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Hans Sommer

PROJEKT-
MANAGEMENT
IM HOCHBAU
MIT BIM UND LEAN MANAGEMENT

4. Auflage
Projektmanagement im Hochbau mit BIM und Lean Management
Hans Sommer

Projektmanagement
im Hochbau
mit BIM und Lean Management
4. Auflage
Hans Sommer
Drees & Sommer AG
Stuttgart, Deutschland

ISBN 978-3-662-48923-9 ISBN 978-3-662-48924-6 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-662-48924-6

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Vorwort

VORWORT
Ist das Bauen so schwierig geworden, dass es fast un- besserten Qualität auch industrialisierte und damit
möglich erscheint, Großprojekte im vorgesehenen Zeit- auch wirtschaftlichere Prozesse ermöglicht. Zum anderen
und Kostenrahmen zu erstellen? Die Diskussion darüber, hält das Lean-Prinzip in Form von Lean Construction
wieso in Deutschland vor allem öffentliche Großprojekte Management Einzug in die Planungs- und Bauprozesse.
so häufig aus dem Ruder laufen, nimmt auch inter-
national zu. Dabei müsste das wirklich nicht sein, denn An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei den
im Grunde geht es immer um die gleichen Probleme: Kollegen von Drees & Sommer für ihre inhaltliche Unter-
stützung bei folgenden Themen bedanken:
– Unklare Nutzerprozesse und Planungsvorgaben
– Unklare Zuständigkeiten beim Bauherrn – Cradle to Cradle: Peter Mösle
– Wunschkosten, fehlende Risikobetrachtungen – Gebäudetechnik: Veit Thurm
– Ineffiziente Planungs- und Bauprozesse – Building Information Modeling: Mirco Beutelspacher,
– Langwierige Genehmigungsverfahren Philipp Dohmen, Peter Liebsch, Veit Thurm und
– Intransparenz und falsche Kommunikation Prof. Marc Volm
– Lean Construction Management: Patrick Theis
In der Regel genügt schon eines dieser Probleme, um – Planungsbegleitendes FM: Thomas Häusser
ein komplexes Projekt aus dem Tritt zu bringen. Kommen – Inbetriebnahme: Mirko Weiss, Thomas Berner
mehrere dieser Probleme zusammen, so schaukeln
sie sich gegenseitig auf und treiben das Projekt immer Außerdem gilt mein besonderer Dank Dr. Volkmar
ins Chaos. Dies ließe sich vermeiden, wenn die Bau- Hovestadt vom Büro digitales bauen in Karlsruhe für
herren folgende Voraussetzungen schaffen würden: seine Unterstützung zum Thema des modularen
Planungsansatzes.
– ihre Ziele professionell zu definieren,
– sich an die gesetzten Ziele zu halten, In gemeinsamer Anstrengung ist es gelungen, die neuen
– sich professionell zu organisieren, Themen in das Buch zu integrieren, ohne auf die be-
– zügige und klare Entscheidungen zu treffen. währten und in der Mehrzahl am Markt angewendeten
Methoden und Prozesse zu verzichten. Das Buch soll
Werden diese Voraussetzungen erfüllt, dann wird ein weiterhin alle Baubeteiligten in anschaulicher Weise
professionelles Team aus Projektmanagement, guten über den aktuellen Stand der Möglichkeiten informieren,
Architekten und Ingenieuren mit den richtigen Werk- ohne zu weit ins Detail zu gehen.
zeugen und Prozessen auch Qualität, Kosten und Termine
sicherstellen. Für die Qualität des Layouts und der Abbildungen
sowie ihre große Geduld mit der Einarbeitung ständig
Und bei diesen Werkzeugen und Prozessen gab es seit neuer Ideen bedanke ich mich ganz herzlich bei
der 3. Auflage dieses Buches eine Entwicklung, die das Angela Reitmaier.
Projektmanagement im Vergleich mit den seitherigen
Prozessen bei der Planung und Ausführung einen großen Stuttgart, im Januar 2016
Schritt weiterbringen wird. Dabei geht es zum einen um
die Planungsmethode „Building Information Modeling“ –
kurz BIM genannt –, die neben einer deutlich ver-

V
INHALT

INHALT

1
1. Trends bei Gebäuden und Prozessen 2
1.1 Entwicklung des Bauens seit 1960 4
1.2 Analyse der Trends 5
1.3 Die Konzeption zukünftiger Neubauten 11
1.4 Neue Methoden und Prozesse 16

2
2. Klärung der Ziele und Projektvorbereitung 18
2.1 Nutzerprozesse analysieren 20
2.2 Erarbeiten Planungsidee 23
2.3 Projektorganisation 31
2.4 Abwicklungsstrategie 42

3
2.5 Vertrags- und Risikomanagement 54
2.6 Termin- und Kostenstruktur 60
2.7 BIM-Beratung 74

3. Konventionelle Planung mit Projektmanagement 78


3.1 Konventioneller Planungsablauf nach HOAI 80
3.2 Managementleistungen in der Planungsphase 97

4
3.3 Planungsbegleitendes Facility Management 113

4. Planen und vorbereiten mit BIM und Lean Design Management 118
4.1 Building Information Modeling (BIM) 120
4.2 BIM als Grundlage für industrialisiertes Bauen 138
4.3 BIM-Steuerung mit Lean Design Management (LDM) 144

5
4.4 Beschaffung der Bauleistungen bei BIM 152
4.5 Produktions- und Logistikplanung mit BIM und LCM 154

5. Bauen mit Baumanagement und neuen Lean-Methoden 160


5.1 Die Phasen der Bauabwicklung 162
5.2 Managementleistungen bei der Bauausführung 209
5.3 Steuern mit Lean Construction Management (LCM) 225

6
6. Professioneller Übergang zum Betrieb 236
6.1 Inbetriebnahmemanagement, Abnahme, Übergabe (IAÜ) 238
6.2 Mängelbeseitigung 246
6.3 Beschaffung von Dienstleistungen 249
6.4 Nutzer- und Mieterkoordination 251
6.5 Einsatz von Lean Management und BIM 252

7
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN

1 TRENDS BEI
GEBÄUDEN UND
PROZESSEN
Will man den aktuellen Zustand des Bauens und des dafür erforderlichen
Projektmanagements beschreiben, ist ein Blick in die Vergangenheit
nützlich. Was ist in der Zwischenzeit passiert und warum hat sich alles so
entwickelt, wie es sich heute darstellt? Man kann daraus lernen, wie man
die Zukunft des Bauens positiv mitgestalten kann.

Das gilt ebenso für die Auswirkungen der Konzeption von zukünftigen
Neubauten wie für neue Methoden und Prozesse, die das Bauen und
den Betrieb der Gebäude nachhaltig verändern werden.

H. Sommer, Projektmanagement im Hochbau, DOI 10.1007/978-3-662-48924-6_1,


2 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
1.1 Entwicklung des Bauens seit 1960 4

1.2 Analyse der Trends 5


1.2.1 Trend ab 1960: industrielles Bauen, Energieverschwendung 5
1.2.2 Trend ab 1980: Arbeitsplatzoptimierung und CI-Buildings 6
1.2.3 Trend ab 1990: massive Energieeinsparung und CO2-Reduzierung 7
1.2.4 Aktueller Trend: Wiederverwertung von Baustoffen, Stoffkreisläufe 8

1.3 Die Konzeption zukünftiger Neubauten 11


1.3.1 Smart vernetzt = intelligent 12
1.3.2 Weitgehend energieautark und emissionsneutral 13
1.3.3 Gesunde Baustoffe 14
1.3.4 Kreislauffähig – Cradle to Cradle 14
1.3.5 Flexibel nutzbar 14

