt und welcher Aufwand dafür erforder-
mation nur teilweise lösen können, der Kredit- lich ist. Hinzu kommt, wie bereits erwähnt
markt im Bereich der Gründungsfinanzierung (7 Abschn. 7.2), dass F&E-Aufwendungen in
also versagt. So haben denn auch eine Reihe hohem Maße irreversibel sind, so dass der Auf-
von empirischen Untersuchungen zeigen kön- wand für fehlgeschlagene oder abgebrochene
nen, dass Gründungen relativ stark von Kre- F&E-Projekte weitgehend verloren ist.
ditrationierung betroffen sind, was dann un- Sofern hoch-innovative Gründungsprojek-
ter anderem dazu führt, dass viele Unterneh- te noch schwer abschätzbaren F&E-Aufwand
men erst einmal in relativ kleiner Form, ge- erfordern, bevor die ersten Einnahmen gene-
wissermaßen als „Gründung Light“ bzw. Low- riert werden, können sie auch keine Zinsen
Budget-Variante entstehen. Mit einem Markt- zahlen, geschweige denn einen Kredit tilgen.
versagen dürfte insbesondere im Falle innova- Nicht zuletzt aus diesem Grunde ist Kreditfi-
tiver Gründungen zu rechnen sein, da hier die nanzierung in solchen Fällen ungeeignet. Eine
Erfolgsaussichten mit besonders hohen Unsi- Lösung könnte hier die Finanzierung in Form
cherheiten behaftet sind. einer Beteiligung an dem betreffenden Unter-
nehmen darstellen. Der folgende Abschnitt be-
schreibt den Charakter und verschiedene Arten
7.4 Venture Capital als von Beteiligungsfinanzierung an Unternehmen
Gründungsfinanzierung (Venture Capital).

7.4.1 Besonderheiten
hoch-innovativer 7.4.2 Definition und Arten von
Gründungen und daraus Venture Capital
resultierende
Finanzierungsprobleme Unter Venture Capital versteht man Beteili-
gungskapital (Private Equity) außerhalb des
Unter einer hoch-innovativen Gründung ver- organisierten Kapitalmarktes, der Börse. Ven-
steht man ein neues Unternehmen, dessen Ge- ture Capital im engeren Sinne meint die Fi-
schäftstätigkeit mit einer signifikanten Neue- nanzierung innovativer Unternehmensgrün-
rung verbunden ist. In aller Regel handelt es dungen; es können damit aber auch andere
sich bei dieser Neuerung um eine Produktin- Formen der nicht-börsennotierten Beteiligung,
novation. Die Marktchancen für solche hoch- wie z. B. Finanzierung von Unternehmensüber-
innovativen Gründungen sind im Vergleich zu nahmen, Management Buy-outs oder der Er-
einem rein imitativen Marktzutritt mit konven- werb von Gesellschafteranteilen gemeint sein
tionellen Produkten besonders ungewiss. Eine (siehe . Abb. 7.4). Öffentliches Beteiligungska-
weitere Besonderheit hoch-innovativer Grün- pital (Public Equity) umfasst in dieser Eintei-
dungen besteht darin, dass häufig noch kein lung sämtliche börsennotierten Beteiligungen
vermarktungsfähiges Produkt vorliegt, son- wie etwa Aktien. Andere häufig verwendete Be-
dern meist noch wesentlicher F&E-Aufwand zeichnungen für Venture Capital sind Wagnis-
erforderlich ist, bis das Produkt die Marktreife oder Risikokapital sowie Smart Capital (infor-
erlangt. Da es im Wesen von F&E-Aktivitäten miertes Kapital).
liegt, dass sich ihr Ergebnis und der dafür erfor- Die Kennzeichnung von Venture Capital
derliche Aufwand nicht mit Sicherheit progno- als Smart Capital bzw. informiertes Kapital hat
stizieren lässt, besteht dann auch Unsicherheit zweierlei Gründe:
darüber, ob überhaupt ein marktfähiges Pro- 1. Erfolgreiche Investitionen in innovative
dukt zustande kommt, wann dieses Produkt Projekte setzen besondere Kenntnisse des
86 Kapitel 7  Gründungsfinanzierung

Beteiligungskapital (Equity)

Nicht börsennotiert
Börsennotiert, z.B. (Private Equity)
Aktien (Public Equity)

Venture Capital / Sonstige nicht-


Smart Capital börsennotierte
(Beteiligungskapital an Beteiligungen (z.B.
innovativen Projekten) Gesell-
schafteranteile)

. Abb. 7.4 Arten von Beteiligungskapital (Equity)


7
Investors zur Identifikation und Auswahl voraus. Je einfacher es ist, Unternehmensbe-
geeigneter Investitionsprojekte voraus. teiligungen zu verkaufen, desto höher ist auch
2. Mit einer VC-Investition sind häufig auch die Bereitschaft von VC-Gebern, sich an einem
Betreuungsleistungen in die betreffenden Unternehmen zu beteiligen.
Unternehmen verbunden, so dass ein Wis- Entsprechend der Entwicklungsphase
senstransfer stattfindet. hoch-innovativer Unternehmensgründungen
unterscheidet man zwischen einem Early Stage,
Ein wesentliches Kennzeichen von VC besteht einer Expansionsphase (Expansion Stage) so-
darin, dass – anders als dies bei Kreditfinanzie- wie einer späten Phase (Late Stage) (siehe
rung in der Regel der Fall ist – keine nennens- . Übersicht 7.1). Zwar kann Venture Capital
werten Sicherheiten eingefordert werden. Häu- durchaus eine Lösung von Finanzierungs-
fig sind entsprechende Sicherheiten nicht vor- problemen hoch-innovativer Gründungen
handen und das Bestehen des Kapitalgebers auf darstellen, allerdings erweist sich auch die-
Überlassung von Sicherheiten hätte zur Folge, se Finanzierungsform in der Praxis als nur
dass die Finanzierung nicht zustande kommt. eingeschränkt funktionsfähig. Insbesondere
Gefordert werden allerdings häufig Kontroll- in einem frühen Stadium eines Projektes, der
und Mitspracherechte für den Investor, wo- sogenannten Seed-Phase, in der lediglich ein
durch er über eine reine Beratung hinaus aktiv Produktkonzept vorliegt und Marktanalyse
in das Management des Unternehmens eingrei- sowie Grundlagenentwicklungen noch bevor-
fen kann. Da Beteiligungsfinanzierung in der stehen, sind private VC-Geber in der Regel
Regel den Charakter von Eigenkapital hat, sind recht zurückhaltend, da hier das Projektrisiko
keine Aufwendungen für Kapitaldienst, also für besonders hoch ist. Üblicherweise investie-
Zinszahlungen und Tilgung eines Kredites, er- ren private VC-Geber vor allem im Verlauf
forderlich. Die VC-Geber setzen vielmehr da- der Start-up-Phase und in der Expansions-
rauf, dass der Wert des Unternehmens ansteigt phase, wenn sich die erfolgreiche Entwicklung
und sie ihre Beteiligung bei einem Erfolg des des Produkts bis zur Marktreife bereits ab-
Unternehmens mit Gewinn veräußern können. sehen lässt. Fremdfinanzierung durch Kredite
Das Zustandekommen von VC-Investitionen kommt in der Regel erst nach Markteinführung
setzt also gute Möglichkeiten zu einer Veräu- des Produktes, also in der Expansionsphase
ßerung von Unternehmensbeteiligungen (Exit) oder in einer späteren Phase der Unterneh-
7.4  Venture Capital als Gründungsfinanzierung
87 7

. Übersicht 7.1 Entwicklungsphasen hoch-innovativer Unternehmensgründungen und Finanzierungsquel-


len

Finanzierungs- Early Stage Expansion Late Stage


phase Stage

Seed Start-up Expansion Bridge oder MBO/MBI

Typische – Produkt- – Unternehmens- – Produktions- – Vorbereitung eines Börsen-


Unternehmens- konzept gründung beginn ganges oder eines Verkaufs
aktivitäten an industriellen Investor
– Marktanalyse – Entwicklung – Marktein-
oder
bis zur führung oder
– Grundlagen-
Produktions-
entwicklung – Wachstums- – Übernahme durch vorhan-
reife
finanzierung denes (MBO) oder externes
– Marketing- (MBI) Management
konzept

Gewinn/Ver-
lusterwartung
des Portfolio-
unternehmens

Typische Eigene Mittel Fremdfinanzierung


Finanzierungs-
quellen Öffentliche Fördermittel Börse
Venture Capital

mensentwicklung, infrage. Das Versagen des 4 Corporate VC-Gesellschaften sind in der Re-
VC-Marktes in der Seed-Phase macht entspre- gel eng mit großen, etablierten Firmen, die
chende staatliche Eingriffe wünschenswert. nicht dem Finanzsektor angehören, ver-
Folgende Typen von VC-Gebern, die je- knüpft. Mit den Beteiligungen an hoch-
weils spezifische Merkmale aufweisen, lassen innovativen Start-ups werden meist vorwie-
sich unterscheiden: gend strategische Motive verfolgt, wie etwa
4 Renditeorientierte VC-Gesellschaften sind die enge Beobachtung technologischer Ent-
Finanzunternehmen, die sich an ausge- wicklungen und die Sicherung des Zugangs
suchten wachstums- und gewinnträchti- zu wichtigen Innovationen bzw. neuen Wis-
gen hoch-innovativen Unternehmen betei- sensbereichen. Die Finanzierung innovati-
ligen. Dabei kann der Kapitaleinsatz rela- ver Gründungen kann für die Firmen auch
tiv hoch sein, wobei auch intensive nicht- ein Weg sein, um grundlegende Neuent-
finanzielle Unterstützung im technischen wicklungen außerhalb der etablierten Un-
und/oder im kaufmännischen Bereich ge- ternehmensstrukturen auszuprobieren.
leistet wird. Nicht selten sind diese VC- 4 Informelle VC-Geber bzw. Business Angels
Investoren auf bestimmte Branchen bzw. sind Privatpersonen, die renditeorientiert
Technologiebereiche konzentriert, in denen in innovative Unternehmen investieren. Da
sie über ausgeprägte fachliche Expertise in die finanzielle Grundlage für die Beteili-
Bezug auf die zugrundeliegende Technolo- gung in der Regel das persönliche Vermö-
gie bzw. hinsichtlich der Marktgegebenhei- gen des privaten Investors ist, sind die In-
ten verfügen. vestitionen vom Betrag her meist recht be-
88 Kapitel 7  Gründungsfinanzierung

grenzt. Solche Investitionen gehen oft mit gel in mehreren aufeinanderfolgenden Runden
relativ intensiver Betreuung durch den VC- statt, um so das Risiko für den Kapitalgeber in
Geber einher. Informelle VC-Geber beteili- Grenzen zu halten. Mit jeder Investitionsrunde
gen sich häufiger bereits in der Seed-Phase werden bestimmte Ziele als Meilensteine ge-
und der frühen Start-up-Phase an Grün- setzt, die erfüllt sein sollen, bevor die nächste
dungsprojekten als VC-Gesellschaften. Investitionsrunde beginnt. Zu Beginn des Pro-
4 Förderorientierte VC-Geber haben in der zesses ist die Investitionssumme noch relativ
Regel einen öffentlichen Förderauftrag und gering; verläuft die Entwicklung erfolgreich, so
sollen sich an solchen Unternehmensgrün- werden in weiteren Finanzierungsrunden wei-
dungen beteiligen, die kein privates Beteili- tere Mittel, häufig in größer werdenden Tran-
gungskapital erhalten. Insbesondere sollen chen investiert.
sie mit ihrem Engagement auch dazu bei- In der ganz überwiegenden Mehrzahl der
tragen, den Mangel an VC in der frühen Fälle zieht der VC-Finanzierer, der sich als Ers-
Entwicklungsphase von Projekten zu über- ter zu einer Beteiligung entschlossen hat (Lead-
winden. Viele der förderorientierten VC- Investor), früher oder später weitere Investoren
7 Geber sind im Auftrag von regionalen Ge- hinzu, was als Syndizierung einer Investition
bietskörperschaften – meist auf der Ebene bezeichnet wird. Häufige Gründe für die Betei-
eines Bundeslandes – tätig und die Betei- ligung mehrerer VC-Gesellschaften an einem
ligungen sind auf die betreffende Region Unternehmen sind insbesondere die Begren-
bzw. das jeweilige Bundesland begrenzt. In zung des Risikos für einen einzelnen Investor
der Regel ist der Kapitaleinsatz limitiert durch Verteilung der Investition auf mehre-
und das Niveau nicht-finanzieller Unter- re Mittelgeber, die Einbeziehung der Expertise
stützungsleistungen ist relativ gering. För- der anderen VC-Gesellschaften für das Invest-
derorientierte VC-Geber sind meist weni- ment sowie größere räumliche Nähe einer der
ger an starkem Wachstum und hoher Ren- VC-Gesellschaften zum Beteiligungsunterneh-
dite der betreffenden Unternehmen orien- men. Räumliche Nähe zum Investitionsobjekt
tiert, sondern eher an deren Überleben bzw. erleichtert eine Betreuung vor Ort. Bei Syn-
einer stabilen Entwicklung. dizierung einer Beteiligung übernimmt häufig
derjenige VC-Geber die wesentlichen Betreu-
Gelegentlich sind auch Geschäftsbanken und ungsleistungen, dessen Standort sich relativ na-
Sparkassen als VC-Geber tätig, wobei die Spar- he beim Portfoliounternehmen befindet.
kassen ihr Engagement nicht selten auch mit ei- Empirische Analysen haben gezeigt, dass
ner gewissen Absicht der Wirtschaftsförderung Unternehmensgründungen, an denen sich eine
verbinden, so dass sie tendenziell den förder- private VC-Gesellschaft beteiligt hat, meist ei-
orientierten VC-Gebern zuzurechnen sind. ne relativ gute Entwicklung aufweisen. Hierfür
sind im Wesentlichen zweierlei Gründe denk-
bar: Erstens kann es sein, dass ein Unterneh-
men infolge der privaten Beteiligung, insbe-
7.4.3 Ablauf von VC-Finanzierung
sondere auch aufgrund der Beratungsleistun-
und einige empirische gen des VC-Gebers, eine positive Entwicklung
Befunde aufweist. Zweitens sind VC-Geber im Rahmen
ihrer intensiven Screening-Aktivitäten darum
Am Beginn einer VC-Partnerschaft steht ein bemüht, besonders erfolgsträchtige Projekte
intensives Screening des betreffenden Unter- auszuwählen, so dass sich in dem positiven
nehmens bzw. Projektes durch den potenziellen statistischen Zusammenhang zwischen VC-
Finanzier, was als Due Dilligence bezeichnet Beteiligung und Unternehmensentwicklung im
wird. Entscheidet sich der VC-Geber für eine Zweifel vor allem dieser Selektionseffekt wi-
Beteiligung, so findet die Investition in aller Re- derspiegelt. Besonders stark ausgeprägt ist der
7.4  Venture Capital als Gründungsfinanzierung
89 7
positive statistische Zusammenhang zwischen den relativ hohen Anforderungen von privater
VC-Beteiligung und Unternehmensentwick- VC-Investoren nicht vollständig genügen, ist
lung, wenn der VC-Geber auf bestimmte Tech- dies nicht unbedingt als Hinweis auf mangeln-
nologiebereiche bzw. Märkte spezialisiert ist, de Expertise öffentlicher VC-Gesellschaften zu
was wiederum sowohl mit einer besonders er- deuten, sondern es entspräche vielmehr ihrem
folgreichen Selektion der Investitionsprojekte Förderauftrag.
als auch mit qualitativ relativ hochwertigem Betrachtet man die regionale Verteilung
Wissenstransfer durch den VC-Geber erklärt von VC-Investitionen und vergleicht diese Ver-
werden kann. teilung mit den Standorten der privaten VC-
Der Befund verschiedener empirischer Un- Geber, so findet sich in der Regel ein hohes
tersuchungen, dass syndizierte Projekte beson- Maß an Übereinstimmung. Diese Korrespon-
ders erfolgreich sind, kann ähnlich interpretiert denz der Standorte beruht zum einen darauf,
werden. Denn zum einen kann man davon aus- dass VC-Geber sich bevorzugt dort niederlas-
gehen, dass Projekte, die von mehreren VC- sen, wo relativ viele innovative Gründungen
Gebern positiv evaluiert wurden, mit beson- stattfinden, um auf diese Weise Vorteile räum-
ders hoher Wahrscheinlichkeit erfolgsträchtig licher Nähe zu diesen Investitionsgelegenhei-
sind. Zum anderen dürfte der gemeinsame ten zu nutzen. Solche Vorteile räumlicher Nähe
Wissenspool mehrerer VC-Geber zu einem be- zu den Investitionsprojekten können vor allem
sonders reichhaltigen Wissenstransfer in das in relativ geringen Transaktionskosten bei der
finanzierte Unternehmen führen. Überwachung und Betreuung von Investments
Für die Beteiligung durch förderungsori- bestehen, die häufig persönliche Face-to-Face
entierte VC-Geber (z. B. öffentliche Förder- Kontakte und damit Anwesenheit vor Ort er-
banken) lässt sich in der Regel kein positiver fordern. Zum anderen kann es sein, dass das
Zusammenhang mit der Entwicklung des be- Wissen über lohnenswerte Investitionsprojekte
treffenden Gründungsprojektes feststellen. Der räumlich beschränkt ist und Anwesenheit vor
Grund hierfür könnte einmal sein, dass die Ort eine wesentliche Voraussetzung dafür dar-
Intensität der Betreuung durch öffentliche VC- stellt, frühzeitig Kenntnis von potenziell loh-
Geber, und damit der Wissenstransfer in die nenswerten Investitionsprojekten zu erlangen.
Unternehmen, meist relativ schwach ausge- Eine weitere Erklärung für die Standort-
prägt ist. Eine weitere Erklärung könnte in korrespondenz zwischen VC-Gebern und ih-
Unterschieden zwischen privaten und öffentli- ren Investments könnte darin gesehen werden,
chen VC-Gebern hinsichtlich der mit der Be- dass sich VC-Geber vor allem auf Projekte be-
teiligung primär verfolgten Ziele bestehen. In schränken, die in räumlicher Nähe zu ihnen
diesem Zusammenhang wird häufig genannt, angesiedelt sind und aufgrund hoher entfer-
dass öffentliche VC-Geber vorwiegend an dem nungsbedingter Transaktionskosten kaum in
Überleben bzw. der Stabilität einer Gründung weiter entfernte Projekte investieren. In die-
und weniger an deren Wachstum sowie der Er- sem Falle bestünde eine regionale VC-Lücke,
wirtschaftung von Gewinnen interessiert sind. die dann auf eine Benachteiligung der von
Schließlich könnte eine Erklärung für Un- den Standorten der VC-Geber weiter entfern-
terschiede in der Entwicklung von Firmen mit ten Regionen hindeutet und eventuell politi-
privater und förderorientierter VC-Beteiligung sche Interventionen wünschenswert macht.
darin bestehen, dass öffentliche VC-Investoren Empirische Untersuchungen für Deutsch-
sich vielfach an solchen Projekten beteiligen, land haben gezeigt, dass von einer wesentlichen
die von kommerziellen VC-Gebern abgelehnt regionalen VC-Lücke nicht die Rede sein kann.
worden sind, was sich als Indiz für eine rela- VC-Gesellschaften in Deutschland (wie auch in
tiv geringe Qualität der Projekte auffassen ließe. den USA) investieren auch an weit entfernten
Sofern öffentliche VC-Geber sich tatsächlich an Standorten. Bei solchen Engagements in räum-
solchen innovativen Projekten beteiligen, die lich weiter entfernt gelegenen Projekten besteht
90 Kapitel 7  Gründungsfinanzierung

dann die Neigung, die Investition mit einem verbunden. Allerdings ist auch der Markt für
Partner zu syndizieren, der über einen Stand- Beteiligungsfinanzierung in der Realität nur
ort in räumlicher Nähe zum Investment verfügt eingeschränkt funktionsfähig, denn auch hier
und daher die Betreuungsleistungen vor Ort wird ein Engagement von Kapitalgebern in re-
mit relativ geringen Mobilitätskosten erbringen lativ frühe Entwicklungsstadien eines Projek-
kann. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass tes, insbesondere in der Seed-Phase, durch Pro-
bei Anwesenheit weniger VC-Geber am Stand- bleme asymmetrischer Information und vor al-
ort die Finanzierungsvolumina relativ gering lem durch hohe Unsicherheit über die Erfolgs-
ausfallen. aussichten des Projektes beeinträchtigt. Dieses
Marktversagen stellt eine Begründung für ent-
sprechende staatliche Eingriffe dar!
7.5 Zusammenfassung VC-Investitionen finden in der Regel in
mehreren Runden statt. Dabei besteht ei-
wesentlicher Ergebnisse ne ausgeprägte Tendenz dazu, das Engage-
ment zu syndizieren, d. h. andere VC-Geber
7 In Bezug auf die Finanzierung von Gründun- an dem Projekt zu beteiligen. Große räumli-
gen erweist sich der Kapitalmarkt als nur be- che Entfernung zu einem Gründungsprojekt
schränkt funktionsfähig. Dies gilt insbeson- mindert nicht die Investitionsbereitschaft eines
dere für die Finanzierung von Gründungen VC-Gebers. VC-finanzierte Gründungsprojek-
mit Krediten. Der wesentliche Grund für die te sind im Allgemeinen wirtschaftlich relativ
nur eingeschränkte Funktionsfähigkeit von Ka- erfolgreich. Dies könnte einmal darauf zurück-
pitalmärkten bei der Gründungsfinanzierung zuführen sein, dass VC-Geber sich vor allem
liegt darin, dass zum einen die Kapitalgeber an besonders erfolgversprechenden Projekten
die Qualität von Gründungsprojekten nur un- beteiligen. Ein weiterer Grund für den beson-
genau einschätzen können und zum anderen – deren Erfolg von VC-finanzierten Gründun-
insbesondere bei hoch-innovativen Gründun- gen könnten die Betreuungsleistungen des VC-
gen – Unsicherheit über den Markterfolg des Gebers sein.
neuen Unternehmens besteht. Eine wesentliche
Folge ist dann, dass Kapitalgeber zu Kreditra-
tionierung neigen, d. h. ein geringeres Kredit- 7.6 Wesentliche Begriffe zu
volumen herausreichen als gesamtwirtschaft-
lich sinnvoll und wünschenswert wäre. Für sol-
Kapitel 7
che innovativen Gründungen, bei denen noch
erheblicher F&E-Aufwand erforderlich ist, um 4 Asymmetrische Information
das Produkt bis zur Marktreife zu entwickeln, 4 Bankoptimaler Zinssatz
ist Kreditfinanzierung besonders schlecht ge- 4 Beteiligungsfinanzierung
eignet, da solche Unternehmen, solange sie 4 Business Angels
keine Rückflüsse realisieren, auch keine Zin- 4 Coaching
sen zahlen, geschweige denn Tilgungszahlun- 4 Corporate VC
gen leisten können. 4 Equity, private und public
Insbesondere für hoch-innovative Grün- 4 Exit-Optionen
dungen ist die Finanzierung über Beteiligungs- 4 Family, Friends and Fools
kapital (VC) sehr viel besser geeignet. Dabei 4 Förderorientiertes VC
erwirbt ein Investor Anteile an einem Unter- 4 Fremdkapital
nehmen in der Hoffnung, diese später gewinn- 4 Kreditfinanzierung
bringend veräußern zu können. Beteiligungsfi- 4 Kreditrationierung
nanzierung ist häufig mit intensiver Manage- 4 Late Stage
mentunterstützung und Beratungsleistungen 4 Lead Investor
Weiterführende Literatur
91 7
4 Screening gionale VC-Lücken bestehen, siehe Fritsch und
4 Seed-Phase Schilder (2008).
4 Signaling
4 Smart Capital
4 Start-up-Phase Weiterführende Literatur
4 Syndizierung
4 Venture Capital (VC) Fritsch, Michael und Dirk Schilder (2008): Does Ven-
ture Capital Investment really require Spatial Proxi-
mity? An Empirical Investigation. Environment and
Planning A, 40, 2114–2131. https://doi.org/10.1068/
Literaturhinweise a39353
Fritsch, Michael (2018): Marktversagen und Wirtschafts-
Einen Überblick über Finanzierungsprobleme politik – Mikroökonomische Grundlagen staatlichen
Handelns. 10., überarbeitete und ergänzte Auf-
von Gründungen, insbesondere auch über em-
lage, München: Vahlen https://doi.org/10.15358/
pirische Untersuchungen zu der Frage, inwie- 9783800656448.
fern Gründungen kreditrationiert sind, siehe IAB/ZEW-Gründungspanel: https://www.zew.de/de/
Parker (2018). Das hier dargestellte Grundmo- publikationen/zew-gutachten-und-
dell der Kreditrationierung geht auf die grund- forschungsberichte/forschungsberichte/
unternehmen/iabzew-gruendungspanel/.
legende Arbeit von Stieglitz und Weiss (1981)
Lerner, Josh (2009): Boulevard of Broken Dreams. Stanford:
zurück. Eine allgemeine Behandlung der Funk- Stanford University Press. https://doi.org/10.1515/
tionsprobleme von Märkten unter asymmetri- 9781400831630
scher Information und Unsicherheit findet sich Parker, Simon (2018): The Economics of Entrepreneurship.
bei Fritsch (2018, Kap. 11). Einen Überblick 2nd ed., Cambridge: Cambridge University Press.
über die Entwicklung des Marktes für Ven- https://doi.org/10.1017/9781316756706
Schäfer, Dorothea und Dirk Schilder (2009): Smart capital
ture Capital in Deutschland bis ca. 2006/2007 and German start-ups – an empirical analysis. Ven-
bieten Schäfer und Schilder (2009). Lerner ture Capital, 11, 163–183. https://doi.org/10.1080/
(2009) beschäftigt sich eingehend mit geeig- 13691060802525304
neten Rahmenbedingungen für einen funkti- Stiglitz, Joseph und A. Weiss (1981): Credit rationing
onsfähigen VC-Markt. Zu der Frage, inwiefern in markets with imperfect competition. American
Economic Review, 71, 393–410. http://www.jstor.org/
VC-Investitionen räumliche Nähe von Investor stable/1802787
und Investment erfordern bzw. inwiefern re-
93 8

Individuelle, gesamtwirt-
schaftliche, sektorale
und regionale Determi-
nanten von Gründungen
und unternehmerischer
Selbstständigkeit

8.1 Institutionelle Rahmenbedingungen – 95


8.1.1 Der institutionelle Rahmen für unternehmerische Tätigkeit – 95
8.1.2 Gründungsbarrieren: Der administrative Gründungsaufwand im
internationalen Vergleich – 96

8.2 Wie entstehen unternehmerische Gelegenheiten und wie


kann man sie fördern? – 98

8.3 Persönliche Charakteristika und Gründungsverhalten – 99

8.4 Wohlstandsniveau, Konjunktur, Arbeitslosigkeit und


Kosten – 100

8.5 Marktspezifische (sektorale) Faktoren – 102

8.6 Die Bedeutung des regionalen Umfeldes – 104


8.6.1 Zur Identifikation eines regionalen Einflusses – 104
8.6.2 Die Bedeutung von regionalen Gegebenheiten im
Einzelnen – 105

8.7 Die systemische Sichtweise – 107

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_8
8.8 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse – 108

8.9 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 8 – 109

Literaturhinweise – 110

Weiterführende Literatur – 110


8.1  Institutionelle Rahmenbedingungen
95 8
Wesentliche Fragestellungen 8.1 Institutionelle
Rahmenbedingungen
4 Welche institutionellen Rahmenbedingungen
haben einen wesentlichen Einfluss auf die
Gründungstätigkeit? Die institutionellen Rahmenbedingungen stel-
4 Inwiefern wird das Niveau der Gründungstä- len die Spielregeln für das gesellschaftliche Zu-
tigkeit durch die vorhandenen unternehmeri- sammenleben im Allgemeinen und für das
schen Gelegenheiten begrenzt? Wirtschaften im Besonderen dar. In diesem
4 Lassen sich Zusammenhänge zwischen dem Abschnitt geht es insbesondere um die forma-
Wohlfahrtsniveau eines Landes und dem len institutionellen Rahmenbedingungen, den
Entrepreneurship feststellen? Teil der Regeln also, der in Gesetzen und Ver-
4 Welche marktspezifischen und regionalen Fak- ordnungen schriftlich fixiert ist. Die informel-
toren wirken sich günstig auf Gründungen und len Institutionen, d. h. nicht schriftlich fixierten
unternehmerische Selbständigkeit aus? Regeln, wurden bereits in 7 Abschn. 5.4.4 ange-
sprochen und sind insbesondere auch Gegen-
stand von 7 Abschn. 8.6.
In 7 Kap. 3 wurden große Unterschiede im Ni-
veau der Gründungsaktivitäten zwischen Bran-
chen, Regionen und Ländern aufgezeigt. Ge- 8.1.1 Der institutionelle Rahmen
genstand dieses Kapitels sind die Determinan-
für unternehmerische
ten solcher Unterschiede. Die genaue Kennt-
nis dieser Determinanten stellt eine wichtige Tätigkeit
Voraussetzung für effektive Maßnahmen zur
Beeinflussung des Niveaus der Gründungsak- Die formalen institutionellen Rahmenbedin-
tivitäten dar. gungen haben einen wesentlichen Einfluss auf
Als Ausgangspunkt der Behandlung der die ökonomische Vorteilhaftigkeit der Ent-
Determinanten von Gründungsaktivitäten scheidung für oder gegen unternehmerische
werden in 7 Abschn. 8.1 zunächst die for- Selbstständigkeit (7 Kap. 4). Inwiefern ein Un-
malen institutionellen Rahmenbedingungen ternehmen von bestimmten Regelungen be-
behandelt. Dabei geht es insbesondere auch troffen ist, hängt unter anderem vom Wirt-
um den administrativen Aufwand, der mit ei- schaftszweig und dem Unternehmenstyp (z. B.
ner Gründung verbunden ist. 7 Abschn. 8.2 Solo-Entrepreneur vs. Unternehmen mit ab-
widmet sich den unternehmerischen Gelegen- hängig Beschäftigten) ab. Es kann also sein,
heiten und den Faktoren, die zum Entstehen dass bestimmte Bestandteile des institutionel-
und zum Erkennen unternehmerischer Ge- len Rahmens für einige Unternehmen sehr
legenheiten beitragen. 7 Abschn. 8.3 fasst die wichtig sind, während sie für andere Unter-
bereits weitgehend in vorherigen Kapiteln nehmen kaum Relevanz besitzen. Bereiche des
(insbesondere 7 Kap. 4 und 7 Kap. 5) behan- formalen institutionellen Rahmens, die wesent-
delten Hypothesen und empirische Ergebnisse lichen Einfluss auf die meisten Unternehmen
zu den Bestimmungsgründen der individu- haben, sind
ellen Gründungsentscheidung zusammen. 4 das Steuersystem und die Kosten der so-
Darauf aufbauend werden dann Faktoren im zialen Absicherung (z. B. Krankenversiche-
gesamtwirtschaftlichen (7 Abschn. 8.4), dem rung und Altersvorsorge),
marktspezifischen (7 Abschn. 8.5) sowie dem 4 das Unternehmensrecht (z. B. Insolvenz-
regionalen Umfeld (7 Abschn. 8.6) behandelt. recht),
Die wesentlichen Ergebnisse fasst 7 Abschn. 8.7 4 die Arbeitsmarktregulierung (z. B. Kündi-
zusammen. gungsschutz),
96 Kapitel 8  Determinanten von Gründungen und unternehmerischer Selbstständigkeit

4 das Wettbewerbsrecht, die Marktzutritts- große Befähigungsnachweis) in vielen Hand-


regulierung und die Regulierungen zum werksberufen oder das Staatsexamen als Vo-
Schutz intellektueller Eigentumsrechte raussetzung für die Zulassung als Arzt oder
(z. B. das Patentrecht). Rechtsanwalt. Von den Regelungen zum Schutz
intellektuellen Eigentums hängt es ab, inwie-
Von wesentlicher Bedeutung ist in diesem fern Informationen, Wissen und Ideen kom-
Zusammenhang insbesondere auch, inwieweit merziell vermarktet werden können.
man sich auf die Gültigkeit und die Durch- Ein vor allem in den USA viel diskutiertes
setzbarkeit der gesetzlichen Regeln verlassen Beispiel für eine gründungsrelevante Regulie-
kann. Dies umfasst insbesondere Rechtssicher- rung sind Konkurrenzschutz-Klauseln (Coven-
heit und Rechtsschutz (etwa Schutz des Pri- ants to Compete) in Arbeitsverträgen, die es
vateigentums), Faktoren also, die häufig unter einem Arbeitnehmer (in der Regel für einen
Begriffen wie Rechtsstaatlichkeit und Rule of bestimmten Zeitraum) untersagen, nach ei-
Law subsumiert werden. Dies impliziert insbe- nem Ausscheiden aus dem Unternehmen für
sondere auch ein möglichst geringes Maß an Konkurrenten tätig zu sein oder ein kon-
Korruption. kurrierendes Unternehmen zu gründen. Sei-
Das Steuersystem (z. B. die Höhe der Un- tens des Unternehmens besteht das Motiv
ternehmenssteuern und der persönlichen Ein- für eine solche Regelung darin, seine Wis-
8 kommenssteuer) hat direkte Auswirkungen auf sensbasis zu schützen. Eine nachteilige Wir-
die in den verschiedenen Erwerbsalternati- kung von Konkurrenzschutz-Klauseln ist al-
ven erzielbaren Netto-Einkommen und da- lerdings, dass hierdurch viele der grundsätz-
mit auf die finanzielle Vorteilhaftigkeit von lich erwünschten Spin-off-Gründungen (siehe
unternehmerischer Selbstständigkeit. Aus dem hierzu 7 Abschn. 6.3.3) verhindert werden. Da
Unternehmensrecht ergeben sich Rechte und solche Klauseln nur in einem Teil der Bundes-
Pflichten als Unternehmer, insbesondere auch staaten der USA rechtlich durchsetzbar sind,
Haftungsregeln, die bei der Entscheidung zur konnte dieser nachteilige Effekt der Verhin-
Gründung eines eigenen Unternehmens be- derung von Spin-off-Gründungen durch Ver-
rücksichtigt werden sollten. Aus dem Insol- gleich zwischen den Bundesstaaten empirisch
venzrecht bestimmen sich wesentliche Kosten, gut belegt werden. In diesem Zusammen-
die mit dem Scheitern eines Unternehmens hang wird etwa die Ansicht vertreten, dass die
verbunden sind. Die Arbeitsmarktregulierung Nicht-Einklagbarkeit von Konkurrenzklauseln
begrenzt – etwa in Form des Kündigungsschut- im Bundesstaat Kalifornien die Entwicklung
zes – direkt die Handlungsmöglichkeiten als des Silicon Valley mit seinen vielen Spin-off-
Unternehmer. Das Wettbewerbsrecht hat Aus- Gründungen wesentlich begünstigt hat.
wirkungen auf die Zulässigkeit von Geschäfts-
modellen und die sich daraus ergebenden Ge-
winnerzielungsmöglichkeiten. Hierbei ist für 8.1.2 Gründungsbarrieren:
Unternehmensgründungen insbesondere die Der administrative
Regulierung des Marktzutritts von grundlegen-
Gründungsaufwand im
der Bedeutung (siehe hierzu den folgenden
7 Abschn. 8.1.2). Dies betrifft etwa die Frage, ob
internationalen Vergleich
ein Marktzutritt überhaupt rechtlich zulässig ist
(objektive Marktzutrittsbeschränkungen) bzw. Der ganz überwiegende Teil der für Entrepre-
welche persönlichen Voraussetzungen (subjek- neurship relevanten institutionellen Rahmen-
tive Marktzutrittsbeschränkungen) hierfür er- bedingungen ist landesweit einheitlich gestal-
füllt sein müssen. Beispiele für Beschränkun- tet; regionale Unterschiede solcher Regelun-
gen des Marktzutritts sind etwa der Zwang zu gen innerhalb eines Landes, wie sie etwa hin-
einer Qualifikation als Meister (der sogenannte sichtlich der rechtlichen Durchsetzbarkeit von
8.1  Institutionelle Rahmenbedingungen
97 8
Konkurrenzschutz-Klauseln in den USA be- Sofern ein hoher administrativer Aufwand
stehen, stellen eine Ausnahme dar. Aufgrund zu einer Verringerung der Anzahl der Grün-
der Einheitlichkeit der institutionellen Rah- dungen führt, mindert dies auch die Intensität
menbedingungen innerhalb eines Landes las- des Wettbewerbs in der Wirtschaft, was dann
sen sich ihre Wirkungen auf Entrepreneurship Wachstumseinbußen zur Folge haben kann.
nur durch einen internationalen Vergleich um- Ein positiver Effekt eines relativ hohen Grün-
fassend ermitteln. dungsaufwandes könnte allerdings darin beste-
Die Rolle des für eine Gründung erforder- hen, dass wenig aussichtsreiche Gründungen
lichen administrativen Aufwandes als Grün- hierdurch von vornherein abgeschreckt wer-
dungsbarriere wurde in einer Reihe von empi- den, was dann zur Folge hat, dass die tatsäch-
rischen Untersuchungen analysiert. Als Maße lich stattfindenden Gründungen eine gewisse
für den Gründungsaufwand dienen dabei in Mindestqualität aufweisen. Dies könnte etwa
der Regel als Vorteil des in einigen Zweigen des Hand-
4 die Anzahl der erforderlichen Verfahren, werks bestehenden Zwangs zum Bestehen der
wie zum Beispiel die Beantragung und Er- Meisterprüfung als Voraussetzung für die Er-
teilung einer Gewerbeerlaubnis, die hier- öffnung eines Betriebes in diesem Handwerk
für vorzulegenden Nachweise, die steuer- angesehen werden.
liche Anmeldung beim Finanzamt, Eröff- Da ein hoher administrativer Gründungs-
nung eines Bankkontos und Einzahlung aufwand sowohl positive Wirkungen (erhöhte
von Stammkapital, die Anfertigung und Qualität der Gründungen) wie auch negative
Beurkundung eines Gesellschaftervertrages Effekte (verminderter Wettbewerb und somit
und/oder die Eintragung in das Handelsre- geringeres Wachstum) haben kann, ist die Aus-
gister und deren Veröffentlichung, prägung des Gesamteffektes somit eine empi-
4 die Zeitdauer der verschiedenen Verfahren rische Frage. Eine entsprechende international
bzw. der dafür erforderliche Zeitaufwand vergleichende Untersuchung von Klapper, Lae-
sowie ven und Rajan (2006) kommt hier zu dem
4 der in Geldeinheiten ausgedrückte Auf- Ergebnis, dass ein hoher administrativer Grün-
wand (Gebühren, entgangenes Arbeitsein- dungsaufwand eindeutig einen negativen Ef-
kommen etc.), der mit diesen Verfahren fekt der auf die Produktivitätsentwicklung der
verbunden ist. etablierten Unternehmen in dem betreffenden
Land hat. Folglich sollte die Politik bestrebt
Ein wesentliches Ergebnis der entsprechenden sein, den administrativen Gründungsaufwand
Untersuchungen besteht darin, dass sich – wie auf ein notwendiges Minimum zu beschrän-
zu erwarten – ein relativ hoher administrativer ken.
Aufwand für Gründungen negativ auf das Ni- Internationale Vergleiche zeigen, dass die
veau der Gründungsaktivitäten in einem Land Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf den
auswirkt. Da dieser Aufwand für kleine Grün- administrativen Gründungsaufwand nicht auf
dungsvorhaben, wie zum Beispiel Gründungen einem der vorderen Plätze rangiert, d. h. der
im Nebenerwerb oder als Solo-Entrepreneur, in Gründungsaufwand in Deutschland ist deut-
Relation zum erwarteten Ertrag stärker ins Ge- lich höher als in einer ganzen Anzahl anderer
wicht fällt als bei großen Gründungen, dürften Länder. Dies ist ein deutlicher Hinweis da-
die abschreckende Wirkung für solche kleine- rauf, dass in Deutschland erhebliche Potenziale
ren Gründungsprojekte auch besonders stark zur Vereinfachung der entsprechenden admi-
ausgeprägt sein. nistrativen Abläufe vorhanden sind.
98 Kapitel 8  Determinanten von Gründungen und unternehmerischer Selbstständigkeit

