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PROJEKT-
MANAGEMENT
IM HOCHBAU
MIT BIM UND LEAN MANAGEMENT
4. Auflage
Projektmanagement im Hochbau mit BIM und Lean Management
Hans Sommer
Projektmanagement
im Hochbau
mit BIM und Lean Management
4. Auflage
Hans Sommer
Drees & Sommer AG
Stuttgart, Deutschland
Springer Vieweg
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1994, 1998, 2009, 2016
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Über-
setzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung,
der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenver-
arbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen
Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in
der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen
unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.
Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag
keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall
anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne
besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und
Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden
dürfen.
VORWORT
Ist das Bauen so schwierig geworden, dass es fast un- besserten Qualität auch industrialisierte und damit
möglich erscheint, Großprojekte im vorgesehenen Zeit- auch wirtschaftlichere Prozesse ermöglicht. Zum anderen
und Kostenrahmen zu erstellen? Die Diskussion darüber, hält das Lean-Prinzip in Form von Lean Construction
wieso in Deutschland vor allem öffentliche Großprojekte Management Einzug in die Planungs- und Bauprozesse.
so häufig aus dem Ruder laufen, nimmt auch inter-
national zu. Dabei müsste das wirklich nicht sein, denn An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei den
im Grunde geht es immer um die gleichen Probleme: Kollegen von Drees & Sommer für ihre inhaltliche Unter-
stützung bei folgenden Themen bedanken:
– Unklare Nutzerprozesse und Planungsvorgaben
– Unklare Zuständigkeiten beim Bauherrn – Cradle to Cradle: Peter Mösle
– Wunschkosten, fehlende Risikobetrachtungen – Gebäudetechnik: Veit Thurm
– Ineffiziente Planungs- und Bauprozesse – Building Information Modeling: Mirco Beutelspacher,
– Langwierige Genehmigungsverfahren Philipp Dohmen, Peter Liebsch, Veit Thurm und
– Intransparenz und falsche Kommunikation Prof. Marc Volm
– Lean Construction Management: Patrick Theis
In der Regel genügt schon eines dieser Probleme, um – Planungsbegleitendes FM: Thomas Häusser
ein komplexes Projekt aus dem Tritt zu bringen. Kommen – Inbetriebnahme: Mirko Weiss, Thomas Berner
mehrere dieser Probleme zusammen, so schaukeln
sie sich gegenseitig auf und treiben das Projekt immer Außerdem gilt mein besonderer Dank Dr. Volkmar
ins Chaos. Dies ließe sich vermeiden, wenn die Bau- Hovestadt vom Büro digitales bauen in Karlsruhe für
herren folgende Voraussetzungen schaffen würden: seine Unterstützung zum Thema des modularen
Planungsansatzes.
– ihre Ziele professionell zu definieren,
– sich an die gesetzten Ziele zu halten, In gemeinsamer Anstrengung ist es gelungen, die neuen
– sich professionell zu organisieren, Themen in das Buch zu integrieren, ohne auf die be-
– zügige und klare Entscheidungen zu treffen. währten und in der Mehrzahl am Markt angewendeten
Methoden und Prozesse zu verzichten. Das Buch soll
Werden diese Voraussetzungen erfüllt, dann wird ein weiterhin alle Baubeteiligten in anschaulicher Weise
professionelles Team aus Projektmanagement, guten über den aktuellen Stand der Möglichkeiten informieren,
Architekten und Ingenieuren mit den richtigen Werk- ohne zu weit ins Detail zu gehen.
zeugen und Prozessen auch Qualität, Kosten und Termine
sicherstellen. Für die Qualität des Layouts und der Abbildungen
sowie ihre große Geduld mit der Einarbeitung ständig
Und bei diesen Werkzeugen und Prozessen gab es seit neuer Ideen bedanke ich mich ganz herzlich bei
der 3. Auflage dieses Buches eine Entwicklung, die das Angela Reitmaier.
Projektmanagement im Vergleich mit den seitherigen
Prozessen bei der Planung und Ausführung einen großen Stuttgart, im Januar 2016
Schritt weiterbringen wird. Dabei geht es zum einen um
die Planungsmethode „Building Information Modeling“ –
kurz BIM genannt –, die neben einer deutlich ver-
V
INHALT
INHALT
1
1. Trends bei Gebäuden und Prozessen 2
1.1 Entwicklung des Bauens seit 1960 4
1.2 Analyse der Trends 5
1.3 Die Konzeption zukünftiger Neubauten 11
1.4 Neue Methoden und Prozesse 16
2
2. Klärung der Ziele und Projektvorbereitung 18
2.1 Nutzerprozesse analysieren 20
2.2 Erarbeiten Planungsidee 23
2.3 Projektorganisation 31
2.4 Abwicklungsstrategie 42
3
2.5 Vertrags- und Risikomanagement 54
2.6 Termin- und Kostenstruktur 60
2.7 BIM-Beratung 74
4
3.3 Planungsbegleitendes Facility Management 113
4. Planen und vorbereiten mit BIM und Lean Design Management 118
4.1 Building Information Modeling (BIM) 120
4.2 BIM als Grundlage für industrialisiertes Bauen 138
4.3 BIM-Steuerung mit Lean Design Management (LDM) 144
5
4.4 Beschaffung der Bauleistungen bei BIM 152
4.5 Produktions- und Logistikplanung mit BIM und LCM 154
6
6. Professioneller Übergang zum Betrieb 236
6.1 Inbetriebnahmemanagement, Abnahme, Übergabe (IAÜ) 238
6.2 Mängelbeseitigung 246
6.3 Beschaffung von Dienstleistungen 249
6.4 Nutzer- und Mieterkoordination 251
6.5 Einsatz von Lean Management und BIM 252
7
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN
1 TRENDS BEI
GEBÄUDEN UND
PROZESSEN
Will man den aktuellen Zustand des Bauens und des dafür erforderlichen
Projektmanagements beschreiben, ist ein Blick in die Vergangenheit
nützlich. Was ist in der Zwischenzeit passiert und warum hat sich alles so
entwickelt, wie es sich heute darstellt? Man kann daraus lernen, wie man
die Zukunft des Bauens positiv mitgestalten kann.
Das gilt ebenso für die Auswirkungen der Konzeption von zukünftigen
Neubauten wie für neue Methoden und Prozesse, die das Bauen und
den Betrieb der Gebäude nachhaltig verändern werden.
3
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN
1.1 Entwicklung des Bauens seit 1960 Arbeitsorganisation und zu besseren Arbeitsbe-
dingungen abgelöst.
Anders als die Branchen Automotive und Maschinen-
bau, die sich durch eine hohe Entwicklungsgeschwindig- Zwar zeigte der erste Ölpreisschock Anfang der 70er-
keit auszeichnen, tut sich die Baubranche schwer, eine Jahre nur vorübergehend Wirkung, aber in Verbindung
ähnliche Entwicklung zu vollziehen. Begründet wird dies mit einem gestiegenen Umweltbewusstsein setzte ein
stets mit dem Gebäude als Unikat. Dabei hat sich in den massiver Trend zum Energiesparen ein, der sich bis
letzten 50 bis 60 Jahren in Bezug auf die Anforderungen heute weiter verstärkt hat.
an Gebäude viel getan, ohne dass sich deshalb aber
der Planungs- und Bauprozess wesentlich weiterent- Erstaunlicherweise hat es bis heute gedauert, um die
wickelt hätte. Diskussion über die Verschwendung von Rohstoffen
beim Bauen in Gang zu bringen und über die Stoff-
Teils überlappende und aufeinander aufbauende Ent- kreisläufe nachzudenken. Alle diese Trends haben die
wicklungsstufen haben über die Jahre das Baugeschehen Anforderungen an Gebäude verändert, ohne aber zu
mit jeweils neuen Ansätzen geprägt und dadurch immer einer wirklichen Vernetzung und zu einer eigentlich zu
komplexer gemacht. Die erstellten Gebäude werden erwartenden massiven Veränderung bei den Planungs-
durch diese Ansätze zunehmend besser auf die Bedürf- und Bauverfahren zu führen.
nisse der Menschen und die Erhaltung einer intakten
Natur ausgerichtet (siehe Abb. 1–1). Um hierbei eine Entwicklung der Prozesse in Gang zu
bringen, erfordert es einen Blick auf die Eigenschaften
Der ab Anfang der 60er-Jahre vorherrschende Trend zum zukünftiger Gebäude und die Auswirkung von
schnellen und günstigen Erstellen von möglichst vielen Digitalisierung und KAIZEN-Ansätzen auf Planungs-,
Neubauten für die Wirtschaft und das Wohnen wurde Herstellungs- und Bauprozesse unter Beachtung des
ab Anfang der 80er-Jahre durch den Trend zur besseren gesamten Lebenszyklus.
Innovationen
STOFFKREISLÄUFE
ENERGIESPAREN
ARBEITSWELTEN
SCHNELL, GÜNSTIG
4
ANALYSE DER TRENDS
1.2 Analyse der Trends Gefördert wurde damals vor allem das sogenannte
technisierte Bauen, das stark durch Betonfertigteilbau
Die Inhalte, Ziele und Ergebnisse der einzelnen Trends geprägt war (siehe Abb. 1–3).
lassen sich in der oben stehenden Grafik zusammen-
fassen: Jeder dieser Trends hat für sich die Anforderun-
gen an Gebäude verändert, teils autark, teils aber auch
© illustrez-vous – fotolia.com
kumulierend. Von diesen Trends wurden logischerweise
zunächst die Neubauten erfasst, während der Bestand
mit großen Zeitversätzen nachhinkte beziehungsweise
noch nachhinkt (siehe Abb. 1–2).
5
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN
Der Ausbau wurde vor allem im öffentlichen und im Allerdings entstanden in dieser Trendphase der 60er-
Gewerbebau mit vorgefertigten Fußböden, Wand- und Jahre auch interessante Ansätze. Im Grundsatz nämlich
Deckensystemen durchgeführt. Leider wurden die waren die Entwicklungen mit der Trennung von
Bedürfnisse der Menschen dabei häufig vernachlässigt Konstruktions- und Ausbauraster für flexible Grundrisse
und die verwendeten Materialien meist ohne Rücksicht durchaus zukunftsweisend, da sie durch eine gewisse
auf gesundheitliche Schäden verwendet. Die einge- Modularisierung spätere Umnutzungen und Revitalisie-
setzten Stoffe waren häufig mit problematischen Löse-, rungen unterstützten.
Binde- oder Konservierungsmitteln, mit Stabilisatoren,
Weichmachern oder Isoliermitteln belastet. Zudem wurden interessante Ansätze für das industrielle
Bauen mit standardisierten Bauteilen entwickelt, wobei
Ein berühmt-berüchtigtes Beispiel aus dieser Zeit ist allerdings leider oftmals mit Verbundwerkstoffen gear-
das Asbest, das heute als Sondermüll mit hohen Ent- beitet wurde.
sorgungskosten eingestuft ist. Weitere Beispiele sind
Mineralwolle mit zu kleinen Faserlängen oder formalde-
hydhaltige Holzbau- und Innenausbaustoffe. Dieses 1.2.2 Trend ab 1980: Arbeitsplatzoptimierung
„Erbe“ ist bis heute in einem Großteil unserer Altbau- und CI-Buildings
substanz enthalten.
Die von standardisierten Grundrissen, technisierten
Die Fassaden waren für Architekten und Ingenieure Bauverfahren, Schnelligkeit, Wirtschaftlichkeit und
großzügig verglaste Hüllen mit schlechter Wärmedäm- günstigen Energiepreisen geprägten Gebäude aus den
mung. Die dadurch implizierten Wärmeverluste im vorausgehenden Jahrzehnten fanden seit den 1980er-
Winter und die Überhitzung im Sommer eliminierte man Jahren immer weniger Fürsprecher. Kaum ein Eigen-
durch überdimensionierte Klimaanlagen mit giganti- tümer oder Mieter, der mit diesen Gebäuden wirklich
schem Energieverbrauch. zufrieden war. So setzte etwa bei Büro- und Verwal-
Interviews mit
Leitung und Mitarbeitern Bedarf
ANFORDERUNGEN
UNTERNEHMEN UND NUTZER QUANTIFIZIERBARE
QUALITATIVE AUSSAGEN GRÖSSEN
WORKSHOPTHEMEN
Zusammenarbeit Arbeitsplatzzahlen
Arbeitsumfeld
Büroform
Arbeitsplatz
Kommunikation Räumliche Nähe Sonderflächen
6
ANALYSE DER TRENDS
tungsgebäuden ein ganz neuer Trend ein. Dabei stan- wie BREEAM in Großbritannien und LEED in den USA.
den die Bedürfnisse der Menschen im Arbeitsprozess Das Ziel war damals – und ist es bis heute geblieben –,
im Vordergrund. Die Devise lautete: „Nur zufriedene Ökonomie und Ökologie „unter einen Hut“ zu bringen
Mitarbeiter an optimalen Arbeitsplätzen bringen gute und so die Verbreitung des nachhaltigen Denkens und
Leistungen“ (siehe Abb. 1–4). Handels zu fördern.
Aus dieser Haltung leitete man Forderungen nach 2007 wurde in Deutschland schließlich das Zertifizie-
individuellen und flexiblen Grundrissen ab. Die Ent- rungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhalti-
wicklung ging weg vom klassischen Großraum- oder ges Bauen (DGNB) eingeführt, bei dem Drees & Sommer
Zellenbüro. Dies hatte natürlich Auswirkungen auf die als Gründungsmitglied aktiv mitgewirkt hat. Es bewertet
Architektur: Sie erhielt nun die Aufgabe, sowohl auf die Gebäude in den sechs Themenfeldern Ökologie, Öko-
funktionalen Veränderungen im Inneren zu reagieren nomie, soziokulturelle und funktionale Aspekte, Technik,
als auch den Repräsentationswünschen der Bauherrn Prozesse und Standort und zielt damit auf die Gesamt-
und Unternehmen nach außen Ausdruck zu verleihen. performance eines Gebäudes. Die Bewertungen basie-
Es entstanden die sogenannten CI-Buildings, die mit ren stets auf dem gesamten Lebenszyklus eines Gebäu-
unterschiedlichsten architektonischen Mitteln einen des, das Wohlbefinden des Nutzers steht mit im Fokus.
speziellen Charakter verkörperten.
Auch der Energiepass für Gebäude wurde 2007 in
Die Entwicklung ab den 80er-Jahren brachte einerseits Deutschland eingeführt. Spätestens damit verschob
deutliche funktionale Verbesserungen in den Grund- sich der Blickwinkel sehr stark zugunsten des Themas
rissen der Gebäude und der Arbeitsplatzoptimierung, Energie. In aller Munde sind seither Schlagworte wie
neue Arbeitswelten entstanden. Auch der Städtebau Energiesparen und Verbrauchsreduzierung, Erderwär-
ging besser auf die menschlichen Bedürfnisse ein und mung und CO2-Emissionen. Die „Energiewende“
anstatt der konsequenten Einhaltung rigider Bebauungs- rückte in den folgenden Jahren das Thema Energie noch
pläne erfolgte zunehmend eine gelungene Integration weiter in den Vordergrund. Vor allem in Deutschland
von Bauvorhaben in die städtebauliche Umgebung im werden spätestens nach der Atomkatastrophe von
Rahmen von städtebaulichen Architektenwettbewerben. Fukushima erneuerbare Energien massiv gefördert und
gleichzeitig die Kernkraftwerke nach und nach abge-
Die stoffliche Zusammensetzung der verwendeten schaltet. Diese Entwicklung wirkt sich nachdrücklich auf
Baumaterialien hat sich jedoch leider nur zögerlich das Bauen und den Gebäudebestand aus. Die Folgen
verändert – im Gegenteil! Der Anteil gesundheitsschäd- reichen von der Entwicklung neuer Energiespeicher-
licher Inhalte hat sich durch den steigenden Anteil an techniken bis zum Boom bei der dezentralen Energieer-
Verbundwerkstoffen weiter erhöht. zeugung. In den nächsten Schritten sollen die Gebäude
zu sogenannten Smart Cities vernetzt werden. Hier ist
man also auf dem sogenannten „Energieeffizienzpfad“
1.2.3 Trend ab 1990: massive Energieeinsparung weit gekommen (siehe Abb. 1–5).
und CO2-Reduzierung
Das Energiesparen prägt den Trend in dieser Phase
Schon in den 80er-Jahren wurden die ersten Anforde- aufgrund der massiven Verteuerung der Energie und
rungen an die Wärmedämmung der Gebäude gestellt. des politischen Drucks zur Reduzierung des CO2-
Die sogenannten Wärmeschutzverordnungen bilde- Ausstoßes durch Wärmeschutz und die Verwendung
ten die Grundlage für den Beginn eines zunehmend erneuerbarer Energien. Flankierend wirken Vorschriften
energiebewussten Bauens. In den 90er-Jahren begann wie die Energiesparverordnung und Marktanreize wie
man, erste Zertifizierungssysteme zur Messung und die Green-Building-Zertifizierungen.
