Sie sind auf Seite 1von 183

Michael Fritsch

Entrepreneurship
Theorie, Empirie, Politik
2. Auflage
Entrepreneurship
Michael Fritsch

Entrepreneurship
Theorie, Empirie, Politik

2., überarbeitete und aktualisierte Auflage


Michael Fritsch
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Jena, Deutschland

ISBN 978-3-662-57983-1 ISBN 978-3-662-57984-8 (eBook)


https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; de-
taillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Springer Gabler
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2016, 2019
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht aus-
drücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das
gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein-
speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk be-
rechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der
Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann
benutzt werden dürften.
Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in
diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die
Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Wer-
kes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und
Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil
von Springer Nature.
Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
V

Vorwort zur zweiten Auflage

Für die zweite Auflage meines Lehrbuches habe ich den Text an diversen Stellen geglät-
tet, aktualisiert und ergänzt, ohne die bewährte Grundstruktur des Buches zu verändern.
Weiterhin wurden die empirischen Angaben sowie die Literaturhinweise auf den ak-
tuellen Stand gebracht. Die in diesem Buch enthaltenen Grafiken stehen auf meiner
Website als Download im PPT-Format zur Verfügung: 7 http://m-fritsch.de/material/
entrepreneurship-theorie-empirie-politik/.

Bei der Überarbeitung des Buches bin ich auf vielfache Weise unterstützt worden. So hat
Alina Sorgner die Daten und Grafiken zur Entwicklung unternehmerischer Selbständig-
keit in Deutschland aktualisiert. Jürgen Egeln und Sandra Gottschalk haben mir aktuelle
Daten zu den Finanzierungsquellen junger Unternehmen zur Verfügung gestellt. Moritz
Zöllner hat die Grafiken zur Entwicklung der Gründungstätigkeit sowie zu den Finan-
zierungsquellen junger Unternehmen erstellt. Die neuen Karten zur räumlichen Struktur
des Gründungsgeschehens in Deutschland hat Rosemarie Mendler mit gewohnter Ak-
kuratesse angefertigt. Ihnen allen sei an dieser Stelle sehr herzlich gedankt. Sämtliche
verbliebenen Fehler und Ungenauigkeiten habe ich natürlich selbst zu verantworten.

Ich hoffe, dass sich dieses Buch weiterhin als geeignete Grundlage für Lehrveranstal-
tungen sowie als Informationsquelle für alle diejenigen erweist, die an dem Thema
Entrepreneurship interessiert sind. Für Hinweise, Kommentare und Verbesserungsvor-
schläge bin ich sehr dankbar.

Michael Fritsch
Jena
im Juni 2018
Vorwort zur ersten Auflage

Unternehmensgründungen und Entrepreneurship haben während der vergangenen


Jahrzehnte zunehmend Interesse im Bereich der empirischen Forschung und der Politik
gefunden. Auch in Lehrveranstaltungen an höheren Bildungseinrichtungen gewinnt die-
ses Thema zunehmend an Bedeutung. Zwar gibt es inzwischen eine Reihe von Büchern
mit mehr oder weniger stark ausgeprägtem Ratgeber-Charakter für potenzielle Grün-
der; allerdings fehlen – jedenfalls im deutschsprachigen Raum – Quellen, die den Stand
der Forschung auf diesem Gebiet aus volkswirtschaftlicher bzw. sozialwissenschaftlicher
Perspektive darbieten, und damit als Grundlage für entsprechende Lehrveranstaltungen
dienen können.

Dieses Buch ist geprägt von meiner langjährigen Beschäftigung mit dem Thema „Entre-
preneurship“ in Forschung und Lehre. Stoffauswahl und Inhalt orientieren sich an meiner
Einführungsvorlesung „Entrepreneurship und Unternehmensentwicklung“, die ich in
den letzten Jahren an der Friedrich-Schiller-Universität Jena für Studenten der Wirt-
schaftswissenschaften und diverser anderer Fachrichtungen gehalten habe. Aus dem
Charakter einer Einführung folgt, dass sich die Darstellung auf die wesentlichen und
als gesichert anzusehenden Erkenntnisse beschränkt, und nicht der Anspruch erhoben
wird, sämtliche Facetten des Themas widerzuspiegeln. Ich habe mich in dem Text um
eine möglichst allgemeinverständliche Darstellungsweise bemüht und insbesondere ver-
sucht, Ökonomen-Jargon zu vermeiden. Im Interesse der Lesbarkeit habe ich im Text
weitgehend auf Literaturhinweise verzichtet und diese jeweils am Ende eines jeden Ka-
pitels konzentriert.

Michael Fritsch
Jena
im April 2015
VII

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung: Die Rolle von Entrepreneurship in Wirtschaft und


Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

2 Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5


2.1 Entrepreneurship . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.2 Entrepreneurship und Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.3 Arten von Entrepreneurship . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.3.1 Einteilung nach Innovationsrelevanz und Motiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.3.2 Einteilung nach den Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.3.3 Einteilung nach der Vorerfahrung und der Anzahl der Gründer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.3.4 Einteilung nach der Phase im Gründungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.3.5 Einteilung nach dem Neuheitsgrad und dem rechtlich-organisatorischen Status des
Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.4 Mögliche Wirkungen des Gründungsgeschehens auf die Wirtschaftsentwicklung . 15
2.5 Von der gemanagten zur unternehmerischen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.6 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.7 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3 Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit,


Gründungsgeschehen und Marktdynamik in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.1 Wesentliche Ausprägungen von Gründungsgeschehen und Marktdynamik . . . . . . . 23
3.2 Die empirische Erfassung von Gründungen und unternehmerischer
Selbstständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3.3 Datenquellen für eine Analyse des Gründungsgeschehens in Deutschland . . . . . . . . 26
3.4 Gründungen und unternehmerische Selbstständigkeit in Deutschland . . . . . . . . . . . . 27
3.5 Die sektorale Struktur der Gründungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3.5.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3.5.2 Gründungen in innovativen Wirtschaftszweigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
3.6 Regionale Unterschiede des Gründungsgeschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
3.7 Die Gründungsaktivitäten im internationalen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.8 Marktdynamik im Industrielebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.9 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.10 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

4 Die Entscheidung für unternehmerische Selbstständigkeit: Theorie . . . . . 41


4.1 Der Ansatz des Occupational Choice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
4.2 Das Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
4.3 Einige Erweiterungen des Grundmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
4.4 Zusammenfassung: Was die Theorie erklärt – und was nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4.5 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
VIII Inhaltsverzeichnis

Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

5 Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51


5.1 Was sind unternehmerische Fähigkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
5.2 Gründungen und Qualifikation des Gründers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
5.2.1 Qualifikationsniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
5.2.2 Die Struktur der Qualifikationen (Skill Balance) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
5.3 Die unternehmerische Persönlichkeit: Für eine Gründung förderliche
Persönlichkeitsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
5.4 Wie entstehen unternehmerische Fähigkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
5.4.1 Der Transfer der Gründungsneigung zwischen den Generationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
5.4.2 Genetische Faktoren, Erziehung und Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
5.4.3 Ausbildung und Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
5.4.4 Gesellschaftliches Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
5.5 Was fördert und prägt das Erkennen unternehmerischer Gelegenheiten? . . . . . . . . . 62
5.6 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
5.7 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

6 Demografische Merkmale und Berufsverläufe von Gründern . . . . . . . . . . . . . 67


6.1 Demografische Merkmale von Gründern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
6.1.1 Gründungswahrscheinlichkeit und Lebensalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
6.1.2 Unterschiede der unternehmerischen Selbstständigkeit zwischen Männern und
Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
6.1.3 Migration und Gründungsneigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
6.2 Standortwahl von Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
6.3 Berufliche Tätigkeit vor der Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
6.3.1 Gründungen aus Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
6.3.2 Die relativ hohe Gründungsneigung von Beschäftigten in Kleinunternehmen . . . . . . . . 72
6.3.3 Innovative Spin-offs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
6.4 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
6.5 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

7 Gründungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
7.1 Kapitalausstattung von Gründern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
7.2 Spezielle Probleme der Gründungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
7.3 Kreditrationierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
7.4 Venture Capital als Gründungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
7.4.1 Besonderheiten hoch-innovativer Gründungen und daraus resultierende
Finanzierungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
7.4.2 Definition und Arten von Venture Capital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
7.4.3 Ablauf von VC-Finanzierung und einige empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
7.5 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
7.6 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
IX
Inhaltsverzeichnis

Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

8 Individuelle, gesamtwirtschaftliche, sektorale und regionale


Determinanten von Gründungen und unternehmerischer
Selbstständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
8.1 Institutionelle Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
8.1.1 Der institutionelle Rahmen für unternehmerische Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
8.1.2 Gründungsbarrieren: Der administrative Gründungsaufwand im internationalen
Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
8.2 Wie entstehen unternehmerische Gelegenheiten und wie kann man sie fördern? . . 98
8.3 Persönliche Charakteristika und Gründungsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
8.4 Wohlstandsniveau, Konjunktur, Arbeitslosigkeit und Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
8.5 Marktspezifische (sektorale) Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
8.6 Die Bedeutung des regionalen Umfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
8.6.1 Zur Identifikation eines regionalen Einflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
8.6.2 Die Bedeutung von regionalen Gegebenheiten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
8.7 Die systemische Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
8.8 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
8.9 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

9 Wie entwickeln sich junge Unternehmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113


9.1 Die Gründungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
9.2 Die Entwicklung von Gründungskohorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
9.3 Die Erklärung des Zusammenhangs von Scheiteranfälligkeit und
Unternehmensalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
9.3.1 Liability of Newness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
9.3.2 Liability of Smallness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
9.3.3 Liability of Adolescence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
9.3.4 Liability of Aging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
9.4 Die Größenstruktur von Gründungskohorten und die Produktivitätsentwicklung
im Zeitverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
9.5 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
9.6 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

10 Erfolgsfaktoren von Unternehmensgründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125


10.1 Personenbezogene Analyse: Einkommen und Zufriedenheit von Selbstständigen . 126
10.2 Unternehmensbezogene Analyse: Hypothesen und empirische Evidenz zum
Erfolg von Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
10.2.1 Zur Methodik von Erfolgsfaktoren-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
10.2.2 Indikatoren zur Beurteilung des Erfolgs von Unternehmensgründungen . . . . . . . . . . . . 129
10.2.3 Hypothesen und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
10.3 Schnell wachsende Unternehmen (Gazellen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
X Inhaltsverzeichnis

10.4 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139


10.5 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

11 Wirkungen von Gründungsprozessen auf wirtschaftliche Entwicklung . . 143


11.1 Historischer Exkurs: Die Birch-Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
11.2 Direkte und mögliche indirekte Effekte von Gründungen auf wirtschaftliche
Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
11.3 Der empirische Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
11.3.1 Methodische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
11.3.2 Der direkte Beitrag von Unternehmensgründungen zur Beschäftigungsentwicklung . 149
11.3.3 Der Gesamteffekt von Gründungen auf wirtschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
11.3.4 Die Qualität von Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
11.3.5 Unterschiede der Wirkungen des Gründungsgeschehens zwischen Regionen und
Branchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
11.3.6 Regionale Wachstumsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
11.4 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
11.5 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

12 Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
12.1 Gegenstand der Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
12.2 Ziele der Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
12.3 Mögliche Begründungen für eine Förderung von Entrepreneurship . . . . . . . . . . . . . . . 162
12.3.1 Marktversagen als Begründung von Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
12.3.2 Systemversagen als Begründung von Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
12.4 Arten, Strategien und Ansatzpunkte für Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
12.4.1 Zwei Strategien der Entrepreneurship-Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
12.4.2 Ansatzpunkte für eine Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
12.5 Möglichkeiten zur Förderung innovativer Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
12.5.1 Noch einmal: Merkmale innovativer Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
12.5.2 Ansatzpunkte speziell zur Förderung innovativer Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
12.5.3 Ausgewählte Instrumente zur Förderung innovativer Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
12.5.4 Schlussbemerkung zur Förderung innovativer Gründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
12.6 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
12.7 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

13 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
XI

Abbildungsverzeichnis

Abb. 2.1 Schumpeter’sches und Kirzner’sches Entrepreneurship . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9


Abb. 2.2 Produktives, unproduktives und destruktives Entrepreneurship . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Abb. 3.1 Anzahl der unternehmerisch selbstständigen Personen und
Selbstständigenrate in Ost- und Westdeutschland 1991–2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Abb. 3.2 Selbstständige mit und ohne Beschäftigte in Deutschland 1991–2016 . . . . . . . . . 28
Abb. 3.3 Anzahl der Unternehmensgründungen in Deutschland 1995–2016 . . . . . . . . . . . . 29
Abb. 3.4 Unternehmensgründungen in Deutschland 1995–2016 in innovativen
Branchen des Verarbeitenden Gewerbes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Abb. 3.5 Räumliche Verteilung der durchschnittlichen jährlichen Anzahl der
Gründungen pro 1.000 Beschäftigten in Deutschland 2010–2016 . . . . . . . . . . . . . . 33
Abb. 3.6 Regionale Struktur der Gründungen in innovative Branchen des
Verarbeitenden Gewerbes – Durchschnittliche jährliche Anzahl der
Gründungen pro 1.000 Beschäftigten 2010–2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Abb. 3.7 Die Total Earl-Stage Entrepreneurial Activity 2017 in verschiedenen Ländern . . . 36
Abb. 3.8 Marktzutritte und Marktaustritte im Verlauf des Industrielebenszyklus . . . . . . . . . 36
Abb. 4.1 Ein einfaches Modell der unternehmerischen Selbstständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Abb. 5.1 Persönlichkeit und Qualifikationen als Determinanten unternehmerischer
Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Abb. 5.2 Typen von Risikopräferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Abb. 5.3 Einflussfaktoren auf die Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten . . . . . . . . . . 61
Abb. 6.1 Lebensalter und Gründungswahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Abb. 7.1 Finanzierungsquellen von jungen Unternehmen in Deutschland.
(Sonderauswertungen des IAB/ZEW-Gründungspanels zur
Finanzierungsstruktur von bis zu vier Jahre alten Unternehmen.
Eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Abb. 7.2 Gleichgewicht auf dem Kreditmarkt und Kreditrationierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Abb. 7.3 Der bankoptimale Zinssatz bei risikoreichen Projekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
Abb. 7.4 Arten von Beteiligungskapital (Equity) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
Abb. 9.1 Beschäftigung in Gründungskohorten und Überlebensraten in
Westdeutschland 1976–2005 – privater Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
Abb. 9.2 Hazardraten in Gründungskohorten – Westdeutschland 1976–2005 – privater
Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Abb. 9.3 Markteintritt und mindestoptimale Unternehmensgröße (MOG) . . . . . . . . . . . . . . . 119
Abb. 10.1 Nettoeinkommen pro Arbeitsstunde von Solo-Entrepreneuren, Unternehmern
mit weiteren Beschäftigten und abhängig Beschäftigten in Deutschland 2009 . . 127
Abb. 11.1 Direkte und indirekte Effekte von Gründungen auf Wirtschaftswachstum . . . . . . 145
Abb. 11.2 Gründungsgeschehen und Marktprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
Abb. 11.3 Gründungen und regionale Beschäftigungsentwicklung – Verteilung der
Time-Lags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
Abb. 11.4 Potenzielle regionale und branchenspezifische Einflussfaktoren auf die
Wirkungen von Unternehmensgründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Übersichtenverzeichnis

Übersicht 2.1 Arten von Entrepreneurship . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11


Übersicht 3.1 Wesentliche Ausprägungen der Marktdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Übersicht 3.2 Sektorale Struktur der Gründungen in Deutschland 2010–2016 . . . . . . . . . . . . 30
Übersicht 3.3 Wesentliche Kennzeichen eines entrepreneurhaften und eines
routinisierten technologischen Regimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Übersicht 7.1 Entwicklungsphasen hoch-innovativer Unternehmensgründungen und
Finanzierungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Übersicht 8.1 Empirische Befunde zur Bedeutung von persönlichen Charakteristika für
die Gründungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
Übersicht 8.2 Empirische Befunde zur Wirkung von Wohlstandsniveau, Konjunktur,
Arbeitslosigkeit und Kosten auf das Niveau der Gründungsaktivitäten . . . . . . 101
Übersicht 8.3 Empirische Befunde zur Wirkung von markt- bzw. branchenspezifischen
Faktoren auf das Niveau der Gründungsaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Übersicht 8.4 Empirische Befunde zur Wirkung von regionalen Gegebenheiten auf das
Niveau der Gründungsaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Übersicht 10.1 Hypothesen und empirische Befunde zur Bedeutung der Person des
Gründers für den Gründungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
Übersicht 10.2 Hypothesen und Befunde zur Bedeutung interner Charakteristika für den
Gründungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
Übersicht 10.3 Hypothesen zur Bedeutung von Standortbedingungen und regionalem
Umfeld für den Gründungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Übersicht 10.4 Hypothesen und Befunde zur Bedeutung von Marktgegebenheiten für
den Gründungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Übersicht 12.1 Ansatzpunkte einer Entrepreneurship-Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
1 1

Einführung: Die Rolle von


Entrepreneurship in Wirt-
schaft und Gesellschaft

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_1
2 Kapitel 1  Einführung: Die Rolle von Entrepreneurship in Wirtschaft und Gesellschaft

Der Begriff Entrepreneurship steht für Fakto- pational Choice, mit dem zu erklären versucht
1 ren wie unternehmerische Initiative, Kreativi- wird, warum jemand sich dazu entschließt, un-
tät, Innovation und das Eingehen ökonomi- ternehmerisch tätig zu sein bzw. in abhängiger
scher Wagnisse. Er bezeichnet diejenigen For- Beschäftigung zu verbleiben. Eine Schlüsselrol-
men von Unternehmertum, die eine zentrale le kommt dabei den unternehmerischen Fähig-
Triebkraft für wirtschaftliche Entwicklung dar- keiten zu. 7 Kap. 5 beschäftigt sich zum einen
stellen. Da diese dynamischen Elemente des mit der Frage, was unter den unternehmeri-
Entrepreneurship vor allem mit neuen und jun- schen Fähigkeiten einer Person zu verstehen ist;
gen Unternehmen in Verbindung gebracht wer- zum anderen geht es darum, wie solche unter-
den, stehen Unternehmensgründungen meist nehmerischen Fähigkeiten erworben werden.
im Zentrum der Beschäftigung mit Entrepre- Dies umfasst nicht zuletzt auch die Übertra-
neurship; so auch in diesem Buch.1 gung von unternehmerischen Fähigkeiten zwi-
Dieses Buch soll in das Thema Entrepre- schen den Generationen. Das folgende 7 Kap. 6
neurship einführen und einen Überblick über behandelt demografische Merkmale und Kar-
den Stand der Forschung bieten. Dabei geht es riereverläufe von Gründern, wobei auch auf die
einmal darum, das Phänomen Entrepreneur- Standortwahl von Unternehmensgründungen
ship in seinen verschiedenen Spielarten zu be- eingegangen wird.
schreiben und seine Bedeutung für Wirtschaft 7 Kap. 7 ist dem wichtigen Bereich der
und Gesellschaft aufzuzeigen. Zum anderen Gründungsfinanzierung gewidmet. Dabei wird
werden Engpässe und Probleme behandelt so- zunächst ein Überblick über die Finanzie-
wie wirtschaftspolitische Handlungsoptionen rungsstruktur junger Unternehmen gegeben.
diskutiert. Kurz, das Buch soll einen Überblick Es schließt sich eine Erläuterung von Informa-
über ein sich sehr dynamisch entwickelndes tionsproblemen im Verhältnis zwischen Grün-
Themengebiet geben und dabei nicht zuletzt der und Kapitalgeber an. Diese Probleme so-
auch als Entscheidungshilfe für wirtschaftspo- wie relativ hohe Unsicherheit über den Erfolg
litische Akteure dienen. von Gründungsprojekten können zu einer ein-
Ausgangspunkt in 7 Kap. 2 ist eine Charak- geschränkten Funktionsfähigkeit des Marktes
terisierung von Entrepreneurship in seinen we- für Gründungskapital führen, mit der Folge,
sentlichen Ausprägungen. 7 Kap. 3 behandelt dass zu geringe finanzielle Mittel für Unterneh-
zunächst die Vorgehensweise sowie die Pro- mensgründungen zur Verfügung gestellt wer-
bleme bei der empirischen Erfassung von Un- den (Kreditrationierung). Eine mögliche Lö-
ternehmungsgründungen und unternehmeri- sung für dieses Problem, das vor allem für
scher Selbstständigkeit. Darauf aufbauend wird Gründer innovativer Unternehmen relevant ist,
ein Überblick über das Gründungsgeschehen besteht in der Beteiligungsfinanzierung (Ven-
und die Entwicklung von unternehmerischer ture Capital). Es wird ein Überblick über die
Selbstständigkeit in Deutschland sowie auch besonderen Finanzierungsprobleme von inno-
in ausgewählten anderen Ländern während vativen Gründungen gegeben und in einige
der letzten Jahre gegeben. Insbesondere wer- wesentliche Grundlagen der Beteiligungsfinan-
den auch Unterschiede zwischen Branchen und zierung eingeführt. Dabei geht es insbesondere
Regionen aufgezeigt. 7 Kap. 4 präsentiert das um die Frage, inwieweit die Finanzierungs-
grundlegende theoretische Modell des Occu- probleme innovativer Gründungen durch Ven-
ture Capital gelöst werden können und welcher
1
Dies stellt insofern eine Einengung des Themas dar, wirtschaftspolitische Handlungsbedarf in die-
als Entrepreneurship in dem hier verstandenen Sin- sem Bereich besteht.
ne eine Verhaltensweise darstellt, die auch in alt- Das 7 Kap. 8 gibt einen Überblick über em-
etablierten Unternehmen auftreten kann. Entrepre-
neurhaftes Verhalten ist auch keineswegs auf die
pirische Ergebnisse zu den Bestimmungsgrün-
wirtschaftliche Sphäre beschränkt, sondern kann ei- den von Gründungsaktivitäten sowohl in na-
gentlich sämtliche Lebensbereiche betreffen. tionaler, sektoraler wie auch in regionaler Per-
Einführung: Die Rolle von Entrepreneurship in Wirtschaft und Gesellschaft
3 1
spektive. Die Kenntnis dieser Determinanten In 7 Kap. 11 werden die zentralen For-
des Gründungsgeschehens ist von entscheiden- schungsergebnisse zum Effekt von Unterneh-
der Bedeutung für die Politik, wenn sie das mensgründungen auf wirtschaftliche Entwick-
Gründungsgeschehen beeinflussen, also bei- lung vorgestellt. Dabei wird insbesondere er-
spielsweise Unternehmensgründungen fördern läutert, auf welche Weise positive Wachstums-
will. 7 Kap. 9 beschäftigt sich mit Entwick- wirkungen von Unternehmensgründungen zu-
lungsmustern junger Unternehmen und von stande kommen und wovon das Ausmaß der
Gründungskohorten. Dabei werden insbeson- Wachstumsimpulse von Unternehmensgrün-
dere auch mögliche Ursachen für das hohe dungen abhängt. Die Kenntnis der relevanten
Scheiterrisiko junger Unternehmen behandelt. Zusammenhänge ist von entscheidender Be-
Gegenstand von 7 Kap. 10 ist der Erfolg von deutung für die Ausgestaltung und die Beurtei-
Unternehmern und von jungen Unternehmen. lung von Maßnahmen der Entrepreneurship-
Dabei liegt der Schwerpunkt bei den Deter- Politik, die mit dem Ziel der Förderung
minanten des Erfolgs von Unternehmensgrün- wirtschaftlichen Wachstums betrieben werden.
dungen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse Ansatzpunkte und Möglichkeiten der Förde-
empirischer Studien zum Einkommen von Un- rung von Gründungen und unternehmerischer
ternehmern im Vergleich zu abhängig Beschäf- Selbstständigkeit sind dann Gegenstand von
tigten zusammengefasst und diskutiert. 7 Kap. 12. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der
Allgemein werden von Gründungsprozes- Förderung innovativer Gründungen. Abschlie-
sen wichtige Impulse für wirtschaftliche Ent- ßend werden einige zentrale Ergebnisse zusam-
wicklungsprozesse erwartet. Solche positiven mengefasst.
Wachstumseffekte stellen eine zentrale Motiva-
tion für die Beschäftigung mit Entrepreneur-
ship dar.
5 2

Entrepreneurship,
Gründungen,
Marktdynamik

2.1 Entrepreneurship – 6

2.2 Entrepreneurship und Gründungen – 9

2.3 Arten von Entrepreneurship – 10


2.3.1 Einteilung nach Innovationsrelevanz und Motiv – 10
2.3.2 Einteilung nach den Wirkungen – 13
2.3.3 Einteilung nach der Vorerfahrung und der Anzahl der
Gründer – 14
2.3.4 Einteilung nach der Phase im Gründungsprozess – 14
2.3.5 Einteilung nach dem Neuheitsgrad und dem
rechtlich-organisatorischen Status des Unternehmens – 15

2.4 Mögliche Wirkungen des Gründungsgeschehens auf die


Wirtschaftsentwicklung – 15

2.5 Von der gemanagten zur unternehmerischen


Gesellschaft – 16

2.6 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse – 17

2.7 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 2 – 18

Literaturhinweise – 18

Weiterführende Literatur – 18

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_2
6 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

Wesentliche Fragestellungen nature du commerce en général“). Der Öko-


nom Jean-Baptiste Say (1767–1831, „Treatise on
4 Was ist Entrepreneurship? Political Economy“) beschrieb den Entrepre-
2 4 Was kennzeichnet entrepreneurhaftes Verhal- neur als „Master-Agent“, der Ressourcen kom-
ten? biniert, um Bedürfnisse zu befriedigen.Say be-
4 Welche Arten von Entrepreneurship lassen tont in diesem Zusammenhang, dass Entrepre-
sich unterscheiden? neurship Wissen, Urteilsfähigkeit und Risiko
4 Welche Bedeutung hat Entrepreneurship für beinhaltet. Im englischen Sprachgebrauch be-
die wirtschaftliche Entwicklung? zeichnete man den Unternehmer früher gele-
gentlich auch als Adventurer (= Abenteuerer).
Die moderne Diskussion um Entrepreneur-
Dieses einführende Kapitel erläutert den We- ship wurde entscheidend durch den österrei-
sensinhalt von Entrepreneurship, stellt ver- chischen Ökonomen Joseph Alois Schumpe-
schiedene in diesem Zusammenhang relevan- ter (1883–1950) geprägt. Schumpeter forschte
te Begriffe vor und zeigt wichtige Dimen- nach den wesentlichen Triebkräften wirtschaft-
sionen des Themas auf. Dabei geht es zu- licher Entwicklung. Er vertrat die Ansicht, dass
nächst einmal um den Begriff des Entrepre- wirtschaftliche Entwicklung in Schüben bzw.
neurship (7 Abschn. 2.1) sowie um den Zu- Zyklen verläuft, die jeweils durch bestimmte
sammenhang zwischen Entrepreneurship und grundlegende Innovationen ausgelöst werden.
der Gründung von Betrieben bzw. Unterneh- Als Auslöser solcher Entwicklungszyklen iden-
men (7 Abschn. 2.2). Darauf aufbauend folgt tifizierte Schumpeter innovative Unternehmer,
in 7 Abschn. 2.3 ein Überblick über verschie- die revolutionäre Neuerungen eingeführt und
dene Arten von Gründungen bzw. Entrepre- durchgesetzt haben. Diese Schumpeter’schen
neurship. 7 Abschn. 2.4 beschreibt einige we- Unternehmer waren in aller Regel nicht die
sentliche Wirkungen von Gründungen auf die Erfinder selbst, sondern Anwender von Erfin-
wirtschaftliche Entwicklung. 7 Abschn. 2.5 be- dungen.Meist handelte es sich um Außensei-
handelt das Phänomen der unternehmerischen ter der betreffenden Branche, die neu hinzu-
Selbstständigkeit im gesellschaftlichen Maß- kamen und sich gegen den teilweise heftigen
stab und vergleicht wesentliche Kennzeichen Widerstand der etablierten Anbieter behaupten
einer von Entrepreneuren geprägten Wirtschaft mussten. In seinem Buch „Sozialismus, Kapita-
und Gesellschaft („Entrepreneurial Society“) lismus und Demokratie“ beschreibt Schumpeter
mit einem von Großunternehmen dominier- die Funktion des Unternehmers als
ten System („Managed Society“). 7 Abschn. 2.6
fasst die wesentlichen Ergebnisse zusammen.
» . . . die Produktion durch Anwendung einer
Erfindung oder einer neuen technischen
2.1 Entrepreneurship Möglichkeit zu verändern oder zu revo-
lutionieren, also ein neues Produkt oder
Der Begriff Entrepreneur geht auf das franzö- ein herkömmliches Produkt auf eine neue
sische Verb entreprendre zurück, das „etwas Weise zu erzeugen.
tun“ bzw. „etwas unternehmen“ bezeichnet. Be- . . . Solche neuen Dinge zu unternehmen
zogen auf Geschäftstätigkeit wurde er wahr- ist schwierig und begründet eine besondere
scheinlich erstmals im 17. Jahrhundert als Be- ökonomische Funktion, erstens weil es
zeichnung für jemanden gebraucht, der ein außerhalb der Routineaufgaben liegt,
ökonomisches Projekt mit unsicheren Gewinn- auf die sich jeder versteht, und zweitens
aussichten durchführt, also Unsicherheit trägt wegen der mannigfachen Widerstände der
(Richard Cantillon, 1680–1734, „Essai sur la Umwelt. . . .
2.1  Entrepreneurship
7 2
» Diese Funktion besteht ihrem Wesen nach von Benzin- und Elektroantrieb von PKWs fanden bereits
weder darin, irgendetwas zu erfinden, noch Anfang der 1970er-Jahre an der Rheinisch-Westfälischen
Technischen Hochschule Aachen statt, stießen bei der
sonst wie Bedingungen zu schaffen die die
deutschen Automobilindustrie aber auf wenig Interesse.
Unternehmung ausnützt. Sie besteht darin, Der wirtschaftliche Durchbruch solcher Hybrid-Antriebe
dass sie Dinge in Gang setzt. (Schumpeter, fand dann mehr als 30 Jahre später durch japanische An-
1942/1946, 215) bieter statt.