8.2 Wie entstehen Gelegenheiten können also eng miteinander


unternehmerische verzahnt sein.
Gelegenheiten und wie kann Die möglichen Quellen für unternehmeri-
sche Gelegenheiten sind vielfältig. Dabei han-
man sie fördern? delt es sich insbesondere um:
4 Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten,
Joseph Schumpeter hat die Ansicht vertreten, die zu Erfindungen und Innovationen füh-
dass unternehmerische Gelegenheiten immer ren, indem sie etwa neue Marktfelder er-
vorhanden sind und der entscheidende Ent- öffnen, eine wettbewerbsfähige Produktion
wicklungsengpass in einer Gesellschaft in der auch in relativ kleinen Einheiten ermögli-
Existenz von unternehmerischen Persönlich- chen oder zu einer Veränderung der gesell-
keiten besteht, die diese Gelegenheiten erken- schaftlichen Arbeitsteilung führen,
nen und durch Gründung eines Unterneh- 4 Wachstum und damit einhergehender
mens auch erfolgreich umsetzen (siehe hierzu Strukturwandel,
7 Abschn. 2.1). Zwar gibt es durchaus Beispie- 4 Soziodemografischer Wandel. Zum Beispiel
le dafür, dass unternehmerische Gelegenheiten führt der in vielen Industriestaaten zu be-
einfach ,da sind‘ und nur erkannt und wahr- obachtende Anstieg des Anteils der älteren
genommen werden müssen, so, wie man et- Bevölkerung zu wachsenden Marktfeldern
8 wa einen Geldschein aufhebt, den man auf für Gesundheits- und Pflegedienstleistun-
der Straße findet. Es gibt aber ebenso diverse gen,
Beispiele dafür, dass unternehmerische Gele- 4 Politische Veränderungen, insbesondere
genheiten durch intensive F&E-Anstrengungen Veränderungen in der Form der Marktre-
ganz bewusst gesucht und geschaffen wur- gulierung, wie z. B. eine Abschaffung oder
den. Entsprechend zeigen empirische Unter- Verringerung von Markteintrittsbarrieren,
suchungen einen deutlichen Zusammenhang 4 Veränderungen der Umweltbedingungen wie
zwischen den F&E-Anstrengungen in einer Re- etwa der Klimawandel sowie
gion und der Anzahl und der Innovativität 4 Variation der Knappheitsverhältnisse (bei-
der dort stattfindenden Unternehmensgrün- spielsweise bei bestimmten Rohstoffen wie
dungen. So sind etwa innovative Gründungen Rohöl) und damit einhergehende Änderun-
stark auf Standorte von Hochschulen konzen- gen der relativen Preise.
triert, was auf eine wesentliche Bedeutung des
an den Hochschulen vorhandenen Wissens als Ansatzpunkt für eine auf die Entstehung un-
Grundlage für diese Gründungen hindeutet. ternehmersicher Gelegenheiten gerichteten Po-
Entsprechend den auf Schumpeter und litik können zum einen gründungs- und un-
Kirzner zurückgehenden Konzeptionen von ternehmerfreundliche institutionelle Rahmen-
Entrepreneurship (siehe 7 Abschn. 2.3), kann bedingungen sein, wie die Abschaffung un-
man zwischen Schumpeter’schen und Kirz- nötiger Beschränkungen. Zum anderen kön-
ner’schen unternehmerischen Gelegenheiten nen alle Maßnahmen geeignet sein, durch die
unterscheiden. Kirzner’sche unternehmerische Wissen erzeugt bzw. verfügbar gemacht wird.
Gelegenheiten ergeben sich aus Ungleichge- Dies umfasst neben der Stimulierung von F&E-
wichten oder Fehlern anderer Akteure; die Aktivitäten insbesondere auch die Einbindung
Wahrnehmung solcher Gelegenheiten führt in globale Wissensströme sowie die Förderung
dann zu einer Annäherung der Wirtschaft an der absorptiven Kapazität, also der Fähigkeit,
das Gleichgewicht. Schumpeter’sches Entrepre- relevantes Wissen zu identifizieren und für die
neurship erzeugt solche Ungleichgewichte und eigenen Zwecke einzusetzen. Dies sind auch
schafft damit wiederum Kirzner’sche Gelegen- klassische Handlungsfelder der Innovationspo-
heiten. Beide Formen von unternehmerischen litik. Empirische Untersuchungen zeigen, dass
8.3  Persönliche Charakteristika und Gründungsverhalten
99 8
sowohl die F&E-Aktivitäten als auch die Ver- Einbindung in Unterstützungsnetzwerke wie
fügbarkeit von Wissen und die absorptive Ka- etwa Familie, Freundeskreis und Berufsorgani-
pazität regional sehr unterschiedlich ausge- sationen, wobei hier der Qualität bzw. Intensi-
prägt sein können, so dass diese Faktoren u.U. tät der Beziehungen wichtig ist. Zwischen dem
wesentlich zur Erklärung des regionalen Grün- Lebensalter und der Gründungswahrschein-
dungsgeschehens beitragen. lichkeit zeigt sich empirisch ein umgekehrt
u-förmiger Verlauf, wobei die höchste Grün-
dungsneigung bei einem Alter zwischen 35 und
8.3 Persönliche Charakteristika 45 Jahren zu verzeichnen ist; in Deutschland
liegt das Lebensalter mit der maximalen Grün-
und Gründungsverhalten dungsneigung derzeit bei 41 Jahren.
Der Einfluss des Einkommens als abhän-
In empirischen Untersuchungen haben sich ei- gig Beschäftigter bzw. des finanziellen Vermö-
ne Reihe von persönlichen Eigenschaften ge- gens ist zwiespältig. Einerseits erleichtert ein
zeigt, die in einem Zusammenhang mit der hohes Einkommen die Bildung von Ersparnis-
Wahrscheinlichkeit der Gründung eines Unter- sen, die dann als Sicherheit für die Einwer-
nehmens stehen (siehe hierzu 7 Kap. 5 und 6). bung von Fremdkapital eingesetzt werden kön-
. Übersicht 8.1 zeigt die wesentlichen persönli- nen. Andererseits verzichtet man durch Grün-
chen Charakteristika, für die ein empirisch ge- dung eines eigenen Unternehmens auf das in
sicherter Zusammenhang mit der Gründungs- abhängiger Beschäftigung erzielbare Einkom-
neigung besteht. Dabei ist jeweils auch die men (Opportunitätskosten der unternehmeri-
Richtung des Zusammenhanges angegeben. schen Selbstständigkeit), weshalb erwartet wer-
Gründer haben häufig eine ausgeprägte un- den kann, dass die Gründungsneigung mit
ternehmerische Einstellung, die sich insbeson- zunehmendem Einkommen aus abhängiger
dere darin niederschlägt, dass sie nach Un- Beschäftigung sinkt. Entsprechend kann Ar-
abhängigkeit, Selbstverwirklichung und wirt- beitslosigkeit und das damit verbundene meist
schaftlichem Erfolg streben. Sie verfügen meist geringe Einkommen die Entscheidung für die
über eine vergleichsweise hohe Bereitschaft Gründung eines eigenen Unternehmens im
bzw. Fähigkeit zum Tragen von Risiko und Sinne von Necessity Entrepreneurship stimu-
weisen eher eine unternehmerische Persönlich- lieren. Dabei ist ein solcher stimulierender Ef-
keitsstruktur auf, die durch ein hohes Maß an fekt häufig nur für Personen feststellbar, die erst
Offenheit für Erfahrungen, Außenorientierung kurze Zeit arbeitslos sind; Langzeitarbeitslosig-
und Gewissenhaftigkeit sowie durch ein eher keit (z. B. länger als ein Jahr) steht eher in einem
geringes Maß an Neurotizismus und Verträg- negativen Zusammenhang mit der Gründungs-
lichkeit gekennzeichnet ist. Gibt es in der Fami- neigung. Frauen weisen eine geringere Grün-
lie oder im Bekanntenkreis Unternehmer, dann dungsneigung auf als Männer und für Personen
ist die Gründungsneigung in der Regel rela- mit Migrationshintergrund ist die Gründungs-
tiv hoch. Die Gründungsneigung einer Person neigung relativ hoch.
steigt in vielen Ländern mit dem Qualifikati- Anhand der persönlichen Merkmale der
onsniveau tendenziell an, wobei die Vielfalt der Bevölkerung in einer Region lässt sich das Ni-
Kenntnisse (Balance Skills) sowie die Berufs- veau der Gründungen bereits bis zu einem
erfahrung in der betreffenden Branche einen gewissen Grad prognostizieren. So kann man
positiven Einfluss haben. davon ausgehen, dass sich die Gründungs-
Beschäftigte in kleinen und jungen Unter- neigung entsprechend der Entwicklung des
nehmen weisen eine relativ hohe Gründungs- Durchschnittsalters oder des allgemeinen Qua-
neigung auf, so dass Kleinbetriebe auch als lifikationsniveaus der Bevölkerung verändert.
Saatbeet für Gründer bezeichnet werden. Als Die persönlichen Merkmale stellen dement-
förderlich für die Gründung erweist sich die sprechend den Ausgangspunkt einer Analyse
100 Kapitel 8  Determinanten von Gründungen und unternehmerischer Selbstständigkeit

. Übersicht 8.1 Empirische Befunde zur Bedeutung von persönlichen Charakteristika für die Gründungsent-
scheidung

Persönliche Charakteristika Empirischer Befund

Unternehmerische Einstellung (Streben nach +


Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung und wirt-
schaftlichem Erfolg)

Bereitschaft / Fähigkeit zum Tragen von Risiko +

Unternehmerische Persönlichkeitsstruktur (Big Five) +

Familienmitglieder unternehmerisch tätig +

Bekanntschaft mit einem Unternehmer +

Qualifikationsniveau des Gründers (z. B. höchster +


formaler Bildungsabschluss)

Vielfalt der Kenntnisse (Balanced Skills) +

Berufserfahrung in der betreffenden Branche +


8 Tätigkeit in kleinen und jungen Unternehmen +

Intensität der Einbindung in Unterstützungs– + (Qualität der Netzwerk-Partner wichtig!)


Netzwerke (z. B. Familie, Berufsorganisationen)

Lebensalter des Gründers Umgekehrt u-förmiger Verlauf

Opportunitätskosten der Selbstständigkeit (Ein- –


kommen und Karriereaussichten in abhängiger
Beschäftigung)

Arbeitslosigkeit +/– (Kurzfrist-Arbeitslosigkeit evtl. positiv; besonders


niedrige Gründungswahrscheinlichkeit bei Langzeitar-
beitslosen)

Geschlecht des Gründers Höhere Gründungswahrscheinlichkeit für Männer

Migrationshintergrund des Gründers Häufig + (wesentlicher Einfluss des Herkunftslandes)

Anmerkung: +: positiver Zusammenhang; –: negativer Zusammenhang

der Determinanten des Gründungsgeschehens ergeben einen deutlichen Zusammenhang


in einem Land oder in einer Region dar, die
zwischen Gründungsaktivitäten und dem na-
dann durch Eigenschaften des regionalen bzw.
tionalen Wohlstandniveau. Dabei zeigte sich,
sektoralen Umfelds überprägt werden. dass dieser Zusammenhang für Gründun-
gen aus Not (Necessity Entrepreneurship)
auf der einen Seite und Opportunity Entre-
8.4 Wohlstandsniveau, preneurship auf der anderen Seite sehr
unterschiedlich verläuft. Während das Niveau
Konjunktur, Arbeitslosigkeit des Necessity Entrepreneurship bei niedri-
und Kosten gem Wohlstandsniveau relativ hoch ist und
dann mit zunehmendem Pro-Kopf-Einkom-
Internationale Vergleiche des Niveaus der men sinkt, steigt das Niveau des Opportunity
Gründungsaktivitäten anhand von Daten des Entrepreneurship mit dem nationalen Wohl-
Global Entrepreneurship Monitors (GEM) fahrtsniveau an.
8.4  Wohlstandsniveau, Konjunktur, Arbeitslosigkeit und Kosten
101 8

. Übersicht 8.2 Empirische Befunde zur Wirkung von Wohlstandsniveau, Konjunktur, Arbeitslosigkeit und
Kosten auf das Niveau der Gründungsaktivitäten

Einflussfaktor Empirischer Befund

Gesamtwirtschaftliches Wohlfahrtsniveau Necessity Entrepreneurship: –


Opportunity Entrepreneurship: +

Bisherige Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen +


Nachfrage

Zukünftig erwartete Entwicklung der gesamtwirt- +


schaftlichen Nachfrage (längerfristig)

Niveau der Arbeitslosigkeit (konjunkturell und län- + (überwiegend Necessity Entrepreneurship)


gerfristig)

Konjunkturelle Situation

– Abschwung + (Necessity Entrepreneurship)

– Aufschwung – (Necessity Entrepreneurship)


+ (Opportunity Entrepreneurship)

Höhe und Entwicklung des Kapitalnutzungspreises –

Höhe und Entwicklung der Lohnkosten –

Steuerliche Behandlung von Gründungen und Ver- +


fügbarkeit von Subventionen

Nationale Entrepreneurship-Kultur + (Definition und Messung von „Kultur“ uneinheitlich)

Anmerkung: +: positiver Zusammenhang; –: negativer Zusammenhang

Mittel- und langfristig expandierende ge- hen Anzahl an Necessity-Gründungen durch


samtwirtschaftliche Nachfrage wirkt sich aus Kurzzeitarbeitslose. Geht die Arbeitslosigkeit
zwei Gründen positiv auf Gründungsaktivitä- zurück, dann sinkt nicht nur die Anzahl der
ten aus. Zum einen schafft zunehmende Nach- Gründungen aus Not, sondern es gibt auch
frage unternehmerische Gelegenheiten. Zum Anzeichen dafür, dass Necessity-Unternehmer
anderen bilden viele Menschen ihre Erwartun- ihr Unternehmen stilllegen, wenn es ihnen ge-
gen über die zukünftige Entwicklung mittels lungen ist, eine für sie akzeptable abhängige
Trendextrapolation, d. h. sie schreiben die Ent- Beschäftigung zu finden. Entsprechend steigt
wicklung der Vergangenheit in die Zukunft während eines konjunkturellen Abschwungs die
fort, so dass beispielsweise aus einer positi- Anzahl der Necessity-Gründungen an und geht
ven Entwicklung in der Vergangenheit auf eine im Aufschwung zurück. Da im Aufschwung die
auch zukünftig positive Entwicklung geschlos- Anzahl der Opportunity-Gründungen ansteigt,
sen wird. Die Erwartung einer auch zukünf- zeigt sich für den statistischen Zusammenhang
tig expandierenden Nachfrage führt zu ent- zwischen Konjunkturentwicklung und Grün-
sprechend positiven Gewinnerwartungen und dungsgeschehen insgesamt häufig kein klares
wirkt sich somit günstig auf die Entscheidung Bild.
für die Gründung eines eigenen Unternehmens Da der Kapitalnutzungspreis einen Kosten-
aus (siehe . Übersicht 8.2). faktor darstellt, hat die aktuelle sowie die erwar-
Ein hohes Niveau bzw. ein Anstieg der Ar- tete Höhe der Kosten für Fremdkapital einen
beitslosigkeit führt zu einer entsprechend ho- negativen Effekt. Gleiches gilt für die Entwick-
102 Kapitel 8  Determinanten von Gründungen und unternehmerischer Selbstständigkeit

lung der Lohnkosten. Allgemein wird vermutet, allerdings nicht bestätigt werden; vielmehr stei-
dass die Höhe der Staatsquote, also der Anteil gen die Stilllegungsraten mit der mindestopti-
staatlicher Tätigkeit am Sozialprodukt, einen malen Unternehmensgröße bzw. der Kapitalin-
negativen Einfluss auf das Niveau der Grün- tensität in einer Branche an.
dungsaktivitäten hat. Hintergrund ist die Ver- Ein weiterer wichtiger Faktor in diesem Zu-
mutung, dass ein hohes Niveau der Staatstä- sammenhang, der insbesondere von der Theo-
tigkeit private Initiative und damit auch Entre- rie der bestreitbaren Märkte (Contestable Mar-
preneurship verdrängt. Empirisch ist dieser Zu- kets) herausgearbeitet wurde, ist das Ausmaß
sammenhang weitgehend ungeklärt. Es ist zu an spezifischen bzw. irrreversiblen Investitio-
vermuten, dass es nicht allein auf den Anteil nen. Irrreversible Investitionen sind Ausgaben
der Staatstätigkeit am Sozialprodukt ankommt, für solche Wirtschaftsgüter, die nur in einem
sondern insbesondere auch auf die Art und eng definierten Einsatzbereich eine hohe Pro-
Weise der staatlichen Aktivität. duktivität entfalten, in anderen Verwendungen
hingegen deutlich weniger produktiv oder so-
gar ökonomisch völlig wertlos sind. Folglich
können für die betreffenden Güter bei einem
8.5 Marktspezifische (sektorale) Marktaustritt nur entsprechend geringe oder
Faktoren gar keine Erlöse erzielt werden, so dass zu-
8 mindest ein Teil der Investitionen in diese Gü-
Eine wesentliche Ursache für Unterschiede des ter „versunken“ ist. Diese versunkenen Kosten
Niveaus unternehmerischer Selbstständigkeit (Sunk Costs) repräsentieren in besonderer Wei-
bzw. von Gründungsraten zwischen Branchen se die Kosten des Scheiterns einer Gründung
(siehe hierzu 7 Abschn. 3.5) stellt das Ausmaß und dürften dazu führen, dass die Gründungs-
der für die Gründung eines wettbewerbsfähi- rate in der betreffenden Branche relativ niedrig
gen Unternehmens erforderlichen Ressourcen, ausfällt. Die empirische Evidenz zu dieser Hy-
also die mindestoptimale Größe dar. Da der pothese ist allerdings recht bruchstückhaft, was
Ressourcenbedarf für eine Gründung mit der wohl wesentlich auf das Problem der empiri-
mindestoptimalen Größe ansteigt, ist zu erwar- schen Erfassung von irreversiblen Investitionen
ten, dass die Gründungsraten in Branchen mit bzw. von Sunk Costs zurückzuführen ist.
hoher mindestoptimaler Größe relativ niedrig
ausfallen. Analog ist die Argumentation für Ein Beispiel für eine irreversible Investition ist die An-
die Kapitalintensität. Beide Zusammenhänge schaffung spezifischer Werkzeuge, die nur für bestimmte
Abnehmer eingesetzt werden können. Andere Beispiele
sind empirisch gut bestätigt (. Übersicht 8.3).
sind Aufwendungen für Forschung und Entwicklung so-
Die relativ geringe mindestoptimale Größe und wie für Marketing, da bei einem Marktaustritt in der Regel
auch niedrige Kapitalintensität in vielen Be- allenfalls ein geringer Teil der entsprechenden Ausgaben
reichen des Dienstleistungssektors, insbeson- wieder erlöst werden kann.
dere bei personenbezogenen Dienstleistungen,
könnte die relativ hohen Gründungsraten im Viele Branchen bzw. Produkte folgen einem Le-
Dienstleistungssektor erklären (siehe hierzu benszyklus, der sich in verschiedene Phasen,
. Übersicht 3.2). Es ließe sich vermuten, dass wie z. B. eine Markteinführungs-, Wachstums-,
eine hohe mindestoptimale Größe bzw. eine Stagnations- und Schrumpfungsphase eintei-
hohe Kapitalintensität zu einer Selbstselektion len lässt. Entsprechend den spezifischen Markt-
in dem Sinne führt, dass vor allem solche Perso- bedingungen in diesen Phasen ordnet man
nen eine Gründung wagen, die hierfür gut qua- die Markteinführungs- und Wachstumspha-
lifiziert und wohl vorbereitet sind. Dies müsste se dem entrepreneurhaften technologischen Re-
sich dann in einer vergleichsweise hohen Qua- gime zu, während in der Stagnations- und
lität der Gründungen in diesen Branchen und Schrumpfungsphase ein routinisiertes Regime
entsprechend niedrigen Stilllegungsraten nie- vorherrscht (siehe hierzu 7 Abschn. 3.8). Da-
derschlagen. Empirisch kann ein solcher Effekt bei wird allgemein davon ausgegangen, dass
8.5  Marktspezifische (sektorale) Faktoren
103 8

. Übersicht 8.3 Empirische Befunde zur Wirkung von markt- bzw. branchenspezifischen Faktoren auf das
Niveau der Gründungsaktivitäten

Einflussfaktor Empirischer Befund

Mindestoptimale Unternehmensgröße –

Kapitalintensität –

Ausmaß an irreversiblen Investitionen Kaum Evidenz verfügbar (Messprobleme?)

Technologisches Regime Entrepreneurhaft: +; routinisiert: –

Tragfähigkeit (Carrying Capacity) eines Marktes – (nur plausibel für nicht-innovative Gründungen)

Anbieterkonzentration –/+

Bisherige Entwicklung der Branchen-Nachfrage +

Zukünftig erwartete Entwicklung der Branchen- +


Nachfrage

Anmerkung: +: positiver Zusammenhang; –: negativer Zusammenhang

ein entrepreneurhaftes Regime, das durch we- raus resultierenden geringen Erfolgsaussichten
nig standardisierte Produktion, intensive Qua- abschreckend auf weitere Gründungen wirkt,
litätskonkurrenz sowie einen hohen Anteil während eine noch nicht ausgeschöpfte Car-
an F&E-Aktivitäten in Kleinunternehmen ge- rying Capacity Gründungen anzieht. Folglich
kennzeichnet ist, relativ gute Bedingungen für müssten die Überlebensraten von Gründungen
den Marktzutritt neuer Unternehmen bietet, auf überbesetzten Märkten aufgrund intensi-
weshalb die Gründungsraten relativ hoch aus- ven Wettbewerbs vergleichsweise gering sein
fallen. In einem routinisierten Regime wird der und auf unterbesetzten Märkten entsprechend
Markt durch einige große Anbieter dominiert, höher ausfallen.
die über wesentliche Wettbewerbsvorteile ver- Empirische Untersuchungen deuten darauf
fügen, so dass ein erfolgreicher Marktzutritt hin, dass auf vielen Märkten die Anzahl der
hier relativ schwer möglich ist und die Grün- Anbieter um einen bestimmten Wert herum
dungsraten entsprechend gering ausfallen. Die- fluktuiert, was man als Hinweis darauf anse-
se Hypothesen können als empirisch gut bestä- hen könnte, dass auf dem betreffenden Markt
tigt gelten. nur eine gegebene Anzahl an Unternehmen er-
Das Konzept der Tragfähigkeit eines Mark- folgreich tätig sein kann. Allerdings ist die Er-
tes (Carrying Capacity) geht davon aus, dass klärung hierfür mit der Argumentation einer
bei gegebener Nachfrage nur eine bestimmte gegebenen Carrying Capacity nur für nicht-
Anzahl an Anbietern dauerhaft profitabel sein innovative Marktzutritte plausibel. Tritt näm-
kann. Eine wesentliche Begründung für diese lich ein neuer Anbieter mit einer signifikanten
Behauptung ist die Annahme einer marktspezi- Produktinnovation in den Markt ein und führt
fischen mindestoptimalen Unternehmensgrö- diese Produktinnovation zu einer Ausweitung
ße. Entsprechend lässt sich die Tragfähigkeit der Nachfrage, so nimmt die Tragfähigkeit des
eines Marktes im Sinne der maximalen An- Marktes zu. Gleiches gilt für eine Prozessinno-
zahl an überlebensfähigen Unternehmen er- vation, die ein wesentlich preisgünstigeres An-
mitteln, indem man das Marktvolumen (etwa gebot ermöglicht, wodurch bei normaler Re-
gemessen am Umsatz) durch die mindestop- aktion der Nachfrage die umgesetzte Menge
timale Unternehmensgröße dividiert. Hieraus steigt.
ließe sich die Hypothese ableiten, dass eine Herrscht auf einem Markt ein hohes Maß
Überbesetzung eines Marktes aufgrund der da- an Anbieterkonzentration, so dürften es Newco-
104 Kapitel 8  Determinanten von Gründungen und unternehmerischer Selbstständigkeit

nen (7 Abschn. 3.6). Dabei wurde darauf hin-


mer schwer haben, sich gegenüber den etablier-
ten Großunternehmen zu behaupten. Folglich gewiesen, dass solche Unterschiede über lan-
ist zu vermuten, dass in diesem Fall die Anzahl
ge Zeitperioden andauern können, was als Er-
der Gründungen relativ gering ausfällt. Im Ge-
gebnis einer regionalen Kultur unternehme-
gensatz zu diesen Überlegungen steht die Beob-
rischer Selbstständigkeit interpretiert werden
achtung, dass es auf Märkten mit einer hohenkann.
Anbieterkonzentration durchaus auch zu einer Regionale Gegebenheiten können das Ni-
Symbiose zwischen kleinen und großen Unter- veau der Gründungsaktivitäten sowohl direkt
nehmen kommen kann, im Rahmen derer die als auch auf indirekte Weise prägen. Ein direk-
Kleinunternehmen Marktnischen belegen, die ter Effekt liegt dann vor, wenn das individuel-
von den großen, etablierten Firmen nicht be-le Verhalten in Bezug auf Entrepreneurship je
dient werden. Eine solche geschützte Existenz
nach regionalem Umfeld unterschiedlich aus-
im Windschatten bzw. unter dem „Schirm“ der fällt. Ein indirekter Effekt kann insbesondere
Großunternehmen (Umbrella-Hypothese) kann darin bestehen, dass Wirtschaftszweige oder
durchaus attraktiv für weitere Anbieter seinPersonen mit bestimmten für Entrepreneur-
und weitere Marktzutritte induzieren. Ein Bei-
ship relevanten Eigenschaften aufgrund von
spiel wären etwa kleine Software-Anbieter, die
Standortgegebenheiten in einer Region kon-
kundenspezifische Anpassungen eines etablier-zentriert sind. Beispielsweise kann es sein, dass
8 ten Programmpakets vornehmen und dabei die Gründungsaktivitäten in einer Region des-
auch mit dem etablierten Anbieter zusammen- halb relativ hoch ausfallen, weil dort Wirt-
arbeiten. Aufgrund solcher gegensätzlichen Ef-
schaftszweige konzentriert sind, die durch eine
fekte ist der Zusammenhang zwischen Markt- geringe mindestoptimale Größe gekennzeich-
konzentration und Niveau der Gründungsakti- net sind, so dass der Marktzutritt in diesen
vitäten unbestimmt. Auch auf sektoraler Ebe-Branchen relativ leicht möglich ist. Dabei kann
ne kann die bisherige und zukünftig zu er- man dann durchaus unterschiedlicher Ansicht
wartende Nachfrageentwicklung eine erhebliche
darüber sein, inwiefern die Branchenstruktur
Rolle spielen. In . Übersicht 8.3 sind die ver-
auf regionale Besonderheiten zurückzuführen
schiedenen Befunde zum Zusammenhang zwi- ist.
schen markt- bzw. branchenspezifischen Fakto- Analog kann argumentiert werden, wenn
ren und dem Niveau der Gründungsaktivitäten eine hohe regionale Gründungsrate mit einem
zusammengefasst. hohen Bevölkerungsanteil an Personen mit
für Entrepreneurship günstigen Merkmalen,
wie etwa einem hohen Bildungsgrad oder be-
8.6 Die Bedeutung des regionalen stimmten Persönlichkeitsmerkmalen, einher-
Umfeldes geht. In diesem Falle könnte das Niveau der
Gründungsaktivitäten zum einen auf indivi-
8.6.1 Zur Identifikation eines duelle Faktoren zurückgeführt werden. Zum
anderen kann es aber auch sein, dass die Kon-
regionalen Einflusses zentration von Personen mit bestimmten Cha-
rakteristika wiederum durch regionale Gege-
Im Rahmen des Überblicks über das Aus- benheiten bedingt ist, wie zum Beispiel hohe
maß unternehmerischer Selbstständigkeit und Bildungsinvestitionen oder eine besondere At-
des Gründungsgeschehens in 7 Kap. 3 zeig- traktivität der Region für Menschen mit unter-
ten sich große Unterschiede zwischen Regio- nehmerischer Persönlichkeit.
8.6  Die Bedeutung des regionalen Umfeldes
105 8
8.6.2 Die Bedeutung von andere Inputs wie zum Beispiel dem Angebot
regionalen Gegebenheiten an wissensintensiven Dienstleistungen in weit
im Einzelnen geringerem Maße der Fall. Denn viele Märkte
für wissensintensive Dienstleistungen sind re-
lativ weiträumig, so dass in einem Land mit
Eine viel diskutierte Kategorie von Einfluss- einer derart dezentralen Siedlungsstruktur wie
faktoren auf das regionale Gründungsgesche- der Bundesrepublik Deutschland kaum ernst-
hen ist die Verfügbarkeit benötigter Ressourcen, hafte regionale Engpässe auftreten. Dies gilt
wie beispielsweise das Vorhandensein großer auch für die Verfügbarkeit von Venture Capi-
und differenzierter Arbeitsmärkte, ein viel- tal. In verschiedenen Untersuchungen konnte
fältiges Angebot an Vorleistungen (etwa im gezeigt werden, dass von einer Benachteiligung
Bereich der wissensintensiven Dienstleistun- von Standorten im ländlich-peripheren Raum
gen) oder eine gute Infrastrukturausstattung in Bezug auf die Verfügbarkeit von Venture Ca-
(. Übersicht 8.4). Wichtig ist in diesem Zu- pital keine Rede sein kann.
sammenhang insbesondere auch die Intensität Eine spezielle Bedeutung, insbesondere für
von Wissens-Spillovern. Empirisch zeigt sich, die Entstehung innovativer bzw. wissensinten-
dass die Verfügbarkeit vieler Inputs in einem siver Gründungen, kommt der regionalen Wis-
engen Verhältnis zu dem regionalen Verdich- sensbasis und dem Ausmaß an Innovationsak-
tungsgrad steht: Große Städte haben in der tivitäten in der Region zu. Denn zum einen
Regel vielfältige Arbeitsmärkte und bieten ei- schaffen Innovationsaktivitäten unternehmeri-
ne große Auswahl an Vorleistungen, während sche Gelegenheiten (siehe 7 Abschn. 8.2). Zum
das Angebot in dünn besiedelten Regionen sehr anderen handelt es sich bei den Gründern in-
eingeschränkt ist, so dass hier leicht Engpässe novativer Unternehmen häufig um Personen,
auftreten können. Infolge dieses Stadt-Land- die im Bereich Forschung und Entwicklung
Unterschiedes ergeben sich dann häufig unter- tätig sind, so dass ein enger statistischer Zu-
schiedliche Bedingungen in Bezug auf die Ver- sammenhang zwischen regionalen Innovati-
fügbarkeit von Ressourcen und ihren Preis: So onsaktivitäten und der Gründung innovativer
sind in den Verdichtungsgebieten zwar relativ Unternehmen besteht. In diesem Zusammen-
viele Ressourcen gut verfügbar, allerdings sind hang kommt insbesondere auch dem Vorhan-
die Preise bzw. Löhne hier auch relativ hoch, densein von Hochschulen in der Region we-
was sich ungünstig auf das Gründungsgesche- sentliche Bedeutung zu. Da Hochschulen, au-
hen auswirken kann. Dabei stellt sich dann die ßeruniversitäre Forschungseinrichtungen so-
Frage, ob der positive Einfluss der guten Ver- wie F&E-Aktivitäten der Privatwirtschaft stark
fügbarkeit oder der negative Effekt der hohen in größeren Städten konzentriert sind, ist die
Preise überwiegt. Große und differenzierte Ar- Anzahl der innovativen bzw. wissensintensi-
beitsmärkte sowie ein reichhaltiges Angebot an ven Gründungen dort auch relativ hoch (siehe
Vorleistungen können es einem Gründer auch 7 Abschn. 3.6). Aufgrund der höheren Anzahl
ermöglichen, bestehende Qualifikationsdefizi- und Dichte an Akteuren in großen Städten, ins-
te durch Einstellung geeigneter Arbeitskräfte besondere auch infolge der Konzentration von
oder durch Zukauf entsprechender Dienstleis- Innovationsaktivitäten in diesen Regionen, ist
tungen zu kompensieren. auch die Intensität der Wissens-Spillover dort
Die Bedeutung der Verfügbarkeit vor Ort deutlich höher ist als im ländlichen Raum.
variiert je nach Art der betreffenden Vorleis- Inwiefern die Nähe zu anderen Firmen
tung. Während die Verfügbarkeit in der Region der betreffenden Branche, also ein Standort
in Bezug auf geeignete Arbeitskräfte und Pro- in einem regionalen Cluster, sich als förder-
duktionsfläche sowie hinsichtlich von Einrich- lich für Gründungsaktivitäten in der betref-
tungen der materiellen Infrastruktur zu einem fenden Branche erweist, ist umstritten. Für ei-
wesentlichen Engpass werden kann, ist dies für ne positive Wirkung spricht die Wirksamkeit
106 Kapitel 8  Determinanten von Gründungen und unternehmerischer Selbstständigkeit

. Übersicht 8.4 Empirische Befunde zur Wirkung von regionalen Gegebenheiten auf das Niveau der
Gründungsaktivitäten

Einflussfaktor Empirischer Befund

Verfügbarkeit benötigter Ressourcen in der Region +

Preis benötigter Ressourcen in der Region –

Ausmaß der Innovationsaktivitäten in der Region +

Intensität von Wissens–Spillovern +

Räumliche Nähe zu anderen Firmen der Branche (Cluster) (Lokalisationsvorteile) ?

Subventionen/Regionalförderung – oder n.s.

Anteil der Beschäftigten in Kleinunternehmen/Regionales Gründungsmilieu/ +


Kultur unternehmerischer Selbstständigkeit

Bisherige Entwicklung der Nachfrage in der Region +

Zukünftig erwartete Entwicklung der Nachfrage in der Region +

8 Anmerkung: +: positiver Zusammenhang; –: negativer Zusammenhang; n. s.: nicht signifikant; ?: empirischer


Befund unklar

von Agglomerationsvorteilen, die, zum Bei- gen in der Regel allerdings nicht nachweisen;
spiel in Wissens-Spillovern, in der gemeinsa- nicht selten ergab sich in solchen Analysen für
men Nutzung eines großen und differenzierten das Niveau staatlicher Subventionen sogar ein
regionalen Arbeitsmarktes oder im Vorhan- statistisch signifikant negativer Effekt. Dieser
densein von branchenspezifischen Infrastruk- negative Effekt könnte darauf beruhen, dass
tureinrichtungen bestehen können. Empirisch staatliche Subventionen vor allem in Krisenzei-
konnte ein solcher für Gründungen förderli- ten oder in Branchen und Regionen gewährt
cher Effekt von Branchen-Clustern bisher al- werden, die eine negative ökonomische Ent-
lerdings kaum nachgewiesen werden. Entspre- wicklung aufweisen. Aus diesem Grunde ist der
chende Untersuchungen zeigen allerdings ei- empirische Befund auch nicht unbedingt so zu
ne große Bedeutung von Spin-off-Gründungen verstehen, dass staatliche Subventionen einen
für die Entstehung solcher Branchen-Cluster. negativen Effekt auf Gründungsaktivitäten ha-
So ließ sich etwa zeigen, dass die Konzentration ben; allerdings sind positive Wirkungen kaum
der US-amerikanischen Automobilindustrie in nachweisbar.
der Region Detroit oder die Entwicklung des Da – wie schon mehrfach dargelegt –
Silicon Valley in Kalifornien zu einem sehr we- Beschäftigte in Kleinunternehmen eine rela-
sentlichen Teil auf Spin-off-Gründungen aus tiv hohe Gründungsneigung aufweisen (hier-
bestehenden Unternehmen zurückgeführt wer- zu insbes. 7 Abschn. 6.3.2), ist es auch we-
den kann. nig überraschend, dass empirische Untersu-
Da staatliche Subventionen wie beispiels- chungen einen stark ausgeprägten positiven
weise Investitionshilfen die Kosten für die Un- Zusammenhang zwischen dem Anteil der Be-
ternehmen senken, sollte man eigentlich er- schäftigten in Kleinbetrieben und dem Niveau
warten, dass sich ein hohes Niveau staatlicher der regionalen Gründungsaktivitäten aufzei-
Subventionen positiv auf das Gründungsge- gen (. Übersicht 8.4). Bei der Interpretation
schehen auswirkt. Ein solcher Effekt ließ sich dieses empirischen Zusammenhangs sind al-
in entsprechenden empirischen Untersuchun- lerdings mindestens zwei Dinge zu bedenken.
8.7  Die systemische Sichtweise
107 8
Erstens kann es sich hierbei auch um einen ein „Wenn die es schaffen, kann ich das auch“
Brancheneffekt handeln, denn ein hoher Anteil gekennzeichnet sind. Drittens schließlich wird
an Beschäftigten in Kleinunternehmen in einer die wesentliche Determinante der Kultur in ei-
Region könnte darauf beruhen, dass hier Bran- nem hohen Anteil an Personen mit unterneh-
chen konzentriert sind, die durch eine relativ merischen Persönlichkeitsmerkmalen gesehen.
geringe mindestoptimale Größe charakterisiert Welche dieser drei potenziellen Deter-
sind. Zweitens kann ein hoher Anteil an Be- minanten einer Entrepreneurship-Kultur den
schäftigten in kleinen Unternehmen die Folge höchsten Erklärungsgehalt hat, ist bisher weit-
eines hohen Niveaus von Gründungsaktivitä- gehend ungeklärt. Dabei müssen sich diese drei
ten in früheren Perioden sein, da Gründungen Konzepte von Entrepreneurship-Kultur in kei-
in der Regel mit geringer Größe in den Markt ner Weise ausschließen, sondern können al-
eintreten und die meisten in der Folgezeit auch le drei gleichzeitig wirksam sein. Weiterhin
nur wenig wachsen (hierzu 7 Abschn. 9.4). In kann eine regionale Infrastruktur an Unterstüt-
diesem Falle spiegelt die Größenstruktur der zungsdienstleistungen, insbesondere die Ver-
regionalen Wirtschaft die Gründungsaktivitä- fügbarkeit kompetenter Beratung dazu beitra-
ten der Vergangenheit und damit eine eventuell gen, dass eine ausgeprägte regionale Entrepre-
vorhandene regionale Gründungskultur wider. neurship-Kultur über die Zeit fortbesteht.
Eine Vielzahl empirischer Untersuchungen Schließlich ist als regionale Determinante
hat deutliche Hinweise darauf erbracht, dass von Gründungsaktivitäten die Entwicklung der
regionale Gründungsaktivitäten relativ stark regionalen Nachfrage zu nennen. Zunehmen-
durch eine regionsspezifische Entrepreneur- de Nachfrage schafft zum einen unternehmeri-
ship-Kultur geprägt sein können, die – einmal sche Gelegenheiten und kann sich zum anderen
etabliert – langfristige Wirkungen entfaltet. Es dadurch positiv auf die Gründungsaktivitäten
gibt eine Reihe von empirischen Beispielen da- auswirken, indem sie eine positive Einschät-
für, dass solche „weichen“ Institutionen, wie zung der Erfolgschancen für neue Unterneh-
es eine Entrepreneurship-Kultur darstellt, über men stimuliert.
lange Zeiträume bestehen. Insbesondere än-
dern sich solche kulturellen Faktoren sehr viel
langsamer als formale Regeln.
8.7 Die systemische Sichtweise
Wenn nun deutliche Hinweise auf das Vor-
handensein einer Entrepreneurship-Kultur be-
stehen, so stellt sich die Frage, was diese Entre- Während der letzten Jahre hat sich zuneh-
preneurship-Kultur ausmacht, wie sie entsteht, mend eine systemische Sichtweise auf das
auf welchen Wegen sie übertragen wird und Gründungsgeschehen und die unternehmeri-
dabei lange Zeiträume überdauert. In der Li- sche Selbstständigkeit herausgebildet. Im Rah-
teratur gibt es hierzu unterschiedliche Vor- men dieses Ansatzes wird versucht, die Deter-
stellungen. So wird einmal davon ausgegan- minanten von Entrepreneurship möglichst um-
gen, dass der Kern einer solchen Entrepreneur- fassend und ganzheitlich auf nationaler, sek-
ship-Kultur in bestimmten Wertvorstellungen, toraler und regionaler Ebene zu analysieren.
wie etwa einer hohen gesellschaftlichen Akzep- Ein Entrepreneurship-System bzw. „Entrepre-
tanz von Eigeninitiative, Selbstverwirklichung neurship Ecosystem“ wird verstanden als die
und Gewinnstreben besteht. Ein zweites Kon- Gesamtheit der ökonomischen, sozialen, in-
zept von Entrepreneurship-Kultur betont Vor- stitutionellen und sonstigen relevanten Fakto-
bild-Effekte eines hohen Niveaus unternehme- ren, die in interaktiver Weise die Erzeugung,
rischer Selbstständigkeit, die zur Nachahmung das Erkennen und das Ergreifen unterneh-
anregen. Dabei dürfte vor allem erfolgreichen merischer Gelegenheiten beeinflussen (Qian,
Unternehmern eine wesentliche Rolle zukom- Acs und Stough 2013, S. 561f.). Als wesent-
men, was zu Denkmustern führt, die durch liche Komponenten wird zwischen Personen,
108 Kapitel 8  Determinanten von Gründungen und unternehmerischer Selbstständigkeit