Bewertung von Nachhaltigkeitskriterien zu entwickeln
7
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN
+ rd nun
g
ro rdn
ung
ude
v ero rve ebä
tz pa g
s chu e ins h aus e rgie
rme rgie siv sen
Wä Ene Pas Plu
0 Zeit
Energieaufwand für den Betrieb
Baustoffaufwand
– ENERGIEEFFIZIENZPFAD
Reduzieren der
negativen Einflüsse
Der Schwerpunkt des Energieeffizienzpfades liegt aller- Für die Vermarktung von Bauprodukten wurde deshalb
dings recht einseitig auf der Vermeidung negativer Ein- auf EU-Ebene im Jahr 2010 die Bauproduktenverord-
flüsse auf den CO2-Ausstoß, wobei die Beschäftigung nung erlassen, nach der das Recycling aller Baustoffe,
mit den Auswirkungen auf die ökologische Qualität im die Verwendung umweltfreundlicher Roh- und Sekun-
Hintergrund steht. Die Wärmedämmung wird immer därstoffe sowie die Dauerhaftigkeit des Bauwerks
weiter verbessert, allerdings leider verbunden mit einer geregelt werden.
weiteren Zunahme der Abfallmengen von gesundheits-
schädlichen Verbundwerkstoffen. Beim Begriff Recycling wird aber nicht unterschieden,
ob es sich tatsächlich um eine Wiederverwendung auf
derselben Qualitätsstufe handelt oder – wie in den
1.2.4 Aktueller Trend: Wiederverwertung meisten Fällen – um ein sogenanntes Downcycling, also
von Baustoffen, Stoffkreisläufe eine Wiederverwendung, die mit einem Qualitätsverlust
einhergeht. Das bedeutet aber, dass im Recycling-
Was zunehmend Sorgen machen wird, ist die Abhängig- prozess wertvolles Material verloren geht und für
keit von Rohstoffen – ausgehend von einer gigantischen zukünftige Produkte nicht mehr genutzt werden kann.
Verschwendung. Ausgangspunkt ist dabei die Bedeu-
tung der Rohstoffe für unsere Branche, denn 85 % der Hier setzt die Idee Cradle to Cradle (C2C) an, die vor
Unternehmen im Bausektor leiden unter den steigen- allem durch den deutschen Chemiker Michael Braun-
den Rohstoffpreisen. Der Anteil des globalen Rohstoff- gart und den amerikanischen Architekten William
verbrauchs, der durch die Baubranche verursacht wird, McDonough bekannt geworden ist. Unsere bisherigen
liegt bei 40 bis 50 %! Außerdem ist das Bauwesen für Stoffströme, die alle nach dem Prinzip „Von der Wiege
rund 60 % des Abfallaufkommens verantwortlich. bis zur Bahre“ (Cradle to Grave) fließen, sollen künftig
durch Stoffkreisläufe (Cradle to Cradle) ersetzt werden,
also ökoeffektiv sein (siehe Abb. 1–6).
8
ANALYSE DER TRENDS
Produktion Produktion
Technischer
Pflanzen Nährstoff
Biologischer
Nährstoff Demontage
Nutzung
Nutzung
Biologischer Abbau
Rücknahme
Verbrauchsgüter sind Bestandteile eines biologischen Gebrauchsgüter sind Teil eines technischen Kreislaufs.
Kreislaufs. Als biologisch abbaubare Produkte stellen sie Die technischen Nährstoffe zirkulieren in geschlossenen Systemen
Nährböden für neue natürliche Rohstoffe dar. auf einem beständig hohen Qualitätsniveau.
9
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN
Ein klassischer Kreislauf findet bereits heute bei der wendet. Die Idee ist, dass der Hersteller als „Besitzer“
Kupferverarbeitung statt: Im Jahr 2013 lag die weltweite des Materiallagers von vornherein geneigt ist, höher-
Nachfrage nach Kupfer bei etwa 20 Millionen Tonnen, wertigere Materialien zu verwenden, da er sie später zur
wovon drei Millionen Tonnen (15 %) aus recyceltem Wiederverwendung zurückerhält.
Material gewonnen wurden. Die Menge von weltweit
im Gebrauch befindlichem Kupfer (in Gebäuden, Mit dem neuen Trend hat ein intensives Nachdenken
Elektronik, Transformatoren etc.) wird auf 350 bis 500 über die Schonung von Stoffressourcen und gesunde
Millionen Tonnen geschätzt, stellt also ein gigantisches Baustoffe eingesetzt. Cradle to Cradle erfordert eine
Rohstofflager dar. konsequente Abkehr von Verbundwerkstoffen und den
Einsatz möglichst schadstofffreier Materialien. Aus der
Aus dem Gedanken einer Kreislaufwirtschaft heraus seither ausschließlichen Reduktion negativer Einflüsse
könnten beispielsweise auch Gebrauchsgüter nach dem wird so durch den Übergang vom linearen Effizienzpfad
Leasing-Prinzip gegen eine Gebühr genutzt werden. Das die aktive Optimierung positiver Einflüsse im Sinne
Gebäude oder bestimmte Teile würden dann weiterhin einer Kreislaufwirtschaft als Circular Economy, bei der
dem Hersteller gehören – sozusagen als Materiallager Gebäude Energieüberschüsse produzieren und ihre
für die Zukunft. Nach einer vereinbarten Nutzungsdauer Baustoffe wieder in einen Stoffkreislauf zurückkehren
könnten die Materialien zurück an den Hersteller gehen, (siehe Abb. 1–8).
der sie wieder als Ausgangsbasis für neue Produkte ver-
CIRCULAR ECONOMY
Optimieren der
positiven Einflüsse
+ e e
ud ud
ebä ebä
ieg ieg
erg erg
sen sen
Plu Plu
0 Zeit
– Baustoffe im Stoffkreislauf
ENERGIEEFFIZIENZPFAD Energieüberschuss
Reduzieren der
Energieaufwand für den Betrieb
negativen Einflüsse
Baustoffaufwand
10
DIE KONZEPTION ZUKÜNFTIGER NEUBAUTEN
1.3 Die Konzeption zukünftiger Neubauten Genauso wichtig wie ein geringer Energieverbrauch
und möglichst hohe Unabhängigkeit der Energieversor-
Wie werden nun Gebäude der Zukunft aussehen und gung sind die Baumaterialien. Für giftige Weichmacher,
funktionieren? Die Antwort klingt einfach: Sie sind Lösungs- und Bindemittel ist kein Platz. Ganz im Sinne
smart vernetzt, energieautark, emissionsneutral, biolo- des Cradle-to-Cradle-Prinzips besteht ein Blue Building
gisch gesund, modular und flexibel. Vor allem müssen aus Materialien, die sich problemlos in den biologischen
sie dabei aber auch ökonomisch in der Herstellung und oder technischen Stoffkreislauf einfügen und immer
im Betrieb sein. Die Projektmanager von Drees & Sommer wieder neu verwenden lassen. Das ist gesund und wirt-
nennen solche Gebäude deshalb „Blue Buildings“ – schaftlich zugleich.
nämlich ökologisch und ökonomisch. Den Weg zu ihrer
Herstellung bezeichnen sie als „the blue way“ (siehe Daraus ergeben sich allerdings zahlreiche Anforde-
Abb. 1–9). rungen, die alles andere als einfach umzusetzen sind.
Denn zukunftsfähig wird ein Gebäude erst, wenn es
Diese Gebäude passen sich den Bedürfnissen ihrer alle diese Eigenschaften vereint und sich dennoch
Nutzer flexibel an, fördern deren Gesundheit und wirtschaftlich produzieren lässt, sodass die Rendite
machen den Alltag für sie bequemer, effizienter und stimmt.
sicherer. Negative Auswirkungen in Form von
Emissionen vermeiden sie. Passive Energiesparmaß- Die voraussichtlichen Spezifika der zukünftigen Gebäude
nahmen und die aktive Erzeugung „sauberer“ Energie sind nachstehend kurz beschrieben:
aus regenerativen Quellen spielen zusammen und
sorgen dafür, dass die Umwelt geschont wird.
CRADLE TO CRADLE
Abb. 1–9 Attribute von Blue Buildings
11
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN
1.3.1 Smart vernetzt = intelligent Beleuchtung, Heizung, Türen und Fenster – lassen
sich präzise aufeinander abstimmen. Fast noch
Experten sind sich sicher: In Zukunft spielen vernetzte wichtiger ist, dass sich das Gebäude der Zukunft
Immobilien im Alltag eine wichtige Rolle, ganz egal, ob außerhalb der eigenen vier Wände vernetzt, z. B.
wir darin wohnen, in den Gebäuden arbeiten oder dort mit Gebäuden in der Nachbarschaft, um Energie aus-
unsere Freizeit verbringen. Man muss nicht Zukunftsfor- zutauschen.
scher sein, um bereits heute diesen Trend zu erkennen,
der auch als Internet der Dinge beschrieben wird (siehe Fast nebenbei generiert die Vernetzung die Datengrund-
Abb. 1–10). lage für ein umfassendes Monitoring zentraler Betriebs-
werte. Das Zauberwort heißt Smart Metering. Nach einer
Im Gebäudebereich bedeutet Vernetzung zweierlei: Untersuchung von Experten können schon jetzt
Erstens werden alle wichtigen Hausfunktionen intern ca. zehn Prozent eingespart werden, indem Messsysteme
miteinander verschaltet und über eine Bedieneinheit aktuelle Verbräuche visualisieren und über Tageszeiten
an Ort und Stelle gesteuert. Dies erlaubt auch eine mit einem günstigen Stromtarif informieren.
schnelle Abfrage der momentanen Betriebswerte.
Zweitens „erweitert“ die Vernetzung das Gebäude nach Vernetzung ist übrigens schon beim Bauen selbst
außen. Das kann bedeuten, dass künftige Nutzer mehr angesagt: Einzelne Bauteile können auf Basis der RFID-
und mehr Funktionen über Tablets oder Mobiltelefone Funktechnik mit speziellen Chips ausgerüstet werden.
regulieren. So könnten sie bereits auf dem Heimweg Bestellung, Anlieferung, fachgerechte Zwischenlage-
von der Arbeit den Backofen für ihre Pizza vorheizen. rung und abschließender Einbau greifen so lückenlos
Die Komponenten eines vernetzten Gebäudes – meist ineinander und können stets feingesteuert und über-
Geräte wie Fernseher und Kühlschrank, aber auch wacht werden.
Netzleitsystem
Energiemanagementsystem Energiebörse
Abrechnung
Biomassekraftwerk
KOMMUNIKATIONSNETZ
mit intelligentem Lastmanagement
Wetterdienst
Blockheizkraftwerk
Konzentrator Zählerfernauslesung Beeinflussbare
Lasten
Fotovoltaik-Anlage
Kommunikations-
einheit
Windanlage Verteilte
Mini-Blockheizkraftwerke
Brennstoffzelle und Fotovoltaik-Anlagen Verteilte Lasten
12
DIE KONZEPTION ZUKÜNFTIGER NEUBAUTEN
1.3.2 Weitgehend energieautark und Gebäudeausrüstung (TGA) zu: Eine effiziente Beleuch-
emissionsneutral tung mittels LED-Lampen, eine besonders sparsame
IT-Technik oder – bei einem Wohngebäude – stromspa-
Unabhängiger von Energie zu sein, die von außen rende Küchen- und Haushaltsgeräte können den Strom-
kommt, bedeutet, dass Gebäude künftig noch weniger und Energiebedarf gegenüber heute verbreiteten Tech-
Energie als heute verbrauchen dürfen und dass sie nologien nochmals deutlich reduzieren. Bedingung ist
gleichzeitig selbst zu Kraftwerken werden müssen. allerdings, dass der Nutzer mitdenkt und die erzielten
Auf Hausdächern sind Fotovoltaik- und Solarthermie- Effizienzgewinne nicht in Maßnahmen steckt, die ihrer-
anlagen zum gewohnten Anblick geworden, vielerorts seits wieder zu Mehrverbräuchen führen.
wird auf diese Weise lokal Strom produziert und das
Wasser geheizt (siehe Abb. 1–11). Während des ersten Betriebsjahres eines solchen
Gebäudes werden alle wichtigen Stellschrauben für
In Städten und Ballungszentren teilen sich Straßenzüge, seine energetische Unabhängigkeit einer Feinjustie-
größere Liegenschaften und mitunter ganze Quartiere rung unterzogen. Dazu findet in der Regel ein genaues
immer öfter energieeffiziente Blockheizkraftwerke. Der Betriebsmonitoring und – darauf aufbauend – eine
Anfang ist also gemacht. Bei einem Nullenergiehaus begleitende Optimierung seiner Anlagen statt. Erst
wird der durchschnittliche Jahresenergiebedarf komplett danach, im zweiten und dritten Jahr, zeigt sich, was das
durch regenerative und lokale Quellen gedeckt. Voraus- Gebäude wirklich kann. Erst dann können langfristig
setzung für solch aktiv wirksame Technologien ist, dass aussagekräftige Daten zum energetischen Verhalten
in der Planung der spätere Energiebedarf des Gebäudes gesammelt werden.
mittels „passiver“ Maßnahmen minimiert wird. Eine
weitere zentrale Bedeutung kommt der Technischen Die Grenze zwischen einem energieautarken Gebäude
und einem Plusenergiehaus ist in der Praxis fließend:
Faktoren wie Wetterlage, Jahreszeit und Belegung oder,
anders gesagt, die momentan herrschenden Voraus-
setzungen für die Energieproduktion und den Verbrauch
Fassaden- und
Dachbegrünung werden den Ausschlag geben. Doch vom Grundgedanken
Solarkollektor Urban Farming
Öko-Zement
her versorgt ein sogenanntes Plusenergiehaus eben
Solarmodule
nicht nur sich und seine Bewohner mit Energie, sondern
produziert systemisch einen ständigen Überschuss,
den es wiederum in andere Netze einspeist.
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Brennstoffzelle
Vakuumdämmung
Geothermie
13
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN
1.3.3 Gesunde Baustoffe Planung und Bau einiges zu beachten. So sind Verbund-
werkstoffe tabu. Die verschiedenen Materialien sind
Lacke, Teppiche, Teppichkleber, geklebte Tapeten, sortenrein trennbar und leicht zu demontieren (siehe
imprägniertes Holz, Dämmstoffe – Materialien, die Abb. 1–15).
die Gesundheit beeinträchtigen, können überall im
Gebäude verbaut sein. Zu den gefährlichen Stoffen Und: der Eigentümer des Gebäudes der Zukunft muss
zählen beispielsweise Aldehyde oder Lösungsmittel die verbauten Materialien nicht zwangsläufig besitzen.
wie aromatische Kohlenwasserstoffe oder Alkohole Welchen Vorteil bringt ihm der Besitz einer Lampe, also
sowie Weichmacher. Diese finden sich etwa in PVC- letztlich Glas, Kabel, Wolfram etc.? Geht es nicht um die
Fußbodenbelägen, Vinyltapeten, Lacken, Beschich- Leistung, also Licht? Er kauft das Licht für eine definier-
tungsmitteln, Dichtungsmassen und Klebstoffen. te Dauer ein. Nachdem die Leistung erbracht wurde,
nimmt der Lampenhersteller die Lampen zurück, bereitet
Noch heute werden Wärmedämmverbundsysteme sie auf und stellt sie erneut zur Verfügung. Das wirkt
(WDVS) verwendet. Bei Neubauten gilt es sicherzu- sich positiv auf die Qualität aus. Schließlich hat der
stellen, dass belastete Stoffe erst gar nicht zum Einsatz Produzent ein Interesse an hochwertigen Materialien,
kommen. Die Verwendung umweltfreundlicher Roh- da er mit diesen weiterarbeitet.
und Sekundärstoffe sowie die Dauerhaftigkeit des Bau-
werks halten Einzug in die Bauproduktenverordnung.
Die Industrie reagiert bereits mit entsprechenden 1.3.5 Flexibel nutzbar
Angeboten wie Teppichböden ohne PVC bzw. ohne
Klebstoffe oder voll recyclingfähige Fenster. Ein Gebäude ist dann zukunftsfähig, wenn es in Abhän-
gigkeit von unterschiedlichen Nutzern weiterentwickelt
Der wirtschaftliche Vorteil gesunder Baustoffe liegt werden kann. So sollten sich beispielsweise Wohn-
auf der Hand. Die verbauten Materialien verursachen konzepte innerhalb definierter Raster ohne Abbruch-
bei Sanierungen oder Rückbauten keine hohen Ent- kosten verändern können (siehe Abb. 1–12).
sorgungskosten. Stattdessen können sie nach ihrer
Nutzungsdauer ohne Qualitätsverlust wiederverwendet
werden. Das spart Kosten und gleicht die höheren An-
schaffungskosten aus.
14
DIE KONZEPTION ZUKÜNFTIGER NEUBAUTEN
Flexible Achsraster (siehe Abb. 1–13) ermöglichen mieter hat das den Vorteil, dass sie beim nächsten
eine problemlose Veränderung der Raumaufteilung. Mieter nicht wieder komplett umbauen müssen. Sie
Trennelemente sind so gestaltet, dass sie sich leicht können auf dem bestehenden Raumkonzept aufbau-
versetzen lassen. In einer Studie zur Bewertung der end schnell und kostengünstig den Anforderungen der
Flexibilität bei Bürohochhaus-Neubauten empfiehlt der neuen Nutzer Rechnung tragen. Das gleiche Prinzip gilt
Autor eine Raumtiefe zwischen Kern und Fassade von 8 für Eigennutzer. Wenn ein Unternehmen den Standort
bis 8,50 Metern, da sich dann die meisten Büroformen schließt und das leere Gebäude auf den Markt bringen
(Einzelbüro, Zellenbüro, Kombibüro, Business-Club etc.) will, ist dessen Flexibilität ein echter Wettbewerbsfaktor.
effizient umsetzen ließen. Das Fassadenraster sollte Sollte es gerade wenig Nachfrage nach Büroimmobilien,
zwischen 1,20 Meter und 1,55 Meter liegen, die lichte aber umso mehr nach Wohnimmobilien geben, punktet
Raumhöhe mindestens drei Meter betragen. ein flexibles Bürogebäude auch als Wohnimmobilie.