Ein wesentliches Element der von Schum- Die Durchsetzung grundlegender Innova-
peter gegebenen Definition von Entrepreneur- tionen führt zu Strukturwandel, in dessen
ship ist die wirtschaftliche Anwendung von Er- Verlauf etablierte Technologien, Unternehmen
findungen bzw. ganz allgemein von Wissen, bzw. Industrien unrentabel und durch neue
die Innovation. Dabei wird Innovation sinn- Unternehmen bzw. Industrien ersetzt wer-
vollerweise umfassend verstanden als die Ein- den. Der durch die Einführung grundlegender
führung neuer Produkte (Produktinnovation), Neuerungen ausgelöste Strukturwandel wird
die Nutzung neuer Produktionsverfahren (Ver- auch als kreative Zerstörung charakterisiert.
fahrensinnovation), die Erschließung neuer Beispiele für eine solche kreative Zerstörung
Bezugsquellen (Beschaffungsinnovation) und/ sind etwa die Freisetzung von Arbeitskräften in
oder als die Erschließung neuer Absatzmärk- der Textilindustrie durch Einführung automa-
te (Marketinginnovation). Schumpeter fand in tisierter Webstühle im späten 18. und frühen
seinen historischen Studien diverse Beispiele 19. Jahrhundert, die Verdrängung von Pferde-
dafür, dass das Wissen bzw. die Erfindung, die droschken durch das Automobil in der ers-
innovativem Entrepreneurship zugrunde lag, ten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der Ersatz
bereits längere Zeit allgemein bekannt war. Als von Schreibmaschinen durch Computer oder
entscheidenden Engpass für die ökonomische die Verdrängung von stationärem Einzelhan-
Wirksamkeit von Wissen identifizierte er des- del durch Einkäufe im Internet. Ein Beispiel für
sen Anwendung durch innovative Unterneh- eine grundlegende Neuerung, durch die eine
mer. Schumpeter war sich sehr wohl darüber völlig neue Industrie geschaffen wurde, ohne
bewusst, dass nur ein kleiner Teil der Unterneh- dass Bestehendes in größerem Ausmaß obsolet
merschaft auf die von ihm beschriebene Weise wurde, ist die Einführung des Buchdrucks im
dynamische Anstöße erzeugt. Schumpeter’sche 15. Jahrhundert.
Unternehmer sind eine eher seltene Ausnahme, Die Wirkungen von innovativem Entre-
nicht die Regel. Demgemäß stellt das Fehlen preneurship können außerordentlich vielfäl-
Schumpeter’scher Unternehmer einen entschei- tig sein und weitere unternehmerische Gele-
denden Engpass wirtschaftlicher Entwicklung genheiten eröffnen. Beispielsweise führte die
dar. Einführung der Eisenbahn über eine Sen-
kung der Transportkosten zu einer räumli-
Für Schumpeters Erkenntnis, dass nicht das Wissen bzw. chen Ausweitung von Märkten und begünstig-
die Erfindung, sondern deren Umsetzung durch innova- te so die Ausschöpfung von Größenvorteilen
tive Unternehmer den eigentlichen Engpass wirtschaftli-
durch Massenproduktion. Dies hatte dann wie-
cher Entwicklung darstellt, lassen sich vielfältige Beispie-
le finden. So wurde etwa das Telefon zu einem wesentli- derum deutliche Auswirkungen auf die Sied-
chen Teil Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland von lungsstruktur, etwa dadurch, dass nun größe-
Johann Philipp Reis entwickelt, aber erst Jahre später in re Fabriken rentabel wurden und aus diesem
den USA wirtschaftlich erfolgreich eingeführt. Das MP3- Grund die Bevölkerung in den Städten zu-
Speicherformat für Musik wurde Ende der 1980er-Jahre nahm. Weitere Beispiele bieten Innovationen
am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlan-
gen entwickelt, erfuhr aber erst Jahre später mit der Ein-
im Bereich der Telekommunikation, wie zum
führung des iPod durch die Firma Apple die kommerziell Beispiel das Internet und das Smartphone. Die-
erfolgreiche Anwendung. Forschungen zur Kombination se Neuerungen haben zum einen zu einer dras-
8 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

tischen Senkung von Kommunikationskosten 4 Wachheit (Alertness) und das Erkennen


geführt, was wiederum die Koordination der von Gelegenheiten (Opportunity Recogni-
Arbeitsteilung über große räumliche Distan- tion),
2 zen (Globalisierung) begünstigt. Zum anderen 4 Kreativität,
hat die Verbreitung dieser Technologien we- 4 Initiative und Gestaltungswille,
sentliche Auswirkungen auf individuelles Ver- 4 Einführung neuer Ideen,
halten, auf viele Bereiche der sozialen Be- 4 Streben nach Selbstverwirklichung,
ziehungen sowie auf die Gesellschaft insge- 4 eigenverantwortliches Handeln,
samt. 4 Durchsetzungswille und -fähigkeit sowie
Zum Thema Entrepreneurship haben Au- 4 Risikobereitschaft.
toren unterschiedlicher Fachrichtungen wich-
tige Beiträge geleistet. Diese Vielfalt des jewei- Dieses Bild des dynamischen Unternehmers,
ligen fachlichen Hintergrunds ist wahrschein- des Entrepreneurs, steht in deutlichem Gegen-
lich ein wesentlicher Grund dafür, dass sich bis satz zu der Rolle des Unternehmers im öko-
heute keine einheitliche Definition des Begrif- nomischen Standardmodell der vollständigen
fes etabliert hat. Die Spanne der vorgeschla- Konkurrenz. In diesem Modell wird der Unter-
genen Begriffsbildungen reicht von Entrepre- nehmer nicht als ein unter Unsicherheit han-
neurship als Bezeichnung für das Management delnder Initiator von Veränderungen gesehen,
eines Unternehmens bis hin zum wagemuti- sondern er ist ein Anpasser an die von ihm
gen Innovator Schumpeter’scher Prägung. Ge- nicht zu beeinflussenden Rahmenbedingun-
meinsam ist so gut wie allen diesen Defini- gen. Die weitgehende Ausblendung von dyna-
tionen, dass ein entrepreneurhaft Handelnder mischem Unternehmertum im ökonomischen
versucht, Veränderungen zu bewirken. Entre- Standardmodell hat bereits Joseph Schumpeter
preneurship stellt damit ein dynamisches Ele- mit der Bemerkung kritisiert, die Behandlung
ment im Wirtschaftsgeschehen dar. Dabei geht wirtschaftlicher Phänomene ohne angemesse-
es weniger um die Optimierung eines gege- ne Einbeziehung der Rolle des Entrepreneurs
benen Status quo, sondern um dessen Verän- sei wie eine Diskussion über „Hamlet“ ohne Be-
derung. Entrepreneurship versucht Verände- rücksichtigung des Prinzen von Dänemark.
rung. Somit kann entrepreneurhaftes Handeln Eine viel diskutierte Definition von Entre-
als das Experimentieren mit neuen Produk- preneurship, die einen gewissen Gegensatz zur
ten bzw. Geschäftsideen charakterisiert wer- Sichtweise Joseph Schumpeters kennzeichnet,
den. Es ist damit eine inhärent mit Unsicherheit geht auf den Ökonomen Israel Kirzner zurück.
und Risiko verbundene Aktivität. Diese fun- Nach Kirzner besteht die Tätigkeit des Entre-
damentale Unsicherheit ist keineswegs auf die preneurs vor allem darin, Gewinnmöglichkei-
Einführung von Innovationen bzw. auf inno- ten wahrzunehmen, die sich aus Unvollkom-
vative Gründungen beschränkt. Auch der Er- menheiten des Marktes ergeben. Ein Beispiel
folg einer Unternehmensgründung, die allein hierfür sind Arbitrage-Geschäfte, die Preisun-
auf einer Imitation herkömmlicher Produkte terschiede zwischen Märkten ausnutzen und
bzw. Konzepte beruht, kann nicht mit Sicher- auf diese Weise zu einer Angleichung der Prei-
heit prognostiziert werden. Aufgrund dieser se führen. Der Entrepreneur trägt dazu bei,
Unsicherheit muss der Entrepreneur dazu be- dass sich die Märkte an ein Optimum annähern
reit und in der Lage sein, Risiken einzuge- oder dieses Optimum sogar erreichen.
hen. Der Unterschied zwischen Entrepreneur-
Entrepreneurship lässt sich auch anhand ship im Sinne von Kirzner und dem dyna-
der Merkmale von Personen und deren Hand- mischen Unternehmertum nach Schumpeter
lungen kennzeichnen. Solche entrepreneurhaf- lässt sich grafisch mit Hilfe von Transformati-
ten Eigenschaften von Personen sind etwa: onskurven illustrieren (. Abb. 2.1). Die Trans-
2.2  Entrepreneurship und Gründungen
9 2

Transformationskurve

B Schumpeter

Kirzner
A

. Abb. 2.1 Schumpeter’sches und Kirzner’sches Entrepreneurship

formationskurve gibt Kombinationen zweier 2.2 Entrepreneurship und


Güter X und Y an, die in einer Volkswirtschaft Gründungen
zu einem bestimmten Zeitpunkt maximal pro-
duziert werden können; sie beschreibt also
das Produktionspotenzial. Punkte die zwischen Entrepreneurship in dem hier beschriebenen
den Achsen und der Transformationskurve lie- Sinne stellt eine Leitungsfunktion dar, die
gen (z. B. Punkt A in . Abb. 2.1), bezeichnen man auch allgemein als „Unternehmertum“ be-
ineffiziente Zustände, in denen die Produkti- schreiben könnte. Demnach ließe sich jede
onsmöglichkeiten aufgrund von Marktunvoll- unternehmerische Tätigkeit oder, ganz allge-
kommenheiten nicht vollständig ausgeschöpft mein, berufliche Selbstständigkeit als Entrepre-
werden. Kirzner’sches Entrepreneurship führt neurship auffassen. Mit einer solchen Begriffs-
dazu, dass die vorhandenen Möglichkeiten bes- fassung ist allerdings entrepreneurhaftes Ver-
ser ausgeschöpft werden, d. h. ausgehend von halten von abhängig Beschäftigten innerhalb
einem ineffizienten Zustand, wird ein Zustand eines bestehenden Unternehmens, zum Bei-
erreicht, der näher an der Transformationskur- spiel durch angestellte Manager, vom Begriff
ve oder sogar auf dieser Kurve liegt. Im Ge- des Entrepreneurship ausgeschlossen. Solches
gensatz dazu erweitert Schumpeter’sches Entre- entrepreneurhaftes Verhalten von abhängig Be-
preneurship durch Einführung einer grund- schäftigten innerhalb bestehender Unterneh-
legenden Innovation die Produktionsmöglich- men wird auch als Intrapreneurship bezeichnet.
keiten, wodurch sich die Transformationskurve Entrepreneurship als eine auf Veränderun-
nach außen verschiebt, und etwa ein Punkt gen abzielende Tätigkeit wird insbesondere
wie C in . Abb. 2.1 erreicht werden kann. Im neu gegründeten und jungen Unternehmen
Vergleich zum Ausganspunkt B repräsentiert zugesprochen, obwohl grundsätzlich natürlich
Punkt C ein höheres gesellschaftliches Wohl- auch alt-etablierte Unternehmen im Schum-
standsniveau, weil hier eine größere Menge bei- peter’schen Sinne innovativ handeln können.
der Güter X und Y produziert werden kann. Der Grund für diese Einengung des Begriffs
10 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

auf neu gegründete und junge Unternehmen werden. Der wesentliche Grund dafür, dass alt-
besteht darin, dass bei den Newcomern ei- etablierte Unternehmen nur selten radikale In-
ne besondere Dynamik gesehen wird. Versteht novationen einführen, besteht aber wohl da-
2 man die Gründung eines Unternehmens als ein rin, dass sie davor zurückscheuen, sich selbst
mehr oder weniger risikoreiches Experiment, Konkurrenz zu machen und damit ihr etablier-
mit dem die ökonomische Tragfähigkeit einer tes Produktprogramm zu kannibalisieren. Wird
Geschäftsidee getestet wird, dann stellt das Ni- der Vorschlag eines Mitarbeiters für ein neues
veau der Gründungsaktivitäten in einem Land, Produkt von der Unternehmensleitung abge-
einer Branche oder einer Region ein Maß dafür lehnt, so besteht häufig die einzige Möglichkeit
dar, inwiefern Neues ausprobiert wird. Dieser zur Verwirklichung dieser Idee in der Grün-
Experiment-Charakter ist bei den am Markt dung eines eigenen Unternehmens.
etablierten Unternehmen in weit geringerem
Maße gegeben, da hier bereits Erfahrungen
über den Erfolg des betreffenden Geschäftsmo- 2.3 Arten von Entrepreneurship
dells existieren.
Die Bedeutung von Gründungen für Ent- Angesichts der vielfältigen Formen von
wicklungsimpulse wird durch die Beobachtung Entrepreneurship ist es sinnvoll, zwischen ver-
unterstrichen, dass grundlegende, radikale In- schiedenen Arten von Entrepreneurship zu
novationen in der ganz überwiegenden Anzahl differenzieren. Der folgende Überblick über
der Fälle von neuen Unternehmen eingeführt solche Einteilungen von Entrepreneurship
werden. Ein prominentes Beispiel für eine sol- unterscheidet zwischen Innovationsrelevanz
che radikale Innovation durch Newcomer ist und Motiv (7 Abschn. 2.3.1), den Wirkungen
die Entwicklung des Flugzeugs durch die Ge- von Entrepreneurship (7 Abschn. 2.3.2), der
brüder Wright, die ursprünglich Fahrradhänd- Vorerfahrung und der Anzahl der Gründer
ler waren, und ihre Flugversuche neben die- (7 Abschn. 2.3.3), der Phase im Gründungs-
sem Geschäft. Andere Beispiele sind etwa die prozess (7 Abschn. 2.3.4) sowie nach dem Neu-
Entwicklung des Personal Computers durch heitsgrad und dem rechtlich-organisatorischen
Elektronik-Bastler Mitte der 1970er-Jahre so- Status (7 Abschn. 2.3.5). In . Übersicht 2.1 sind
wie viele Bereiche der Internet-Ökonomie, wie die verschiedenen Definitionen zusammenge-
etwa die Entwicklung von Browsern, Suchma- stellt.
schinen, Auktionsplattformen, sozialen Netz-
werken etc.
Im Vergleich zu den Gründungen verhalten
2.3.1 Einteilung nach
sich die bereits am Markt etablierten Firmen
in Bezug auf radikale Innovation in der Re- Innovationsrelevanz und
gel recht zurückhaltend. Es gibt viele Beispiele Motiv
dafür, dass die Initiative von Mitarbeitern für
neue Produkte in etablierten Unternehmen ab- Da Entrepreneurship im Kern auf Innova-
gelehnt wurde und diese Mitarbeiter ihre Idee tion und Erneuerung abzielt, liegt es nahe,
dann mittels Gründung eines eigenen Unter- Gründungen entsprechend ihrer Relevanz für
nehmens – häufig erfolgreich – umgesetzt ha- Innovationsprozesse zu unterscheiden. Dem-
ben (ausführlich hierzu 7 Abschn. 5.6). Diese nach sind unter innovativen Gründungen sol-
Reserviertheit etablierter Unternehmen gegen- che neuen Unternehmen zu verstehen, die mit
über neuen Ideen kann einmal mit einer ri- einem wesentlich neuen Produkt, einer neu-
sikoscheuen Haltung angesichts der unsiche- en Produktionsweise, einem neuartigen Ver-
ren Erfolgsaussichten einer Innovation erklärt triebskonzept und/oder einer neuen Beschaf-
2.3  Arten von Entrepreneurship
11 2

. Übersicht 2.1 Arten von Entrepreneurship

Unterteilung nach der Innovationsrelevanz

Innovative Gründungen Die Gründung ist mit einer wesentlichen Neuerung verbunden (i. d. R.
Produktinnovation). Z. B. Hightech-Gründung bzw. technologieorientier-
te Unternehmensgründung (TOU).

Wissensintensive Gründungen Für die Gründung ist spezielles Wissen erforderlich bzw. es werden
wissensintensive Güter produziert. Spezielle Kategorie im Dienstleis-
tungssektor.

Nicht-innovative (imitative bzw. Die Gründung ist nicht mit einer wesentlichen Innovation verbunden.
replikative) Gründung

Unterteilung nach dem Motiv

Opportunity Entrepreneurship Gründung bzw. Führung eines Unternehmens, um eine sich bietende
Chance zu ergreifen bzw. eine Idee zu realisieren (z. B. innovatives Unter-
nehmen).

Necessity Entrepreneurship Gründung bzw. Führung eines Unternehmens aus einer Notlage heraus
(z. B. aufgrund drohender oder tatsächlich eingetretener Arbeitslosig-
keit).

Ambitious Entrepreneurship Unternehmen mit starker Wachstumsorientierung.

Social Entrepreneurship Neben ökonomischen Zielen werden mit dem Unternehmen in wesentli-
chem Umfang auch soziale Ziele verfolgt.

Unterscheidung nach den Wirkungen

Produktives Entrepreneurship Trägt direkt oder indirekt zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen
Wohlfahrt bei (Schumpeter’scher Unternehmer). Beispiel: Innovative
Gründungen.

Unproduktives Entrepreneurship Bewirkt lediglich eine Umverteilung von Einkommen. Z. B. nicht-


innovative Gründungen, Rent-Seeking, Aufwand zur Steuervermeidung,
Abschreibungsgesellschaften.

Destruktives Entrepreneurship Führt zu einer Verringerung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt. Bei-


spiele: Raubrittertum, Korruption, Kriminalität, Krieg, Sklavenhandel.

Unterteilung nach der Vorerfahrung des Gründers

Novice Entrepreneur Jemand gründet erstmalig ein Unternehmen.

Habitueller Entrepreneur, Serien- Jemand gründet wiederholt Unternehmen.


gründer

Portfolio-Gründer (Parallel Entre- Jemand, der ein Unternehmen gründet und ein früher von ihm gegrün-
preneur) detes Unternehmen parallel dazu weiterführt.

Re-Starter Ein Gründer, der vorher bereits ein Unternehmen gegründet hat und
nach Schließung oder Verkauf des Unternehmens wieder gründet.

Spin-off Gründung Der Gründer war vor dem Schritt in die Selbstständigkeit in einer Organi-
sation (Unternehmen, Hochschule, Forschungsinstitut) tätig und knüpft
mit dem neuen Unternehmen direkt an diese Tätigkeit an.
12 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

. Übersicht 2.1 (Fortsetzung)

Unterteilung nach der Anzahl der beteiligten Personen


2 Einzelgründer Der Gründer ist eine einzelne Person.

Team-Gründer Mehrere Personen schließen sich zusammen und gründen ein Unterneh-
men, in dem sie gemeinsam tätig sind.

Solo-Entrepreneur Ein Unternehmer, der die alleinige Arbeitskraft in dem Unternehmen


darstellt (Selbstbeschäftigung; evtl. einschließlich mithelfender Familien-
angehöriger).

Unterscheidung nach der Phase im Gründungsprozess

Latenter oder potentieller Entre- Person, die ein Unternehmen gründen könnte, bisher aber noch keine
preneur konkreten Schritte hierzu unternommen hat.

Nascent Entrepreneur Jemand, der dabei ist, ein Unternehmen zu gründen oder der die Grün-
dung eines Unternehmens konkret plant.

Junger Unternehmer (Young Entre- Leiter eines jungen Unternehmens – im Global Entrepreneurship Monitor
preneur) (GEM) operationalisiert als Unternehmen, das weniger als 3,5 Jahre alt ist.

Unterteilung nach dem Neuheitsgrad des Unternehmens

Originäre Gründung Für die Gründung werden neue Kapazitäten errichtet.

Derivative Gründung Für die Gründung werden keine neuen Kapazitäten errichtet (z. B. Über-
nahme eines bestehenden Betriebs/Unternehmens).

Unterteilung nach dem Grad an rechtlich-organisatorischer Selbstständigkeit

Selbstständige Gründung Der Gründer ist unabhängig.