Organisationen und Institutionen unterschie- Index (GEDI) dar, der sich auf ganze Länder
den, wobei den Personen als den tatsächli- bezieht und der zu wesentlichen Teilen auf In-
chen und potenziellen Unternehmern beson- formationen aus dem Global Entrepreneurship
dere Bedeutung zukommt. Der Schwerpunkt Monitor (GEM) beruht. Für die Länder der Eu-
der systemischen Analyse der Bedingungen für ropäischen Union wurde dieser Index auch auf
Entrepreneurship liegt bei der Komplementari- regionaler Ebene als Regional Entrepreneurship
tät und dem Zusammenspiel der verschiedenen and Development Index (REDI) erstellt. Auch
Einflussfaktoren. Dabei besteht ein wesentli- der in 7 Abschn. 11.3.6 vorgestellte Ansatz der
ches Ziel darin, die wesentlichen Engpässe für regionalen Wachstumsregime ist ein Beispiel
Entrepreneurship und Wachstum zu identifi- dafür, bestimmte Typen von regionalen Kon-
zieren, um auf diese Weise Hinweise für ursa- stellation hinsichtlich ihrer Bedingungen für
chenadäquate wirtschaftspolitische Eingriffe zu Entrepreneurship und Wachstum zu unter-
liefern. scheiden.
Ein Beispiel für eine solche Komplementa-
rität der Einflussfaktoren ist das Verhältnis von
regionaler Wissensbasis und dem Unterneh- 8.8 Zusammenfassung
mergeist sowie den unternehmerischen Fähig-
keiten der regionalen Erwerbspersonen. Ohne
wesentlicher Ergebnisse
8 unternehmerische Eigenschaften bzw. Fähig-
keiten werden die Potenziale an unternehmeri- Die Kenntnis der Determinanten von Grün-
schen Gelegenheiten, die sich aus der regiona- dungsaktivitäten stellt eine wesentliche Voraus-
len Wissensbasis ergeben, nur in relativ gerin- setzung für ursachenadäquate und damit ef-
gem Maße ausgeschöpft. Besteht also der Eng- fektive wirtschaftspolitische Maßnahmen dar.
pass vor allem im Bereich des Erkennens und Eine wichtige Einflussgröße sind die formalen
der Umsetzung der vorhandenen unternehme- Institutionen, worunter schriftlich fixierte Re-
rischen Gelegenheiten, so wäre dies (und nicht geln des Zusammenlebens und Wirtschaftens
ein weiterer Ausbau der Wissensbasis) der ge- zu verstehen sind (z. B. Gesetze). Besonders re-
eignete Ansatzpunkt für eine wirkungsvolle levant für unternehmerische Tätigkeit sind hier
Entrepreneurship-Politik. Besteht hingegen der das Steuersystem, das Unternehmensrecht, die
Engpass in der regionalen Wissensbasis, so läge Arbeitsmarktregulierung sowie Marktzutritts-
hier der Ansatzpunkt für die Politik. regulierungen und das Wettbewerbsrecht. In-
Ein deutlicher Hinweis auf das Vorhan- ternational vergleichende Untersuchungen er-
densein solcher Komplementaritäten von Ein- geben klare Hinweise darauf, dass der mit ei-
flussfaktoren kann beispielsweise auch darin ner Gründung verbundene administrative Auf-
gesehen werden, dass sich die Bedingungen wand eindeutig als Gründungshemmnis wirkt.
für Entrepreneurship in großen Städten nicht Demzufolge sollte der administrative Grün-
nur hinsichtlich einzelner Faktoren von an- dungsaufwand auf ein notwendiges Minimum
deren Regionen unterscheiden, sondern dass begrenzt sein. Gegenwärtig liegt Deutschland
es hier umfassendere Konstellationen von Be- in dieser Hinsicht nicht auf einem der vor-
stimmungsfaktoren gibt, die in großen Städten deren Plätze, was klar darauf hindeutet, dass
eine besondere Ausprägung aufweisen. Auf- in dieser Hinsicht wesentliche Verbesserungs-
grund der engen Verknüpfung von Entrepre- möglichkeiten bestehen.
neurship und Innovation kann das Entrepre- Die Anzahl und die Qualität an vorhan-
neurship-System als ein Teilbereich des Inno- denen unternehmerischen Gelegenheiten kann
vationssystems aufgefasst werden. einen Engpass für Gründungsaktivitäten dar-
Der derzeit umfassendste Ansatz einer sys- stellen. Wichtige Quellen für unternehme-
temischen Analyse von Entrepreneurship stellt rische Gelegenheiten sind etwa wirtschaftli-
der Global Entrepreneurship and Development ches Wachstum, Strukturwandel, Veränderun-
8.9  Wesentliche Begriffe zu Kapitel 8
109 8
gen von Knappheitsrelationen sowie insbe- geklärt. Ganz offensichtlich sind Regionen
sondere Innovationsaktivitäten. Will die Po- durch ein bestimmtes Gründungsmilieu bzw.
litik die Anzahl und die Qualität der unter- durch eine spezifische Kultur der unternehme-
nehmerischen Gelegenheiten erhöhen, so bie- rischen Selbstständigkeit gekennzeichnet, die
tet sich hierfür insbesondere die Stimulierung in der Regel über relativ lange Zeiträume wirk-
von F&E-Aktivitäten an. Darüber hinaus könn- sam ist. Dabei ist allerdings nicht vollstän-
ten der Zugang zu Wissen und die absorpti- dig klar, was eine solche für Gründungen und
ve Kapazität für Wissen wichtige Ansatzpunk- unternehmerischer Selbstständigkeit günstige
te einer Politik sein, die auf die Schaffung Entrepreneurship-Kultur ausmacht und wie sie
und Wahrnehmung unternehmerischer Gele- auf adäquate Weise stimuliert werden kann.
genheiten abzielt. Die systemische Sichtweise versucht die
Es lassen sich eine ganze Reihe von per- Gesamtheit der Determinanten von Entrepre-
sönlichen Charakteristika benennen, die mit neurship zu erfassen und betont Komplemen-
der Bereitschaft zur Gründung eines Unterneh- taritäten zwischen diesen Faktoren und deren
mens in einem positiven Zusammenhang ste- Zusammenspiel. Dabei besteht ein wesentli-
hen. Von den Faktoren des gesamtwirtschaft- ches Ziel der Analyse darin, die entscheiden-
lichen Umfelds spielen das Wohlfahrtsniveau, den Engpässe für Gründungen und Wachstum
die Höhe und Entwicklung von Lohnkosten zu identifizieren, um auf diese Weise Hinwei-
und Kapitalnutzungspreis sowie Arbeitslosig- se für ursachenadäquate wirtschaftspolitische
keit und konjunkturelle Situation eine wesent- Eingriffe zu liefern.
liche Rolle. Von den branchenspezifischen Ein-
flussfaktoren kommen der mindestoptimalen
Größe, der Kapitalintensität und dem herr- 8.9 Wesentliche Begriffe zu
schenden technologischen Regime wesentliche
Bedeutung zu.
Kapitel 8
Die großen Unterschiede der Gründungs-
bzw. Selbstständigenraten, die zwischen ver- 4 Arbeitslosigkeit
schiedenen Regionen zu beobachten sind, wei- 4 Arbeitsmarktregulierung
sen auf eine erhebliche Bedeutung regionaler 4 Entrepreneurship-Kultur
Gegebenheiten hin. Dabei kann man durchaus 4 Entrepreneurship-System
unterschiedlicher Ansicht darüber sein, inwie- 4 Forschung und Entwicklung
fern es sich um einen Einfluss regionsspezifi- 4 Gründungsaufwand
scher Gegebenheiten oder um einen Effekt der 4 Gründungsbarrieren
Branchenstruktur oder der Bevölkerungsstruk- 4 Innovationsaktivitäten
tur handelt. In empirischen Untersuchungen 4 Institutionen
zeigt sich in der Regel ein deutlicher positiver 4 Kapitalintensität
Einfluss auf das Niveau regionaler Gründungs- 4 Konjunktur
aktivitäten für das Ausmaß der regionalen In- 4 Konkurrenzschutz-Klauseln
novationsaktivitäten sowie für den Beschäftig- 4 Kündigungsschutz
tenanteil in Kleinbetrieben. Weiterhin spielen 4 Marktzutrittsregulierung
die Verfügbarkeit benötigter Ressourcen und 4 Mindestoptimale Größe
deren Preis eine wichtige Rolle. 4 Nachfrage
Während empirisch gut gezeigt werden 4 Preis
kann, dass Spin-off-Gründungen eine wichti- 4 Räumliche Nähe
ge Rolle bei der Entstehung regionaler Clus- 4 Regionale Gegebenheiten
ter von Unternehmen einer bestimmten Bran- 4 Steuersystem
che spielen, ist die Bedeutung solcher Clus- 4 Subventionen
ter für Gründungsaktivitäten weitgehend un- 4 Systemischer Ansatz
110 Kapitel 8  Determinanten von Gründungen und unternehmerischer Selbstständigkeit

4 Technologisches Regime Qualifikationsdefiziten des Gründers behan-


4 Unternehmensrecht deln Helsley und Strange (2011). Zu den Be-
4 Unternehmerische Gelegenheiten sonderheiten des Gründungsgeschehens in den
4 Verfügbarkeit Regionen Ostdeutschlands siehe Fritsch et al.
4 Verdichtungsgebiete (2014) und Wyrwich (2014). Die Bedeutung ei-
4 Wissensbasis ner regionalen Entrepreneurship-Kultur wird
4 Wissens-Spillover ausführlich in Fritsch und Wyrwich (2019) be-
4 Wohlstandsniveau handelt.
Grundlegend zum systemischen Ansatz der
Analyse von Entrepreneurship siehe Qian, Acs
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Zum Zusammenhang zwischen Gründungen Index (REDI) siehe Szerb et al. (2017).
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Städten siehe Bosma und Sternberg (2014). Zur %2F978-3-319-97782-9
Bedeutung der regionalen Bedingungen auch Helsley, Robert W. und William C. Strange (2011):
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Journal of Economic Geography, 13, 559–587. https:// gional Science, 53, 487–513. https://doi.org/10.1007/
doi.org/10.1093/jeg/lbs009 s00168-014-0629-x
Sternberg, Rolf (2009): Regional Dimensions of
Entrepreneurship. Foundations and Trends in Entre-
113 9

Wie entwickeln sich junge


Unternehmen?

9.1 Die Gründungsphase – 114

9.2 Die Entwicklung von Gründungskohorten – 115

9.3 Die Erklärung des Zusammenhangs von


Scheiteranfälligkeit und Unternehmensalter – 118
9.3.1 Liability of Newness – 118
9.3.2 Liability of Smallness – 118
9.3.3 Liability of Adolescence – 120
9.3.4 Liability of Aging – 120

9.4 Die Größenstruktur von Gründungskohorten und die


Produktivitätsentwicklung im Zeitverlauf – 121

9.5 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse – 122

9.6 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 9 – 122

Literaturhinweise – 122

Weiterführende Literatur – 123

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_9
114 Kapitel 9  Wie entwickeln sich junge Unternehmen?

Wesentliche Fragestellungen Neuheit ist die Gründungsphase, auch wenn es


sich um eine rein imitative Gründung mit ei-
4 Was sind die wesentlichen Entwicklungspro- nem vollkommen konventionellen Geschäfts-
bleme neu gegründeter Unternehmen? konzept handelt, mit relativ hoher Unsicher-
4 Wie hoch ist die Anfälligkeit junger Unterneh- heit über den Erfolg der Gründung verbunden.
men für ein Scheitern? Diese hohe Unsicherheit stellt in der Regel ei-
4 Welcher Anteil der neu gegründeten Unter- ne wesentliche Belastung für den Gründer dar.
nehmen schafft in wesentlichem Ausmaß neue Weitere Belastungen für den Gründer in den
Arbeitsplätze? frühen Stadien der Unternehmensentwicklung
ergeben sich durch die große Anzahl verschie-
dener und sich wandelnder Aufgaben. Die adä-
Gegenstand dieses Kapitels ist die Entwick- quate Erfüllung dieser Aufgaben macht eine
lung von neu gegründeten Unternehmen. Im Vielfalt an Qualifikationen erforderlich, über
Zentrum der Betrachtung stehen die Verweil- die ein einzelner Gründer nur selten von vorn-
dauer im Markt sowie die Beschäftigungsent- herein verfügt. Hier sind Teamgründungen mit
wicklung. Wie dann in 7 Kap. 10 gezeigt wird, einer Mehrzahl an unterschiedlichen Qualifi-
stellt die Verweildauer am Markt bzw. das kationen gegenüber Einzelgründern eindeutig
Überleben eines Unternehmens ein wesent- im Vorteil.
liches Maß für den Erfolg einer Gründung Durch die hohe Belastung des Gründers
dar. Darüber hinaus wird auch auf die Pro- während der frühen Phase der Unternehmens-
9 duktivität der jungen Unternehmen im Ver- entwicklung ist die Gefahr von Konflikten zwi-
gleich zu ihren alt-etablierten Wettbewerbern schen Berufs- und Privatleben relativ hoch. Aus
eingegangen. Zunächst behandelt 7 Abschn. 9.1 diesem Grunde kommt dem privaten Unter-
die besonderen Probleme der Gründungspha- stützungsnetzwerk des Gründers bei der Be-
se von Unternehmen. Daran anschließend gibt wältigung der vielfältigen Aufgaben eine große
7 Abschn. 9.2 einen Überblick über die Ent- Bedeutung zu. Besonders vielfältig und kom-
wicklung von Gründungskohorten. Dabei be- plex sind die Anforderungen im Falle einer
steht ein wesentliches Ergebnis darin, dass neu innovativen Gründung, da hier neben den nor-
gegründete und junge Unternehmen eine re- malen, mit einer Gründung verbundenen Auf-
lativ hohe Anfälligkeit für ein Scheitern auf- gaben, noch die Aufgabe der Entwicklung der
weisen. 7 Abschn. 9.3 behandelt eine Reihe von entsprechenden Innovation hinzukommt. Auf-
Erklärungen für den Zusammenhang zwischen grund der Innovativität der Gründung ist hier
Scheiteranfälligkeit, Alter und Größe von Un- auch die Unsicherheit über den Geschäftserfolg
ternehmen. Gegenstand von 7 Abschn. 9.4 ist relativ hoch.
dann die Größenstruktur von Gründungsko- Die wesentlichen in der Gründungsphase
horten und die Produktivität junger Unterneh- zu bewältigenden Aufgaben umfassen unter
men im Zeitablauf. Die wesentlichen Ergebnis- anderem:
se werden in 7 Abschn. 9.5 zusammengefasst. 4 das Erstellen eines Unternehmenskonzep-
tes,
4 das Finden eines geeigneten Standortes so-
9.1 Die Gründungsphase wie die Auswahl geeigneter Geschäftsräu-
me,
Mit der Gründung eines Unternehmens wird 4 die Erstellung eines Investitionsplanes, der
etwas Neues geschaffen. Man kann die Un- den Kapitalbedarf und die Verwendung der
ternehmensgründung als ein Experiment an- Mittel festlegt,
sehen, mit dem getestet wird, inwiefern ein 4 das Aufbringen der Investitionssumme, al-
Geschäftskonzept und eine neue Organisation so das Finden und das Überzeugen von Ka-
ökonomisch tragfähig sind. Aufgrund dieser pitalgebern,
9.2  Die Entwicklung von Gründungskohorten
115 9
4 die Ausarbeitung eines Finanzierungskon- nen und gehalten werden? Worin bestehen
zeptes, Preisstrategie und Servicepolitik?
4 das Abschätzen des vorhandenen Marktpo- 4 Der Managementplan: Wer leitet das Un-
tenzials, ternehmen? Wer übernimmt welche Auf-
4 die Beschaffung der Geschäftsausstattung, gaben? Welche Maßnahmen zur Verbesse-
4 das Einstellen von Personal, rung der Qualifikationen des Leitungsper-
4 die Auswahl von Lieferanten, Verhandlun- sonals sind geplant? Wie viele Mitarbeiter
gen über Konditionen sowie insbesondere mit welchen Aufgaben und Qualifikationen
4 das Finden von Abnehmern und deren Bin- soll das Unternehmen in welchem Stadium
dung an das Unternehmen. haben? Wie soll das Unternehmen organi-
siert und geführt werden? Wie soll das Ma-
Eckpunkte der entsprechenden Entscheidun- nagement auf einen möglichen wirtschaftli-
gen und Lösungsstrategien werden häufig in chen Misserfolg reagieren?
einem Businessplan dargestellt. Der Business- 4 Der Finanzplan beschreibt die Grundaus-
plan kann drei Zwecken dienen, nämlich: stattung und dessen Finanzierung (Grün-
4 dem Zweck, die Rationalität und Konsistenz dungsbudget). Darüber hinaus kann der Fi-
des Gründungskonzeptes und des Verlaufs nanzplan Prognosen über Zahlungsströme
der Gründung sicher zu stellen; während des laufenden Betriebs des Unter-
4 der Darstellung der Gründungsidee gegen- nehmens umfassen.
über Beratern, potenziellen Geschäftspart-
nern und Geldgebern; sowie Entscheidend für die Qualität eines Business-
4 als Kontrollinstrument während der ersten plans ist nicht dessen Umfang, sondern sein
Zeit nach der Gründung. Inhalt. Hierzu ist es wichtig, dass sich der
Gründer persönlich mit den damit verbunde-
Für Aufbau, Umfang und Inhalt eines Business- nen Fragen auseinandersetzt; die Anfertigung
plans gibt es kein allgemein verbindliches Sche- des Businessplans zu delegieren, ist als eher
ma. Häufig wird der Detaillierungsgrad durch problematisch anzusehen.
die Anforderungen der Geldgeber bestimmt.
Es lassen sich jedoch inhaltliche Hauptpunkte
angeben. Diese inhaltlichen Hauptpunkte um- 9.2 Die Entwicklung von
fassen: Gründungskohorten
4 Die Beschreibung der Geschäftsidee: Was ist
der Gegenstand des Unternehmens, womit Gründungskohorten sind Gruppen von Unter-
soll Geld verdient werden? Was sind die nehmen, die innerhalb eines bestimmten Zeit-
aktuellen und zukünftigen Produkte bzw. raumes – meist werden Jahreszeiträume be-
Dienstleistungen? Welche Produktdifferen- trachtet – gegründet worden sind. Gründungs-
zierungen sind vorgesehen? Welche Wett- kohorten weisen im Zeitablauf eine Reihe von
bewerbsvorteile (etwa Zusatznutzen für die typischen Entwicklungsmustern auf. . Abb. 9.1
Abnehmer, Preis, Service) bestehen gegen- zeigt die Beschäftigung und die Überlebens-
über der Konkurrenz? Wo liegen die we- raten in jährlichen Gründungskohorten west-
sentlichen Risiken? Was sind die wesentli- deutscher Betriebe in den Sektoren der privaten
chen Substitutionsprodukte? Wirtschaft (ohne Landwirtschaft) im Zeitraum
4 Der Marketingplan: Wer sind die Kunden? 1976 bis 2005314 . Die unterbrochenen grauen
Wo sind die Kunden? Was sind ihre Beson-
derheiten? Wie hoch ist das Marktvolumen?
314
Wie entwickelt sich der Markt voraussicht- Datengrundlage ist die Betriebsdatei der Statis-
tik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
lich? Wer sind die unmittelbaren Konkur- der Bundesagentur für Arbeit, die nur auf Ebene
renten? Was sind die Einstellungsmerkmale von Betrieben vorliegt; siehe zu dieser Datenquelle
des Produktes? Wie sollen Kunden gewon- 7 Abschn. 3.3.
116 Kapitel 9  Wie entwickeln sich junge Unternehmen?

160
150
140
130
120
110
100
Percentage

90
80
70
60 employment
50
40
30
survival
20
10
9
0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30
Age (Year)

. Abb. 9.1 Beschäftigung in Gründungskohorten und Überlebensraten in Westdeutschland 1976–2005 – privater


Sektor (Quelle: Schindele und Weyh 2011)

Linien repräsentieren jeweils einen bestimm- Wie . Abb. 9.1 zeigt, steigt die Beschäftig-
ten Jahrgang von Gründungen; die schwar- tenzahl in den Kohorten typischerweise kurz
zen durchgezogenen Linien geben die Durch- nach erfolgter Gründung an, erreicht nach eini-
schnittswerte für alle Kohorten an, für die im gen Jahren ein Maximum und geht dann in den
jeweiligen Jahr Angaben zur Verfügung stehen. Folgejahren mehr oder weniger kontinuierlich
Die im Jahr 1976 gegründeten Betriebe las- zurück. In dem hier dargestellten Beispiel fällt
sen sich bis zum Jahr 2005, also über einen die Beschäftigung nach acht Jahren unter das
Zeitraum von 29 Jahren verfolgen. Da für al- Ausgangsniveau zum Zeitpunkt der Gründung.
le Kohorten der Beobachtungszeitraum im Jahr Ein wesentlicher Grund für das Absinken der
2005 endet, sind die Zeitreihen (und damit die Beschäftigung in den Gründungskohorten be-
unterbrochenen grauen Linien) für nachfol- steht darin, dass insbesondere während der ers-
gende Kohorten jeweils kürzer. Im Gründungs- ten Jahre ein relativ hoher Anteil an Gründun-
jahr beträgt das Alter einer Kohorte 0 Jahre; gen wieder stillgelegt wird und die dadurch ent-
die Anzahl der Beschäftigten einer Kohorte im stehenden Beschäftigungsverluste nicht durch
Gründungsjahr ist jeweils auf 100 Prozent nor- entsprechenden Beschäftigungszuwachs in den
miert. Die Linien der Beschäftigungsentwick- überlebenden Gründungen kompensiert wer-
lung geben also an, wie sich die Beschäftigung den.
in den Kohorten in Relation zur Beschäftigung Die . Abb. 9.1 zeigt auch die Überlebens-
im Gründungsjahr verändert hat. raten der Betriebe eines Gründungsjahrgangs.
9.2  Die Entwicklung von Gründungskohorten
117 9
Die Überlebensrate ist definiert als Anteil der aller Einheiten (Betriebe oder Unternehmen)
Betriebe, die eine bestimmte Zeit nach der angibt, die nach einem bestimmten Zeitraum
Gründung noch existieren und am Markt ak- noch existieren, ist die Hazardrate der Anteil
tiv sind. Entsprechend . Abb. 9.1 wird ungefähr der Einheiten, die am Anfang einer bestimmten
die Hälfte aller Gründungen während der ers- Periode (z. B. zu Beginn eines Jahres) existiert
ten sechs bis sieben Jahre wieder stillgelegt; ei- haben und während dieser Zeitperiode stillge-
ne Größenordnung, die auch in Untersuchun- legt worden sind. Im Prinzip ist die Hazardrate
gen für diverse andere Länder ermittelt wurde. eine Stilllegungsrate, die jeweils auf die Grund-
Nach zehn Jahren sind noch gut 40 Prozent al- gesamtheit zu Beginn der Periode normiert ist.
ler Gründungen am Markt; nach 20 Jahren sind Sie gibt somit die Wahrscheinlichkeit dafür an,
es deutlich weniger als 30 Prozent und nach 29 dass eine Einheit, die ein bestimmtes Alter er-
Jahren weniger als 20 Prozent. reicht hat, in der Folgeperiode stillgelegt wird.
Der Verlauf der in . Abb. 9.1 dargestellten Die . Abb. 9.2 zeigt Hazardraten für die
Überlebensraten ist nicht linear. Vielmehr sin- in . Abb. 9.1 dargestellten Gründungsko-
ken die Raten in den ersten Jahren stärker als im horten. Dabei wird die relativ hohe Still-
Zeitraum danach. Um solche altersabhängigen legungswahrscheinlichkeit für Gründungen
Verläufe der Stilllegungswahrscheinlichkeit zu während der ersten Jahre ihrer Existenz beson-
analysieren, bildet man üblicherweise Hazard- ders deutlich. Mit zunehmendem Alter eines
raten. Während die Überlebensrate den Anteil Betriebes nimmt die Stilllegungswahrschein-

20

18

16

14

12
Percentage

10

0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28
Age (Year)

. Abb. 9.2 Hazardraten in Gründungskohorten – Westdeutschland 1976–2005 – privater Sektor (Quelle: Schindele
und Weyh 2011)
118 Kapitel 9  Wie entwickeln sich junge Unternehmen?

lichkeit ab und nähert sich kontinuierlich solches Scheitern wird ganz allgemein darin
einem bestimmten Minimalwert an. In dem gesehen, dass es nicht gelingt, die neue Orga-
hier dargestellten Beispiel steigt die Stillle- nisation so zu etablieren, dass sie in hinrei-
gungswahrscheinlichkeit nach 18 bis 20 Jahren chendem Maße wettbewerbsfähig bzw. profita-
wieder leicht an. bel ist. Konkret kann dies bedeuten, dass keine
Man bezeichnet die besondere Anfälligkeit geeigneten Zulieferer, kein geeignetes Personal
von Gründungen für eine Schließung wäh- und/oder nicht ausreichend Abnehmer für die
rend der ersten Jahre als Liability of Newness erstellte Leistung gewonnen werden konnten.
bzw. Liability of Adolescence. Da junge Unter- Die Ursache für ein Scheitern kann auch da-
nehmen in der Regel relativ klein sind, wird rin bestehen, dass die Länge des Zeitraums bis
als Erklärung gelegentlich auch eine besonde- zur Erzielung erster Gewinne unterschätzt wird
re Anfälligkeit von Kleinunternehmen (Liabili- und nicht ausreichend Ressourcen verfügbar
ty of Smallness) herangezogen. Eine besondere sind, um diese Durststrecke zu überbrücken.
Anfälligkeit von älteren Organisationen für ei- Es kann aber auch sein, dass der Gründer
ne Stilllegung bezeichnet man als Liability of durchaus noch über Ressourcen verfügt, er aber
Aging. Diese Erklärungsansätze werden im fol- im Verlauf des Gründungsprozesses lernt, dass
genden 7 Abschn. 9.3 behandelt. sein Geschäftskonzept nicht tragfähig ist und er
Zwar zeigen sich die dargestellten Grund- deshalb nach relativ kurzer Zeit wieder aus dem
muster der Entwicklung von Gründungskohor- Markt ausscheidet.
ten in so gut wie allen empirischen Untersu- Die Vorstellungen über die Länge des Zeit-
9 chungen. Es kann dabei aber durchaus erhebli- raums, über den sich die mit der Liability of
che Unterschiede zwischen Wirtschaftszweigen Newness angesprochenen Anlaufschwierigkei-
bzw. Sektoren geben. Beispielsweise ist der Be- ten erstrecken, sind nicht ganz deckungsgleich.
schäftigungszuwachs von Gründungskohorten Vielfach wird hier ein Zeitraum zwischen zwei
während der ersten Jahre in innovativen Wirt- und fünf Jahren genannt, wobei diese Periode
schaftszweigen in der Regel deutlich größer für kleine Dienstleistungsunternehmen (z. B.
und länger anhaltend als in weniger innovati- Einzelhandel) wohl wesentlich kürzer anzuset-
ven Branchen. Auch weisen Gründungen, die zen ist als für Gründungen in Branchen des
während einer relativ frühen Phase des Pro- Verarbeitenden Gewerbes, in denen eine re-
duktlebenszyklus in den Markt eintreten, in lativ große mindestoptimale Größe herrscht.
der Regel eine höhere Überlebenswahrschein- Der Verlauf der Hazardraten in . Abb. 9.2 zeigt
lichkeit auf als neue Unternehmen, die zu ei- allerdings an, dass die Stilllegungswahrschein-
nem späteren Zeitpunkt in den Markt eintreten lichkeit für einen Zeitraum von gut zehn Jahren
(hierzu auch 7 Abschn. 10.2.3 Branchencharak- überdurchschnittlich hoch ist. Dies korrespon-
teristika und gesamtwirtschaftliches Umfeld). diert mit Analysen der Produktivität von neu
gegründeten und jungen Unternehmen, die er-
geben, dass es gut zehn Jahre dauern kann, bis
9.3 Die Erklärung des die Unternehmen einer Gründungskohorte das
Zusammenhangs von Produktivitätsniveau ihrer alt-etablierten Kon-
Scheiteranfälligkeit und kurrenten erreicht haben.
Unternehmensalter

9.3.1 Liability of Newness 9.3.2 Liability of Smallness

Der Begriff der Liability of Newness bezeich- Die Liability of Smallness bezeichnet die beson-
net die besondere Anfälligkeit von neuen Or- dere Stilllegungsanfälligkeit von kleinen Orga-
ganisationen für ein Scheitern, also eine Still- nisationen, wobei es sich sowohl um etablierte
legung bzw. Auflösung. Die Ursache für ein Firmen als auch um neugegründete Einheiten
9.3  Zusammenhang von Scheiteranfälligkeit und Unternehmensalter
119 9

Durchschnitts-
kosten

Mindestoptimale Output
Größe

. Abb. 9.3 Markteintritt und mindestoptimale Unternehmensgröße (MOG)

handeln kann, die ja in der Regel eine nur te Unteilbarkeiten bestehen; man bezeichnet
verhältnismäßig geringe Startgröße aufweisen. einen solchen Kostenverlauf auch als subaddi-
Eine Erklärung für eine hohe Stilllegungs- tiv. Mit zunehmender Produktionsmenge sin-
wahrscheinlichkeit relativ kleiner Gründungen ken die Durchschnittskosten, erreichen ein Mi-
könnte einmal darin bestehen, dass – wie em- nimum bei der mindestoptimalen Outputmen-
pirische Studien belegen – der Markteintritt ge bzw. Größe und bleiben dann konstant.
häufig unterhalb der mindestoptimalen Grö- Diese mindestoptimale Größe muss das Un-
ße (MOG) erfolgt und die Unternehmen dann ternehmen erreichen, um im Wettbewerb auf
vor der Aufgabe stehen, diese mindestoptimale dem Markt dauerhaft bestehen zu können. Je
Größe möglichst schnell zu erreichen. Gelingt kleiner ein Unternehmen zum Zeitpunkt der
dies nicht, so bleiben sie unrentabel und müs- Gründung ist, desto größer ist die Wachstums-
sen über kurz oder lang wieder aus dem Markt distanz, die bis zum Erreichen der mindestop-
austreten. timalen Größe zurückgelegt werden muss und
Diese Zusammenhänge können anhand desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit dafür,
von . Abb. 9.3 veranschaulicht werden. Die dass diese Aufgabe erfolgreich bewältigt wird.
Durchschnittskosten sind die Kosten, die pro Eine weitere Erklärung für eine höhere
Outputeinheit anfallen und bilden die Preis- Überlebenswahrscheinlichkeit von relativ gro-
untergrenze für ein kostendeckendes Angebot, ßen Gründungen könnte darin gesehen wer-
d. h. der Preis muss mindestens den Durch- den, dass hohe Investitionen in ein Unter-
schnittskosten entsprechen, damit keine Ver- nehmen mit besonders intensiven Bemühun-
luste entstehen. Hinsichtlich des Verlaufs der gen um den Erfolg der Gründung einhergehen
Durchschnittskosten wird unterstellt, dass es dürften. Je mehr man investiert hat, desto ge-
Größenvorteile in der Form gibt, dass die ringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man bei
Durchschnittskosten für eine geringe Ange- ersten Schwierigkeiten bereits „die Flinte ins
botsmenge relativ hoch sind, weil bestimm- Korn wirft“. Dies dürfte insbesondere dann der
120 Kapitel 9  Wie entwickeln sich junge Unternehmen?

Fall sein, wenn bei einem Marktaustritt in we- Verlauf aufweist, indem sie mit dem Alter
sentlichem Ausmaß Sunk Costs anfallen, Auf- zunächst ansteigt und nach Erreichen eines
wendungen für Ressourcen also, die in einer Maximums wieder sinkt. Dies bedeutet, dass
anderen Verwendung erheblich weniger wert die Stilllegungswahrscheinlichkeit im Stadium
sind und daher im Falle des Scheiterns nur mit des Heranwachsens, der Adoleszenz, besonders
Verlust verkauft werden können. hoch ausfällt.
Bezogen auf etablierte Unternehmen be- Die Erklärung für dieses Phänomen könn-
schreibt die Liability of Smallness eigentlich te darin bestehen, dass ein Gründer den Erfolg
ein relativ triviales Phänomen. Wenn Großun- oder Misserfolg seines Projektes erst im Zeitab-
ternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten lauf einigermaßen verlässlich abschätzen kann.
geraten, so haben sie in der Regel die Mög- Dies korrespondiert mit der Hypothese, dass
lichkeit, zunächst Kapazitäten abzubauen wäh- ein Gründer erst im Verlauf der Geschäftstä-
rend Kleinunternehmen im Zweifel nur über tigkeit lernt, inwiefern er zur Führung eines
relativ geringe Reserven verfügen und bei wirt- Unternehmens in der Lage ist. Ein rational han-
schaftlichen Problemen häufig gleich ganz aus delnder Gründer wartet daher erst einige Zeit
dem Markt ausscheiden müssen. Aus diesem ab, bis er ein Projekt als hoffnungslos einstuft
Grunde geht einer Stilllegung von ehemals gro- und aufgibt. Dabei kann auch eine Rolle spie-
ßen Unternehmen häufig auch eine Periode der len, dass ein Projekt erst dann ernsthaft in Frage
Schrumpfung und des Beschäftigungsabbaus gestellt wird, wenn die Startressourcen oder
voraus. die Vertrauensvorschüsse von Finanziers auf-
9 Empirische Untersuchungen zu der Frage, gebraucht sind, was dann eine Stilllegung er-
ob kleine Unternehmen eine geringere Pro- zwingt.
duktivität aufweisen als große Unternehmen
haben keine eindeutigen Ergebnisse erbracht.
Dabei zeigt sich in der Regel vor allem in der 9.3.4 Liability of Aging
Gruppe der Kleinunternehmen ein relativ ho-
hes Maß an Heterogenität der wirtschaftlichen
Die Liability of Aging bezeichnet ganz allge-
Leistungsfähigkeit; d. h. unter den Kleinunter-
mein eine relativ hohe Scheiteranfälligkeit älte-
nehmen gibt es in besonderem Maße sowohl
rer Organisationen. Hinsichtlich der Erklärung
relativ leistungsstarke als auch relativ leistungs-
einer solchen Liability of Aging lassen sich zwei
schwache Unternehmen. Der Grund für den
Varianten unterscheiden:
relativ hohen Anteil leistungsschwacher Klein-
4 Die These von der Liability of Senescence
unternehmen dürfte insbesondere darin be-
führt eine besondere Scheiteranfälligkeit
stehen, das unproduktive Unternehmen vor
von alten Unternehmen auf eine organisa-
dem Marktaustritt Kapazitäten abbauen und
tionale Trägheit bzw. organisatorische Skle-
die Gruppe der kleinen Unternehmen relativ
rose zurück. Diese Sklerose schlägt sich
viele solcher „Grenzanbieter“ mit geringer Pro-
darin nieder, dass alt-etablierte Routinen
duktivität umfasst.
nicht in hinreichendem Maße in Frage ge-
stellt und gegebenenfalls reformiert wer-
den, was die Effizienz der Organisation
9.3.3 Liability of Adolescence mindert.
4 Die These von der Liability of Obsolescence
Dem Konzept der Liability of Adolescence führt die besondere Scheiteranfälligkeit äl-
liegt die Beobachtung zugrunde, dass die Still- terer Unternehmen vor allem darauf zu-
legungswahrscheinlichkeit von Gründungen rück, dass das Produktprogramm und allge-
über die Zeit häufig nicht kontinuierlich ab- meine Managementstrategien veraltet sind
nimmt, sondern einen umgekehrt u-förmigen und nicht in hinreichendem Maße an die
9.4  Größenstruktur und Produktivitätsentwicklung
121 9
sich veränderten Erfordernisse angepasst len Größe (7 Abschn. 9.3.2) dauert es also bis
worden sind. Die Folge ist ein Verlust an zu zehn Jahre, bis die mindestoptimale Größe
Wettbewerbsfähigkeit, der dann unter Um- erreicht ist. Die wenigen stark expandierenden
ständen einen Marktaustritt erzwingt. Unternehmen einer Gründungskohorte dürf-
ten diese Schwelle wesentlich früher erreichen
Bisher sind sowohl die Relevanz als auch die und in dieser Hinsicht positive „Ausreißer“
Ursachen für eine Liability of Aging empirisch darstellen.
weitgehend ungeklärt, was wohl zu einem we- Im Ergebnis ist der Großteil der durch ei-
sentlichen Teil auf das Fehlen ausreichend lan- ne Gründungskohorte direkt geschaffenen Ar-
ger Zeitreihen an empirischen Daten zurück- beitsplätze meist in sehr wenigen Unterneh-
zuführen ist. So muss auch der in . Abb. 9.2 men konzentriert. Als Orientierungswerte aus
erkennbare Anstieg der Hazardraten bei älteren entsprechenden empirischen Untersuchungen
Unternehmen nicht zwangsläufig auf eine Lia- können gelten: Nach einem Zeitraum von zehn
bility of Aging hindeuten, denn in der entspre- Jahren entfallen mehr als 95 Prozent der von
chenden Datenquelle wird jeder Eigentümer- den Unternehmen einer Gründungskohorte
wechsel als eine Stilllegung verbunden mit ei- geschaffenen Arbeitsplätze auf nur ca. zwei bis
ner Gründung verbucht. Folglich spiegelt der in drei Prozent der Gründungen. Angesichts die-
. Abb. 9.2 zu verzeichnende Anstieg der Hazar- ser hohen Konzentration der Beschäftigung auf
draten eventuell eher die erhöhte Wahrschein- sehr wenige Gründungen stellt sich die Frage,
lichkeit für eine Weitergabe des Unternehmens inwiefern es möglich ist, diese besonders er-
an einen Nachfolger als eine Geschäftsaufga- folgreichen Unternehmen im Sinne einer Pick
be wider. Angesichts eines Durchschnittsalters the Winner-Strategie bereits zum Zeitpunkt der
von Gründern in Deutschland von ca. 41 Jahre Gründung zu identifizieren und gegebenenfalls
wäre eine Aufgabe oder ein Verkauf des Unter- besonders zu fördern (hierzu 7 Abschn. 10.3).
nehmens aus Altersgründen nach mehr als 20 Angesichts der relativ niedrigen Produkti-
Jahren Geschäftstätigkeit nicht unplausibel. vität eines großen Teils der neu gegründeten
Unternehmen stellt sich die Frage, auf welche
Weise es vielen dieser Unternehmen gelingt,
9.4 Die Größenstruktur von trotz unterdurchschnittlicher Produktivität im
Markt zu verbleiben. Bisher gibt es auf diese
Gründungskohorten und die
Frage keine vollständig befriedigende Antwort.
Produktivitätsentwicklung im Eine Erklärung könnte darin bestehen, dass die
Zeitverlauf relativ niedrige Produktivität zumindest teil-
weise mit geringeren Arbeitskosten kompen-
In aller Regel bleibt die ganz überwiegende siert wird. Hierzu passt die Beobachtung, dass
Mehrzahl der überlebenden Gründungen sehr junge Unternehmen häufig nur relativ geringe
klein und der Anteil der stark wachsenden Un- Löhne zahlen.
ternehmen – sogenannter Gazellen – an einer Eine weitere mögliche Erklärung könnte
Gründungskohorte ist außerordentlich gering. sein, dass es den Gründern gelingt, die nied-
Dieser Befund korrespondiert mit der Beob- rige Produktivität mit einem hohen eigenen
achtung, dass die meisten der neu gegründeten Arbeitseinsatz zu kompensieren, was sich für
Unternehmen eine niedrigere Produktivität als den Unternehmer dann in relativ niedrigem
die etablierten Unternehmen aufweisen und es Einkommen pro Arbeitsstunde niederschlagen
nicht selten bis zu zehn Jahre dauern kann, müsste (zu den Einkommen von Unterneh-
bis sie – sofern sie bis dahin nicht stillgelegt mern siehe 7 Abschn. 10.1). Schließlich könn-
wurden – das durchschnittliche Produktivitäts- te es auch sein, dass viele der überlebenden
niveau der etablierten Firmen erreicht haben. jungen Unternehmen zunächst Angebote in
Übertragen auf das Modell der mindestoptima- Marktnischen machen, in denen sie in nur ge-
122 Kapitel 9  Wie entwickeln sich junge Unternehmen?