Neben der Fähigkeit, sich mit unterschiedlichen Das Gebäude der Zukunft bringt auf diese Weise Eigen-
Nutzungen weiterzuentwickeln, ist das Gebäude der tümern und Nutzern wirtschaftliche Vorteile.
Zukunft generell auch drittverwendungsfähig. Für Ver-
15
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN
1.4 Neue Methoden und Prozesse intelligente Methoden und effiziente Prozesse einge-
setzt werden. Es gilt, die beim Bauprozess leider noch
Die in den vorangehenden Kapiteln genannten Eigen- übliche Verschwendung zu vermeiden, den Material-
schaften würden mit den heute noch gängigen Planungs- und Ressourceneinsatz sowie den Energieaufwand
und Bauprozessen die aufzubringende Investitions- zu minimieren, die Qualität zu steigern und dennoch
summe erhöhen, bedeuten also einen Mehraufwand Kosten und Termine im Griff zu behalten.
gegenüber dem Standard.
Die neuen Prozesse betreffen den gesamten Lebens-
Damit die Wirtschaftlichkeit insgesamt gewährleistet zyklus von der Projektvorbereitung bis zum Nutzungs-
werden kann, müssen also schon bei Planung und Bau ende wie in Abb. 1–14:
Klar analysieren
– Produktionsprozesse Projekt vorbereiten
– Nutzungsprozesse
– Funktionsabläufe – Zieldefinition
– Business Cases – Funktionsplanung
– Qualitäten/
Standards
– Flächen-
optimierung
– Randbedingungen
– Machbarkeits-
studie Digital planen
– Wettbewerbs-
betreuung – Target Value Design Lean produzieren
– Design to Cost
Was braucht – BIM – Lean Construction
der Kunde? – Lean Design Management Betriebsfertig übergeben
Management – Ziehende Baustelle
– Standardisierung – Inbetriebnahmen
Produktdefinition – Ablaufoptimierung – Abnahmen
– Austaktung – Übergaben
Bauprozesse – Mängelmanagement
Projekt- Produktplanung
organisation (Virtuelles Bauen)
Analysieren
Bevor es zum Projekt kommt, wird die zukünftige Nutzung ersten Analyse geht es also noch gar nicht um den Bau
weit mehr im Fokus stehen als bisher. Die Planungs- eines Gebäudes, sondern zunächst um die Arbeits- und
anforderungen werden vom Ende her gedacht. In einer Produktionsprozesse des Bauherrn bzw. des Nutzers.
16
NEUE METHODEN UND PROZESSE
Projekt vorbereiten
Auf der Grundlage der Analyse werden die Ziele und
die geeignete Abwicklungsstrategie definiert. Bereits
zu diesem Zeitpunkt muss beispielsweise die Entschei-
dung fallen: Planen wir konventionell oder mit BIM?
Davon hängen die Prozesse, das Datenmanagement
und die Verträge ab.
17
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
2
KLÄRUNG
DER ZIELE UND
PROJEKT-
VORBEREITUNG
In dieser ersten Phase entscheidet sich die Zukunft eines Projektes
grundsätzlich. Bei allem, was in dieser Phase falsch gemacht wird, kann in
den späteren Phasen nur noch Kosmetik betrieben werden.
2.3 Projektorganisation 31
2.3.1 Bauherrenorganisation 31
2.3.2 Zielvorgaben und Zielfortschreibung 34
2.3.3 Projekt- und Plangliederung 35
2.3.4 Die Projektbeteiligten 37
2.4 Abwicklungsstrategie 42
2.4.1 Alternative Managementmodelle aufseiten des Auftraggebers 42
2.4.2 Alternative Abwicklungsstrategien mit Planern und ausführenden Firmen 50
2.7 BIM-Beratung 74
2.7.1 Aufzeigen von Vorteilen und Konsequenzen 74
2.7.2 Analyse und Anforderungen 76
2.7.3 Strategie und Maßnahmen 76
2.7.4 Förderung und Transformation 77
19
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
20
NUTZERPROZESSE ANALYSIEREN
2. FOKUSGESPRÄCHE – QUALITÄTEN
Fakten und Konzepte sammeln,
strukturieren und analysieren
5. ANFORDERUNGSPROFIL
1. PROJEKTSTART Bedarf prüfen,
Planungsaufgabe formulieren
Ziele definieren
4. KONSENSWORKSHOP
Kernthemen, Konzepte,
Aussagen und Inhalte entwickeln,
diskutieren und bewerten
3. ZAHLENERHEBUNG – QUANTITÄTEN
Fakten, Kosten, Termine ermitteln und fixieren
Sitzungen visualisiert und dokumentiert, wodurch die die jährlichen Aufwendungen für eine Erlebniswelt
unterschiedlichen Nutzerbedürfnisse schnell sichtbar ebenso durch Eintrittsgelder und Übertragungsrechte
werden. In der Summe lässt sich daraus ein stimmiges wieder eingespielt werden wie die bei einem Fußball-
Anforderungsprofil formen, das als Grundlage für das stadion etc.
weitere Vorgehen dient.
Die Bedarfsanalyse bildet somit die Basis für die 2.1.3 Programming
weitere Konzeption und Planung eines Bauvorhabens.
Sie veranschaulicht, was ein Gebäude leisten soll, Am Beispiel eines Büroneubaus kann man die Kriteri-
welche Umgebungen – beispielsweise spezielle Medien en, die an das Programming gestellt werden, recht gut
wie eine Druckluftversorgung oder Wegenetze – die beschreiben (siehe Abb. 2–2):
Arbeitsprozesse unterstützen, unter welchen Bedin-
gungen Mitarbeiter produktiv arbeiten und Funktionen
Menschen
optimal angeordnet sind. Werte
Unternehmenskultur
21
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Messe- Messe-
Lager
Kommunikation, Wissenstransfer und abteilungsüber- Werkstätten segment segment
greifende Zusammenarbeit gewinnen zunehmend an Servicedienste
P
Taxi- / ICE- evtl.
Mall
ICE-Trasse
passt werden können. Die Neukonzeption eines Gebäu-
A8
P2 / P4 Flughafen S-Bahn
Haupt-
Die Anforderungen an die neue Messe bezogen sich Verwaltung eingang
Süd
Restau-
rant
Kongress
P
hier beispielsweise auf zwei Bereiche:
Taxi- / ICE- evtl.
– Besucherführung Flughafenrandstraße
Mall
ICE-Trasse
A8
P2 / P4 Flughafen S-Bahn
22
ERARBEITEN DER PLANUNGSIDEE
2.2 Erarbeiten der Planungsidee Über die Bedarfsanalyse und das Programming steht
die gewünschte Nutzung fest und muss in einem Pflich-
Die Phase von der Klärung des Bedarfs bis zur Planungs- tenheft mit allen Randbedingungen definiert werden.
idee ist von großer Bedeutung für die Qualität eines Danach oder auch parallel wird nach einem geeigneten
Projektes. Getroffene Entscheidungen haben weitrei- Grundstück gesucht und über ein Flächenmodell die
chende Folgen für die Architektur und den Städtebau Rendite und die aus der Kombination von Flächenanfor-
sowie für die ökonomische und ökologische Qualität derungen und Grundstücksgröße entstehende Baumas-
der Gebäude. Der Ablauf lässt sich so grob beschreiben se in einer Machbarkeitsstudie überprüft.
wie in Abb. 2–4:
Ist das Ergebnis positiv, dann können dazu Planungs-
ideen z. B. über einen Architektenwettbewerb eingeholt
Klären der Bedarfsanalyse werden.
Grundstückssuche
2.2.1 Pflichtenheft, funktionale Anforderungen
Flächenmodell
An einem fiktiven Beispiel lassen sich die in einem
Bereich NF SF BGF
Pflichtenheft abgebildeten komplexen Zusammenhän-
A
B ge gut zeigen: Die Abteilung eines Unternehmens soll
C neue Räume beziehen. Dabei soll ein gesonderter Raum
für Drucker, der gleichzeitig als Lager für Büromaterial
fungiert, eingerichtet werden. Aus dieser einfachen
Baumassenüberprüfung Renditeüberprüfung
Aufgabenstellung ergeben sich eine ganze Reihe von
Fragen, z. B.: Wie muss der Zugang bemessen sein?
Wie werden die Wege der Mitarbeiter zum Druckerraum
möglichst kurz geplant? Wie lassen sich Belüftung und
Wärmeabfuhr des Raumes richtig dimensionieren?
Müssen zukünftige Entwicklungen und Technologien
Planungsidee
berücksichtigt werden, etwa, wenn die Firma in einigen
Jahren zusätzlich 3-D-Drucker anschaffen möchte?
Sämtliche hierzu notwendigen Angaben wandern in das
Pflichtenheft.
23
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Die bisherigen Analysen, die die räumlichen Beziehun- Standortanalysen im Rahmen der Grundstückssuche
gen von Teams und Abteilungen beschreiben, sowie unverzichtbar sind.
wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Arbeitsorgani-
sationsforschung bilden die Grundlage für detaillierte Auch bei bereits vorhandenen Grundstücken sind
Raum- und Organisationskonzepte. Sie beschreiben die solche Standortanalysen in etwas abgewandelter Form
räumliche Verteilung der Arbeitsplätze, Erschließungs- zur Absicherung der Planung dringend zu empfehlen.
wege, Sonderflächen sowie Kunden- oder Besucherzo- Nachfolgend sollen kurz die wesentlichen Kriterien
nen. Grafiken und Schemadarstellungen dokumentieren angesprochen werden, die bei einer solchen Standort-
darin alle wichtigen Abläufe. analyse zu prüfen sind.
24
ERARBEITEN DER PLANUNGSIDEE
Ist das Gelände im innerstädtischen Bereich noch be- kann, während eine mögliche Dekontamination vor Ort
baut, so können sich die Abbruchkosten vor allem dann Kosten von 20,– bis 600,– €/t verursacht. Je früher
in erheblichen Dimensionen bewegen, wenn ein Indus- man sich mit diesem Problem auseinandersetzt, umso
triebetrieb Produkte mit kontaminierten Rückständen mehr kann man die Auswirkung bei der späteren
produziert hat. Planung und Ausführung begrenzen. So ist es in der
Regel sinnvoller, teilweise auf eine Bebauung des
Auch das Umlegen oder Ersetzen vorhandener Leitun- Grundstücks zu verzichten und den Boden an Ort und
gen kann zu einem erheblichen Kosten- und Zeitfaktor Stelle zu belassen. Dazu muss jeweils die aktuelle
werden, da in der Regel neue Trassen gesucht werden Gesetzgebung bezüglich der Entsorgungspflicht für das
müssen, die zum Teil eigene Genehmigungsverfahren gesamte Grundstück geprüft werden.
bedingen. Vor allem im Zusammenhang mit Leitungen
der Deutschen Telekom AG oder anderer Netzbetreiber Grundwasserspiegel, Quelleinzugsgebiet: Entscheidend
sowie der Deutschen Bahn AG sind hier langwierige für die Bebaubarkeit des Grundstücks in den Unter-
Verhandlungen die Regel. Als Ausweg werden häufig ein geschossen, z. B. für Tiefgaragen, Technikzentralen und
Verbleib auf dem Gelände und eine damit notwendige Lagerflächen, ist heute der Grundwasserspiegel. Bauen
Integration in das zu planende neue Gebäude als das oder Gründen im Grundwasser verursacht erhebliche
kleinere Übel angesehen, obwohl auch damit erhebliche Mehrkosten, sodass man vor dem Grundstückskauf
Kosten verbunden sind. Besonders intensiv muss auf versuchen sollte, den Grundwasserspiegel im
den Liegenschaftsämtern danach geforscht werden, ob Bereich des Grundstücks bei den Behörden zu erfragen.
für das Grundstück besondere zusätzliche Eigentums-, Letztendliche Sicherheit hierüber gibt natürlich nur ein
Nutzungs- oder Zufahrtsrechte bestehen. Solche Belas- Bodengutachten, das jedoch vor Grundstückserwerb zu
tungen entpuppen sich in aller Regel als große Gefahr, teuer und zu zeitaufwendig ist, da gesicherte Aussagen
wenn man vom bestehenden Planungsrecht abweichen über das Grundwasser nur durch Dauerbrunnen gemacht
will und ein Bebauungsplan-Änderungsverfahren vorge- werden können. Besondere Vorsicht ist in jedem Fall
sehen ist. dann geboten, wenn das Grundstück im Bereich eines
Quelleinzugsgebietes liegt.
Baugrund: Einen wesentlichen Einfluss vor allem auf
die Untergeschosse sowie die Gründung von geplanten Umweltauflagen: Von Umweltschutzbehörden werden
Gebäuden haben die Beschaffenheit des Baugrunds, im Wesentlichen die folgenden Themen in die Bebau-
die Lage des Grundwassers sowie benachbarte Gebäu- ungsplanverfahren eingebracht:
de, Verkehrstrassen und Leitungstrassen.
– Erhaltung von Frischluftschneisen
Altlasten: Ergibt sich während der Recherche der Ver- – Reduzieren von Emissionen
dacht auf kontaminierten Boden, so ist dringend eine – Gewässerschutz
chemische Analyse zu empfehlen. Stellt sich eine – Baumschutz
Sanierungsbedürftigkeit heraus, so gilt im Grunde das – Vermeidung von Oberflächenversiegelung
Verursacherprinzip. Allerdings ist grundsätzlich der
Eigentümer für die Sanierung verantwortlich. Während In einer Grundsatzbesprechung mit den entsprechen-
bei normalem Aushubmaterial heute die Transport- den Behörden kann geklärt werden, welche übergeord-
probleme aus den verstopften Innenstädten sowie die neten Vorstellungen für diesen Bereich vorliegen.
Möglichkeiten des Recyclings im Vordergrund stehen,
sind es bei kontaminierten Böden die unterschied- Beweissicherungsverfahren: Grenzen direkt an das
lichen Möglichkeiten der Behandlung. Dabei ist derzeit Grundstück Gebäude, S-Bahn- oder U-Bahn-Trassen
davon auszugehen, dass der Abtransport von hoch- sowie Ver- und Entsorgungsleitungen, und hat man
kontaminierten Böden bis zu 1.000,– €/t betragen vor, im Bereich der Grundstücksgrenze tiefer gehende
25
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Baumassenüberprüfung
2.2.3 Machbarkeitsstudie und Renditeprüfung Häufig sind die Vorstellungen der Bauherren nicht mit
den Vorstellungen der jeweiligen Kommunen kompatibel.
Flächenmodell Auch vorhandene Bebauungspläne sind in den seltens-
Aus dem Raumprogramm (Nettoflächen) kann über ten Fällen bei Großprojekten geeignet, die richtige
nutzungsabhängige Faktoren ein Bruttoflächenmodell Lösung zu finden. Fast immer soll eine möglichst dichte
mit zugeordneten Kostenkennwerten und Mieten er- Bebauung erfolgen, was allerdings oft ein verhängnis-
stellt werden (siehe Abb. 2–6). voller Fehler für die spätere Nutzung und Vermarktung
sein kann. Deshalb ist es wichtig, zunächst zu unter-
suchen, welche Bebauungsdichte denn überhaupt
Einnahmen
Verkaufserlös, möglich und sinnvoll ist. Durch geeignete Verfahren
Mieten,
Ausgaben Nebenkosten, kann man die Konsequenzen solcher unterschiedlicher
Grundstückskosten, Effektivität,
Baukosten, Imagegewinn Dichten darstellen und damit eine neutrale Diskussions-
Betriebskosten,
Instandhaltung, basis schaffen, die in aller Regel zu vernünftigen Ver-
Zinsen, Tilgung
einbarungen sowohl für den Bauherrn als auch für die
Kommune und ihre Bürger führt (siehe Abb. 2–7).