Unselbstständige Gründung Der Gründer steht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu anderen Unter-


nehmen (z. B. Übernahme einer Filiale, Franchisenehmer, etc.).

fungsmethode verbunden sind. Man spricht Entsprechend dem Gründungsmotiv wird


in diesem Zusammenhang auch von High- häufig zwischen OpportunityEntrepreneurship
tech-Gründungen oder technologieorientier- und NecessityEntrepreneurship unterschieden.
ten Unternehmensgründungen (TOU). Empi- Von Opportunity Entrepreneurship spricht man,
risch grenzt man diese innovativen Gründun- wenn das wesentlich Motiv der Gründung da-
gen häufig über ihr Produktprogramm bzw. ih- rin besteht, eine sich bietende Chance zu er-
re Branchenzugehörigkeit ab. Eine solche pro- greifen bzw. eine Idee zu realisieren, wie dies
duktorientierte Definition innovativer Grün- bei der Gründung eines innovativen Unterneh-
dungen erweist sich im Dienstleistungssektor mens in der Regel unterstellt werden kann. Ne-
allerdings deshalb als problematisch, weil vie- cessity Entrepreneurship bezeichnet die Grün-
le Dienstleistungsanbieter gar kein klar defi- dung bzw. Führung eines Unternehmens aus
niertes Produkt haben, sondern überwiegend einer Notlage heraus, etwa aufgrund drohen-
ihr Wissen problemorientiert im Interesse der der oder tatsächlich eingetretener Arbeitslo-
Kunden anwenden. Aus diesem Grund werden sigkeit. Mit AmbitiousEntrepreneurship kenn-
innovative Gründungen im Dienstleistungs- zeichnet man eine Gründung, die mit starker
sektor als wissensintensiv klassifiziert. Nicht- Wachstumsorientierung betrieben wird.
innovative Gründungen bezeichnet man gele- Der Begriff des Social Entrepreneurship wird
gentlich auch als imitativ oder replikativ. zum Teil recht unterschiedlich definiert. Allge-
2.3  Arten von Entrepreneurship
13 2
mein bezeichnet man damit ein Unternehmen, Destruktives Entrepreneurship bezeichnet
das in wesentlichem Umfang auch soziale Ziele alle diejenigen Aktivitäten, die zwar den Merk-
verfolgt, wobei diese soziale Komponente un- malen von entrepreneurhaftem Verhalten wie
terschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Wird Eigenverantwortlichkeit, Initiative, Risikobe-
der sozialen Komponente ein hoher Stellenwert reitschaft und Durchsetzungsfähigkeit entspre-
beigemessen, dann ist der wirtschaftliche Er- chen, im Ergebnis aber zu einer Verringerung
folg lediglich ein notwendiges Mittel, um die der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt führen.
Existenz des Unternehmens und damit die Er- Beispiele hierfür wären etwa Raubrittertum,
füllung der sozialen Ziele zu sichern. Diese Kriminalität, Sklavenhandel und ähnliche Ak-
sozialen Ziele können sehr vielfältig sein und tivitäten. Mit der Unterscheidung dieser drei
etwa den Umweltbereich, gesellschaftliche Inte- Arten von Entrepreneurship ist die Vorstellung
gration von bestimmten Bevölkerungsgruppen verbunden, dass die Wirkungen von entrepre-
oder die Bereitstellung als erwünscht angesehe- neurhaftem Verhalten auf wirtschaftliche Ent-
ner Güter betreffen. wicklung wesentlich von den gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen und den damit verbun-
denen Anreizen abhängen. Entsprechend be-
steht eine wichtige Aufgabe der Politik darin,
2.3.2 Einteilung nach den
die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass
Wirkungen sie für produktives Entrepreneurship förder-
lich sind und unproduktive sowie destruktive
Entsprechend den Wirkungen von Gründun- Formen von Entrepreneurship möglichst un-
gen bzw. Entrepreneurship auf die wirtschaft- terbunden werden.
liche Entwicklung unterscheidet man zwi- Der Unterschied zwischen produktivem,
schen produktivem, unproduktivem sowie de- unproduktivem und destruktivem Entrepre-
struktivem Entrepreneurship. Damit wird der neurship lässt sich wiederum anhand von
Tatsache Rechnung getragen, dass Entrepre- Transformationskurven illustrieren. Demnach
neurship nicht per se zu Wachstum beiträgt, bewirkt produktives Entrepreneurship eine Er-
sondern ganz im Gegenteil auch wohlfahrts- höhung des Produktionspotenzials und damit
mindernd wirken kann. eine Verschiebung der Transformationskurve
Produktives Entrepreneurship meint die Er- nach außen, also etwa von Punkt B in . Abb. 2.2
richtung solcher Unternehmen, die einen po- nach Punkt C. Unproduktives Entrepreneur-
sitiven Beitrag zur Entwicklung leisten. Von ship hat keinen Einfluss auf die Produktions-
unproduktivem Entrepreneurship spricht man, möglichkeiten, sondern führt allenfalls zu einer
wenn lediglich eine Umverteilung von Ein- Veränderung der hergestellten Güterkombina-
kommen bzw. von Marktanteilen bewirkt wird tion. Es kann als Bewegung entlang einer gege-
(Beispiel: Marktdynamik durch rein imita- benen Transformationskurve, etwa von Punkt
tive Gründungen). Hierzu gehören insbeson- B nach Punkt B‘, dargestellt werden. Destruk-
dere auch Erfindungsreichtum und Initiati- tives Entrepreneurship bewirkt eine Verringe-
ve im Bereich der Steuervermeidung (z. B. rung des Produktionspotenzials, was als Ver-
Gründung von Abschreibungsgesellschaften) schiebung der Transformationskurve zum Ur-
oder zur Erlangung spezieller Vergünstigun- sprung hin bzw. als Veränderung von Punkt B
gen (Rent-Seeking). Da viele Formen eines sol- in . Abb. 2.2 nach Punkt A dargestellt werden
chermaßen unproduktiven Entrepreneurship kann. Als Ergebnis dieser Entwicklung kann
die Anreize zu effizientem Verhalten mindern, von beiden Gütern nur noch eine geringere
können sie langfristig destruktiv wirken. Menge als vorher hergestellt werden.
14 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

2 Transformationskurve

unproduktiv
B‘ C

B produktiv

A
destruktiv

. Abb. 2.2 Produktives, unproduktives und destruktives Entrepreneurship

2.3.3 Einteilung nach der Entsprechend der Anzahl der an einem


Vorerfahrung und der Anzahl Gründungsprojekt beteiligten Personen unter-
der Gründer scheidet man zwischen Einzelgründern und
Team-Gründern. Ein Unterfall eines Einzel-
gründers ist der Solo-Entrepreneur, der die al-
Bei einer Unterteilung nach der Vorerfahrung
leinige Arbeitskraft in dem betreffenden Unter-
des Gründers unterscheidet man zwischen ei-
nehmen darstellt (Selbstbeschäftigung), even-
nem Novice Entrepreneur, der erstmalig ein
tuell ergänzt um mithelfende Familienangehö-
Unternehmen gründet, sowie einem habituel-
rige.
len Entrepreneur bzw. Seriengründer, der bereits
über unternehmerische Erfahrung verfügt und
zum wiederholten Male als Gründer tätig wird.
Habituelle Entrepreneure werden weiter unter-
2.3.4 Einteilung nach der Phase im
teilt in Portfolio Gründer und Re-Starter. Ein
Portfolio Gründer ist jemand, der ein Unterneh- Gründungsprozess
men gründet und parallel dazu ein früher von
ihm gegründetes Unternehmen weiterführt. Im Weit verbreitet ist die Unterscheidung von Un-
Gegensatz dazu gründet ein Re-Starter erst ternehmern entsprechend der Phase im Grün-
nachdem ein bereits früher von ihm gegrün- dungsprozess. Demnach bezeichnet man Per-
detes Unternehmen geschlossen bzw. verkauft sonen, die ein Unternehmen gründen könnten,
wurde. Spin-off Gründer waren vor dem Schritt bisher aber noch keine konkreten Schritte hier-
in die Selbstständigkeit in einer Organisati- zu unternommen haben, als latente oder poten-
on (Unternehmen oder öffentliche Forschungs- zielle Unternehmer. NascentEntrepreneurs sind
einrichtung) tätig und knüpfen mit den Unter- Personen, die eine Grünung konkret planen
nehmen direkt an diese Tätigkeit an. oder bereits konkrete Schritte zu einer Grün-
2.4  Mögliche Wirkungen des Gründungsgeschehens auf die Wirtschaftsentwicklung
15 2
dung unternommen haben. Es handelt sich also 2.4 Mögliche Wirkungen des
um im Werden befindliche Unternehmer. Gründungsgeschehens auf die
Junge Unternehmer (YoungEntrepreneurs) Wirtschaftsentwicklung
sind Leiter von noch nicht am Markt eta-
blierten Unternehmen. Der Global Entrepre-
neurship Monitor (GEM), ein internationaler Die Wirkungen von Gründungen auf die wirt-
Forschungsverbund, der weltweit Informatio- schaftliche Entwicklung sind vielschichtig und
nen zum Gründungsgeschehen erhebt, klassifi- komplex. Aus der Entwicklung der neu gegrün-
ziert solche Unternehmen als jung, bei denen deten Unternehmen, also etwa die Anzahl und
der Zeitpunkt der Gründung weniger als 3,5 Qualität der entstandenen Arbeitsplätze, lassen
Jahre zurück liegt. Unternehmen, die 3,5 Jahre sich allenfalls erste Hinweise zu diesen Wir-
und älter sind, werden im Rahmen des GEM- kungen ableiten. Neben diesem direkten Effekt
Projektes als etabliert (EstablishedBusiness Ow- der Gründungen sind mindestens zwei Arten
nership) klassifiziert. Von diesen Unternehmen von indirekten Wirkungen zu berücksichtigen.
wird angenommen, dass sie die Anfangspro- Dabei handelt es sich zum einen um die Ver-
bleme weitgehend überwunden haben und im drängung etablierter Anbieter durch erfolgrei-
Markt etabliert sind. che Newcomer, ein Prozess, den Schumpeter
als kreative Zerstörung gekennzeichnet hat. In
einer genaueren Analyse der Effekte von Grün-
2.3.5 Einteilung nach dem dungen sind daher neben den Zuwächsen in
den neuen Unternehmen auch die Verluste in
Neuheitsgrad und dem
den verdrängten Alt-Unternehmen zu berück-
rechtlich-organisatorischen sichtigen. Zum anderen induziert der Wettbe-
Status des Unternehmens werb durch Newcomer in der Regel Reaktio-
nen der etablierten Anbieter, wie beispielswei-
Nach dem Neuheitsgrad der Gründung unter- se Kostenreduktion, Erhöhung der Flexibilität
scheidet man zwischen einer originären Grün- und Veränderungen des Produktprogramms.
dung (für die Gründung werden neue Kapazi- Solche Reaktionen können zu wesentlichen
täten errichtet) sowie einer derivativen Grün- Produktivitätssteigerungen und zu verbesser-
dung, für die bestehende Kapazitäten genutzt ter Wettbewerbsfähigkeit der etablierten Fir-
werden, wie etwa im Falle der Übernahme ei- men führen, was sich dann auch positiv auf die
nes bestehenden Unternehmens. Man kann da- Wirtschaft insgesamt auswirkt. Die durch Un-
von ausgehen, dass der Experiment-Charakter ternehmensgründungen ausgelösten Prozesse
im Falle einer originären Gründung wesentlich sind häufig eng mit Innovation und Struktur-
stärker ausgeprägt ist als bei der Übernahme wandel verknüpft.
eines bereits längere Zeit etablierten Unterneh- Für das Ausmaß der durch Gründungen
mens. ausgelösten Effekte sind zwei Faktoren von we-
Entsprechend dem rechtlich-organisatori- sentlicher Bedeutung:
schen Status kann man zwischen selbststän- 4 Erstens, hängen die Wirkungen wesentlich
digen und unselbstständigen Gründungen un- davon ab, inwiefern die Newcomer eine
terscheiden, wobei die unselbstständige Grün- Herausforderung für die etablierten An-
dung durch ein Abhängigkeitsverhältnis zu an- bieter darstellen und Verbesserungen anre-
deren Unternehmen gekennzeichnet ist. Ein gen. Daher ist zu vermuten, dass für die
Beispiel für eine unselbstständige Gründung Wachstumseffekte von Gründungen weni-
wäre die Errichtung eines Unternehmens als ger die Anzahl neuer Unternehmen, son-
Franchisenehmer, der eng an Geschäftskonzept dern vor allem ihre Qualität im Sinne ei-
und sonstige Vorgaben des Franchisegebers ge- ner Herausforderung der etablierten Anbie-
bunden ist. ter von Bedeutung ist. Bestimmungsgründe
16 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

dieser Qualität der Gründungen sind et- gen, dass die in einer Gesellschaft vorhandenen
wa die unternehmerischen Fähigkeiten des Fähigkeiten und Potenziale besser in produkti-
Gründers, die Intensität der Vorbereitung ver Weise ausgeschöpft werden.
2 der Gründung sowie die Innovativität des
Produktprogramms und der Produktions-
weise. 2.5 Von der gemanagten zur
4 Zweitens, werden die Wirkungen auch we-
sentlich dadurch bestimmt, wie stark und
unternehmerischen
auf welche Weise die etablierten Anbieter Gesellschaft
auf die Herausforderung durch die neuen
Wettbewerber reagieren. Die Entwicklung der modernen Industriege-
sellschaften war lange Zeit durch eine immer
Aus dieser wettbewerblichen Interaktion von stärker werdende Stellung von marktmächtigen
neuen und etablierten Unternehmen ergeben Großunterunternehmen gekennzeichnet. Die-
sich die Wirkungen von Gründungen. Dabei ist se ca. Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende
es letztendlich unbedeutend, ob sich die neu- Entwicklung beruhte zu einem wesentlichen
en oder die etablierten Unternehmen am Markt Teil auf den Kostenvorteilen der industriellen
durchsetzen. Wichtig ist der Anstoß von Verän- Massenproduktion. Sowohl die Marktmacht als
derungen durch Gründungen und die entspre- auch die politischen Einflussmöglichkeiten der
chend produktive Reaktion der etablierten An- großen Unternehmen waren und sind dazu ge-
bieter. Durch das Erzeugen von solchen wett- eignet, die Wirksamkeit von Markt und Wett-
bewerblichen Impulsen leisten Gründungen bewerb als Koordinationsmechanismus negativ
einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwick- zu beeinträchtigen.
lung, selbst dann, wenn sie nach einiger Zeit Eine von Großunternehmen geprägte Ge-
wieder aus dem Markt ausscheiden müssen. sellschaft wird deshalb als gemanagt bezeich-
Die Wirkungen von Gründungen auf die wirt- net, weil wesentliche wirtschaftliche Entschei-
schaftliche Entwicklung werden in 7 Kap. 11 dungen nicht von Unternehmern, sondern von
ausführlich behandelt. angestellten Managern getroffen werden. Diese
Eine weitere wichtige Funktion von Entre- Manager werden im Zweifel nur recht unvoll-
preneurship für die Gesellschaft besteht da- ständig von den Eigentümern, in der Regel den
rin, dass unternehmerische Selbstständigkeit Aktionären (Großunternehmen haben heutzu-
die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs bietet, tage in der Regel die Rechtsform einer Akti-
etwa die sprichwörtliche Karriere „vom Teller- engesellschaft), kontrolliert. Die Organisation
wäscher zum Millionär“. Schon Schumpeter hat eines großen Unternehmens ist notwendiger-
im Rahmen seiner historischen Analysen klar weise stark hierarchisch geprägt, mit typischen
herausgearbeitet, dass es häufig nicht die Rei- Merkmalen bürokratischer Strukturen, die ein
chen und Wohl-Etablierten waren, die als dyna- hohes Maß an Inflexibilität mit sich bringen.
mische Unternehmer gewirkt haben, sondern Eine Karriere innerhalb solcher Großunterneh-
meist gesellschaftliche Außenseiter. Die Grün- men – auch als langwierige Ochsentour gekenn-
dung eines eigenen Unternehmens stellt eine zeichnet – erfordert formale Qualifikationen,
Möglichkeit dar, seine Talente weitgehend un- Unterordnung und Disziplin. Diese Erfolgsfak-
abhängig von formaler Qualifikation und übli- toren stehen in deutlichem Gegensatz zu den
chen Karrierepfaden zu entfalten und kommer- typischen Kennzeichen von Entrepreneurship
ziell zum Tragen zu bringen. Dies ist nicht nur im Sinne Schumpeters, wie etwa Flexibilität,
deshalb wichtig, weil es die Chancen- und Leis- Eigeninitiative und dem Willen zur Durchset-
tungsgerechtigkeit in einer Gesellschaft erhöht. zung eigener Ideen (siehe 7 Abschn. 2.1).
Die Möglichkeit zu unternehmerischer Selbst- In eigentlich allen entwickelten Industrie-
ständigkeit kann auch wesentlich dazu beitra- staaten ist der Trend zu immer größeren Un-
2.6  Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse
17 2
ternehmen spätestens seit Beginn der 1970er- reitschaft, die sich zum Teil grundlegend von
Jahre zum Stillstand gekommen. Seit dieser den oben genannten Erfolgsfaktoren in einer
Zeit mussten viele ehemalige Großunterneh- gemanagten Gesellschaft unterscheiden.
men massiv Beschäftigung abbauen. Ein Grund
hierfür ist die durch den Trend zur Globali-
sierung der Wirtschaft beförderte zunehmende 2.6 Zusammenfassung
Preiskonkurrenz aus Schwellenländern im Be-
reich der standardisierten Massenproduktion.
wesentlicher Ergebnisse
Eine weitere Ursache wird in der steigenden
Nachfrage nach mehr individuellen und da- Entrepreneurship bezeichnet Unternehmer-
mit nicht-standardisierten Gütern und Dienst- tum im Sinne der Gründung und Leitung
leistungen gesehen, die sich nicht in großen eines Unternehmens. Erfolgreiches Entre-
Stückzahlen herstellen lassen. Mit diesen Ent- preneurship erfordert das Erkennen von
wicklungen verschob sich die Konkurrenz in- unternehmerischen Gelegenheiten, Kreativität,
nerhalb der Industrieländer immer stärker hin Initiative, Gestaltungswillen, Eigenverant-
zu wissensintensiven Tätigkeiten und innova- wortung, Durchsetzungsfähigkeit sowie die
tiven Produkten in den frühen Phasen ihres Bereitschaft und die Fähigkeit zum Tragen
Lebenszyklus. von Risiko. Ein wesentliches Motiv für die
Unter diesen Bedingungen erwiesen sich Beschäftigung mit dem Phänomen des Entre-
neu gegründete Unternehmen, die von ihren preneurship besteht in der Erkenntnis, dass
Eigentümern geführt wurden, vielfach als sehr Innovation, Strukturwandel und Wachstum
erfolgreich. Prominente Beispiele für Produkt- wesentlich auf dem Wirken von innovati-
bereiche, die wesentlich durch neu gegründete ven Unternehmerpersönlichkeiten beruhen
Unternehmen bzw. durch dynamische Unter- bzw. dass ein Fehlen von innovativem Entre-
nehmerpersönlichkeiten initiiert und vorange- preneurship eine wesentliche Ursache von
trieben wurden, sind der Personal Computer, Wachstumsschwäche darstellen kann.
die Internetwirtschaft und die Biotechnologie. Die Gründung eines Unternehmens im All-
Begünstigt wurde diese zunehmende Bedeu- gemeinen und eines innovativen Unterneh-
tung von Neugründungen und Unternehmer- mens im Besonderen stellt ein Experiment
tum durch Entwicklungen im Bereich flexibler dar, mit dem eine Geschäftsidee einem empi-
Fertigungstechniken (z. B. computergesteuer- rischen Test unterzogen wird. In dieser Sicht
te Anlagen) und der Informationstechnologie. spiegelt sich in den Gründungsaktivitäten das
Diese Technologien haben zu einer deutlichen Ausprobieren von Neuerungen wider. Entspre-
Reduktion der mindestoptimalen Betriebsgrö- chend der Innovationsrelevanz, dem Grün-
ße geführt, wodurch sich die Markteintrittsbar- dungsmotiv, den Wirkungen, der Vorerfahrung
rieren in vielen Bereichen wesentlich vermin- des Gründers und weiterer Kriterien lassen sich
dert haben. verschiedene Arten von Entrepreneurship un-
Die Entwicklung zu einer stärker kleinteilig terscheiden.
organisierten Wirtschaft, in der neue Unter- Die wesentlichen Wirkungen von Entre-
nehmen eine wesentliche Rolle spielen, wird preneurship sind indirekter Natur und erge-
auch als Trend zu einer stärker unternehmeri- ben sich aus dem Wettbewerbsprozess. Dabei
schen Gesellschaft (Entrepreneurial Society) ge- lässt sich vermuten, dass diese Wirkungen um-
kennzeichnet. Wesentliche Erfolgsfaktoren in so stärker ausgeprägt sind, je größer die Her-
einer solchen Gesellschaft sind die eingangs ausforderung ist, die vom Marktzutritt eines
(7 Abschn. 2.1) vorgestellten Merkmale unter- Unternehmens auf die Wettbewerber ausgeht.
nehmerischen Handelns im Sinne von Entre- Dies lässt wiederum vermuten, dass nicht al-
preneurship wie Initiative, Gestaltungswille, le Arten von Gründungen gleichermaßen re-
Eigenverantwortung, Flexibilität und Risikobe- levant für wirtschaftliches Wachstum sind. Es
18 Kapitel 2  Entrepreneurship, Gründungen, Marktdynamik

kommt demnach weniger auf die Anzahl der nekers und Thurik (1999) geben einen detail-
Gründungen als vor allem auf ihre Qualität, lierten Überblick über verschiedene Auffas-
im Sinne der Herausforderung der etablierten sungen und Definitionen von Entrepreneur-
2 Wettbewerber, an. ship. Baumol (2004) hat viele Beispiele für
Die Entwicklung vieler moderner Indus- radikale Innovationen zusammengestellt, die
triegesellschaften war über einen langen Zeit- im 20. Jahrhundert durch neue Unternehmen
raum durch die Vorherrschaft großer, markt- eingeführt worden sind. Die Bedeutung von
mächtiger Unternehmen gekennzeichnet, die Spin-off Gründungen für wirtschaftliche Ent-
vorwiegend von angestellten Managern geführt wicklung behandeln Klepper (2009) sowie Acs
wurden. Die karriereförderlichen Eigenschaf- et al. (2009). Zur Sicht von Unternehmens-
ten und Verhaltensmuster in einer solchen ge- gründung als Experiment siehe Kerr, Nanda
managten Gesellschaft unterscheiden sich we- und Rhodes-Kropf (2014). Zu Besonderheiten
sentlich von den Merkmalen unternehmeri- innovativer Gründungen siehe Fritsch (2011).
schen Handelns im Sinne von Entrepreneur- Die Entwicklung von der gemanagten zur un-
ternehmerischen Gesellschaft wird ausführlich
ship. Seit Beginn der 1970er-Jahre ist in vielen
Gesellschaften eine Entwicklung hin zu einer in Audretsch (2007) beschrieben. Zur unter-
mehr durch Entrepreneurship geprägten un- nehmerischen Gesellschaft siehe insbesondere
ternehmerischen Gesellschaft (Entrepreneurial auch Drucker (2011).
Society) zu verzeichnen. Baumol (1990) hat die Unterscheidung von
produktivem, unproduktivem und destrukti-
vem Entrepreneurship eingeführt. Zur Abgren-
2.7 Wesentliche Begriffe zu zung verschiedener Arten von Entrepreneur-
Kapitel 2 ship im Rahmen des GEM-Projektes siehe
Bosma (2013) sowie die Website des GEM-
Projektes unter 7 www.gemconsortium.org.
4 Entrepreneurship Hinsichtlich der grundlegenden Arbeiten
4 Arten von Entrepreneurship: produktiv, von Joseph Schumpeter zu dem Thema sei
unproduktiv, destruktiv, innovativ, sozial, insbesondere auf seine Bücher »Theorie wirt-
opportunity motiviert, necessity, Social, schaftlicher Entwicklung« (1912) sowie »Busi-
Solo-, Kirzner’scher Unternehmer, Schum- ness Cycles« (1939/1961) verwiesen. Vor allem
peter’scher Unternehmer) das Buch »Business Cycles« bietet viele histo-
4 Erfindung (Invention) rische Beispiele für die vielfältigen Wirkungen
4 Gemanagte Gesellschaft der Einführung radikaler Innovationen
4 Innovation
4 Kreative Zerstörung
4 Unternehmensgründer
4 Unternehmer Weiterführende Literatur
4 Unternehmerische Gesellschaft (Entrepre-
neurial Society) Acs, Zoltan J., Pontus Braunerhjelm, David B. Audretsch
4 Unternehmerische Selbstständigkeit und Bo Carlsson (2009): The knowledge spillover
4 Unternehmerisches Verhalten theory of entrepreneurship. Small Business Eco-
nomics, 32, 15–30. https://doi.org/10.1007/s11187-
008-9157-3
Audretsch, David B. (2007): The Entrepreneurial Society.
Literaturhinweise Oxford: Oxford University Press. https://doi.org/10.
1093/acprof:oso/9780195183504.001.0001
Baumol, William J. (1990): Entrepreneurship: Producti-
Sehr informative Einführungen in den The- ve, Unproductive and Destructive. Journal of Politi-
menbereich Entrepreneurship finden sich bei cal Economy, 98, 893–921. https://doi.org/10.1086/
Baumol (2004) sowie bei Parker (2018). Wen- 261712
Weiterführende Literatur
19 2
Baumol, William J. (2004): Entrepreneurial Enterprises, Parker, Simon (2018): The Economics of Entrepreneurship.
Large Established Firms and Other Components 2nd ed., Cambridge: Cambridge University Press.
of the Free-Market Growth-Machine. Small Business https://doi.org/10.1017/9781316756706
Economics, 23, 9–21. https://doi.org/10.1023/B:SBEJ. Schumpeter, Joseph A. (1912): Theorie der wirtschaftli-
0000026057.47641.a6 chen Entwicklung. Leipzig: Duncker & Humblot.
Bosma, Niels (2013): The Global Entrepreneurship Moni- Schumpeter, Joseph A. (1939/1961): Konjunkturzyklen:
tor (GEM) and Its Impact on Entrepreneurship Re- eine theoretische, historische und statistische Analyse
search. Foundations and Trends in Entrepreneurship, 9, des kapitalistischen Prozesses. Göttingen 1961: Van-
143–248. https://doi.org/10.1561/0300000033 denhoek. Englischsprachige Originalausgabe: Busi-
Drucker, Peter F. (2011): Innovation and Entrepreneurship. ness cycles: a theoretical, historical, and statistical
London: Routledge. analysis of the capitalist process. New York 1939:
Fritsch, Michael (2011): Start-ups in Innovative Industries McGraw-Hill.
– Causes and Effects. In David B. Audretsch, Oliver Schumpeter, Joseph A. (1942/1946): Capitalism, Socia-
Falck, Stephan Heblich und Adam Lederer (Hrsg.): lism, and Democracy. New York 1942: Harper. Zi-
Handbook of Innovation and Entrepreneurship, Chel- tiert nach der deutschsprachingen Ausgabe Kapita-
tenham: Elgar, 365–381. lismus, Sozialismus und Demokratie. Bern 1946: Fran-
Kerr, William R., Ramana Nanda und Matthew Rhodes- cke.
Kropf (2014): Entrepreneurship as Experimentation. Wennekers, Sander und Roy Thurik (1999): Linking
Journal of Economic Perspectives, 28, 25–48. https:// Entrepreneurship and Economic Growth. Small Busi-
doi.org/10.1257/jep.28.3.25 ness Economics, 13, 27–55. https://doi.org/10.1023/
Klepper, Steven (2009): Spinoffs: A review and synthesis. A:1008063200484
European Management Review, 6, 159–171. https://
doi.org/10.1057/emr.2009.18
21 3

Überblick zu unternehme-
rischer Selbstständigkeit,
Gründungsgeschehen
und Marktdynamik
in Deutschland

3.1 Wesentliche Ausprägungen von Gründungsgeschehen und


Marktdynamik – 23

3.2 Die empirische Erfassung von Gründungen und


unternehmerischer Selbstständigkeit – 25

3.3 Datenquellen für eine Analyse des Gründungsgeschehens


in Deutschland – 26

3.4 Gründungen und unternehmerische Selbstständigkeit in


Deutschland – 27

3.5 Die sektorale Struktur der Gründungen in


Deutschland – 29
3.5.1 Überblick – 29
3.5.2 Gründungen in innovativen Wirtschaftszweigen – 31

3.6 Regionale Unterschiede des Gründungsgeschehens – 32

3.7 Die Gründungsaktivitäten im internationalen


Vergleich – 35

3.8 Marktdynamik im Industrielebenszyklus – 35

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_3
3.9 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse – 37

3.10 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 3 – 38

Literaturhinweise – 38

Weiterführende Literatur – 38
3.1  Wesentliche Ausprägungen von Gründungsgeschehen und Marktdynamik
23 3
Wesentliche Fragestellungen 3.1 Wesentliche Ausprägungen
von Gründungsgeschehen und
4 Was sind die wesentlichen praktischen Ausprä- Marktdynamik
gungen von Entrepreneurship?
4 Anhand welcher Sachverhalte kann man
Entrepreneurship und Marktdynamik empi- Durch die Gründung eines Unternehmens tritt
risch erfassen? ein neuer Anbieter in den Markt ein und ist da-
4 Wie genau ist die empirische Erfassung von mit Teil des Wettbewerbsprozesses. Ein Markt-
Entrepreneurship? zutritt kann aber auch durch etablierte Un-
4 Wie hat sich das Gründungsgeschehen wäh- ternehmen erfolgen, die neue Produkte in ihr
rend der letzten Jahre entwickelt? Welche re- Angebot aufnehmen und somit als zusätzli-
gionalen und sektoralen Muster des Grün- che Anbieter in dem betreffenden Markt aktiv
dungsgeschehens sind erkennbar? werden. Die Kehrseite einer Gründung bzw. ei-
4 Wie entwickelt sich das Gründungsgeschehen nes Marktzutritts ist der Marktaustritt bzw. die
im Verlauf des Industrielebenszyklus? Stilllegung eines Unternehmens. Während ei-
ne Stilllegung immer auch einen Marktaustritt
bedeutet, kann ein Marktaustritt auch oh-
Dieses Kapitel gibt einen Überblick zu we- ne eine Stilllegung stattfinden, nämlich dann,
sentlichen Ausprägungen von Gründungsge- wenn ein Unternehmen das Angebot eines
schehen und Marktdynamik sowie zu Entwick- bestimmten Produktes einstellt, als Anbieter
lung und Struktur der Unternehmensgrün- auf anderen Märkten aber weiterhin existiert
dungen in Deutschland. Anknüpfend an eini- (. Übersicht 3.1).
ge grundlegende Definitionen (7 Abschn. 3.1) Unter dem Netto-Marktzutritt versteht man
wird auf Probleme der empirischen Erfas- den Saldo der entsprechenden Bruttogrößen,
sung von Gründungen und unternehmeri- also Marktzutritte abzüglich Marktaustritte. Da
scher Selbstständigkeit (7 Abschn. 3.2) einge- Informationen über Marktzutritte etablierter
gangen. Daran anknüpfend werden wesent- Unternehmen bzw. über Marktaustritte wei-
liche Datenquellen zu Gründungen und un- terhin bestehender Unternehmen in der Regel
ternehmerischer Selbstständigkeit in Deutsch- nur unvollständig verfügbar sind, operationa-
land vorgestellt (7 Abschn. 3.3). Der empiri- lisiert man diesen Begriff meist als Anzahl der
sche Überblick über das Gründungsgeschehen Gründungen abzüglich der Anzahl der Stillle-
in Deutschland betrachtet sowohl die zeitliche gungen. Empirisch zeigt sich, dass die Anzahl
Entwicklung von Gründungen und unterneh- der Gründungen und die Anzahl der Stilllegun-
merischer Selbstständigkeit (7 Abschn. 3.4) als gen bzw. Marktzutritte und Marktaustritte häu-
auch die Branchenstruktur von Gründungen fig in etwa die gleiche Größenordnung haben,
(7 Abschn. 3.5) sowie regionale Unterschiede so dass der Netto-Marktzutritt im Vergleich
(7 Abschn. 3.6). 7 Abschn. 3.7 bietet einen in- zu den Bruttogrößen sehr gering ausfällt und
ternationalen Vergleich des Niveaus der Grün- die durch die Bruttogrößen bewirkte Markt-
dungsaktivitäten in Deutschland. Schließlich dynamik nur sehr eingeschränkt widerspiegelt.
wird der Verlauf der Gründungsaktivitäten im Als ein Maß für die Fluktuation des Unter-
Produktlebenszyklus behandelt (7 Abschn. 3.8). nehmensbestandes auf einem Markt kann die
Die wesentlichen Ergebnisse werden dann in Summe aus Marktzutritten und Marktaustrit-
7 Abschn. 3.9 zusammengefasst. ten bzw. Gründungen und Stilllegungen die-
24 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

. Übersicht 3.1 Wesentliche Ausprägungen der Marktdynamik

Bezeichnung Definition
Gründung Errichtung eines Betriebes bzw. Unternehmens ) Veränderung der Population wirtschaftli-
cher Einheiten.