ringem Maße dem Wettbewerb durch etablierte anfälligkeit (Liabillity of Aging) aufweisen, ist
Firmen ausgesetzt sind und dann nach und bislang nicht hinreichend geklärt.
nach in größere Marktfelder expandieren. Der Großteil der überlebenden Gründun-
gen bleibt relativ klein, so dass nach einigen
Jahren ein sehr hoher Anteil der Arbeitsplät-
9.5 Zusammenfassung ze einer Gründungskohorte in sehr wenigen
Unternehmen konzentriert ist, die dann die Be-
wesentlicher Ergebnisse schäftigung in der betreffenden Kohorte sehr
stark prägen. Die Anzahl der Beschäftigten in
Die Gründung eines Unternehmens ist mit ei- einer Gründungskohorte sinkt nach einigen
ner großen Vielzahl unterschiedlicher Aufga- Jahren unter das Ausgangsniveau. Hinsicht-
ben verbunden, die für den Gründer – neben lich der Überlebenswahrscheinlichkeit und der
der Unsicherheit über den Erfolg der Grün- Beschäftigungsentwicklung bestehen wesentli-
dung – eine wesentliche Belastung darstellen. che Unterschiede entsprechend dem Marktum-
Unsicherheit, fachliche Überforderung und ho- feld und der Marktphase des betreffenden Pro-
he Arbeitsbelastung während der Gründungs- dukts.
phase können leicht zu Konflikten zwischen
Beruf- und Privatleben führen. Besonders hoch
ist diese Belastung für Gründer innovativer Un- 9.6 Wesentliche Begriffe zu
ternehmen, da hier noch Aufgaben im Bereich Kapitel 9
9 der Produktentwicklung und die damit verbun-
dene Unsicherheit hinzukommen.
Neu gegründete Betriebe bzw. Unterneh- 4 Businessplan
men sind während der ersten Jahre durch eine 4 Gründungskohorten
besonders hohe Scheiteranfälligkeit (Liability 4 Gründungsphase
of Newness) gekennzeichnet, die sich in relativ 4 Hazardrate
geringen Überlebensraten und entsprechend 4 Liability of Adolescence
hohen Hazardraten niederschlägt. Ungefähr 50 4 Liability of Aging
Prozent aller Gründungen werden innerhalb 4 Liability of Newness
der ersten sechs Jahre nach der Gründung wie- 4 Liability of Obsolescence
der stillgelegt. Diese relativ hohe Scheiteran- 4 Liability of Senescence
fälligkeit von Gründungen könnte durch eine 4 Liability of Smallness
relativ geringe Produktivität im Vergleich zu 4 Mindesoptimale Größe
etablierten Anbietern bedingt sein; empirische 4 Produktivität
Untersuchungen zeigen klar, dass es zehn Jahre 4 Überlebensrate
und länger dauern kann, bis die durchschnittli- 4 Unterstützungsnetzwerk
che Produktivität in Kohorten neu gegründeter
Unternehmen dem Niveau der etablierten An-
bieter entspricht. Eine mögliche Ursache für Literaturhinweise
niedrige Produktivität und hohe Scheiteranfäl-
ligkeit könnte darin bestehen, dass die meisten Einen Literaturüberblick über die hier an-
neu gegründeten Unternehmen gegenüber den gesprochenen Themenbereiche gibt Parker
etablierten Anbietern wesentliche Kostennach- (2018). Zur den Liabilities siehe insbeson-
teile haben, da sie unterhalb der mindestopti- dere auch Carroll und Hannan (2000). Zu
malen Größe in den Markt eintreten (Liability der Entwicklung von Gründungskohorten
of Smallness). Inwieweit ältere Unternehmen in Westdeutschland und zum direkten Be-
eine Tendenz zu verminderter Wettbewerbsfä- schäftigungsbeitrag von Gründungen siehe
higkeit und damit eine relativ hohe Scheiter- insbesondere Schindele und Weyh (2011). Zur
Weiterführende Literatur
123 9
Produktivitätsentwicklung in neu gegründeten nal of Economic Literature, 36, 1947–1982. https://
Unternehmen siehe den Überblick von Caves www.jstor.org/stable/2565044
(1998) sowie insbesondere Wagner (2007). Fackler, Daniel, Claus Schnabel und Joachim Wagner
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Zu neueren empirischen Analysen der De- size and age. Small Business Economics, 31, 683–700.
terminanten der Scheiteranfälligkeit von Grün- https://doi.org/10.1007/s11187-012-9450-z
dungen siehe Fackler, Schnabel und Wagner Parker, Simon (2018): The Economics of Entrepreneurship.
(2013). 2nd ed., Cambridge: Cambridge University Press.
https://doi.org/10.1017/9781316756706
Schindele, Yvonne und Antje Weyh (2011): The Direct
Employment Effects of New Businesses in Germa-
ny Revisited – An Empirical Investigation for 1976–
Weiterführende Literatur 2004. Small Business Economics, 36, 353–363. https://
doi.org/10.1007/s11187-009-9218-2
Carroll, Glenn R. und Michael Hannan (2000): The Demo- Wagner, Joachim (2007): Markteintritte, Marktaustritte
graphy of Corporations and Industries. Princeton, NJ: und Produktivität – Empirische Befunde zur Dy-
Princeton University Press. namik in der Industrie. Wirtschafts- und Sozialsta-
Caves, Richard E. (1998): Industrial Organization and New tistisches Archiv, 193–203. https://doi.org/10.1007/
Findings on the Turnover and Mobility of Firms. Jour- s11943-007-0020-9
125 10

Erfolgsfaktoren von
Unternehmensgründungen

10.1 Personenbezogene Analyse: Einkommen und


Zufriedenheit von Selbstständigen – 126

10.2 Unternehmensbezogene Analyse: Hypothesen und


empirische Evidenz zum Erfolg von Gründungen – 128
10.2.1 Zur Methodik von Erfolgsfaktoren-Analysen – 128
10.2.2 Indikatoren zur Beurteilung des Erfolgs von
Unternehmensgründungen – 129
10.2.3 Hypothesen und Ergebnisse – 130

10.3 Schnell wachsende Unternehmen (Gazellen) – 139

10.4 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse – 139

10.5 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 10 – 140

Literaturhinweise – 140

Weiterführende Literatur – 141

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_10
126 Kapitel 10  Erfolgsfaktoren von Unternehmensgründungen

Wesentliche Fragestellungen 10.1 Personenbezogene Analyse:


Einkommen und
4 Verdienen Selbständige mehr als abhängig Be- Zufriedenheit von
schäftigte?
4 Anhand welcher Faktoren lässt sich der Er-
Selbstständigen
folg neu gegründeter Unternehmen empirisch
feststellen? In Ranglisten der reichsten Personen eines Lan-
4 Wovon hängt der Erfolg neu gegründeter Un- des oder der Welt wird ein großer Teil der vor-
ternehmen ab? deren Plätze in aller Regel von Unternehmens-
4 Kann man besonders erfolgreiche Unterneh- gründern belegt. Bekannte Beispiele sind die
men im Vorhinein erkennen? Gründer von Aldi, Amazon, Facebook, IKEA,
Microsoft, SAP oder Walmart. Auch bei Per-
sonen, die durch eine Erbschaft sehr reich ge-
Dieses Kapitel behandelt die Erfolgsfaktoren worden sind, ist dieser Reichtum fast immer
und damit auch die Scheiterursachen von Un- durch Unternehmensgründungen in einer der
ternehmensgründungen. Welche Maße sind vorhergehenden Generationen entstanden. Be-
zur Bestimmung des Erfolgs einer Gründung zogen auf die Gesamtheit aller Unternehmer
geeignet? Was kennzeichnet erfolgreiche Grün- stellen solche „Superstars“ mit sehr hohen Ein-
der und die entsprechenden Unternehmen? kommen und Vermögen allerdings eine seltene
Lässt sich der Erfolg eines Gründungsprojekts Ausnahme dar, die keinesfalls als repräsentativ
im Voraus erkennen? Insbesondere: Wäre es für anzusehen sind.
die Politik möglich, die besonders erfolgver- Die Einkommen von Unternehmern sind
10 sprechenden Gründungen frühzeitig zu iden- sehr heterogen, so dass ein Vergleich von
tifizieren, um sie im Rahmen einer Pick the Durchschnittswerten der Einkommen von
Winner-Strategie selektiv zu unterstützen? Selbständigen und abhängig Beschäftigten we-
Die Analyse des Erfolgs von Unterneh- nig aussagefähig ist. Zudem bleiben bei solchen
mensgründungen kann zum einen bei der Vergleichen häufig eine Reihe von Faktoren
Person des Gründers ansetzen, insbesonde- außer Acht, die einen kausalen Einfluss auf
re bei dem Einkommen, das er als Unter- die Höhe des Einkommens haben, wie etwa
nehmer erzielt, und bei seiner Arbeitszufrie- die Qualifikation und die geleistete Arbeitszeit.
denheit (personenbezogene Analyse). Ein al- Um zu aussagefähigen Ergebnissen über die
ternativer Bezugspunkt ist die Entwicklung Einkommen von Unternehmern und abhän-
des betreffenden Unternehmens (unterneh- gig Beschäftigten zu gelangen, müssen solche
mensbezogene Analyse). Im Folgenden gibt Faktoren berücksichtigt werden.
7 Abschn. 10.1 einen Überblick über die we- Empirische Analysen der Einkommen ent-
sentlichen Ergebnisse von personenbezogenen sprechend der Erwerbsform zeigen, dass die
Analysen; 7 Abschn. 10.2 fasst dann die Er- Einkommen von Selbstständigen eine sehr viel
gebnisse von unternehmensbezogenen Studien stärkere Streuung aufweisen, als die Einkom-
des Gründungserfolgs zusammen. Das Phä- men der abhängig Beschäftigten. Diese stärkere
nomen von Gründern, die durch ihr Unter- Streuung der Einkommen der Selbstständigen
nehmen sehr reich werden (Entrepreneurship- beruht vor allem darauf, dass es in der Regel ei-
Superstars) bzw. von relativ schnell wachsen- nige wenige Unternehmer gibt, die ein außeror-
den Unternehmen (Gazellen) ist dann Gegen- dentlich hohes Einkommen erzielen, das kaum
stand von 7 Abschn. 10.3. Abschließend werden je von abhängig Beschäftigten erreicht wird. Ei-
die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst ne weitere Ursache für die stärkere Streuung
(7 Abschn. 10.4). der Einkommen der Selbstständigen besteht
10.1  Einkommen und Zufriedenheit von Selbstständigen
127 10

,1
,08
,06
Dichte
,04
,02
0

0 10 20 30 40 50
Netto - Stundenlöhne (Euro)

Selbständige Solo Selbständige


Abhängig Beschäftigte Selbständige mit Angestellten

. Abb. 10.1 Nettoeinkommen pro Arbeitsstunde von Solo-Entrepreneuren, Unternehmern mit weiteren
Beschäftigten und abhängig Beschäftigten in Deutschland 2009. (Aus Sorgner, Fritsch und Kritikos (2017). Die
Datengrundlage für diese Darstellung ist der Mikrozensus (siehe 7 Abschn. 3.3))

darin, dass es für Selbstständige keinen gesetz- dem Einkommen der abhängig Beschäftigten
lich vorgeschriebenen Mindestlohn gibt, und zu sprechen.
einige Unternehmer lediglich ein sehr niedri- Die vorliegenden Untersuchungen zum
ges Einkommen pro Arbeitsstunde erzielen. Einkommen aus unternehmerischer Selbst-
Diesen Sachverhalt verdeutlicht . Abb. 10.1, ständigkeit im Vergleich zum Einkommen
in der die Verteilung der Nettoeinkommen pro aus abhängiger Beschäftigung unter Berück-
Arbeitsstunde von Selbstständigen und abhän- sichtigung weiterer Bestimmungsgründe des
gig Beschäftigten in Deutschland im Jahr 2009 Einkommens kommen zu teilweise recht unter-
dargestellt ist. Dabei sind die Selbstständigen schiedlichen Einschätzungen. Während einige
weiter in Solo-Entrepreneure und Selbststän- Studien ergeben, dass der mittlere Stundenlohn
dige mit Beschäftigten unterteilt. Der Verlauf von Selbstständigen unter dem von abhängig
dieser Kurven zeigt sehr deutlich die große Beschäftigten liegt, finden andere Untersu-
Streuung der Nettoeinkommen pro Stunde in chungen – insbesondere auch Untersuchungen
sämtlichen Erwerbskategorien. Dass die Kur- für die Bundesrepublik Deutschland – ein
ven für die Selbstständigen im Bereich der re- etwas höheres Medianeinkommen für die Un-
lativ hohen Einkommen wie auch im Bereich ternehmer. Sofern für die Unternehmer ein
der relativ niedrigen Einkommen über der Kur- höheres Durchschnittseinkommen ermittelt
ve für die abhängig Beschäftigten verläuft, weist wird, ist dieser Unterschied allerdings nicht
auf die stärkere Streuung der Einkommen der sehr groß, so dass sich die Frage stellt, ob das et-
Selbstständigen hin. Die breite Streuung der was höhere Einkommen als eine hinreichende
Einkommen pro Arbeitsstunde macht insbe- Kompensation für die Risiken der unterneh-
sondere auch deutlich, dass es wenig sinn- merischen Selbstständigkeit angesehen werden
voll ist, von dem Unternehmereinkommen und kann.
128 Kapitel 10  Erfolgsfaktoren von Unternehmensgründungen

Diverse empirische Studien analysieren die men (und damit je stärker die Eingebundenheit
Determinanten des Einkommens der Selbst- in Hierarchien), desto geringer ist im Durch-
ständigen. Dabei ist ein wesentlicher Faktor schnitt die Arbeitszufriedenheit der dort täti-
die Größe des Unternehmens: Im Durchschnitt gen Personen.
realisieren Selbstständige mit abhängig Be- Solche Vergleiche des Einkommens und der
schäftigten ein höheres Einkommen als Solo- Arbeitszufriedenheit zwischen Selbstständigen
Unternehmer. Dies kann als Bestätigung der und abhängig Beschäftigten sind in der Regel
Grundhypothese des in 7 Kap. 4 dargestell- nicht auf Gründer beschränkt, sondern schlie-
ten Modells des Occupational Choice angese- ßen meist auch solche Unternehmer ein, die
hen werden, dass Personen mit relativ guten bereits längere Zeit selbstständig tätig sind.
unternehmerischen Fähigkeiten größere Un- Um den Erfolg eines Occupational Choice für
ternehmen führen und ein höheres Einkom- den Gründer (siehe 7 Kap. 4) empirisch zu be-
men realisieren. Weiterhin ergeben verschiede- stimmen, böte sich insbesondere ein Vergleich
ne Untersuchungen Hinweise darauf, dass vie- des Einkommens von Gründern bzw. von Ma-
le Selbstständige höhere Erträge im Sinne von ßen für relevante nicht-pekuniäre Aspekte des
Bildungsrenditen für ihre Qualifikation reali- Wohlergehens mit entsprechenden Werten im
sieren, als dies in abhängiger Beschäftigung der Zeitraum vor dem Schritt in die Selbstständig-
Fall wäre. keit an. Dies setzt entsprechend lange Zeitrei-
Wenn ein erheblicher Teil der Selbststän- hen an Informationen voraus, die nur selten
digen durch die Gründung eines eigenen Un- verfügbar sind.
ternehmens keine wesentliche Einkommens-
steigerung erfährt, dann stellt sich die Frage,
10 was diese Personen motiviert, weiterhin als Un- 10.2 Unternehmensbezogene
ternehmer tätig zu sein, anstatt in eine besser
bezahlte abhängige Beschäftigung mit deutlich
Analyse: Hypothesen und
niedrigeren Einkommensrisiken zu wechseln? empirische Evidenz zum
Eine relativ einfache Antwort auf diese Frage Erfolg von Gründungen
könnte darin bestehen, dass Selbstständige mit
aktuell relativ geringem Einkommen deshalb
10.2.1 Zur Methodik von
unternehmerisch selbstständig bleiben, weil sie
für die Zukunft höhere Einkommen erhof- Erfolgsfaktoren-Analysen
fen. Eine andere mögliche Erklärung ist, dass
unternehmerische Selbstständigkeit mit hohen Eine empirische Analyse der Erfolgsfaktoren
nicht-monetären Nutzen verbunden ist. von Unternehmensgründungen ist mit der Ge-
Tatsächlich haben diverse empirische Un- fahr einer möglichen Verzerrung durch einen
tersuchungen ergeben, dass Selbstständige in Survivor Bias konfrontiert, woraus sich rela-
der Regel eine signifikant höhere Arbeitszu- tiv hohe Anforderungen an die entsprechen-
friedenheit aufweisen als abhängig Beschäf- de Datenbasis ergeben. Ein Survivor Bias liegt
tigte. Diese höhere Arbeitszufriedenheit der dann vor, wenn vor allem solche Gründungen
Selbstständigen kann zu einem wesentlichen betrachtet werden, die einen bestimmten Zeit-
Teil mit einem stärkeren Maß an Eigenstän- raum überlebt haben. Da in diesem Falle die-
digkeit, höherer zeitlicher Flexibilität und bes- jenigen Gründungen unterrepräsentiert sind,
seren Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung die vor dem Ende der Untersuchungsperiode
erklärt werden. Dabei zeigt sich in der Grup- wieder stillgelegt wurden, wird der Erfolg der
pe der abhängig Beschäftigten auch ein deutlich Gründungen insgesamt (also einschließlich der
negativer Zusammenhang zwischen Arbeitszu- gescheiterten Projekte) überschätzt. Auf dieser
friedenheit und Größe des Unternehmens, in Grundlage lassen sich dann allenfalls die Ursa-
dem jemand tätig ist: Je größer das Unterneh- chen für mehr oder weniger stark ausgeprägten
10.2  Hypothesen und empirische Evidenz zum Erfolg von Gründungen
129 10
Erfolg von überlebenden Gründungen analy- Aspekte abbilden. Als Erfolgsmaße kommen
sieren, nicht hingegen die Ursachen für ein insbesondere folgende Größen in Betracht:
Scheitern. Um einen solchen Survivor Bias zu 4 Der Gewinn, ausgedrückt etwa durch die
vermeiden, sind Informationen über sämtliche erwirtschaftete Eigenkapitalverzinsung über
Gründungen in der relevanten Grundgesamt- einen bestimmten Zeitraum.
heit (oder über eine repräsentative Stichprobe 4 Die Größe eines Unternehmens, etwa ge-
daraus) zu mehreren Zeitpunkten erforderlich. messen an Beschäftigung, Umsatz oder
Für eine zuverlässige Identifikation der Er- Marktanteil nach einem bestimmten Zeit-
folgsfaktoren von Gründungen ist es weiter- raum bzw. die Wachstumsraten dieser
hin von großer Bedeutung, dass Informatio- Maße.
nen über sämtliche relevante Einflüsse vorlie- 4 Das Überleben eines Unternehmens über
gen und in multivariablen Analysen adäquat einen bestimmten Zeitraum als einfacher In-
Berücksichtigung finden. Bleiben wichtige Fak- dikator für die ökonomische Tragfähigkeit
toren vernachlässigt, so sind die Ergebnisse des Unternehmenskonzeptes.
durch einen Omitted Variable Bias verzerrt.
Will man beispielsweise feststellen, ob Grün- Aus theoretisch-konzeptioneller Sicht ist der
dungen durch arbeitslose Personen relativ er- Gewinn bzw. die Eigenkapitalverzinsung eine
folgreich oder wenig erfolgreich sind, so soll- relativ präzise Maßzahl für den ökonomischen
te man mit einbeziehen, dass Arbeitslose im Erfolg eines Unternehmens. Allerdings stellt
Durchschnitt ein niedrigeres Qualifikationsni- sich für empirische Analysen häufig das Prob-
veau aufweisen und aufgrund relativ geringer lem, dass entsprechende Angaben nicht bzw.
Einkommen während der Arbeitslosigkeit we- nur für Stichproben von Unternehmen zur Ver-
niger Eigenmittel zur Verfügung haben. Sollte fügung stehen oder dass solche Informationen
eine einfache Gegenüberstellung ergeben, dass nicht sehr zuverlässig sind. Angaben zur Größe
Gründungen von Arbeitslosen weniger erfolg- bzw. zum Wachstum eines Unternehmens sind
reich sind als Gründungen von vorher Voll- zwar in der Regel wesentlich leichter verfügbar,
zeitbeschäftigten, so könnte dieser geringere bringen aber zum Teil gravierende Interpre-
Erfolg durchaus auf das Qualifikationsniveau tationsprobleme mit sich. So sind hinsichtlich
oder auf die Knappheit eigener Mittel zurück- der Größe von Unternehmen markt- bzw. bran-
zuführen sein und nicht auf die Arbeitslosigkeit chenspezifische Besonderheiten, wie zum Bei-
vor der Gründung. Eine aussagefähige Analy- spiel Unterschiede hinsichtlich der mindestop-
se muss also neben der Beschäftigungssituation timalen Größe, zu berücksichtigen. Denn ein
vor der Gründung auch andere potenziell er- Unternehmen mit einer bestimmten Beschäf-
folgsrelevante Faktoren, wie etwa die Qualifika- tigtenzahl kann in der einen Branche als relativ
tion des Gründers und die Höhe der verfügba- groß und erfolgreich gelten, während ein Un-
ren Eigenmittel, einbeziehen (siehe hierzu auch ternehmen dieser Größe in einer anderen Bran-
7 Abschn. 10.2.3 Auf die Person des Gründers be- che eventuell kaum wettbewerbsfähig ist.
zogene Faktoren). Ein wesentliches Problem bei der Bildung
von Wachstumsraten besteht darin, dass sol-
che Raten insbesondere im Bereich kleiner
10.2.2 Indikatoren zur Beurteilung Ausgangsgrößen von einem Basiseffekt geprägt
sind. Dieser Basiseffekt besteht darin, dass bei
des Erfolgs von
einem kleinen Wert des Nenners bereits rela-
Unternehmensgründungen tiv geringfügige absolute Änderungen zu re-
lativ hohen Werten der entsprechenden Rate
Der Erfolg einer Unternehmensgründung kann führen. Weist beispielsweise ein Unternehmen
sich in verschiedenen Kenngrößen nieder- zum Zeitpunkt der Gründung nur einen Be-
schlagen, die zum Teil recht unterschiedliche schäftigten auf und hat nach einem bestimmten
130 Kapitel 10  Erfolgsfaktoren von Unternehmensgründungen

Zeitraum drei Beschäftigte, so liegt die Wachs- nungen mit dem Indikator „Überleben über
tumsrate bei 300 Prozent. Für ein Unterneh- einen bestimmten Zeitraum“ zu grundsätzlich
men, das zum Zeitpunkt der Gründung über ähnlichen Ergebnissen führt, wie bei Verwen-
10 Beschäftigte verfügt und im selben Zeitraum dung der Erfolgsindikatoren Beschäftigungs-
ebenfalls zwei weitere Arbeitsplätze schafft, er- und Umsatzwachstum. Dies kann als Hinweis
gibt sich hingegen eine Wachstumsrate von le- darauf aufgefasst werden, dass relativ einfache
diglich 20 Prozent. Es gibt verschiedene An- und vergleichsweise leicht zu ermittelnde Ma-
satzpunkte, um solche Verzerrungen durch den ße, wie die Information über die Fortexistenz
Basiseffekt auszugleichen, die allerdings sämt- eines Unternehmens, bereits sinnvolle Aussa-
lich nicht vollständig befriedigen können.1 gen über die Bestimmungsgründe des Unter-
Ein vom Grundgedanken her relativ gut ge- nehmenserfolgs ermöglichen.
eignetes Maß für den Erfolg einer Gründung
könnte der Marktanteil sein, der nach einem
bestimmten Zeitraum auf ein neu gegründe- 10.2.3 Hypothesen und Ergebnisse
tes Unternehmen entfällt. Aus dem Marktan-
teil lässt sich schließen, wie wettbewerbsfähig
Hinsichtlich der Bestimmungsgründe für den
sich ein Unternehmen gegenüber seiner Kon-
Unternehmenserfolg wird häufig zwischen
kurrenz erweist. Allerdings setzt die Ermitt-
dem Resource Based View und dem Market
lung des Marktanteils eine sinnvolle Abgren-
Based View unterschieden. Während der Re-
zung des relevanten Marktes voraus, was prak-
source Based View die einem Unternehmen zur
tisch in der Regel mit kaum lösbaren Schwierig-
Verfügung stehenden Ressourcen und Fähig-
keiten verbunden ist. So müsste beispielsweise
keiten (Capabilities) als entscheidend für den
10 für einen Bäcker geklärt werden, ob die Be-
Erfolg ansieht, stellt der Market Based View vor
rechnung seines Marktanteils auf den Markt
allem auf die Bedeutung der Verhältnisse auf
für Nahrungsmittel insgesamt bezogen werden
dem jeweiligen Markt (z. B. Entwicklung der
soll, ob man hierfür den wesentlich kleine-
Nachfrage, Stadium im Produktlebenszyklus)
ren Markt für Backwaren heranzieht oder ob
ab. Die Tatsache, dass sich auch auf relativ eng
man nach einzelnen Produktgruppen wie Brot,
abgegrenzten Märkten in der Regel sowohl er-
Brötchen und Kuchen differenziert? Weiterhin
folgreiche als auch scheiternde Unternehmen
ist zu entscheiden, wie der Markt in räumlicher
finden, macht deutlich, dass der Market Based
Hinsicht abzugrenzen ist, also ob lokal, landes-
View offenkundig nicht sämtliche relevanten
weit oder international? Aufgrund solcher Pro-
Erklärungsfaktoren abdeckt und den unter-
bleme kommt der Marktanteil als Erfolgsmaß
nehmensinternen Faktoren, also dem Resource
in entsprechenden Analysen kaum infrage.
Based View, eine wesentliche Bedeutung für
Was die verschiedenen Erfolgsmaße für das
den Unternehmenserfolg zukommt.
betreffende Unternehmen angeht, so konnte
Die folgende Behandlung der möglichen
in einer eingehenden Analyse für eine süd-
Erfolgsfaktoren von Unternehmensgrün-
deutsche Region2 gezeigt werden, dass Berech-
dungen beginnt mit Eigenschaften des
1 Gründers (7 Abschn. 10.2.3 Auf die Person des
Einer dieser Wege besteht darin, als Nenner der
Wachstumsrate nicht die Größe im Basisjahr, son- Gründers bezogene Faktoren) und den Cha-
dern den Mittelwert zwischen der Größe im Basisjahr
und der Größe im Endjahr zu wählen. Auf diese Weise dischen Genauigkeit der Durchführung stellt diese
wird der Basiseffekt allerdings nur abgemildert, nicht Untersuchung auch knapp 30 Jahre später immer
aber völlig vermieden. noch eine Referenzstudie dar. Anfang der 1990er-
2 Jahre wurde eine gleichartig angelegte Nachfolge-
Es handelt sich hierbei um die „Münchner Grün-
derstudie“, eine umfassende Analyse der Erfolgsfak- untersuchung im IHK-Bezirk Leipzig durchgeführt.
toren von Gründungen, die in der zweiten Hälfte Die wesentlichen Ergebnisse beider Studien sind in
der 1980er-Jahre im IHK-Bezirk München und Ober- Brüderl, Preisendörfer und Ziegler (2009) zusammen-
bayern durchgeführt wurde. Aufgrund der metho- gefasst.
10.2  Hypothesen und empirische Evidenz zum Erfolg von Gründungen
131 10
rakteristika des betreffenden Unternehmens ist bislang noch sehr bruchstückhaft, deutet
(7 Abschn. 10.2.3 Betriebliche Charakteristika). insgesamt aber auf einen positiven Einfluss
Daran anschließend wird auf die Bedeutung hin.
von Standortfaktoren (7 Abschn. 10.2.3 Stand- Von großer Bedeutung für den Erfolg von
ortfaktoren und regionales Umfeld) sowie auf Gründungen scheint auch die Berufs- und
Einflüsse des Branchenumfelds und der ge- Branchenerfahrung des Gründers zu sein, ins-
samtwirtschaftlichen Situation eingegangen besondere, wenn sie direkt vor der Gründung
(7 Abschn. 10.2.3 Branchencharakteristika und erworben wurde. Dies betrifft u. a. die Berufs-
gesamtwirtschaftliches Umfeld). Während die erfahrung in leitender Position oder die Erfah-
Einflüsse des Branchenumfelds und der ge- rung aus einem vorherigen Gründungsprojekt.
samtwirtschaftlichen Situation dem Market Eine vorherige Tätigkeit in einem Kleinunter-
Based View zuzuordnen sind, spiegeln die nehmen kann sich insbesondere über Peer-
Eigenschaften der Person des Gründers, die Effekte und die Vielfalt der Qualifikationen po-
betrieblichen Charakteristika sowie auch die sitiv auf den Erfolg einer Gründung auswirken;
regionale Gegebenheiten den Resource Based empirisch ist ein solcher Kleinbetriebs-Effekt
View wider. auf den Gründungserfolg bisher ungeklärt.
Da Gründungen aus Arbeitslosigkeit ver-
Auf die Person des Gründers mutlich relativ häufig aus Not erfolgen (Ne-
bezogene Faktoren cessity Entrepreneurship), wird hier von vie-
. Übersicht 10.1 zeigt die wesentlichen Hy- len Autoren ein negativer Zusammenhang mit
pothesen zur Erfolgswirksamkeit von solchen dem Gründungserfolg erwartet. Demgegen-
Faktoren, die in der Person des Gründers lie- über zeigen empirische Untersuchungen, dass
gen. Dabei wird in der mittleren Spalte jeweils Gründungen von Arbeitslosen keine geringe-
die erwartete Wirkungsrichtung durch ein + re Überlebenswahrscheinlichkeit aufweisen als
(positive Wirkung) bzw. – (negative Wirkung) Gründungen aus einem bestehenden Beschäf-
angegeben; ein Fragezeichen steht dann, wenn tigungsverhältnis, wenn man das im Durch-
der Bereich in der Literatur zwar als erfolgsre- schnitt niedrigere Bildungsniveau und die ge-
levant angesehen wird, die Wirkungsrichtung ringere Ausstattung mit Startkapital berück-
aber letztendlich unklar ist. In der rechten Spal- sichtigt. Allerdings sind Gründungen durch
te ist der empirische Befund zu der entspre- Arbeitslose tendenziell etwas weniger wachs-
chenden Einflussgröße zusammengefasst. tumsorientiert als Gründungen aus Erwerbs-
Generell wird von der Qualifikation des tätigkeit. Die höhere Überlebenswahrschein-
Gründers, der Vielfalt der Qualifikationen, sei- lichkeit von Gründungen aus Arbeitslosigkeit
ner Berufserfahrung und dem Vorhanden- könnte eventuell auch darauf zurückgeführt
sein von Kenntnissen im Bereich Betriebswirt- werden, dass es sich häufig um Necessity-
schafslehre/Management ein positiver Einfluss Gründungen handelt, und die Gründer auch an
auf den Gründungserfolg erwartet. Empirische mäßig erfolgreichen Gründungsprojekten fest-
Untersuchungen deuten darauf hin, dass es sich halten, weil ihnen eine andere Beschäftigungs-
bei der schulischen und beruflichen Ausbil- perspektive fehlt.
dung des Gründers um eine Schlüsselgröße Auch Frauen als Gründerinnen weisen im
unter den individuellen Merkmalen handelt. Durchschnitt eine geringere Humankapitalaus-
Sie führt direkt zu relativ hoher Produktivi- stattung auf als Männer und tendieren zur
tät der Gründung und impliziert Gründun- Gründung von Betrieben mit relativ ungüns-
gen mit solchen Charakteristika, die a prio- tigen Startcharakteristika. Kontrolliert man
ri vergleichsweise gute Erfolgsaussichten auf- für solche unterschiedlichen Startvorausset-
weisen. Die empirische Evidenz zum Effekt zungen, dann sind von Frauen gegründete Be-
der Vielfalt der Qualifikationen (Jack of all triebe in keiner Weise weniger überlebensfähig
Trades-Hypothese) auf den Gründungserfolg als Gründungen von Männern.
132 Kapitel 10  Erfolgsfaktoren von Unternehmensgründungen

. Übersicht 10.1 Hypothesen und empirische Befunde zur Bedeutung der Person des Gründers für den
Gründungserfolg

Einflussbereich Ausprägung(en) Empirischer Befund

Qualifikation des Niveau des höchsten Ausbildungsabschlus- Adäquate schulische und berufliche Bildung
Gründers ses [+], fachspezifische Ausbildung [+], ist eine Schlüsselgröße für den Erfolg. Vielfalt
Vielfalt der Kenntnisse [+], Kenntnisse im der Kenntnisse wirkt tendenziell positiv.
Bereich Betriebswirtschaftslehre/ Manage-
ment [+]

Berufs- und Dauer der Berufstätigkeit (allgemein, in der Branchenerfahrung hat einen stark positiven
Branchenerfah- betreffenden Branche, in Kleinbetrieben, in Einfluss. Leitungserfahrung wirkt tendenziell
rung der Unternehmensführung, Erfahrung als positiv.
Gründer) [+]

Beschäftigungs- In sicherem Beschäftigungsverhältnis [+] vs. Arbeitslose gründen eher kleinere und we-
status vor der arbeitslos bzw. von Arbeitslosigkeit bedroht niger ambitionierte Firmen. Bei Kontrolle
Gründung [–] für betriebliche Startcharakteristika keine
geringere Überlebenswahrscheinlichkeit für
Gründungen von Arbeitslosen.

Geschlecht Männlich [+] vs. weiblich [–] Frauen gründen eher kleinere und weni-
ger ambitionierte Firmen. Bei Kontrolle für
betriebliche Startcharakteristika keine gerin-
gere Überlebenswahrscheinlichkeit für von
Frauen gegründete Unternehmen.

10 Persönlichkeits- Unternehmerisches Persönlichkeitsprofil [+], Weitgehend ungeklärt; Hinweise auf ein


merkmale Risikoneigung [+] optimales Niveau der Risikoneigung.

Einstellung und Erfolgs- und wachstumsorientiert [+] Hinweise auf positive Effekte; im Detail un-
Motivation geklärt.

Migrationshin- Inländer vs. im Ausland geboren, Staatsan- Ungeklärt. Häufig Necessity-Gründungen;


tergrund gehörigkeit [?] hängt u. a. vom Herkunftsland ab.

Verfügbarkeit Höhe des Eigenkapitals [+], Immobilienbe- Kann zu größeren Gründungen führen,
von Kapital sitz [+] die generell eine höhere Überlebenswahr-
scheinlichkeit haben.

Einbindung in Unterstützung von Familie, Kollegen und Insbesondere Unterstützung durch den
Unterstützungs- Freunden [+]; Kontakte zu Beratungs- und Lebenspartner sowie von Verwandten und
netzwerke Finanzierungsinstitutionen [+] Freunden sind für den Erfolg förderlich.
Öffentliche Förderung eher unbedeutend.

Anmerkungen: +: positiver Zusammenhang erwartet; –: negativer Zusammenhang erwartet; ?: erwartete


Wirkungsrichtung unklar

Es liegt nahe, von Persönlichkeitsmerkmalen tiert bzw., dass sich sowohl ein relativ niedriges
des Gründers wie einem unternehmerischen als auch ein relativ hohes Niveau der Risikonei-
Persönlichkeitsprofil (hierzu 7 Abschn. 5.3) und gung negativ auf den Unternehmenserfolg aus-
einer gewissen Risikoneigung einen positiven wirkt. Plausibel wäre ein positiver Effekt einer
Effekt auf den Gründungserfolg zu erwarten. erfolgs- und wachstumsorientierten Motivation
Empirisch ist dieser Zusammenhang aber noch des Gründers. In dieser Hinsicht deuten eini-
weitgehend ungeklärt. Es gibt Hinweise darauf, ge empirische Untersuchungen zwar auf einen
dass ein optimaler Grad an Risikoneigung exis- positiven Effekt hin; die Details sind hier aber
10.2  Hypothesen und empirische Evidenz zum Erfolg von Gründungen
133 10
noch weitgehend unklar. Inwiefern ein Migrati- thesen zu den erwarteten Zusammenhängen
onshintergrund des Gründers einen Einfluss auf zusammen.
den Unternehmenserfolg hat, ist ebenfalls weit- Hinsichtlich der Gründungsart wird allge-
gehend ungeklärt. Es gibt Hinweise darauf, dass mein davon ausgegangen, dass Teamgründun-
es sich bei Gründungen von Migranten rela- gen in der Regel erfolgreicher sind als Grün-
tiv häufig um Necessity-Gründungen handelt, dungen von Einzelpersonen, was vor allem
wobei für die Erfolgsaussichten des Unterneh- auf die größere Ressourcenstärke von Team-
mens wahrscheinlich auch das Herkunftsland gründungen zurückgeführt wird. Insbesonde-
eine Rolle spielt. re heterogen zusammengesetzte Gründerteams
Da die Höhe des verfügbaren Eigenkapitals mit komplementären Wissensbereichen der
einen wichtigen Engpassfaktor für die Erlan- beteiligten Teammitglieder dürften gegenüber
gung der für die Gründung erforderlichen Res- Gründungen von Einzelpersonen erhebliche
sourcen darstellt, besteht hier vermutlich ein Know-how-Vorteile aufweisen. Auch Spin-off-
positiver Zusammenhang mit der Unterneh- Gründungen haben aufgrund von Marktkennt-
mensentwicklung. Eine gute Ressourcenaus- nis und Branchenerfahrung häufig relativ gu-
stattung könnte sich insbesondere positiv auf te Erfolgschancen. Dabei gibt es einen positi-
die Größe der Gründung auswirken, was dann ven Zusammenhang zwischen dem Erfolg eines
zu einer höheren Überlebenswahrscheinlich- Spin-offs und dem Erfolg sowie der Wissensba-
keit führt. Die Einbindung in Unterstützungs- sis der Inkubator-Organisation.
netzwerke wie zum Beispiel Familie, Freunde Die Größe der Gründung, gemessen etwa
und Kollegen sowie auch zu Beratungs- und anhand der Anzahl der Beschäftigten bei Grün-
Finanzierungsinstitution kann hilfreich dabei dung und/oder der Höhe des investierten Kapi-
sein, Ressourcen wie Finanzkapital (zum Bei- tals, hat in der Regel einen dominierenden po-
spiel Fördermittel) sowie fachliche und auch sitiven Einfluss auf die Überlebenswahrschein-
mentale Unterstützung für ein Gründungsvor- lichkeit. Dies kann einmal damit erklärt wer-
haben zu mobilisieren. Entsprechende Unter- den, dass es für größere Gründungen leichter
suchungen zeigen, dass Unterstützungsleistun- ist, die erforderliche mindestoptimale Größe zu
gen aus dem sozialen Netzwerk des Gründers erreichen. Zum anderen ist zu vermuten, dass
für den Erfolg sehr förderlich sein können, wo- relativ große Gründungsprojekte auch intensi-
bei insbesondere den engen Beziehungen zu ver vorbereitet werden. Schließlich kann sich
Verwandten und engen Freunden eine wesent- in der Größe der Gründung auch die Quali-
liche Bedeutung zukommt. Demgegenüber er- fikation des Gründers insofern widerspiegeln,
weist sich ein Einfluss der allgemeinen Grün- als die Organisation der Ressourcen, die für ei-
dungsberatung durch öffentliche Einrichtun- ne relativ große Gründung erforderlich sind,
gen und Finanzierungsinstitutionen kaum je- auch eine entsprechend hohe Qualifikation des
mals als statistisch signifikant. Gründers voraussetzt.
Ein positiver Zusammenhang besteht häu-
fig auch zwischen verschiedenen Formen ex-
Betriebliche Charakteristika terner Beteiligung (Hereinnahme von Fremd-
Die erfolgsrelevanten betrieblichen Charakte- kapital, Beteiligung zusätzlicher Gesellschafter)
ristika umfassen die Gründungsart, die Grö- und dem Gründungserfolg. Dies muss aller-
ße der Gründung, die Art und den Um- dings nicht notwendigerweise bedeuten, dass
fang einer eventuell vorhandenen externen Be- von der Beteiligung ein positiver Effekt auf
teiligung, das Ausmaß an Planung und be- den Gründungserfolg ausgeht. Da renditeori-
triebswirtschaftlicher Rationalität im Verlauf entierte Kapitalgeber sich vor allem an erfolg-
des Gründungsprozesses sowie das Produkt- versprechenden Gründungen beteiligen, kann
und Leistungsspektrum des Unternehmens. es bei dem in der Regel festgestellten Zusam-
. Übersicht 10.2 fasst die wesentlichen Hypo- menhang zwischen externer Beteiligung und
134 Kapitel 10  Erfolgsfaktoren von Unternehmensgründungen

. Übersicht 10.2 Hypothesen und Befunde zur Bedeutung interner Charakteristika für den Gründungserfolg

Einflussbereich Ausprägung(en) Empirischer Befund


Gründungsart Einzelgründung vs. Teamgründung [+], Teamgründungen sind tendenziell er-
Spin-off [?] folgreicher. Es besteht ein positiver
Zusammenhang zwischen dem Erfolg von
Spin-offs und der Qualität der Inkubator-
Organisation.

Größe der Grün- Anzahl der Beschäftigten zu Beginn der Ge- Die Startgröße einer Gründung hat einen
dung schäftstätigkeit [+]; Höhe des investierten stark positiven Einfluss auf die Überlebens-
Kapitals [+]; Ausmaß irreversibler Aufwen- wahrscheinlichkeit.
dungen [+]

Art und Umfang Hereinnahmen von Fremdkapital [+]; von In der Regel deutlich positiver Einfluss; teil-
externer Beteili- zusätzlichen Gesellschaftern [+]; Beteiligung weise vermutlich ein Größeneffekt. Positiver
gung von VC-Gebern [+] Einfluss des Engagements von VC-Gebern
ist zumindest teilweise ein Selektionseffekt.

Enge rechtlich- Einbindung in eine größere Organisation Positiver Effekt durch Größenvorteile. Im
organisatorische (z. B. Handelsorganisation, Franchisesystem, Falle von Franchiseunternehmen Vortei-
Verflechtung mit feste Abnehmer) [+] le durch Übernahme eines bewährten
anderen Unter- Produktprogramms und erprobter Ferti-
nehmen gungsweise.

Kooperation Mit anderen Unternehmen [+]; mit For- Positiver Zusammenhang kann teilweise
schungseinrichtungen [+] Größeneffekt sein; unklar.
10 Ausmaß der Existenz [+] und Qualität [+] eines Business In der Regel nicht statistisch signifikant.
betriebswirt- Plans; Wahrnehmung von Beratungsange-
schaftlichen boten [+]
Rationalität

Marktstrategie Frühzeitige Entwicklung einer Marke- Positiver Effekt empirisch bestätigt.


tingstrategie [+]; bei Gründungen mit
innovativem Produktprogramm: Abneh-
merorientierung der F&E [+]

Innovativität des Produkt- oder Verfahrensinnovationen [+]; Widersprüchliche Ergebnisse.


Angebots Durchführung von F&E am Standort [+]

Zusammen- Synergismen zwischen den Teilbereichen Stark von den jeweiligen Marktgegebenhei-
setzung des des Angebots [+] ten abhängig.
Angebotes

Vorhandensein Patente [+] Kann einen positiven Effekt auf die Finanzie-
von Schutzrech- rung haben.
ten

Exportorientie- Exportbeteiligung [+]; Exportquote [+]; Positiver Zusammenhang für überlebende


rung räumliche Marktausdehnung [+] Gründungen.