1.715 pro Geschoss x 42 = 72,030 1.715 pro Geschoss x 42 = 72,030 1.715 pro Geschoss x 55.25 = 94,754
Hotelhochhaus 62 m
1,440 pro Geschoss x 12.5 = 18,000 1,440 pro Geschoss x 29 = 41,760 1.400 pro Geschoss x 29 = 41,760
Technik auf dem Dach Technik auf dem Dach Technik auf dem Dach
und im Turmbereich und im Turmbereich und im Turmbereich
22 m 22 m 13,655 22 m
DG 2,000 9,000 DG 2,000 11,383 DG 2,000
5. OG 8,000 15,000 Luftraum 4. OG 5. OG 8,000 15,000 Luftraum 4. OG 5. OG 9,000 18,700 Luftraum 4. OG
4. OG 9,360 15,000 Luftraum 3. OG 4. OG 9,360 4. OG 9,000 18,700 Luftraum 3. OG
15,000 Luftraum 3. OG
3. OG 9,360 3. OG 9,360 3. OG 9,360
15,000 Luftraum 2. OG 15,000 Luftraum 2. OG 18,700 Luftraum 2. OG
2. OG 9,360 2. OG 9,360 2. OG 9,360
1 . OG 7,800 21,000 Luftraum 1 . OG 1 . OG 7,800 37,500 Luftraum 1 . OG 1 . OG 7,800 37,500 Luftraum 1 . OG
P1 7,700 22,500 14,300 5,000 Leitungen, U-Bahn 1 . UG P1 10,000 24,500 14,100 5,000 Leitungen, U-Bahn 1 . UG P1 7,800 24,500 17,600 5,000 Leitungen, U-Bahn 1 . UG
P2 7,700 P2 10,000 P2 7,800
25,884 10,700 5,000 Leitungen, U-Bahn 2. UG 27,774 10,900 5,000 Leitungen, U-Bahn 2. UG P3 7,800 24,492 11,625 5,000 Leitungen, U-Bahn 2. UG
P3 7,700 P3 10,000
P4 45,000 4,850 Leitungen 3. UG P4 48,500 4,850 Leitungen 3. UG P4 55,000 4,100 Leitungen 3. UG
P5 45,000 4,850 Leitungen 4. UG P5 48,500 4,850 Leitungen 4. UG P5 55,000 4,100 Leitungen 4. UG
Abb. 2–7 Prüfen von Varianten der Bebauungsdichte (Potsdamer Platz in Berlin)
26
ERARBEITEN DER PLANUNGSIDEE
27
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Schließlich wird eine Reihenfolge festgelegt und mög- Bei Mehrfachbeauftragungen ist sowohl ein kooperati-
lichst ein 1. Preisträger benannt, dessen Entwurf zur ves als auch ein anonymes Verfahren möglich. Im ersten
Ausführung durch den Investor empfohlen wird. Fall stehen die Architekten dem Bauherrn sozusagen in
Es können Wettbewerbe nach GRW oder Mehrfachbe- direkter Abstimmung gegenüber. Beim anonymen Ver-
auftragungen durchgeführt werden (siehe Abb. 2–9). fahren dagegen entscheidet ein neutrales Preisgericht
über die Qualifikation der Arbeiten; in der Regel folgt
Bei Wettbewerben nach GRW, die auch die europäischen der Bauherr der Empfehlung des Preisgerichts, er hat
Dienstleistungsrichtlinien einbeziehen, sind die Rand- aber auch die Möglichkeit, einen der weiteren Preisträger
bedingungen für Architektenwettbewerbe festgelegt; zu beauftragen.
unter anderem wird grundsätzlich von einem anonymen
Verfahren ausgegangen. Die einzige Ausnahme – das Als besonderes Verfahren in der GRW ist derzeit der
kooperative Verfahren nach GRW – eignet sich für kombinierte Wettbewerb in der Erprobung. Diese Kom-
besonders schwierige Projekte, bei denen die Lösung bination von Planung und Bauleistung hat zum Ziel,
der Aufgabe im Meinungsaustausch zwischen Auslober, die Baukosten zu senken.
Preisgericht und Teilnehmer erarbeitet wird. Für die Ein-
haltung der „Spielregeln“ sorgen die Wettbewerbsaus-
schüsse der Architektenkammern und bei öffentlichen
Auftraggebern zusätzlich behördliche Instanzen.
28
ERARBEITEN DER PLANUNGSIDEE
© Uwe Rau
Abb. 2–12 Diskussion des Preisgerichts beim Wettbewerb
© Projektgesellschaft Neue Messe GmbH & Co. KG
29
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
2.2.5 Bewertung der Entwürfe nach Lean-Kriterien – Ist die Planung für eine optimale Logistikeinrichtung
geeignet? Dazu sind angemessene Flächen, deren
Die einzelnen Entwürfe werden bereits in diesem Zuschnitt und Verbindung für Transportwege ent-
Stadium nach Lean-Kriterien überprüft wie am Beispiel scheidend.
eines Projektes mit Revitalisierungsbereich und Neu- – Wie gut sind die Taktungsmöglichkeiten? Dies ist
baubereich. Dabei wurden folgende Kriterien unter- abhängig von der Anordnung und der Gleichheit der
sucht (siehe Abb. 2–13): Ausbaumodule. Je mehr identische Module, umso
besser die Taktungsmöglichkeiten.
– Können Neu- und Rückbau parallel erfolgen? Dazu – Ist die Aufteilung der Baustelle in Teilabschnitte
ist die Anordnung von zwei getrennten Baukörpern möglich? Dies ist vor allem vom Standort der Technik-
erforderlich. zentralen und von der Technikanbindung abhängig.
– Kann das Projekt gut in unterschiedliche Ausbau- – Ist eine Teilinbetriebnahme möglich? Erforderlich ist
module unterteilt werden? Dazu darf es möglich eine autarke Versorgungsmöglichkeit getrennter Teil-
wenig Schnittstellen bzw. Überschneidungen der abschnitte mit eigenem Zugang.
Bereiche geben. – Wie werden die Auswirkungen auf den Terminplan
– Wie hoch kann der Vorfertigungsgrad sein? Er ist eingeschätzt? Hierzu sind Ablaufstudien zu den
umso höher, je weniger unterschiedliche Typologien einzelnen Entwürfen unter Beachtung der
verwendet werden. vorstehenden Aussagen erforderlich.
30
PROJEKTORGANISATION
2.3 Projektorganisation oder auch nicht. Dies ist oft abhängig davon, ob dessen
Ziele mit den eigenen übereinstimmen. Gemeinsame
Operationen werden meist von Begeisterung getragen
und führen häufig zu kreativen Ansätzen, bleiben aber
Aufbauorganisation
in der Regel ohne Ergebnis. Diese Organisation ist
durchaus geeignet, um Projektgrundlagen zu erarbeiten
Zielvorgaben und Zielfortschreibung und Ziele zu definieren. Für die eigentliche Projekt-
abwicklung ist sie aber unbrauchbar.
Ablauforganisation
Die Erfahrung zeigt, dass – unabhängig von der präfe-
rierten Führungsmethode des Projektleiters – eine klare
Vertragswesen und einfache Struktur für eine geordnete Abwicklung
nötig ist. Jeder Beteiligte muss wissen, an wen er sich
wenden kann, wenn Probleme auftreten. Er muss auch
Entscheidungsfindung
überblicken, für welche Bereiche und Mitarbeiter er Ver-
antwortung trägt und wem er Aufgaben zuordnen kann.
Information und Kommunikation
Diese Anforderungen werden am besten in der hierarchi-
Abb. 2–14a Projektorganisation schen Struktur erfüllt. Dies gilt allerdings nur dann,
wenn diese auf einer aufgabenbezogenen Kompetenz
aufgebaut ist und mit den Zielvorgaben auch die ent-
sprechende Eigenverantwortung delegiert wird. Außer-
2.3.1 Bauherrenorganisation dem muss die Anzahl der Hierarchieebenen so gering
wie möglich gehalten werden.
Die gebräuchlichen Organisationsformen liegen alle in
der Regel zwischen einem streng hierarchischen Aufbau Bei allen hierarchisch aufgebauten Strukturen sollte
und dem gewollten oder ungewollten Chaos (siehe immer darauf geachtet werden, dass sie nicht durch
Abb. 2–14b). immer neue Anforderungen ihren klaren und einfachen
Aufbau einbüßen und sich zu „konzerngigantischen“
Die als „gruppendynamisch“ bezeichnete Struktur Gebilden entwickeln. Findet der Projektleiter bereits
zeichnet sich durch die Zusammenarbeit von „Individua- solche unübersichtlichen Strukturen bei Projektbeginn
listen“ aus, die nicht in einer geordneten Hierarchie vor, so muss er alles versuchen, das Projekt „auszu-
organisiert sind. Falls sich ein „Anführer“ heraus- koppeln“.
kristallisiert, folgen die Gruppenmitglieder diesem –
31
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Wie auch immer: Eine klare Entscheidungshierarchie Anders verhält es sich, wenn das Projektmanagement
ist unverzichtbar. Dabei muss immer sichergestellt dem Auftraggeber in einer Stabsfunktion zuarbeitet.
werden, dass dieselbe Struktur durchgängig von der In diesem Falle müssen die von der Projektsteuerung
Projektleitung über das Projektmanagement bis zu den erarbeiteten Unterlagen von den Mitarbeitern der Projekt-
Ausführungs- und Handlungsanweisungen durchge- leitung weitergegeben und durchgesetzt werden. Neben
halten wird. Nur dadurch ist gewährleistet, dass die An- erhöhtem Personalaufwand kommt es dabei zu einer
weisungen unverfälscht bei den Ausführenden ankom- Art indirekten Steuerung mit eingeschränkter Eigen-
men und auch der Ausführungsreport an die Projektlei- verantwortung. Die Projektsteuerung arbeitet in diesem
tung innerhalb dieser Struktur erfolgt (siehe Abb. 2–15). Falle mehr als Zuarbeiter der Projektleitungen und als
internes Controlling (siehe Abb. 2–16b).
Das Projektmanagement ist für den Bauherrn ein unver-
zichtbares Instrument zur Ablaufkoordination und
Projekt-
management
Information, T-Pläne
32
PROJEKTORGANISATION
Kreistag
POLITISCHE
„Zweitmeinung“
Bürgerbeteiligung Lenkungsgruppe (Second Opinion)
EBENE
Öffentlichkeitsarbeit
Pressearbeit Kaufmännischer Support
Gesamtprojektleitung (Bau/Nutzer)
OPERATIVE
Bei sehr großen Projekten ist die Bauherrenorganisation und der Landkreis muss bezahlen, was zwangsläufig zu
nicht immer so ganz einfach abzubilden. Vor allem wenn gegensätzlichen Vorstellungen führt, die von der
wie im Falle der Abb. 2–17 ein Landkreis als Investor Gesamtprojektleitung zusammengeführt werden müs-
und ein Klinikverbund als Nutzer und Betreiber fungiert, sen. Hinzu kommen die Anforderungen von Behörden,
empfiehlt es sich, parallel zum Bauprojektmanagement vor allem zu den Raumordnungs- und Genehmigungs-
ein sogenanntes Nutzermanagement zu platzieren. verfahren. Den Gesetzen des Projektes angepasst, muss
dann auch das Projektmanagement organisiert werden.
Damit kann sichergestellt werden, dass Bau- und Nutzer-
projekt eng miteinander verzahnt werden und das Damit jeder den richtigen Ansprechpartner hat, wird das
Bauprojekt die richtigen Vorgaben vom Nutzerprojekt Projektmanagementteam unter dem Gesamtprojekt-
erhält. Im vorliegenden Fall bilden Investor und Nutzer management aufgeteilt in Projektleitung Bau und Tech-
eine Lenkungsgruppe, die auch für Bürgerbeteiligung nik und separat davon die Projektleitung Nutzer. Analog
und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Die Anforderun- dazu werden dann ebenfalls konsequent die Planung,
gen und Inputs kommen von den Nutzern und Betreibern, Objektüberwachung und Bauausführung strukturiert.
33
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
PROJEKTMANAGEMENT
Planungsbüros / Baufirmen
Eindeutig definierte Zielvorgaben sind die Grundlage
AUFTRAGGEBER
Vorgaben
jeder geordneten, dennoch kreativen Projektabwick-
lung. Basis der Zieldefinition ist die Problemanalyse.
Das heißt die Lösung der Frage: „Was wollen wir?“ Vorgaben
PROJEKTMANAGEMENT
Planungsbüros / Baufirmen
leiter weitergegeben. Diese wiederum disponieren und
AUFTRAGGEBER Berichte
überwachen auf der Basis dieser Aufgabenstellungen
die Abwicklung der Planung und der Baudurchführung. Berichte
Durch diese Vorgehensweise entsteht eine stufenweise
Verfeinerung der Zielvorgaben des Projektleiters über Berichte
die einzelnen Hierarchieebenen. So ist es möglich, dass
die konzentrierten und mit wenig Zeitaufwand formulier-
baren prinzipiellen Zielvorgaben des Projektleiters präzise
durchformuliert und terminiert durch eine Vielzahl von Abb. 2–19 Rückmeldung verdichteter Informationen
Beteiligten umgesetzt werden (siehe Abb. 2–18).
34
PROJEKTORGANISATION
2.3.3 Projekt- und Plangliederung einem Teilprojektleiter geführt, während die Fach-
bereichsleiter übergreifend mit allen Teilprojektleitern
Die Organisation eines Großprojektes kann nicht ein- zusammenarbeiten (siehe Abb. 2–21).
fach durch Ausweitung von herkömmlichen Strukturen
zu einer Monsterorganisation erfolgen. Sie erfordert Natürlich muss zusätzlich eine übergeordnete Gesamt-
vielmehr ein Zerlegen in Teilprojekte, bis überschaubare organisation installiert werden (Organisation der Orga-
Größenordnungen und Einheiten entstehen, die mit nisation). Dies ist auch der Grund dafür, dass die Orga-
üblichen organisatorischen Methoden abgewickelt nisation eines Großprojektes von > 100 Mio. € deutlich
werden können. aufwendiger ist als die Organisation von kleineren Pro-
jekten. Durch die zusätzliche Organisationsebene steigt
Eine Möglichkeit ist die Aufteilung in eine Matrix- der spezifische Aufwand bei sehr großen Projekten
organisation mit Teilprojekten und Fach- oder Experten- exponentiell an und kann nur durch höchste Professio-
bereichen. Dabei werden die Teilprojekte jeweils von nalität der Beteiligten im Griff behalten werden.
DEBIS-IMMOBILIENMANAGEMENT
TP 3
Teilprojekt 1: Wohnen,
CinemaxX, Büros, Hotel TP 8
Termincontrolling TP 7
U3/B96
Teilprojekt 2: Büro Anlieferung
Baustellenlogistik TP 5
Teilprojekt 3: Wohnen,
Büros, Imax, Einzelhandel
Kostencontrolling
Straßentunnel B 96
Teilprojekt 4: Büros TP 4
Planungsmanagement
Teilprojekt 5: Musical,
Varieté, Spielbank
Ausschreibung TP 9
Teilprojekt 6: Regional-
bahnhof
Vergabevorbereitung Verzahnung der debis-Baustelle
Teilprojekt 7: U3/B96/ mit den Umfeldmaßnahmen
Anlieferung
TP = Teilprojekt
Vertragsmanagement
Teilprojekt 8: Infrastruktur,
Logistik debis-Baumaßnahmen
Qualitätsmanagement Baumaßnahmen Umfeld
Teilprojekt 9: Parkhaus
Gleisdreieck
35
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Als nächste Aufgabe im Rahmen der Projektorganisation bereiche sollten bereits so bezeichnet werden, wie es
muss die Grundlage für die Verständigung untereinander im späteren Betrieb vorgesehen ist. Auf der Grundlage
geschaffen werden. Dies geschieht, indem das Projekt der Bauteil- und Geschossgliederung erfolgt eine durch-
nach einzelnen Abschnitten strukturiert wird. gängige Planaufteilung für alle Maßstäbe und alle Teil-
gewerke (siehe Abb. 2–22).
Funktionsbereiche
Abb. 2–23 Systemzeichnung Lageplan
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Bauteil/Geschoss
A1
A2
5 Funktionen
A3
in einem Da alle Planunterlagen erfahrungsgemäß im Verlauf der
B1 Bauteil/
Geschoss Planung einer Veränderung unterliegen, kommt einer
B2
B3 klaren und eindeutigen Dokumentation der Änderungen
große Bedeutung zu. Es ist wichtig, dass alle Planungs-
1 Funktion auf 4 Bauteile/Geschosse verteilt
beteiligten als Grundlage Pläne mit dem gleichen Index
verwenden. Eine Änderungsdokumentation wird in etwa
Abb. 2–22 Objektgliederung und Codierung so aufgebaut wie im Schema Änderungsdienst (siehe
Abb. 2–24).
Dazu wird das Projekt zunächst nach konstruktiven Ge- In prinzipiell gleicher, jedoch vereinfachter Form sind
sichtspunkten in Bauteile und Geschosse aufgegliedert, auch die übrigen Dokumente (Aktennotizen, Briefe usw.)
die ihrerseits über eine Matrix den einzelnen Funktions- zu codieren, um neben der Verbesserung der Kommuni-
bereichen zugeordnet werden müssen. Diese Funktions- kation auch die Ablage (z. B. Mikrofilm) zu ermöglichen.
36
PROJEKTORGANISATION
– Auftraggeber = Bauherr in den verschiedensten Formen Die Bauausführung kann erst beginnen, wenn die
– Planer und Berater zuständigen Genehmigungsbehörden die Pläne und
– bauausführende Firmen in den unterschiedlichen Berechnungen freigegeben haben. Die Genehmigungs-
Konstellationen prozesse können bei größeren Bauvorhaben zu äußerst
– Genehmigungsbehörden und Träger öffentlicher zeit- und kostenintensiven Verfahren werden, insbe-
Belange sondere, wenn keine gültigen Bebauungspläne vor-
liegen oder diese geändert werden sollen. In diesen
Fällen steigt die Anzahl der beteiligten Stellen sehr
stark an. Es sind die Träger öffentlicher Belange einzu-
Baurecht, Stadtplanung, Denkmalpflege, Architektur schalten, z. B. Energieversorgungsunternehmen,
Umweltschutzbehörden, und häufig kommen noch
Umweltschutz, Landschaftspflege
Parlamente, Rechnungsprüfung
Wasserwirtschaft,
37
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
– Industrie und Handel Nutzer – Mieter – Betreiber: Für die Nutzung der Immo-
– Bau- und Wohnungswirtschaft bilie hat der Nutzer ein Entgelt, die Miete, zu bezahlen.