3 Marktzutritt Eintritt in eine Konkurrenzbeziehung zu anderen Unternehmen ) Veränderung der Wett-


bewerbsbedingungen auf dem betreffenden Markt.

Stilllegung Schließung eines Betriebes bzw. Unternehmens.

Marktaustritt Aufgabe der Geschäftstätigkeit in einem Markt. Auflösung der Konkurrenzbeziehung zu


anderen Unternehmen.

Netto- Marktzutritte abzüglich Marktaustritte. Meist operationalisiert als Gründungen abzüglich


Marktzutritt Stilllegungen.

Turbulenz Marktzutritte plus Marktaustritte. Meist operationalisiert als Gründungen plus Stilllegungen.

nen, was auch als Turbulenz bezeichnet wird als den Arbeitsmarktansatz (Labor Market Ap-
(. Übersicht 3.1). proach) bei der Bildung einer Gründungsrate.
Will man das Niveau der Gründungsaktivi- Die auf die regionalen Beschäftigten, die Er-
täten bzw. der Marktdynamik in verschiedenen werbsbevölkerung oder auf die Wohnbevölke-
Branchen oder Regionen miteinander verglei- rung bezogene Anzahl der Gründungen kann
chen, so sind Angaben zur absoluten Anzahl sehr anschaulich als Wahrscheinlichkeit da-
der Gründungen oder Stilllegungen in der Re- für interpretiert werden, dass jemand aus dem
gel nur wenig hilfreich, da hierbei die unter- ansässigen Potenzial an Gründern tatsächlich
schiedlichen Potenziale der jeweiligen Bran- als Unternehmer tätig wird. Analog kann man
chen bzw. Regionen unberücksichtigt bleiben. auch für die Marktzutritte bzw. den Netto-
Beispielsweise ist die Anzahl der Gründungen Marktzutritt, für die Anzahl der Stilllegungen
in dicht besiedelten Gebieten deshalb höher bzw. Marktaustritte oder für die Turbulenz ei-
als im vergleichsweise dünn besiedelten länd- ne Rate bilden, indem man deren Anzahl durch
lichen Raum, weil dort mehr Menschen le- die Anzahl der Beschäftigten oder die Anzahl
ben, die als Gründer aktiv werden können. Um der Erwerbspersonen dividiert.
hier Vergleichbarkeit herzustellen, bildet man Eine alternative Möglichkeit der Bildung ei-
dann häufig eine Rate, indem man die absolu- ner Rate besteht darin, die Anzahl der Grün-
ten Werte auf eine Größe, bezieht, in der sich dungen, Stilllegungen etc. auf die Anzahl der
die ökonomischen Potenziale der Region oder vorhandenen Betriebe bzw. Unternehmen zu
Branche widerspiegeln. beziehen, was auch als ökologischer Ansatz
Zur Messung des Niveaus der Gründungs- (Ecological Approach) bezeichnet wird.2 Die
aktivitäten oder der unternehmerischen Selbst- sich ergebende Quote lässt sich vor allem für
ständigkeit ist es am gebräuchlichsten, die An- die Stilllegungen sinnvoll interpretieren, näm-
zahl der Gründungen bzw. die Anzahl der lich als Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Be-
Selbstständigen auf die Anzahl der Beschäf-
tigten oder die Anzahl der Erwerbspersonen darin, dass die Erwerbspersonen sowohl die Beschäf-
zu beziehen, den Teil der Bevölkerung also, tigten als auch die Arbeitslosen umfassen.
2
Der Begriff ökologisch bezieht sich hierbei nicht auf
der als potenzielle Gründer bzw. Selbstständi-
den Umweltbereich, sondern auf den Ansatz der
ge in Frage kommt.1 Man bezeichnet dies auch Organisationsökologie (Organizational Ecology). Die
Organisationsökologie beschäftigt sich mit dem Ent-
1
Der Unterschied zwischen der Anzahl der Beschäf- stehen, der Entwicklung und der Auflösung von Or-
tigten und der Anzahl der Erwerbspersonen besteht ganisationen wie z. B. Unternehmen.
3.2  Die empirische Erfassung von Gründungen und Selbstständigkeit
25 3
trieb in dem betreffenden Zeitraum die Tätig- ne Rechnung, die auch als Scheinselbstständig-
keit einstellt. Für die Anzahl der Gründungen keit bezeichnet wird.
bzw. Marktzutritte ist der ökologische Ansatz Ebenfalls zweifelhaft kann die Einordnung
hingegen eher ungeeignet. Dies ergibt sich da- solcher Fälle sein, in denen die Geschäftstä-
raus, dass die Anzahl der Beschäftigten und tigkeit für eine Zeit lang unterbrochen wird:
damit der potenziellen Gründer bzw. Unter- Stellt die Wiederaufnahme der Geschäftstä-
nehmer pro Unternehmen sehr unterschiedlich tigkeit nach einer längeren Pause eine Grün-
ausfallen kann, und diese Potenziale durch die dung dar? Schließlich sind in diesem Zusam-
Anzahl der Unternehmen nur sehr unscharf menhang auch die Fälle zu nennen, in denen
wiedergegeben werden. ein Gewerbe angemeldet wird, ohne dass es
jemals zur Aufnahme von Geschäftstätigkeit
kommt (Scheingründungen). Diese Beispiele
zeigen, dass es eine objektiv richtige allgemeine
3.2 Die empirische Erfassung von Definition von Gründungen nicht gibt. Die je-
Gründungen und weils zweckmäßige Definition einer Gründung
unternehmerischer sollte sich daher an der jeweiligen Fragestellung
Selbstständigkeit orientieren, wobei gewisse Ungenauigkeiten in
der empirischen Praxis unvermeidbar sind.
Eine weitere Schwierigkeit bei der empi-
Die Identifikation von Gründungen ist mit er- rischen Erfassung von Gründungen stellt die
heblichen Abgrenzungsproblemen verbunden. Bestimmung des Gründungszeitpunkts dar. Al-
Dementsprechend kann man im konkreten ternativen bei der Bestimmung des Gründung-
Einzelfall durchaus unterschiedlicher Ansicht zeitpunktes wären etwa
darüber sein, ob ein bestimmter Vorgang eine 4 der Zeitpunkt, zu dem der Entschluss zur
Gründung darstellt oder nicht. Selbstständigkeit gefasst wurde,
Ein solcher Zweifelsfall ist die Aufnahme 4 der Zeitpunkt der Aufstellung eines Ge-
von unternehmerisch selbstständiger Tätigkeit schäftsplanes,
als eine Nebenerwerbstätigkeit, die zusätzlich 4 die Gewerbeanmeldung,
zu abhängiger Beschäftigung erfolgt. Insbeson- 4 der Eintrag in das Handelsregister bzw. in
dere dann, wenn eine solche Nebenerwerbs- die Handwerksrolle,
tätigkeit geringfügig ist (beispielsweise nur an 4 der Erwerb der ersten Produktionsmittel,
Wochenenden durchgeführt wird) und für die 4 die Aufnahme der Produktion, die Erstel-
Erwerbstätigkeit des Betreffenden insgesamt lung des ersten Angebotes bzw. der Zeit-
nur eine untergeordnete Rolle spielt, wird man punkt des ersten Umsatzes.
die betreffende Person in der Regel nicht als
Unternehmer ansehen. Diese verschiedenen Möglichkeiten machen
Verändert ein Unternehmen die Rechts- deutlich, dass es keine objektiv richtige Bestim-
form oder wechselt der Eigentümer eines be- mung des Gründungszeitpunktes gibt. Da so-
stehenden Unternehmens, so kann dies als die wohl die Definition von Gründungen als auch
Fortführung eines bestehenden Unternehmens die Bestimmung des Gründungszeitpunktes in
oder als eine Gründung verbunden mit der den verschiedenen Datenquellen zum Teil sehr
Stilllegung des alten Unternehmens angesehen unterschiedlich gehandhabt werden, stimmen
werden. Ein weiterer Zweifelsfall wäre die Auf- demzufolge auch die Angaben zur Anzahl der
spaltung eines bestehenden Unternehmens in Gründungen nicht miteinander überein. Empi-
mehrere rechtlich selbstständige Unternehmen rische Angaben zu den Gründungen sind daher
oder die abhängige Geschäftstätigkeit auf eige- als Näherungswerte anzusehen.
26 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

3.3 Datenquellen für eine Analyse schehens stellt der Global Entrepreneurship Mo-
des Gründungsgeschehens in nitor (GEM) dar. Das GEM-Projekt ist ein in-
Deutschland ternationaler Forschungsverbund, im Rahmen
dessen jährliche Befragungen von Haushalten
und Experten zum Gründungsgeschehen in
Für Deutschland existieren eine Reihe von inzwischen mehr als 100 Ländern durchge-
3 Datenquellen, die Auskunft über Gründun- führt werden. Da diese Erhebungen nach ei-
gen und unternehmerische Selbstständigkeit nem einheitlichen Konzept erfolgen, sind die
geben. Als umfassende Statistiken, die sich gut Informationen auch international miteinander
für eine räumlich und sektoral differenzierte vergleichbar. Ein weiterer Vorteil des GEM ist
Analyse von Gründungen im Zeitablauf eig- darin zu sehen, dass Länder sehr unterschied-
nen, bieten sich insbesondere die Betriebsda- lichen Entwicklungsstandes enthalten sind, was
tei der Statistik der sozialversicherungspflich- eine Analyse der Bedeutung von Entrepreneur-
tig Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit ship unter sehr unterschiedlichen Rahmenbe-
sowie das Unternehmenspanel des Zentrums dingungen erlaubt. Die Ergebnisse des GEM-
für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW Projektes werden länderweise und internatio-
Mannheim) an. Der wesentliche Vorteil die- nal vergleichend in der Regel jährlich publiziert
ser beiden Datenquellen besteht darin, dass (siehe 7 www.gemconsortium.org). Ältere Da-
die jeweilige Grundgesamtheit aller Gründun- tensätze der Befragungen sind im Internet frei
gen weitgehend erfasst wird. Allerdings sind zugänglich.
sehr kleine Unternehmen bzw. Betriebe ohne Zwei weitere Datenquellen, die sich insbe-
einen sozialversicherungspflichtig Beschäftig- sondere für eine Analyse der Gründungsent-
ten nicht in den Daten enthalten oder deutlich scheidung auf Mikroebene gut eignen, sind der
unterrepräsentiert. Eine Schwäche beider Da- Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes so-
tenquellen besteht auch darin, dass sie so gut wie das Sozioökonomische Panel (SOEP). Ein
wie keine Informationen über die Person des Nachteil dieser beiden Quellen ergibt sich da-
Gründers, also über sein Alter, seine Qualifika- raus, dass sie jeweils nur Stichproben umfassen,
tion, seinen Karriereweg etc. enthalten. so dass die verfügbare Anzahl an Beobach-
Ein wesentlicher Unterschied zwischen bei- tungen für kleinräumige Untersuchungen, etwa
den Quellen liegt darin, dass die Angaben der auf der Ebene von einzelnen Städten oder Krei-
Beschäftigtenstatistik auf der Ebene von Be- sen, oder für Analysen von einzelnen Branchen
trieben vorliegen, und damit eindeutig regional in der Regel zu gering ist.
zugeordnet werden können. Die Angaben im Der Mikrozensus ist eine jährliche Befra-
ZEW-Unternehmenspanel beziehen sich hin- gung einer repräsentativen Stichprobe von ca.
gegen jeweils auf das gesamte Unternehmen, so 820.000 Personen, die in rund 370.000 Haus-
dass auch die Aktivitäten von eventuell vorhan- halten leben. Diese Daten lassen sich anhand
denen Zweigbetrieben dem jeweiligen Haupt- der verwendeten Gewichtungsfaktoren auf die
sitz zugerechnet werden und daher keine klare Gesamtbevölkerung hochrechnen. Ein Vorteil
Regionalisierung möglich ist. Auch unterschei- des Mikrozensus besteht darin, dass Grün-
den sich beide Quellen hinsichtlich des Schwer- dungen und unternehmerische Selbstständig-
punkts der erhobenen Informationen. Wäh- keitbesonders differenziert erfasst werden. So
rend die Beschäftigtenstatistik im Wesentlichen wird in dieser Quelle etwa zwischen Haupt-
nur Angaben zur Anzahl und Qualifikation der und Nebenerwerb unterschieden. Eine Schwä-
Beschäftigten enthält, liegt der Schwerpunkt che des Mikrozensus ergibt sich daraus, dass die
des ZEW-Unternehmenspanels auf finanziellen Angaben zu einzelnen Personen nur für weni-
Kennziffern. ge aufeinanderfolgende Jahre erhoben werden,
Die derzeit aussagefähigste Datenquelle für so dass etwa im Falle einer Gründung nur sehr
internationale Vergleiche des Gründungsge- begrenzt Aussagen darüber möglich sind, wie
3.4  Gründungen und unternehmerische Selbstständigkeit in Deutschland
27 3
lange die Gründung besteht bzw. wie erfolg- können Gründungen im Unternehmensregis-
reich sie ist. ter nicht eindeutig identifiziert werden.
Das Sozioökonomische Panel (SOEP) ist
eine jährliche repräsentative Bevölkerungsbe-
fragung zur allgemeinen Lebenssituation, die 3.4 Gründungen und
viele Themenbereiche abdeckt und dabei auch unternehmerische
Informationen zum Einkommen und zu unter-
nehmerischer Selbstständigkeit umfasst (siehe
Selbstständigkeit in
7 http://www.diw.de/soep). Dabei lassen sich Deutschland
die Angaben der im SOEP enthaltenen Perso-
nen über längere Zeiträume verknüpfen, was Laut Mikrozensus waren in Deutschland im
eine entsprechende Analyse der Entwicklung Jahr 2016 rund 4,1 Millionen Personen im
der unternehmerischen Selbstständigkeit auf Vollerwerb unternehmerisch tätig, was rund
der personellen Ebene erlaubt. Ein wesentli- 10,5 Prozent aller Erwerbstätigen entspricht
cher Nachteil des SOEP besteht in der relativ (. Abb. 3.1). Dieser Anteil stieg von 1991 bis
geringen Fallzahl, die kaum Analysen für ein- zum Jahr 2013 von 8 Prozent auf 11,3 Prozent
zelne, kleinräumig abgegrenzte Regionen oder an und ist seitdem wieder rückläufig. Ein Teil
für einzelne Wirtschaftszweige zulässt. Weiter- des Anstiegs der unternehmerischen Selbst-
hin liegen nur sehr wenige Informationen zu ständigkeit seit Beginn der 1990er Jahre geht
den Merkmalen und zur Entwicklung des be- auf die starke Zunahme der Zahl der Selbst-
treffenden Unternehmens vor. ständigen in Ostdeutschland (von 443 Tausend
Weitere Datenquellen, aus denen sich An- im Jahr 1991 auf 845 Tausend im Jahr 2016)
gaben zu Gründungen und unternehmerischer zurück. Seit dem Jahr 2004 liegt die Selbststän-
Selbstständigkeit ableiten lassen, sind etwa die digenrate in den neuen Bundesländern über
Gewerbeanzeigenstatistik3 und die Steuersta- dem entsprechenden Wert für Westdeutsch-
tistik. Die amtliche Statistik in Deutschland er- land. Differenziert man zwischen Selbstständi-
stellt auf der Grundlage diverser Quellen ein gen mit und ohne abhängig Beschäftigten, so
Unternehmensregister, das für wissenschaft- zeigt sich deutlich, dass der Anstieg der un-
liche Analysen allerdings nur unter erhebli- ternehmerischen Selbstständigkeit in Deutsch-
chem Aufwand und mit wesentlichen Geheim- land so gut wie ausschließlich auf die Solo-
haltungsbeschränkungen zugänglich ist. Bisher Selbstständigen zurückzuführen ist, die ihr Un-
ternehmen ohne weitere Beschäftigte führen
3
Die Gewerbeanzeigenstatistik beruht auf den obli- (. Abb. 3.2). Demgegenüber ging der Anteil der
gatorischen Gewerbeanmeldungen bei den Gewer- Selbstständigen mit abhängig Beschäftigten so-
bemeldeämtern. Der Informationsgehalt der Statis-
gar leicht zurück.
tik zur Person des Gründers und zum betreffenden
Gewerbe ist sehr gering. Auswertungen über den Die Anzahl der Unternehmensgründun-
Bestand an Selbstständigen liegen nicht vor. Da viel- gen schwankt über die Zeit nicht unerheblich,
fach Gewerbe angemeldet, aber nicht ausgeübt wer- nämlich zwischen 373 Tsd. im Jahr 2005 und
den, ist die Anzahl der Gründungen in der Gewerbe- 211 Tausend im Jahr 2016 (. Abb. 3.3). Dabei
meldestatistik einerseits erheblich überschätzt; an-
sind die relativ hohen Gründungsraten um das
dererseits fehlen Informationen über nicht melde-
pflichtige Wirtschaftsbereiche, wie etwa die freien Jahr 2004 herum zu einem wesentlichen Teil
Berufe. Empirische Analysen (Fritsch et al. 2003) ha- durch die zu dieser Zeit besonders intensiven
ben gezeigt, dass die Anzahl der Gründungen in wirtschaftspolitischen Bemühungen zur Förde-
dieser Statistik stark überhöht ausgewiesen wird. Da rung von Gründungen durch arbeitslose Perso-
erhebliche Unterschiede zwischen den Bundeslän- nen bedingt. Seit dem Ende der 1990er Jahre
dern hinsichtlich der Aufbereitung der Daten beste-
hen, sind die Angaben der Gewerbeanzeigenstatis-
weist die Anzahl der Unternehmensgründun-
tik auch nur beschränkt zwischen den Bundeslän- gen in Deutschland einen rückläufigen Trend
dern vergleichbar. auf. Zwischen dem Jahr 1998 bis zum Jahr 2016
28 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

5,000 14%
Tausend

4,500
12%
4,000

3,500 10%
3 3,000
8%
2,500
6%
2,000

1,500 4%
1,000
2%
500

0 0%
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
Ostdeutschland (einschließlich Berlin) Westdeutschland
Selbständigenrate in Deutschland Selbständigenrate in Westdeutschland

. Abb. 3.1 Anzahl der unternehmerisch selbstständigen Personen und Selbstständigenrate in Ost- und
Westdeutschland 1991–2016 (Quelle: Mikrozensus)

5,000 7%

4,500
6%
4,000

5%
3,500

3,000
4%

2,500

3%
2,000

1,500 2%

1,000
1%
500

0 0%
1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2005

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

Selbständige mit Beschäftigten Selbständige ohne Beschäftigten


Selbständigenrate mit Beschäftigten Selbständigenrate ohne Beschäftigten

. Abb. 3.2 Selbstständige mit und ohne Beschäftigte in Deutschland 1991–2016 (Quelle: Mikrozensus)
3.5  Die sektorale Struktur der Gründungen in Deutschland
29 3

400.000

350.000

300.000

250.000

200.000

150.000

100.00

50.00

0
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Verarbeitendes Gewerbe Dienstleistungen Sonstiges

. Abb. 3.3 Anzahl der Unternehmensgründungen in Deutschland 1995–2016 (Quelle: ZEW Unternehmenspanel)

sank die Anzahl der Unternehmensgründun- Demgegenüber ist die mindestoptimale Größe
gen um etwas mehr als 40 Prozent. in vielen Bereichen des Dienstleistungssektors
wesentlich niedriger, so dass der für eine er-
folgreiche Gründung notwendige Ressourcen-
3.5 Die sektorale Struktur der einsatz deutlich geringer ist.
Gründungen in Deutschland Ausgesprochen innovative Unterneh-
mensgründungen sind für die wirtschaftliche
Entwicklung von besonderer Bedeutung (hier-
3.5.1 Überblick zu 7 Abschn. 7.4.1 sowie 7 Abschn. 12.5). Die
empirische Erfassung von hoch-innovativen
In Deutschland entfällt der ganz überwiegen- Gründungen ist mit erheblichen Problemen
de Teil der Gründungen (84,2 Prozent) auf verbunden, die zu Ungenauigkeiten der em-
den Dienstleistungssektor; demgegenüber ist pirischen Erfassung führen. Häufig greift man
der Anteil der Gründungen im Verarbeitenden zur Erfassung innovativer Gründungen auf
Gewerbe mit 4,7 Prozent wesentlich geringer deren Branchenzugehörigkeit zurück, wobei
(. Übersicht 3.2). bestimmte Wirtschaftszweige als innovativ
Der relativ geringe Anteil der Gründun- angesehen werden. Entsprechend dem durch-
gen im Verarbeitenden Gewerbe ist zu einem schnittlichen Anteil der F&EAusgaben an den
wesentlichen Teil durch die relative hohe min- Aufwendungen insgesamt unterscheidet man
destoptimale Größe in diesem Sektor bedingt, im Verarbeitenden Gewerbe zwischen Bran-
wodurch das Ausmaß der für eine erfolgrei- chen der „Spitzentechnologie“, Branchen der
che Gründung erforderlichen Ressourcen ent- „hochwertigen Technologie“ sowie „nicht-
sprechend hoch ausfällt (hierzu 7 Abschn. 8.5). technologieintensiven“ Branchen.
30 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

. Übersicht 3.2 Sektorale Struktur der Gründungen in Deutschland 2010–2016 (Quelle: ZEW Unternehmens-
panel)

Sektor bzw. Branche Durchschnittliche jährliche Anteil an der durchschnittlichen


Anzahl der Gründungen Anzahl aller Gründungen in %
Bergbau, Energie, Wasser 3.294 1,67
3
Verarbeitendes Gewerbe 9.347 4,74

davon:

– Spitzentechnologie 405 0,21

– Hochwertige Technologie 1.097 0,56

– Nicht-technologieintensive Branchen 7.856 3,98

Baugewerbe 18.470 9,36

Dienstleistungen 166.205 84,23

davon:

– Handel und Gastgewerbe 35.534 18,01

– Verkehr und Nachrichtenübermittlung 6.952 3,52

– Kredit- und Versicherungsgewerbe 5.619 3,85

– Sonstige Dienstleistungen 96.178 48,74

– Wissensintensive Branchen 21.924 11,11

Insgesamt 197.746 100

Die Abgrenzung von innovativen Wirtschaftszweigen Der zahlenmäßige Anteil der Gründungen
des Verarbeitenden Gewerbes beruht auf einer an deut- in Branchen der Spitzentechnologie und der
sche Verhältnisse angepasste Klassifikation der OECD; hochwertigen Technologie ist in der Regel sehr
hierzu Fritsch (2011). Dementsprechend werden Bran-
chen als der „Spitzentechnologie“ zugehörig angesehen,
gering. In Deutschland betrug dieser Anteil
wenn der Anteil der F&E-Ausgaben an den Aufwendun- im Zeitraum 2010 bis 2016 lediglich 0,77 Pro-
gen insgesamt mehr als 8,5 Prozent ausmacht. In Bran- zent. Wissensintensive Branchen des Dienst-
chen der hochwertigen Technologie beträgt dieser An- leistungssektors werden ebenfalls anhand des
teil zwischen 3,5 und 8,5 Prozent. Anteils der F&E-Aufwendungen abgegrenzt.
Im Unterschied zu Unternehmen in innova-
Eine solche Form der Identifikation von in- tiven Branchen des Verarbeitenden Gewerbes
novativen Gründungen anhand der Branchen- haben Anbieter in Branchen der wissensin-
zugehörigkeit ist mit erheblichen Unschär- tensiven Dienstleistungen häufig kein standar-
fen verbunden. Denn einerseits sind sicherlich disiertes Produkt, sondern bieten Problemlö-
nicht sämtliche Unternehmen und Unterneh- sungen an, die auf die Bedürfnisse des jewei-
mensgründungen in diesen Branchen als hoch- ligen Kunden zugeschnitten sind. Der Anteil
innovativ anzusehen, andererseits finden hoch- der Gründungen in wissensintensiven Bran-
innovative Gründungen auch in anderen Wirt- chen lag in Deutschland während des Zeit-
schaftszweigen statt. raums 2010 bis 2016 bei 11,11 Prozent. Das
3.5  Die sektorale Struktur der Gründungen in Deutschland
31 3