1.4 Neue Methoden und Prozesse 16

3
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN

1.1 Entwicklung des Bauens seit 1960 Arbeitsorganisation und zu besseren Arbeitsbe-
dingungen abgelöst.
Anders als die Branchen Automotive und Maschinen-
bau, die sich durch eine hohe Entwicklungsgeschwindig- Zwar zeigte der erste Ölpreisschock Anfang der 70er-
keit auszeichnen, tut sich die Baubranche schwer, eine Jahre nur vorübergehend Wirkung, aber in Verbindung
ähnliche Entwicklung zu vollziehen. Begründet wird dies mit einem gestiegenen Umweltbewusstsein setzte ein
stets mit dem Gebäude als Unikat. Dabei hat sich in den massiver Trend zum Energiesparen ein, der sich bis
letzten 50 bis 60 Jahren in Bezug auf die Anforderungen heute weiter verstärkt hat.
an Gebäude viel getan, ohne dass sich deshalb aber
der Planungs- und Bauprozess wesentlich weiterent- Erstaunlicherweise hat es bis heute gedauert, um die
wickelt hätte. Diskussion über die Verschwendung von Rohstoffen
beim Bauen in Gang zu bringen und über die Stoff-
Teils überlappende und aufeinander aufbauende Ent- kreisläufe nachzudenken. Alle diese Trends haben die
wicklungsstufen haben über die Jahre das Baugeschehen Anforderungen an Gebäude verändert, ohne aber zu
mit jeweils neuen Ansätzen geprägt und dadurch immer einer wirklichen Vernetzung und zu einer eigentlich zu
komplexer gemacht. Die erstellten Gebäude werden erwartenden massiven Veränderung bei den Planungs-
durch diese Ansätze zunehmend besser auf die Bedürf- und Bauverfahren zu führen.
nisse der Menschen und die Erhaltung einer intakten
Natur ausgerichtet (siehe Abb. 1–1). Um hierbei eine Entwicklung der Prozesse in Gang zu
bringen, erfordert es einen Blick auf die Eigenschaften
Der ab Anfang der 60er-Jahre vorherrschende Trend zum zukünftiger Gebäude und die Auswirkung von
schnellen und günstigen Erstellen von möglichst vielen Digitalisierung und KAIZEN-Ansätzen auf Planungs-,
Neubauten für die Wirtschaft und das Wohnen wurde Herstellungs- und Bauprozesse unter Beachtung des
ab Anfang der 80er-Jahre durch den Trend zur besseren gesamten Lebenszyklus.

Innovationen

STOFFKREISLÄUFE

ENERGIESPAREN

ARBEITSWELTEN

SCHNELL, GÜNSTIG

1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030

Abb. 1–1 Trends in der Bauwirtschaft

4
ANALYSE DER TRENDS

ab 1960 ab 1985 ab 1995 aktuell


INDUSTRIALISIERUNG NUTZUNG CO2-REDUZIERUNG STOFFKREISLAUF

ABRISS RENOVIERUNG REVITALISIERUNG GESUNDUNG


Ersatz der bestehenden funktionale und technische energetische und funktionale Ersatz ungesunder Baustoffe
Bausubstanz Optimierung Optimierung durch C2C-Produkte
Bestand Bestand Bestand Bestand

Schnell und preiswert Funktionale Ansätze Green Building Geschlossene


verfügbare und wirtschaftlicher Energieausweis und Stoffkreisläufe
Wohn-/Nutzflächen Betrieb Zertifizierung Cradle to Cradle

Neubau Neubau Neubau Neubau


Systembauten CI-Building Green Building Rohstofflager
industriell/kostengünstig gestalterisch/wirtschaftlich funktional/energetisch aktiv nachhaltig
ENERGIEFRESSER ARBEITSWELTEN ENERGIESPARER TEIL DER NATUR

Abb. 1–2 Trend-Inhalte

1.2 Analyse der Trends Gefördert wurde damals vor allem das sogenannte
technisierte Bauen, das stark durch Betonfertigteilbau
Die Inhalte, Ziele und Ergebnisse der einzelnen Trends geprägt war (siehe Abb. 1–3).
lassen sich in der oben stehenden Grafik zusammen-
fassen: Jeder dieser Trends hat für sich die Anforderun-
gen an Gebäude verändert, teils autark, teils aber auch

© illustrez-vous – fotolia.com
kumulierend. Von diesen Trends wurden logischerweise
zunächst die Neubauten erfasst, während der Bestand
mit großen Zeitversätzen nachhinkte beziehungsweise
noch nachhinkt (siehe Abb. 1–2).

1.2.1 Trend ab 1960: industrielles Bauen,


Energieverschwendung

Spätestens seit Mitte der 1960er-Jahre wurden Wohn-


und Bürogebäude, Shopping Malls und Krankenhäuser,
Betreiberimmobilien und Industriebauten nur so aus
dem Boden gestampft. Wo der Bestand im Weg war,
wurde ohne viel Federlesens planiert. Ein Großteil der
Architektur aus dieser Zeit ist alles andere als eine
Augenweide, wird aber heute teilweise unter Denkmal-
schutz gestellt. Abb. 1–3 Fertigteilbau

5
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN

Der Ausbau wurde vor allem im öffentlichen und im Allerdings entstanden in dieser Trendphase der 60er-
Gewerbebau mit vorgefertigten Fußböden, Wand- und Jahre auch interessante Ansätze. Im Grundsatz nämlich
Deckensystemen durchgeführt. Leider wurden die waren die Entwicklungen mit der Trennung von
Bedürfnisse der Menschen dabei häufig vernachlässigt Konstruktions- und Ausbauraster für flexible Grundrisse
und die verwendeten Materialien meist ohne Rücksicht durchaus zukunftsweisend, da sie durch eine gewisse
auf gesundheitliche Schäden verwendet. Die einge- Modularisierung spätere Umnutzungen und Revitalisie-
setzten Stoffe waren häufig mit problematischen Löse-, rungen unterstützten.
Binde- oder Konservierungsmitteln, mit Stabilisatoren,
Weichmachern oder Isoliermitteln belastet. Zudem wurden interessante Ansätze für das industrielle
Bauen mit standardisierten Bauteilen entwickelt, wobei
Ein berühmt-berüchtigtes Beispiel aus dieser Zeit ist allerdings leider oftmals mit Verbundwerkstoffen gear-
das Asbest, das heute als Sondermüll mit hohen Ent- beitet wurde.
sorgungskosten eingestuft ist. Weitere Beispiele sind
Mineralwolle mit zu kleinen Faserlängen oder formalde-
hydhaltige Holzbau- und Innenausbaustoffe. Dieses 1.2.2 Trend ab 1980: Arbeitsplatzoptimierung
„Erbe“ ist bis heute in einem Großteil unserer Altbau- und CI-Buildings
substanz enthalten.
Die von standardisierten Grundrissen, technisierten
Die Fassaden waren für Architekten und Ingenieure Bauverfahren, Schnelligkeit, Wirtschaftlichkeit und
großzügig verglaste Hüllen mit schlechter Wärmedäm- günstigen Energiepreisen geprägten Gebäude aus den
mung. Die dadurch implizierten Wärmeverluste im vorausgehenden Jahrzehnten fanden seit den 1980er-
Winter und die Überhitzung im Sommer eliminierte man Jahren immer weniger Fürsprecher. Kaum ein Eigen-
durch überdimensionierte Klimaanlagen mit giganti- tümer oder Mieter, der mit diesen Gebäuden wirklich
schem Energieverbrauch. zufrieden war. So setzte etwa bei Büro- und Verwal-

Interviews mit
Leitung und Mitarbeitern Bedarf
ANFORDERUNGEN
UNTERNEHMEN UND NUTZER QUANTIFIZIERBARE
QUALITATIVE AUSSAGEN GRÖSSEN

WORKSHOPTHEMEN

Zusammenarbeit Arbeitsplatzzahlen
Arbeitsumfeld
Büroform
Arbeitsplatz
Kommunikation Räumliche Nähe Sonderflächen

Abb. 1–4 Arbeitsplatzoptimierung

6
ANALYSE DER TRENDS

tungsgebäuden ein ganz neuer Trend ein. Dabei stan- wie BREEAM in Großbritannien und LEED in den USA.
den die Bedürfnisse der Menschen im Arbeitsprozess Das Ziel war damals – und ist es bis heute geblieben –,
im Vordergrund. Die Devise lautete: „Nur zufriedene Ökonomie und Ökologie „unter einen Hut“ zu bringen
Mitarbeiter an optimalen Arbeitsplätzen bringen gute und so die Verbreitung des nachhaltigen Denkens und
Leistungen“ (siehe Abb. 1–4). Handels zu fördern.