Anmerkungen: +: positiver Zusammenhang erwartet; –: negativer Zusammenhang erwartet; ?: erwartete


Wirkungsrichtung unklar

Gründungserfolg zu einem wesentlichen Teil türlich auch die Expertise des Kapitalgebers
lediglich um das Ergebnis dieses Selektions- und ein entsprechender Wissenstransfer – et-
prozesses handeln. Darüber hinaus können na- wa von einem VC-Geber zu seinem Portfolio-
10.2  Hypothesen und empirische Evidenz zum Erfolg von Gründungen
135 10
Unternehmen – zum Erfolg eines Gründungs- zu einem Angebot konventioneller Produkte
projektes beitragen. mit relativ hoher Unsicherheit behaftet, so dass
Die rechtlich-organisatorische Verflechtung auch ein negativer Zusammenhang zwischen
mit anderen Unternehmen, etwa in Form enger Produktinnovation und Markterfolg gegeben
Zulieferer- und/oder Abnehmerbeziehungen, sein kann.
als Mitglied einer Handelsorganisation oder Weitere erfolgsrelevante Merkmale des
als Franchisenehmer hat vielfach einen positi- Produkt- und Leistungsspektrums einer Grün-
ven Effekt durch Größenvorteile. Im Falle von dung können in der Zusammensetzung des
Franchisenehmern können weitere Vorteile in Angebots (Synergismen zwischen den Teilbe-
der Übernahme eines bewährten Produktpro- reichen z. B. eines Alles aus einer Hand) und in
gramms und einer erprobten Fertigungsweise der Existenz von Schutzrechten (z. B. Patente)
bestehen. Auch Kooperationsbeziehungen, etwa gesehen werden. Da Schutzrechte Innovativi-
im F&E-Bereich, können einen positiven Effekt tät und Alleinstellungsmerkmale signalisieren,
auf den Unternehmenserfolg haben. Empirisch können sie es wesentlich erleichtern, externe
ist dieser Zusammenhang aber noch weitge- Geldgeber von der Qualität eines Gründungs-
hend ungeklärt. projektes zu überzeugen.
Das Ausmaß an Planung und betriebswirt- Eine ausgesprochene Exportorientierung
schaftlicher Rationalität eines Gründungspro- eines Gründungsprojektes stellt relativ hohe
jektes meint etwa die Existenz und Qualität Anforderungen an die Wettbewerbsfähigkeit,
eines Businessplans, die Wahrnehmung von da internationale Märkte in aller Regel durch
Beratungsangeboten und/oder die frühzeitige eine größere Anzahl an Wettbewerbern und
Entwicklung einer Marketingstrategie. Es liegt einer daraus resultierenden höheren Wettbe-
nahe zu vermuten, dass ein hohes Maß an Pla- werbsintensität gekennzeichnet sind, was sich
nung und betriebswirtschaftlicher Rationalität negativ auf den Erfolg einer Gründung aus-
sich in der Regel günstig auf den Erfolg ei- wirken kann. Da die Wachstumsmöglichkeiten
ner Gründung auswirkt. Empirisch ist dieser eines Unternehmens durch das Marktvolumen
Effekt aber in der Regel nicht sehr stark aus- limitiert werden, lässt sich vermuten, dass die-
geprägt, wobei eine Ursache hierfür in Pro- jenigen exportorientierten Unternehmen, die
blemen der adäquaten Erfassung liegen könn- sich auf internationalen Märkten behaupten
te. Wenn beispielsweise so gut wie alle Grün- können, größere Wachstumspotenziale aufwei-
dungen einen Businessplan aufstellen, weil po- sen als allein auf dem regionalen oder nationa-
tenzielle Kapitalgeber dies von ihnen fordern, len Markt ausgerichtete Unternehmen.
dann kann das Kriterium „Vorhandensein eines
Businessplans“ kaum zwischen mehr oder we- Standortfaktoren und regionales
niger erfolgsträchtigen Gründungen diskrimi- Umfeld
nieren. Für den Erfolg innovativer Gründun- Empirische Untersuchungen zeigen in der Re-
gen hat sich ein frühzeitiges Innovationsmarke- gel einen negativen Zusammenhang zwischen
ting sowie kundenorientierte Produktentwick- dem Niveau der regionalen Gründungsaktivi-
lung als wichtig erwiesen. täten, gemessen etwa mit der Gründungsra-
Der empirische Befund zum Zusammen- te, und der Überlebenswahrscheinlichkeit von
hang zwischen der Innovativität einer Grün- Gründungen. Dies hängt aller Wahrscheinlich-
dung und dem Gründungserfolg ist nicht ganz keit nach mit der relativ hohen Intensität des
eindeutig. Einerseits steht zu vermuten, dass Wettbewerbs in der betreffenden Region zu-
sich ein innovatives Angebot und damit aus- sammen, der durch die Gründungen bewirkt
geprägte Alleinstellungsmerkmale einer Grün- wird (siehe . Übersicht 10.3). Mit der Inten-
dung positiv auf den Markterfolg des Unter- sität des Wettbewerbs ist auch zu erklären,
nehmens auswirken; andererseits ist der Markt- wieso die Überlebenswahrscheinlichkeit von
erfolg von Produktinnovationen im Vergleich Gründungen in der Regel mit dem regiona-
136 Kapitel 10  Erfolgsfaktoren von Unternehmensgründungen

. Übersicht 10.3 Hypothesen zur Bedeutung von Standortbedingungen und regionalem Umfeld für den
Gründungserfolg

Einflussbereich Ausprägung(en) Empirischer Befund

Niveau der regionalen Gründungsrate [–] Hohe regionale Gründungsintensität führt zu


Gründungsaktivitäten geringer Überlebenswahrscheinlichkeit.

Größe eines Ver- Räumliche Nähe zu Wirkt in der Regel tendenziell positiv, ist aber nicht
dichtungsgebietes, Abnehmern und Zulie- entscheidend für den Gründungserfolg; hohe Prei-
Verdichtungsgrad bzw. ferern/Dienstleistern [+]; se für Inputs in Verdichtungsgebieten; Bedeutung
Urbanisations vorteile reichhaltige Inputmärkte [+] des regionalen Angebotes an Dienstleistungen
fragwürdig.

Lokalisationsvorteile (Clus- Räumliche Nähe zu anderen Kann sowohl positive wie auch negative Effekte
ter) Betrieben der Branche [+] auf den Erfolg haben.

Hohes regionales Wohl- Bruttoinlandsprodukt pro Statistischer Zusammenhang zwischen Wohl-


standsniveau Kopf [+] standsniveau und Qualifikationsniveau der
Bevölkerung; kausaler Zusammenhang unklar.

Zukünftige Entwicklung Prognostizierte Entwicklung Kann bedeutsamer sein als die Entwicklung der
der regionalen Nachfrage des Bruttoinlandsprodukts gesamtwirtschaftlichen Nachfrage oder die erwar-
pro Kopf [+] tete Branchenentwicklung.

Anmerkungen: +: positiver Zusammenhang erwartet; –: negativer Zusammenhang erwartet

10 len Verdichtungsgrad sinkt, also zum Beispiel stellen Produktionsflächen dar, die in großen
im Zentrum von Städten geringer ist als im Städten besonders knapp sind. Die Kehrseite
ländlichen Raum. Dabei dürfte insbesondere der guten Verfügbarkeit vieler Ressourcen in
die relativ hohe Intensität der Konkurrenz auf Verdichtungsgebieten besteht darin, dass mit
den Inputmärkten, vor allem auf dem Arbeits- ansteigender Größe bzw. mit höherem Verdich-
markt und auf dem Markt für Gewerbeflächen, tungsgrad auch ein höherer Preis für die Inputs
von hoher Relevanz sein. Eine Folge des rela- zu zahlen ist, was sich negativ auf die Erfolgs-
tiv starken Wettbewerbsdrucks und der daraus aussichten auswirken kann (siehe hierzu auch
folgenden intensiveren Marktselektion in Ver- 7 Abschn. 8.6).
dichtungsgebieten könnte dann darin bestehen, Ein weiterer Faktor, der einen wesentlichen
dass die in den betreffenden Regionen überle- Einfluss auf den Erfolg von Gründungen haben
benden Gründungen besonders wettbewerbs- kann, sind Lokalisationsvorteile, die sich aus
fähig sind. der räumlichen Nähe zu anderen Unternehmen
Viele der regionalen Charakteristika, von derselben Branche oder verwandter Branchen,
denen ein Einfluss auf den Gründungserfolg also aus einem Standort in einem Cluster, er-
vermutet werden kann, stehen mit der Grö- geben. Dies erleichtert vor allem die horizonta-
ße eines Verdichtungsgebietes bzw. mit dem re- le Zusammenarbeit, erhöht aber auch die Ge-
gionalen Verdichtungsgrad in Zusammenhang. fahr eines unkontrollierten Wissensabflusses,
Allgemein gilt, dass mit der Größe einer Stadt was sich u.U. negativ auf den Gründungserfolg
bzw. mit dem Verdichtungsgrad die Verfügbar- auswirkt. Insbesondere für Branchen bzw. Un-
keit der meisten Ressourcen sowie auch die In- ternehmen, deren Absatz auf die jeweilige Re-
tensität von Wissens-Spillovern zunimmt, was gion konzentriert ist (z. B. personenorientierte
grundsätzlich günstig für den Gründungserfolg Dienstleistungen), kann die regionale Nachfra-
sein dürfte. Eine Ausnahme von der mit dem ge durchaus einen stärkeren Einfluss auf den
Verdichtungsgrad ansteigenden Verfügbarkeit Gründungserfolg haben als die Entwicklung
10.2  Hypothesen und empirische Evidenz zum Erfolg von Gründungen
137 10

. Übersicht 10.4 Hypothesen und Befunde zur Bedeutung von Marktgegebenheiten für den Gründungser-
folg

Einflussbereich Ausprägung(en) Empirischer Befund

Mindestoptimale Anzahl der Beschäftigten [–]; Umsatz [–]; Stilllegungswahrscheinlichkeit steigt mit
Unternehmensgröße Marktanteil [–] der mindestoptimalen Größe an.

Kapitalintensität Kapitaleinsatz pro Beschäftigtem [–] Stilllegungswahrscheinlichkeit steigt mit


der Kapitalintensität an.

Marktdichte Anzahl der auf dem Markt vorhandenen Stilllegungswahrscheinlichkeit steigt mit
Anbieter (Carrying Capacity) [–] der Marktdichte an.

Bestreitbarkeit des Ausmaß der erforderlichen irreversiblen Bestätigung durch Betrachtung einzelner
Marktes Investitionen [–]; institutionelle Marktzu- Märkte.
trittsschranken [+]

Anbieterkonzentration Marktanteil der größten Anbieter [–] Evidenz gemischt.

Technologisches Entrepreneurhaftes Regime [+]; routini- Gründungen in einem entrepreneur-


Regime siertes Regime [–] haften Regime sind erfolgreicher als
Gründungen in einem routinisierten
Regime

Innovationsdynamik Höhe der F&E-Aufwendungen pro Be- Evidenz gemischt bzw. unklar.
schäftigtem in der Branche [–]; Patente
pro Beschäftigtem [–]

Internationalität des Exportbeteiligung [?], Importkonkurrenz Stilllegungsrate auf internationalen Märk-


Marktes [?] ten höher. Überlebende Unternehmen
haben relativ große Wachstumspotenzia-
le.

Marktspezifische Nach- Expandierend [+] vs. schrumpfend [–] Empirisch bestätigt.


frageentwicklung

Anmerkungen: +: positiver Zusammenhang erwartet; –: negativer Zusammenhang erwartet; ?: erwartete


Wirkungsrichtung unklar

der gesamtwirtschaftlichen Situation oder des fekten zur Folge haben. Erstens können rela-
jeweiligen Wirtschaftszweiges. tiv hohe Anforderungen an eine erfolgreiche
Gründung dazu führen, dass ein großer Anteil
Branchencharakteristika und dieser Gründungen scheitert. Zweitens kann
gesamtwirtschaftliches Umfeld es hier zu einer Selbstselektion von Gründern
Ein für den Erfolg einer Gründung wichtiges in dem Sinne kommen, dass vor allem relativ
Branchen-Charakteristikum ist die mindestop- qualifizierte Gründer, die über einen guten Zu-
timale Unternehmensgröße, die längerfristig für gang zu Ressourcen verfügen, den Schritt in die
ein ökonomisch tragfähiges Angebot auf dem Selbstständigkeit auf dem betreffenden Markt
Markt erforderlich ist. Je höher diese minde- wagen; in diesem Falle könnte die Überlebens-
stoptimale Größe, desto umfangreicher auch wahrscheinlichkeit der Gründungen aufgrund
die Menge an Ressourcen, die ein Gründer für der relativ hohen Qualität überdurchschnittlich
einen Erfolg seines Projektes verfügbar machen hoch sein (siehe . Übersicht 10.4).
muss. Wie schon bei den sektoralen Deter- Ähnlich liegen die Verhältnisse hinsichtlich
minanten des Gründungsgeschehens erwähnt der Kapitalintensität in der jeweiligen Branche:
(7 Abschn. 8.5), kann dies zwei Arten von Ef- Einerseits könnte eine hohe Kapitalintensität
138 Kapitel 10  Erfolgsfaktoren von Unternehmensgründungen

und damit hoher Ressourcenbedarf negative Hypothese, siehe 7 Abschn. 8.5). Infolge solcher
Auswirkungen auf die Überlebenswahrschein- unterschiedlichen Konstellationen ist die empi-
lichkeit von Gründungen haben; im Falle einer rische Evidenz zum Zusammenhang zwischen
Selbstselektion von ressourcenstarken Grün- Marktkonzentration und Gründungserfolg ge-
dern in solche Märkte könnte hier aber auch ein mischt.
positiver Zusammenhang mit der Gründungs- Wie bereits verschiedentlich dargelegt, sind
wahrscheinlichkeit bestehen. Empirisch domi- Erfolgsaussichten von Gründungen, die in frü-
niert der negative Effekt der Größe, d. h., die hen Stadien des Produktlebenszyklus stattfin-
Stilllegungswahrscheinlichkeit steigt mit der den, die durch ein entrepreneurhaftes techno-
mindestoptimalen Größe bzw. mit der Kapital- logisches Regime gekennzeichnet sind, deutlich
intensität an. höher als in späteren Phasen, in denen Inno-
Von wesentlicher Bedeutung für die Er- vationsprozesse vor allem von Großunterneh-
folgschancen von Gründungen kann die men dominiert werden (hierzu insbesondere
Marktdichte, also die Anzahl der Anbieter in 7 Abschn. 3.8). Hinzu kommt, dass Märkte in
Relation zur Nachfrage sein, was als Tragfä- einer frühen Phase des Lebenszyklus durch ex-
higkeit eines Marktes (Carrying Capacity) be- pandierende Nachfrage gekennzeichnet sind,
zeichnet wird. Wie bereits erwähnt (siehe hier- was sich günstig auf die Erfolgschancen von
zu 7 Abschn. 8.5), geht man vielfach davon aus, Gründungen auswirken dürfte. Demgegenüber
dass dann, wenn die Anzahl der Anbieter die sind spätere Phasen des Produktlebenszyklus
Carrying Capacity übersteigt, es zu intensivem eher durch stagnierende oder durch rückläu-
Verdrängungswettbewerb kommt, der die Er- fige Nachfrage gekennzeichnet, wodurch die
folgschancen von Marktzutritten mindert. Die- Konkurrenz auf dem betreffenden Markt zu-
10 ses Argument dürfte allerdings nur für solche nehmend den Charakter eines Verdrängungs-
nicht-innovativen Marktzutritte gelten, die kei- wettbewerbs bekommt. Unabhängig von dem
ne zusätzliche Nachfrage erschließen. Bei inno- Stadium eines Marktes im Lebenszyklus er-
vativen Marktzutritten ist die Annahme eines höht eine hohe Innovationsdynamik im Zweifel
gegebenen Nachfragevolumens hingegen zwei- das Risiko einer Gründung, da solche Märkte
felhaft. Empirische Untersuchungen zeigen, durch eine hohe Turbulenz sowohl der Ange-
dass die Stilllegungswahrscheinlichkeit mit der botsbedingungen als auch der Nachfrage ge-
Marktdichte ansteigt, was für eine in der Re- kennzeichnet sein können. Die empirische Evi-
gel begrenzte Tragfähigkeit von Märkten zu denz zum Zusammenhang zwischen der In-
sprechen scheint. Je leichter ein Markt bestreit- novationsdynamik eines Marktes und den Er-
bar ist, desto intensiver sowohl die faktische folgschancen von Gründungen ist allerdings
als auch die potenzielle Konkurrenz und desto nicht eindeutig.
geringer die Erfolgschancen für Newcomer. Da internationale Märkte aufgrund der
Wird die Angebotsseite eines Marktes von räumlich weiteren Marktausdehnung durch re-
einigen wenigen Anbietern mit erheblichem lativ intensiven Wettbewerb gekennzeichnet
Ausmaß an Marktmacht dominiert, so könn- sind, dürften die Stilllegungsraten hier ver-
te sich dies negativ auf die Erfolgschancen gleichsweise hoch ausfallen; allerdings sind
von Marktzutritten auswirken. Es kann aber die Wachstumschancen für die überlebenden
auch sein, dass kleine und große Anbieter Gründungen aufgrund der Größe der Märk-
hier in einem symbiotischen Verhältnis zuein- te höher. Wie kaum anders zu erwarten, sind
ander stehen, in dem kleine Firmen solche die Erfolgschancen für Gründungen in wach-
Marktsegmente bedienen, die den großen nicht senden Branchen höher als in schrumpfenden
hinreichend lohnend erscheinen (Umbrella- Branchen.
10.4  Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse
139 10
10.3 Schnell wachsende 10.4 Zusammenfassung
Unternehmen (Gazellen) wesentlicher Ergebnisse

Es wurde bereits darauf hingewiesen Sieht man einmal von den sehr wenigen beson-
(7 Abschn. 9.4), dass nur ein sehr geringer ders erfolgreichen Unternehmern, den Entre-
Anteil neu gegründeter Unternehmen stark preneurship-Superstars ab, so liegt der Me-
wächst und in wesentlichem Ausmaß neue dianstundenlohn von unternehmerisch selbst-
Arbeitsplätze schafft. Man bezeichnet solche ständigen Personen nur wenig über dem mitt-
stark expandierenden Unternehmen auch als leren Stundenlohn von Personen mit einer ver-
Gazellen. Aus Sicht der Wirtschaftsförderung gleichbaren abhängigen Beschäftigung. Dabei
sind solche Gazellen deshalb besonders in- muss es als zumindest fragwürdig angesehen
teressant, weil sie die Entwicklung ganzer werden, ob dieses etwas höhere Einkommen ei-
Regionen prägen können. Gelänge es, die ne hinreichende Kompensation für die mit der
Wirtschaftsförderung im Sinne einer Pick the unternehmerischen Selbstständigkeit verbun-
Winner-Strategie frühzeitig gezielt auf solche dene Unsicherheit darstellt. Offenbar bestehen
Gazellen zu konzentrieren, so könnte man auf auch wesentliche nicht-monetäre Anreize für
diese Weise unter Umständen wesentlich zur unternehmerische Selbstständigkeit, wie zum
Lösung von Beschäftigungs- und Wachstums- Beispiel stärkere Eigenständigkeit der Tätigkeit
problemen beitragen. Auch für Kapitalgeber und bessere Möglichkeiten der Selbstverwirk-
wie etwa VC-Investoren wäre es außerordent- lichung, was sich dann in einer relativ hohen
lich interessant, solche Gazellen einigermaßen Arbeitszufriedenheit von Selbstständigen nie-
zuverlässig im Voraus identifizieren zu können. derschlägt.
Empirische Untersuchungen haben gezeigt, Für empirische Analysen der Erfolgsfakto-
dass die schnell wachsenden Unternehmen ren von Unternehmensgründungen bietet sich
(Gazellen) eine sehr heterogene Gruppe dar- als zu erklärende Variable vor allem das Über-
stellen. Diese Gruppe umfasst sowohl kleine als leben der Gründungen an; andere Erfolgsmaße
auch große, sowohl junge als auch ältere Un- sind entweder kaum verfügbar oder als Mess-
ternehmen. Schnell wachsende Unternehmen konzept mit gravierenden Interpretationspro-
finden sich sowohl im Verarbeitenden Gewer- blemen verbunden. Um eine Verzerrung der
be als auch im Dienstleistungssektor und sind Ergebnisse durch einen Survivor Bias zu ver-
keineswegs auf Hightechindustrien oder wis- meiden, sollten sich empirische Untersuchun-
sensintensive Branchen beschränkt. Auch hin- gen der Erfolgsfaktoren von Gründungen nicht
sichtlich der Standortgegebenheiten (z. B. gro- auf die überlebenden Unternehmen konzen-
ße Städte versus ländliche Regionen) sind keine trieren, sondern gleichermaßen auch die nach
eindeutigen Muster identifizierbar. Darüber hi- der Gründung gescheiterten Unternehmen ein-
naus zeigt sich, dass relativ starkes Wachstum beziehen und möglichst sämtliche potenziell
in der Regel ein einmaliges Ereignis darstellt, erfolgsrelevanten Faktoren im Rahmen einer
dass sich nur selten über längere Zeiträume er- multivariablen Analyse berücksichtigen.
streckt. Insgesamt legen diese Untersuchungen In empirischen Untersuchungen ergeben
den Schluss nahe, dass es keine auch nur ei- sich als wesentliche Erfolgsfaktoren von Grün-
nigermaßen zuverlässige Möglichkeit gibt, Ga- dungen die Qualifikation des Gründers, die
zellen im Voraus zu identifizieren. Damit fehlt Größe der Gründung, die Kundenorientierung
einer Pick the Winner-Strategie die entschei- des Angebots sowie eine geringe mindestopti-
dende Grundlage. male Größe in der betreffenden Branche. Ein
140 Kapitel 10  Erfolgsfaktoren von Unternehmensgründungen

wesentlicher Einfluss geht auch von der In- Literaturhinweise


tensität des Wettbewerbs auf dem betreffenden
Markt aus, wobei intensiver Wettbewerb das Zum Einkommen von Selbstständigen siehe
Überleben eher erschwert, sich dafür aber posi- Astebro und Chen (2014), Benz und Frey (2008)
tiv auf die Leistungsfähigkeit der überlebenden sowie Sorgner, Fritsch und Kritikos (2017).
Gründungen auswirkt. Benz und Frey (2008) gehen auch auf die
Die Gruppe der schnell wachsenden Unter- Arbeitszufriedenheit von Selbstständigen so-
nehmen (Gazellen) ist außerordentlich hetero- wie von Beschäftigten in kleinen und gro-
gen und nicht auf Unternehmensgründungen ßen Unternehmen ein. Stephan (2018) gibt
bzw. junge Unternehmen konzentriert, son- einen Überblick über Forschungsergebnisse
dern fasst auch solche Unternehmen, die be- zur psychologischen Disposition von Selbstän-
reits über längere Zeiträume bestehen. Abgese- digen. Henrekson und Sanandaji (2014) ana-
hen von schnellem Wachstum weisen diese Un- lysieren das Auftreten von Entrepreneurship-
ternehmen keine wesentlichen Besonderheiten Superstars, die in unternehmerischer Selbst-
auf, so dass es kaum möglich ist, sie im Vorfeld ständigkeit ein sehr hohes Einkommen erzie-
zu identifizieren. len. Einen Überblick über Studien, die Erträge
der Ausbildung in unternehmerischer Selbst-
ständigkeit und in abhängiger Beschäftigung
10.5 Wesentliche Begriffe zu miteinander vergleichen, bietet Parker (2018).
Kapitel 10 Hierzu auch van Praag, van Witteloostuijn und
van der Sluis (2013).
Die Referenzquelle für eine umfassende
10 4 Arbeitszufriedenheit Analyse der Erfolgsfaktoren von Gründun-
4 Carrying Capacity gen stellt die aus den 1980er-Jahren stam-
4 Eigenkapitalverzinsung mende „Münchner Gründerstudie“ dar, deren
4 Einkommen wesentliche Ergebnisse in Brüderl, Preisendör-
4 Entrepreneurship-Superstars fer und Ziegler (2009) zusammengefasst sind.
4 Gazellen Hier wird auch über die Ergebnisse einer ost-
4 Gewinn deutschen Nachfolgeuntersuchung, der „Leip-
4 Größe einer Gründung ziger Gründerstudie“, berichtet. Die meisten
4 Innovation empirischen Studien über den Erfolg von Un-
4 Lokalisationsvorteile ternehmensgründungen beziehen sich auf das
4 Marktabgrenzung Erfolgsmaß des Überlebens. Zu einem Über-
4 Median blick über diese Studien siehe Parker (2018).
4 Mindestoptimale Größe Zum Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen
4 Mittel, arithmetisches auf den Unternehmenserfolg siehe Caliendo,
4 Omitted Variable Bias Fossen und Kritikos (2010, 2014), Rauch und
4 Produktlebenszyklus Frese (2007) sowie Zhao, Seibert und Lumpkin
4 Qualifikation (2010).
4 Solo-Unternehmer Einen Überblick über diverse Studien zu
4 Stundenlohn den Eigenschaften von schnell wachsenden Un-
4 Survivor Bias ternehmen (Gazellen) bieten Henreksson und
4 Technologisches Regime Johansson (2010).
4 Urbanisationsvorteile
4 Überleben einer Gründung
4 Verdichtungsgrad
4 Wachstumsrate
4 Wissens-Spillover
Weiterführende Literatur
141 10
Weiterführende Literatur ship. Proceedings of the National Academy of Sciences
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business activity does not measure entrepreneur-
143 11

Wirkungen
von Gründungsprozessen
auf wirtschaftliche
Entwicklung

11.1 Historischer Exkurs: Die Birch-Debatte – 144

11.2 Direkte und mögliche indirekte Effekte von Gründungen


auf wirtschaftliche Entwicklung – 145

11.3 Der empirische Befund – 148


11.3.1 Methodische Vorbemerkungen – 148
11.3.2 Der direkte Beitrag von Unternehmensgründungen zur
Beschäftigungsentwicklung – 149
11.3.3 Der Gesamteffekt von Gründungen auf wirtschaftliche
Entwicklung – 150
11.3.4 Die Qualität von Gründungen – 152
11.3.5 Unterschiede der Wirkungen des Gründungsgeschehens zwischen
Regionen und Branchen – 152
11.3.6 Regionale Wachstumsregime – 154

11.4 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse – 156

11.5 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 11 – 157

Literaturhinweise – 157

Weiterführende Literatur – 157

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_11
144 Kapitel 11  Wirkungen von Gründungsprozessen auf wirtschaftliche Entwicklung

Wesentliche Fragestellungen Die politische wie auch wissenschaftli-


che Wende wurde zu einem wesentlichen
4 Auf welche Weise können Unternehmens- Teil durch eine empirische Studie von David
gründungen zu wirtschaftlichem Wachstum Birch für die Wirtschaft der USA eingeleitet.
beitragen? Im Folgenden werden wesentliche Ergebnisse
4 Welche Bedeutung haben indirekte Wirkun- und die Folgen dieser Untersuchung darge-
gen für die Arbeitsplatzeffekte von Gründun- stellt (7 Abschn. 11.1). Daran anschließend gibt
gen? 7 Abschn. 11.2 einen Überblick über verschie-
4 Inwiefern hängen die Wachstumseffekte von dene mögliche Wirkungen von Unternehmens-
Gründungen von den Charakteristika der gründungen auf die wirtschaftliche Entwick-
Gründungen ab? lung; 7 Abschn. 11.3 gibt einen Überblick über
4 Welchen Einfluss haben regionale Gegeben- die empirischen Befunde. Schließlich werden
heiten auf die Wachstumseffekte des Grün- die wesentlichen Ergebnisse in 7 Abschn. 11.4
dungsgeschehens? zusammengefasst.

Die Bedeutung von Unternehmensgründun-


gen für wirtschaftliche Entwicklung wurde von
11.1 Historischer Exkurs:
weiten Teilen der Politik lange Zeit vernach- Die Birch-Debatte
lässigt. Ein wesentlicher Grund hierfür be-
stand in der Überzeugung, dass vor allem In seinem im Jahr 1979 publizierten For-
Großunternehmen das wirtschaftliche Wachs- schungsbericht „The Job Generation Process“
tum prägen, weil sie im Wettbewerbsprozess sowie in nachfolgenden Studien (Birch 1981,
deutliche Vorteile gegenüber kleineren Unter- 1987), berichtete David Birch, dass in den
nehmen aufweisen. Entsprechend sah man in USA kleine und vor allem neu gegründete Be-
11 kleinen und jungen Unternehmen vorwiegend triebe bzw. Unternehmen die Hauptquelle für
Grenzanbieter, die im Wettbewerb mit etab- neue Arbeitsplätze seien. Demgegenüber hät-
lierten Großunternehmen kaum bestehen kön- ten Großunternehmen während der Untersu-
nen. Hinzu kam, dass man bis Anfang der chungsperiode von Mitte der 1960er- bis zur
1980er-Jahre nur recht wenig über Gründungs- Mitte der 1970er-Jahre massiv Arbeitsplätze ab-
prozesse und Kleinunternehmen wusste, da gebaut. Diese Resultate fanden sowohl bei Po-
halbwegs aussagefähige Statistiken zu diesen litikern als auch in der Wissenschaft überaus
Bereichen fehlten. Zwar hatte Joseph Schumpe- große Beachtung, wobei die Reaktionen von
ter in seinen Arbeiten die Bedeutung von ei- enthusiastischer Begeisterung über eine neue
nigen wenigen Unternehmerpersönlichkeiten Lösung von Beschäftigungsproblemen bis hin
als Auslöser von Innovations- und Wachstums- zu ausgesprochener Skepsis reichten (zu einem
schüben aufgezeigt (siehe 7 Abschn. 2.1), aller- Überblick siehe etwa Storey 1994).
dings handelte es sich bei diesen Unterneh- Inhaltlich blieb die Birch-Studie allerdings
mern um vereinzelte Ausnahmeerscheinungen, auf einfache Häufigkeitsauszählungen von
die für die breite Masse der Gründungen in kei- Merkmalen der Arbeitsplatzentwicklung in
ner Weise repräsentativ waren. Zudem wurden bestimmten Gruppen von Betrieben bzw. Un-
diese Befunde dadurch relativiert, dass Schum- ternehmen (z. B. entsprechend Alter, Größe
peter in einigen seiner Arbeiten auch die Vor- Standort und Sektor) beschränkt und kann al-
teile der Großunternehmen im Wettbewerb- lein schon aus methodischen Gründen kaum
sprozess herausgestellt hatte, was als Schum- als wissenschaftliche Analyse gewertet wer-
peter-Hypothesen in die Literatur eingegangen den. Das wesentliche Verdienst dieser Arbeit
ist. ist vor allem darin zu sehen, dass sie die Auf-
11.2  Effekte von Gründungen auf wirtschaftliche Entwicklung
145 11
merksamkeit von Politik und Wissenschaft auf
kleine und junge Unternehmen gelenkt und Direkter
Markt- Effekt
vielfache weitere empirische Analysen zu den
zutritte
Wachstumswirkungen von Gründungsaktivi-
täten stimuliert hat. Wachstum
Eine wichtige Innovation der Birch-Studie
Etablierte
bestand darin, dass sie Längsschnittdaten auf
Anbieter Indirekter
der Mikroebene von Betrieben bzw. Unterneh-
Effekt
men aufbereitet und analysiert hat, wobei diese
Daten nahezu die gesamte US-amerikanische
Wirtschaft abdeckten. Dies bot insbesonde- . Abb. 11.1 Direkte und indirekte Effekte von
re die Möglichkeit, die Entwicklung von Ko- Gründungen auf Wirtschaftswachstum
horten neu gegründeter und etablierter Ein-
heiten miteinander zu vergleichen. Zu Beginn
der 1980er-Jahre, als die von Birch angestoße- sen. Entsprechend ergeben sich die Wirkun-
ne Diskussion um die Bedeutung von kleinen gen der Marktzutritte von Gründungen aus ih-
und neu gegründeten Unternehmen für die Be- rer wettbewerblichen Interaktion mit etablier-
schäftigungsentwicklung begann, waren solche ten Anbietern. Dabei beschreibt die Entwick-
Informationen in kaum einem Land vorhan- lung der Newcomer – gemessen etwa an der
den bzw. – sofern sie existierten – für wissen- Anzahl der dort Beschäftigten oder an ihrem
schaftliche Untersuchungen nicht verfügbar. Marktanteil – ihren direkten Effekt. Der indi-
Dies galt insbesondere für Informationen über rekte Effekt umfasst sämtliche Wirkungen der
Gründungen. Angesichts dieser Ausgangslage Gründungen auf die etablierten Marktteilneh-
musste zunächst erheblicher Aufwand betrie- mer, also zum Beispiel einen durch den Wett-
ben werden, um vorhandene Datenquellen für bewerb induzierten Marktaustritt oder erhöhte
wissenschaftliche Analysen des Gründungsge- Innovationsanstrengungen, die zu einem Pro-
schehens zu erschließen sowie neue Datenquel- duktivitätsanstieg führen (siehe . Abb. 11.1).
len zu erstellen. In dieser Hinsicht, wie auch für Empirische Untersuchungen zeigen sehr deut-
die gesamte Entrepreneurship-Forschung, hat lich, dass der direkte Effekt von Gründungen in
die Birch-Studie wichtige Entwicklungen ange- der Regel nur den kleineren Teil des Gesamt-
stoßen. effektes ausmacht und die indirekten Effekte
bei Analysen der Wirkungen von Gründungen
auf wirtschaftliche Entwicklung keinesfalls ver-
11.2 Direkte und mögliche nachlässigt werden dürfen.
indirekte Effekte von In . Abb. 11.2 sind die Zusammenhänge et-
Gründungen auf was detaillierter dargestellt. Dabei repräsentiert
die Entwicklung der Gründungen (z. B. deren
wirtschaftliche Entwicklung Beschäftigungsentwicklung) deren direkten Ef-
fekt; alle anderen aufgeführten Wirkungen sind
Für ein Verständnis der Ergebnisse der vor- indirekter Natur. Die Marktselektion bewirkt,
liegenden empirischen Analysen ist ein sys- dass in aller Regel nur ein Teil der Grün-
tematischer Überblick über die verschiedenen dungen über einen längeren Zeitraum überlebt
Arten von Effekten hilfreich, die neu entstan- (vgl. 7 Abschn. 9.2); diejenigen Gründungen,
dene Wirtschaftseinheiten auf die wirtschaftli- die sich auf dem Markt etablieren können, ver-
che Entwicklung haben können. Neue Betriebe drängen zum Teil etablierte Anbieter. Solche
bzw. Unternehmen stellen einen Marktzutritt Verdrängungseffekte können sowohl durch den
zusätzlicher Kapazitäten dar und sind damit Wettbewerb auf dem Output-Markt als auch
ein wesentlicher Bestandteil von Marktprozes- durch Wettbewerb auf den Input-Märkten, wie
146 Kapitel 11  Wirkungen von Gründungsprozessen auf wirtschaftliche Entwicklung

Gründungen bzw. Marktzutritte Angebotseffekte:


► Sicherstellung von
Effizienz
► Beschleunigung des
Strukturwandels
Marktprozess (Selektion) ► Durchsetzung von
Innovationen
► Wissens-Spillover und
Peer-Effekte
► Höhere Qualität und Vielfalt
von Vorleistungen
Neue Verdrängte
Kapazitäten: Kapazitäten:
Steigerung der
Entwicklung der Abbau und Wettbewerbsfähigkeit
Gründungen Marktaustritte
von Etablierten Wachstum