– private Investoren aller Art Bei einem aktiven Geschäftsbetrieb spricht man von
einem Betreiber, wie z. B. bei einem Hotel, einem Alten-
Projektentwickler – Initiator – Developer: Er hat die Idee wohnstift, einem Musicaltheater oder einem Kaufhaus.
für das Projekt, sucht das Grundstück und bereitet die Die Nutzer, Mieter oder Betreiber treten häufig als
Umsetzung einschließlich der Baugenehmigung vor. „Quasi-Bauherren“ vor allem für den Innenausbau auf,
Vor einer Realisierung beschafft er wenn möglich die da dieser auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnitten
Mieter und sucht dann einen Endinvestor, der das Pro- wird.
jekt übernimmt. Erst dann wird in der Regel das Projekt
angegangen. Realisierungen auf Vorrat und Verdacht Der Projektmanager vertritt den Bauherrn gegenüber
sind mit hohen Risiken behaftet und bilden eher die allen anderen an der Planung und dem Bau Beteiligten
Ausnahme. Die herausforderndste und entscheidende und zieht den Bauherrn selbst nur in wichtigen Ent-
Leistung ist die Beschaffung des geeigneten Grund- scheidungsfällen hinzu, die er entsprechend vorbereitet
stücks, die häufig der Idee vorausgeht. Im heutigen hat. Seine diesbezüglichen Kompetenzen werden in
engen Grundstücksmarkt ist gerade in Toplagen jedes Abhängigkeit von der eigenen Managementkapazität
Grundstück heiß umkämpft. Die Frage nach einer des Bauherrn vertraglich geregelt. Dies kann von einer
möglichen Vermarktung und damit der vorgesehenen reinen Management-Unterstützung bis hin zu weit-
Nutzung wird deshalb oft erst an die zweite Stelle ge- reichenden Vertretungsvollmachten gehen.
stellt. Für die Grundstückssuche und die Mieterbeschaf-
fung arbeitet der Projektentwickler in der Regel mit Mögliche Organisationsformen der Planer und Berater
Immobilienmaklern zusammen. Bei der Planungsvor- Die Anzahl der beteiligten Planer und Berater ist im
bereitung, der Beschaffung der notwendigen Genehmi- Laufe der Zeit immer mehr gestiegen. Dies ist das
gungen sowie der Überwachung der Realisierung setzt Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen:
er eigene oder fremde Projektmanager und Planer ein.
– Die Komplexität der Technik bei Gebäuden hat
Der Projektentwickler bringt Angebot (an Grundstücken) beständig zugenommen, weshalb sich immer mehr
und Nachfrage (nach Immobilien) durch Entwicklung spezialisierte Experten herausgebildet haben.
eines Bauprojekts zusammen. – In der Folge sind auch Genehmigungsvorgänge und
Zulassungen zusehends komplizierter geworden,
Projektmanager – General Manager: Schwerpunkt der sodass auf allen Seiten zusätzliche Gutachter
Aufgaben des Projektmanagers ist die Optimierung beschäftigt werden.
der aus der Vermarktungsstrategie sich ergebenden – Beim Abschluss von Verträgen wird von vielen Bau-
Programm- und Planungsvorgaben des Auftraggebers herren zunehmend versucht, Risiken auf die Auftrag-
in funktionaler, wirtschaftlicher und bautechnischer nehmer abzuwälzen. Durch das gegenüber den früher
Hinsicht und deren Umsetzung durch Planer und Bau- vorherrschenden Eigennutzern bei Investoren-
firmen. Er hat in Abstimmung mit dem Auftraggeber projekten erforderliche Renditedenken sind die Bau-
einen Gebäudestandard (was bekommt der Nutzer preise immer mehr unter Druck geraten. Die Unter-
geboten?) zu definieren und auf dieser Basis einen nehmer haben darauf mit Claim Management
Kosten- und Terminrahmen festzulegen. Das Controlling reagiert. Diese Situation hat zu einem zunehmenden
und die Einhaltung dieses Kosten- und Terminrahmens Einsatz von Rechtsanwälten auf beiden Seiten geführt.
hat er durch geeignete Verfahren unabhängig von der
Vergabestrategie sicherzustellen, den Auftraggeber Es gibt folgende Konstellationen (siehe Abb. 2–26):
über alle Abweichungen zu informieren und die not- Einzelplaner: Die – in der Regel freiberuflichen –
wendigen Entscheidungen herbeizuführen. Architekten und Fachplaner für Tragwerk, technische
38
PROJEKTORGANISATION
Anlagen, Bauphysik etc. setzen die Programm- und Sicherheitstechnik, die ebenfalls in die Gesamtplanung
Standardvorgaben des Auftraggebers/Projektmanage- integriert werden müssen.
ments entsprechend den Leistungsbildern der Honorar-
ordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) stufen- Die inhaltliche Koordination der einzelnen Planungs-
weise in Planungskonzepte, Genehmigungs- und Aus- beteiligten liegt bei den Architekten, die allerdings vor
führungspläne sowie in Leistungsbeschreibungen um, allem bei Großprojekten damit häufig überfordert sind,
nach denen die ausführenden Firmen arbeiten. Dazu sodass erhebliche Koordinierungsleistungen, auch in-
üben sie in der Regel die örtliche Bauleitung (Objekt- haltlicher Art, auf das Projektmanagement zurückfallen.
überwachung, Gebäude- und Objektüberwachung,
technische Ausrüstung) aus. Teilweise Paketierung: Der hohe Koordinationsaufwand
der einzelnen Fachgewerke sowie das Erfordernis einer
In vielen Fällen wird die Ausführungsplanung heute integrierten Planung für nachhaltige Gebäude (vor allem
von den bauausführenden Unternehmen erbracht, Heizung, Lüftung, Sanitär, Elektroanlagen, Bauphysik,
die dafür allerdings häufig spezialisierte Ingenieur- Fassadenkonstruktion, Dach) haben zu größeren
büros einschalten. Dies betrifft neben den Schal- und Anbietern geführt, die diese Leistungen als General-
Bewehrungsplänen bei den Stahlbetonarbeiten auch fachplanung mit interner Koordination anbieten,
die Ausführungsplanung der Stahlbauten sowie der wodurch sich die Schnittstellenproblematik reduziert.
technischen Gewerke und des Ausbaus. Bei Fertig-
bauten wird die gesamte Planungsleistung generell von Dasselbe gilt für die Paket-Übernahme der Objektüber-
den ausführenden Bauunternehmen realisiert. wachungen Gebäude und technische Ausrüstung als
Generalbauleitung.
Aufgrund der Spezialisierung gibt es heute in der Regel
separate Berater für Küchenplanung, Förderanlagen, Generalplaner: Die zunehmende Zahl von Planungsbe-
Brandschutz und Entrauchung, Schwachstromanlagen, teiligten durch fortschreitende Spezialisierung der
39
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
einzelnen Fachgebiete hat vor allem im Industrie- und her. Sie erhalten in der Regel eine Vergütung nach
Anlagenbau zunehmend zum Einsatz von General- Einzelpositionen und Massenberechnungen unter
planern geführt. Ihre Aufgaben umfassen die gesamten Anwendung von Lohngleitklauseln. Alternativ sind Fest-
Planungsleistungen einschließlich der Architektur mit preisvereinbarungen empfehlenswert, da sie meist für
eigenen Mitarbeitern oder mit von ihnen beauftragten einen geringen Aufpreis das Inflationsrisiko auf die
Subplanern. Sie sind damit der allein verantwortliche Unternehmerseite verlagern.
Ansprechpartner des Auftraggebers und übernehmen
häufig auch die Projektsteuerung aufseiten der Auftrag- Teil-Generalunternehmer: Bei sehr schwierigen und
nehmer. Generalplaner sind meist Planungs-GmbHs anspruchsvollen Bauaufgaben ist in letzter Zeit häufiger
von Architekturbüros, da sie häufig Teile der Leistungen die Zusammenfassung von Gewerken mit vielen Schnitt-
ihrerseits wieder an freiberufliche Einzelplaner ver- stellen und gegenseitigem Koordinierungsaufwand
geben, diese aber intern koordinieren. zu sogenannten Teil-GU oder Bauteil-GU angewendet
worden (Paketvergabe).
Problematisch bei der Generalplanerlösung ist häufig,
dass hoch qualifizierte Spezialbüros sich nicht gerne Typische Beispiele sind die Technikgewerke „Heizung
in diese Organisation als Subunternehmer einbinden – Lüftung – Sanitär – Sprinkler – Gasversorgung“ oder
lassen, was besonders für renommierte Architekten „abgehängte Decken – Trennwände – Schrankwände“
gilt. Außerdem ist die Managementkompetenz häufig im Bürohausbau. Diese Gewerke bilden dann eine
nicht so ausgeprägt, wie es erforderlich wäre, um der Arbeitsgemeinschaft, die als Teil-GU für diese Gewerke
Optimierung der Prozesse und der Wirtschaftlichkeit den Gesamtauftrag erhält. Die Abwicklung ähnelt der
den notwendigen Stellenwert einzuräumen. Variante mit Einzelplanern und Einzelgewerken, da
auch hier die Beteiligten gleichzeitig beauftragt werden
Mögliche Organisationsformen der ausführenden Firmen müssen. Es kann daher mit der gleichen Effektivität
Die Organisation der bauausführenden Firmen kann und nur leicht eingeschränkter Flexibilität gearbeitet
sehr unterschiedlich gestaltet sein, je nach den Zielvor- werden.
gaben des Bauherrn. Möchte dieser möglichst großen
Einfluss auf die Ausführung nehmen und stufenweise Ein weiteres Beispiel sind die Gewerke „Dach –
Ausführungsentscheidungen treffen, dann muss er Fassade“. Bei dieser Kombination kann sehr schnell ein
vertraglich möglichst flexibel bleiben und immer nur so regendichtes Gebäude mit den entsprechenden Unter-
viele Leistungen vergeben, wie in der aktuellen Phase nehmen abgestimmt und an diese vergeben werden,
erforderlich sind. ohne dass die übrige Planung schon den für eine GU-
Vergabe notwendigen Detaillierungsgrad aufweist.
Will er dagegen vor allem einen Festpreis und garan-
tierte Termine, so ist nur ein einziger Vertragspartner In diesem Verfahren sind jedoch auch Risiken enthal-
die Strategie der Wahl. Nachfolgend sind die einzelnen ten. So erfordern derartige Vergabearten aufseiten des
Möglichkeiten beschrieben (siehe Abb. 2–27): Projektmanagements tief gehende Kenntnis des Mark-
tes und der planerischen Zusammenhänge.
Einzelunternehmer (Rohbaugewerk, Ausbaugewerke,
Technikgewerke, Einrichtung, Freianlagen): Die Einzel- Generalunternehmer/General-Contractor: Der Wunsch
unternehmer übernehmen die Erstellung der einzelnen der Bauherren nach „garantierten“ Kosten und Termi-
Gewerke eines Projekts nach den Plänen und Aus- nen bei gleichzeitig reduziertem eigenem Aufwand hat
schreibungsunterlagen der Architekten und Fachplaner. zur Entwicklung des Generalunternehmers geführt.
Für spezifische Gewerke (vor allem Fassade, Technik Dieser ist in der Regel selbst Bauunternehmer – meist
und Ausbaugewerke mit Werkstattfertigungsanteilen) für die Rohbauarbeiten –, während er die übrigen
stellen sie eigene Werkstatt- und Montagezeichnungen Leistungen an Nachunternehmer weitervergibt. Der
40
PROJEKTORGANISATION
Generalunternehmer übernimmt die schlüsselfertige Vermietung oder den Verkauf des Objekts. Für die
Erstellung des Bauwerks auf der Grundlage von Planun- Schnittstellen zur Planung und Bauvorbereitung gibt es
terlagen und einer Leistungsbeschreibung. Er trägt das verschiedene Möglichkeiten:
in der Weitervergabe von Bauleistungen an Nachunter-
nehmer liegende Preisrisiko und schließt mit dem – Kompletter Planungsvorlauf mit Einzelleistungsver-
Auftraggeber einen „GU-Vertrag“ zum Festpreis und zu zeichnissen (HOAI Phase 1 bis 7): In diesem Fall wird
einem vereinbarten Termin ab. die Planung bis zur Ausführungsplanung in allen
Gewerken fertiggestellt und ganz normale Leistungs-
Dabei werden allerdings häufig bestimmte Risiken aus- verzeichnisse werden für alle Gewerke erstellt. Der
gegrenzt oder nur zu überhöhten Preisen übernommen. GU ist in diesem Fall nur als reines, ausführendes
Unternehmen ohne Einflussnahme auf die Planung
Beispiele hierzu sind: tätig.
– Baugrundrisiko: Tragfähigkeit, Wasserhaltung,
verseuchter Untergrund, verseuchtes Grundwasser – Reduzierter Planungsvorlauf mit Raum- und Baubuch:
– Risiken aus der Baugenehmigung; insbesondere Als Ausschreibungsunterlagen liegen vom Architekten
Brandschutzauflagen, Auflagen der Gewerbeauf- die Genehmigungs- und die Ausführungsplanung vor,
sichtsämter, die häufig im Ermessen dieser Behörden die allerdings mehr als Systemplanung und Darstel-
stehen und nicht von Beginn an überschaubar sind. lung der maßgeblichen architektonischen Details zu
verstehen ist. Hinzu kommen ein vollständiges Raum-
Der Generalunternehmer trägt nicht das Risiko für buch sowie eine detaillierte Bau- und Qualitäts-
die Baugenehmigung, die Zwischenfinanzierung, die beschreibung.
HLS Elektro Aufzüge Steuerung HLS Elektro Aufzüge Steuerung HLS Elektro Aufzüge Steuerung
Boden Wände Decken Restausbau Boden Wände Decken Restausbau Boden Wände Decken Restausbau
41
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Für die Tragwerksplanung und die technische Ausrüs- werden. Sie sind die „Designer“ und werden so in der
tung genügen die Vorplanung und Teile des Entwurfs, Regel auch eingesetzt. Arbeitet ein Bauherr nicht mit
ergänzt durch entsprechende Bau- und Qualitätsbe- GU, wie z. B. häufig in Skandinavien, so übernimmt
schreibungen. Die übrigen Planungsleistungen werden ein großes Ingenieurbüro die Ausführungsplanung im
vom GU erbracht und von den Architekten und Fach- Sinne der HOAI.
ingenieuren freigegeben. Dies ist das übliche Verfahren
für individuell geplante und architektonisch anspruchs- – Generalübernehmer – Bauträger: Der Generalüber-
volle Gebäude. nehmer oder Bauträger tritt schon zu Beginn der
Planung in das Projekt ein. Er übernimmt die Planung
– Entwurf und Baubeschreibung für einfache Bauauf- und den Bau der Immobilie, die Finanzierung und die
gaben: Für einfachere Gebäude genügen ein quali- Vermietung oder den Verkauf. Er trägt das wirtschaftliche
fizierter Vorentwurf und eine Baubeschreibung nach Risiko bis zur betriebsbereiten Übergabe an einen
Gewerken. Der GU hat in diesem Fall die meisten Investor, einschließlich Zwischenfinanzierung und
Optimierungsmöglichkeiten, was sich in einem güns- Endfinanzierung. Typisch ist der Einsatz beim Erstellen
tigen Angebot, aber auch in einem ständigen Kampf von Eigentumswohnungen oder Bürobauten zur
um die gewünschte Qualität niederschlägt. Der GU Vermietung.
wird in diesem Fall schon im Rahmen der durch den
Architekten für den Auftraggeber (AG) zu erbringenden
Genehmigungsplanung eingeschaltet. Die Architek-
tenplanung übernimmt der GU ab der Ausführungs- 2.4 Abwicklungsstrategie
planung, wobei dem Architekten vom AG meist eine
künstlerische Oberleitung eingeräumt wird. 2.4.1 Alternative Managementmodelle aufseiten
des Auftraggebers
– Angelsächsische Methode: Der AG liefert eine
vollständige Planung und Baubeschreibung mit den Generell kann der Bauherr alle Managementleistungen
Ausschreibungsunterlagen. Diese Pläne und „spe- im eigenen Hause erbringen. Er kann sie aber auch ganz
cifications“ enthalten zwar sehr detailliert alle Pla- oder teilweise an professionelle Projektmanagement-
nungsangaben, es handelt sich jedoch nicht um eine Unternehmen vergeben. Ob und in welchem Umfang er
durchgearbeitete und koordinierte Ausführungs- das tut, hängt von der speziellen Situation des Bauherrn
planung wie die der HOAI. Sie zeigt vielmehr nur das, ab. Dazu gibt es zahllose Ansichten und theoretische
was der AG später „sieht“. Die genaue Art der Um- Ausarbeitungen. Entscheidend ist, dass nach der prakti-
setzung ist Sache des General Contractors. Dieser hat schen Erfahrung und wissenschaftlichen Untersuchungen
demzufolge auch die Ausführungspläne sowohl für zufolge bei einer frühzeitigen Einschaltung von professi-
den Architekten als auch für die Tragwerksplanung onellen externen Projektmanagern ein Optimierungs-
und die technische Gebäudeausrüstung zu erstellen. potenzial von 10 bis 15 % der Bausumme oder mehr ge-
hoben werden kann. Dies hängt von der Professionalität
Hier liegt häufig auch eine Quelle des Missverständ- und Kompetenz des externen Projektmanagers sowie
nisses zwischen deutschen Bauherren und eng- vom Umfang der übertragenen Verantwortung ab.
lischen oder amerikanischen Architekten, da diese
meist davon ausgehen, dass der Unternehmer diese Im folgenden Kapitel sind praktikable Lösungen in
Koordination wahrnimmt. Sie konzentrieren sich Varianten beschrieben, wie sie sich aus über 35-jähriger
daher viel mehr auf die Darstellung der optischen Praxis des Verfassers darstellen. Die jeweiligen Vor- und
Erscheinung des Gebäudes und der ihnen wichtigen Nachteile werden von den Bauherren in Abhängigkeit
Details. Wie diese zu realisieren sind, ist oft von von ihren jeweiligen Prioritäten bei den einzelnen Vari-
untergeordneter Bedeutung – es muss eben gelöst anten durchaus unterschiedlich gesehen.