Aus dieser Haltung leitete man Forderungen nach 2007 wurde in Deutschland schließlich das Zertifizie-
individuellen und flexiblen Grundrissen ab. Die Ent- rungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhalti-
wicklung ging weg vom klassischen Großraum- oder ges Bauen (DGNB) eingeführt, bei dem Drees & Sommer
Zellenbüro. Dies hatte natürlich Auswirkungen auf die als Gründungsmitglied aktiv mitgewirkt hat. Es bewertet
Architektur: Sie erhielt nun die Aufgabe, sowohl auf die Gebäude in den sechs Themenfeldern Ökologie, Öko-
funktionalen Veränderungen im Inneren zu reagieren nomie, soziokulturelle und funktionale Aspekte, Technik,
als auch den Repräsentationswünschen der Bauherrn Prozesse und Standort und zielt damit auf die Gesamt-
und Unternehmen nach außen Ausdruck zu verleihen. performance eines Gebäudes. Die Bewertungen basie-
Es entstanden die sogenannten CI-Buildings, die mit ren stets auf dem gesamten Lebenszyklus eines Gebäu-
unterschiedlichsten architektonischen Mitteln einen des, das Wohlbefinden des Nutzers steht mit im Fokus.
speziellen Charakter verkörperten.
Auch der Energiepass für Gebäude wurde 2007 in
Die Entwicklung ab den 80er-Jahren brachte einerseits Deutschland eingeführt. Spätestens damit verschob
deutliche funktionale Verbesserungen in den Grund- sich der Blickwinkel sehr stark zugunsten des Themas
rissen der Gebäude und der Arbeitsplatzoptimierung, Energie. In aller Munde sind seither Schlagworte wie
neue Arbeitswelten entstanden. Auch der Städtebau Energiesparen und Verbrauchsreduzierung, Erderwär-
ging besser auf die menschlichen Bedürfnisse ein und mung und CO2-Emissionen. Die „Energiewende“
anstatt der konsequenten Einhaltung rigider Bebauungs- rückte in den folgenden Jahren das Thema Energie noch
pläne erfolgte zunehmend eine gelungene Integration weiter in den Vordergrund. Vor allem in Deutschland
von Bauvorhaben in die städtebauliche Umgebung im werden spätestens nach der Atomkatastrophe von
Rahmen von städtebaulichen Architektenwettbewerben. Fukushima erneuerbare Energien massiv gefördert und
gleichzeitig die Kernkraftwerke nach und nach abge-
Die stoffliche Zusammensetzung der verwendeten schaltet. Diese Entwicklung wirkt sich nachdrücklich auf
Baumaterialien hat sich jedoch leider nur zögerlich das Bauen und den Gebäudebestand aus. Die Folgen
verändert – im Gegenteil! Der Anteil gesundheitsschäd- reichen von der Entwicklung neuer Energiespeicher-
licher Inhalte hat sich durch den steigenden Anteil an techniken bis zum Boom bei der dezentralen Energieer-
Verbundwerkstoffen weiter erhöht. zeugung. In den nächsten Schritten sollen die Gebäude
zu sogenannten Smart Cities vernetzt werden. Hier ist
man also auf dem sogenannten „Energieeffizienzpfad“
1.2.3 Trend ab 1990: massive Energieeinsparung weit gekommen (siehe Abb. 1–5).
und CO2-Reduzierung
Das Energiesparen prägt den Trend in dieser Phase
Schon in den 80er-Jahren wurden die ersten Anforde- aufgrund der massiven Verteuerung der Energie und
rungen an die Wärmedämmung der Gebäude gestellt. des politischen Drucks zur Reduzierung des CO2-
Die sogenannten Wärmeschutzverordnungen bilde- Ausstoßes durch Wärmeschutz und die Verwendung
ten die Grundlage für den Beginn eines zunehmend erneuerbarer Energien. Flankierend wirken Vorschriften
energiebewussten Bauens. In den 90er-Jahren begann wie die Energiesparverordnung und Marktanreize wie
man, erste Zertifizierungssysteme zur Messung und die Green-Building-Zertifizierungen.
Bewertung von Nachhaltigkeitskriterien zu entwickeln

7
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN

+ rd nun
g
ro rdn
ung
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v ero rve ebä
tz pa g
s chu e ins h aus e rgie
rme rgie siv sen
Wä Ene Pas Plu
0 Zeit
Energieaufwand für den Betrieb
Baustoffaufwand

– ENERGIEEFFIZIENZPFAD
Reduzieren der
negativen Einflüsse

Abb. 1–5 Energieeffizienzpfad

Der Schwerpunkt des Energieeffizienzpfades liegt aller- Für die Vermarktung von Bauprodukten wurde deshalb
dings recht einseitig auf der Vermeidung negativer Ein- auf EU-Ebene im Jahr 2010 die Bauproduktenverord-
flüsse auf den CO2-Ausstoß, wobei die Beschäftigung nung erlassen, nach der das Recycling aller Baustoffe,
mit den Auswirkungen auf die ökologische Qualität im die Verwendung umweltfreundlicher Roh- und Sekun-
Hintergrund steht. Die Wärmedämmung wird immer därstoffe sowie die Dauerhaftigkeit des Bauwerks
weiter verbessert, allerdings leider verbunden mit einer geregelt werden.
weiteren Zunahme der Abfallmengen von gesundheits-
schädlichen Verbundwerkstoffen. Beim Begriff Recycling wird aber nicht unterschieden,
ob es sich tatsächlich um eine Wiederverwendung auf
derselben Qualitätsstufe handelt oder – wie in den
1.2.4 Aktueller Trend: Wiederverwertung meisten Fällen – um ein sogenanntes Downcycling, also
von Baustoffen, Stoffkreisläufe eine Wiederverwendung, die mit einem Qualitätsverlust
einhergeht. Das bedeutet aber, dass im Recycling-
Was zunehmend Sorgen machen wird, ist die Abhängig- prozess wertvolles Material verloren geht und für
keit von Rohstoffen – ausgehend von einer gigantischen zukünftige Produkte nicht mehr genutzt werden kann.
Verschwendung. Ausgangspunkt ist dabei die Bedeu-
tung der Rohstoffe für unsere Branche, denn 85 % der Hier setzt die Idee Cradle to Cradle (C2C) an, die vor
Unternehmen im Bausektor leiden unter den steigen- allem durch den deutschen Chemiker Michael Braun-
den Rohstoffpreisen. Der Anteil des globalen Rohstoff- gart und den amerikanischen Architekten William
verbrauchs, der durch die Baubranche verursacht wird, McDonough bekannt geworden ist. Unsere bisherigen
liegt bei 40 bis 50 %! Außerdem ist das Bauwesen für Stoffströme, die alle nach dem Prinzip „Von der Wiege
rund 60 % des Abfallaufkommens verantwortlich. bis zur Bahre“ (Cradle to Grave) fließen, sollen künftig
durch Stoffkreisläufe (Cradle to Cradle) ersetzt werden,
also ökoeffektiv sein (siehe Abb. 1–6).

8
ANALYSE DER TRENDS

Produktion Produktion

Technischer
Pflanzen Nährstoff

BIOLOGISCHER KREISLAUF Produkt TECHNISCHER KREISLAUF


für Verbrauchsprodukte für Gebrauchsprodukte Produkt

Biologischer
Nährstoff Demontage

Nutzung
Nutzung
Biologischer Abbau
Rücknahme

Verbrauchsgüter sind Bestandteile eines biologischen Gebrauchsgüter sind Teil eines technischen Kreislaufs.
Kreislaufs. Als biologisch abbaubare Produkte stellen sie Die technischen Nährstoffe zirkulieren in geschlossenen Systemen
Nährböden für neue natürliche Rohstoffe dar. auf einem beständig hohen Qualitätsniveau.