. Abb. 11.2 Gründungsgeschehen und Marktprozess

z. B. auf dem Arbeitsmarkt, verursacht sein. Ist Allerdings ist ein funktionsfähiger Markt-
Konkurrenz auf den Input-Märkten die wesent- prozess in keiner Weise als ein Nullsummen-
liche Ursache, so müssen die Verdrängungsef- spiel aufzufassen, in dem die Zuwächse der
fekte nicht zwangsläufig in derselben Branche einen Unternehmen vollständig auf Kosten an-
11 auftreten. derer Unternehmen gehen. Es gibt eine Rei-
Geht man davon aus, dass die Marktselek- he von Wegen, über die der zusätzliche Wett-
tion entsprechend dem Survival of the Fittest bewerb durch Newcomer zu Wachstumseffek-
erfolgt, dann werden Anbieter mit vergleichs- ten auf der Angebotsseite des Marktes führen
weise hoher Produktivität im Markt verblei- kann. Bei solchen Angebotseffekten von Grün-
ben, während Anbieter mit niedriger Produk- dungen handelt es sich im Wesentlichen um
tivität weniger absetzen können oder aus dem (. Abb. 11.2):
Markt austreten. Bei einem insgesamt konstan- 4 Sicherung der Effizienz bzw. Stimulierung
ten Produktionsvolumen sollte dieser Selekti- von Produktivitätssteigerungen durch Be-
onsprozess zu Beschäftigungsabbau und nicht streiten etablierter Marktstellungen. Der
zu ansteigender Beschäftigung führen, denn Marktzutritt diszipliniert die Anbieter und
auf einem höheren Produktivitätsniveau wer- zwingt sie dazu, sich in statischer und dy-
den schließlich weniger Ressourcen benötigt, namischer Hinsicht effizient zu verhalten.
um eine bestimmte Menge an Gütern und 4 Beschleunigung des Strukturwandels durch
Dienstleistungen bereitzustellen. Obwohl die Marktzutritte und Marktaustritte. Empi-
Errichtung eines neuen Betriebs bzw. Unter- risch lässt sich häufig beobachten, dass
nehmens die Schaffung zusätzlicher Kapazitä- Wachstum und Strukturwandel mit ei-
ten bedeutet, die zusätzliches Personal erfor- ner ausgeprägten Unternehmensfluktuati-
dern, muss der Effekt der Gründungen auf on einhergeht. Dabei besteht der Grund
die Gesamtzahl der Arbeitsplätze also nicht für den Marktaustritt etablierter Anbieter
notwen-digerweise positiv sein, sondern kann darin, dass sie sich nicht flexibel genug
sogar deutlich negativ ausfallen! an veränderte Anforderungen ihres Umfel-
11.2  Effekte von Gründungen auf wirtschaftliche Entwicklung
147 11
des anpassen können, und deshalb durch zept an einem bestimmten Standort und zu
neue Unternehmen ersetzt werden.1 Diese, einer bestimmten Zeit hat. Solche Wissens-
den Strukturwandel beschleunigende Wir- Spillover sind insbesondere dann zu er-
kung neuer Firmen, wurde insbesondere warten, wenn eine Gründung neue Pro-
durch Joseph Schumpeters (1942) Konzept dukte oder neue Produktionsverfahren ein-
der „kreativen Zerstörung“ sowie von Al- führt, die von etablierten Anbietern imitiert
fred Marshall (1920) mit seinem Vergleich werden können und dort zu verbesserter
der Wirtschaft mit einem sich ständig er- wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit beitra-
neuernden Wald hervorgehoben. gen. Darüber hinaus kann die Gründung
4 Durchsetzung von Innovationen, insbeson- eines Unternehmens Peer-Effekte erzeugen
dere auch Initiierungen neuer Märkte. Es (hierzu 7 Abschn. 5.4.2), wodurch die Nei-
gibt viele Beispiele dafür, dass grundlegen- gung anderer Personen zu unternehme-
de Innovationen durch neue Firmen am rischer Selbständigkeit im Zweifel erhöht
Markt eingeführt wurden bzw. dass New- wird.
comer völlig neue Märkte initiiert haben 4 Erzeugung größerer Vielfalt an Produkten
(siehe auch 7 Abschn. 2.2). Ein wesentli- bzw. Lösungsansätzen. Sofern sich das Pro-
cher Grund für die häufig zu beobachtende duktprogramm der neuen Anbieter von
besondere Rolle von Gründungen bei der dem der etablierten unterscheidet oder
Einführung von Innovationen könnte darin die Newcomer im Verfahrensbereich neue
bestehen, dass etablierte Anbieter stärker Wege bestreiten, erweitert sich durch den
daran interessiert sind, die Gewinnpoten- Marktzutritt das Spektrum verfügbarer
ziale ihres gegebenen Produktprogramms Güter bzw. Problemlösungsmöglichkei-
auszuschöpfen als nach neuen Ertragsfel- ten. Durch diese erhöhte Vielfalt steigt
dern zu suchen und sich dabei eventu- wiederum die Wahrscheinlichkeit dafür,
ell auf risikoreiche Innovationen einzulas- dass ein Angebot existiert, das den Be-
sen. Eine andere Erklärung könnte sein, dürfnissen eines Nachfragers weitgehend
dass die Gründung eines eigenen Unterneh- entspricht (besseres Matching von Ange-
mens für jemanden mit einer Geschäftsidee bot und Nachfrage). Erhöhte Vielfalt durch
häufig die erfolgversprechendste Möglich- neue Angebote bietet Anknüpfungspunkte
keit darstellt, diese Idee umzusetzen und sowohl für eine Intensivierung der Arbeits-
zu kommerzialisieren. Da solche Geschäfts- teilung als auch für Folgeinnovationen.
ideen bzw. Wissen selbst nur sehr einge- Gründungen können auf diese Weise we-
schränkt handelbar sind, vermarktet man es sentliche Impulse für die wirtschaftliche
also über die mit diesem Wissen produzier- Entwicklung geben.
ten Güter und Dienstleistungen.
4 Wissens-Spillover und Peer-Effekte. Aus dem Alle diese Effekte sind indirekter Natur und
Experiment-Charakter von Gründungen führen zu Verbesserungen auf der Angebotssei-
folgt, dass sie Wissen darüber erzeugen, te des Marktes. Sie sind nicht notwendigerweise
welche Erfolgschancen ein Geschäftskon- auf diejenige Branche beschränkt, in der eine
Gründung stattfindet, sondern können auch in
1
Solche Prozesse konnten etwa bei der Transformati- völlig anderen Branchen auftreten, wenn Un-
on der ehemals sozialistischen Volkswirtschaften in ternehmen dieser Branche etwa das verbesserte
Mittel- und Osteuropa beobachtet werden, wo neue Angebot als Input nutzen. Die indirekten Effek-
Firmen – die bottom-up-Komponente – sehr schnell te müssen auch nicht auf die Region beschränkt
eine wesentliche größere Bedeutung erlangten als sein, in der die Gründung stattfindet. Die in-
die alt-etablierten Anbieter. Siehe hierzu etwa die
Beiträge in Pfirrmann und Walter (2002); speziell zur
direkten Angebotseffekte sind von wesentlicher
Entwicklung in Ostdeutschland seit der Wiederverei- Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der
nigung siehe Fritsch et al. (2014). betreffenden Branche bzw. Region und kön-
148 Kapitel 11  Wirkungen von Gründungsprozessen auf wirtschaftliche Entwicklung

nen auf diese Weise zu Beschäftigungswachs- rekten Wettbewerber, die von der Herausforde-
tum sowie zu steigendem Wohlstand beitragen. rung der Newcomer betroffen sind, in der Regel
Sie allein sind der Grund dafür, dass man positi- deutlich größer ist.
ve Beschäftigungswirkungen vom Gründungsge- Die zentrale Voraussetzung dafür, dass
schehen erwarten kann! Gründungen zu Angebotseffekten führen, die
Es ist wichtig festzuhalten, dass die Ent- mit verbesserter Wettbewerbsfähigkeit verbun-
stehung von Angebotseffekten des Gründungs- den sind, besteht darin, dass die Marktselektion
geschehens nicht notwendigerweise erfordert, entsprechend einem Survival of the Fittest er-
dass die Newcomer erfolgreich sind und über- folgt. Sollte der Marktprozess nicht zum Über-
leben. Sofern die Gründungen Verbesserungen leben der produktivsten Anbieter führen, son-
seitens der etablierten Anbieter stimulieren, dern – etwa aufgrund von verzerrenden staat-
führen sie zu positiven Angebotseffekten selbst lichen Eingriffen – eher das Überleben der we-
dann, wenn die meisten Gründungen scheitern niger produktiven Firmen bewirken, so würde
und den Markt kurz nach der Gründung wieder dies die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft
verlassen müssen. Auch gescheiterte Gründun- schwächen und negative Angebotseffekte mit
gen können signifikant zur Verbesserung des sich bringen. Folglich sind alle staatlichen Ein-
Angebots und zu steigender Wettbewerbsfä- griffe zu vermeiden, die zu einer Beeinträchti-
higkeit beitragen. gung der richtigen Marktselektion führen.
Inwiefern eine Gründung eine Herausfor-
derung für die etablierten Wettbewerber dar-
stellt, hängt wesentlich von ihrer Qualität ab.
Qualität kann hier verschiedene Dinge mei- 11.3 Der empirische Befund
nen, wie beispielsweise die unternehmerischen
Fähigkeiten des Gründers oder der Gründer,
11.3.1 Methodische
die Sorgfalt der Gründungsplanung, die dem
11 Unternehmen zugrundeliegende Wissensbasis Vorbemerkungen
und die sonstige Ressourcenstärke der New-
comer sowie insbesondere ihren Innovations- Analysen auf der Mikroebene, also Betrachtun-
grad. So ist zu erwarten, dass der Marktzutritt gen der Entwicklung von einzelnen neugegrün-
eines innovativen Unternehmens, das von ei- deten Firmen oder von Gründungskohorten,
nem wohl vorbereiteten Gründer geleitet wird, können zwar die direkten Effekte von Grün-
der über das notwendige Wissen und über dungen aufzeigen; für eine Analyse der Wachs-
andere wichtige Ressourcen verfügt, eine grö- tumswirkungen von Gründungen insgesamt,
ßere Herausforderung für die Konkurrenten insbesondere zur Bestimmung von indirekten
darstellt, als die Errichtung eines rein imitativ Effekten, sind sie aber weit weniger geeignet.
ausgerichteten Unternehmens, dessen Gründer Eine solche Bestimmung der indirekten Effek-
über keine angemessene Qualifikation verfügt te auf Mikroebene würde nämlich erfordern,
und dem es nicht gelingt, die erforderlichen dass man die von einer bestimmten Gründung
Ressourcen zu aktivieren. bewirkten Verdrängungs- und Angebotseffek-
Weiterhin wäre zu vermuten, dass die Ange- te identifiziert und zuordnet, was praktisch an
botseffekte in Märkten mit hoher Wettbewerbs- außerordentlich enge Grenzen stößt. Für die
intensität besonders stark ausgeprägt sind, da Bestimmung der indirekten Effekte von Grün-
hier der Druck zur Reaktion auf von der dungen bietet es sich daher an, den Zusammen-
Konkurrenz eingeführte Verbesserungen rela- hang zwischen dem Niveau der Gründungs-
tiv hoch ist. Darüber hinaus dürften die Ange- aktivitäten und einem Aggregat-Maß für wirt-
botseffekte in globalen Märkten stärker ausfal- schaftliche Entwicklung, wie etwa dem Wachs-
len als etwa im Falle von rein lokal angebotenen tum von Beschäftigung und Sozialprodukt oder
Dienstleistungen, weil hier die Anzahl der di- der Produktivitätsentwicklung in dem betref-
11.3  Der empirische Befund
149 11
fenden Land, der Region oder der Branche zu und Entwicklung auf der Ebene von Regionen,
analysieren. so ist die Gefahr einer solchen Fehlinterpre-
Bisherige Arbeiten über die Effekte von tation deutlich geringer ausgeprägt, jedenfalls
Gründungen auf wirtschaftliche Entwicklung solange, wie die betreffende Region nicht von
waren vor allem auf die Beschäftigungsent- einer einzelnen Branche dominiert wird. Ange-
wicklung konzentriert, was wahrscheinlich zu sichts dieser Probleme ist es kaum verwunder-
einem wesentlichen Teil auf die Bedeutung der lich, wenn entsprechende Berechnungen auf
Arbeitsplatzentwicklung (bzw. der Vermeidung der Ebene von Regionen nicht selten zu gänz-
von Arbeitslosigkeit)für die Politik zurückzu- lich anderen Ergebnissen kommen als Analy-
führen ist. Ein weiterer Grund dürfte darin be- sen auf Ebene von Branchen.
stehen, dass verlässliche Angaben zur Anzahl
der Arbeitsplätze bzw. deren Veränderung für
Branchen oder Regionen vergleichsweise leicht 11.3.2 Der direkte Beitrag von
verfügbar sind. Unternehmensgründungen
Empirische Analysen des Zusammenhangs
zur
zwischen dem Niveau von Gründungsaktivitä-
ten und der Aggregatentwicklung stehen vor Beschäftigungsentwicklung
dem Problem, die relevanten Wirkungszusam-
menhänge korrekt zu identifizieren. Konkret Ein entscheidender Punkt bei der Analyse der
geht es dabei um die Frage, ob die Gründungen direkten Beschäftigungswirkungen von Grün-
die Ursache für die Entwicklung darstellen oder dungen besteht in der Repräsentativität der
ob Gründungen nicht eher ein Resultat der in die Analyse einbezogenen Unternehmen.
wirtschaftlichen Entwicklung bzw. ein Symp- Betrachtet man die Entwicklung einer Grup-
tom sind. Besonders schwerwiegend ist dieses pe von Gründungen über die Zeit, so sollten
Problem bei Analysen auf der Ebene von Wirt- insbesondere auch solche Gründungen mitbe-
schaftszweigen, wenn die Entwicklung dieser rücksichtigt werden, die wieder aus dem Markt
Wirtschaftszweige einem Lebenszyklus folgt ausgetreten sind. Andernfalls sind die erfolg-
(hierzu 7 Abschn. 3.8). Ein solcher Industrie- reichen Gründungen überrepräsentiert, was als
lebenszyklus ist dadurch gekennzeichnet, dass Survivor Bias bezeichnet wird (hierzu auch
in einer neu entstehenden Branche zunächst 7 Abschn. 10.2.1).
nur sehr wenige Anbieter tätig sind und diese Analysen der direkten Beschäftigungseffek-
Anzahl dann mit dem Anstieg des Produkti- te von Gründungen in deutschen Regionen für
onsvolumens zunimmt (. Abb. 3.7). Folglich die Zeit ab Mitte der 1970er-Jahre haben er-
ergibt sich in den frühen Phasen der Branchen- geben, dass eine jährliche Gründungskohor-
entwicklung ein relativ hohes Niveau an Grün- te nach zwei Jahren ca. 1,8 Prozent der vor-
dungsaktivitäten, das aber wohl nur beschränkt handenen Arbeitsplätze bereitstellt; nach zehn
als Ursache für das Wachstum der Industrie Jahren beträgt dieser Prozentsatz 1,56 Prozent
anzusehen ist. Mit Erreichen der Stagnations- (Fritsch und Schindele 2011). Der Unterschied
und Schrumpfungsphase geht dann in der Re- zwischen dem langfristigen (nach zehn Jah-
gel die Anzahl der Anbieter zurück und das ren) und dem kurzfristigen (nach zwei Jah-
Niveau der Gründungsaktivitäten fällt relativ ren) Effekt, ergibt sich aus der in der Regel
gering aus. Auch hier stellt sich die Frage, in- abnehmenden Beschäftigung in Gründungsko-
wieweit die Korrelation zwischen dem Niveau horten zwischen dem zweiten und dem zehnten
der Gründungsaktivitäten und dem Rückgang Jahr (hierzu auch 7 Abschn. 9.2). Sowohl der
von Umsatz und Beschäftigung kausal als Effekt kurzfristige als auch der langfristige Beschäf-
des niedrigen Niveaus an Gründungen inter- tigungsbeitrag der Gründungen ist im Dienst-
pretiert werden kann. Analysiert man den Zu- leistungssektor stärker ausgeprägt als im Indus-
sammenhang zwischen Gründungsaktivitäten triesektor, was offenbar eine Folge des höheren
150 Kapitel 11  Wirkungen von Gründungsprozessen auf wirtschaftliche Entwicklung

Niveaus der Gründungsaktivitäten im Dienst- re Zeitverzögerungen für die Wirkungen des


leistungsbereich darstellt. Gründungsgeschehens, so lässt sich ein sta-
Eine Gesamtbetrachtung der direkten Be- tistisch signifikanter Zusammenhang zwischen
schäftigungseffekte von Gründungen für die der aktuellen Beschäftigungsentwicklung und
Bundesrepublik Deutschland über den Zeit- den Gründungsraten während der vorangegan-
raum 1976 bis 2005 ergab, dass im Jahr 2005 genen zehn Jahre identifizieren. Dabei haben
ca. 37 Prozent aller im privaten Sektor vor- Untersuchungen für unterschiedliche Zeiträu-
handenen Arbeitsplätze auf Betriebe entfielen, me und für verschiedene Länder überein-
die seit dem Jahr 1976 gegründet worden sind stimmend ein wellenförmiges Muster für die
und im Jahr 2005 noch existierten (Schindele Struktur dieser Time-Lags ergeben, wie es in
und Weyh 2011). Dieser Anteil fiel im Dienst- . Abb. 11.3 dargestellt ist.
leistungssektor mit 47 Prozent deutlich höher Die Analysen der Struktur der Effekte von
aus als im Industriesektor, wo er lediglich 26 Gründungen über die Zeit, zeigen während
Prozent betrug. Dies deutet auf erhebliche sek- des ersten Jahres in der Regel deutlich positi-
torale Unterschiede in der Beschäftigungsdy- ve Wirkungen auf die Arbeitsplatzentwicklung,
namik zwischen einzelnen Sektoren bzw. Wirt- was mit der Nachfrage der Newcomer nach
schaftszweigen hin. Die Analysen des direkten Ressourcen, insbesondere nach Arbeitskräften,
Beschäftigungsbeitrages von Gründungen zei- erklärt werden kann. Spätestens ab dem zwei-
gen, dass neue Unternehmen eine erhebliche ten Jahr nach der Gründung ist der Zusam-
Anzahl neuer Arbeitsplätze schaffen, der Anteil menhang zwischen Gründungsrate und regio-
dieser Arbeitsplätze an der Gesamtbeschäfti- naler Beschäftigungsentwicklung dann negativ.
gung aber alles andere als überwältigend ist. Bei Die Erklärung hierfür liegt darin, dass es sich
der Betrachtung der Größenordnung des di- dabei um die Verdrängungseffekte von Grün-
rekten Beschäftigungseffektes ist zu bedenken, dungen bzw. um die arbeitssparenden Wirkun-
dass der Beschäftigungsbeitrag von Gründun- gen von Produktivitätssteigerungen handelt,
11 gen weit geringer ausfällt, wenn man die Ver- die sich aus einem Wettbewerb mit etablierten
drängungseffekte bei den etablierten Anbietern Anbietern entsprechend einem Survival of the
berücksichtigt. Fittest ergeben. Ab dem fünften oder sechsten
Jahr nach der Gründung zeigen sich dann häu-
fig positive Effekte. Diese beschäftigungsstei-
11.3.3 Der Gesamteffekt von gernden Wirkungen können nicht mit der Be-
schäftigungsentwicklung in Gründungskohor-
Gründungen auf
ten erklärt werden, denn die Beschäftigung in
wirtschaftliche Entwicklung Gründungskohorten nimmt in der Regel nach
einigen Jahren kontinuierlich ab (siehe hierzu
Analysen des Zusammenhangs zwischen dem 7 Abschn. 9.2).
Niveau der Gründungsaktivitäten auf der Ebe- Die naheliegende Erklärung für einen po-
ne von Wirtschaftszweigen und deren Pro- sitiven Zusammenhang zwischen den mehr als
duktivitätsentwicklung zeigen einen statistisch fünf Jahre zurückliegenden Gründungen und
signifikanten positiven Zusammenhang. Al- der regionalen Beschäftigungsentwicklung be-
lerdings ergeben sich diese produktivitätsstei- steht in den indirekten Angebotseffekten, die
gernden Effekte erst nach einem Zeitraum von aus gestiegener regionaler Wettbewerbsfähig-
mehreren Jahren. Analysen auf regionaler Ebe- keit resultieren. Die Fläche zwischen der Kurve
ne, die solchen Time-Lags nur in geringem Ma- und der Nulllinie gibt das Ausmaß der Effek-
ße Rechnung tragen, ergeben häufig gar keinen te in den verschiedenen Phasen an. Aggregiert
statistisch signifikanten Zusammenhang zwi- man die verschiedenen Wirkungen zu einem
schen Gründungsaktivitäten und wirtschaftli- Gesamteffekt, so ist dieser Gesamteffekt in der
cher Entwicklung. Berücksichtigt man länge- Regel – aber nicht immer – positiv, was ins-
11.3  Der empirische Befund
151 11

Einfluss der Gründungsrate auf die Beschäf-


Neue
Kapazitäten

Verdrängungseffekte III
I
0

II Angebotseffekte
tigungsänderungen

Regression mit
Almon Lags
Standard Regression

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Lag (Jahr)

. Abb. 11.3 Gründungen und regionale Beschäftigungsentwicklung – Verteilung der Time-Lags

besondere auf die indirekten Angebotseffekte Die Auswirkungen von Gründungen auf
zurückzuführen ist. den Wettbewerb lassen sich anhand des Indi-
kators der Marktmobilität ablesen. Dieser In-
Bei der ökonometrischen Bestimmung der Lag-Struktur
dikator misst Veränderungen in der Rangfolge
der Gründungseffekte stellt sich das Problem, dass die
Gründungsraten aufeinanderfolgender Jahre sehr hoch der Unternehmen in einem Markt oder in einer
miteinander korreliert sind, was sich aus der stark aus- Region etwa gemäß ihrer Beschäftigtenzahl.
geprägten zeitlichen Persistenz regionaler Gründungs- Starke Veränderungen dieser Rangfolge deuten
aktivitäten ergibt (hierzu 7 Abschn. 3.6). Um dieses Prob- auf intensiven Wettbewerb hin. Entsprechen-
lem zu lösen, wendet man in der Regel das Almon-Lag-
de Untersuchungen zeigen, dass ein hohes Ni-
Verfahren an, mit dem dann unter bestimmten Annah-
men die „wahre“ Lag-Struktur ermittelt wird. veau regionaler Gründungsaktivitäten zu einer
relativ hohen Marktmobilität führt, wobei die-
Eingehende weitere Analysen der Zusammen- se Marktmobilität dann wiederum mit positi-
hänge zeigen, dass die indirekten Effekte von ven Beschäftigungseffekten verbunden ist. Dies
Gründungen (Verdrängungseffekt und Ange- zeigt deutlich die folgende Wirkungskette:
botseffekt) insgesamt positiv sind. Dies be-
Marktzutritte ) Intensivierung des Wett-
deutet, dass auch viele etablierte Anbieter auf bewerbs ) positive Wachstumseffekte:
längere Sicht von der Konkurrenz durch die
neuen Unternehmen profitieren. Dabei zeigt Weiterhin haben empirische Analysen gezeigt,
sich etwa, dass der in . Abb. 11.3 dargestellte dass die positiven Effekte von Gründungen
wellenförmige Verlauf der Lag-Struktur allein über die Grenzen der jeweiligen Branche bzw.
auf diese indirekten Effekte zurückzuführen ist des jeweiligen Sektors hinaus wirksam sein
(Fritsch und Noseleit 2013). Positive Wirkun- können. So führen etwa Gründungsaktivitä-
gen der Gründungen zeigen sich analog, wenn ten im Verarbeitenden Gewerbe nicht nur zu
man anstatt der Arbeitsplatzentwicklung die langfristig positiven Effekten innerhalb dieses
Entwicklung des Sozialprodukts oder der re- Sektors, sondern auch im Dienstleistungsbe-
gionalen Arbeitsproduktivität betrachtet. reich, was wiederum die Existenz indirekter
152 Kapitel 11  Wirkungen von Gründungsprozessen auf wirtschaftliche Entwicklung

Angebotseffekte belegt. Weiterhin konnte ge- 4 der Wirtschaftszweig, dem die Gründung
zeigt werden, dass eine hohe Gründungsrate in zugeordnet ist (z. B. Gründungen in inno-
einer Region mit relativ intensivem Wandel der vativen und wissensintensiven Branchen)
sektoralen Wirtschaftsstruktur in dieser Region sowie
verbunden ist, was dann in der Regel positive 4 die Beteiligung eines privaten VC-Investors
Auswirkungen auf die regionale Entwicklung an dem Projekt und die Höhe dieser Beteili-
hat. gung als Maß für die vermuteten ökonomi-
schen Potenziale einer Gründung.

11.3.4 Die Qualität von Empirische Untersuchungen haben gezeigt,


dass Gründungen im Verarbeitenden Gewerbe
Gründungen in der Regel einen deutlich stärkeren Effekt auf
die wirtschaftliche Entwicklung in einer Region
Entsprechend den eingangs dargestellten Über- haben als Gründungen im Dienstleistungssek-
legungen zu den direkten und indirekten Ef- tor. Da Gründungen im Verarbeitenden Ge-
fekten von Gründungen ist zu vermuten, dass werbe in der Regel größer starten und somit
diese Wirkungen umso stärker ausgeprägt sind, mehr Ressourcen erfordern als Gründungen
je größer die Herausforderung der Etablierten in vielen Bereichen des Dienstleistungssektors,
durch die Newcomer, also je höher die Quali- beruht dieses Ergebnis sicherlich auch teilweise
tät der Gründungen ist. Ein empirischer Nach- auf einem Größeneffekt.
weis dieser Vermutung erfordert eine Messung Sehr deutlich ist der Unterschied in den
der Qualität von Gründungen im Sinne der Wirkungen zwischen relativ kurzlebigen Grün-
Herausforderung der Etablierten. Qualität von dungen (z. B. Gründungen, die vor Ablauf von
Gründungen in diesem Sinne lässt sich etwa einem oder zwei Jahren wieder aus dem Markt
mit folgenden Indikatoren messen: austreten) und solchen Gründungen, die sich
11 4 die Qualifikation des Gründers bzw. des längere Zeit am Markt behaupten können.
Gründungsteams, wie z. B. höchster Ausbil- Dabei sind Unterschiede insbesondere hin-
dungsabschluss oder Jahre an Berufserfah- sichtlich der indirekten Effekte solcher länger-
rung etc., fristig bestehenden Gründungen beobachtbar.
4 die Motive für die Gründung (z. B. Grün- Auch die Bedeutung der Größe von Gründun-
dungen aus Not vs. Opportunity Gründun- gen – etwa gemessen mit der Beschäftigten-
gen,Wachstumsorientierung der Gründun- zahl – auf die Wirkungen konnte empirisch
gen), belegt werden. Weiterhin haben Gründungen,
4 die Überlebensdauer der Gründungen am die mit einer signifikanten Innovation in den
Markt (dahinter steht die Überlegung, dass Markt eintreten oder deren Gründer beson-
Gründungen, die nach relativ kurzer Zeit ders wachstumsorientiert ist, relativ stark aus-
wieder aus dem Markt austreten, im Ver- geprägte Wirkungen.
gleich zu länger existierenden Gründungen
eine relativ geringe Wettbewerbsfähigkeit
aufweisen), 11.3.5 Unterschiede der
4 die Größe einer Gründung (Anzahl der Be- Wirkungen des
schäftigten, Höhe der getätigten Investitio-
Gründungsgeschehens
nen),
4 die Wissensbasis einer Gründung, gemes- zwischen Regionen und
sen etwa anhand der Qualifikation des/der Branchen
Gründer(s) oder der Patente, an denen der
(die) Gründer als Erfinder mitgewirkt hat Die Wirkungen von Gründungen auf die wirt-
(haben), schaftliche Entwicklung können regional sehr
11.3  Der empirische Befund
153 11
unterschiedlich ausfallen. Am auffälligsten in statt, in denen sich Hochschulen und andere
dieser Hinsicht war in bisherigen empirischen Forschungseinrichtungen befinden.
Analysen der stark ausgeprägte Zusammen- Eine weitere Erklärung für die stärker aus-
hang mit dem Verdichtungsgrad einer Region: geprägten Wachstumseffekte von Gründungen
Je höher die Bevölkerungsdichte bzw. je größer könnte eine höhere Wettbewerbsintensität in-
eine Stadt, desto stärker ist auch der positive nerhalb der Verdichtungsgebiete sein. Dabei
Gesamteffekt der Gründungen. Ermittelt man ist zu vermuten, dass hierbei insbesondere die
die Lag-Struktur von Gründungen für Regio- Wettbewerbsintensität auf den Inputmärkten,
nen mit unterschiedlicher Bevölkerungsdichte, wie etwa dem Arbeitsmarkt, von erheblicher
so ist die Amplitude des Wellenmusters ent- Bedeutung ist. Demnach würde dann relativ
sprechend . Abb. 11.3 in den hoch verdichte- intensiver Wettbewerb in Verdichtungsgebie-
ten Regionen regelmäßig stärker ausgeprägt als ten zu vergleichsweise intensiver Auslese der
in schwächer verdichteten Regionen. Weiter- Unternehmen und somit auch zu einer relativ
hin zeigt sich, dass der Wachstumseffekt, der hohen Wettbewerbsfähigkeit der überlebenden
durch eine bestimmte Steigerung der regiona- Gründungen führen. Dies würde dann bedeu-
len Gründungsrate erreicht werden kann, mit ten, dass die Verdichtungsgebiete eine deutlich
der bereits gegebenen Höhe der Gründungsrate höhere Wettbewerbsfähigkeit als weniger stark
geringer wird, was – ökonomisch gesprochen – verdichtete Regionen aufweisen.
abnehmende Grenzerträge von Gründungen Für eine zentrale Bedeutung der Intensität
für regionales Wachstum anzeigt. Demnach des regionalen Wettbewerbs für die Intensi-
wäre der stärkste positive Wachstumseffekt von tät der Effekte von Gründungen gibt es eine
einer Steigerung des Niveaus an Gründungsak- Vielzahl von empirischen Hinweisen. Beispiels-
tivitäten in solchen hochverdichteten Regionen weise sind die Wirkungen dann relativ stark
zu erwarten, in denen das bisherige Niveau an ausgeprägt, wenn die Gründungen vor allem
Gründungsaktivitäten relativ niedrig ist. in solchen Branchen stattfinden, die in der be-
Die höheren Wachstumswirkungen von treffenden Region stark vertreten sind. Auch
Gründungen in Verdichtungsgebieten können konnte gezeigt werden, dass in Regionen, die
nicht auf direkte Effekte, also eine besonders ein relativ hohes Niveau der Gründungsaktivi-
expansive Entwicklung von dortigen Grün- täten aufweisen, die Verdrängungseffekte we-
dungen zurückgeführt werden (vgl. hierzu sentlich stärker ausgeprägt sind, als in Regio-
7 Abschn. 10.2.3 Standortfaktoren und regiona- nen mit vergleichsweise niedrigen Gründungs-
les Umfeld), sondern sie beruhen so gut wie raten. Schließlich ergeben entsprechende em-
ausschließlich auf entsprechend stark ausge- pirische Analysen, dass die Wachstumseffekte
prägten Unterschieden der indirekten Effek- von Unternehmensgründungen in solchen Re-
te. Dieser Befund, dass die Wachstumseffekte gionen stärker ausgeprägt sind, die eine Tra-
von Gründungen in Verdichtungsgebieten re- dition unternehmerischer Selbständigkeit bzw.
lativ stark ausgeprägt sind, lässt sich auf unter- eine Entrepreneurship-Kultur aufweisen.
schiedliche Weise erklären. Eine solche Erklä- . Abb. 11.4 gibt einen Überblick über ei-
rung wäre, dass Gründungen in großen Städten ne Reihe von Faktoren, die einen Einfluss auf
eine höhere Qualität aufweisen. Da Verdich- die Wirkungen von Unternehmensgründun-
tungsgebiete mit den dort ansässigen Hoch- gen auf die regionale Entwicklung haben kön-
schulen und außeruniversitären Forschungs- nen. Diese regionalen Gegebenheiten wie etwa
einrichtungen über eine breite Wissensbasis die regionale Wissensbasis und die Intensi-
verfügen, und die Wirksamkeit einer solchen tät von Wissens-Spillovern, die Siedlungsstruk-
Wissensbasis in der Regel auf die jeweilige Re- tur, die Qualifikation des Arbeitskräftepotenzi-
gion konzentriert ist, finden auch Gründungen als und die Ergiebigkeit regionaler Inputmärk-
in innovativen und wissensintensiven Wirt- te können Determinanten der Anzahl regio-
schaftszweigen vor allem in solchen Regionen naler Gründungen sowie der Qualität dieser
154 Kapitel 11  Wirkungen von Gründungsprozessen auf wirtschaftliche Entwicklung

Regionales Umfeld

Regionale Standort und Erreichbarkeit Regionale


Entrepreneurship-
Wissensbasis
Kultur
Siedlungsstruktur
Unterstützungs-
Infrastruktur für Branchenspezifisches Umfeld Qualifikation des
Gründungen
Arbeitskräfte-
Marktzutritts- und potenzials
Marktaustrittsbarrieren
Gründungen
Wissens-
Stadium des Spillover
Produkt- Regionale
Lebenszyklus Entwicklung

Etablierte Ergiebigkeit
Anbieter regionaler
Marktstruktur und Inputmärkte
Anzahl und Intensität des
Größe regionaler Technologische Wettbewerbs
Wettbewerber Entwicklung Hochschulen
und
Forschungs-
Branchenstruktur einrichtungen

11
. Abb. 11.4 Potenzielle regionale und branchenspezifische Einflussfaktoren auf die Wirkungen von Unterneh-
mensgründungen

Gründungen sein, und den wirtschaftlichen Branchenunterschiede ist bisher nur sehr wenig
Erfolgs der Newcomer sowie auch die Reak- bekannt.
tion von etablierten Anbietern auf die Her-
ausforderungen durch die neu in den Markt
eintretenden Anbieter prägen. Eingebettet in
11.3.6 Regionale
diese regionalen Umfeldbedingungen sind die
Besonderheiten der jeweiligen Branche. Dies Wachstumsregime
umfasst beispielsweise die branchespezifischen
Marktzutritts- und Marktaustrittsbarrieren, die Regionen können große Unterschiede hin-
Marktstruktur und die Intensität des Wettbe- sichtlich ihrer Wachstumsbedingungen aufwei-
werbs in der betreffenden Branche, die techno- sen, so dass die einzelnen Entwicklungsde-
logische Entwicklung in der Branche sowie das terminanten, wie etwa die durch Gründun-
Entwicklungsstadium der Branche im Produkt- gen ausgelöste Marktdynamik, einen jeweils
Lebenszyklus. anderen Stellenwert haben. Da solche Unter-
Insgesamt weisen die bisher vorliegenden schiede in den regionalen Wachstumsbedin-
empirischen Befunde auf eine große Bedeu- gungen auch jeweils unterschiedliche Problem-
tung des regionalen Umfeldes für das Grün- lagen mit sich bringen, die entsprechend un-
dungsgeschehen und die dadurch ausgelös- terschiedliche wirtschaftspolitische Strategien
ten Wachstumseffekte hin. Über diesbezügliche erforderlich machen, ist es sinnvoll, zwischen
11.3  Der empirische Befund
155 11
verschiedenen Typen regionaler Wachstumsre- Wie stark ist eine Tradition unternehmerischer
gime bzw. regionaler Entrepreneurship-Syste- Selbständigkeit in der Region verankert? Wie
me zu unterscheiden. positiv oder negativ wird unternehmerische
Ein Beispiel für regional unterschiedli- Initiative im sozialen Umfeld bewertet? Inwie-
che Wachstumsbedingungen und somit unter- fern ist die lokale Politik auf die Unterstützung
schiedliche regionale Wachstumsregime waren von Unternehmensgründungen ausgerichtet?
und sind die Verhältnisse in ehemals sozia- Stehen lokale Finanzierungsquellen für unter-
listisch regierten Ländern Mittel- und Osteu- nehmerische Projekte zur Verfügung?
ropas. In Deutschland betrifft dies die ost- Ein weiteres wesentliches Unterscheidungs-
deutschen Regionen der ehemaligen DDR. kriterium könnte die Art der regionalen Wis-
Während in Westdeutschland zum Zeitpunkt sensbasis sein. Beruhen die Geschäftskonzep-
der Vereinigung mit dem östlichen Teil des te und der Erfolg der regionalen Unterneh-
Landes im Jahr 1990 bereits ein wohlor- men vorwiegend auf aktueller Forschung in
ganisiertes und international wettbewerbsfä- den Unternehmen und wissenschaftlichen Ein-
higes marktwirtschaftliches System existierte, richtungen der Region (Beispiel Silicon Valley),
musste ein solches marktwirtschaftliches Sys- oder spielen vor allem handwerkliches Können
tem in den ostdeutschen Bundesländern erst und Branchenerfahrung eine Rolle? Schließ-
etabliert werden. Diese Systemtransformation lich können auch der regionale Verdichtungs-
war mit der Einführung grundlegend anderer grad sowie die wirtschaftsgeographische Lage
rechtlich-institutioneller Rahmenbedingungen sinnvolle Kriterien für die Unterscheidung un-
sowie mit einer radikalen Umwälzung der Un- terschiedlicher Typen regionaler Wachstums-
ternehmenslandschaft verbunden, wobei neu- regime sein. Denn große Verdichtungsgebiete
gegründete Unternehmen eine herausragende und ländlich-periphere Regionen weisen sehr
Rolle gespielt haben. Im Rahmen dieses Pro- wesentliche Unterschiede hinsichtlich der wirt-
zesses hat es ca. 15 Jahre gedauert, bis das schaftlichen Gegebenheiten auf. Dies betrifft
Niveau der unternehmerischen Selbstständig- etwa die Verfügbarkeit und den Preis von Ge-
keit in Ostdeutschland das westdeutsche Ni- werbefläche, das regionale Dienstleistungsan-
veau erreicht hatte (hierzu 7 Abschn. 3.4). Auf- gebot, die Vielfalt und Ergiebigkeit des regiona-
grund solcher wesentlichen Unterschiede hat len Arbeitsmarktes, das Lohnniveau, das Vor-
es sich im Rahmen empirischer Untersuchun- handensein und die Größe von Hochschulen
gen häufig auch als überaus sinnvoll erwie- sowie insbesondere auch die Intensität des re-
sen, diesen unterschiedlichen Wachstumsbe- gionalen Wettbewerbs.
dingungen dadurch Rechnung zu tragen, in- Unterschiedliche regionale Gegebenheiten
dem man Ost- und Westdeutschland jeweils und Problemlagen erfordern jeweils unter-
separat betrachtet. schiedliche politische Konzepte und Maßnah-
Ein anderes mögliches Kriterium zur Un- men. Um den jeweiligen regionalen Gegeben-
terscheidung regionaler Wachstumsregime ist heiten angemessen Rechnung tragen zu kön-
der Stellenwert von Unternehmensgründungen nen, ist es sinnvoll, wesentliche Entscheidungs-
für die wirtschaftliche Entwicklung. Während kompetenzen an regionale Akteure zu dele-
das Wachstum in einigen Regionen stark durch gieren, da diese die regionalen Verhältnisse
neue und junge Unternehmen getrieben ist, am ehesten kennen und bei der Ausgestaltung
sind andere Regionen vor allem vom ökono- von Fördermaßnahmen berücksichtigen kön-
mischen Erfolg bzw. Misserfolg eines oder ei- nen. Eine für alle Regionen einheitliche Strate-
niger weniger Großunternehmen geprägt. Ein gie („one size fits all“-Ansatz) ist angesichts der
wesentlicher Aspekt könnte auch das Vorhan- Vielfalt regionaler Problemlagen wenig sinn-
densein einer unternehmerischen Kultur sein. voll!
156 Kapitel 11  Wirkungen von Gründungsprozessen auf wirtschaftliche Entwicklung

11.4 Zusammenfassung len, dass die positiven Wachstumseffekte von


wesentlicher Ergebnisse Gründungsaktivitäten in Verdichtungsgebieten
deutlich stärker ausgeprägt sind als im ländli-
chen Raum, was vermutlich auf einen im All-
Die Gründung eines Unternehmens stellt einen gemeinen intensiveren Wettbewerb in Verdich-
Marktzutritt dar, durch den die etablierten An- tungsgebieten zurückzuführen ist. Darüber hi-
bieter mehr oder weniger stark herausgefor- naus zeigt sich, dass die positiven Wachstums-
dert werden. Der Effekt von Gründungen auf wirkungen einer Steigerung der Gründungsrate
wirtschaftliches Wachstum ergibt sich aus dem in Regionen mit einem niedrigen Ausgangs-
Wettbewerb der Neugründungen mit den eta- niveau der Gründungsaktivitäten stärker aus-
blierten Unternehmen. Insbesondere langfris- geprägt sind, als in Regionen, die bereits ei-
tig können Gründungen einen deutlich posi- ne relativ hohe Gründungsrate aufweisen. Dies
tiven Effekt auf regionales Wachstum haben, ließe sich als Hinweis darauf interpretieren,
wobei sich diese Wirkungen vor allem aus einer dass der Grenzertrag der Gründungsaktivitäten
Stärkung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit für die Wirtschaftsentwicklung mit ansteigen-
ergeben. Dabei beruhen diese positiven Wachs- der Gründungsrate abnimmt.
tumswirkungen in der Regel weniger auf der Entsprechend den regional unterschiedli-
Entwicklung der Gründungen selbst, sondern chen Wachstumsbedingungen und den Un-
auf der Entwicklung der etablierten Unterneh- terschieden im Effekt von Gründungen auf
men, die von den Gründungen herausgefordert die regionale Entwicklung, kann es sinn-
werden. Dieser positive Effekt des Gründungs- voll sein, zwischen verschiedenen Typen von
geschehens wird in der Regel erst mit einer Wachstumsregimen zu unterscheiden, die je-
Zeitverzögerung von ungefähr fünf bis sechs weils unterschiedliche Entwicklungsbedingun-
Jahren erkennbar; über die kürzere Frist füh- gen repräsentieren und eventuell auch dem-
ren Gründungsaktivitäten eher zu einem Ar- entsprechend unterschiedliche wirtschaftspoli-
11 beitsplatzabbau. Der Effekt der Gründungen tische Strategien erfordern. Einen solchen Typ
beruht wesentlich auf der Funktionsfähigkeit von Wachstumsregime stellen etwa die ehemals
des Marktmechanismus im Sinne eines Survi- sozialistisch regierten Regionen, beispielsweise
val of the Fittest. die ostdeutschen Bundesländer, dar. Als wei-
Je höher die Qualität der Gründungen ist, tere Typisierungsmerkmale wäre etwa an den
desto stärker sind auch die von ihnen aus- regionalen Verdichtungsgrad, die Art und das
gehenden stimulierenden Wirkungen auf den Ausmaß der regionalen Wissensbasis, sowie an
Wettbewerb, und damit der positive Beschäfti- das Vorhandensein einer unternehmerischen
gungseffekt. Dies bedeutet, dass vor allem sol- Tradition bzw. einer Kultur unternehmerischer
che Gründungen für die Wirtschaftsentwick- Selbständigkeit zu denken.
lung von wesentlicher Bedeutung sind, die eine Die nähere Betrachtung solcher unter-
starke Herausforderung für die etablierten Un- schiedlichen Typen von regionalen Wachs-
ternehmen darstellen. Folglich sollte sich die tumsregimen macht deutlich, dass die wirt-
Gründungsförderung insbesondere auf Grün- schaftlichen Bedingungen in diesen Regime-
dungen mit relativ hoher Qualität (z. B. inno- Typen sehr unterschiedlich ausgeprägt sein
vative Gründungen) konzentrieren. können, wobei den Gründungen jeweils eine
Hinsichtlich der Wirkungen von Gründun- wichtige Rolle für die längerfristige wirtschaft-
gen auf Wachstum sind deutliche Unterschie- liche Entwicklung zukommt. Für die Wirt-
de zwischen Regionen feststellbar. Dies zeigt schaftspolitik folgt hieraus die Aufgabe, für ein
an, dass die regionalen Umfeldbedingungen- ausreichendes Niveau regionaler Gründungs-
für die Effekte der Gründungen eine wesent- aktivitäten sowie für eine hinreichende Quali-
liche Rolle spielen. Generell lässt sich feststel- tät der Gründungsprojekte Sorge zu tragen.
Weiterführende Literatur
157 11
11.5 Wesentliche Begriffe zu Die Rolle der Gründungen im Transfor-
Kapitel 11 mationsprozess der Regionen der ehemaligen
DDR wird in Fritsch et al. (2014) und Wyrwich
(2014) herausgearbeitet.
4 Angebotseffekte
4 Effekte von Gründungen
5 direkt Weiterführende Literatur
5 indirekt
4 Innovationen Fritsch, Michael und Alexandra Schroeter (2011): Why
4 Marktselektion Does the Effect of New Business Formation Differ
4 Regionale Wachstumsregime Across Regions? Small Business Economics, 36, 383–
400. https://doi.org/10.1007/s11187-009-9256-9
4 Strukturwandel
Fritsch, Michael (2013): New Business Formation and
4 Survival of the Fittest Regional Development—A Survey and Assessment
4 Verdrängungseffekte of the Evidence. Foundations and Trends in Entre-
4 Vielfalt preneurship, 9, 249–364. https://doi.org/10.1561/
0300000043
Fritsch, Michael, Elisabeth Bublitz, Alina Sorgner und Mi-
chael Wyrwich (2014): How Much of a Socialist Le-
Literaturhinweise gacy? The Re-emergence of Entrepreneurship in the
East German Transformation to a Market Economy.
Small Business Economics, 43, 427–446. https://doi.
Ansätze zur Erklärung des Zusammenhanges
org/10.1007/s11187-014-9544-x
zwischen Gründungsaktivitäten und Entwick- Fritsch, Michael und Florian Noseleit (2013): Investigating
lung sowie Ergebnisse entsprechender empiri- the Anatomy of the Employment Effect of New Busi-
scher Untersuchungen werden ausführlich in ness Formation. Cambridge Journal of Economics, 37,
Fritsch (2013) behandelt. Zur Quantifizierung 349–377. https://doi.org/10.1093/cje/bes030
der direkten Beschäftigungseffekte von Grün- Fritsch, Michael und Javier Changoluisa (2017): New Busi-
ness Formation and the Productivity of Manufactu-
dungen siehe Fritsch und Noseleit (2013) so- ring Incumbents: Effects and Mechanisms. Journal of
wie Schindele und Weyh (2011). Die Wirkun- Business Venturing, 32, 237–259. https://doi.org/10.
gen von Unternehmensgründungen auf die 1016/j.jbusvent.2017.01.004
Produktivität etablierter Anbieter werden von Fritsch, Michael und Michael Wyrwich (2017): The Effect
Fritsch und Changoluisa (2017) eingehend ana- of Entrepreneurship for Economic Development –
An empirical analysis using regional entrepreneur-
lysiert. ship culture. Journal of Economic Geography, 17, 157–
Zu regionalen Unterschieden der Wirkun- 189. https://doi.org/10.1093/jeg/lbv049
gen von Unternehmensgründungen auf die Be- Schindele, Yvonne und Antje Weyh (2011): The Direct
schäftigung siehe Fritsch und Schröter (2011) Employment Effects of New Businesses in Germa-
sowie von Fritsch und Wyrwich (2017). Fritsch ny Revisited – An Empirical Investigation for 1976–
2004. Small Business Economics, 36, 353–363. https://
und Wyrwich (2017) zeigen insbesondere auch doi.org/10.1007/s11187-009-9218-2
einen positiven Zusammenhang zwischen ei- Storey, David J. (1994): Understanding the Small Business
ner regionalen Tradition unternehmerischer Sector. London: Routledge.
Selbständigkeit und den Wachstumswirkungen Wyrwich, Michael (2014): Ready, Set, Go! Why are some
von Unternehmensgründungen auf. regions entrepreneurial jump starters? Annals of Re-
gional Science, 53, 487–513. https://doi.org/10.1007/
s00168-014-0629-x
159 12