42
ABWICKLUNGSSTRATEGIE
Übersicht über mögliche Varianten Die dargestellten Varianten bauen sich stufenweise auf,
In der Praxis haben sich die dargestellten Varianten wobei der Bauherr immer mehr Verantwortung an seinen
als gängig herausgestellt, wobei sich die Construction- externen Manager überträgt bis hin zu einer Komplett-
Management-Varianten aus dem angelsächsischen übernahme der Gesamtleistung. Entsprechend muss
Bauwesen entwickelt haben und international einge- der Vertrauensfaktor mit der Zunahme der übertragenen
setzt werden können (siehe Abb. 2–28). Verantwortung ebenfalls zunehmen, wobei dann auch
gewisse Kontrollmechanismen zu empfehlen sind.
Logistikplanung Baulogistik
43
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Projektcontrolling Projektsteuerung
Beim Einsatz eines Projektcontrollings ist der Bauherr Beim Einsatz einer Projektsteuerung möchte der Kunde
selbst in der Leitungsfunktion und begleitet das Projekt professionelle Unterstützung in den Bereichen Orga-
sehr intensiv. Er holt sich professionelle Unterstützung nisation, Termine, Kosten und Qualitäten. Er möchte
für ein Controlling der Termine und Kosten – manchmal jedoch selbst in der Leitungsfunktion sein und begleitet
auch für Qualitäten (siehe Abb. 2–29). das Projekt sehr intensiv (siehe Abb. 2–30).
Das Projektcontrolling befindet sich in einer Stabs- Der Projektsteuerer befindet sich wie das Projektcon-
funktion zur Projektleitung des Bauherrn und arbeitet trolling in einer Stabsfunktion zur Projektleitung des
diesem zu, indem Kontrollberichte des tatsächlichen Bauherrn. Allerdings liefert die Projektsteuerung nicht
Verlaufs im Vergleich zu den Vorgaben der Projektlei- nur Kontrolldaten, sondern arbeitet für die Projekt-
tung erstellt werden. leitung Organisations-, Termin- und Kostenpläne aus
und unterstützt die Projektleitung in einer Assistenz-
Die übrigen Projektbeteiligten befinden sich in einer funktion bei der Steuerung. Hinzu kommen natürlich die-
Linienfunktion zum Bauherrn und sind von diesem selben Kontrollfunktionen wie beim Projektcontrolling.
direkt beauftragt. Die Beauftragung der Planung erfolgt
nach oder in Anlehnung an die HOAI, je nachdem ob Auch hier befinden sich die Projektbeteiligten in einer
eine Vergabe der Bauleistungen an einen Generalunter- Linienfunktion zum Bauherrn, von dem sie direkt
nehmer oder aber in Einzelgewerken geplant ist. beauftragt wurden. Je nachdem, ob eine Vergabe der
Bauleistungen an einen Generalunternehmer oder aber
Dem Bauherrn muss bewusst sein, dass das Projektcon- in Einzelgewerken geplant ist, erfolgt die Beauftragung
trolling keinerlei Steuerungsfunktion ausübt. Es zeigt der Planung nach bzw. in Anlehnung an die HOAI.
lediglich erkennbare Abweichungen vom Soll auf, wobei
es die Solldaten nicht selbst ermittelt hat. Die Projektsteuerung übt entgegen dem gewählten
Begriff nur indirekt über die Projektleitung eine Steue-
Die Variante wird angewendet von professionellen Bau- rungsfunktion aus und zeigt nur die Abweichungen vom
herren mit eigenem Know-how, z. B. eigener Bauabtei- Soll auf. Allerdings ist diese Kontrollfunktion deutlich
lung oder bei sehr einfachen Projekten. Der Honorarauf- verbessert, weil die Solldaten entweder selbst ermittelt
wand ist relativ gering und bewegt sich üblicherweise oder aber durch Kontrollberechnungen abgesichert
im Bereich von ca. 0,7 bis 0,9 % der Planungs- und werden.
Baukosten, bei kleineren und/oder sehr komplizierten
Projekten bis 2,0 %.
Bauherr Bauherr
Projekt- Projekt-
Projektleitung controlling Projektleitung steuerung
Fachplaner Fachplaner
Architekt Bauleitung Gutachter Architekt Bauleitung Gutachter
44
ABWICKLUNGSSTRATEGIE
Die Variante wird angewendet von professionellen Die übrigen Projektbeteiligten befinden sich auch hier
Bauherren mit eigenem Know-how, denen aber für wieder in einer Linienfunktion zum Bauherrn und sind
besondere Projekte die Managementkapazität fehlt. Sie von diesem direkt beauftragt. Die Beauftragung der
beauftragen die Projektsteuerung in der Regel zur akti- Planung erfolgt nach oder in Anlehnung an die HOAI,
ven Unterstützung ihrer Projektleitung. Der Honorarauf- je nachdem ob eine Vergabe der Bauleistungen an
wand bewegt sich üblicherweise im Bereich von ca. 1,1 einen Generalunternehmer oder aber in Einzelgewerken
bis 1,5 % der Planungs- und Baukosten, bei kleineren geplant ist.
und/oder sehr komplizierten Projekten auch bis 2,4 %.
Das Projektmanagement übt eine direkte Steuerungs-
Projektmanagement funktion aus, zeigt die Abweichungen vom Soll und
Zusätzlich zu den Leistungen der Projektsteuerung sorgt durch geeignete Gegenmaßnahmen für die Ein-
übernimmt das Projektmanagement vom Bauherrn die haltung der Meilensteine. Die Solldaten werden selbst
Leitungsfunktion gegenüber den Projektbeteiligten. ermittelt und zusätzlich durch Sensitivitätsanalysen
Der Bauherr überträgt in der Regel die sogenannten abgesichert. Ein gutes Projektmanagement sorgt in
delegierbaren Bauherrenfunktionen. Meist handelt es der Regel für eine Punktlandung bei den vereinbarten
sich bei dieser Variante um komplexere Projekte oder Kosten- und Terminzielen sowie für eine weitgehende
um Bauherren, die nicht über eigenes Management- Einhaltung der Qualitäten. Nicht enthalten ist allerdings
Know-how oder über eigene Managementkapazitäten eine intensive Optimierung der Planungsinhalte an sich.
verfügen (siehe Abb. 2–31). Diese liegt im Wesentlichen bei den Architekten und
Fachplanern.
Im Gegensatz zur Projektsteuerung befindet sich der
Projektmanager als „Geschäftsführer auf Zeit“ in einer Die Variante wird angewendet von Bauherren ohne ei-
Linienfunktion mit direkter Weisungskompetenz im genes Management-Know-how. Diese beauftragen das
Auftrag des Bauherrn gegenüber den Planern und Aus- Projektmanagement, um die Projektleitung an profes-
führenden. Er nimmt Einfluss auf die richtige Projektor- sionelle Manager abgeben zu können. Der Honorarauf-
ganisation, die Abwicklungsstrategie und die Prozesse wand bewegt sich üblicherweise im Bereich von ca. 1,6
bis hin zur Ablaufoptimierung und Ablaufsimulation bis 2,1 % der Planungs- und Baukosten, bei kleineren
(als Zusatzleistung). Ebenfalls als Zusatzleistung sorgt und/oder sehr komplizierten Projekten auch bis 3,0 %.
er für die reibungslose und effektive Projektkommuni-
kation und berät den Bauherrn intensiv bei der Vertrags- Construction Management (CM)
überwachung. Beim Construction Management wird aufbauend auf
den beschriebenen Leistungen des Projektmanagers
zum frühestmöglichen Zeitpunkt ausführungsbasiertes
Wissen in das Projekt implementiert. Somit wird zu-
sätzlich zu den üblichen delegierbaren Bauherrenfunk-
tionen auch in weiten Teilen eine originäre Komponente
Bauherr
übertragen. Der Bauherr gibt nur noch die generelle
Linie vor, und der Construction Manager setzt diese
Projektmanagement
dank seiner Planungskompetenz und seiner Manage-
menterfahrung in die planerische Lösung um (siehe
Fachplaner
Architekt Bauleitung Gutachter Abb. 2–32).
Generalunternehmer oder
Einzelunternehmer
45
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Der Construction Manager ist wie der Projektmanager Construction Management“, eines Baustellenleitplans
in Linienfunktion zu den Projektbeteiligten. Er hat aber sowie einer Überprüfung der Machbarkeit über Bauab-
ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Projektbetei- laufsimulationen. Um gezielt die immer wiederkehren-
ligten, welche mit Fokus auf den Bearbeitungsprozess den Konflikte von Planung und Bau im Griff zu behalten,
ausgewählt werden. Alle Planungs- und Ausführungs- wird begleitend ein Risikomanagement aufgesetzt.
aufträge werden unter Mitwirkung und Vorbereitung Dadurch werden sowohl Prozess- wie auch Planungs-
durch den Construction Manager direkt mit dem und Baurisiken transparent und können verhindert oder
Bauherrn/Kunden abgeschlossen. Aufgrund der minimiert werden. Ein zusätzlich zu beauftragendes
Managementkompetenz kommen bei der Variante Anti-Claim-Management wird durch das Construction
„Construction Management“ Einzelplaner und Einzel- Management präventiv vermieden oder professionell
unternehmer oder Paketaufträge zum Einsatz. integriert.
Der Construction Manager optimiert in der „Pre Die Variante wird angewendet von Bauherren ohne
Construction Phase“ zunächst die Planungsabläufe eigenes Management-Know-how, die aber vom Projekt-
und Planungsinhalte mittels seiner Kompetenz und management auch eine intensive fachliche Beratung
Erfahrung. Er selbst erbringt keine Planungsleistungen und Optimierung ihres Projektes erwarten. Das
nach HOAI, sodass nicht der oft zitierte „Interessen- Construction Management beinhaltet für sie deshalb
konflikt“ entstehen kann. Der Construction Manager eine starke inhaltliche Komponente, weshalb sie auch
stellt bereits im Planungsprozess sicher, dass die sehr erfahrene Manager mit Planungs- und Ausführungs-
architektonischen und technischen Lösungen prakti- erfahrung erwarten. Entsprechend bewegt sich der
kabel und wirtschaftlich ausführbar sind. Durch Value Honoraraufwand üblicherweise im Bereich von ca. 2,2 %
Engineering wird immer wieder die Zieldefinition des bis 3,0 % der Planungs- und Baukosten, bei kleineren
Projektes mit dem Planungsstand abgeglichen, wobei und/oder sehr komplizierten Projekten bis 3,9 %.
sowohl die Investitionskosten als auch die später an-
fallenden Betriebskosten (Life Cycle Costs) berücksich- General Construction Management
tigt werden. Deshalb sind im Construction Management Der GCM erbringt zusätzlich zu den CM-Leistungen auch
auch eine professionelle Plankoordination mittels Planungsleistungen, vor allem die konzeptionellen
Planungsmanagement und die inhaltliche Planprüfung Planungsleistungen (siehe Abb. 2–33).
entscheidend.
Zunehmend gibt es Bauherren, die nur einen Ansprech-
In der „Construction Phase“ liegt der Schwerpunkt partner haben wollen, der sie durch alle Leistungs-
auf der Optimierung der Bauabläufe mittels „Lean phasen begleitet. Sie sehen im „One Stop Shopping“-
Bauherr Bauherr
Fachplaner Fachplaner
Architekt Bauleitung Gutachter Architekt Bauleitung Gutachter
Abb. 2–32 Construction Management (CM) Abb. 2–33 General Construction Management
46
ABWICKLUNGSSTRATEGIE
Prinzip keine Interessenkonflikte, sondern die Vorteile In der „Construction Phase“ liegt der Schwerpunkt
einer eindeutigen Verantwortung und die Vermeidung auch auf der Optimierung der Bauabläufe mittels „Lean
von Schnittstellen. Genau diese Anforderungen erfüllt Construction Management“, eines Baustellenleitplans
das General Construction Management durch die früh- sowie einer Überprüfung der Machbarkeit über Bauab-
zeitige Einbindung aller Fachplaner und eventuell auch laufsimulationen. Hinzu kommt eine komplette Logistik-
des Architekten. Das General Construction Management planung in Zusammenarbeit mit den ausführenden
erbringt die kompletten Generalfachplanleistungen vom Unternehmen. Die Objektüberwachung erfolgt in Form
Konzept bis zur Ausführungsplanung selbst oder durch einer „Generalbauleitung mit Managementkompetenz“,
Kooperationspartner in seiner Verantwortung. Diese in der Bauleiter und Projektmanager direkt vor Ort
Management-Variante erfordert ein enges Vertrauens- zusammenarbeiten.
verhältnis zwischen Bauherr und Construction Manager.
Man muss sich kennen und schätzen! Die Gründe für die Beauftragung des General Construc-
tion Managements sind im Prinzip dieselben wie beim
Der General Construction Manager steht sowohl in der Construction Management. Die inhaltliche Komponente
Vertragsbeziehung wie auch organisatorisch in Linien- wird aber noch verstärkt durch die direkte Übernahme
funktion zwischen dem Bauherrn und den Planungs- der Verantwortung für die Planung inkl. der Ausführungs-
beteiligten. Dabei kann der Architekt entweder direkt planung des Architekten. Angewendet wird diese
vom General Construction Management oder aber vom Variante vorzugsweise im Industriebau, vor allem aber
Bauherrn beauftragt werden. In jedem Fall muss dem auch beim „nachhaltigen Bauen“ als Alternative zum
General Construction Management ein Weisungsrecht Generalplaner, bei dem häufig die Managementkompe-
gegenüber dem Architekten eingeräumt werden, wenn tenz und das Value Engineering zu kurz kommen.
er seine Aufgabe optimal erfüllen soll. Die Auswahl der
Fachplaner erfolgt in Abstimmung mit dem Bauherrn Der Honoraraufwand (ohne Planungskosten) bewegt
durch den General Construction Manager. sich wegen der Verantwortung für die Planung im
Bereich von ca. 3,1 % bis 4,0 % der Planungs- und
Der General Construction Manager koordiniert und Baukosten, bei kleineren und/oder sehr komplizierten
optimiert die Planungsleistungen durch direkte Zusam- Projekten bis 5,4 %. Es wird ein Gesamtangebot inkl.
menarbeit mit dem Architekten und Fachplanern sowie Generalfachplanung und der Objektplanung vorgelegt.
unter Einbeziehung der wesentlichen ausführenden
Firmen zu einem frühen Zeitpunkt. Dadurch wird deren Bei dieser Variante werden häufig neben dem üblichen
Know-how lange vor Ausführungsbeginn mit in die Honorar auch zusätzliche Prämien über Bonusrege-
Planung einbezogen. Dies erfordert allerdings eine lungen vereinbart, die ganz oder teilweise je nach
von den üblichen HOAI-Phasen abweichende Abwick- dem Grad der Zielerreichung vereinbarter Kriterien
lungsstrategie und ein stufenweises Angebots- und (Termine, Kosten, Qualität) ausbezahlt werden. Diese
Vergabeverfahren, bei dem sorgfältig ausgewählte und Bonusregelungen sind allerdings kritisch zu sehen,
bekannte Unternehmen zunächst Angebote auf der da sie häufig zu einer Belastung des erforderlichen
Basis einer Vorplanung mit Anforderungsbeschreibung Vertrauensverhältnisses von Bauherrn und Construction
abgeben. Nach der Planungsoptimierung werden die Manager führen (z. B. bei Einsparungsvorschlägen aller
Angebote konkretisiert und detailliert. Nach intensiver Art, die den Bonus erhöhen würden, aber vom Bauherrn
Prüfung durch das General Construction Management nicht gewünscht werden).
werden die Aufträge in transparenter Abstimmung mit
dem Bauherrn vergeben.
47
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Fachplaner
Architekt Bauleitung Gutachter
Einzelunternehmer oder
Paketvergabe
48
ABWICKLUNGSSTRATEGIE
10,0 %
9,0 %
8,0 %
7,0 %
Prozent der Planungs-
6,0 %
5,0 %
und Baukosten
4,0 %
3,0 %
2,0 %
1,0 %
0,0 %
Projektcontrolling Projektsteuerung Projektmanagement Construction General Baupartner-
Management Construction Management
Management
Honorar von ... bis Grenzwerte Sonderprojekte
49
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
2.4.2 Alternative Abwicklungsstrategien mit Planern für die Planung als auch für alle Einzelgewerke die nach
und ausführenden Firmen Preis, Qualität und Leistungsfähigkeit jeweils beste
Firma aussuchen und verpflichten kann. Ein weiterer
Schon viele Bauherren haben erleben müssen, dass die Vorteil ist die große Flexibilität. So können Planungsän-
Vielzahl von Projektbeteiligten ohne die Koordination derungen sehr viel besser aufgefangen werden als bei
durch einen starken und erfahrenen Partner zu vielen einem Generalvertrag, weil die Leistungen erst mit dem
Nachteilen und Ärgernissen führt. Planungs- und Baufortschritt abgerufen werden (siehe
Abb. 2–36).