Abb. 1–6 Stoffkreisläufe

Dabei wird unterschieden in biologische und techni-


sche Stoffkreisläufe. Stahl
Glas

Damit eine solche Kreislaufwirtschaft funktionieren Gips Aluminium


kann, müssen bestimmte Regeln für Bauelemente
eingehalten werden: Sortenrein trennbar,
demontierbar, regenerierbar, zertifiziert,
Kupfer
Inhaltsstoffe müssen zugelassen sein.
Im Grunde sind unsere Gebäude Indium
also große Rohstofflager (siehe Abb. 1–7).
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Abb. 1–7 Gebäude als Rohstofflager

9
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN

Ein klassischer Kreislauf findet bereits heute bei der wendet. Die Idee ist, dass der Hersteller als „Besitzer“
Kupferverarbeitung statt: Im Jahr 2013 lag die weltweite des Materiallagers von vornherein geneigt ist, höher-
Nachfrage nach Kupfer bei etwa 20 Millionen Tonnen, wertigere Materialien zu verwenden, da er sie später zur
wovon drei Millionen Tonnen (15 %) aus recyceltem Wiederverwendung zurückerhält.
Material gewonnen wurden. Die Menge von weltweit
im Gebrauch befindlichem Kupfer (in Gebäuden, Mit dem neuen Trend hat ein intensives Nachdenken
Elektronik, Transformatoren etc.) wird auf 350 bis 500 über die Schonung von Stoffressourcen und gesunde
Millionen Tonnen geschätzt, stellt also ein gigantisches Baustoffe eingesetzt. Cradle to Cradle erfordert eine
Rohstofflager dar. konsequente Abkehr von Verbundwerkstoffen und den
Einsatz möglichst schadstofffreier Materialien. Aus der
Aus dem Gedanken einer Kreislaufwirtschaft heraus seither ausschließlichen Reduktion negativer Einflüsse
könnten beispielsweise auch Gebrauchsgüter nach dem wird so durch den Übergang vom linearen Effizienzpfad
Leasing-Prinzip gegen eine Gebühr genutzt werden. Das die aktive Optimierung positiver Einflüsse im Sinne
Gebäude oder bestimmte Teile würden dann weiterhin einer Kreislaufwirtschaft als Circular Economy, bei der
dem Hersteller gehören – sozusagen als Materiallager Gebäude Energieüberschüsse produzieren und ihre
für die Zukunft. Nach einer vereinbarten Nutzungsdauer Baustoffe wieder in einen Stoffkreislauf zurückkehren
könnten die Materialien zurück an den Hersteller gehen, (siehe Abb. 1–8).
der sie wieder als Ausgangsbasis für neue Produkte ver-

CIRCULAR ECONOMY
Optimieren der
positiven Einflüsse

+ e e
ud ud
ebä ebä
ieg ieg
erg erg
sen sen
Plu Plu

0 Zeit

– Baustoffe im Stoffkreislauf
ENERGIEEFFIZIENZPFAD Energieüberschuss
Reduzieren der
Energieaufwand für den Betrieb
negativen Einflüsse
Baustoffaufwand

Abb. 1–8 Auf dem Weg zur Circular Economy

10
DIE KONZEPTION ZUKÜNFTIGER NEUBAUTEN

1.3 Die Konzeption zukünftiger Neubauten Genauso wichtig wie ein geringer Energieverbrauch
und möglichst hohe Unabhängigkeit der Energieversor-
Wie werden nun Gebäude der Zukunft aussehen und gung sind die Baumaterialien. Für giftige Weichmacher,
funktionieren? Die Antwort klingt einfach: Sie sind Lösungs- und Bindemittel ist kein Platz. Ganz im Sinne
smart vernetzt, energieautark, emissionsneutral, biolo- des Cradle-to-Cradle-Prinzips besteht ein Blue Building
gisch gesund, modular und flexibel. Vor allem müssen aus Materialien, die sich problemlos in den biologischen
sie dabei aber auch ökonomisch in der Herstellung und oder technischen Stoffkreislauf einfügen und immer
im Betrieb sein. Die Projektmanager von Drees & Sommer wieder neu verwenden lassen. Das ist gesund und wirt-
nennen solche Gebäude deshalb „Blue Buildings“ – schaftlich zugleich.
nämlich ökologisch und ökonomisch. Den Weg zu ihrer
Herstellung bezeichnen sie als „the blue way“ (siehe Daraus ergeben sich allerdings zahlreiche Anforde-
Abb. 1–9). rungen, die alles andere als einfach umzusetzen sind.
Denn zukunftsfähig wird ein Gebäude erst, wenn es
Diese Gebäude passen sich den Bedürfnissen ihrer alle diese Eigenschaften vereint und sich dennoch
Nutzer flexibel an, fördern deren Gesundheit und wirtschaftlich produzieren lässt, sodass die Rendite
machen den Alltag für sie bequemer, effizienter und stimmt.
sicherer. Negative Auswirkungen in Form von
Emissionen vermeiden sie. Passive Energiesparmaß- Die voraussichtlichen Spezifika der zukünftigen Gebäude
nahmen und die aktive Erzeugung „sauberer“ Energie sind nachstehend kurz beschrieben:
aus regenerativen Quellen spielen zusammen und
sorgen dafür, dass die Umwelt geschont wird.

SMART VERNETZT ENERGIEAUTARK

© 1xpert – fotolia.com | © Dimitrius – fotolia.com


ÖKONOMISCH
FUNKTIONAL EMISSIONSNEUTRAL

MODULAR FLEXIBEL BIOLOGISCH GESUND

CRADLE TO CRADLE
Abb. 1–9 Attribute von Blue Buildings

11
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN

1.3.1 Smart vernetzt = intelligent Beleuchtung, Heizung, Türen und Fenster – lassen
sich präzise aufeinander abstimmen. Fast noch
Experten sind sich sicher: In Zukunft spielen vernetzte wichtiger ist, dass sich das Gebäude der Zukunft
Immobilien im Alltag eine wichtige Rolle, ganz egal, ob außerhalb der eigenen vier Wände vernetzt, z. B.
wir darin wohnen, in den Gebäuden arbeiten oder dort mit Gebäuden in der Nachbarschaft, um Energie aus-
unsere Freizeit verbringen. Man muss nicht Zukunftsfor- zutauschen.
scher sein, um bereits heute diesen Trend zu erkennen,
der auch als Internet der Dinge beschrieben wird (siehe Fast nebenbei generiert die Vernetzung die Datengrund-
Abb. 1–10). lage für ein umfassendes Monitoring zentraler Betriebs-
werte. Das Zauberwort heißt Smart Metering. Nach einer
Im Gebäudebereich bedeutet Vernetzung zweierlei: Untersuchung von Experten können schon jetzt
Erstens werden alle wichtigen Hausfunktionen intern ca. zehn Prozent eingespart werden, indem Messsysteme
miteinander verschaltet und über eine Bedieneinheit aktuelle Verbräuche visualisieren und über Tageszeiten
an Ort und Stelle gesteuert. Dies erlaubt auch eine mit einem günstigen Stromtarif informieren.
schnelle Abfrage der momentanen Betriebswerte.
Zweitens „erweitert“ die Vernetzung das Gebäude nach Vernetzung ist übrigens schon beim Bauen selbst
außen. Das kann bedeuten, dass künftige Nutzer mehr angesagt: Einzelne Bauteile können auf Basis der RFID-
und mehr Funktionen über Tablets oder Mobiltelefone Funktechnik mit speziellen Chips ausgerüstet werden.
regulieren. So könnten sie bereits auf dem Heimweg Bestellung, Anlieferung, fachgerechte Zwischenlage-
von der Arbeit den Backofen für ihre Pizza vorheizen. rung und abschließender Einbau greifen so lückenlos
Die Komponenten eines vernetzten Gebäudes – meist ineinander und können stets feingesteuert und über-
Geräte wie Fernseher und Kühlschrank, aber auch wacht werden.