3.500

3.000

2.500

2.000

1.500

1.000

500

0
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Spitzentechnologie Hochwertige Technologie

. Abb. 3.4 Unternehmensgründungen in Deutschland 1995–2016 in innovativen Branchen des Verarbeitenden


Gewerbes (Quelle: ZEW Unternehmenspanel)

dieser Anteil deutlich höher ausfällt als der Dienstleistungssektor erklärt werden, denn
Anteil der Gründungen in innovativen Bran- auch in besonders innovativen Bereichen des
chen des Verarbeitenden Gewerbes liegt un- Dienstleistungssektors, wie etwa den „tech-
ter anderem daran, dass die wissensintensi- nologieorientieren Dienstleistungen“ oder den
ven Branchen des Dienstleistungssektors aus Bereich „Software“ lässt sich in den letzten Jah-
statistischen Gründen relativ breit abgegrenzt ren eher eine Abnahme als eine Zunahme der
sind. Anzahl der Gründungen feststellen.
Der starke Rückgang der Gründungen in
innovativen Branchen des Verarbeitenden Ge-
3.5.2 Gründungen in innovativen werbes seit dem Mitte/Ende der 1990er Jahre
Wirtschaftszweigen ist insofern bemerkenswert, weil sich während
dieses Zeitraumes die Rahmenbedingungen für
Die Anzahl der Unternehmensgründungen in innovative Gründungen in Deutschland durch
innovativen Wirtschaftszweigen des Verarbei- Einrichtung von Technologie-Transferstellen
tenden Gewerbes ist in Deutschland seit mehr und ein größeres Angebot an Gründungsfinan-
als 20 Jahren stark rückläufig und hat sich seit zierung eigentlich deutlich verbessert haben.
dem Jahr 1995 mehr als halbiert (. Abb. 3.4). Insbesondere hat es in diesem Zeitraum immer
Offenbar kann dieser deutliche Rückgang nur wieder große Anstrengungen der Politik gege-
in geringem Maße mit dem allgemeinen Struk- ben, die Gründung innovativer Unternehmen
turwandel vom Verarbeitenden Gewerbe zum zu fördern.
32 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

3.6 Regionale Unterschiede des von Hochschulen oder von außeruniversitären


Gründungsgeschehens Forschungseinrichtungen (Institute der Max
Planck- und der Fraunhofer Gesellschaft, Ein-
richtungen der Leibniz-Gemeinschaft) kon-
Bei der Bildung regionaler Gründungsraten zentriert sind. Insbesondere zeigt sich dabei
wird die Anzahl der Gründungen in der Regel auch ein enger statistischer Zusammenhang
3 auf die Anzahl der in der Region lebenden Be- zwischen der Häufigkeit innovativer Grün-
schäftigten, auf die Erwerbspersonen oder auf dungen und der Ausrichtung der vorhande-
die Wohnbevölkerung bezogen. Dies ist insbe- nen Hochschulen oder Forschungseinrichtun-
sondere deshalb sinnvoll, weil sich in empiri- gen auf Natur- und Ingenieurwissenschaften.
schen Untersuchungen gezeigt hat, dass Grün- Dieser Befund weist sehr deutlich auf die Rolle
dungen in der Regel in unmittelbarer räumli- des regional vorhandenen Wissens für inno-
cher Nähe zum Wohnort des Gründers statt- vative Gründungen hin (ausführlicher hierzu
finden (7 Abschn. 6.2). Die auf die regiona- 7 Abschn. 8.6.2 und 7 Abschn. 12.5).
le Erwerbsbevölkerung oder auf die Wohnbe- Empirische Untersuchungen für verschie-
völkerung bezogene Anzahl der Gründungen dene Länder, darunter die Bundesrepublik
spiegelt somit die Gründungsneigung in einer Deutschland, haben gezeigt, dass die regionale
Region wider und lässt sich als Wahrschein- Struktur der Gründungsaktivitäten und des Ni-
lichkeit dafür auffassen, dass jemand aus dem veaus an unternehmerischer Selbstständigkeit
regional ansässigen Potenzial an Gründern als über längere Zeiträume ziemlich konstant sind.
Unternehmer tätig wird. Dies bedeutet, dass Regionen, die in früheren
Die Anzahl der Gründungen pro 1.000 Be- Jahren eine relativ hohe (niedrige) Gründungs-
schäftigten weist zwischen den Regionen we- oder Selbstständigenrate hatten auch heute re-
sentliche Unterschiede auf (. Abb. 3.5). Wäh- lativ hohe (niedrige) Raten aufweisen.
rend das Maximum bei einem Wert von ca. 8 Dieser Befund einer stark ausgeprägten Per-
liegt, hat die Region mit der niedrigsten Ra- sistenz regionaler Gründungsaktivitäten kann
te einen Wert von 1,8. Besonders hohe Grün- im Wesentlichen zwei Arten von Ursachen ha-
dungsraten finden sich in größen Städten wie ben. Zum einen kann es sein, dass auch die
Berlin, München, Hamburg und deren Um- wesentlichen Determinanten regionaler Grün-
feld, in den norddeutschen Küstenregionen, dungsaktivitäten im Zeitablauf relativ unver-
im Köln-Bonner-Raum sowie im südlichen ändert sind. Zum anderen könnte der Befund
Baden-Württemberg. Relativ niedrige Grün- auf das Vorhandensein einer mehr oder weni-
dungsraten sind für weite Teile Ostdeutsch- ger stark ausgeprägten regionalen Kultur un-
lands und Hessens, sowie im Westen von ternehmerischer Selbstständigkeit hindeuten.
Rheinland-Pfalz und im Saarland zu verzeich- Die erstgenannte Erklärung ist insofern trag-
nen. fähig, als viele der Determinanten regiona-
Besonders stark ausgeprägt sind die regio- ler Gründungsaktivitäten (ausführlich hierzu
nalen Unterschiede der Gründungsraten bei 7 Abschn. 8.6), wie z. B. der Anteil der Be-
innovativen Branchen des Verarbeitenden Ge- schäftigten in Kleinbetrieben, die Infrastruk-
werbes. Wie . Abb. 3.6 zeigt, weisen hier ins- turausstattung, das Ausmaß von Innovations-
besondere die Regionen Süd-Bayern und wei- aktivitäten in der Region im Zeitablauf kei-
te Bereiche von Baden-Württemberg (etwa der ne großen Schwankungen aufweisen. Auf die
Stuttgarter Raum) relativ hohe Gründungsra- Wirksamkeit einer regionalen Kultur unter-
ten auf. Nähere Analysen zu regionalen Unter- nehmerischer Selbstständigkeit könnte man
schieden innovativer Unternehmensgründun- insbesondere dann schließen, wenn ein rela-
gen zeigen sehr deutlich, dass diese Grün- tiv hohes Niveau an unternehmerischer Selbst-
dungen vor allem auf Städte mit Standorten ständigkeit auch dann festgestellt werden kann,
3.6  Regionale Unterschiede des Gründungsgeschehens
33 3

. Abb. 3.5 Räumliche Verteilung der durchschnittlichen jährlichen Anzahl der Gründungen pro 1.000 Beschäftig-
ten in Deutschland 2010–2016 (Quelle: ZEW Unternehmenspanel)

wenn sich wesentliche Rahmenbedingungen lich hierzu Fritsch und Wyrwich 2014, 2019). So kann
für das Gründungsgeschehen in einer Region man beispielsweise sowohl für ostdeutsche als auch für
im Zeitablauf drastisch verändert haben. westdeutsche Regionen einen statistisch signifikant po-
sitiven Zusammenhang zwischen dem heutigen Niveau
unternehmerischer Selbstständigkeit und der Selbst-
Empirische Analysen für Deutschland ergeben deutliche ständigenquote im Jahr 1925 feststellen. Dies könnte
Hinweise auf eine sehr langfristige Persistenz des re- bedeuten, dass eine einmal herausgebildete regionale
gionalen Niveaus unternehmerischer Selbstständigkeit, Entrepreneurship-Kultur so gravierende Einschnitte wie
obwohl verschiedene schockartige Veränderungen der die Weltwirtschaftskrise, die nationalsozialistische Dikta-
regionalen Rahmenbedingungen stattfanden (ausführ- tur während des Dritten Reichs, die Zerstörungen wäh-
34 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

. Abb. 3.6 Regionale Struktur der Gründungen in innovative Branchen des Verarbeitenden Gewerbes – Durch-
schnittliche jährliche Anzahl der Gründungen pro 1.000 Beschäftigten 2010–2016 (Quelle: ZEW Unternehmenspanel)

rend des Zweiten Weltkriegs, die Besatzung durch die hinzu. Diese Befunde sind ein sehr deutlicher Hinweis
Siegermächte und den politischen Neuanfang überdau- auf das Vorhandensein einer regionalen Kultur unterneh-
ern kann. Besonders eindrucksvoll ist diese Persistenz merischer Selbstständigkeit, die über lange Zeitperioden
des regionalen Niveaus unternehmersicher Selbststän- andauert (hierzu auch 7 Abschn. 5.4.4, 7 Abschn. 8.6 so-
digkeit in den Regionen Ostdeutschlands, die zusätzlich wie 7 Abschn. 11.3.5 und 7 Abschn. 11.3.6).
noch 40 Jahre lang von einem sozialistischen Regime
beherrscht wurden, das nachdrücklich und auf vielfälti- Für die Politik ergibt sich aus diesen Befunden
ge Weise versucht hat, privates Unternehmertum abzu-
der Hinweis, dass sich das Niveau unterneh-
schaffen. Als weitere drastische Veränderung der Rah-
menbedingungen kommt in Ostdeutschland noch der merischer Selbstständigkeit bzw. die regionale
schockartige Transformationsprozess nach dem Zusam- Entrepreneurship-Kultur nur auf längere Sicht
menbruch des sozialistischen DDR-Regimes im Jahr 1989 verändern lassen. Eine Politik, die solche Ver-
3.8  Marktdynamik im Industrielebenszyklus
35 3
änderungen bewirken will, muss also langfris- Im Vergleich zu den meisten Nachbarländern
tig angelegt sein und kann kaum darauf hoffen, und zu einigen anderen entwickelten Industrie-
auf kurze Sicht wesentliche Änderungen zu be- staaten fällt der Wert für die Total Early-Stage
wirken. Entrepreneurial Activity (TEA) für Deutsch-
land im Jahr 2017 mit 5,28 relativ niedrig aus
(. Abb. 3.7). Dies gilt auch, wenn man be-
stimmte Untergruppen von Gründungen be-
3.7 Die Gründungsaktivitäten im trachtet, wie etwa Gründungen mit hohen
internationalen Vergleich Wachstumsambitionen. Sowohl für Österreich
als auch für die Schweiz liegt der TEA-Wert
Für einen internationalen Vergleich von Grün- mit 9,63 bzw. 8,47 deutlich über dem Wert
dungsaktivitäten bieten sich die Daten des Glo- für Deutschland. Allgemein zeigt ein Vergleich
bal Entrepreneurship Monitor (GEM) an (siehe über die Breite der im GEM vertretenen Natio-
7 Abschn. 3.3). Ein zentraler Indikator für das nen für die Entwicklungs- und Schwellenlän-
Gründungsgeschehen im Rahmen des GEM ist der ein relativ hohes Niveau der Gründungs-
der Total Early-Stage Entrepreneurial Activity aktivitäten an, wobei es sich überwiegend um
(TEA) Index. Dieser Indikator gibt den Anteil Gründungen aus Not (Necessity Entrepreneur-
der Nascent Entrepreneurs und der jungen Un- ship) handelt. In den entwickelten und innova-
ternehmer (Young Entrepreneurs) an der Be- tionsgetriebenen Ländern überwiegen dann in
völkerung im Alter von 18 bis einschließlich 64 der Regel solche Gründungen, deren primäres
Jahren an. Ziel in der Umsetzung bestimmter unterneh-
Die Nascent Entrepreneurs sind im Rah- merischer Gelegenheiten (Opportunity Entre-
men des GEM konkret definiert als Personen, preneurship) besteht.
die
4 zum Zeitpunkt der Befragung versuchen
allein oder mit Partnern ein neues Unter- 3.8 Marktdynamik im
nehmen zu gründen (hierzu zählt jede Art Industrielebenszyklus
selbstständiger Tätigkeit),
4 in den letzten zwölf Monaten etwas zur
Unterstützung dieser Neugründung unter- Die Bedeutung von Gründungen für die Markt-
nommen haben (z. B. durch die Suche nach dynamik hängt wesentlich mit dem Lebens-
Ausstattung oder Standorten, Organisation zyklus des betreffenden Produktes bzw. der
eines Gründungsteams, Erarbeitung eines jeweiligen Industrie zusammen. Marktzutritte
spielen vor allem in den frühen Phasen der
Geschäftsplans, Bereitstellung von Kapital),
4 die Inhaber- oder Teilhaberschaft im Unter- Marktentwicklung, der Einführungs- und der
nehmen anstreben und Wachstumsphase, eine wesentliche Rolle. Da-
4 während der letzten drei Monate keine Voll- bei steigt die Anzahl der Anbieter im Zeitver-
zeitlöhne oder -gehälter bezahlt haben. lauf an, so dass der Netto-Marktzutritt einen
positiven Wert aufweist (siehe . Abb. 3.8). Die-
se frühen Phasen sind durch ein hohes Maß an
Als junge Unternehmer (Young Entrepreneurs) Innovation sowie durch Unsicherheit über die
gelten diejenigen 18- bis 64-jährigen, die zukünftige Marktentwicklung gekennzeichnet.
4 Inhaber oder Teilhaber eines bereits beste- Insbesondere in der Markteinführungspha-
henden Unternehmens sind, bei dem sie in se sind die meisten Anbieter Kleinunterneh-
der Geschäftsleitung mithelfen und men, so dass auch die F&E-Aktivitäten über-
4 aus diesem Unternehmen nicht länger als wiegend von Kleinunternehmen durchgeführt
3,5 Jahre Gehälter, Gewinne oder Sachleis- werden. Da die angewandte Technologie rela-
tungen erhalten haben. tiv neu ist, existiert noch wenig industriespe-
36 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

18%
Total Early Stage Entrepreneurial Activity 2017

16%

14%

3 12%

10%

8%

6%

4%

2%

0%
Großbritannien
Frankreich
Italien
Griechenland
Bulgarien

Schweiz

Irland
Deutschland

Finnland

Ungarn

Polen

Niederlande

-------------------
Japan
China
Australien
USA
Kanada
Spanien

Schweden

Portugal

Österreich

Lettland

. Abb. 3.7 Die Total Earl-Stage Entrepreneurial Activity 2017 in verschiedenen Ländern

Anzahl
Anbieter

Entrepreneurhaftes Routinisiertes
Regime Regime

Shake out

Anzahl Marktzutritte

Anzahl Anbieter

Anzahl
Marktaustritte
Zeit
Netto-
Marktzutritt

. Abb. 3.8 Marktzutritte und Marktaustritte im Verlauf des Industrielebenszyklus

zifisches Wissen, das für einen erfolgreichen ner Vielzahl von Varianten angeboten, da sich
Marktzutritt erforderlich ist. Wettbewerb findet noch kein dominierendes Design durchgesetzt
in diesem Stadium wesentlich über die Quali- hat. Aufgrund der relativ großen Bedeutung
tät der Produkte und weniger über deren Preis von Unternehmensgründungen und von klei-
statt. In der Regel wird ein Produkt in ei- nen Unternehmen bezeichnet man diese Phase
3.9  Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse
37 3

. Übersicht 3.3 Wesentliche Kennzeichen eines entrepreneurhaften und eines routinisierten technologi-
schen Regimes

Entrepreneurhaftes Regime Routinisiertes Regime

Frühes Stadium eines technologischen Pfades; Fortgeschrittenes Stadium eines technologischen Pfades;
wenig industriespezifisches Wissen. erhebliches industriespezifisches Wissen.

Kein dominierendes technologisches Paradigma. Es existiert ein dominierendes technologisches Paradigma.

Eher Qualitäts- als Preiskonkurrenz. Stark ausgeprägte Preiskonkurrenz.

Hoher Anteil an kleinen und jungen Firmen an Hoher Anteil großer und alt-etablierter Firmen an der Inno-
der Innovationstätigkeit. vationstätigkeit.

Marktzutritt relativ leicht möglich. Marktzutritt nur schwer möglich.

des Marktes als entrepreneurhaftes technologi- dungshemmnis. In der Regel nimmt die An-
sches Regime; gelegentlich wird sie auch Schum- zahl der Anbieter im Zeitverlauf weiter ab, so
peter Mark I-Regime genannt. dass der Netto-Marktzutritt negativ ausfällt.
Mit der Etablierung eines dominanten De- Wesentliche Kennzeichen des entrepreneurhaf-
signs ändern sich die Wettbewerbsverhältnisse ten und des routinisierten technologischen Re-
auf dem Markt: Die Produkte der verschiede- gimes sind in . Übersicht 3.3 zusammengestellt.
nen Anbieter werden nun einander ähnlicher, Beispiele für ein entrepreneurhaftes tech-
und da die Nachfrager zunehmend eine be- nologisches Regime sind der Mikro-Computer
stimmte Qualität als selbstverständlich voraus- in den frühen 1980er-Jahren und die Inter-
setzen, findet der Wettbewerb in immer stärke- netökonomie der 1990er-Jahre. Ein routinisier-
rem Maße über den Preis statt. Mit der Standar- tes technologisches Regime herrscht heutzuta-
disierung der Fertigungsprozesse und intensi- ge etwa in der Automobilindustrie sowie in der
verem Preiswettbewerb nimmt die umgesetzte Pharmazeutischen Industrie.
Menge zu und es entsteht ein routinisiertes tech-
nologisches Regime oder Schumpeter Mark II-
Regime. Häufig findet der Übergang vom entre- 3.9 Zusammenfassung
preneurhaften zum routinisierten Regime rela-
tiv abrupt statt, wobei die Anzahl der Anbie-
wesentlicher Ergebnisse
ter innerhalb kurzer Zeit dramatisch zurück-
geht, was als Shakeout bezeichnet wird (siehe Die genaue Identifikation von Unternehmens-
. Abb. 3.8). gründungen ist mit konzeptionellen Proble-
Nach dem Shakeout wird das Marktgesche- men verbunden. So kann man in einer gan-
hen von relativ wenigen etablierten Großun- zen Reihe von Konstellationen durchaus un-
ternehmen beherrscht, in denen auch die In- terschiedlicher Ansicht darüber sein, ob es
nnovationsaktivitäten und das relevante Wis- sich um das Fortbestehen eines etablierten Be-
sen konzentriert sind. Die Innovationsaktivitä- triebs bzw. Unternehmens handelt oder ob eine
ten stellen weitgehend Routinetätigkeiten dar. neue organisatorische Einheit gegründet wur-
Aufgrund von Größenvorteilen der etablierten de. Auch für die Festlegung des Zeitpunktes
Anbieter ist ein Marktzutritt nur noch rela- einer Gründung bestehen Alternativen. Auf-
tiv schwer möglich, so dass Unternehmens- grund solcher Abgrenzungsprobleme gibt es
gründungen eine untergeordnete Rolle spielen. keine objektiv richtige Information zur Anzahl
Auch das erhebliche Ausmaß an industriespe- der Gründungen; vielmehr sind solche Anga-
zifischem Wissen, dass für einen erfolgreichen ben immer nur als Näherungswerte aufzufas-
Marktzutritt erforderlich ist, wirkt als Grün- sen.
38 Kapitel 3  Überblick zu unternehmerischer Selbstständigkeit in Deutschland

In Deutschland ist die unternehmerische 4 Total Early-Stage Entrepreneurial Activity


Selbstständigkeit in den letzten 20 Jahren deut- (TEA)
lich angestiegen; insbesondere in den neuen 4 Turbulenz
Bundesländern hat die Anzahl der privaten
Unternehmen im Verlauf des mit der Wen-
de im Jahr 1989 begonnenen Transformations- Literaturhinweise
3 prozesses sehr stark zugenommen. Der ganz
überwiegende Großteil der Gründungen fin- Probleme der statistischen Erfassung von
det dabei im Dienstleistungssektor statt. In re- Gründungen behandeln Fritsch und Niese
gionaler Hinsicht können die Gründungsraten (2004). Verschiedene Datenquellen zu Grün-
sehr unterschiedlich ausfallen, wobei sich zeigt, dungen in Deutschland werden in Fritsch
dass das regionale Niveau der Gründungstä- et al. (2003) einander gegenübergestellt. Eine
tigkeit bzw. der unternehmerischen Selbststän- Übersicht über das GEM-Projekt bietet Bosma
digkeit im Zeitablauf ein hohes Maß an Per- (2013).
sistenz aufweist, was als Indiz für die Existenz Zur Langfristigkeit regionaler Niveaus von
einer regionalen Entrepreneurship-Kultur an- Entrepreneurship bzw. zu einer regionalen
gesehen werden kann. Im internationalen Ver- Entrepreneurship- Kultur in Deutschland sie-
gleich fällt das Niveau der Gründungsaktivitä- he Fritsch und Wyrwich (2014, 2017 und 2019).
ten in Deutschland eher gering aus. Dies lie- Entsprechende Analysen für Großbritannien
ße sich als Hinweis auf einen entsprechenden finden sich bei Fotopoulos (2014) sowie bei Fo-
Nachholbedarf in Deutschland auffassen. topoulos und Storey (2017). Eine grundlegen-
Gründungen sind vor allem in der Früh- de Darstellung des Zusammenhangs zwischen
phase der Entwicklung eines Marktes unter den Marktdynamik und Industrielebenszyklus bie-
Bedingungen eines entrepreneurhaften techno- tet Klepper (1997); eine empirische Analyse von
logischen Regimes von Bedeutung. In späte- Shakeout-Prozessen in ausgewählten Industri-
ren Phasen des Industrielebenszyklus, wenn die en findet sich bei Klepper und Simons (2005).
Bedingungen eines routinisierten technologi-
sches Regimes gelten, spielen Gründungen kei-
ne wesentliche Rolle mehr. Weiterführende Literatur

Bosma, Niels (2013): The Global Entrepreneurship Moni-


3.10 Wesentliche Begriffe zu tor (GEM) and Its Impact on Entrepreneurship Re-
search. Foundations and Trends in Entrepreneurship, 9,
Kapitel 3 143–248. https://doi.org/10.1561/0300000033
Fotopoulos, Georgios (2014): On the spatial stickiness
of UK new firm formation rates. Journal of Eco-
4 Gründungsrate nomic Geography, 14, 651–679. https://doi.org/10.
4 Gründungszeitpunkt 1093/jeg/lbt011
4 Marktaustritt Fotopoulos, Georgios und David Storey (2017): Persis-
4 Marktzutritt tence and Change in Interregional Differences in
Entrepreneurship: England and Wales, 1921–2011.
4 Nebenerwerbstätigkeit
Environment and Planning A, 49, 670–702. https://
4 Netto-Marktzutritt doi.org/10.1177/0308518X16674336
4 Persistenz von Entrepreneurship Fritsch, Michael, Reinhold Grotz, Udo Brixy, Michael Nie-
4 Produktlebenszyklus se und Anne Otto (2003): Die statistische Erfassung
4 Selbstständigenrate von Gründungen in Deutschland – Ein Vergleich
4 Solo-Selbstständigkeit von Beschäftigtenstatistik, Gewerbeanzeigenstatis-
tik und den Mannheimer Gründungspanels. Allge-
4 Stilllegung meines Statistisches Archiv, 87, 87–96.
4 Technologisches Regime: entrepreneurhaf- Fritsch, Michael und Michael Niese (2004): Alternative
tes und routinisiertes Indikatoren des Gründungsgeschehens. In Micha-
Weiterführende Literatur
39 3
el Fritsch und Reinhold Grotz (Hrsg.): Empirische Directions for Future Research. International Review
Analysen des Gründungsgeschehens in Deutschland. of Entrepreneurship, 15, 395–416.
Heidelberg 2004: Physica, 5–17. https://doi.org/10. Fritsch, Michael und Michael Wyrwich (2019): Regio-
1007/978-3-7908-2668-5 nal Trajectories of Entrepreneurship, Knowledge, and
Fritsch, Michael (2011): Start-ups in Innovative Industries Growth – The Role of History and Culture. Cham:
– Causes and Effects. In David B. Audretsch, Oliver Springer. https://link.springer.com/book/10.1007
Falck, Stephan Heblich und Adam Lederer (Hrsg.): %2F978-3-319-97782-9
Handbook of Innovation and Entrepreneurship, Chel- Klepper, Steven (1997): Industry Live Cycles. Industrial
tenham: Elgar, 365–381. and Corporate Change, 6, 145–181. https://doi.org/
Fritsch, Michael und Michael Wyrwich (2014): The Long 10.1093/icc/6.1.145
Persistence of Regional Levels of Entrepreneur- Klepper, Steven und Kenneth L. Simons (2005): Industry
ship: Germany 1925 to 2005. Regional Studies, 48, shakeouts and technological change. International
955–973. https://doi.org/10.1080/00343404.2013. Journal of Industrial Organization, 23, 23–43. https://
816414 doi.org/10.1016/j.ijindorg.2004.11.003
Fritsch, Michael und Michael Wyrwich (2017): Persistence
of Regional Entrepreneurship: Causes, Effects, and
41 4

Die Entscheidung
für unternehmerische
Selbstständigkeit: Theorie

4.1 Der Ansatz des Occupational Choice – 42

4.2 Das Grundmodell – 43

4.3 Einige Erweiterungen des Grundmodells – 44

4.4 Zusammenfassung: Was die Theorie erklärt – und was


nicht – 47

4.5 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 4 – 49

Literaturhinweise – 49

Weiterführende Literatur – 49

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_4
42 Kapitel 4  Die Entscheidung für unternehmerische Selbstständigkeit: Theorie