Entrepreneurship-Politik

12.1 Gegenstand der Entrepreneurship-Politik – 160

12.2 Ziele der Entrepreneurship-Politik – 161

12.3 Mögliche Begründungen für eine Förderung von


Entrepreneurship – 162
12.3.1 Marktversagen als Begründung von
Entrepreneurship-Politik – 162
12.3.2 Systemversagen als Begründung von
Entrepreneurship-Politik – 164

12.4 Arten, Strategien und Ansatzpunkte für


Entrepreneurship-Politik – 165
12.4.1 Zwei Strategien der Entrepreneurship-Förderung – 165
12.4.2 Ansatzpunkte für eine Entrepreneurship-Politik – 166

12.5 Möglichkeiten zur Förderung innovativer


Gründungen – 168
12.5.1 Noch einmal: Merkmale innovativer Gründungen – 168
12.5.2 Ansatzpunkte speziell zur Förderung innovativer
Gründungen – 169
12.5.3 Ausgewählte Instrumente zur Förderung innovativer
Gründungen – 169
12.5.4 Schlussbemerkung zur Förderung innovativer Gründungen – 173

12.6 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse – 174

12.7 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 12 – 174

Literaturhinweise – 175

Weiterführende Literatur – 175

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_12
160 Kapitel 12  Entrepreneurship-Politik

Wesentliche Fragestellungen 12.1 Gegenstand der


Entrepreneurship-Politik
4 Welche Ziele verfolgt die Entrepreneurship-
Politik?
4 Wodurch können Maßnahmen der Grün- Allgemein umfasst Entrepreneurship-Politik
dungsförderung gerechtfertigt werden? sämtliche politischen Maßnahmen, die mit
Inwiefern liegt hier ein Marktversagen vor? dem bewussten Ziel ergriffen werden, das Aus-
4 Was sind die wesentlichen Ansatzpunkte für maß an Unternehmertum und unternehmeri-
eine Politik zur Förderung von Entrepreneur- sches Verhalten zu beeinflussen. Bewusst des-
ship? halb, um Nebeneffekte von solchen Maßnah-
4 Auf welche Weise kann man die Anzahl und die men auf Unternehmertum auszuschließen, die
Qualität innovativer Gründungen erhöhen? mit anderen Zielsetzungen etwa im Rahmen
von Konjunktur- oder Wettbewerbspolitik ver-
folgt werden. Als direkte Adressaten einer sol-
Gegenstand dieses letzten Kapitels sind zum chen Entrepreneurship-Politik kommen alle
einen wirtschaftspolitische Implikationen aus Personen infrage, die sich unternehmerisch
dem aktuellen Stand der Entrepreneurship- verhalten oder verhalten könnten. Dies umfasst
Forschung. Zum anderen werden Erfahrungen im Wesentlichen Unternehmer sowie potenzi-
mit verschiedenen Maßnahmen zur Förderung elle Unternehmensgründer. Sofern die Entre-
von Entrepreneurship diskutiert. Dabei liegt preneurship-Politik allgemein auf die Einstel-
der Schwerpunkt der Betrachtung bei der För- lung zum Unternehmertum in der Gesellschaft
derung qualitativ hochwertiger, insbesondere abzielt, ist die gesamte Bevölkerung angespro-
innovativer Gründungen, da – wie im vorhe- chen.
rigen Kapitel argumentiert wurde – insbeson- Ausgehend von der Erkenntnis, dass Entre-
dere von diesen Gründungen ein Effekt auf preneurship auch in wesentlichem Ausmaß
die wirtschaftliche Entwicklung erwartet wer- von den gesellschaftlichen Rahmenbedingun-
den kann. Ausgangspunkt ist eine Beschrei- gen, wie beispielsweise der allgemeinen Ak-
12 bung von Entrepreneurship-Politik nach Ge- zeptanz unternehmerischen Verhaltens, ge-
genstand und Zielgruppen (7 Abschn. 12.1); da- prägt ist, liegt ein umfassender Ansatz einer
ran anschließend wird auf die Ziele der Po- Entrepreneurship-Politik nahe, der diverse Be-
litik (7 Abschn. 12.2) und die Rechtfertigung reiche wie etwa Öffentlichkeitsarbeit, den Bil-
von entsprechenden Maßnahmen eingegan- dungssektor sowie die Arbeitsmarktpolitik um-
gen (7 Abschn. 12.3). 7 Abschn. 12.4 behan- fasst. Aus dem Zusammenhang von Grün-
delt verschiedene Arten, Strategien und An- dungsaktivitäten mit Innovationsprozessen er-
satzpunkte der Entrepreneurship-Politik und gibt sich auch eine enge Beziehung zwischen
7 Abschn. 12.5 berichtet von den Erfahrungen Entrepreneurship- und Innovationspolitik.
mit der Förderung innovativer Gründungen. Je nach Zielgruppe lassen sich verschie-
Schließlich werden wesentliche Ergebnisse zu- dene Teilbereiche der Entrepreneurship-Poli-
sammengefasst und Schlussfolgerungen für ei- tik unterscheiden. Als ein Vorläufer eines mo-
ne primär auf die Förderung von wirtschaftli- dernen Verständnisses von Entrepreneurship-
cher Entwicklung gerichtete Entrepreneurship- Politik kann die Mittelstandspolitik angese-
Politik gezogen (7 Abschn. 12.6). hen werden, die auf besondere Probleme von
12.2  Ziele der Entrepreneurship-Politik
161 12
kleinen und mittelgroßen Unternehmen zielt. tum und Wohlstand erreicht werden kann.1
Eng damit verknüpft ist die Gründungsför- Andere häufig genannte Ziele, wie zum Beispiel
derung, die sowohl als allgemeine Politik als die Integration von Arbeitslosen in den Wert-
auch in Form von zielgruppenorientierten Pro- schöpfungsprozess, die Förderung des Wett-
grammen betrieben wird. Zielgruppenorien- bewerbs durch Stimulierung von Marktzutrit-
tierte Programme sind auf die spezifischen Pro- ten, die Innovationsförderung, die Verbesse-
blemlagen und Bedürfnissen einzelner Grup- rung der kommerziellen Verwertung von Wis-
pen von potenziellen Gründern, wie z. B. Frau- sen durch Ausgründung aus Ausbildungs- und
en, Migranten und Arbeitslose, ausgerichtet. Forschungseinrichtungen oder die Förderung
Relativ häufig finden sich hier spezielle Pro- von regionaler Diversifikation und Struktur-
gramme für potenzielle Gründer innovativer wandel, stellen Unterziele des Wachstumsziels
Unternehmen (siehe 7 Abschn. 11.5). dar. Die Förderung von Unternehmertum als
Die empirischen Erkenntnisse zu den Wir- Erwerbsform oder allgemein die Entwicklung
kungen von Entrepreneurship auf wirtschaft- hin zu einer mehr unternehmerischen Gesell-
liche Entwicklung zeigen klar, dass die positi- schaft, dient dem gesellschaftlichen Oberziel
ven Wachstumseffekte von Gründungen nicht der Freiheit. Sofern von Handlungsfreiheit und
kurzfristig, sondern erst nach einigen Jah- der damit verbundenen Möglichkeit zur Entfal-
ren erkennbar werden. Darüber hinaus er- tung persönlicher Potenziale Wohlstandswir-
weist sich das Niveau der Gründungsaktivitä- kungen erwartet werden können, fördern die
ten in einer Region bzw. Gesellschaft als lang- entsprechenden Maßnahmen letztendlich auch
fristig recht konstant, was wohl nicht zuletzt Wachstum und Wohlstand.
eine entsprechende regionale bzw. nationa- Aus der dominanten Stellung des Wohl-
le Entrepreneurship-Kultur widerspiegelt. Dies standszieles für die Entrepreneurship-Politik
spricht dafür, Entrepreneurship als eine dauer- könnte man ableiten, dass sich die Gründungs-
hafte Ressource, als eine Art Entrepreneurship- förderung vor allem auf solche Projekte kon-
Kapital anzusehen, wobei Gründungsförde- zentrieren sollte, von denen positive Wachs-
rung eine Investition in diese Ressource dar- tumswirkungen zu erwarten sind. Nach den
stellt. Sowohl aus den langen Wirkungszeiträu- vorliegenden Erkenntnissen sind dies insbe-
men von Gründungen als auch aus der Persis- sondere innovative und anderweitig qualitativ
tenz des Niveaus von Entrepreneurship folgt, hochwertige Gründungen, die eine signifikan-
dass eine entsprechende Politik langfristig te Herausforderung für die etablierten Unter-
angelegt sein sollte. Insbesondere Maßnah- nehmen darstellen. Es ist allerdings eine offene
men, die auf eine Steigerung des Niveaus der Frage, inwiefern die Entstehung solcher hoch-
Entrepreneurship-Aktivitäten abzielen, dürften
in der Regel erst längerfristig erkennbare Ef- 1
Stellvertretend sei hier auf drei Dokumente der
fekte haben, die dann aber wahrscheinlich sehr Europäischen Kommission zur Entrepreneurship-
nachhaltig sind. Schnelle Erfolge sind von der Politik verwiesen, nämliche auf das Strategie-Papier
Entrepreneurship-Politik kaum zu erwarten. „Europe 2020 – A strategy for smart, sustainable and
inclusive growth“ vom März 2010 (7 http://eur-lex.
europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2010:2020:
FIN:EN:PDF), die Kommunikation der Europäischen
12.2 Ziele der Kommission „Entrepreneurship 2020 Action Plan:
Reigniting the entrepreneurial spirit in Europe“ vom
Entrepreneurship-Politik Januar 2013 (7 https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/
LexUriServ.do?uri=COM:2012:0795:FIN:en:PDF) sowie den
In den vorliegenden politischen Zielformulie- „Strategic Plan 2016–2020“ (7 http://ec.europa.eu/
atwork/synthesis/amp/doc/grow_sp_2016-2020_en.pdf ).
rungen wird die Förderung von Entrepreneur- Einen Überblick über mögliche Ziele und Arten
ship vor allem damit begründet, dass hiermit von Entrepreneurship-Politik bieten Lundström und
eine Steigerung bzw. Absicherung von Wachs- Stevenson (2007).
162 Kapitel 12  Entrepreneurship-Politik

wertigen Gründungen nicht wesentlich durch 7 Abschn. 12.3.2 geht dann auf mögliche Be-
ein allgemein unternehmerfreundliches Um- gründungen aus systemischer Perspektive ein.
feld und damit auch von der Existenz weni-
ger hochwertiger Gründungen begünstigt wird.
Insbesondere könnten auch weniger hochwer- 12.3.1 Marktversagen als
tige Unternehmen eine wichtige Rolle als Quel-
Begründung von
le von Peer-Effekten und für die Verstetigung
einer Entrepreneurship-Kultur spielen. Entrepreneurship-Politik

Möglichen Ursachen für eine unbefriedigen-


de Funktionsweise des Marktes, mit denen
12.3 Mögliche Begründungen für sich Entrepreneurship-Politik begründen ließe,
eine Förderung von sind positive externe Effekte, Unteilbarkeits-
Entrepreneurship Probleme, Marktmacht, asymmetrische Infor-
mation sowie Unsicherheit. Im Folgenden wer-
den diese möglichen Ursachen für ein Markt-
Die Rechtfertigung der Entrepreneurship- versagen in Bezug auf Entrepreneurship näher
Politik mit dem Wachstumsziel ist aus erläutert.
mindestens zweierlei Gründen verkürzt und Ganz allgemein besteht ein positiver exter-
damit unbefriedigend. Denn für eine Be- ner Effekt darin, dass ein Akteur für die Nutzen,
gründung staatlicher Eingriffe ist erstens zu die er erzeugt, nicht hinreichend entlohnt wird.
fragen, inwiefern diese Maßnahmen überhaupt Im Rahmen des ökonomischen Grundmodells
notwendig sind und ob nicht die Aktivitä- der vollständigen Konkurrenz lässt sich zei-
ten privater Akteure von sich aus für ein gen, dass durch solche positiven externen Ef-
ausreichendes bzw. „richtiges“ Maß an Entre- fekte die Anreize zur entsprechende Aktivi-
preneurship sorgen. Entsprechend wäre als tät – hier: Entrepreneurship bzw. Unterneh-
Begründung für die Notwendigkeit politischer mensgründungen – aufgrund unvollständiger
12 Eingriffe zu zeigen, wieso die Marktsteuerung Entlohnung zu niedrig sind. Aus diesem Grun-
ohne einen staatlichen Eingriff versagt und so- de finden dann zu wenige Unternehmensgrün-
mit zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. dungen statt. Um dieses Marktversagen zu ver-
Zweitens bietet die Erkenntnis, dass Entre- ringern, ist es für die Politik gerechtfertigt und
preneurship förderlich für Innovation und sinnvoll, Gründungsaktivitäten zu unterstüt-
Wachstum ist, noch keine Hinweise darauf, zen. Folgende Arten von positiven externen Ef-
aus welchen Gründen der Markt versagt und fekten können durch Unternehmensgründun-
wo wirkungsvolle staatliche Gegenmaßnah- gen erzeugt bzw. verstärkt werden:
men sinnvollerweise ansetzen sollten. 4 Eine erfolgreiche Gründung generiert Wis-
Für eine solche Analyse der Funktionsfä- sen über die Tragfähigkeit einer Geschäfts-
higkeit der Wirtschaft in Bezug auf Entrepre- idee bzw. eines neuen Produktes. Hiervon
neurship lassen sich zwei aufeinander aufbau- können Nachahmer profitieren, ohne dass
ende Ansätze unterscheiden. Zunächst ist zu sie dafür eine entsprechende Gegenleistung
fragen, inwiefern in Bezug auf Entrepreneur- erbringen müssen. Dies gilt insbesondere
ship ein Marktversagen vorliegt. Darüber hi- für Gründungen, die mit einem innovati-
naus sollte geklärt werden, inwiefern systemi- ven Angebot in den Markt eintreten: Der
sche Schwächen bzw. Fehlfunktionen vorliegen, ökonomische Erfolg eines neuen Produktes
die mit den üblichen Kategorien für ein Markt- oder einer neuen Dienstleistung signalisiert
versagen nicht erfasst werden. Im Folgenden anderen Akteuren, dass ein entsprechen-
behandelt 7 Abschn. 12.3.1 die Begründung von der Markt vorhanden ist und stimuliert so-
Entrepreneurship-Politik mit Marktversagen; mit Nachahmer. Auch ein Misserfolg einer
12.3  Mögliche Begründungen für eine Förderung von Entrepreneurship
163 12
Gründung erzeugt Wissen, und zwar darü- Probleme asymmetrischer Information kön-
ber, dass die zugrunde liegende Idee in der nen im Rahmen von Gründungsprozessen in
umgesetzten Art und Weise nicht ökono- mehrfacher Hinsicht relevant sein.
misch tragfähig ist. Die Anstrengungen des 4 Asymmetrische Information ist eine we-
Unternehmers, der dieses Wissen erzeugt, sentliche Ursache für ein Versagen des
werden über den Marktmechanismus nicht Marktes für Gründungskapital in Form
kompensiert. von Kreditrationierung (ausführlich hierzu
4 Ein weiterer positiver externer Effekt von 7 Abschn. 7.2). Dabei besteht das Grund-
Gründungen kann darin bestehen, dass sie problem darin, dass ein potenzieller Kre-
als praktisches Rollenmodell für Unterneh- ditgeber das Risiko eines Kreditausfalls nur
mertum Peer-Effekte generieren, die meist ungenau einschätzen kann. Im Ergebnis ist
zu einer Anregung der Gründungstätigkeit dann das Ausmaß der Kreditvergabe zu ge-
führen. ring. Besonders gravierend ist dieses Prob-
4 Sofern Ausgründungen aus etablierten Un- lem in Kombination mit hoher Unsicher-
ternehmen oder aus Forschungseinrichtun- heit in Bezug auf die Frühphasenfinan-
gen mit einer kommerziellen Verwertung zierung innovativer Unternehmen (Seed-
von Wissen verbunden sind, das ohne die Finanzierung).
Gründung ungenutzt brachliegen würde, 4 Probleme asymmetrischer Information
werden potenzielle positive externe Effekte führen auch zu einer unzureichenden
von Forschungs- und Entwicklungsaktivi- Funktionsweise von Märkten für Wissen.
täten erst faktisch wirksam. Viele potenzielle Unternehmensgründer
benötigen eingehende Gründungsberatung
Unteilbarkeit von Ressourcen (ökonomisch prä- bzw. Coaching, insbesondere wenn es sich
ziser: die Subadditivität von Kostenfunktio- um innovative Gründungsprojekte handelt.
nen) ist die Ursache dafür, dass ein Unterneh- Für einen Gründer, der solche Beratungs-
men erst ab einer bestimmten Mindestgröße leistungen in Anspruch nehmen will, kann
am Markt längerfristig wettbewerbsfähig sein ein wesentlicher Engpass darin bestehen,
kann. Stellt diese mindestoptimale Größe ein dass er die Qualifikation eines Gründungs-
wesentliches Hindernis für neue Anbieter dar, beraters bzw. Coaches nicht hinreichend
dann verfügen die am Markt etablierten Fir- genau einschätzen kann. Zur Lösung dieses
men eventuell über Marktmacht. Marktmacht Problems wäre etwa an eine Zertifizierung
eröffnet Spielräume zur Ausbeutung der Nach- von Beratern zu denken, durch die eine
frager durch eine zu geringe Angebotsmen- gewisse Mindestqualität gesichert wird.
ge und überhöhte Preise, was zu Wohlfahrt-
seinbußen führt. Zudem kann Marktmacht Wie bereits vielfach hervorgehoben wurde, ist
die Leistungsanreize wesentlich mindern und die Gründung eines Unternehmens mit ver-
dazu missbraucht werden, den Markteintritt schiedenen Arten von Risiken behaftet. Dabei
von Konkurrenten zu be- oder verhindern. lassen sich zwei Arten von Unsicherheit unter-
Die Gründungsförderung kann dazu beitragen, scheiden. Erstens, die Unsicherheiten im wirt-
dass die auf einem Markt gegebene mindest- schaftlichen Umfeld, und zweitens, die Unsi-
optimale Unternehmensgröße von mehr Grün- cherheit eines potenziellen Gründers über die
dungen erreicht wird. Der dadurch bewirkte eigenen unternehmerischen Fähigkeiten.
intensivere Wettbewerb führt dann zu einer 4 Der Umgang mit Unsicherheit des wirt-
Verminderung der Marktmacht etablierter An- schaftlichen Umfeldes stellt einen Kernbe-
bieter und damit in der Regel zu mehr Effizienz reich unternehmerischer Tätigkeit dar. Die-
und Wohlstand. se Unsicherheiten sind Quelle von Chan-
164 Kapitel 12  Entrepreneurship-Politik

cen und Risiken unternehmerischen Han- Konkurrenz, das einer Marktversagensanalyse


delns. Aus diesem Grunde wäre die voll- zugrunde liegt. Erstens ist das Modell der voll-
ständige Beseitigung solcher Unsicherhei- ständigen Konkurrenz im Kern ein statischer
ten kein sinnvolles Ziel der Politik. Die Po- Ansatz, der dynamische Phänomene wie In-
litik könnte aber dazu beitragen, unnötige vestitionen, Innovation, Lernen und Wissens-
Turbulenzen zu vermeiden, indem sie bere- vermehrung im Zweifel nicht adäquat abbil-
chenbar ist und stabile Rahmenbedingun- det. Zweitens setzt das Modell der vollständi-
gen schafft. gen Konkurrenz die Existenz von Institutio-
4 Unsicherheit über die eigenen unternehme- nen, wie sie etwa die herrschenden rechtlichen
rischen Fähigkeiten kann dazu führen, dass Regeln darstellen, einfach voraus. Gelten die
Gründungen unzureichend vorbereitet sind Annahmen des Modells der vollständigen Kon-
oder dass solche Personen ein Unterneh- kurrenz, so findet der Markt innerhalb eines
men gründen, die aufgrund ihrer Persön- jeden institutionellen Rahmens ein Optimum.
lichkeitsmerkmale hierfür relativ schlecht Aus diesem Grunde ist es allenfalls nur sehr
geeignet sind. Ziel der Politik sollte es beschränkt möglich, die Angemessenheit von
sein, potenzielle Gründer auf Defizite auf- Institutionen auf der Grundlage dieses Modells
merksam zu machen und entsprechende zu analysieren.
Fortbildungsangebote zu machen. Weiter- Diesen Defiziten der Marktversagens-
hin könnte die Politik darauf hinzuwirken analyse versucht der systemische Ansatz
versuchen, dass Unternehmensgründungen Rechnung zu tragen, der die Funktionsfä-
durch hierfür wenig geeignete Personen higkeit nationaler, sektoraler oder regionaler
möglichst unterbleiben. Entrepreneurship-Systeme zum Gegenstand
hat (hierzu 7 Abschn. 8.7). Neben dem Bemü-
Wie diese Ausführungen zeigen, folgen aus der hen, die Determinanten von Entrepreneurship
Analyse von möglichem Marktversagen in Be- möglichst in ihrer Gesamtheit zu erfassen,
zug auf Unternehmensgründungen eine ganze besteht ein wesentliches Kennzeichen dieses
Reihe von Argumenten für eine Gründungs- Ansatzes darin, die Komplementaritäten und
12 förderung. Aus einigen dieser Marktversagens- Wirkungszusammenhänge zwischen den rele-
Tatbestände – etwa aus der Begründung für vanten Faktoren zu erfassen. Dabei besteht ein
Gründungsförderung mit Problemen asymme- wesentliches Ziel darin, die Engpässe für Entre-
trischer Information und Unsicherheit – lassen preneurship und Wachstum zu identifizieren.
sich bereits recht konkrete Anhaltspunkte für Anders als in der Theorie des Marktversagens,
ursachenadäquate Eingriffe ableiten. lässt sich auf der Grundlage dieses Ansatzes
in der Regel kein Optimum bestimmen. Viel-
mehr bleibt die Dosierung der erwünschten
12.3.2 Systemversagen als politischen Eingriffe offen.
In der Literatur werden insbesondere fol-
Begründung von
gende Fälle eines Systemversagens angeführt,
Entrepreneurship-Politik die über ein reines Marktversagen hinausrei-
chen:
Die Begründung staatlicher Politik mit einem 4 Inadäquate formale Institutionen können
Marktversagen liefert zwar eine Reihe von Hin- etwa Regelungen des Arbeitsrechts (z. B.
weisen für ein sinnvolles Eingreifen, legt aber Konkurrenzschutz-Klauseln, Kündigungs-
nur einen Teil der bestehenden Funktionsde- schutz), ungerechtfertigte Marktzutritts-
fizite und des sich daraus ergebenden Hand- regulierungen (z. B. unangemessen hoher
lungsbedarfs offen. Die wesentliche Ursache Aufwand für eine Gründung), des Steuer-
für diese Unvollständigkeit besteht in zwei Be- rechts oder unzweckmäßige Regelungen
schränkungen des Modells der vollständigen des Insolvenzrechts betreffen. Weiterhin
12.4  Arten, Strategien und Ansatzpunkte für Entrepreneurship-Politik
165 12
können sich Regulierungen im Finanzsek- 12.4 Arten, Strategien und
tor als hemmend für die Herausbildung Ansatzpunkte für
eines Marktes für Venture Capital erweisen. Entrepreneurship-Politik
Ein Problem kann auch darin bestehen,
dass die verschiedenen institutionellen
Regelungen nicht miteinander harmonie- 12.4.1 Zwei Strategien der
ren. Ein Beispiel hierfür wäre etwa die Entrepreneurship-
Förderung der Vergabe von Venture Ca- Förderung
pital bei gleichzeitig stark beschränkten
Möglichkeiten zum Verkauf von Unterneh-
mensbeteiligungen. Man kann ganz allgemein zwei Grundausrich-
4 Unzureichende Wissensbasis. Da viele Ar- tungen einer Förderung von Entrepreneurship
ten von Entrepreneurship – insbesondere unterscheiden. Dabei handelt es sich um:
innovative Gründungen – auf dem vorhan- 1. die Förderung von unternehmerischen Fä-
denen Wissen beruhen, kann eben diese higkeiten und der Neigung zu unterneh-
Wissensbasis einen wesentlichen Engpass merischer Selbstständigkeit (Enabling Poli-
für Anzahl und Qualität der entstehenden cies) sowie
Gründungen darstellen. Die Politik müsste 2. die Unterstützung von jungen Unterneh-
in diesem Falle nach Möglichkeiten suchen, men nach erfolgter Gründung (Supporting
die Wissensbasis zu erweitern, um damit Policies), etwa durch rechtliche Ausnahme-
die Entstehung von unternehmerischen Ge- regelungen (z. B. im Arbeits- oder im Steu-
legenheiten zu fördern. errecht) oder durch direkte Subventionen.
4 Unzureichende Qualifikationen und Fähig-
keiten des Erwerbspersonenpotenzials sowie Sofern im Rahmen dieser zweiten Strategien
unzureichende Entrepreneurship-Kultur. marktaktive Unternehmen unterstützt werden,
Bei relativ schwach ausgeprägten unter- besteht die Gefahr einer Beeinträchtigung der
nehmerischen Fähigkeiten, insbesondere Marktselektion im Sinne eines Survival of the
auch, wenn unternehmerische Gelegenhei- Fittest. Wie bei der Darstellung der Wirkun-
ten nicht erkannt werden oder der Wille gen von Gründungsprozessen auf wirtschaftli-
zu ihrer Umsetzung fehlt, werden die Po- ches Wachstum betont wurde, kann eine solche
tenziale der regionalen Wissensbasis nur Verzerrung der Marktselektion die Entstehung
unzureichend ausgeschöpft. Dies kann positiver indirekter Effekte wesentlich beein-
insbesondere auch viele derjenigen Fak- trächtigen (siehe hierzu 7 Abschn. 11.2). In der
toren betreffen, die unter dem Begriff der förderungspolitischen Praxis spielt eine Sub-
Entrepreneurship-Kultur zusammenge- ventionierung von Gründungen bzw. jungen
fasst werden, wie etwa die Einstellungen Unternehmen allerdings nur eine untergeord-
der Bevölkerung zu Entrepreneurship nete Rolle. Findet eine solche Förderung statt,
und die allgemeine Wertschätzung un- so ist das Ausmaß der Unterstützung in der
ternehmerischer Tätigkeit (siehe hierzu Regel derart gering, dass mit keiner wesentli-
7 Abschn. 5.4.4). Bei einer solchen Kon- chen Allokationsverzerrung durch die Politik
stellation besteht der Engpass nicht zu rechnen ist. Die Supporting Policies bilden
in einer unzureichenden Wissensbasis; einen Übergang von der Gründungsförderung
vielmehr müsste die Entrepreneurship- zur allgemeinen Unterstützung der Wirtschaft,
Förderung in diesem Fall versuchen, die wie sie etwa im Rahmen von Regionalförde-
unternehmerischen Fähigkeiten der Bevöl- rung erfolgt.
kerung zu verbessern und die allgemeine Einen Grenzfall, der zwischen diesen bei-
Entrepreneurship-Kultur zu stimulieren. den Strategien liegt, stellt die Unterstützung
166 Kapitel 12  Entrepreneurship-Politik

von hoch-innovativen Gründungen vor dem dann u.U. die Gründungsneigung in der
Marktzutritt dar, also z. B. die kostenlose Bevölkerung stimuliert. Dies beinhaltet ins-
Bereitstellung von Laboreinrichtungen, die besondere die Vermittlung von Grundkennt-
Zuschüsse zum Lebensunterhalt des Grün- nissen über ökonomische Zusammenhänge
ders (Gründerstipendium), die Übernahme und eines realistischen Unternehmerbildes,
der Kosten für eine Patentanmeldung, etc. die Kommunikation von unternehmerischen
Zwar finden solche Formen der Unterstüt- Rollenmodellen sowie die Stimulierung von
zung vor der Markteinführung des innovativen Peer-Effekten. Ein weiteres mögliches Ziel der
Produktes statt, dennoch kann ein Problem Entrepreneurship-Politik besteht in der Ver-
darin gesehen werden, dass das neue Unter- besserung der unternehmerischen Fähigkeiten
nehmen durch die Subventionierung der vor von aktuell und potenziell Selbstständigen.
einem Markteintritt erforderlichen Aufwen- Konkrete Maßnahmen wären hier etwa die
dungen einen Vorteil gegenüber etablierten Vermittlung unternehmerischer Fähigkeiten
Konkurrenten erlangt. Die Gefahr einer Ver- in Schule, Hochschule und Berufsausbildung,
zerrung der Marktallokation durch diese Form sowie die Schaffung einer Infrastruktur von
der Förderung ist im Falle hoch-innovativer leicht zugänglichen Beratungs- und Coa-
Gründungen allerdings weit weniger gravie- chingangeboten sowohl für Gründer als auch
rend als bei nicht-innovativen Gründungen, da für bereits längere Zeit tätige Unternehmer.
der Markt bzw. das Marktsegment für das neue Maßnahmen zur Erhöhung der Anreize für
Produkt im Zweifel noch gar nicht existiert. unternehmerische Selbstständigkeit zielen auf
Ein mögliches Problem einer Gründungs- die im Rahmen des Entrepreneurial Choice
förderung könnte darin bestehen, dass der Po- relevanten Erträge und Kosten. Dies betrifft
litik im Falle eines Scheiterns eine Mitschuld vor allem die von der Politik beeinflussba-
gegeben wird. Im Extremfall könnte sich die ren institutionellen Rahmenbedingungen. Von
Gründungsförderung dem Vorwurf ausgesetzt grundlegender Bedeutung ist hier die Regulie-
sehen, dass sie Menschen dazu verleitet, leicht- rung des Marktzutritts, die festlegt, unter wel-
sinnig ihre Lebensersparnisse zu verspielen chen Bedingungen ein Marktzutritt überhaupt
12 und dabei eher Schaden anrichtet als Nutzen rechtlich zulässig ist (z. B. Meisterqualifikation
stiftet. Gründungsförderung ist also nicht in je- in Handwerksberufen) und mit welchen Kos-
der Form und Intensität positiv zu beurteilen. ten er verbunden ist. Dies betrifft auch even-
Es kommt sehr auf die Art und Weise sowie auf tuell bestehende Konkurrenzschutz-Klauseln
die Intensität an, mit der diese Förderung be- in Arbeitsverträgen, die Spin-off-Gründungen
trieben wird. verhindern können. Für die Höhe des persön-
lichen Einkommens des Unternehmers direkt
relevant sind die Höhe der Einkommens- und
der Unternehmenssteuern sowie der Kosten
12.4.2 Ansatzpunkte für eine
der sozialen Absicherung. Die Arbeitsmarktre-
Entrepreneurship-Politik gulierung etwa in Form der Regelung des Kün-
digungsschutzes betrifft direkt die Handlungs-
. Übersicht 12.1 zeigt die wesentlichen An- möglichkeiten als Unternehmer. Administrati-
satzpunkte der Entrepreneurship-Politik. Es ve Belastungen umfassen neben dem mit einer
sind fünf Bereiche unterschieden, wobei sich Gründung verbundenen bürokratischen Auf-
die Reihenfolge der Nennung an den Pha- wand die bestehenden statistischen und steuer-
sen des Entrepreneurship-Prozesses (siehe lichen Berichtspflichten.
7 Abschn. 5.1) orientiert. Demnach kann ein Weitere institutionelle Rahmenbedingun-
grundlegendes Ziel der Entrepreneurship- gen die für die Entscheidung über unterneh-
Politik in der Schaffung bzw. Unterstützung merische Selbstständigkeit wichtig sein kön-
einer Entrepreneurship-Kultur bestehen, die nen, sind das Erbrecht sowie insbesondere die
12.4  Arten, Strategien und Ansatzpunkte für Entrepreneurship-Politik
167 12

. Übersicht 12.1 Ansatzpunkte einer Entrepreneurship-Politik

Schaffung bzw. Unterstützung einer Entrepreneurship-Kultur


– Erhöhung der Gründungsneigung
– Vermittlung von Grundkenntnissen über ökonomische Zusammenhänge
– Vermittlung eines realistischen Unternehmerbildes
– Kommunikation von unternehmerischen Rollen-Modellen/Stimulierung von Peer-Effekten

Verbesserung von unternehmerischen Fähigkeiten


– Allgemeine Schulbildung
– Traditionelle Management-Ausbildung
– Entrepreneurship Ausbildung
– Beratungs-Infrastruktur, insbesondere auch Angebote von Coaching

Erhöhung der Anreize für unternehmerische Selbständigkeit


– Verminderung von Markteintritts-Barrieren und Abbau unnötiger Regulierungen
– Unternehmenssteuern
– Persönliche Einkommenssteuer
– Kosten der sozialen Absicherung (Sozialversicherungssystem)
– Arbeitsmarktregulierung (z.B. Kündigungsschutz)
– Verringerung der administrativen Belastung für Unternehmen (z.B. Berichtspflichten)
– Vermögens- und Erbschaftssteuern
– Marktaustrittsregulierung (Insolvenzrecht)
– Subventionen

Schaffung unternehmerischer Gelegenheiten


– Erleichterung des Marktzugangs
– Förderung von Forschung und Entwicklung sowie des Technologie-Transfers
– Beeinflussung des Niveaus der privaten Nachfrage
– Öffentlich Beschaffung

Verfügbarkeit von Kapital


– Regulierung des Kapitalmarktes
– Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kapitalmärkte, Venture Capital und Buyouts
– Bereitstellung von Seed-Kapital durch staatliche Stellen
– Kredite und Subventionen

Verbesserung der Funktionsfähigkeit der nationalen und der regionalen Entrepreneurship-Systeme


– Überprüfung der Vollständigkeit des Entrepreneurship-Systems
– Stärkung der Zusammenarbeit der für Entrepreneurship relevanten Akteure

Marktaustrittsregulierung, also z. B. die Ausge- die Vorgehensweise bei der Beschaffung


staltung des Insolvenzrechts, die wesentlichen durch die öffentliche Hand beeinflussen (z. B.
Einfluss auf die mit einem Scheitern einer Un- durch systematische Bevorzugung bestimmter
ternehmung verbundenen Kosten hat. Schließ- Produkte). Ist eine unternehmerische Gelegen-
lich sind hier Subventionen für marktaktive heit erkannt, so kann die Verfügbarkeit von
Unternehmen im Rahmen einer Supporting Kapital einen wesentlichen Engpass bei deren
Policy zu nennen. Umsetzung sein. In diesem Zusammenhang
Eine wichtige Stoßrichtung der Politik sind alle Maßnahmen relevant, die auf eine
kann die Schaffung unternehmerischer Gele- Überwindung von Kreditrationierung bzw. auf
genheiten sein, wobei der Marktöffnung sowie die Verfügbarkeit von Gründungskapital ge-
der F&E-Förderung und dem Technologie- richtet sind. Konkret umfasst dies insbesondere
transfer eine wesentliche Rolle zukommt. die Regulierung des Kapitalmarktes, die Bereit-
Unternehmerische Gelegenheiten lassen sich stellung von Seed-Kapital, steuerliche Aspekte
auch durch Nachfragesteuerung sowie durch sowie Subventionen und Bürgschaften.
168 Kapitel 12  Entrepreneurship-Politik

Die meisten der hier genannten Bereiche ei- handen sind und das Unternehmen daher
ner Entrepreneurship-Politik sind klar der Stra- auch keine Zinsen und Tilgungszahlungen
tegie der Förderung von Gründungsneigung erwirtschaften kann. Darüber hinaus verfü-
und Gründungsfähigkeiten (Enabling Policies) gen die Gründer in der Regel kaum über
zuzuordnen. Nur sehr wenige dieser Maßnah- ausreichend Eigenkapital, das als Sicherheit
menbereiche beinhalten eine besondere Unter- für den Kredit dienen könnte. Die Lösung
stützung junger Unternehmen nach erfolgter für dieses Problem besteht in der Beteili-
Gründung (Supporting Policies), etwa durch gungsfinanzierung mit Venture Capital. Ein
direkte Subventionen. wesentliches Problem hierbei ist, dass pri-
vate VC-Geber in der frühen Entwicklungs-
phase einer innovativen Gründung (Seed-
12.5 Möglichkeiten zur Förderung Phase) sehr zurückhaltend sind und man
innovativer Gründungen daher von einem Marktversagen aufgrund
von asymmetrischer Information und Un-
sicherheit sprechen kann.
12.5.1 Noch einmal: Merkmale
4 Häufig haben innovative Gründer in-
innovativer Gründungen tensiven Beratungsbedarf, sowohl hin-
sichtlich der Technologie als auch im
Die Bedeutung innovativer Gründungen kaufmännischen Bereich. Die erforder-
für wirtschaftliche Entwicklung wurde be- liche Betreuung (Coaching) innovativer
reits mehrfach hervorgehoben. Innovative Gründer geht weit über die normale Grün-
Gründungen können in besonderem Maße dungsberatung nicht-innovativer Gründer
eine Herausforderung für etablierte Firmen hinaus. Oft können die Probleme nicht
darstellen und aus diesem Grunde relativ in- von einem einzelnen Spezialisten allein,
tensive Wachstumsimpulse generieren. Die sondern nur in Zusammenarbeit inner-
üblichen Instrumente zur Förderung von halb eines Netzwerkes von Spezialisten
nicht-innovativen Gründungen greifen für angemessen gelöst werden.
12 innovative Gründungsvorhaben zu kurz. Die 4 Der ganz überwiegende Anteil der Gründer
Ursachen hierfür liegen in den typischen Merk- innovativer Unternehmen hat einen Hoch-
malen innovativer Gründungen, die bereits schulabschluss oder hat zumindest einige
bei der Behandlung von Venture Capital als Zeit lang an einer Hochschule studiert. Dies
Gründungsfinanzierung (7 Abschn. 7.4.1) an- weist auf die wichtige Rolle des an den
gesprochen wurden. Diese Besonderheiten Hochschulen vorhandenen Wissens für in-
innovativer Gründungen bestehen vor allem novative Gründungen bzw. auf die Bedeu-
hinsichtlich folgender Punkte: tung eines Hochschulstudiums als Qualifi-
4 Es liegt noch kein ausgereiftes und markt- kation für Gründer innovativer Unterneh-
fähiges Produkt vor. Nicht selten existiert men hin. Allerdings erfolgt die Gründung
lediglich ein vages Konzept, dessen Weiter- in der Regel nicht direkt aus der Hochschu-
entwicklung bis zu einem Prototyp erhebli- le heraus, sondern nach einer längeren Zeit
che Forschungs- und Entwicklungsaufwen- der Berufstätigkeit, wenn der Kontakt zur
dungen erfordert, die mit einem relativ ho- Hochschule im Zweifel bereits abgerissen
hen Risiko des Scheiterns behaftet sind. Für ist.
eine Entwicklung bis zur Marktreife besteht
erheblicher Finanzierungsbedarf. Wie bereits im Rahmen der Übersicht über
4 Für eine Finanzierung innovativer Grün- die sektorale Struktur des Gründungsgesche-
dungsprojekte bis zur Marktreife des Pro- hens dargestellt (7 Abschn. 3.5), machen hoch-
duktes ist Kreditfinanzierung weitgehend innovative Gründungen lediglich einen kleinen
ungeeignet, da noch keine Umsätze vor- Bruchteil sämtlicher Gründungen aus.
12.5  Möglichkeiten zur Förderung innovativer Gründungen
169 12
12.5.2 Ansatzpunkte speziell zur Ein wesentlicher Zweck derartiger mehr-
Förderung innovativer stufiger Businessplan-Wettbewerbe besteht
Gründungen darin, möglichst frühzeitig einen Kontakt
zu potenziellen Gründern aufzubauen und
sie bei ihrem Projekt zu betreuen. Insbeson-
Die allgemeinen Maßnahmen der Entrepre- dere kann der Gründer durch einen mehr-
neurship-Förderung wie etwa die Schaffung stufigen Aufbau gezieltes Feedback zu ein-
allgemein günstiger institutioneller Rahmen- zelnen Phasen des Gründungsprozesses er-
bedingungen, Bildung und Förderung unter- halten.
nehmerischer Fähigkeiten sowie die Schaffung 4 Sicherstellung eines gut funktionsfähigen
einer unternehmerfreundlichen Kultur, dürf- Marktes für Beteiligungskapital (VC) er-
ten sich auch positiv auf Anzahl und Quali- gänzt um öffentliche Angebote von Seed-
tät innovativer Gründungsprojekte auswirken. Kapital für die Frühphasen-Finanzierung
Maßnahmen, die speziell auf innovative Grün- innovativer Gründungen.
dungsprojekte abzielen, wären insbesondere:
4 Sensibilisierung von Studenten an den Da die Gründung eines Unternehmens als ein
Hochschulen für die Möglichkeit der un- regionaler Prozess anzusehen ist (hierzu insbe-
ternehmerischen Selbstständigkeit und Sti- sondere 7 Abschn. 7.4), ist es wichtig, dass die
mulierung von Kontakten zu Rollenvorbil- entsprechenden Angebote vor Ort, also in der
dern innovativer Gründer; Erzeugung einer entsprechenden Region verfügbar sind. Wie
entrepreneurship-freundlichen Atmosphä- die Gründungsförderung im Allgemeinen, so
re an Hochschulen und Vermittlung unter- sollte auch speziell die Förderung innovativer
nehmerischer Fähigkeiten (Entrepreneurial Gründungen zu einem wesentlichen Teil de-
University). zentral erfolgen.
4 Sicherstellung eines hohen Niveaus an
insbesondere anwendungsorientierter For-
schung als Quelle für unternehmerische
Gelegenheiten. 12.5.3 Ausgewählte Instrumente
4 Finanzielle und sachliche Unterstützung zur Förderung innovativer
bei der Konkretisierung innovativer Ge- Gründungen
schäftsideen. Angebote öffentlicher For-
schungseinrichtungen für Beratung inno-
Aus der Vielfalt der möglichen Instrumente zur
vativer Gründungen und gegebenenfalls
Förderung innovativer Gründungen werden im
Vermittlung von F&E-Kooperation.
Folgenden drei wesentliche Bereiche betrach-
4 Organisation eines Pools an qualifizierten
tet. Dabei handelt es sich einmal um Maßnah-
Beratern, die bei der Betreuung von innova-
men, die darauf gerichtet sind, die Funktion
tiven Gründungen zusammenarbeiten und
von Hochschulen als Inkubator für innovati-
ihre jeweiligen Spezialkenntnisse einbrin-
ve Gründungen zu verstärken (7 Abschn. 12.5.3
gen. Zertifizierung von Gründungsberatern
Verstärkung der Rolle von Hochschulen als In-
zur Sicherstellung einer bestimmten Min-
kubator für innovative Gründungen). Der da-
destqualität.
rauf folgende 7 Abschn. 12.5.3 Staatliche Fi-
4 Mehrstufig angelegte Businessplan-Wettbe-
nanzierungshilfen für innovative Gründungen
werbe, die speziell auf innovative Grün-
behandelt. Schließlich werden Innovations-
dungen abzielen. Mehrstufigkeit eines Busi-
und Gründerzentren als Instrument zur För-
nessplan-Wettbewerbs bedeutet, dass Prei-
derung innovativer Gründungen beleuchtet
se für unterschiedliche Phasen des Grün-
(7 Abschn. 12.5.3 Technologie- und Gründerzen-
dungsprozesses, wie z. B. Gründungsidee,
tren).
Marketingkonzept etc., ausgelobt werden.
170 Kapitel 12  Entrepreneurship-Politik