Netzleitsystem
Energiemanagementsystem Energiebörse
Abrechnung

Biomassekraftwerk
KOMMUNIKATIONSNETZ
mit intelligentem Lastmanagement
Wetterdienst

Blockheizkraftwerk
Konzentrator Zählerfernauslesung Beeinflussbare
Lasten

Fotovoltaik-Anlage
Kommunikations-
einheit
Windanlage Verteilte
Mini-Blockheizkraftwerke
Brennstoffzelle und Fotovoltaik-Anlagen Verteilte Lasten

Abb. 1–10 Smart Grid

12
DIE KONZEPTION ZUKÜNFTIGER NEUBAUTEN

1.3.2 Weitgehend energieautark und Gebäudeausrüstung (TGA) zu: Eine effiziente Beleuch-
emissionsneutral tung mittels LED-Lampen, eine besonders sparsame
IT-Technik oder – bei einem Wohngebäude – stromspa-
Unabhängiger von Energie zu sein, die von außen rende Küchen- und Haushaltsgeräte können den Strom-
kommt, bedeutet, dass Gebäude künftig noch weniger und Energiebedarf gegenüber heute verbreiteten Tech-
Energie als heute verbrauchen dürfen und dass sie nologien nochmals deutlich reduzieren. Bedingung ist
gleichzeitig selbst zu Kraftwerken werden müssen. allerdings, dass der Nutzer mitdenkt und die erzielten
Auf Hausdächern sind Fotovoltaik- und Solarthermie- Effizienzgewinne nicht in Maßnahmen steckt, die ihrer-
anlagen zum gewohnten Anblick geworden, vielerorts seits wieder zu Mehrverbräuchen führen.
wird auf diese Weise lokal Strom produziert und das
Wasser geheizt (siehe Abb. 1–11). Während des ersten Betriebsjahres eines solchen
Gebäudes werden alle wichtigen Stellschrauben für
In Städten und Ballungszentren teilen sich Straßenzüge, seine energetische Unabhängigkeit einer Feinjustie-
größere Liegenschaften und mitunter ganze Quartiere rung unterzogen. Dazu findet in der Regel ein genaues
immer öfter energieeffiziente Blockheizkraftwerke. Der Betriebsmonitoring und – darauf aufbauend – eine
Anfang ist also gemacht. Bei einem Nullenergiehaus begleitende Optimierung seiner Anlagen statt. Erst
wird der durchschnittliche Jahresenergiebedarf komplett danach, im zweiten und dritten Jahr, zeigt sich, was das
durch regenerative und lokale Quellen gedeckt. Voraus- Gebäude wirklich kann. Erst dann können langfristig
setzung für solch aktiv wirksame Technologien ist, dass aussagekräftige Daten zum energetischen Verhalten
in der Planung der spätere Energiebedarf des Gebäudes gesammelt werden.
mittels „passiver“ Maßnahmen minimiert wird. Eine
weitere zentrale Bedeutung kommt der Technischen Die Grenze zwischen einem energieautarken Gebäude
und einem Plusenergiehaus ist in der Praxis fließend:
Faktoren wie Wetterlage, Jahreszeit und Belegung oder,
anders gesagt, die momentan herrschenden Voraus-
setzungen für die Energieproduktion und den Verbrauch
Fassaden- und
Dachbegrünung werden den Ausschlag geben. Doch vom Grundgedanken
Solarkollektor Urban Farming
Öko-Zement
her versorgt ein sogenanntes Plusenergiehaus eben
Solarmodule
nicht nur sich und seine Bewohner mit Energie, sondern
produziert systemisch einen ständigen Überschuss,
den es wiederum in andere Netze einspeist.

Um das Ziel Emissionsneutralität zu erreichen, soll das


Gebäude der Zukunft seine Energie zu 100 % aus rege-
nerativen Energiequellen beziehen.

©
M
oo
n

fo
to Wärmedämmglas
lia
.c
om
Brennstoffzelle
Vakuumdämmung

Geothermie

Abb. 1–11 Zero-Emissionsgebäude

13
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN

1.3.3 Gesunde Baustoffe Planung und Bau einiges zu beachten. So sind Verbund-
werkstoffe tabu. Die verschiedenen Materialien sind
Lacke, Teppiche, Teppichkleber, geklebte Tapeten, sortenrein trennbar und leicht zu demontieren (siehe
imprägniertes Holz, Dämmstoffe – Materialien, die Abb. 1–15).
die Gesundheit beeinträchtigen, können überall im
Gebäude verbaut sein. Zu den gefährlichen Stoffen Und: der Eigentümer des Gebäudes der Zukunft muss
zählen beispielsweise Aldehyde oder Lösungsmittel die verbauten Materialien nicht zwangsläufig besitzen.
wie aromatische Kohlenwasserstoffe oder Alkohole Welchen Vorteil bringt ihm der Besitz einer Lampe, also
sowie Weichmacher. Diese finden sich etwa in PVC- letztlich Glas, Kabel, Wolfram etc.? Geht es nicht um die
Fußbodenbelägen, Vinyltapeten, Lacken, Beschich- Leistung, also Licht? Er kauft das Licht für eine definier-
tungsmitteln, Dichtungsmassen und Klebstoffen. te Dauer ein. Nachdem die Leistung erbracht wurde,
nimmt der Lampenhersteller die Lampen zurück, bereitet
Noch heute werden Wärmedämmverbundsysteme sie auf und stellt sie erneut zur Verfügung. Das wirkt
(WDVS) verwendet. Bei Neubauten gilt es sicherzu- sich positiv auf die Qualität aus. Schließlich hat der
stellen, dass belastete Stoffe erst gar nicht zum Einsatz Produzent ein Interesse an hochwertigen Materialien,
kommen. Die Verwendung umweltfreundlicher Roh- da er mit diesen weiterarbeitet.
und Sekundärstoffe sowie die Dauerhaftigkeit des Bau-
werks halten Einzug in die Bauproduktenverordnung.
Die Industrie reagiert bereits mit entsprechenden 1.3.5 Flexibel nutzbar
Angeboten wie Teppichböden ohne PVC bzw. ohne
Klebstoffe oder voll recyclingfähige Fenster. Ein Gebäude ist dann zukunftsfähig, wenn es in Abhän-
gigkeit von unterschiedlichen Nutzern weiterentwickelt
Der wirtschaftliche Vorteil gesunder Baustoffe liegt werden kann. So sollten sich beispielsweise Wohn-
auf der Hand. Die verbauten Materialien verursachen konzepte innerhalb definierter Raster ohne Abbruch-
bei Sanierungen oder Rückbauten keine hohen Ent- kosten verändern können (siehe Abb. 1–12).
sorgungskosten. Stattdessen können sie nach ihrer
Nutzungsdauer ohne Qualitätsverlust wiederverwendet
werden. Das spart Kosten und gleicht die höheren An-
schaffungskosten aus.

1.3.4 Kreislauffähig – Cradle to Cradle

Die Gebäude der Zukunft werden keinen Müll mehr


produzieren. Zerbricht beispielsweise eine Glasscheibe,
wird das Glas nicht verschrottet, sondern hochwertig
weiterverarbeitet. Dazu darf das Fensterglas aber nicht
beschichtet sein! Während der übliche Wiederverwer-
tungsprozess zu Qualitätseinbußen führt (Fensterglas
© Frank Boston – fotolia.com

wird zu Behälterglas), bleibt das Material bei Cradle to


Cradle in seiner Ausgangsqualität erhalten.