Aus diesem Grunde zeichnen sich immer mehr
Tendenzen zu einer Generalisierung in unterschied-
lichen Bereichen ab mit dem Ziel, durch eine solche BAUHERR
Generalisierung eine bessere Steuerung und Kontrolle (PROJEKTMANAGEMENT)
des Bauprojektes zu erreichen. Dies gilt für ein
„General Management“ beim Bauherrn ebenso wie für
den „Generalplaner“, den „Generalunternehmer“ oder
den „Generalübernehmer“. Von speziellen Sonderfällen
Planer Einzelunternehmer
abgesehen, laufen alle Hochbauprojekte mehr oder
weniger nach einem bestimmten Schema ab, wobei
die Projektdauer je nach Bauherr, Organisation und Abb. 2–36 Organisation mit Einzelplanern und Einzelunternehmen
Abhängigkeit von Genehmigungsverfahren in weiten
Grenzen schwanken kann.
Die größten Abweichungen von einem solchen Ablauf Die gesamte Koordination liegt hier allerdings beim
treten in der Regel durch unterschiedliche Konstella- Bauherrn. Schaltet dieser für die Koordination ein
tionen im Zusammenspiel des Dreiecks „Bauherr – Projektmanagement ein, so ist die maximale Leistungs-
Planer – Bauunternehmer“ auf, die dem Projektmanager palette gefragt, was für den Projektmanager den größ-
geläufig sein müssen. ten Aufwand bedeutet. Gleichzeitig ist dies jedoch die
ideale Konstellation für ein professionelles Projekt-
Bauen mit Einzelunternehmern management, weil hier die umfangreichsten Einfluss-
Die traditionelle Art der Bauausführung ist die Organisa- möglichkeiten gegeben sind. Für den Bauherrn schlägt
tion mittels Einzelplanern und Einzelunternehmern. Der sich dies in optimierter Wirtschaftlichkeit, Funktionali-
größte Vorteil ist dabei zweifelsfrei, dass man sowohl tät, Qualität und Gestaltung nieder.
Überlappungsfeld
restl. Ausf. Planung Vorplanung, Entwurf und Baugesuch
Baugenehmigungsverfahren
Vergabe Rohbau restl. Vergaben
Vorlauf Ausführungsplanung
reine Bauzeit LV und Vergabe Rohbauarbeiten
Baustellenvorbereitung
Gesamtdauer Baudurchführung
50
ABWICKLUNGSSTRATEGIE
51
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
dass diese durch den Einsatz des Projektmanagements Nachteilig sind die kaum vorhandenen Rationalisie-
auch zum Tragen kommt. Diese Sicherheit kostet dann rungsmöglichkeiten des Generalunternehmers und
auch mehr als eine Abwicklung mit Einzelvergaben. die – aufgrund der fehlenden Überlappung von Planung
und Ausführung – im Vergleich zur konventionellen
Beim Bauen mit Generalunternehmern gibt es wieder Abwicklung sehr lange Projektdauer (ca. zwölf Monate
unterschiedliche Varianten, was den Zeitpunkt der Ein- länger). Da der GU dennoch einen Zuschlag für die
schaltung und den vorliegenden Planungsstand betrifft. Kosten- und Termingarantie kalkulieren muss, könnte
Im Prinzip kann man drei Varianten unterscheiden: man genauso gut oder besser Einzelvergaben durch-
führen (siehe Abb. 2–40).
a) GU auf Basis Ausführungsplanung:
Bei dieser Variante wird vorausgesetzt, dass die Aus- Insgesamt ist diese Methode für eine Abwicklung mit
führungszeichnungen im Maßstab M 1:50 im Wesent- GU wenig geeignet, da sie ihm kaum Spielraum lässt.
lichen vorliegen und alle Leistungen qualitativ und Dieser Spielraum kann aber nur geschaffen werden,
quantitativ exakt definiert sind (amerikanische wenn man auf einen weniger detaillierten Planungs-
Methode). Vorteile sind die klaren Kalkulationsunter- stand zurückgeht.
lagen und die gute Vergleichbarkeit, verbunden mit
einer großen Kostensicherheit, wenn keine nachträg- b) GU auf Basis Entwurf mit Raum- und Baubuch:
lichen Änderungen auftreten. Die Basis der Planung M 1:100 (Entwurf ) ist in Verbin-
Abb. 2–41 Projektdauer bei GU auf Basis Entwurf mit Raum- und Baubuch
52
ABWICKLUNGSSTRATEGIE
dung mit einer grundsätzlichen Beschreibung in Form sondern nur ein Raum- und Funktionsprogramm als
eines Raum- und Baubuches grundsätzlich geeignet, Grundlage für sein Angebot erhält. Meist errechnet sich
sowohl den Rationalisierungsspielraum des GU zu er- aus einer erreichbaren Miete die maximal mögliche
höhen als auch die Belange des Bauherrn ausreichend Investition, die freihändig ausgehandelt wird. Bei
abzusichern. diesem Verfahren eignet sich auch eine Art einfacher
kombinierter Planungs- und Realisierungswettbewerb,
Dabei kommt es entscheidend auf die Qualität der der jedoch an das Projektmanagement des Bauherrn
Entwurfsplanung an, die als Konstruktionsplanung hohe Anforderungen bezüglich der Bewertung stellt.
grundsätzlich durchgearbeitet und exakt im Raum- und
Baubuch beschrieben sein muss (siehe hierzu spätere Die Projektdauer ist bei diesem Verfahren relativ kurz,
Ausführungen). allerdings hat der Bauherr nach der Vergabe praktisch
keinerlei Einflussmöglichkeiten mehr, wenn er die gewon-
Die Projektdauer ist bei diesem Verfahren durch die nenen Vorteile nicht verlieren will (siehe Abb. 2–42).
frühe Vergabe an den GU und seine Möglichkeiten zur
Rationalisierung des Ablaufs in etwa gleich wie beim Generalübernehmer
konventionellen Ablauf mit dem Vorteil der Termin- und Ein Generalübernehmer reduziert die Aufgaben des
Kostengarantie. Allerdings wirken sich nachträgliche Bauherrn auf ein reines Controlling der vereinbarten
Änderungen bei komplexen Projekten gravierender aus Vertragsinhalte und des Zahlungsplans. Die Koordi-
als bei der Variante GU1, da die Basis der Kostenermitt- nation findet nur noch direkt zwischen dem Bauherrn
lung nur prinzipiell und nicht detailliert beschrieben und dem Generalübernehmer statt. Da dieser auch die
ist. Für normale Projekte ist dies jedoch ein geeignetes Architekten als Auftragnehmer auf seiner Seite hat, ist
Verfahren (siehe Abb. 2–41). nach Festsetzen der Grundlagen keine große Einfluss-
nahme oder Optimierung mehr möglich. Diese Variante
c) GU auf Basis Raum- und Funktionsprogramm: wird im Wesentlichen bei reinen Investorenprojekten
Stehen bei einem Investorenprojekt die möglichst kosten- angewendet, die über geschlossene Immobilienfonds
günstige Erstellung eines Gebäudes (ohne allzu große auf den Markt gebracht werden. Die Bauherren sind
Anforderungen an Langzeitqualität) und niedrige Investi- außer durch die Zahlung der Kaufraten nicht direkt
tionskosten im Vordergrund, dann ist es vorteilhaft, den in den Projektablauf involviert, wodurch dessen Über-
Vergabezeitpunkt noch weiter nach vorne zu verlegen. wachung auf die Übereinstimmung mit dem Baufort-
schritt und die ständige Überprüfung der Qualitäten
In diesem Falle kann der GU eigene Bauverfahren schon umso wichtiger werden. Im Regelfall ist dann ein
in der Vorplanung berücksichtigen, da er keine Pläne, Generalunternehmer nachgeschaltet.
Vergabe komplett
Vorplanung und Angebot GU
Auftragsverhandlungen
Entwurf und Baugesuch durch GU
Baugenehmigungsverfahren
reine Bauzeit Ausführungs- und Systemplanung
Bauvorbereitung
Gesamtdauer Baudurchführung
53
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
2.5 Vertrags- und Risikomanagement In den Verträgen muss daher neben der Vereinbarung
der Grundleistungen ein durchdachtes System für die
Verträge und Risiken sind eng verbunden. Deshalb Vergütung von Zusatzleistungen oder veränderten
müssen diese Themen in der Vorbereitungsphase Leistungen enthalten sein. So wird vermieden, dass
sauber durchdacht und geregelt werden. einzelne Auftragnehmer aufgrund von Änderungen und
Zeitnot plötzlich nahezu beliebige Preiskorrekturen
nach oben vornehmen können. Im Sinne einer harmoni-
2.5.1 Vorbereiten Vertragsmanagement schen Zusammenarbeit sollten auch gewisse „Spiel-
regeln“ für eine partnerschaftlich-kooperative Vertrags-
Wesentliche Voraussetzung für einen funktionierenden abwicklung vereinbart werden.
Projektablauf ist ein klares und inhaltlich synchronisier-
tes Vertragskonzept für Planung und Bauausführung Planungsverträge
(siehe Abb. 2–43). Als Grundlage für die Verträge mit Planern und Beratern
gilt die HOAI = Honorarordnung für Architekten und
Gerade bei Großbauten mit ihrer Vielzahl von ver- Ingenieure. Die HOAI hat Verordnungscharakter und wird
schiedenen Faktoren ist es unerlässlich, die möglichen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die Grundleistungen
Folgen von Vertragsänderungen für die Investitions- sind detailliert aufgeführt, inklusive der einzelnen
kosten zu kennen. Honorarprozente und Honorartafeln, die über die HOAI
zwingendes Preisrecht darstellen (siehe Abb. 2–44).
Vertragsanalyse / Vertragsdesign
Abb. 2–43 Ablauf Vertragsmanagement Abb. 2–44 HOAI-Gliederung Teil 1 – allgemeine Vorschriften
54
VERTRAGS- UND RISIKOMANAGEMENT
Allgemeine Vertragsbedingungen bei Planungsverträgen: Insgesamt kann man festhalten, dass das Vertragswerk
Ebenso wichtig wie die korrekten Leistungsbilder sind so kurz wie möglich und so ausführlich wie nötig erstellt
faire und angemessene Vertragsbedingungen, die in werden muss. Bei sehr großen Projekten kann die
der HOAI nicht geregelt sind. Sie sollten einheitlich für Einschaltung eines kundigen Rechtsanwalts zu diesem
alle Beteiligten erstellt werden, wobei in verschiedenen Thema hilfreich sein. In der Regel ist dann allerdings die
Paragrafen eine Abstufung nach Umfang und Einfluss Forderung nach einem möglichst kurzen Vertragswerk
der einzelnen Leistungen vorgenommen werden sollte. nur noch schwierig zu erfüllen.
Diese Abstufungen werden sich insbesondere auf die
Haftung und Gewährleistung beziehen, aber auch auf Ganz wesentlich ist, dass vertraglich klare Verhältnisse
die Vereinbarungen zur Vergütung. Auch hier sollte man geschaffen werden, die eine gesicherte Leistungs-
sich davor hüten, durch das Zusammenschreiben mög- erbringung ermöglichen und spätere Honorarstreitig-
lichst vieler Vertragsbedingungen aus allerlei guten und keiten vermeiden. Derartige Differenzen führen stets zu
schlechten Verträgen ein riesiges Werk zu schaffen, bei einer Minderung der Leistung. Diese angesprochenen
dem sich die einzelnen Festlegungen laufend wider- klaren Verhältnisse, möglichst sofort von Beginn der
sprechen. Grundsätzlich muss bei allen Vertragsbedin- Leistung an, verbessern die Zusammenarbeit zwischen
gungen das AGB-Gesetz berücksichtigt werden. dem Bauherrn und den beauftragten Planern und
Beratern ganz erheblich und vermeiden auch hier
Von besonderer Bedeutung bei der Abfassung von unnötige Reibungsverluste. Mit überzogenen Vertrags-
Planungsverträgen sind entsprechende Terminverein- bedingungen lässt sich trotz aller Sorgfalt bei der
barungen. Die Fristen sollten insbesondere für die Vereinbarung der Projektziele eine optimale Leistungs-
ersten Phasen des Projekts nicht zu knapp gewählt erbringung nicht erzwingen.
werden, um die Kreativität der Beteiligten voll aus-
schöpfen zu können (siehe Abb. 2–45). Bauleistungsverträge
Im Prinzip gelten für die Bauverträge die gleichen
Neben juristisch relevanten Einzelfristen sollten in Grundanforderungen wie für die Planungsverträge.
regelmäßigen Abständen Phasengespräche verein- Auch hier sind zur Vermeidung von unnötigen Streitig-
bart werden, in denen eine Überprüfung der Planung keiten Klarheit und Eindeutigkeit das oberste Gebot.
hinsichtlich des Erfüllungsgrades (Soll-Ist-Vergleich) Jede Verletzung dieses Prinzips führt in der Regel
erfolgt. Die Dokumentation der Gesprächsergebnisse ist zum Streit und im schlimmsten Fall zu langwierigen
wichtig, da sie als Bestätigung bzw. Fortschreibung Gerichtsprozessen, die häufig in unbefriedigenden
der gemeinsamen Geschäftsgrundlage anzusehen ist. Vergleichen enden.
VERTRAG PLANUNGSLEISTUNGEN
Termine Phasengespräche
Laufender Soll-Ist-Vergleich aus Terminplanung
55
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Vorsicht gilt bei unklaren und somit interpretierbaren – aufgrund zu detaillierter Regelungen neuen Regelungs-
Formulierungen in den Verdingungsunterlagen sowie bedarf erfordern, der dann aber wegen der komplexen
zweifelhaften Pauschalpreisvereinbarungen. Auf diese Zusammenhänge nicht erkannt und abgedeckt wird
Weise wird häufig versucht, insbesondere im Bereich
der privaten Auftraggeber, die Risiken aus einer nicht Bei konsequenter Beachtung einiger weniger Grund-
ausgereiften Planung einseitig auf den Auftragnehmer sätze können Bauverträge abgeschlossen werden, die
abzuwälzen. genügend Rechtssicherheit für beide Partner bieten und
die das Prinzip der Ausgewogenheit nicht verletzen.
Umgekehrt nutzt in vielen Fällen der Auftragnehmer Grundsätzlich sollte die VOB als Vertragsart bei Bauver-
jede sich bietende Chance aus, um Nachforderungen trägen vereinbart werden. Im Gegensatz zu BGB-Ver-
geltend zu machen (Claim-Management). trägen sind hier spezielle Anordnungsrechte des Bau-
herrn/AG geregelt, denen bestimmte Vergütungsmecha-
Um dies zu verhindern, sind einige Auftraggeber dazu nismen als Ausgleich gegenüberstehen (§ 2 VOB/B).
übergegangen, überdimensionierte Vertragsbedingun-
gen zu verfassen, die in vielen Fällen: In der Abb. 2–46, Vertragstypen bei VOB-Verträgen ist
dargestellt, zwischen welchen Vertragstypen grundsätz-
– in sich widersprüchlich sind lich bei VOB-Verträgen unterschieden werden muss.
– die VOB massiv verändern oder in wesentlichen Je nach Vertragstyp können gewisse Risiken (Mengen-
Teilen außer Kraft setzen ermittlung, Planung) auf die ausführende Firma sinnvoll
Abrechnungsvertrag Pauschalvertrag
(Einheitspreisvertrag)
Detail Global
einfacher komplexer
LV LV LV
Baubeschreibung
Pos. Architekten- Leistung Gesamt- Pos. AN- Leistung Gesamt- AN- Leistung Gesamt- (zielorientiert)
0% menge preis Menge preis Menge preis
1 M1 EP1 GP1 1 M1 EP1 GP1 M1
2 M2 EP2 GP2 2 M2 EP2 GP2 M2 Üblicher Leistungsumfang
– erkennbar lückenhaft – technisch erforderlich
100% n Mn EPn GPn n Mn EPn GPn – Komplettierungsklausel – Funktionalität
für restliche erforderliche – Sicherheit
Leistung
Summe Summe
variabel fix variabel variabel fix variabel Summe fix Summe fix
56
VERTRAGS- UND RISIKOMANAGEMENT
übertragen werden. Einheitspreisverträge sollten Dies gilt unabhängig davon, ob eine Vergabe nach
insbesondere dann zugrunde gelegt werden, wenn bei Leistungsverzeichnissen (Einzelvergabe) oder nach
baubegleitender Planung mit zahlreichen Änderungen Leistungsprogramm (Vergabe an Generalunternehmer)
gerechnet werden muss. Globale Pauschalvertrags- erfolgen soll. Nur durch diese Kontrolle ist sicherge-
varianten sind sinnvoll, wenn „Projekte von der Stange“ stellt, dass die in der Planung vereinbarten Ziele auch
gebaut oder spezielles Firmen-Know-how vom Markt entsprechend umgesetzt und nicht durch die Hintertür
eingekauft werden soll. kostspielige Änderungen produziert werden.