Verstärkung der Rolle von ratorien und sonstigen Einrichtungen, Bereit-


Hochschulen als Inkubator für stellung von Räumlichkeiten (z. B. in Gründer-
innovative Gründungen zentren), Einbindung in das Unterstützungs-
netzwerk der Hochschule sowie finanzielle Hil-
Da die überwiegende Mehrzahl der Gründer fe beim Erwerb von Patenten für Erfindungen,
innovativer Unternehmen eine Hochschule be- die für das Geschäftsmodell der Gründung we-
sucht hat, liegt es nahe, in den Hochschulen sentlich sind. Die Existenz von Schutzrechten,
einen wesentlichen Ansatzpunkt für die Förde- wie z. B. Patente, kann Unternehmen die Start-
rung von Entrepreneurship zu sehen. Die För- phase erleichtern, da es eine gewisse Qualität
derung von Entrepreneurship stellt ein wesent- der Gründung signalisiert. Damit erhöht sich
liches Element der sogenannten Dritten Missi- dann häufig auch die Aussicht auf Einwerbung
on von Hochschulen dar, womit, neben den von Beteiligungskapital (VC).
Aufgaben der Forschung und der Lehre, der Die Faktoren, die zur Entstehung und Ver-
Transfer des vorhandenen Wissens in die kom- breitung einer Entrepreneurship-Kultur an einer
merzielle Verwertung gemeint ist. Hochschule beitragen, lassen sich gemäß dem
Empirische Untersuchungen zeigen klar, aktuellen Stand des Wissens nur unscharf be-
dass die Anzahl der Gründungen aus Hoch- nennen. Die entsprechenden Studien deuten
schulen zwischen den Einrichtungen stark va- darauf hin, dass ein hohes Maß an Kooperation
riiert. Besonders markant ist in dieser Hinsicht mit privaten Unternehmen sowie häufiger und
das in Boston (USA) ansässige Massachusetts enger Kontakt mit unternehmerischen Rollen-
Institute of Technology (MIT), das in den USA modellen – insbesondere mit ehemaligen Stu-
hinsichtlich der Anzahl der Gründungen seit denten (Alumni), die Unternehmen gegrün-
langem einen Spitzenplatz einnimmt. Insge- det haben – für eine solche Entrepreneurship-
samt haben die von Absolventen und Mitarbei- Kultur förderlich sind. Weiterhin konnte ge-
tern des MIT gegründeten Unternehmen die zeigt werden, dass sich Zusammenarbeit von
Wirtschaftsentwicklung der Region stark ge- Hochschulforschern mit privaten Firmen po-
prägt. Ein solcher positiver Effekt der Hoch- sitiv auf deren Einstellung und Neigung zur
12 schulen für die regionale Entwicklung lässt Kommerzialisierung von Forschungsergebnis-
sich – wenn auch in der Regel deutlich schwä- sen auswirkt. Entsprechend weisen Hochschu-
cher ausgeprägt – für viele andere Hochschulen len mit relativ vielen Gründungen von Stu-
bzw. Regionen feststellen. Das MIT wird viel- denten und Mitarbeitern auch eine stark aus-
fach als Leitbild für eine Entrepreneurial Uni- geprägte Anwendungsorientierung der For-
versity angesehen. Damit ist eine Hochschule schung auf. Das Angebot von Kursen, in de-
gemeint, die relativ viele innovative Gründun- nen Kenntnisse für Gründungsmanagement
gen hervorbringt. und Unternehmensführung vermittelt werden,
Die großen Unterschiede zwischen den dürfte ebenfalls einen positiven Effekt haben.
Hochschulen in Bezug auf die Anzahl der in- Insbesondere können solche Kurse ein Bild von
duzierten Gründungen legen die Frage na- den Anforderungen an die Gründung und Füh-
he, was die besonders gründungsintensiven rung eines Unternehmens vermitteln sowie den
Hochschulen von anderen Einrichtungen un- potenziellen Gründern dabei helfen, ihre un-
terscheidet. Entsprechende Fallstudien heben ternehmerischen Fähigkeiten realistisch einzu-
vor allem zwei Bereiche hervor, nämlich das schätzen.
Vorhandensein einer Entrepreneurship-Kultur Da der Großteil der innovativen Grün-
an einer Hochschule sowie die Unterstützung dungen nicht direkt aus der Hochschule er-
von Gründungsprojekten. Maßnahmen, die ty- folgt, sondern erst nach einer längeren Phase
pischerweise von Hochschulen zur Unterstüt- in abhängiger Beschäftigung stattfindet (siehe
zung von Gründungsprojekten ergriffen werden, 7 Abschn. 6.3.3), ist die Erfassung des Einflus-
sind Beratung und Coaching, Zugang zu Labo- ses der Hochschulen auf Gründungsneigung
12.5  Möglichkeiten zur Förderung innovativer Gründungen
171 12
und Gründungserfolg schwierig. Am zuverläs- dungskapital – insbesondere in der Seed-
sigsten lassen sich diese Wirkungen auf der Phase – entgegenzuwirken. Eine Maßnah-
Grundlage von Informationen über die Karrie- me, die direkt am Marktversagen des VC-
reverläufe ehemaliger Studenten und Mitarbei- Marktes bei der Finanzierung der Frühpha-
se von Gründungsprojekten ansetzt, stellt die
ter (Alumni-Studien) ermitteln, wie sie für ei-
nige wenige Hochschulen vorliegen. Nach einer Beteiligungsfinanzierung durch öffentliche VC-
Alumni-Studie für das MIT (Roberts und Ees- Gesellschaften während der Seed-Phase dar.
Dabei ist die wesentliche Aufgabe dieser Ge-
ley 2011) haben ca. 24 Prozent aller ehemaligen
Studenten und Mitarbeiter dieser Hochschule sellschaften darin zu sehen, das Marktversagen
während ihrer beruflichen Karriere mindestens im Bereich der privaten VC-Geber dadurch zu
ein Unternehmen gegründet. Da Gründungen kompensieren, dass man erfolgversprechenden
in aller Regel nahe am Wohnort des Gründers innovativen Gründungen während der Früh-
phase eine Finanzierung durch den Erwerb von
erfolgen, ist dies nach einer längeren Phase der
Beteiligungen bietet. Eine weitere Aufgabe öf-
Berufstätigkeit vielfach nicht der Standort der
Inkubator-Hochschule. Entsprechend stellt die fentlicher VC-Gesellschaften kann darin gese-
MIT Alumni-Studie fest, dass sich weniger als hen werden, solche innovative Gründungspro-
ein Drittel der Arbeitsplätze der von MIT Ab- jekte zu finanzieren, die als erfolgversprechend
solventen und Mitarbeitern gegründeten Un- angesehen werden, obwohl kein privater VC-
ternehmen im selben US-Bundesstaat wie das Geber zu einer Beteiligung bereit ist.
MIT (Massachusetts) befinden. Die mit einer solchen direkten öffentlichen
In Deutschland werden Gründungen Beteiligung verbundenen Probleme liegen auf
aus Hochschulen und die Ausrichtung von der Hand. Zunächst einmal ist nicht zu er-
Hochschulen auf Entrepreneurship seit Ende warten, dass öffentliche Stellen ein ähnliches
der 1990er-Jahre im Rahmen des EXIST- Maß an Expertise und Effizienz bei der Aus-
Programms gefördert. Ein wesentliches Ziel wahl und Betreuung von Gründungsprojekten
dieses Programmes besteht darin, die För- aufweisen, wie private VC-Geber. Selbst dann,
derung von Gründungen aus Hochschulen wenn man von diesem allgemeinen Effizienz-
sowie die Entstehung einer Gründungskultur problem absieht, besteht die große Schwierig-
an Hochschulen zu stimulieren. Weiterhin soll keit öffentlicher VC-Investoren in der Auswahl
der Aufbau von Unterstützungsnetzwerken der richtigen Gründungsprojekte. Zwar soll-
für innovative Gründer an den Hochschulen ten öffentliche VC-Geber entsprechend ihrem
gefördert werden, die neben den Hoch- Förderauftrag niedrigere Renditemaßstäbe an-
schulen selbst weitere regionale Akteure wie legen als private Finanziers und zum Einge-
Wirtschaftsförderung, Industrie- und Handels- hen höherer Risiken bereit sein, aber auch sie
kammern, öffentliche Beratungseinrichtungen müssen für die Förderung bestimmte Projek-
sowie Finanziers umfassen. Wesentliche In- te auswählen und wenig erfolgversprechende
strumente dabei sind die Einrichtung von Projekte ablehnen. Es ist nicht erkennbar, dass
Entrepreneurship-Professuren sowie Stipen- öffentliche VC-Geber bei der Vergabe von Steu-
dien für die Entwicklung von innovativen, ermitteln über mehr Expertise verfügen als pri-
technologieorientierten oder wissensbasierten vate Firmen, die ihr eigenes Geld bzw. das Geld
Gründungsvorhaben mit guten wirtschaftli- ihrer Anleger investieren. Darüber hinaus er-
chen Erfolgsaussichten. fordert auch eine Unternehmensbeteiligung öf-
fentlicher Stellen natürlich das Monitoring und
Staatliche Finanzierungshilfen für Coaching der betreffenden Gründungsprojek-
innovative Gründungen te. Auch in dieser Hinsicht ist von privaten
Mit staatlichen Finanzierungshilfen für inno- Firmen eine größere Expertise und höhere Mo-
vative Gründungen versucht man, dem Markt- tivation zu erwarten, als von öffentlichen Stel-
versagen bei der Bereitstellung von Grün- len.
172 Kapitel 12  Entrepreneurship-Politik

Ein Ansatz zur Lösung dieser Problematik lung eines Projektes stellt dann die dritte Phase
ist die Ko-Finanzierung privater Beteiligungen dar.
mit öffentlichen Mitteln. Dabei unterstützt der Die öffentliche Hand engagiert sich hier al-
Staat private Kapitalgeber, indem er einen Teil so vor allem in der Seed-Phase und nur so
der Investitionssumme übernimmt und/oder lange, bis eine private Finanzierung absehbar
im Falle eines Misserfolgs des Projekts dem ist, das Projekt gewissermaßen „reif für die
privaten Finanzier einen Teil des investierten VC-Finanzierung“ ist. Der Staat geht hier kei-
Kapitals erstattet. Der Grundgedanke einer sol- ne Beteiligung ein, sondern subventioniert die
chen Politik besteht darin, private Beteiligun- Frühphase von Experimenten der Kommerzia-
gen dadurch zu stimulieren, indem der Staat lisierung von Wissen. Diverse Evaluierungen
einen Teil des Investitionsrisikos übernimmt stufen das SBIR-Programm als sehr erfolgreich
und somit die Renditeansprüche der privaten ein. Das Programm stellt ein Vorbild für vie-
Kapitalgeber senkt. Dabei verhält sich die öf- le Förderprogramme für innovative Gründun-
fentliche Hand in aller Regel als stiller Teilhaber gen in anderen Ländern dar, die wesentliche
und überlässt die Betreuung der Gründungs- Grundzüge hiervon übernommen haben.
projekte den privaten VC-Gebern. Auch die
Auswahl der Beteiligungsprojekte obliegt dabei Technologie- und Gründerzentren
mehr oder weniger vollständig den privaten Fi- Technologie- und Gründerzentren sind zuerst
nanziers. an einigen Universitäten in Großbritannien
Bekanntestes Beispiel für einen anderen entstanden. Der Ausgangspunkt bestand ur-
Weg der Frühphasen-Finanzierung und zur sprünglich in Überlegungen zur Nutzung leer-
Lösung des Selektionsproblems ist das seit vie- stehender Räumlichkeiten, die man jungen Un-
len Jahren in den USA betriebene Small Busi- ternehmen zur Verfügung stellte, die aus der
ness Innovation and Research Program (SBIR). Universität heraus entstanden sind. Der Erfolg
Dieses Programm unterscheidet drei Phasen. einiger der in Gründerzentren ansässigen Un-
Für die erste Phase der Förderung kann po- ternehmen sowie die zunehmende Erkenntnis
tenziellen Gründern oder Kleinunternehmen der Bedeutung innovativer Gründungen führ-
12 auf der Grundlage eingereichter Ideenskizzen te Ende der 1970er-Jahre dann zur Entwicklung
eine auf ein Jahr begrenzte Förderung zur Aus- des Konzeptes der Technologie- und Gründer-
arbeitung ihrer Idee gewährt werden. Über zentren. Inzwischen gibt es in der Bundesrepu-
die Bewilligung dieser nicht rückzuzahlenden blik Deutschland mehr als 100 solcher Zentren.
und vom Umfang her begrenzten Subventi- Der Grundgedanke der Technologie- und
on entscheidet ein Expertengremium. In ei- Gründerzentren besteht darin, eine Brutkasten-
ner zweiten Phase können dann deutlich um- Funktion für junge Unternehmen, insbeson-
fangreichere Mittel zur Finanzierung der wei- dere für innovative Gründungen, wahrzuneh-
teren Entwicklung bis hin zu einem Prototyp men. Die wesentlichen Ziele bei der Errichtung
bereitgestellt werden. Auch über die Vergabe von Technologie- und Gründerzentren beste-
dieser Mittel, die wiederum nicht zurückge- hen in
zahlt werden müssen, entscheidet ein Exper- 4 der Stimulierung von Spin-offs aus Bil-
tengremium. Voraussetzungen für die Gewäh- dungs- und Forschungseinrichtungen und
rung der Finanzierung in der zweiten Phase damit die Förderung des Technologietrans-
des Programms ist neben dem Erfolg der ers- fers im Sinne einer Kommerzialisierung des
ten Phase (die allerdings auch auf einem Fast vorhandenen Wissens,
Track übersprungen werden kann) ein Letter 4 der Förderung der im jeweiligen Zentrum
of Commitment eines privaten Kapitalgebers, ansässigen innovativen Gründungen, ins-
der sich dazu verpflichtet, das Projekt nach er- besondere durch Schaffung günstiger Rah-
folgreicher Durchführung der zweiten Phase menbedingungen sowie
weiter zu finanzieren. Die weitere Entwick- 4 die Förderung der regionalen Entwicklung.
12.5  Möglichkeiten zur Förderung innovativer Gründungen
173 12
Vorteile eines Standortes innerhalb eines Tech- nicht als eine allgemeine Strategie der Wirt-
nologie- und Gründerzentrums können sein: schaftsförderung zu empfehlen sind!
4 Agglomerationsvorteile, insbesondere Wis-
sens-Spillover, durch räumliche Nähe zu
anderen innovativen Firmen;
4 ein hohes Niveau an Wissens-Spillovern 12.5.4 Schlussbemerkung zur
durch räumliche Nähe zu einer Universi-
Förderung innovativer
tät oder zu einer anderen öffentlichen For-
schungseinrichtung; Gründungen
4 Verfügbarkeit geeigneter Geschäfts- und
Produktionsflächen; Die Stimulierung und Förderung innovati-
4 Überwindung von Unteilbarkeiten durch ver Gründungen stellt einen wichtigen Teil-
gemeinsame Nutzung von Büro- und La- bereich der Entrepreneurship-Politik dar. Da
borausstattung, die von sehr kleinen Fir- sich potenzielle Gründer innovativer Unter-
men allein häufig kaum hinreichend ausge- nehmen hinsichtlich ihrer Problemlagen stark
lastet werden können; von Gründern nicht-innovativer Unternehmen
4 Beratung und weitere Unterstützungsmaß- unterscheiden, bedarf es bei der Förderung sol-
nahmen durch das Zentren-Management; cher Gründungen spezieller Instrumente, ins-
4 eventuell auch Subventionseffekte durch re- besondere auch im Bereich der Finanzierung.
lativ günstige Mieten. Angesichts der relativ geringen Anzahl von in-
novativen Unternehmensgründungen besteht
ein wesentliches Ziel der Politik darin, dieses
Wirkungsanalysen zu Technologie- und Grün- Potenzial zu erhöhen. Entsprechende Maßnah-
derzentren haben gezeigt, dass in der über- men richten sich insbesondere an die Hoch-
wiegenden Mehrzahl solcher Zentren ein ho- schulen, die als wesentliche Keimzelle für in-
her Innovationsanspruch nicht eingelöst wer- novative Gründer anzusehen sind. Die Hoch-
den kann. Der Grund hierfür ist in der Regel die schulen bilden eine wesentliche Schnittstelle
sehr geringe Anzahl hoch-innovativer Grün- zwischen der Förderung der Entstehung inno-
dungen, von denen auch nur ein Teil einen vativer Gründungen, der Bildungspolitik und
Standort in einem Innovations- und Gründer- der Forschungsförderung.
zentrum wählt. Insgesamt hängen die Effekte Anhand der Frage, wie die Anzahl innova-
eines Innovations- und Gründerzentrums sehr tiver Gründungen erhöht werden kann, zeigt
stark von der Auswahl der betreffenden Un- sich auch die Einbettung der auf innovative
ternehmen, dem Angebot an Unterstützungs- Gründungen gerichteten Förderung in die all-
leistungen sowie von der Qualität des Zentren- gemeine Entrepreneurship-Politik. Der Wille
Managements ab. Im günstigsten Fall ergeben und in die Fähigkeit zur Gründung eines Unter-
sich für die Unternehmen wichtige Wissens- nehmens werden nicht erst in der Hochschu-
Spillover und sie erhalten Unterstützungsange- le, sondern bereits während der Erziehung im
bote vom Zentren-Management. Im ungüns- Elternhaus und durch die Schulausbildung ge-
tigsten Fall geht es dem Zentren-Management prägt; sie werden auch wesentlich durch allge-
vorrangig um die ertragreiche Bewirtschaftung meine gesellschaftliche Rahmenbedingungen,
des Zentrums als Immobilie, wobei Unterstüt- wie etwa die herrschende Entrepreneurship-
zungsleistungen, wenn überhaupt, nur in sehr Kultur, beeinflusst (hierzu 7 Abschn. 5.4.4).
geringem Ausmaß und in geringer Qualität Letztendlich geht es hier um die Frage, wie
durchgeführt werden. Entsprechende Studien die Gesellschaft gestaltet werden kann, damit
kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, mehr unternehmerische Gelegenheiten entste-
dass Innovations- und Gründerzentren durch- hen, erkannt und von den hierfür geeigneten
aus positive Effekte haben können, sie aber Personen ergriffen werden.
174 Kapitel 12  Entrepreneurship-Politik

12.6 Zusammenfassung gebotes an qualifiziertem Coaching, Angebo-


wesentlicher Ergebnisse te zur F&E-Kooperation mit öffentlichen For-
schungseinrichtungen, die Einrichtung mehr-
stufig organisierter Businessplan-Wettbewerbe,
Das dominierende Ziel der Gründungsförde- die speziell auf innovative Gründungen aus-
rung besteht in der Stimulierung von Innova- gerichtet sind, eine gute Funktionsweise des
tion und Wachstum. Da sich das Niveau an Marktes für Beteiligungskapital sowie ein An-
Gründungsaktivitäten in der Regel nur lang- gebot von Seed-Kapital. Wichtig sind in diesem
fristig beeinflussen lässt und sich auch die Wir- Zusammenhang insbesondere auch das Aus-
kungen von Gründungen auf wirtschaftliche maß und das Niveau der anwendungsorientier-
Entwicklung erst sehr langfristig zeigen, muss ten Forschung in einer Region.
Gründungsförderung mit langem Atem und Die Entrepreneurship-Politik sollte nicht
mit langfristiger Perspektive betrieben wer- allein auf den Gründungsprozess im engeren
den. Entrepreneurship stellt eine dauerhafte Sinne gerichtet sein. Vielmehr ist sie als umfas-
Ressource dar und Gründungsförderung ist sende gesellschaftspolitische Aufgabe zu ver-
als eine Investition in diese Ressource anzu- stehen. Für eine Politik, die auf mehr und nach-
sehen. Die ökonomische Rechtfertigung der haltigeres Wachstum durch Gründungen setzt,
Gründungsförderung ergibt sich aus den da- gibt es also ein vielfältiges Betätigungsfeld.
mit verbundenen positiven externen Effekten,
der Stimulierung des Wettbewerbs, der Über-
windung einer unzureichenden Funktionswei- 12.7 Wesentliche Begriffe zu
se der Kapitalmärkte bei der Finanzierung in- Kapitel 12
novativer Gründungen, der Reduktion der mit
einer Gründung verbundenen Risiken sowie
4 Businessplan-Wettbewerb
allgemein aus dem Wunsch der Förderung von
4 Coaching
Innovation und Wachstum.
4 Enabling Policies
Man kann zwei mögliche Ansatzpunkte ei-
12 4 Entrepreneurial University
ner Gründungsförderung unterscheiden. Da-
4 Entrepreneurship-System
bei handelt es sich zum einen um die Schaf-
4 Externe Effekte
fung möglichst günstiger Voraussetzungen für
4 Finanzierungshilfen
Gründungen, insbesondere auch die Förde-
4 Freiheitsziel
rung von Gründungsneigung und -fähigkeiten
4 Informationsmängel (asymmetrische Infor-
(Enabling Policies). Zum anderen ist es die
mation)
Unterstützung von Gründungen nach deren
4 Innovations- und Gründerzentren
Markteintritt (Supporting Policies). Letztere ist
4 Innovative Gründungen
insofern problematisch, als sie zu Verzerrun-
4 Marktversagen
gen der Marktallokation führen kann. Neben
4 Seed-Kapital
der allgemeinen Gründungsförderung stellt die
4 Seed-Phase
Förderung innovativer Gründungen eine wich-
4 Small Business Innovation and Research
tige Spezialaufgabe dar.
Programme (SBIR)
Da der ganz überwiegende Anteil der inno-
4 Supporting Policies
vativen Gründer über eine akademische Aus-
4 Systemversagen
bildung verfügt, kommt hier den Hochschulen
4 Technologie- und Gründerzentren
eine besondere Bedeutung bei der Sensibilisie-
4 Unkenntnis
rung für Unternehmertum und der Vermitt-
4 Unsicherheit
lung unternehmerischer Fähigkeiten zu. Wich-
4 Unteilbarkeit
tige Maßnahmen zur Stimulierung innovati-
4 Wachstumsziel
ver Gründungen sind die Schaffung eines An-
4 Wissensbasis
Weiterführende Literatur
175 12
Literaturhinweise sidered. In David B. Audretsch, Isabel Grilo und Roy
Thurik (eds), 18–35.
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Sammelbände enthalten viele interessante Auf- https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.
sätze zu dem Thema. Besonders hervorgehoben do?uri=COM:2012:0795:FIN:en:PDF.
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seien hier die Beiträge von Audretsch, Grilo und
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Åstebro, Bazzazian und Braguinsky (2012). Zu neurship Policy: Theory and Practice. New York: Sprin-
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177 13

Schlussbetrachtung

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_13
178 Kapitel 13  Schlussbetrachtung

Wirtschaftliche Prosperität beruht zu einem re die Bildungspolitik sowie die allgemeine


wesentlichen Teil auf produktivem Entrepre- Innovationsförderung von wesentlicher Rele-
neurship, verstanden als unternehmerische Ini- vanz. Ein wirtschaftspolitischer Ansatz allein
tiative, Kreativität, Innovation und das Ein- kann die relevanten Bereiche nicht abdecken.
gehen ökonomischer Wagnisse. Entrepreneur- Entrepreneurship-Politik stellt eine umfassen-
ship meint, Neues zu wagen und ist daher de gesellschaftspolitische Aufgabe dar, die we-
innovative Tätigkeit im weiteren Sinne. Nicht sentlich über den Bereich der Wirtschaftspoli-
Mehreinsatz an Arbeit und Kapital sind die ent- tik hinausreicht.
scheidenden Wachstumstreiber, sondern es ist Ein wesentliches Motiv für die Beschäf-
die intelligentere Verwendung dieser Ressour- tigung mit Unternehmensgründungen sind
cen. Die Beschäftigung mit Entrepreneurship die positiven Effekte, die hiervon in der Regel
beruht auf der Erkenntnis, dass die eigentlich für die wirtschaftliche Entwicklung ausge-
knappe Ressource für wirtschaftliches Wachs- hen. Entsprechend besteht das zentrale Ziel
tum in unternehmerischer Initiative zu sehen der Entrepreneurship-Politik in der Förde-
ist! rung wirtschaftlichen Wachstums. Wie in
Entrepreneurship hat viele Formen und diesem Buch (insbesondere in 7 Kap. 11) ge-
Facetten. Dieses Buch behandelte vor allem zeigt wurde, beruhen viele dieser positiven
Entrepreneurship im Sinne der Gründung ei- Wirkungen im Kern auf Innovationen und
nes Unternehmens. Es wurde ein Überblick den Wettbewerbswirkungen, die von Grün-
über den Stand der Forschung zu den Be- dungsprozessen ausgehen. Dabei bestand ein
stimmungsgründen von Unternehmensgrün- zentrales Ergebnis darin, dass diese Wachs-
dungen, zu den damit verbundenen Anforde- tumswirkungen nur zu einem Teil auf der
rungen und möglichen Engpässen sowie zur Entwicklung der neu gegründeten Unterneh-
Entwicklung und zu den Wirkungen von Grün- men selbst beruhen. Ein ganz wesentlicher
dungen auf wirtschaftliche Entwicklung ge- Teil der Wachstumseffekte von Gründun-
geben. Hierauf aufbauend wurden dann die gen ist indirekter Natur und kommt durch
grundsätzlichen Potenziale der Entrepreneur- Marktprozesse und Marktselektion entspre-
ship-Politik dargestellt. chend einem Survival of the Fittest zustande.
Die diversen Bestimmungsgründe von Ein möglichst unverzerrter, fairer Wettbewerb
13 Entrepreneurship und Unternehmensgrün- stellt somit eine wesentliche Voraussetzung für
dungen bieten für die Politik vielfältige das Entstehen solcher indirekten Wachstums-
Ansatzpunkte. Die Behandlung der Determi- wirkungen von Unternehmensgründungen
nanten von Entrepreneurship machte deutlich, dar.
dass neben formalen Institutionen wie Markt- Im Ergebnis zeigte sich, dass sich die po-
ordnungen und Regulierungen sowie der sitiven Wirkungen von Gründungsprozessen
staatlichen Unterstützung insbesondere auch über längere Zeiträume entwickeln und dass
individuelle Faktoren eine wesentliche Rolle es mehrere Jahre dauern kann, bis überhaupt
spielen, die durch Sozialisation, Ausbildung signifikante positive Effekte erkennbar wer-
und das soziale Umfeld geprägt sind. Wenn den. Es wurde ebenso gezeigt, dass die Grün-
es das Ziel der Politik ist, Entrepreneurship dungsaktivitäten zwischen Regionen stark va-
einen größeren Stellenwert in der Gesellschaft riieren, wobei das Niveau der regionalen Grün-
zu verschaffen, dann müssen diese verschie- dungstätigkeit meist relativ konstant bleibt und
denartigen Bestimmungsgründe in adäquater wesentliche Veränderungen nur über länge-
Weise berücksichtigt werden. re Zeiträume stattfinden. Beide Feststellun-
Zwar liegen viele wichtige Ansatzpunkte gen – lange Wirkungszeiträume für Gründun-
der Entrepreneurship-Förderung im Bereich gen und kurzfristig relativ konstantes Niveau
der Wirtschaftspolitik, es sind hier aber auch der Gründungsaktivitäten – machen deutlich,
diverse weitere Politikbereiche, insbesonde- dass Entrepreneurship-Politik langfristig ori-
Schlussbetrachtung
179 13
entiert sein sollte. Dies gilt insbesondere für Dies deutet auf einen erheblichen Einfluss
Maßnahmen, die auf die Stimulierung einer regionaler Gegebenheiten hin. Hieraus folgt,
Entrepreneurship-Kultur gerichtet sind. Denn dass empirische Untersuchungen der Bestim-
zum einen verändern sich Einstellungen und mungsgründe und der Wirkungen von Entre-
Werthaltungen der Bevölkerung nur sehr lang- preneurship solchen regionalen Besonderhei-
sam, zum anderen erweist sich eine einmal ten möglichst Rechnung tragen sollten. Für die
vorhandene Entrepreneurship-Kultur als aus- Politik folgt hieraus, dass zumindest ein Teil
gesprochen persistent und entfaltet sehr lang- der Maßnahmen räumlich differenziert ausge-
fristig positive Wirkungen auf wirtschaftliches staltet sein sollte. Durch eine dezentrale Orga-
Wachstum. nisation der Politik, insbesondere die Zuwei-
Schließlich bleibt festzuhalten, dass sowohl sung wesentlicher Entscheidungsbefugnisse an
hinsichtlich des Niveaus wie auch hinsicht- regionale Akteure, können die Gegebenheiten
lich der Wirkungen von Entrepreneurship sehr der jeweiligen Region angemessen berücksich-
wesentliche regionale Unterschiede bestehen. tigt werden.
181

Serviceteil
Sachverzeichnis – 182

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M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8
182 Sachverzeichnis

Sachverzeichnis

A Einkommen 42, 43, 45–47, 53, 54,


56, 59, 69, 80, 96, 99, 100, 121,
Generalist 45, 54
Gesellschaft, unternehmerische vs.
Alter 26, 35, 68, 69, 99, 114, 116, 126, 128, 139, 166 gemanagete 6, 16
117, 120 Entrepreneur bzw. Gewinn 43, 45, 129
Angebotseffekt 146–148, 150, Entrepreneurship Gewissenhaftigkeit 52, 56, 62, 99
151 – ambitious 11, 12 Global Entrepreneurship Monitor
Arbeitslose als Gründer 71 – destructive 11, 13 (GEM) 12, 15, 26, 35, 108
Arbeitslosigkeit 12, 42, 47, 71, – established 15 Größe 102, 118, 121, 128, 129,
100, 109, 129, 131, 149 – hightech 12 133, 136
Arbeitsmarktansatz 24 – innovativ 2, 6, 7, 12, 17, 54, 73, Gründerzentrum siehe
Arbeitszufriedenheit 73, 126, 128, 75, 76, 85, 86, 105, 168, 173 Technologie und
139 – Kirzner’scher 8, 98 Gründerzentrum
– Kultur 33, 38, 61, 101, 107, 161, Gründung
165, 170 – imitative 12, 13, 114
B – Nascent 12, 14, 35 – innovative 2, 3, 10, 11, 68, 71,
– Necessity 11, 12, 46, 48, 71, 99, 73, 74, 80, 85, 87, 90, 114, 135,
Balanced Skills 54
131 160, 165, 166, 168–173
Berufserfahrung 46, 59, 131 – Opportunity 11, 12, 100
Beschäftigung, abhängige 2, 25, – sbarrieren 96, 97
– Persistenz 151 – sfinanzierung 82, 85
42–48, 53, 54, 68–71, 75, 99, 127, – Politik 13, 108, 161, 162,
128 – skohorten 115, 121, 148
164–166, 173, 178
Beteiligungsfinanzierung siehe – Spin-Off 11, 68, 71, 73, 96, 106,
– Produktiv 11, 13, 178
Venture Capital 133, 166
– Regional 108
Bevölkerungsdichte 153 – srate 32, 102, 103, 153
– Schumpeter’scher 6, 8, 11, 98
Big Five – Social 11, 12
Persönlichkeitsmerkmale 55,
56
– Unproduktive 13
– Young 15, 35
H
Branchenerfahrung 131–133 Entrepreneurial University 169, Hazardrate 117, 121
Business Angels 87 170 Hochschule 59, 74, 168–170, 173
Business Plan 134 Equity, private and public 85
Erfindung 6, 7, 18, 84

C Exit-Optionen 90 I
Extraversion 46, 52, 55, 62, 63
Information, asymmetrische 74,
Coaching 163, 166, 168, 170, 174 82, 85, 90, 162, 163
Corporate VC 87
F Infrastruktur 32, 105, 107
Inkubator 73–75, 170
Fähigkeiten Innovation 7, 10, 145, 147, 173
D – kognitiv 52
– nicht-kognitive 52
Institutionen
DDR 34, 61, 155 – formale 61, 108, 164, 178
– unternehmerisch 43, 49, 52, 53, – informelle 60, 61, 95
Direkte Effekte 145, 148, 153 57, 68, 165
Displacement Effects siehe Invention siehe Erfindung
Familie 46, 57, 58, 99
Verdrängungseffekte Förderorientierte
VC-Gesellschaften 88, 89
Frauen als Gründerinnen 76, 131
J
E Fremdkapital 81, 99, 101 Jack of all Trades-Hypothese 54,
Early Stage 86 Freunde 60, 63, 81, 132 72, 131
Effekte von Gründungen 15, 148,
150, 151, 153
Eigenverantwortlichkeit 13, 59,
G K
72 Gazellen 121, 126, 139 Kapitalintensität 102, 137
Sachverzeichnis
183 K–U
Kleinunternehmen 35, 54, 72, 73,
76, 120
O Small Business Innovation and
Research Programme
Kohorte 116, 145 Occupational Choice 2, 41–44, 47, (SBER) 172
Konjunktur 100, 101 48, 52 Solo-Selbstständigkeit 12, 14, 43,
Konkurrenzschutz-Klauseln 96, Offenheit für Erfahrungen 46, 55, 48, 71, 95, 97, 128
164, 166 62, 99 Sozialkapital 60
Kreative Zerstörung 7, 15, 18, 147 Ökologischer Ansatz 24 Spezialist 54, 168
Kreativität 2, 8, 17, 55, 62, 178 Omitted Variable Bias 129 Spin-Off Gründung siehe
Kreditfinanzierung 80, 85, 86, 90, Opportunity Recognition 8, 52, Gründung, Spin-Off
168 62 Standortwahl 2, 70
Kreditrationierung 2, 83, 85 Start up Phase 86, 88
Steuern 96, 166
P Stilllegung 23, 24, 102, 117, 118,
L Peer-Effekte 46, 58, 60, 63, 131, 120
162, 163, 166 Stilllegungsrate 102, 117, 138
Late Stage 86
Persistenz von Stresstoleranz 55
Lead Investor 88, 90
Entrepreneurship 33, 38, 161 Strukturwandel 7, 98, 108, 146,
Lebensalter siehe Alter
Persönlichkeitsmerkmale 46, 52, 161
Liability of
55, 59, 60, 72, 104, 132, 164 Subventionen 106, 165, 167
– Adolescence 118, 120
Produktlebenszyklus 23, 118, Superstars 126
– Aging 118, 120
130, 138 Supporting Policies 165, 167, 168,
– Newness 118, 122
174
– Obsolescence 120
Survival of the Fittest 146, 148,
– Senescence 120
– Smallness 118, 120, 122 Q 150, 156, 165, 178
Survivor Bias 128, 139, 149
Lokalisationsvorteile 106, 136 Qualifikation Syndizierung 88
– formale 16 Systemversagen 164
M – unternehmerische
60, 61
54, 57, 58,

Managementerfahrung 63
Marktaustritt 23, 102
T
Marktselektion 136, 145, 146, R Tätigkeitsfelder 72, 76
Technologie- und
148, 165
Rahmenbedingungen, Gründerzentrum 172, 173
Marktversagen 84, 85, 159, 162,
institutionelle 45, 48, 60, 95, Technologisches Regime 37, 103,
164, 171
96, 110, 155, 166, 169 137, 138
Marktzutritt 23, 35, 37, 96, 103,
Regulierung 59, 96, 165, 166 – entrepreneurhaftes 37, 138
138, 145, 151, 166
Risiko 6, 45, 82–84, 88, 138 – routiniertes 37
Marktzutrittsregulierung 96, 164
Risikoneigung bzw. Total Early Stage Entrepreneurial
Median 127, 139
-tragfähigkeit 45, 46, 49, 52, Activity (TEA) 35
Migranten als Gründer 68, 70, 75,
53, 56, 62, 72, 132 Transformation 8, 13, 61, 147
133, 161
Rollenmodell 54, 69, 72, 73, 75, Turbulenz 24, 164
Mindestoptimale Größe 71, 102,
163, 166, 170
104, 107, 119, 121, 133, 137, 163

S U
N Überlebensrate 103, 115, 116,
Screening 82, 84, 88 122
Nachfrage 17, 83, 101, 103, 107,
Seed-Kapital 167, 169, 174 Überoptimismus 56
130, 138, 147
Nähe, räumliche 32, 73, 88, 89, Seed-Phase 86, 88, 90, 168, 171, Überzuversicht 56
136, 173 172 Umfeldbedingungen siehe
Nebenerwerbstätigkeit 25 Selbstständigenrate 28, 32, 109 Rahmenbedingungen
Netto-Marktzutritt 24, 35, 37 Selbstständigkeit siehe Unsicherheit 6, 8, 35, 45, 56, 70,
Netzwerke 10, 62, 70 Entrepreneurship 74, 82, 85, 114, 135, 162–164,
Neurotizismus 55, 99 Selbstverwirklichung 8, 43, 99, 168
Nicht-pekuniäre Faktoren 48 107, 128 Unternehmen, etablierte 9, 15,
Signaling 82, 84 16, 23, 68, 71, 73–75, 82, 97, 120,
Skill Balance 51, 54, 62 121, 144, 161, 163
184 Sachverzeichnis

Unternehmensgröße,
mindestoptimale 17, 102,
V W
103, 137, 163 Venture Capital 2, 80, 85, 86, 105, Wachstumsregime, regionale 108,
165, 168 154, 155
Unternehmer siehe Entrepreneur
Werthaltungen 60, 61, 179
Unternehmerische Verdichtungsgebiete 105, 136, Wissen 6, 11, 37, 52, 62, 74, 82, 89,
153, 156 96, 98, 105, 109, 148, 163, 165,
– Gelegenheiten 63, 110, 167
Verdrängungseffekte 145, 150, 170, 172
– Gesellschaft 16, 18, 161 153 Wissens-Spillover-Theorie des
– Selbstständigkeit 16, 18, 26, Vererbung 46, 58 Entrepreneurship 68, 74, 136
42–44, 47, 55, 56, 59, 73, 95, 107, Verträglichkeit 55, 56, 99 Wohlstandsniveau 9, 48, 100, 136
139, 166 Vielfalt 54, 55, 73, 99, 100, 114,
Urbanisationsvorteile 136 131, 132, 147, 169 Z
Zinssatz 83, 84

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