Die Gebäude werden zu Rohstofflagern. Damit Stoffe,


die im Gebäude lagern, nach ihrer Nutzungsdauer
optimal verwendet werden können, gilt es bereits bei Abb. 1–12 Umwandlung eines Gebäudeteils im vorhandenen Raster

14
DIE KONZEPTION ZUKÜNFTIGER NEUBAUTEN

Flexible Achsraster (siehe Abb. 1–13) ermöglichen mieter hat das den Vorteil, dass sie beim nächsten
eine problemlose Veränderung der Raumaufteilung. Mieter nicht wieder komplett umbauen müssen. Sie
Trennelemente sind so gestaltet, dass sie sich leicht können auf dem bestehenden Raumkonzept aufbau-
versetzen lassen. In einer Studie zur Bewertung der end schnell und kostengünstig den Anforderungen der
Flexibilität bei Bürohochhaus-Neubauten empfiehlt der neuen Nutzer Rechnung tragen. Das gleiche Prinzip gilt
Autor eine Raumtiefe zwischen Kern und Fassade von 8 für Eigennutzer. Wenn ein Unternehmen den Standort
bis 8,50 Metern, da sich dann die meisten Büroformen schließt und das leere Gebäude auf den Markt bringen
(Einzelbüro, Zellenbüro, Kombibüro, Business-Club etc.) will, ist dessen Flexibilität ein echter Wettbewerbsfaktor.
effizient umsetzen ließen. Das Fassadenraster sollte Sollte es gerade wenig Nachfrage nach Büroimmobilien,
zwischen 1,20 Meter und 1,55 Meter liegen, die lichte aber umso mehr nach Wohnimmobilien geben, punktet
Raumhöhe mindestens drei Meter betragen. ein flexibles Bürogebäude auch als Wohnimmobilie.

Neben der Fähigkeit, sich mit unterschiedlichen Das Gebäude der Zukunft bringt auf diese Weise Eigen-
Nutzungen weiterzuentwickeln, ist das Gebäude der tümern und Nutzern wirtschaftliche Vorteile.
Zukunft generell auch drittverwendungsfähig. Für Ver-

Flexible modulare Planung mit standardisierten Funktionsbereichen


(z. B. Büros, Dokumentationsfläche, Multifunktionsfläche)

Dem Nutzerbedarf entsprechend horizontal und vertikal konfigurierbare Funktionsbereiche

Abb. 1–13 Anwendungsmöglichkeiten flexibler funktionaler Module

15
1 TRENDS BEI GEBÄUDEN UND PROZESSEN

1.4 Neue Methoden und Prozesse intelligente Methoden und effiziente Prozesse einge-
setzt werden. Es gilt, die beim Bauprozess leider noch
Die in den vorangehenden Kapiteln genannten Eigen- übliche Verschwendung zu vermeiden, den Material-
schaften würden mit den heute noch gängigen Planungs- und Ressourceneinsatz sowie den Energieaufwand
und Bauprozessen die aufzubringende Investitions- zu minimieren, die Qualität zu steigern und dennoch
summe erhöhen, bedeuten also einen Mehraufwand Kosten und Termine im Griff zu behalten.
gegenüber dem Standard.
Die neuen Prozesse betreffen den gesamten Lebens-
Damit die Wirtschaftlichkeit insgesamt gewährleistet zyklus von der Projektvorbereitung bis zum Nutzungs-
werden kann, müssen also schon bei Planung und Bau ende wie in Abb. 1–14:

ANALYSIEREN BERATEN PLANEN BAUEN BETREIBEN

Klar analysieren
– Produktionsprozesse Projekt vorbereiten
– Nutzungsprozesse
– Funktionsabläufe – Zieldefinition
– Business Cases – Funktionsplanung
– Qualitäten/
Standards
– Flächen-
optimierung
– Randbedingungen
– Machbarkeits-
studie Digital planen
– Wettbewerbs-
betreuung – Target Value Design Lean produzieren
– Design to Cost
Was braucht – BIM – Lean Construction
der Kunde? – Lean Design Management Betriebsfertig übergeben
Management – Ziehende Baustelle
– Standardisierung – Inbetriebnahmen
Produktdefinition – Ablaufoptimierung – Abnahmen
– Austaktung – Übergaben
Bauprozesse – Mängelmanagement
Projekt- Produktplanung
organisation (Virtuelles Bauen)

Bau- Produktion Übergabe


vorbereitung (Reales Bauen)
– Strukturen/
Organisation
– Integrated Betrieb vorbereiten
Project Delivery
– Prozesse – Material und
– Verträge Kapazitätsplanung
– Kommunikations- – Logistikkonzepte/
konzept -strategie
– Supply Chain – Datenmanagement
Management – Life-Cycle-Optimierung
– Logistiksimulation – Beschaffung operatives FM
– Energiemonitoring,
Abb. 1–14 Ablauf Lebenszyklus EMS

Analysieren
Bevor es zum Projekt kommt, wird die zukünftige Nutzung ersten Analyse geht es also noch gar nicht um den Bau
weit mehr im Fokus stehen als bisher. Die Planungs- eines Gebäudes, sondern zunächst um die Arbeits- und
anforderungen werden vom Ende her gedacht. In einer Produktionsprozesse des Bauherrn bzw. des Nutzers.

16
NEUE METHODEN UND PROZESSE

Projekt vorbereiten
Auf der Grundlage der Analyse werden die Ziele und
die geeignete Abwicklungsstrategie definiert. Bereits
zu diesem Zeitpunkt muss beispielsweise die Entschei-
dung fallen: Planen wir konventionell oder mit BIM?
Davon hängen die Prozesse, das Datenmanagement
und die Verträge ab.

Planen mit BIM und Lean Design Management


Die Methode, mit der man den Planungsablauf revolu-
tionieren kann, heißt Building Information Modeling
(BIM). Mit BIM wird das Gebäude in einem integrierten
Planungsprozess zunächst komplett durchgeplant
und abgestimmt, bevor man mit dem Bauen beginnt.
Begleitet wird das Planen mit BIM von einem neuen
Steuerungsprozess, dem Lean Design Management
(LDM). Dieses basiert auf einer kooperativen Zusam-
menarbeit aller Beteiligten beim Abstimmen und
Festlegen der Termine.

Bauen mit Lean Construction Management


Damit die innovativen Ergebnisse aus der Planung in
der Baupraxis umgesetzt werden können, muss eine
neue Prozesskette entstehen. Anstatt Hersteller, Liefe-
ranten und Montagefirmen wie beim herkömmlichen
Prozess erst nach Fertigstellung der Planungsergebnisse
in Form einer Ausschreibung einzubeziehen, muss
deren Know-how sehr viel früher und intensiver in die
Ausführungsplanung eingebunden werden. Das ist
möglich, da die wesentlichen Planungsschritte abge-
schlossen und koordiniert sind. Für die Bauausführung
werden mit Lean Management die Planungs-, Logistik-
und Bauprozesse aufeinander abgestimmt und nach
dem KAIZEN-Prinzip optimiert.

Inbetriebnahme, Abnahme und Übergabe erfolgen auf


der Basis von BIM-Bestandsplänen und BIM-Protokollen.

Betrieb vorbereiten auf der Basis von BIM


Auch im Betrieb hilft BIM, wenn die Daten über den
gesamten Lebenszyklus fortgeschrieben und weiterge-
nutzt werden. Das macht eine aufwendige und fehler-
anfällige Wiedereingabe überflüssig, unterstützt das Abb. 1–15 Business Park 2020 bei Amsterdam Schiphol – Green Wall
Facility Management und schafft Transparenz. (Quelle: Delta Development Group)

17
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

2
KLÄRUNG
DER ZIELE UND
PROJEKT-
VORBEREITUNG
In dieser ersten Phase entscheidet sich die Zukunft eines Projektes
grundsätzlich. Bei allem, was in dieser Phase falsch gemacht wird, kann in
den späteren Phasen nur noch Kosmetik betrieben werden.

Ob Nutzerprozesse oder Planungsidee, ob Projektorganisation oder Aus-


wahl der richtigen Personen, ob Planungsverfahren oder Vergabestrategie –
nur eine hohe Qualität der Lösung all dieser Themen wird zu einem guten
oder sehr guten Projekt führen. Schon eine falsche Grundsatzentscheidung
kann in der Folge massive Auswirkungen haben. Deshalb ist viel Prozess-
erfahrung, Kenntnis der Methoden oder Prozesse, Planungs- und Bau-
erfahrung sowie gesunder Menschenverstand bei der Beratung des Bauherrn
erforderlich. Auch sollte gerade diese Phase nicht unter Zeitdruck oder unter
ungelösten Problemen in den Kernprozessen oder Geschäftsmodellen leiden.