Aufbau der Leistungsverzeichnisse: Manche Verfasser Beachtung von VOB und VOL: Die VOB (Vergabe- und
von Leistungsverzeichnissen sind mit sich erst so Vertragsordnung für Bauleistungen) sowie die VOL
richtig zufrieden, wenn sie für einfache Fragen kom- (Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen) sollten
plizierte Lösungen erarbeitet haben. In vielen Fällen grundsätzlich beachtet werden. Bei der Abwicklung
sind ähnliche Verhaltensmuster bei der Erstellung von von Aufträgen der öffentlichen Hand ist dies zwingend
Ausschreibungen zu beobachten. Völlig unnötiger- vorgeschrieben. Private Auftraggeber können die VOB A
weise werden die Leistungsverzeichnisse mit Ballast mit dem Ziel der freihändigen Vergabeverhandlung
versehen und mit Nebensächlichkeiten aufgebläht. ausschließen.
Leistungsverzeichnisse müssen Die VOB dient ihrem Charakter nach als selbst geschaf-
– klar gegliedert sein (z. B. nach Losen) fenes Recht der Wirtschaft nicht als gesetzliche Verein-
– kurz und knapp die geforderte Leistung beschreiben barung, sondern als allgemeine Geschäftsbedingungen
(soweit erforderlich unter Hinweis auf Planungs- (AGB). Sie gilt aber als ausgewogenes Mittel der
unterlagen in der Anlage) Interessenlagen zwischen den Bauvertragspartnern. Sie
– eindeutige Regeln für Aufmaß und Abrechnung dient einschließlich der umfangreichen Kommentierung
beinhalten, soweit von den Festsetzungen der VOB und auch höchstrichterlichen Rechtsprechung als die
Teil C in begründeten Fällen abgewichen werden soll Entscheidungsgrundlage bei Bauprozessen. Kommt es
zum Streit, ist man bereits im Vorfeld der Prozesse
Kontrolle der Verdingungsunterlagen: Verdingungs- oder bei Klagebegründungen bzw. Erwiderungen
unterlagen müssen vom Projektmanagement kontrol- zwangsläufig mit ihr konfrontiert, soweit nicht über eine
liert werden. Dabei empfiehlt sich die in Abb. 2–47 Individualvereinbarung eine umfassende neue Rechts-
dargestellte Vorgehensweise. situation geschaffen wurde. Da dies in den seltensten
Vervollständigen der
Vollständigkeit der Inhalte Technische Richtigkeit Massen über Plausibilität Vertragsbedingungen
Planung und
Planung Planung der Kostenermittlung VOB, VOL (AGB)
57
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Fällen zutrifft, sollte zumindest die VOB B unein- tung einbezogen werden. Diese proaktive Risiko-Strate-
geschränkt zur Vertragsgrundlage erklärt werden; gie ist insbesondere im angloamerikanischen Bereich
die VOB C ist somit automatisch vereinbart. durch Einbeziehung der sogenannten Risk Costs bereits
Standard. Die relevante Methodik ist durch die in
Es gibt viele Fälle, in denen über zusätzliche allgemeine Abb. 2–49 dargestellten Arbeitsschritte gekennzeichnet:
Geschäftsbedingungen versucht wird, die Festsetzungen
der VOB einseitig zugunsten einer Vertragspartei
abzuändern. Solche Eingriffe in den Kerngehalt der VOB
durch ergänzende Vertragsklauseln (Schriftformklau- IDENTIFIKATION
seln, Formalzwänge etc.) hebeln die VOB aus, und es
besteht die Gefahr, dass über die Bestimmungen des
Bewertung
AGB-Gesetzes die VOB insgesamt als Geschäftsgrund-
lage entfällt.
Bewältigung
Als Vertragsgrundlage stehen dann lediglich noch die
§§ 631 f. des BGB zur Verfügung, die den Auftraggeber
Umsetzung
in der Regel schlechterstellen als die Bestimmungen
der VOB.
Monitoring
Einflussfaktoren, z. B.
externe interne
PROJEKT (GEPLANT)
– Marktsituation (Dumping) – Baugrund (Findlinge z. B.)
– ausländischer Stararchitekt (Pläne zu spät) – Pilotprojekt (Elektronen-Beschleunigung)
– „organisierte“ Baufirma („Papierflut“) – architektonisch anspruchsvoll: „keine gerade Wand“
– „komplexer“ Bauherr (min. 3-fach-Hierarchie) – Nutzung (Nutzermix)
– schwache Bauleitung (z. B. Alter) – Endtermin (fest)
– schlechter Bauvertrag (Lücken, Fehler etc.) – Projektzeit (kurz!)
– etc. – „parallele“ Planung
58
VERTRAGS- UND RISIKOMANAGEMENT
steht die Risiko-Bewältigung durch quantitatives Forderungen wissen. Dies betrifft primär Behinderun-
Chancenmanagement, um adäquate Handlungsalter- gen, die dem Risikobereich des Bauherrn zuzuordnen
nativen für die Projektverantwortlichen aufzuzeigen und sind und letztlich beachtliche Bauzeitennachträge be-
geeignete Strategien gemeinsam umsetzen zu können. dingen, die nicht selten 20 bis 50 % der ursprünglichen
Projektbegleitend ist ein regelmäßiges Risiko-Controlling Auftragssumme als Bauunternehmer-Zielwert haben.
(Basis: Datenbank) mit geeignetem Reporting für die Aber auch technische Nachträge werden regelmäßig mit
strategische Führung der Projekte sinnvoll. Hierbei ist sogenannten Bauzeitenvorbehalten formal in Richtung
insbesondere die schrittweise Risiko-Reduzierung in- Bauzeitverzögerung gestellt. Insbesondere bei termin-
folge von Chancenmanagement zu dokumentieren, um kritischen Projekten führt dies auf Bauherrenseite zu
den Erfolg der beschlossenen Maßnahmen abzubilden. dem Dilemma, dass bei drohenden Projektzeitüber-
schreitungen schnelle Vergütungslösungen mit meist
nachteiligen Ergebnissen eingegangen werden müssen.
2.5.3 Anti-Claim-Management
Das Anti-Claim-Management sollte deshalb über ein
Aufgrund der zunehmenden Komplexität von Bauver- kooperatives Management ergänzt werden. Zeitnah und
trägen haben sich in den letzten Jahrzehnten Bauunter- somit projektbegleitend werden die Vertragsabweichun-
nehmen zunehmend darauf spezialisiert, vertragliche gen kausal dokumentiert, transparent aufbereitet und
Unsicherheiten gezielt auszunutzen. in regelmäßigen Kooperationsgesprächen nachvoll-
ziehbar ausgetauscht. Hierbei sollten berechtigte
Intensive Schulungsangebote von spezialisierten Ansprüche unmittelbar bezahlt werden. Strittige Sach-
Ingenieurbüros und auch eine zunehmend auf 50- verhalte werden auf der Basis von Baufakten mit einer
Prozent-Vorschlägen fußende Rechtsprechung unter- neutralen Instanz in baubetrieblich vertretbaren Risiko-
stützen die Baufirmen in ihren Bestrebungen, bereits bereichen verhandelt und mit geeigneten Methoden
im Stadium der Kalkulation die Vertragsprobleme durch des Konfliktmanagements bei emotionalen Streitig-
Spezialisten aufzudecken und vorab zu bewerten. keiten zeitnah zum Abschluss gebracht.
Identifizierte Nachtragspotenziale werden dazu aus-
genutzt, um gezielte Dumpingpreise am Markt zu
platzieren (Unterwert-Angebote). Durch Claim-Manage-
ment wird bei der Bauausführung über die Durchset-
zung von zahlreichen Nachträgen das Erreichen des Leistungsphase LP 8 Projektnachlaufzeit
Zielbetriebsergebnisses angestrebt.
Ausführung
59
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Eine intelligente Investition in die baubegleitende Die Aussagen zu Terminabläufen werden deshalb
Streitvermeidung mit einem Projektmanagement nach entsprechend dem Planungs- und Baufortschritt umso
partnerschaftlicher Abwicklungsphilosophie ergibt genauer, je näher der Zeitpunkt der Ausführung heran-
grundsätzlich eine deutliche Reduzierung des Claim- gerückt ist (siehe Abb. 2–51).
Volumens.
Aus dieser Erkenntnis resultiert die Forderung, dass ein
Auch wird durch einen aktiven Management-Ansatz praxisorientiertes Terminplanungssystem stufenweise
nach Kooperationskriterien letztlich nicht nur eine aufgebaut sein muss. Dabei müssen die einzelnen
deutliche Reduzierung des Managementaufwandes zur Stufen von der Grobstruktur bis zum Detailplan durch-
Bewältigung der Vertragsänderungen erhalten, sondern gängig sein (siehe Abb. 2–52).
auch eine erhebliche Verringerung des Projektnach-
laufes mit der Möglichkeit der Projektzeiteinhaltung.
Es gilt: Streiten kostet alle Geld. Miteinander zu reden
Rahmenplan
spart allen Beteiligten viel Geld!
Ideen-
phase Planungsphase Realisierungsphase
R1
Rn
mittel
geringer
Zeit (t)
t1
kurzfristig Detailnetz Aushub und Baugrubenverkleidung
t2
mittelfristig t0 =
Zeitpunkt
der Termin-
t3 aussage
langfristig
Abb. 2–51 Genauigkeit der Terminaussagen Abb. 2–52 Stufenweiser Aufbau der Terminplanung
60
TERMIN- UND KOSTENSTRUKTUR
Die für den Projektmanager wichtigsten Pläne sind der zu optimieren. Während die Berechnungsmethoden
Rahmenplan oder Meilensteinplan und die General- als bekannt vorausgesetzt werden, soll hier auf die
netze, die er aus eigener Kenntnis zu einem Zeitpunkt Systematik im Rahmen der Anwendung für das Projekt-
erstellen muss, zu dem die „eingeplanten“ Partner in management näher eingegangen werden.
der Mehrzahl noch gar nicht am Projekt beteiligt sind.
Die Steuerungsnetze können in der Regel gemeinsam Es handelt sich um ein Simulationsmodell, das, wenn
mit den Betroffenen aufgestellt oder zumindest mit es einmal aufgebaut ist, mittels verschiedener Para-
diesen abgestimmt werden. Die Detailnetze werden meter eine Optimierung der Abläufe und ihre ständige
von den entsprechenden Beteiligten aufgestellt, vom Überwachung ermöglicht. Die einzelnen Schritte
Projektmanager geprüft und in komprimierter Form in werden nachfolgend erläutert (siehe Abb. 2–53).
die Steuerungspläne übernommen.
Projektanalyse: Der erste Schritt vor dem Einstieg in
Netzplan als Simulation des geplanten Ablaufs das Simulationsmodell ist eine gründliche Analyse der
Die Netzplantechnik wird in vielen Bereichen als Beteiligten, ihrer Aufgaben und Vorstellungen sowie
Planungsinstrument für Zeitabläufe eingesetzt. der gegebenen Randbedingungen. Diese Analyse der
Während für einfache und lineare Abläufe meist auch notwendigen Vorgänge erfordert prinzipiell folgende
eine einfachere Zeitplanung (Balkenplan) genügt, Fragestellungen:
kann das Projektmanagement aufgrund der komplizier-
ten Zusammenhänge im Gesamtprojekt und der großen – Wer muss welche Aufgabe erfüllen?
Anzahl von Vorgängen und Beteiligten auf dieses – Was muss erledigt werden?
Hilfsmittel überhaupt nicht verzichten. – Wann muss es (spätestens) erledigt sein?
– Wo müssen Kontrollen erfolgen?
Die Netzplantechnik stellt die einzige Möglichkeit dar, – Wie soll die Erledigung erfolgen, und wie soll die
die Zusammenhänge der vielfältigen Strukturen und Kontrolle aussehen?
Einzelvorgänge eindeutig zu beschreiben und den – Warum sind die Zielvorgaben des Projekts
Ablauf in verschiedenen Alternativen zu simulieren und gerade in dieser Richtung definiert? Gibt es
alternative Ansätze?
Zuordnen von Daten der ihm zur Verfügung stehenden Mittel einen möglichst
kurzen Bauablauf zu erreichen. Diese Kosten der
Zwischenfinanzierung können gemindert werden,
Berechnen von Terminen, Kapazitäten und Kosten
indem z. B. einzelne Bauabschnitte vorzeitig in Betrieb
Kurzfristige Korrekturen
(manuell möglich)
genommen werden.
Erstellen von Terminplänen
Neben der Art des Objekts sind auch die Gegeben-
heiten der Baustelle und die Art der Konstruktion sowie
Abweichungsanalyse Steuerungsmaßnahmen
Art und Umfang des Ausbaus äußerst wichtig. Folgende
Punkte werden u. a. untersucht, ohne einen Anspruch
Abb. 2–53 Netzplantechnik = Simulation des terminlichen Ablaufs auf Vollständigkeit zu erheben:
61
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Vorgang A 10 10 10 10 10
Vorgang B 10 10 10 10
Termine
Vorgang C 20 20 20
Vorgang D 15 15 15 15 15
Vorgang E 10 10 10
Vorgang F 10 10 10 10
Vorgang G 5 5 5
Kapazitäten
30
20
10
Summe 10 10 10 10 10 20 20 20 25 35 35 30 20 15 15 15 15 15
3.000 Zahlung
Kosten
2.000 Leistung
1.000
100 200 300 400 500 700 900 1.100 1.350 1.700 2.050 2.350 2.550 2.700 2.850 3.000 3.150 3.300
62
TERMIN- UND KOSTENSTRUKTUR
Erstlauf
Die vorgesehene Ablaufstruktur wird mithilfe dieser
nach Kapazitätsausgleich
Daten durchgerechnet, wobei die einzelnen Vorgänge
entsprechend ihren gegenseitigen Abhängigkeiten
über die Zeitachse verteilt werden. Bestimmend für den Abb. 2–56 Terminverschiebung durch Kapazitätenengpässe
Ablauf sind dabei die kritischen Vorgänge (siehe
Abb. 2–54).
Für die Steuerung und Überwachung auf der Ebene der um einen bestimmten Zeitpunkt t1 zu erreichen, eine
mittel- und kurzfristigen Terminplanung ist der Netzplan Spitzenkapazität von 28 Bearbeitern einsetzen müsste.
bei Einsatz einer differenzierten Termin- und Kapazitäts-
planung unverzichtbar. Nun liegt jedoch die maximal verfügbare Kapazität bei
18 Mitarbeitern, eine Diskrepanz, die im Ablaufplan
Ablaufoptimierung mittels Kapazitätsbetrachtungen: gelöst werden muss. Entweder muss die Planungs-
Der Ablauf von Bauprojekten zeigt immer wieder, dass kapazität kurzfristig durch Einschaltung von zusätz-
die Bereitstellung ausreichender Kapazitäten für lichen Büros erhöht werden oder aber es muss eine
Planung und Bauausführung entscheidend für die Ein- Terminneuberechnung unter Berücksichtigung der
haltung der Terminpläne ist (siehe Abb. 2–55). Maximalkapazitäten erfolgen, die dann zu einer Ver-
längerung des Planungsablaufs bis zum Zeitpunkt t2
In vielen Fällen und besonders bei Projekten mit sehr führt. Nicht akzeptabel ist es in diesem Zusammen-
kurzen Terminen wird der Baufortschritt von der Bereit- hang, die an sich erforderlichen Planungsleistungen zu
stellung der Ausführungspläne bestimmt. Eine enge Zu- reduzieren. Die damit erzielte Einhaltung der vorgege-
sammenarbeit mit den Büros, die diese Pläne erstellen, benen Termine wird über Pläne erreicht, die noch nicht
und eine gute Abstimmung der Büros untereinander die erforderliche Planungsreife haben (Vorabzüge).
sind Voraussetzung für die Einhaltung kurzer Fristen. In der Folge treten auf:
Dabei ist es notwendig, die Planlieferung und damit den
Bauablauf auf die vorhandenen bzw. auf die sinnvoll – Qualitätsminderungen
einsetzbaren Kapazitäten abzustimmen. In der – Mehrkosten
Abb. 2–56 ist beispielsweise zu erkennen, dass man, – Zeitverluste
63
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG
Kapazitätsausgleich: Jedem Vorgang eines Netzplans Steuerung des Mittelabflusses (Zahlungspläne): Einen
können die erforderlichen Ressourcen als Grundlage für beachtlichen Anteil an den Gesamtkosten eines Bau-
die Kapazitätsplanung zugeordnet werden. vorhabens bilden die Zwischenfinanzierungskosten
(im Normalfall ca. 6 bis 8 % der Herstellkosten).
Aufgabe des Projektmanagements ist es, über entspre-
Mitarbeiter chende Simulationsmodelle ein Optimum an Bauzeit,
60 Baukosten und Ausgabenverlauf zu erreichen. Aufbau-
50 end auf der Terminplanung, kann der Netzplan auch
40 für die Ermittlung des Ausgabenverlaufs eingesetzt
30 werden. Dabei werden dem einzelnen Vorgang die
20 zugehörigen Kosten zugeordnet, wobei der Kostenanfall
10 über die Dauer des Vorgangs als linear angenommen
0 wird (siehe Abb. 2–58a).
Zeit (t)
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Vorgang A 10 %
Eine Aufsummierung dieser Ressourcen bei einer Früh-
Vorgang B 30 %
star