„Praxis ohne Theorie ist blind.“ Wahl zwischen der Gründung eines Unterneh-
(nach Immanuel Kant 1781) mens bzw. unternehmerischer Selbstständig-
keit, einer Tätigkeit als abhängig Beschäftig-
„Es gibt nichts Praktischeres als eine gute
ter sowie der Nicht-Beschäftigung hat. Unter-
Theorie.“
sucht werden die Bestimmungsgründe einer
(Kurt Lewin 1951, 169)
Entscheidung für oder gegen unternehmeri-
sche Selbstständigkeit. Dabei lautet die grund-
Wesentliche Fragestellungen
legende Hypothese, dass die Gründungsent-
4 4 Auf welche Weise kann die individuelle Ent-
scheidung im Wesentlichen durch die subjek-
tive Einschätzung der Vor- und Nachteile der
scheidung für oder gegen unternehmerische
Selbstständigkeit im Vergleich zu abhängiger
Selbständigkeit erklärt werden?
Beschäftigung oder zu Nicht-Beschäftigung be-
4 Was sind die wesentlichen Bestimmungsgrün-
stimmt wird. Im Ergebnis wird dann diejenige
de bei der Entscheidung zur Gründung eines
Erwerbsform gewählt, die im Vergleich zu den
eigenen Unternehmens?
relevanten Alternativen am vorteilhaftesten er-
4 Welche nicht-monetären Einflüsse können bei
scheint.
der Entscheidung für oder gegen Entrepre-
Für den Erklärungsgehalt dieses Ansatzes
neurship eine Rolle spielen?
ist es von zentraler Bedeutung, worin jemand
die Vor- und Nachteile einer bestimmten Er-
werbsform sieht. Welche Bedeutung hat in die-
Wie kann man erklären, dass jemand als Unter- ser Hinsicht das zu erzielende Einkommen?
nehmer tätig ist, während andere in abhängiger Wie wichtig sind die Arbeitsumstände wie etwa
Beschäftigung oder arbeitslos bleiben? Dieses Arbeitszeiten, Arbeitsort, körperliche Anstren-
Kapitel behandelt theoretische Ansätze, die sich gung sowie psychische Belastung? Welche Rolle
einer Beantwortung dieser Frage widmen. Aus- spielen Machtbefugnisse und Handlungsauto-
gangspunkt und von zentraler Bedeutung ist nomie? Wie bedeutend ist die Sicherheit, dass
dabei der Ansatz des Occupational Choice, der Arbeitsplatz und Einkommen erhalten bleiben?
mit anderen Erklärungen verknüpft wird. Welchen Einfluss haben die Karriereaussich-
Zunächst stellt 7 Abschn. 4.1 den Grund- ten? Ohne eine Konkretisierung dieser Punkte
ansatz des Occupational Choice vor. Daran bliebe der Ansatz weitgehend tautologisch.
anschließend wird dann ein einfaches forma- Die Sichtweise, dass die Erwerbsform das
les Grundmodell abgeleitet (7 Abschn. 4.2), das Ergebnis einer Wahlentscheidung darstellt, ist
den Ausgangpunkt für diverse Erweiterungen allerdings nicht ganz unproblematisch. Dies
bildet (7 Abschn. 4.3). In 7 Abschn. 4.4 wer- gilt insbesondere für Personen, die von Arbeits-
den die wesentlichen Überlegungen zusam- losigkeit betroffen sind. Hier hängt es auch vom
mengefasst und Schlussfolgerungen für Weiter- Blickwinkel des Betrachters ab, ob Arbeitslo-
entwicklungen der Theorie des Occupational sigkeit als freiwillig oder als unfreiwillig an-
Choice gezogen. gesehen wird. Denn wenn jemand deshalb ar-
beitslos wird, weil das Unternehmen, in dem er
abhängig beschäftigt ist, aufgrund wirtschaftli-
4.1 Der Ansatz des Occupational cher Probleme schließen muss, dann kann man
Choice zumindest bezweifeln, ob hier eine freiwillige
Wahl stattgefunden hat; schließlich wurde die
Der Ansatz des Occupational Choice stellt die Arbeitslosigkeit durch Entscheidungen ande-
Person des Gründers bzw. Unternehmers in rer Personen herbeigeführt. Eine pragmatische
den Mittelpunkt der Betrachtung und nicht Herangehensweise an dieses Problem bestün-
das gegründete Unternehmen. Ausgangpunkt de darin, nach der Dauer der Arbeitslosigkeit
ist die Annahme, dass jede Erwerbsperson die zu unterscheiden. Entsprechend wäre Arbeits-
4.2  Das Grundmodell
43 4
losigkeit aufgrund von unverschuldeter Ent- ternehmerischen Fähigkeiten x einer Person
lassung zunächst als unfreiwillig anzusehen; abhängt, d. h.  D .x/ mit  0 .x/ > 0.
ein längerer Verbleib in Arbeitslosigkeit könnte Nimmt man darüberhinaus an, dass der Lohn
hingegen als freiwillige Entscheidung gewertet in abhängiger Beschäftigung nicht mit den un-
werden. ternehmerischen Fähigkeiten variiert, so erhält
man den in . Abb. 4.1 dargestellten Zusam-
menhang, der die Grundform eines bekannten
4.2 Das Grundmodell Modells von Robert Lucas (1978) wiedergibt.
Demnach werden Personen mit einem hohen
Im Grundmodell des Occupational Choice er- Niveau an unternehmerischen Fähigkeiten da-
gibt sich die Entscheidung für oder gegen un- zu neigen, als Unternehmer tätig zu sein und
ternehmerische Selbstständigkeit durch einen Personen mit relativ geringen unternehmeri-
Vergleich mit dem Netto-Nutzen in abhängiger schen Fähigkeiten als Beschäftigte einzustellen.
Beschäftigung oder in Erwerbslosigkeit. For- In . Abb. 4.1 kennzeichnet xQ den marginalen
mal ausgedrückt lautet die Grundgleichung Unternehmer, der ein Einkommen gleich dem
in abhängiger Beschäftigung erzielbaren Ar-
p  D g.  w; Z/: beitslohn realisiert ( D w), und gegenüber
beiden Erwerbsformen indifferent ist.
Dabei gibt P  die Wahrscheinlichkeit für un- In diesem Zusammenhang wird häufig un-
ternehmerische Selbstständigkeit an,  ist der terstellt, dass die Beschäftigtenzahl eines Un-
Netto-Nutzen aus unternehmerischer Tätigkeit ternehmens positiv mit dem Niveau der Fä-
und w ist der Netto-Nutzen, der in abhängi- higkeiten des betreffenden Unternehmers ver-
ger Beschäftigung erzielt wird. Der Einfachheit knüpft ist. Demnach führen dann die fähigsten
halber wird im Folgenden zunächst unterstellt, Unternehmer auch die größten Unternehmen,
dass sowohl der Gewinn aus unternehmeri- während der marginale Unternehmer Solo-
scher Tätigkeit als auch das Einkommen in Entrepreneur, d. h. ohne abhängig Beschäftigte
abhängiger Beschäftigung rein pekuniäre Grö- tätig ist.
ßen, also Geldeinheiten darstellen. Ein entspre- Entsprechend diesen Überlegungen hängt
chendes Maß, das auch den Aufwand an Ar- die Anzahl der Unternehmer in einem Land
beitszeit berücksichtigt, wäre der Gewinn bzw. bzw. in einer Region von den unternehmeri-
das Arbeitseinkommen pro Arbeitsstunde. Z schen Fähigkeiten der Bevölkerung sowie von
repräsentiert entscheidungsrelevante Faktoren, den in den beiden Erwerbsalternativen erziel-
die nicht mit dem Geldeinkommen in Zusam- baren Einkommen ab. Wenn alle anderen Um-
menhang stehen, wie etwa ein höheres Maß an stände unverändert bleiben, dann ist die An-
Autonomie und Selbstverwirklichung in unter- zahl der Unternehmer umso geringer, je höher
nehmerischer Selbstständigkeit. die Einkommen sind, die in abhängiger Be-
Je stärker der in unternehmerischer Selbst- schäftigung erzielt werden können. In diesem
ständigkeit erzielbare Gewinn () das Einkom- Modell wird unterstellt, dass eine ausreichen-
men in abhängiger Beschäftigung (w) über- de Anzahl an unternehmerischen Gelegenhei-
steigt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, ten vorhanden ist. Entsprechend der Sichtweise
dass jemand als Unternehmer tätig ist. Wenn von Joseph Schumpeter (siehe 7 Abschn. 2.1)
die in den verschiedenen Erwerbsalternativen wird der Engpass weniger in den vorhande-
erzielbaren Einkommen sicher und einkom- nen unternehmerischen Gelegenheiten als viel-
mensunabhängige Faktoren unbedeutend sind mehr in den unternehmerischen Fähigkeiten
(d. h. Z D 0), dann wird jemand als Unterneh- gesehen.
mer tätig sein, wenn  > w. Lucas (1978) leitet aus seinem Modell die
Weiterhin sei unterstellt, dass der Gewinn Hypothese ab, dass der Anteil der Unterneh-
aus unternehmerischer Tätigkeit  von den un- mer an den Erwerbstätigen im Zeitablauf sinkt,
44 Kapitel 4  Die Entscheidung für unternehmerische Selbstständigkeit: Theorie

Einkommen

Gewinn π (x)

Arbeitslohn w

4
Marginaler
Unternehmer Unternehmerische
Fähigkeiten (x)

Abhängig Beschäftigte Unternehmer


~
x

. Abb. 4.1 Ein einfaches Modell der unternehmerischen Selbstständigkeit

was – wie wir bereits aus dem vorherigen Ka- schen Fähigkeiten in der Gesellschaft allgemein
pitel wissen (siehe 7 Abschn. 3.4) – in klarem angestiegen ist.
Widerspruch zu der Entwicklung während der
letzten Jahrzehnte in Deutschland wie auch in
einer Reihe anderer Länder steht. Lucas ar-
4.3 Einige Erweiterungen des
gumentiert wie folgt: Da über die Jahre im-
mer mehr Kapital akkumuliert und kapitalin- Grundmodells
tensiver produziert wird, werden die Arbeit-
nehmer auch entsprechend produktiver. Sofern Das Grundmodell des Occupational Choice
sich – wovon die neoklassische Wirtschafts- stellt einen fruchtbaren Ausgangspunkt für vie-
theorie ausgeht – die Entlohnung der Arbeit- le Erweiterungen und Verfeinerungen dar. Ei-
nehmer an der Arbeitsproduktivität orientiert, ne wichtige Erweiterung des Modells besteht
müssen auch die Löhne ansteigen, so dass un- in der realitätsnahen Annahme, dass auch das
ternehmerische Selbstständigkeit im Vergleich Einkommen in abhängiger Beschäftigung mit
zu einer abhängigen Beschäftigung immer we- den Fähigkeiten einer Person ansteigt; es gilt al-
niger attraktiv wird. so w D w.x/ mit w 0 > 0. In diesem Falle weist
Der im Gegensatz zum Lucas-Modell zu auch die Kurve für das Lohneinkommen eine
verzeichnende Anstieg der Selbstständigen- positive Steigung auf, und es hängt vom Verlauf
quoten könnte damit erklärt werden, dass eine der beiden Einkommenskurven ab, inwiefern
Reihe von nicht-monetären Motiven für un- sich bei einem bestimmten Fähigkeitsniveau
ternehmerische Selbstständigkeit, wie zum ein Schritt in die Selbstständigkeit lohnt. Eine
Beispiel Autonomiestreben und Wunsch nach wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist,
Selbstverwirklichung von vielen Menschen welche Arten von Fähigkeiten für das Einkom-
stärker gewichtet werden. Es könnte auch sein, men in abhängiger Beschäftigung und für den
dass durch die praktischen Erfahrungen mit Gewinn als Unternehmer relevant sind. Han-
unternehmerischer Selbstständigkeit ein ge- delt es sich hier um die gleichen Fähigkeiten
sellschaftlicher Lernprozesses stattgefunden oder sind in beiden Erwerbsarten jeweils unter-
hat, durch den das Niveau der unternehmeri- schiedliche Qualifikationen wichtig? In dieser
4.3  Einige Erweiterungen des Grundmodells
45 4
Hinsicht wird etwa die Hypothese vertreten, gen, desto steiler verläuft diese Gerade. Bei ei-
dass man als Unternehmer eher Generalist sein nem stärkeren Anstieg der Gewinn-Geraden
muss und eine Vielzahl an unterschiedlichen schneidet sie die Gerade für den Arbeitslohn
Kenntnissen benötigt, während sich das Ein- aus abhängiger Beschäftigung weiter links, was
kommen als Mitarbeiter in einem Unterneh- bedeutet, dass unternehmerische Selbststän-
men eher an den Spezialkenntnissen orientiert digkeit nun für einen größeren Anteil der Er-
(ausführlicher hierzu 7 Abschn. 5.2.2). werbsbevölkerung vorteilhaft ist.
Eine andere wichtige Erweiterung des Auch die Entstehung von besonders profita-
Grundmodells ergibt sich dann, wenn man blen unternehmerischen Gelegenheiten würde
die Annahme aufgibt, dass die unternehme- in dem Modell zu einer stärkeren Steigung der
rischen Fähigkeiten fest vorgegeben und vor Gewinn-Geraden und einem größeren Anteil
der Gründung bekannt sind. Deutlich realisti- an unternehmerisch tätigen Personen führen.
scher ist es zu unterstellen, dass die (potenziell) Eine bloße Vermehrung der Anzahl unterneh-
Selbstständigen unsicher über ihre unterneh- merischer Gelegenheiten hat in diesem Grund-
merischen Fähigkeiten sind und erst im Verlauf modell hingegen solange keinen Einfluss auf
der unternehmerischen Tätigkeit lernen, wie das Niveau der unternehmerischen Selbststän-
gut sie zum Führen eines Unternehmens in der digkeit, wie die Geraden für die beiden Ein-
Lage sind. Plausibel wäre in diesem Zusam- kommensalternativen hiervon unberührt blei-
menhang auch die Annahme, dass ein Teil der ben.
unternehmerischen Fähigkeiten im Verlauf der Ein wichtiger Einwand gegen das darge-
Geschäftstätigkeit im Sinne eines learning by stellte Grundmodell des Occupational Choice
doing erworben wird. Übertragen auf das in besteht darin, dass Unsicherheit über den Ge-
. Abb. 4.1 dargestellte Grundmodell bedeutet winn aus unternehmerischer Tätigkeit und da-
dies, dass jemand nach erfolgter Gründung mit auch das Risiko eines Scheiterns des Unter-
auf der horizontalen Achse mit der Zeit weiter nehmens ausgeklammert bleibt. Damit kom-
rechts platziert ist, weil seine unternehmeri- men die Risikopräferenzen der potenziellen
schen Fähigkeiten durch Lernen während der Gründer ins Spiel. In entsprechenden Erweite-
selbstständigen Tätigkeit zunehmen. Dies im- rungen des Grundmodells wird unterstellt, dass
pliziert, dass der erzielte Gewinn mit der Zeit der Gewinn aus Unternehmertätigkeit mit ei-
ansteigt und das entsprechende Unternehmen nem höheren Maß an Unsicherheit behaftet ist
wächst. als das Einkommen aus abhängiger Beschäf-
Die Annahme, dass die Einkommenser- tigung. Weiterhin nimmt man in der Regel
zielungsmöglichkeiten in unternehmerischer an, dass die Menschen unterschiedliche Ri-
Tätigkeit allein von den unternehmerischen sikopräferenzen haben bzw. in unterschiedli-
Fähigkeiten abhängen, stellt eine wesentliche cher Weise dazu in der Lage sind, Unsicher-
Vereinfachung dar, mit der von den relevan- heit zu akzeptieren. In der eingangs angeführ-
ten Rahmenbedingungen abstrahiert wird. Tat- ten Gleichung kann dies dadurch berücksich-
sächlich sind die Möglichkeiten zur Einkom- tigt werden, dass die Funktion g.:/ nun nicht
menserzielung als Unternehmer wesentlich mehr in deterministischer Weise bestimm-
von institutionellen Gegebenheiten geprägt, te Einkommens- bzw. Gewinnniveaus angibt,
wie etwa den geltenden steuerlichen Regelun- sondern nur entsprechende Wahrscheinlich-
gen, dem Wettbewerbsrecht und dem Arbeits- keiten; Z beschreibt dann u. a. die individuelle
recht. Übertragen auf das in . Abb. 4.1 dar- Risikopräferenz. In einem solchen Modellrah-
gestellte Grundmodell bestimmen solche in- men werden vor allem solche Personen Un-
stitutionellen Faktoren die Steigung der Gera- ternehmen gründen, die über eine relativ ho-
den für den Gewinn aus unternehmerischer he Risikotragfähigkeit verfügen, während be-
Tätigkeit. Je günstiger diese Rahmenbedingun- sonders risikoscheue Personen es vorziehen,
46 Kapitel 4  Die Entscheidung für unternehmerische Selbstständigkeit: Theorie

in möglichst sicherer abhängiger Beschäftigung Berufserfahrung eine wesentliche Quelle der


zu sein (ausführlicher zu Risikopräferenzen unternehmerischen Fähigkeiten darstellen. Da-
von Gründern 7 Abschn. 5.3). rüber hinaus gibt es deutliche Hinweise darauf,
In einem bekannten Modell, das die Bedeu- dass Vorbildeffekte in der Familie und in sozia-
tung der Risikopräferenzen analysiert, kom- len Netzwerken (Peer-Effekte) eine signifikante
men Kihlstrom und Laffont (1979) zu dem Rolle spielen. Inwiefern hier auch genetischer
Ergebnis, dass Personen mit einer relativ ho- Vererbung eine Bedeutung zukommt, ist noch
hen Risikotragfähigkeit tendenziell auch relativ weitgehend unklar (hierzu 7 Abschn. 5.4.2).
4 große Unternehmen führen. Als eine weitere Da das Einkommen, das in einer bestimm-
Determinante des Niveaus unternehmerischer ten Erwerbsform erzielt werden kann, die fi-
Selbstständigkeit in einer Gesellschaft wird in nanzielle Grundlage für die Lebenshaltung dar-
diesem Modell das Vorhandensein von Mög- stellt, spielt es für die Gründungsentscheidung
lichkeiten zur Risikoteilung, wie z. B. Märk- eine wichtige, häufig die zentrale Rolle. Es ist
te für Beteiligungskapital oder Möglichkeiten aber in vielen Fällen nicht das einzige Motiv
zur Versicherung von Risiken, herausgearbei- für unternehmerische Selbstständigkeit. Wei-
tet. Die Existenz solcher Möglichkeiten der tere wichtige Aspekte, die für eine Tätigkeit
Aufteilung von Risiken führt dazu, dass ein grö- als Unternehmer sprechen können, sind etwa
ßerer Anteil der Erwerbsbevölkerung dazu wil- ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Zeit-
lens und in der Lage ist, die mit unternehme- souveränität („sein eigener Chef sein“) sowie
rischer Selbstständigkeit verbundenen Risiken die Möglichkeit zur Umsetzung eigener Ideen.
auf sich zu nehmen. Auch Regelungen, die das Mit solchen vom Einkommen unabhängigen
Scheitern als Unternehmer betreffen, wie z. B. Motiven könnte erklärt werden, warum Per-
die Bestimmungen des Insolvenzrechts, sind in sonen in unternehmerischer Selbstständigkeit
diesem Zusammenhang relevant. verbleiben, obwohl sie in abhängiger Beschäfti-
Neben der Bereitschaft und Fähigkeit zum gung ein höheres Einkommen erzielen könnten
Tragen von Risiken hat die psychologische (ausführlicher hierzu 7 Abschn. 10.1).
Forschung eine Reihe von weiteren Persön- Viele Autoren sind der Ansicht, dass die Be-
lichkeitsmerkmalen wie z. B. Extraversion und deutung des Geld-Einkommens im Vergleich
Offenheit für Erfahrungen identifiziert (siehe zu nicht-pekuniären Vorteilen unternehmeri-
7 Abschn. 5.3), die für eine erfolgreiche Tätig- scher Selbstständigkeit mit steigendem Niveau
keit als Unternehmer von Bedeutung sind und des Geld-Einkommens abnimmt. Die wesent-
die Neigung zu unternehmerischer Selbststän- liche Begründung für diese Vermutung be-
digkeit u.U. erhöhen. Ein weiteres Bindeglied steht in der Vorstellung, dass die Befriedi-
zwischen persönlichen Eigenschaften und Oc- gung der Bedürfnisse einer Hierarchie folgt,
cupational Choice kann in solchen Merkmalen wobei immaterielle Bedürfnisse erst dann in
bzw. Fähigkeiten gesehen werden, die jeman- den Vordergrund rücken, wenn die materiel-
den dazu befähigen, vorhandene unternehme- len Grundbedürfnisse in befriedigender Wei-
rische Gelegenheiten als solche zu erkennen. se abgedeckt sind. Entsprechend ist zu ver-
Im Grundmodell können solche Eigenschaften muten, dass Entrepreneurship aus finanzieller
sowohl als unternehmerische Fähigkeiten x als Not (Necessity Entrepreneurship) für Perso-
auch durch den Vektor der entscheidungsrele- nen mit einem niedrigen Einkommensniveau
vanten Eigenschaften Z abgebildet werden. bzw. in armen Ländern eine relativ große Rolle
Eine wichtige Frage ist, auf welche Weise spielt, wohingegen unter relativ gut verdienen-
sich die für die Gründungsentscheidung re- den Personen bzw. in wohlhabenden Ländern
levanten persönlichen Eigenschaften und Fä- die Bedeutung von Opportunity Entrepreneur-
higkeiten herausbilden bzw. wie sie erworben ship dominiert.
werden. In diesem Zusammenhang kann man Holmes und Schmitz (1990) behandeln den
wohl davon ausgehen, dass Ausbildung und Zusammenhang zwischen unternehmerischen
4.4  Zusammenfassung: Was die Theorie erklärt – und was nicht
47 4
Fähigkeiten und der Qualität von Gründungen. Bei der Behandlung der verschiedenen Va-
In Anlehnung an Schumpeter gehen die Auto- rianten des Modells des Occupational Choice
ren davon aus, dass die unternehmerischen Ge- ergaben sich deutliche Hinweise auf Fragen,
legenheiten exogen vorgegeben sind. In ihrem die bisher nicht in befriedigender Weise be-
Modell sind es die relativ fähigen Unterneh- antwortet werden können und die durch die
mer, welche die besonders erfolgversprechen- Forschung weiter zu klären sind. Hierbei sind
den unternehmerischen Gelegenheiten erken- insbesondere die folgenden vier Bereiche her-
nen und dann auch mit relativ hoher Wahr- vorzuheben:
scheinlichkeit erfolgreich umsetzen. Demge- 4 Ein zentraler Bereich, in dem Klärungsbe-
genüber betreiben die weniger fähigen Un- darf besteht, betrifft die Frage, was genau
ternehmer eher Routine-Entrepreneurship im die im Rahmen des Occupational Choice
Sinne Kirzners (siehe 7 Abschn. 2.1). Dement- relevanten unternehmerischen Fähigkeiten
sprechend stellen die unternehmerischen Fä- ausmacht. Inwieweit unterscheiden sich die
higkeiten der Erwerbsbevölkerung die zentrale für die erfolgreiche Tätigkeit als Unter-
Determinante für die Qualität der Gründungen nehmer relevanten Fähigkeiten von den
dar. Qualifikationen, die für eine erfolgreiche
Tätigkeit als abhängig Beschäftigter wich-
tig sind? Inwiefern unterscheiden sich die
4.4 Zusammenfassung: Was die relevanten unternehmerischen Fähigkeiten
Theorie erklärt – und was nicht nach dem Geschäftsfeld eines Unterneh-
mens (z. B. entsprechend der Branche)?
Die Theorie des Occupational Choice versucht, 4 Ein zweiter wichtiger Bereich für Weiter-
die individuelle Entscheidung für oder gegen entwicklungen des Modells betrifft die Ent-
unternehmerische Selbstständigkeit zu erklä- stehung der unternehmerischen Persön-
ren. Indem diese Theorie die Person des Grün- lichkeitsmerkmale und Fähigkeiten. Wel-
ders bzw. Unternehmers in das Zentrum der che Faktoren begünstigen oder hemmen
Betrachtung stellt, bietet sie sich insbesondere die Herausbildung von unternehmerischen
auch als wesentliche Grundlage für politische Fähigkeiten? Welche Rolle spielen hierbei
Maßnahmen an, mit denen versucht wird, Art Faktoren im persönlichen und regionalen
und Ausmaß an unternehmerischer Selbststän- Umfeld einer Person? Inwieweit sind unter-
digkeit zu beeinflussen (hierzu 7 Kap. 12). nehmerische Einstellung und unternehme-
Theorien und Modelle stellen eine Verein- rische Fähigkeiten auch durch genetische
fachung der Realität dar. Der Sinn und Zweck Faktoren bedingt? Inwieweit bilden sich
solcher Vereinfachungen besteht darin, uns bei die unternehmerischen Einstellungen und
der Erfassung und der gedanklichen Durch- Fähigkeiten während der Tätigkeit in un-
dringung von realen Phänomenen zu helfen, ternehmerischer Selbstständigkeit heraus?
indem wichtige Dinge hervorgehoben wer- Und, nicht zuletzt, was bestimmt die Fähig-
den, unwichtige Aspekte hingegen ausgeblen- keit, die vorhandenen unternehmerischen
det bleiben. Ausgehend von einem einfachen Gelegenheiten zu erkennen?
Kalkül der individuellen Vorteilhaftigkeit von 4 Ein dritter Bereich ist die genauere Spe-
unternehmerischer Selbstständigkeit im Ver- zifikation derjenigen für den Occupatio-
gleich zu abhängiger Beschäftigung bzw. Ar- nal Choice relevanten Faktoren, die nicht
beitslosigkeit, zeigt der Ansatz des Occupatio- mit dem Geld-Einkommen in Zusammen-
nal Choice zentrale Zusammenhänge auf. Wie hang stehen. Dies umfasst diejenigen Ein-
sich gezeigt hat, kann das einfache Grundmo- flüsse, die im Grundmodell in dem Sym-
dell durch verschiedene Modifikationen und bol Z zusammengefasst sind, wie zum Bei-
Erweiterungen an die Realität angenähert wer- spiel Autonomie und Selbstverwirklichung.
den. Was sind die wesentlichen Elemente un-
48 Kapitel 4  Die Entscheidung für unternehmerische Selbstständigkeit: Theorie

ter diesen nicht-pekuniären Faktoren? Wel- punkt für die Entrepreneurship-Politik darstellt
che Bedeutung haben welche dieser nicht- (siehe hierzu auch 7 Abschn. 8.2).
pekuniären Bestimmungsgründen des Oc- Eine wichtige Weiterentwicklung des Mo-
cupational Choice im Vergleich zum peku- dells wäre die Differenzierung zwischen ver-
niären Einkommen? Wie variiert die Ge- schiedenen Arten von Entrepreneurship, wie
wichtung dieser beiden Arten von Einfluss- z. B. zwischen produktivem vs. unprodukti-
größen mit der Höhe des pekuniären Ein- vem, innovativem vs. imitativem, Opportuni-
kommens und mit dem gesellschaftlichen ty vs. Necessity Entrepreneurship. Ausgangs-
4 Wohlstandsniveau? punkt hierbei wäre die Hypothese, dass die
4 Schließlich ist, viertens, der Einfluss der Wirkungen der Rahmenbedingungen auf die
institutionellen, sektoralen und regiona- verschiedenen Arten von Entrepreneurship
len Rahmenbedingungen genauer zu klä- sehr unterschiedlich ausfallen können. Sinn-
ren. Dies ist insbesondere deshalb wich- voll könnte auch sein, zwischen verschiedenen
tig, weil die Ausgestaltung dieser Rahmen- Arten von Unternehmensgründungen zu un-
bedingungen einen wesentlichen Ansatz- terscheiden, also etwa zwischen dem Aufbau
punkt für die Entrepreneurship-Politik dar- eines neuen Unternehmens und der Übernah-
stellt. So stellt sich zum einen die Frage nach me eines bestehenden Unternehmens. Wichtig
der relativen Bedeutung der Rahmenbedin- wäre wahrscheinlich auch die Unterscheidung
gungen. Sind die z.T. ganz erheblichen Un- zwischen der Tätigkeit als Unternehmer mit
terschiede im Niveau von Entrepreneurship abhängig Beschäftigten im Vergleich zu einem
zwischen Regionen (siehe 7 Abschn. 3.6) Solo-Entrepreneur, beispielsweise der freibe-
eher auf die Rahmenbedingungen oder ruflichen Tätigkeit.
mehr auf die unternehmerischen Neigun- Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben,
gen und Fähigkeiten der Bevölkerung zu- dass die Behandlung des Occupational Choice
rückzuführen? Zum anderen ist zu klären, als einen einstufigen Wahlakt eine starke Ver-
welche Rahmenbedingungen sich beson- einfachung gegenüber der Realität darstellt.
ders günstig auf das Niveau von Entrepre- Tatsächlich ist die Gründung eines eigenen
neurship auswirken, indem sie zu einem Unternehmens in aller Regel das Ergebnis ei-
relativ starken Anstieg der Gewinn-Kurve ner Abfolge mehrerer bewusster, wie wahr-
(vgl. . Abb. 4.1) führen. scheinlich auch unbewusster Entscheidungen.
Bevor sich jemand tatsächlich unternehme-
Einen für den Occupational Choice u.U. we- risch selbstständig macht, ist er häufig erst ein-
sentlichen Bereich der Rahmenbedingungen mal mehr oder weniger gründungsinteressiert
stellt die Art und Anzahl der verfügbaren un- und dann Nascent Entrepreneur.1 Occupatio-
ternehmerischen Gelegenheiten dar. Während nal Choice ist eine Entwicklung und die eigent-
das Modell des Occupational Choice unter- liche Gründungsentscheidung ist ein Teil dieser
stellt, dass die unternehmerischen Gelegenhei- Entwicklung.
ten in ausreichendem Maße vorhanden sind Das Modell des Occupational Choice bie-
und keinen Engpass darstellen, deuten räum- tet einen guten Ausgangspunkt zur Beantwor-
lich differenzierte Analysen darauf hin, dass das tung der Frage: „Wieso wird jemand Unterneh-
Niveau unternehmerischer Selbstständigkeit in mer und wieso bleibt jemand in abhängiger
einer Region wesentlich von dem in der Region Beschäftigung?“ Damit stellt es insbesondere
vorhandenen Wissen und den sich daraus erge- eine geeignete Grundlage für entsprechende
benden unternehmerischen Gelegenheiten be-
einflusst wird. Dies beinhaltet letztendlich die 1
Diese Entscheidungsabfolge ist im Rahmen der so-
Frage, inwiefern die Schaffung unternehme- genannten PSED-Studien (Panel Study of Entrepre-
rischer Gelegenheiten (etwa durch Förderung neurial Dynamics) für eine Reihe von Ländern einge-
von F&E-Aktivitäten) einen relevanten Ansatz- hend empirisch untersucht worden.
Weiterführende Literatur
49 4
Maßnahmen der Wirtschaftspolitik dar. Die in differenzierten Überblick über die wesentli-
den folgenden Kapiteln präsentierten empiri- chen Ansätze, wie etwa die Modelle von Lucas
schen Befunde zu Merkmalen von Gründern (1978), von Holmes und Schmitz (1990) sowie
und Gründungen sowie zu Einflüssen des re- von Kihlstrom und Laffont (1979). Zu einem
gionalen und sektoralen Umfeldes zeigen An- Überblick über PSED-Studien siehe Davidsson
satzpunkte für wesentliche Weiterentwicklun- und Gordon (2012).
gen des Modells des Occupational Choice auf.