H. Sommer, Projektmanagement im Hochbau, DOI 10.1007/978-3-662-48924-6_2,


18 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
2.1 Nutzerprozesse analysieren 20
2.1.1 Bedarfsklärung 20
2.1.2 Business Case klären 21
2.1.3 Programming 21

2.2 Erarbeiten der Planungsidee 23


2.2.1 Pflichtenheft, funktionale Anforderungen 23
2.2.2 Grundstücksanalyse 24
2.2.3 Machbarkeitsstudie und Renditeprüfung 26
2.2.4 Architekten- und Investorenwettbewerbe 27
2.2.5 Bewertung der Entwürfe nach Lean-Kriterien 30

2.3 Projektorganisation 31
2.3.1 Bauherrenorganisation 31
2.3.2 Zielvorgaben und Zielfortschreibung 34
2.3.3 Projekt- und Plangliederung 35
2.3.4 Die Projektbeteiligten 37

2.4 Abwicklungsstrategie 42
2.4.1 Alternative Managementmodelle aufseiten des Auftraggebers 42
2.4.2 Alternative Abwicklungsstrategien mit Planern und ausführenden Firmen 50

2.5 Vertrags- und Risikomanagement 54


2.5.1 Vorbereiten Vertragsmanagement 54
2.5.2 Vorbeugendes Risikomanagement 58
2.5.3 Anti-Claim-Management 59

2.6 Termin- und Kostenstruktur 60


2.6.1 Terminplanung, Meilensteine 60
2.6.2 Kostenstruktur, Investitionskostenschätzung 66

2.7 BIM-Beratung 74
2.7.1 Aufzeigen von Vorteilen und Konsequenzen 74
2.7.2 Analyse und Anforderungen 76
2.7.3 Strategie und Maßnahmen 76
2.7.4 Förderung und Transformation 77

19
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

2.1 Nutzerprozesse analysieren – Welche Interessenkonflikte können sich möglicher-


weise ergeben?
Die entscheidenden Weichen für das Gelingen eines
Bauvorhabens in Bezug auf die Inhalte und die Ab- Zu diesen Fragen können letztlich nur neutrale Berater
wicklung werden zu Beginn eines Projektes und in der eine grundsätzliche Klärung bringen. In aller Regel
Planungsphase gestellt. Alles was hier versäumt oder werden sie das in einem ersten Schritt durch eine
falsch gemacht wird, kann während der Bauausführung systematische Bedarfsanalyse tun. Dabei werden
nur noch in ganz geringem Umfang repariert werden. zunächst die betrieblichen Kernprozesse des Bauherrn
Leider wird sehr häufig in dieser Phase die Zeit ver- und ihre geplanten Veränderungen Punkt für Punkt
schenkt, was dann zu Hektik im Ablauf und versäumten analysiert. Das Ergebnis dieser Funktions- und Prozess-
Chancen führt. Deshalb wird diese Phase nachstehend analyse ist die Basis für alle weiteren Schritte.
sehr ausführlich behandelt.
Entscheidend für die Berater ist dabei, sich vom ur-
eigenen Geschäft des möglichen Bauherrn ein Bild zu
2.1.1 Bedarfsklärung machen. Und das funktioniert nur dann, wenn sie
seine „Sprache sprechen“. Nur dann und mit der
Die ersten Schritte sind entscheidend: Was will ich praktischen Branchenerfahrung können die Berater
ändern oder erreichen? Wie sind meine zukünftigen überhaupt die konkreten Anforderungen an das Projekt
Prozesse und Ansprüche? Wie werde ich dem am definieren und in der Folge die richtigen Leute an den
besten gerecht? – Das sind ganz zentrale Fragen, die Tisch bringen. Dabei geht es zunächst noch überhaupt
sich die wenigsten stellen. Doch die jahrzehntelange nicht ums Bauen, sondern um die Entscheidungs-
Arbeit in der Baubranche lehrt, dass man gerade am grundlagen dafür, in welcher Form die Pläne verwirk-
Anfang eines Projekts kaum genug Fragen stellen kann. licht werden sollen. Das kann ein Umbau sein oder ein
Und wenn – dann sollten es die richtigen sein! Umzug, vielleicht ist ein Neubau oder ein Teilneubau
die beste Lösung. Die Entscheidung wird am besten
Aufgabenstellung klären, Bedarf analysieren anhand verschiedener Szenarien zur Umsetzung der
Die Ziele und Wünsche des Bauherrn sind anfangs den Bedarfsanalyse getroffen.
meisten Projektbeteiligten unbekannt. Der Bauherr
weiß im Prinzip, was er will. Aber er weiß es nicht In Workshops die Mitarbeiter einbinden
konkret. Und schon gar nicht so, dass er es Dritten als Die Bedarfsanalyse greift in der Regel in die Arbeits-
Briefing erklären kann. Deshalb lohnt es sich, eine kultur eines Unternehmens ein, da sich aus ihr heraus
Checkliste durchzugehen: die eigentlichen Anforderungen an ein Gebäude
ergeben. Unter den Begriff Arbeitskultur fallen z. B.
– Was sind meine eigentlichen Kernprozesse? die organisatorischen Abläufe, die Führungskultur,
– Für wen und zu welchem Zweck baue ich eigentlich? herrschende Arbeitszeitmodelle oder das Wissens-
– Wer sind die späteren Nutzer? Wie sieht ihr management einer Firma. Mithilfe spezieller
Arbeitsalltag aus? Methoden – wie z. B. einem speziellen Programming –
– Was will, was kann ich investieren? können Schlüsselfaktoren der Arbeitseffizienz und
– Welcher Zeitrahmen steht mir bei Planung und Bau Produktivitätshemmer identifiziert werden. All dies wird
zur Verfügung? besser mit der Belegschaft als im stillen Kämmerlein
– Was soll mit dem fertiggestellten Gebäude in den entwickelt (siehe Abb. 2–1).
kommenden Jahren passieren? Und was soll lang-
fristig nach Ende der Nutzung damit geschehen? Die Teilergebnisse erarbeiten die Berater gemeinsam
– Welche Alternativen zu einem Neubau/einer mit Mitarbeitern in Workshops vor Ort im Unternehmen.
Sanierung habe ich eventuell? Diese Teilergebnisse werden bereits während der

20
NUTZERPROZESSE ANALYSIEREN

2. FOKUSGESPRÄCHE – QUALITÄTEN
Fakten und Konzepte sammeln,
strukturieren und analysieren

5. ANFORDERUNGSPROFIL
1. PROJEKTSTART Bedarf prüfen,
Planungsaufgabe formulieren
Ziele definieren

4. KONSENSWORKSHOP
Kernthemen, Konzepte,
Aussagen und Inhalte entwickeln,
diskutieren und bewerten
3. ZAHLENERHEBUNG – QUANTITÄTEN
Fakten, Kosten, Termine ermitteln und fixieren

Abb. 2–1 Methodisches Vorgehen beim Programming

Sitzungen visualisiert und dokumentiert, wodurch die die jährlichen Aufwendungen für eine Erlebniswelt
unterschiedlichen Nutzerbedürfnisse schnell sichtbar ebenso durch Eintrittsgelder und Übertragungsrechte
werden. In der Summe lässt sich daraus ein stimmiges wieder eingespielt werden wie die bei einem Fußball-
Anforderungsprofil formen, das als Grundlage für das stadion etc.
weitere Vorgehen dient.

Die Bedarfsanalyse bildet somit die Basis für die 2.1.3 Programming
weitere Konzeption und Planung eines Bauvorhabens.
Sie veranschaulicht, was ein Gebäude leisten soll, Am Beispiel eines Büroneubaus kann man die Kriteri-
welche Umgebungen – beispielsweise spezielle Medien en, die an das Programming gestellt werden, recht gut
wie eine Druckluftversorgung oder Wegenetze – die beschreiben (siehe Abb. 2–2):
Arbeitsprozesse unterstützen, unter welchen Bedin-
gungen Mitarbeiter produktiv arbeiten und Funktionen
Menschen
optimal angeordnet sind. Werte
Unternehmenskultur

2.1.2 Business Case klären

Das Thema Business Case betrifft vor allem Betreiber-


modelle. Die gemäß den vorgenannten Modellen ge-
wonnenen Informationen sind umfassend und zugleich Arbeitsplatz und
Arbeitsumfeld
detailliert genug, um den beabsichtigten Nutzen des
anvisierten Bauprojekts seinen betriebswirtschaftlichen
Prozesse
Kosten gegenüberzustellen. Der Business Case muss Tätigkeiten
Arbeitsweisen
letztlich unter Beachtung aller Parameter zu einem
positiven wirtschaftlichen Ergebnis führen. So müssen Abb. 2–2 Kriterien beim Programming

21
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Damit Mitarbeiter motiviert und produktiv arbeiten AUSSTELLUNG UND BESCHICKUNG


können, sollten die Arbeitsorganisation und die Gebäu-
Heerstraße

destruktur die Arbeitsweise bestmöglich unterstützen.