Weiterführende Literatur
4.5 Wesentliche Begriffe zu
Davidsson, Per und Scott R. Gordon (2012): Panel stu-
Kapitel 4 dies of new venture creation: a methods-focused
review and suggestions for future research. Small
Business Economics, 39, 853–876. https://doi.org/10.
4 Abhängige Beschäftigung
1007/s11187-011-9325-8
4 Arbeitslosigkeit Holmes, Thomas und James A. Schmitz (1990): A Theory
4 Einkommen of Entrepreneurship and Its Application to the Study
4 Gewinn of Business Transfers. Journal of Political Economy, 98,
4 Institutionelle Rahmenbedingungen 265–294. https://doi.org/10.1086/261678
Kant, Immanuel (1781/2004): Kritik der reinen Vernunft. Ri-
4 Nicht-pekuniäre Faktoren
ga 1781: Hartknoch / Frankfurt am Main 2004: Suhr-
4 Peer-Effekte kamp.
4 Occupational Choice Kihlstrom, Richard E. und Jean-Jaques Laffont (1979): A
4 Persönliche Charakteristika General Equilibrium Entrepreneurial Theory of Firm
4 Risikoneigung Formation Based on Risk Aversion. Journal of Politi-
cal Economy, 87, 719–748. https://doi.org/10.1086/
4 Selbstverwirklichung
260790
4 Unsicherheit Knight, Frank H. (1921): Risk, Uncertainty and Profit. New
4 Unternehmerische Fähigkeiten York: Houghton Mifflin.
4 Unternehmerische Selbstständigkeit Lewin, Kurt (1951): Problems of Research in Social Psy-
chology. In D. Cartwright (Ed.): Field Theory in Social
Science; Selected Theoretical Papers, New York: Harper
& Row.
Literaturhinweise Lucas, Robert E. (1978): On the Size Distribution of Busi-
ness Firms. Bell Journal of Economics, 9, 508–523.
Als ein früher Vertreter der Sicht der Erwerbs- https://doi.org/10.2307/3003596
Parker, Simon (2007): Entrepreneurship as Occupational
form als ein Ergebnis einer freiwilligen Wahl- Choice. In Maria Minniti (ed.), Entrepreneurship: The
handlung gilt der Arbeitsmarktökonom Frank Engine of Growth. Vol. 1, Westport (Conn.): Praeger,
Knight (1921). Die Darstellung des Grundmo- 81–100.
dells des Occupational Choice orientiert sich Parker, Simon (2018): The Economics of Entrepreneurship.
an Parker (2007). Parker (2018) gibt einen 2nd ed., Cambridge: Cambridge University Press.
https://doi.org/10.1017/9781316756706
51 5

Unternehmerische
Fähigkeiten von Gründern

5.1 Was sind unternehmerische Fähigkeiten? – 52

5.2 Gründungen und Qualifikation des Gründers – 53


5.2.1 Qualifikationsniveau – 53
5.2.2 Die Struktur der Qualifikationen (Skill Balance) – 54

5.3 Die unternehmerische Persönlichkeit: Für eine Gründung


förderliche Persönlichkeitsmerkmale – 55

5.4 Wie entstehen unternehmerische Fähigkeiten? – 57


5.4.1 Der Transfer der Gründungsneigung zwischen den
Generationen – 57
5.4.2 Genetische Faktoren, Erziehung und Familie – 58
5.4.3 Ausbildung und Beruf – 59
5.4.4 Gesellschaftliches Umfeld – 60

5.5 Was fördert und prägt das Erkennen unternehmerischer


Gelegenheiten? – 62

5.6 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse – 62

5.7 Wesentliche Begriffe zu Kapitel 5 – 63

Literaturhinweise – 63

Weiterführende Literatur – 64

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


M. Fritsch, Entrepreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57984-8_5
52 Kapitel 5  Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern

Wesentliche Fragestellungen keiten), wie etwa die Risikoneigung. Die unter-


nehmerischen Fähigkeiten ergeben sich dann
4 Was sind unternehmerische Fähigkeiten? Wel- aus dem Zusammenspiel dieser beiden Kom-
che Komponenten der unternehmerischen Fä- ponenten. 7 Abschn. 5.2 behandelt die für eine
higkeiten lassen sich unterscheiden? erfolgreiche Gründung erforderlichen Qualifi-
4 Welche Arten von Qualifikationen sind für die kationen und 7 Abschn. 5.3 stellt die für eine
unternehmerischen Fähigkeiten wichtig? unternehmerische Tätigkeit förderlichen Per-
4 Gibt es unternehmerische Persönlichkeits- sönlichkeitsmerkmale vor. 7 Abschn. 5.4 geht
merkmale? der Frage nach, wie die Herausbildung von
4 Wie kommen unternehmerische Fähigkeiten unternehmerischen Fähigkeiten erklärt werden
5 zustande? Welchen Einfluss haben genetische kann. Dabei werden insbesondere Einflüsse
Vererbung, Sozialisation, Ausbildung und Be- von Veranlagung, Erziehung und Sozialisation
rufserfahrung auf die unternehmerischen Fä- auf die Gründungsneigung beleuchtet. Schließ-
higkeiten? lich wird gefragt, welche Faktoren das Erken-
4 Inwiefern werden die unternehmerischen Fä- nen und Ergreifen von unternehmerischen Ge-
higkeiten durch das persönliche Umfeld ge- legenheiten (Opportunity Recognition) beein-
prägt? flussen (7 Abschn. 5.5). 7 Abschn. 5.6 fasst die
wesentlichen Ergebnisse dieses Kapitels zusam-
men.
Im Modell des Occupational Choice (siehe
7 Kap. 4) kommt den unternehmerischen Fä-
higkeiten einer Person die Schlüsselrolle für die 5.1 Was sind unternehmerische
Wahl der Erwerbsform zu. In diesem Kapitel Fähigkeiten?
wird erläutert, worin unternehmerische Fähig-
keiten bestehen und welche Faktoren zu ihrer
Entwicklung beitragen. Dabei wird Entrepre- Es lassen sich zwei wesentliche Komponen-
neurship als Prozess aufgefasst. Diese dyna- ten der unternehmerischen Fähigkeiten unter-
mische Sichtweise berücksichtigt die Tatsache, scheiden, nämlich Qualifikationen und Persön-
dass die Fähigkeit und die Bereitschaft zu un- lichkeitsmerkmale (siehe . Abb. 5.1). Qualifi-
ternehmerischer Selbstständigkeit in der Regel kation umfasst das erlernte Wissen und die
nicht plötzlich von heute auf morgen entste- erlernten Fertigkeiten, was häufig auch als kog-
hen. Vielmehr entwickeln sie sich über längere nitive Fähigkeiten bezeichnet wird. Die Persön-
Zeiträume auf der Grundlage von Veranlagun- lichkeitsmerkmale bzw. die nicht-kognitiven
gen, Ausbildung, Erfahrungen sowie gegebe- Fähigkeiten – zum Beispiel Extraversion, Ge-
nenfalls auch angesichts von aufkommenden wissenhaftigkeit und Risikoneigung – haben
Notwendigkeiten, wie etwa dem Fehlen einer
alternativen Erwerbsmöglichkeit.
Im Folgenden wird zunächst der Begriff der
Persönlichkeits-
unternehmerischen Fähigkeiten näher erläu-
merkmale
tert (7 Abschn. 5.1). Dabei lassen sich zwei we-
sentliche Komponenten unterscheiden. Zum Unternehmerische
einen handelt es sich dabei um die Qualifi- Fähigkeiten
kationen einer Person im Sinne von Wissen
und erlernten Fertigkeiten (kognitiven Fähig- Qualifikationen
keiten), die während der Erziehung, der Ausbil-
dung und der praktischen Tätigkeit erworben
werden. Zum anderen sind es bestimmte Per- . Abb. 5.1 Persönlichkeit und Qualifikationen als
sönlichkeitsmerkmale (nicht-kognitive Fähig- Determinanten unternehmerischer Fähigkeiten
5.2  Gründungen und Qualifikation des Gründers
53 5
einen wesentlichen Einfluss auf die Interessen,sammen hängen, dass höher qualifizierte Per-
die jemand entwickelt, wie zum Beispiel Natur-sonen ihre unternehmerischen Fähigkeiten hö-
wissenschaften, Wirtschaft und Management, her einschätzen als geringer qualifizierte. Dabei
künstlerische Tätigkeit etc. Diese Interessen ha-
wäre dann zu fragen, ob diese Selbsteinschät-
ben Auswirkungen auf das, was die betreffen- zung sachlich gerechtfertigt ist und, falls ja,
de Person lernen will bzw. als Qualifikation welche Teilqualifikationen hier besonders rele-
nachfragt. Darüber hinaus haben die Persön- vant sind.
lichkeitsmerkmale einen Einfluss darauf, auf Eine weitere Erklärung könnte sein, dass
welche Weise sich jemand eine bestimmte Qua- relativ hoch qualifizierte Personen in der Re-
lifikation aneignet und wieviel Aufwand hier- gel auch ein vergleichsweise hohes Einkom-
für erforderlich ist. Schließlich können sich die
men in abhängiger Beschäftigung beziehen und
Persönlichkeitsmerkmale auch darauf auswir- daher gute Möglichkeiten zur Vermögensbil-
ken, wie die erworbenen Qualifikationen ein- dung haben, was ihnen die Finanzierung ei-
gesetzt werden, also zum Beispiel, welchen Be-nes Gründungsprojektes erleichtert. Allerdings
ruf jemand ergreift und/oder welche Erwerbs- kann sich ein relativ hohes Einkommen in ab-
form die Person wählt. Sind bestimmte unter- hängiger Beschäftigung auch als Gründungs-
nehmerische Persönlichkeitsmerkmale wie et- hemmnis erweisen, weil es das relativ sichere
wa Risikotragfähigkeit und Extraversion relativ
Einkommen darstellt, das ein Gründer mit dem
schwach ausgeprägt, dann verringert dies die Schritt in die Selbstständigkeit aufgibt (Op-
Wahrscheinlichkeit dafür, dass jemand ein Un- portunitätskosten). Die faktisch relativ hohe
ternehmen gründet und die erworbenen Quali- Gründungsneigung von höher Qualifizierten
fikationen im Rahmen unternehmerisch selbst- bedeutet, dass diese hohen Opportunitätskos-
ständiger Tätigkeit nutzt. ten durch andere Faktoren überkompensiert
Während sich die Qualifikation einer Per- werden, die positiv auf die Gründungsentschei-
son durch den Lernprozess verändert, sind dung wirken.
die Persönlichkeitsmerkmale – zumindest ab Der höchste erreichte Ausbildungsab-
einem bestimmten Lebensalter – weitgehend schluss stellt allerdings ein recht unvoll-
konstant. Die unternehmerischen Fähigkeiten kommenes Maß für die qualifikatorische
ergeben sich aus dem Zusammenspiel dieser Komponente der unternehmerischen Fähigkei-
beiden Komponenten. ten dar. Denn erfolgreiches Unternehmertum
erfordert in der Regel über einen bestimmten
Ausbildungsabschluss hinaus auch praktische
5.2 Gründungen und Qualifikation Erfahrungen in einem bestimmten Beruf bzw.
des Gründers Branchenumfeld. Dabei dürfte der richtige
Mix von Qualifikationen wesentlich von den
5.2.1 Qualifikationsniveau Charakteristika der betreffenden Branche ab-
hängen.
Die Gründung und das erfolgreiche Führen Ein deutlicher Hinweis auf die Bedeutung
eines Unternehmens sind anspruchsvolle Tä- von Qualifikationen jenseits formaler Ausbil-
tigkeiten, die ein hohes Maß an Qualifikation dungsabschlüsse kann in der Beobachtung ge-
erfordern. Misst man das Qualifikationsniveau
mit dem höchsten erreichten Ausbildungsab- eher ein u-förmiger Zusammenhang zwischen Grün-
schluss, so zeigt sich in der Regel, dass der dungsneigung und dem Niveau der formalen Qua-
lifikation zu verzeichnen, d. h. die Gründungsnei-
Anteil der Selbstständigen mit dem Qualifika-
gung ist sowohl für Personen mit relativ geringem
tionsniveau ansteigt.1 Dies könnte damit zu- Qualifikationsniveau als auch für Personen mit ho-
hen Ausbildungsabschlüssen relativ hoch. Für einen
1
So der Befund für Deutschland (hierzu Fritsch, Kriti- Überblick über diesen Zusammenhang in anderen
kos und Rusakova2012). Für einige andere Länder ist Ländern siehe Poschke (2013).
54 Kapitel 5  Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern

sehen werden, dass viele Unternehmensgrün- 4 Nahrungsmittel in geeigneter Qualität und zu einem
der vor dem Schritt in die Selbstständigkeit günstigen Preis zu beschaffen,
in Kleinunternehmen tätig waren. Die beson- 4 die Buchhaltung im Griff zu haben,
4 Märkte und Konkurrenten zu analysieren,
dere Gründungsneigung von Beschäftigten in 4 eine Speisekarte aufzustellen und Gäste für das Re-
Kleinunternehmen wird unter anderem damit staurant zu gewinnen.
erklärt, dass diese Personen relativ häufigen
direkten Kontakt mit dem Unternehmer als Er kann für bestimmte Aufgaben zwar jeweils Spezia-
listen engagieren, an die er diese Aufgaben delegiert; die
Rollenmodell haben, was es ihnen ermöglicht,
Aufgabe der Auswahl und der Führung dieser Spezialis-
unternehmerische Qualifikationen durch An- ten verbleibt aber in jedem Fall bei ihm.
schauung zu erwerben. Zum anderen wird die
5 relativ hohe Gründungsneigung von Beschäf- Analog ist die Lage bei der Gründung eines innovativen
tigten in Kleinunternehmen auf die besondere Unternehmens durch einen Ingenieur. Grundproblem ist
hier häufig das Fehlen kaufmännischer Kenntnisse (et-
Vielfalt der Tätigkeitsbereiche bzw. den gerin-
wa in den Bereichen Kostenrechnung und Marketing),
gen Spezialisierungsgrad der Arbeit zurückge- die für den Unternehmenserfolg unerlässlich sind. Ei-
führt (ausführlicher hierzu 7 Abschn. 6.3.2). Die ne Lösung für dieses Qualifikationsdefizit könnte in der
Bedeutung der Qualifikationsvielfalt wird mit Bildung eines Gründungsteams bestehen, in dem die
der Hypothese der Balanced Skills herausgear- wesentlichen Kenntnisse vertreten sind, also etwa eine
gemeinsame Gründung eines Kaufmanns und eines In-
beitet, die nachfolgend behandelt wird.
genieurs. Ein anderer Weg ist das Wahrnehmen von kom-
binierten Ausbildungsgängen, wie etwa das Studium
des Wirtschaftsingenieurwesens, die sowohl technisch-
naturwissenschaftliches Wissen als auch kaufmännische
5.2.2 Die Struktur der Kenntnisse vermitteln.
Qualifikationen (Skill
Formal lässt sich die Jack of all Trades-Hy-
Balance)
pothese wie folgt in einem einfachen Produk-
tionsmodell darstellen. Dabei bezeichnen X1
Edward Lazear (2004, 2005) hat in seiner Theo- und X2 spezifische Qualifikationen, also z. B.
rie der Balanced Skills die Qualifikationsan- ingenieurwissenschaftliches und kaufmänni-
forderungen an einen erfolgreichen Unterneh- sches Wissen. Als Angestellte in einem Un-
mer im Vergleich zu den Anforderungen an ternehmen, insbesondere in einem Großun-
einen abhängig Beschäftigten herausgearbei- ternehmen, das typischerweise durch ein ho-
tet. Dabei lautet die Kernaussage dieses An- hes Maß an Arbeitsteilung gekennzeichnet ist,
satzes, dass eine erfolgreiche Gründung viel- werden die Beschäftigten gemäß ihrer Spezi-
fältige Qualifikationen erfordert, während in alkenntnisse entlohnt. Das Einkommen eines
abhängiger Beschäftigung eher Spezialkennt- Spezialisten ergibt sich dann entsprechend der
nisse gefragt sind. Entsprechend dieser Jack am stärksten ausgeprägten Qualifikation, also
of all Trades („Hansdampf in allen Gassen“)- auf der Grundlage von X1 oder X2 , d. h.
Hypothese sollten Gründer also Generalisten
sein, die über eine Vielzahl unterschiedlicher Einkommen des
Qualifikationen verfügen. Man bezeichnet die D max ŒX1 ; X2  :
Spezialisten
Struktur der Qualifikationen auch als Skill Ba-
lance.
Das Einkommen eines Gründers bzw. Selbst-
ständigen wird hingegen durch den am
Will ein Koch ein eigenes Restaurant eröffnen, so reicht es schwächsten ausgeprägten Faktor begrenzt,
für den Erfolg seines Projektes nicht aus, dass er gut ko- also
chen kann. Darüber hinaus muss er auch dazu fähig sein,
4 die entsprechenden Ressourcen (Kapital und even-
tuell Fördermittel) zu mobilisieren, Einkommen des
4 geeignetes Personal zu finden und zu führen,
D  min ŒX1 ; X2  ;
Entrepreneurs
5.3  Für eine Gründung förderliche Persönlichkeitsmerkmale
55 5
wobei der Faktor  für den Marktwert der un- ausgeprägt sind. Im Unterschied zu Qualifi-
ternehmerischen Fähigkeiten steht. Der Koch kationen, die sich durch Lernprozesse verän-
oder der Ingenieur kann also nur dann als Un- dern, ist die Struktur der Persönlichkeitsmerk-
ternehmer erfolgreich sein, wenn er auch über male ab einem bestimmten Lebensalter relativ
die entsprechenden kaufmännischen Kennt- stabil. Allgemein werden folgende Persönlich-
nisse verfügt. Ebenso muss der Kaufmann über keitsmerkmale als förderlich für eine erfolgrei-
weitere Fachkenntnisse verfügen, um ein Re- che Unternehmensgründung angesehen:
staurant oder ein technologieorientiertes Un- 4 Fähigkeit zum Tragen von Risiko,
ternehmen erfolgreich führen zu können. Oh- 4 Kreativität,
ne die passende Kombination von Kenntnissen 4 Selbstvertrauen,
besteht eine sehr hohe Gefahr des Scheiterns. 4 pro-aktive Handlungsbereitschaft,
Entsprechend diesem einfachen Modell, wä- 4 interne Kontrollüberzeugung,
re die Gründung eines eigenen Unternehmens 4 Eigenverantwortlichkeit,
dann rational, wenn das erwartete Einkom- 4 Leistungsmotivstärke,
men aus unternehmerischer Selbstständigkeit 4 Stresstoleranz.
das erwartete Einkommen aus abhängiger Be-
schäftigung übersteigt, also wenn
Zur Abbildung der Persönlichkeitsstruktur ei-
 min ŒX1 ; X2  > max ŒX1 ; X2  : nes Menschen wurde das Konzept Big Five
entwickelt. Diesem Ansatz liegt die Annahme
Empirische Untersuchungen weisen tatsächlich zugrunde, dass sich die Grundstruktur der Per-
auf einen positiven Zusammenhang zwischen sönlichkeit eines Menschen mit fünf Merkma-
der Vielfalt an Qualifikationen einer Person len hinreichend erfassen lässt. Hierbei handelt
und ihrer Gründungsneigung hin. Dabei ist na- es sich um:
türlich von wesentlicher Bedeutung, dass die 4 Offenheit für Erfahrungen,
relevanten Qualifikationen bzw. Erfahrungs- 4 Extraversion (Außenorientierung),
felder zueinander passen. Beispielsweise kann 4 Gewissenhaftigkeit,
man davon ausgehen, dass technische Fähigkei- 4 Neurotizismus (geringe Belastbarkeit, emo-
ten und kaufmännisches Wissen häufig in einer tionale Labilität) sowie
Weise zueinander komplementär sind, die ei- 4 Verträglichkeit im Sinne von geringer Kon-
ne Gründung bzw. den Erfolg in unternehme- fliktbereitschaft.
rischer Selbstständigkeit begünstigen. Demge-
genüber wäre beispielsweise die Kombination
Empirische Untersuchungen weisen darauf
von technischen Kenntnissen mit einer Aus-
hin, dass sich die ersten drei dieser Big
bildung zum Konzertpianisten wohl nur für
Five-Dimensionen, nämlich Offenheit für
sehr eng begrenzte Geschäftsbereiche als kom-
Erfahrungen, Extraversion und Gewissenshaf-
plementär für erfolgreiche unternehmerische
tigkeit, positiv auf die Gründungsneigung einer
Selbstständigkeit einzustufen.
Person auswirken. Demgegenüber scheinen
Neurotizismus und geringe Konfliktbereit-
5.3 Die unternehmerische schaft eher einen negativen Einfluss auf die
Gründungsneigung zu haben. Allerdings ist
Persönlichkeit: Für eine
die Stärke des Einflusses der Persönlichkeits-
Gründung förderliche merkmale auf die Entscheidung für oder
Persönlichkeitsmerkmale gegen unternehmerische Selbstständigkeit
im Vergleich zu anderen Einflussfaktoren
Die psychologische Forschung hat gezeigt, dass vergleichsweise gering. Es gibt auch Hinwei-
bestimmte Persönlichkeitsmerkmale bei unter- se darauf, dass der Einfluss von einzelnen
nehmerisch tätigen Personen besonders stark Persönlichkeitsmerkmalen auf die Gründungs-
56 Kapitel 5  Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern

entscheidung anders ausfällt als der Einfluss Die verschiedenen Typen von Risikopräferenzen las-
auf den Unternehmenserfolg. sen sich anhand von . Abb. 5.2 veranschaulichen. Die
Kurven stellen den Nutzen dar, den jemand aus einer
Diese Zusammenhänge zwischen den Big Five Persön- Investition zieht, mit der er zusätzliches Einkommen
lichkeitsmerkmalen und erfolgreichem Unternehmer- erzielen kann, wobei Unsicherheit über die Höhe des
tum lassen sich wie folgt plausibilisieren: Offenheit für hieraus tatsächlich fließenden Einkommens besteht; im
Erfahrungen begünstigt den Entschluss, die Option der schlimmsten Fall ist der Einsatz verloren. Risikoscheue
unternehmerischen Selbstständigkeit in die Tat umzu- Personen stellen diese Unsicherheit in Rechnung, indem
setzen. Außenorientierung ist für die Vermarktung erfor- sie beispielsweise einen Erwartungswert bilden und da-
derlich. Gewissenhaftigkeit begünstigt das rechtzeitige bei den im Erfolgsfall zu erwartenden Ertrag mit der Ein-
Abarbeiten der zu bewältigenden Aufgaben. Weiterhin trittswahrscheinlichkeit (0  Eintrittswahrscheinlichkeit
erfordert das erfolgreiche Führen eines Unternehmens  1) multiplizieren. Dabei nimmt der Nutzen, der einem
5 emotionale Stabilität (geringes Maß an Neurotizismus) Einkommenszuwachs beigemessen wird, mit ansteigen-
dem Einkommensniveau ab, so dass die entsprechende
sowie Konfliktfähigkeit (niedriges Maß an Verträglich-
keit). Kurve – wie in . Abb. 5.2 dargestellt – immer flacher ver-
läuft. Risikoneutrale Personen ignorieren die Unsicher-
heit der Investition; für sie ist Einkommen gleich Nutzen.
Da der Erfolg einer Unternehmensgründung Personen, die aus der Unsicherheit einen Nutzen ziehen,
mit einem hohen Maß an Unsicherheit verbun- der das möglicherweise zu erzielende Einkommen über-
den ist, erweist sich für die Gründungsneigung steigt, werden als risikoliebend klassifiziert.
auch die Fähigkeit zum Tragen von Risiken
als bedeutend. Personen mit geringer Risiko- In der Literatur ist umstritten, inwiefern die Risikonei-
tragfähigkeit bzw. mit einem hohen Bedürfnis gung ein separates sechstes Persönlichkeitsmerkmal ne-
ben den Big Five darstellt oder ob sie sich als ein Resultat
nach Sicherheit werden die Gründung eines ei- aus diesen Big Five-Charakteristika ergibt. Empirisch be-
genen Unternehmens bzw. unternehmerische steht jedenfalls zwischen den Big Five-Merkmalen und
Selbstständigkeit also eher vermeiden. Um ei- Maßen für die Risikoneigung einer Person ein statistisch
nem möglichen Missverständnis vorzubeugen: signifikanter Zusammenhang, so dass sich die Risikonei-
Wenn hier von der Erfordernis eines gewissen gung einer Person zu einem erheblichen Teil mit den Big
Five erklären ließe bzw. die Big Five auf die Risikoneigung
Maßes an Risikotragfähigkeit für eine Unter- zurückgeführt werden können. Auf jeden Fall leistet die
nehmensgründung die Rede ist, dann geht es Risikoneigung – zusätzlich zu den Big Five – einen sehr
dabei nicht etwa darum, das Risiko gewisser- deutlichen Erklärungsbeitrag zu der Entscheidung für
maßen zu suchen. Empirische Untersuchungen oder gegen unternehmerische Selbstständigkeit.
zeigen klar, dass Unternehmer in aller Regel
keine Spielernaturen oder Hasardeure sind.2 Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt,
Wie fast alle Menschen sind sie eher vorsichtig dass Gründer dazu tendieren, die Erfolgsaus-
und risikoscheu; allerdings sind sie tendenziell sichten einer Gründung zu hoch einzuschät-
weniger risikoscheu als abhängig Beschäftigte zen. Dabei kann es zum einen sein, dass sie
und eher dazu bereit, kalkulierbare Risiken auf zum Überoptimismus neigen und generell die
sich zu nehmen. Wahrscheinlichkeit für ein Scheitern als unrea-
listisch niedrig einstufen. Zum anderen kann
Menschen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Um- es sein, dass sie sich zwar der allgemeinen
gangs mit Unsicherheit. Dabei bezeichnet Unsicherheit
Wahrscheinlichkeit für ein Scheitern durch-
einen Zustand, in dem das Eintreten eines bestimmten
Ereignisses nicht exakt vorausgesagt werden kann. aus bewusst sind, sie aber ihre eigenen Fähig-
keiten überschätzen und glauben, dass gerade
2
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die Risikoprä- sie nicht scheitern werden (Überzuversicht).
ferenzen von Menschen empirisch zu erfassen. Hin- Basierend auf der Annahme, dass Gründun-
weise hierauf liefern etwa der persönliche Fahrstil gen wachstumsfördernde Effekte haben (siehe
oder das Betreiben risikoreicher Sportarten. Bewährt hierzu 7 Kap. 11), kann man dieser Überschät-
hat sich in dieser Hinsicht auch die Frage danach,
welchen Anteil eines bestimmten Betrages jemand
zung der eigenen Erfolgsaussichten durchaus
bei vorgegebener Gewinnwahrscheinlichkeit in ei- eine gesellschaftspolitisch positive Wirkung zu-
ner Lotterie einsetzen würde. sprechen, denn würden alle Gründer ihre Er-
5.4  Wie entstehen unternehmerische Fähigkeiten?
57 5

Nutzen
risikoscheu

risikoneutral

risikoliebend

Einkommen

. Abb. 5.2 Typen von Risikopräferenzen

folgschancen vollkommen realistisch einschät- auf die Persönlichkeitsentwicklung und den Er-
zen, so wäre die Anzahl der Gründungen wahr- werb unternehmerischer Qualifikationen iden-
scheinlich deutlich geringer als sie tatsächlich tifiziert werden.
ist.

5.4.1 Der Transfer der


5.4 Wie entstehen Gründungsneigung zwischen
unternehmerische den Generationen
Fähigkeiten?
Empirische Untersuchungen ergeben regelmä-
Die Frage nach dem Zustandekommen unter- ßig, dass Personen, bei denen mindestens ein
nehmerischer Fähigkeiten bzw. nach den rele- Elternteil unternehmerisch tätig war, eine rela-
vanten Einflussfaktoren wurde besonders in- tiv hohe Neigung zu unternehmerischer Selbst-
tensiv anhand der Übertragung der Neigung zu ständigkeit aufweisen. Dieser positive Zusam-
unternehmerischer Selbstständigkeit zwischen menhang ist umso stärker, je länger die un-
den Generationen, also von den Eltern auf ihre ternehmerischen Tätigkeit der Eltern andauer-
Nachkommen, diskutiert. 7 Abschn. 5.4.1 fasst te und je größer der Unternehmenserfolg war.
die empirischen Befunde hierzu zusammen. Am stärksten ist der Zusammenhang dann aus-
Daran anknüpfend behandelt 7 Abschn. 5.4.2 geprägt, wenn beide Elternteile als Unterneh-
den Einfluss von genetischen Faktoren und der mer tätig waren. War nur ein Elternteil un-
Erziehung in der Familie. 7 Abschn. 5.4.3 be- ternehmerisch selbstständig, so ist die Grün-
schreibt die Bedeutung von Ausbildung und dungsneigung dann höher, wenn es sich dabei
beruflichem Umfeld und in 7 Abschn. 5.4.4 wird um den Vater handelt. Darüber hinaus wurde
dann auf den Effekt des gesellschaftlichen Um- in einigen Untersuchungen auch ein positiver
feldes eingegangen. Wie sich zeigt, können ei- Zusammenhang mit einer unternehmerischen
ne ganze Reihe von Einflüssen des Umfelds Tätigkeit der Großeltern aufgezeigt, unabhän-
58 Kapitel 5  Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern

gig davon, ob auch die Eltern als Unternehmer einen positiven Effekt, allerdings sind viele
tätig waren. Unternehmer nicht wesentlich wohlhabender
Eine mögliche Erklärung für eine Über- als abhängig Beschäftigte (ausführlich hierzu
tragung von Entrepreneurship zwischen Ge- 7 Abschn. 10.1), so dass dieser Einfluss eben-
nerationen bestünde in der Vererbung even- falls nur relativ schwach ausgeprägt ist. Folg-
tuell relevanter genetischer Faktoren, also ei- lich muss der dominierende Effekt von den
nes „Unternehmer-Gens“. Neben einer solchen drei erstgenannten Faktoren ausgehen, also der
Vererbung (hierzu 7 Abschn. 5.4.3) lassen sich Übertragung von Persönlichkeitsmerkmalen
fünf weitere mögliche Wege unterscheiden, auf und/oder der Vermittlung von unternehmeri-
denen ein Transfer der Neigung zu unterneh- schen Qualifikationen über das Vorbild unter-
5 merischer Selbstständigkeit zwischen Genera- nehmerischer Selbstständigkeit (Peer-Effekt).
tionen stattfinden kann. Im Einzelnen handelt
es sich dabei um:
4 die Übertragung von entrepreneurship-
5.4.2 Genetische Faktoren,
relevanten Persönlichkeitsmerkmalen, wie
etwa dem Streben nach Autonomie und der Erziehung und Familie
Fähigkeit zum Tragen von Risiko, von den
Eltern auf ihre Nachkommen im Rahmen Es gibt unterschiedliche Ansichten dazu, inwie-
der Erziehung. weit eine unternehmerische Persönlichkeit auf
4 den Erwerb allgemeiner Geschäfts- und genetischer Veranlagung und somit auf Ver-
Management-Qualifikationen durch die erbung beruht. Die Identifikation eines sol-
Nähe zu einem Unternehmer (Peer-Effekt). chen genetischen Einflusses auf die Entwick-
Dieser „Peer“-Effekt wird in der Regel lung einer unternehmerischen Persönlichkeit
darauf zurückgeführt, dass die reale An- ist unter anderem deshalb schwierig, weil da-
schauung unternehmerischer Tätigkeit in zu der Einfluss der Vererbung vom Einfluss der
den Nachkommen den Wunsch oder sogar Erziehung im Elternhaus sowie von Einflüs-
die Fähigkeit zu Unternehmertum fördert –sen des sozialen Umfelds isoliert werden muss.
und nicht etwa abschreckend wirkt! Bisherige Untersuchungen haben beispielswei-
4 den Erwerb von branchen- oder unterneh- se versucht, den Effekt genetischer Vererbung
mensspezifischen Kenntnissen und Erfah- auf die Gründungsneigung dadurch nachzu-
rungen durch die Nachkommen, eventuell weisen, dass man die Karriereverläufe eineii-
verbunden mit einem relativ leichten Zu- ger Zwillinge verfolgt hat, die kurz nach der
gang zu relevanten Netzwerken. Geburt in verschiedenen Familien aufgewach-
4 die Unternehmensnachfolge, also die Wei- sen sind. Dabei ergab sich ein positiver Ef-
terführung eines elterlichen Familienunter-
fekt von unternehmerischer Selbstständigkeit
nehmens durch die Nachkommen. der Adoptiveltern auf die spätere Gründungs-
4 die Bereitstellung günstiger Finanzie- neigung der Kinder, was angesichts der glei-
rungsmöglichkeiten für eine Unter- chen genetischen Ausstattung der Kinder auf
nehmensgründung durch wohlhabende einen deutlichen Einfluss der Erziehung hin-
unternehmerisch tätige Eltern. weist. Der Zusammenhang zwischen unterneh-
merischer Selbstständigkeit der leiblichen El-
In entsprechenden Untersuchungen zeigt sich, tern und der Gründungsneigung der in Adop-
dass der Transfer von Unternehmertum zwi- tivfamilien aufgewachsenen Kinder war hinge-
schen Generationen nur unwesentlich auf der gen wesentlich schwächer ausgeprägt (hierzu
Weitergabe eines Familienunternehmens an die Lindquist, Son und van Praag 2015).
nachfolgende Generation beruht. Die Höhe Untersuchungen zur Bedeutung des Erzie-
des Vermögens der Eltern hat zwar ebenfalls hungsstils der Eltern weisen darauf hin, dass
5.4  Wie entstehen unternehmerische Fähigkeiten?
59 5
sich eine unterstützende und anregungsreiche hinsichtlich der Entscheidung für ein bestimm-
Erziehung, die einerseits klare Grenzen auf- tes Vertiefungsfach in der Schule, die Wahl der
zeigt, andererseits aber auch viele Entwick- Fachrichtung eines Hochschulstudiums und/
lungsoptionen bietet, über verschiedene Zwi- oder die Entscheidung für eine bestimmte Be-
schenstationen letztendlich positiv auf die Her- rufsausbildung. Es ist auf vielfache Weise ge-
ausbildung einer unternehmerischen Persön- zeigt worden, dass solche Wahlentscheidun-
lichkeit auswirken kann. Wichtig ist dabei of- gen durch die Persönlichkeitsmerkmale ge-
fensichtlich, dass den Kindern und Jugend- prägt sind. Ein besonders wichtiger Meilenstein
lichen wesentliche Autonomiespielräume in- in der Karriere einer Person ist die Berufs-
nerhalb klarer Regeln eingeräumt werden. Ein wahl. Da bestimmte Berufsfelder durch mehr
solcher Erziehungsstil kann dazu beitragen, oder weniger häufige Gelegenheiten für unter-
Selbstvertrauen, Selbstständigkeit, Führungs- nehmerische Selbstständigkeit gekennzeichnet
stärke und ein Gefühl der Kontrolle zu entwi- sind, stellt die Wahl eines bestimmten Berufes
ckeln, was sich dann bereits in früher Kind- offenbar bereits eine gewisse Vorentscheidung
heit und Jugend in entsprechendem Verhalten, für oder gegen spätere unternehmerische Tätig-
wie z. B. der Übernahme von Führungsrollen keit dar.
in Schule und Freundeskreis niederschlagen Solche Unterschiede in den Gelegenheiten
kann. Weiterhin wurde festgestellt, dass spätere zu unternehmerischer Selbstständigkeit zwi-
Unternehmer in ihrer Jungend relativ häufig zu schen den Berufsfeldern schlagen sich etwa im
leichten Regelverstößen3 neigen, sich also et- Anteil der Selbstständigen in einem bestimm-
was weniger angepasst verhalten als Personen, ten Beruf nieder. So weisen beispielswiese Inge-
die als Erwachsene dann als abhängig Beschäf- nieure, Mediziner, Künstler, Landwirte und die
tigte tätig sind. freien Berufe relativ hohe Selbstständigenquo-
ten auf, während unternehmerische Selbststän-
digkeit bei Personen mit vorwiegend un- und
5.4.3 Ausbildung und Beruf angelernten Tätigkeiten, etwa in Bearbeitungs-
berufen oder in Sicherheitsberufen, relativ ge-
ring ausfällt. Auch in Sozialberufen ist der An-
Neben Elternhaus und Erziehung kann die
teil der unternehmerisch selbstständigen Per-
Ausbildung in Schule und Hochschule sowie
sonen nur unterdurchschnittlich hoch. Und:
die Berufserfahrung eine wesentliche Bedeu-
Wer die Sicherheit des öffentlichen Dienstes an-
tung auf die Herausbildung von unternehmeri-
strebt, der weist in der Regel nur eine geringe
schen Fähigkeiten und damit auch auf die Nei-
Wahrscheinlichkeit dafür auf, irgendwann ein-
gung zu unternehmerischer Selbstständigkeit
mal ein eigenes Unternehmen zu gründen.
haben. Dabei geht es neben der Vermittlung
Solche berufsspezifischen Unterschiede im
von bestimmten Qualifikationen insbesondere
Anteil der Selbstständigen können auf eine Rei-
auch um die Stimulierung bestimmter Persön-
he unterschiedlicher Ursachen zurückzuführen
lichkeitsmerkmale wie beispielsweise die Nei-
sein. Mögliche Gründe sind etwa das Maß an
gung zu Eigeninitiative und Eigenverantwort-
berufsspezifischer Arbeitsplatzsicherheit, be-
lichkeit, zu Selbstkontrolle sowie den Mut und
rufsspezifische Regulierungen (z. B. Vorausset-
die Fähigkeit zur Umsetzung eigener Ideen.
zung der Meisterprüfung für die Eröffnung
Im Verlauf von Ausbildung und Karriere er-
eines Handwerkbetriebes), Unterschiede zwi-
geben sich vielfache Wahlmöglichkeiten, sei es
schen den in Selbstständigkeit und in abhängi-
3
ger Beschäftigung erzielbaren Einkommen so-
Unter leichten Regelverstößen sind kleinere Verge-
hen deutlich unterhalb der Schwelle einer kriminel-
wie das berufsspezifische Qualifikationsprofil,
len Handlung zu verstehen. Hierzu Obschonka et al. das sich während der praktischen Berufstä-
(2013). tigkeit entwickelt. Weiterhin können die Exis-
60 Kapitel 5  Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern

tenz standardisierter berufsspezifischer Rol- räumliche Umfeld zurückführen (hierzu insbe-


lenvorbilder in selbstständiger Tätigkeit (z. B. sondere auch 7 Abschn. 8.6). Man kann sich den
Arztpraxis, Rechtsanwalts- oder Steuerberater- Effekt des regionalen Umfelds als eine Art Filter
Kanzlei) sowie eine geringe Mindestgröße für vorstellen, der einige der globalen und natio-
unternehmerische Selbstständigkeit in einem nalen Rahmenbedingungen verstärkt, andere
bestimmten Beruf förderlich sein. hingegen abschwächt (siehe hierzu . Abb. 5.3).
Dabei können sich diese Wirkungen des re-
gionalen Umfelds auf sämtliche Phasen des
5.4.4 Gesellschaftliches Umfeld unternehmerischen Prozesses erstrecken, von
der Erziehung und Sozialisation über Ausbil-
5 Die Persönlichkeitsmerkmale und die unter- dung, Berufswahl und Berufserfahrung bis hin
nehmerischen Qualifikationen werden wesent- zur Entscheidung für oder gegen unternehme-
lich durch das politische und ökonomische rische Selbstständigkeit.
Umfeld sowie durch die institutionellen und Ein wesentlicher Wirkungsmechanismus,
sozialen Rahmenbedingungen geprägt. Hin- über den das soziale Umfeld prägend auf die
sichtlich der institutionellen Rahmenbedin- Neigung zu unternehmerischer Selbstständig-
gungen ist es sinnvoll, zwischen den formalen keit wirkt, sind die Vorbild- bzw. Peer-Effekte,
Regeln, wie zum Beispiel Gesetzen und Verord- die durch die direkte Anschauung von Unter-
nungen, sowie den informellen Institutionen zu nehmertum entstehen. Wenn jemand sieht, was
unterscheiden. Die informellen oder auch wei- ein Unternehmer tut, wie er handelt, wie er
chen Institutionen umfassen die ungeschriebe- auf Probleme reagiert und wie er entscheidet,
nen Regeln des Umgangs miteinander sowie dann kann dies die Neigung dieser Person sti-
insbesondere auch die Werthaltungen der Be- mulieren, selbst unternehmerisch tätig zu sein.
völkerung, wie beispielsweise die Akzeptanz Solche Peer-Effekte, spielen sehr wahrschein-
von privatem Unternehmertum, die Einstel- lich für die Übertragung einer unternehmeri-
lung zu Individualismus, zu materiellen Werten schen Einstellung bzw. der Gründungsneigung
und/oder zu Eigenvorsorge sowie zum Umfang von Eltern auf ihre Nachkommen eine wichtige
der Staatstätigkeit. Rolle (7 Abschn. 5.4.2).
Einen wesentlichen Bestandteil der sozia- Mit den Peer-Effekten, die sich aus direk-
len Rahmenbedingungen macht das vorhande- tem Kontakt mit einem Unternehmer ergeben,
ne Sozialkapital aus. Dabei meint Sozialkapital wird auch die besondere Gründungsneigung
die Häufigkeit und Qualität der sozialen Be- von Beschäftigten in Kleinunternehmen erklärt
ziehungen der Menschen untereinander, was (hierzu 7 Abschn. 6.3.2), wie auch die Beobach-
auch mit dem Begriff der sozialen Netzwerke tung, dass Personen, deren Kollegen ein Unter-
umschrieben wird. Intensive soziale Beziehun- nehmen gegründet haben oder deren Freunde
gen fördern nicht nur den Informations- und unternehmerisch tätig sind, eine relativ hohe
Wissenstransfer, sondern können insbesondere Gründungsneigung aufweisen. Entrepreneur-
auch bei der Beschaffung der für eine Grün- ship hat also die Tendenz, über den Weg der
dung erforderlichen Ressourcen hilfreich sein. direkten Anschauung gewissermaßen überzu-
Entsprechende Untersuchungen zeigen, schwappen und somit andere Personen zu „in-
dass die für Entrepreneurship relevanten fizieren“.
Umfeldbedingungen zwischen Ländern und Infolge der begrenzten räumlichen Mo-
Regionen sehr unterschiedlich ausfallen kön- bilität der Menschen sind die Peer-Effekte
nen. So lässt sich wohl ein wesentlicher Teil durch direkte Anschauung von Unternehmer-
der regionalen Unterschiede im Niveau der tum weitgehend auf die Region beschränkt, in
Gründungstätigkeit und der unternehmeri- der jemand lebt. Dabei hängt die Wahrschein-
schen Selbstständigkeit auf das entsprechende lichkeit dafür, dass jemand direkten Kontakt
5.4  Wie entstehen unternehmerische Fähigkeiten?
61 5

Regionales
Erziehung und
Umfeld
Sozialisation Global und
national relevante
Rahmen -
Ausbildung bedingungen:

– politisch,
Berufswahl und – institutionell,
Berufserfahrung – ökonomisch,
– sozial.

Erfahrung als
Unternehmer

. Abb. 5.3 Einflussfaktoren auf die Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten

mit einem Unternehmer hat, davon ab, wie weit Entwicklung in Ostdeutschland nach dem Zu-
unternehmerische Selbstständigkeit in der be- sammenbruch der DDR bietet ein gutes Bei-
treffenden Region verbreitet ist, also von der spiel hierfür. Mit der deutschen Wiederver-
Selbstständigenquote. Entsprechende Untersu- einigung am 3. Oktober 1990 wurden die in
chungen zeigen, dass die Gründungsneigung in Westdeutschland etablierten formalen Institu-
Regionen mit einem hohen Anteil an Selbst- tionen buchstäblich über Nacht in Ostdeutsch-
ständigen in der Regel relativ hoch ist, was land eingeführt. Ungeachtet der in Ost und
vermutlich zu einem wesentlichen Teil darauf West identischen formalen Institutionen sind
zurückzuführen ist, dass es vor Ort vergleichs- aber auch noch 25 Jahre nach diesen Regelän-
weise viele unternehmerische Rollenvorbilder derungen immer noch eine spezifisch ostdeut-
gibt. Wenn es relativ normal ist, unternehme- sche Mentalität sowie entsprechende Verhal-
risch tätig zu sein, dann stimuliert dies die tensweisen identifizierbar. Die Bedeutung ei-
Gründungsneigung in einer Region bzw. Ge- ner regionalen Entrepreneurship-Kultur zeigt
sellschaft. Auch die Werthaltungen der Bevöl- sich besonders deutlich an der Entwicklung des
kerung variieren in der Regel mit der Verbrei- regionalen Niveaus unternehmerischer Selbst-
tung von unternehmerischer Selbstständigkeit ständigkeit in Ostdeutschland. So besteht zwi-
in einer Region. Auf diese Weise kann eine re- schen der regionalen Selbstständigenquote im
gionale Entrepreneurship-„Kultur“ entstehen, Jahr 1925 und der Gründungs- bzw. Selbst-
die sich sowohl auf die Persönlichkeitsentwick- ständigenquote zu Beginn des 21. Jahrhun-
lung als auch auf die Vermittlung unternehme- derts ein positiver und statistisch signifikanter
rischer Qualifikationen auswirkt, und somit die Zusammenhang (hierzu auch 7 Abschn. 3.6).
Herausbildung unternehmerischer Fähigkeiten Dies deutet darauf hin, dass die regiona-
in der Bevölkerung stimuliert. le Entrepreneurship-Kultur in Ostdeutschland
Eine Kultur unternehmerischer Selbststän- sowohl den Nationalsozialismus und die Zer-
digkeit stellt eine informelle Institution dar. störung des Landes im zweiten Weltkrieg, die
Empirische Untersuchungen zeigen, dass sol- Besatzung durch die sowjetische Armee und
che informellen Institutionen in der Regel sehr 40 Jahre Sozialismus als auch die Schock-
dauerhaft sind und sich sehr viel langsamer Transformation der deutschen Wiedervereini-
verändern, als die formalen Institutionen. Die gung überdauern konnte.
62 Kapitel 5  Unternehmerische Fähigkeiten von Gründern

5.5 Was fördert und prägt das Muster auf neue Zusammenhänge. Eine relativ
Erkennen unternehmerischer gute Fähigkeit zum Erkennen unternehmeri-
Gelegenheiten? scher Gelegenheiten kann weiterhin für F&E-
Beschäftigte angenommen werden, die mit den
technischen Möglichkeiten gut vertraut sind.
Die Identifikation von erfolgversprechenden
Möglichkeiten für eine Unternehmensgrün-
dung stellt ein Kernelement im unternehmeri- 5.6 Zusammenfassung
schen Prozess dar. Inwiefern ein gegebenes An-
gebot an potenziell tragfähigen unternehmeri-
wesentlicher Ergebnisse
5 schen Gelegenheiten erkannt wird, hängt zum
einen vom Informationsstand einer Person ab, Es lassen sich zwei Komponenten der un-
also vom Zugang zu Informationen sowie von ternehmerischen Fähigkeiten unterscheiden,
den unternommenen Suchprozessen. Zum an- nämlich zum einen die erlernbaren Qualifi-
deren ist hier die Fähigkeit zum Erkennen un- kationen und zum anderen bestimmte Per-
ternehmerischer Gelegenheiten (Opportunity sönlichkeitsmerkmale, deren Struktur im Zeit-
Recognition) von Bedeutung, die einen wichti- ablauf weitgehend stabil ist. Zwischen dem
gen Bestandteil der allgemeinen unternehmeri- Ausbildungsniveau und der Gründungswahr-
schen Fähigkeiten darstellt. scheinlichkeit besteht ein positiver Zusammen-
Für den Informationsstand über unterneh- hang. Demnach weisen Personen mit einem
merische Gelegenheiten spielen die allgemei- Hochschulabschluss die höchste Gründungs-
ne Lebenserfahrung, das Bildungsniveau sowie wahrscheinlichkeit auf. Neben dem Qualifika-
der Mix (Skill Balance, siehe 7 Abschn. 5.2.2) tionsniveau ist insbesondere die Vielfalt und
der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten Struktur der Qualifikationen (Skill Balance)
eine wesentliche Rolle. Weiterhin wichtig sind für erfolgreiches Unternehmertum von Bedeu-
aktive Suchprozesse sowie die Einbindung in tung.
professionelle und soziale Netzwerke. Die Fä- Die empirische Forschung hat eine Rei-
higkeit zum Erkennen unternehmerischer Ge- he von Persönlichkeitsmerkmalen identifiziert,
legenheiten wird einmal bestimmt durch die die für Gründer charakteristisch sind und sich
Kenntnis über wirtschaftliche Zusammenhän- positiv auf den Erfolg von Gründungen aus-
ge, das Wissen über Märkte und über (poten- wirken. So weisen Gründer von Unternehmen
ziell) vorhandene Bedürfnisse bei den Nach- häufig ein relativ hohes Maß an Außenorientie-
fragern. Somit wäre zu erwarten, dass diese rung (Extraversion) und Offenheit für Erfah-
Art von Wissen bei solchen Personen beson- rungen sowie an Gewissenhaftigkeit auf. Wei-
ders stark ausgeprägt ist, die eine betriebswirt- terhin sind sie in der Regel emotional rela-
schaftliche Ausbildung absolviert haben, die tiv belastbar und gehen Konflikten nicht aus
Managementfunktionen wahrgenommen ha- dem Weg. Eine wichtige Voraussetzung für eine
ben und/oder die im Bereich Vertrieb/Marke- Gründung stellt ein gewisses Maß an Risiko-
ting tätig sind. tragfähigkeit dar. Viele Gründer neigen aber
Weiterhin wichtig für das Erkennen un- dazu, über-optimistisch zu sein und dabei die
ternehmerischer Gelegenheiten sind kognitive Erfolgswahrscheinlichkeit für ihr Projekt zu
Prozesse