Lkw-Pool / Bus-Parkplatz Eingang
Nord
P

Arbeitsweise, Organisation und Räume unterlie-


gen ständigen Veränderungen. Wenige Arbeits- und Ausstellungs-
Messe- Messe-
Freigelände

Raumkonzepte entsprechen diesen Anforderungen an segment segment

eine zukunftsorientierte und prozessunterstützende


P
Arbeitsumgebung. Eingang
West
Eingang
Ost
Parkhaus
über A 8

Messe- Messe-
Lager
Kommunikation, Wissenstransfer und abteilungsüber- Werkstätten segment segment
greifende Zusammenarbeit gewinnen zunehmend an Servicedienste

Bedeutung und können durch die Gebäudestruktur und


Haupt- Restau-
die Arbeitsumgebung maximal gefördert werden. Verwaltung eingang
Süd
rant
Kongress

P
Taxi- / ICE- evtl.

Zukunftsfähige Gebäudestrukturen sollten flexibel und Bushaltestelle Bahnhof Hotel

mit geringem Aufwand an neue Anforderungen ange- Flughafenrandstraße

Mall

ICE-Trasse
passt werden können. Die Neukonzeption eines Gebäu-

A8
P2 / P4 Flughafen S-Bahn

des oder von Bestandsflächen ist immer eine Chance,


die Zukunft zu gestalten. Eine qualitativ hochwertige
und nachhaltige Planung ist deshalb unabdingbar.
BESUCHERFÜHRUNG
Die erforderlichen Räume werden in einem Flächen-
Heerstraße
programm nach einzelnen Nutzungsbereichen zusam-
mengestellt, wozu auch Aussagen zu Achsmaß, Raum- Lkw-Pool / Bus-Parkplatz Eingang
Nord
P

abmessungen sowie Raum- und Geschosshöhen ge-


hören. Die Nutzungsvorgaben sollen die komprimierten Ausstellungs-
Messe- Messe-
Freigelände
Zielvorstellungen der Nutzer darstellen und das ge- segment segment

samte Raum- und Funktionsprogramm in einer Über-


P
sicht zusammenfassen, die als Grundlage für erste Eingang
West
Eingang
Ost
Parkhaus
über A 8
Gestaltungsüberlegungen ausreichend ist. Am Beispiel Messe- Messe-
Lager
der Messe Stuttgart wurden die Nutzungsvorgaben in Werkstätten segment segment
den Grafiken in Abb. 2–3 dargestellt. Servicedienste

Haupt-
Die Anforderungen an die neue Messe bezogen sich Verwaltung eingang
Süd
Restau-
rant
Kongress

P
hier beispielsweise auf zwei Bereiche:
Taxi- / ICE- evtl.

– Ausstellung und Beschickung Bushaltestelle Bahnhof Hotel

– Besucherführung Flughafenrandstraße
Mall

ICE-Trasse
A8

P2 / P4 Flughafen S-Bahn

Allem zugrunde lag hier die Forderung nach einer


„Messe der kurzen Wege“. Von größter Wichtigkeit war
die Trennung zwischen Ausstellungs-/Beschickungs- Abb. 2–3 Funktionale Konzeption (Messe Stuttgart)
verkehr und der Besucherführung. Auch die Parkie-
rungszonen für diese zwei Gruppierungen mussten
voneinander unabhängig angelegt sein.

22
ERARBEITEN DER PLANUNGSIDEE

2.2 Erarbeiten der Planungsidee Über die Bedarfsanalyse und das Programming steht
die gewünschte Nutzung fest und muss in einem Pflich-
Die Phase von der Klärung des Bedarfs bis zur Planungs- tenheft mit allen Randbedingungen definiert werden.
idee ist von großer Bedeutung für die Qualität eines Danach oder auch parallel wird nach einem geeigneten
Projektes. Getroffene Entscheidungen haben weitrei- Grundstück gesucht und über ein Flächenmodell die
chende Folgen für die Architektur und den Städtebau Rendite und die aus der Kombination von Flächenanfor-
sowie für die ökonomische und ökologische Qualität derungen und Grundstücksgröße entstehende Baumas-
der Gebäude. Der Ablauf lässt sich so grob beschreiben se in einer Machbarkeitsstudie überprüft.
wie in Abb. 2–4:
Ist das Ergebnis positiv, dann können dazu Planungs-
ideen z. B. über einen Architektenwettbewerb eingeholt
Klären der Bedarfsanalyse werden.

Grundstückssuche
2.2.1 Pflichtenheft, funktionale Anforderungen

Grundstücksanalyse Das Vorgehen bis zu diesem Punkt zeigt: Wenn ein


Gebäude funktionieren – und sich für den Bauherrn
„rechnen“ – soll, muss es von innen, von seinen beab-
Nutzungsmix und
Flächenanforderungen sichtigten Aufgaben her, gedacht werden. Dazu, die
daraus erwachsenden Anforderungen final festzuschrei-
E A
ben, dient das Pflichtenheft, das in manchen Branchen
D
B
auch Lastenheft oder Nutzerbedarfsprogramm heißen
C kann. In ihm werden Kerngrößen wie die für unter-
schiedliche Bereiche notwendigen Flächen oder deren
funktionale Zusammenhänge verbindlich festgehalten.

Flächenmodell
An einem fiktiven Beispiel lassen sich die in einem
Bereich NF SF BGF
Pflichtenheft abgebildeten komplexen Zusammenhän-
A
B ge gut zeigen: Die Abteilung eines Unternehmens soll
C neue Räume beziehen. Dabei soll ein gesonderter Raum
für Drucker, der gleichzeitig als Lager für Büromaterial
fungiert, eingerichtet werden. Aus dieser einfachen
Baumassenüberprüfung Renditeüberprüfung
Aufgabenstellung ergeben sich eine ganze Reihe von
Fragen, z. B.: Wie muss der Zugang bemessen sein?
Wie werden die Wege der Mitarbeiter zum Druckerraum
möglichst kurz geplant? Wie lassen sich Belüftung und
Wärmeabfuhr des Raumes richtig dimensionieren?
Müssen zukünftige Entwicklungen und Technologien
Planungsidee
berücksichtigt werden, etwa, wenn die Firma in einigen
Jahren zusätzlich 3-D-Drucker anschaffen möchte?
Sämtliche hierzu notwendigen Angaben wandern in das
Pflichtenheft.

Abb. 2–4 Von der Bauaufgabe zur Planungsidee

23
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Die bisherigen Analysen, die die räumlichen Beziehun- Standortanalysen im Rahmen der Grundstückssuche
gen von Teams und Abteilungen beschreiben, sowie unverzichtbar sind.
wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Arbeitsorgani-
sationsforschung bilden die Grundlage für detaillierte Auch bei bereits vorhandenen Grundstücken sind
Raum- und Organisationskonzepte. Sie beschreiben die solche Standortanalysen in etwas abgewandelter Form
räumliche Verteilung der Arbeitsplätze, Erschließungs- zur Absicherung der Planung dringend zu empfehlen.
wege, Sonderflächen sowie Kunden- oder Besucherzo- Nachfolgend sollen kurz die wesentlichen Kriterien
nen. Grafiken und Schemadarstellungen dokumentieren angesprochen werden, die bei einer solchen Standort-
darin alle wichtigen Abläufe. analyse zu prüfen sind.

Baurecht: Im Bereich der Ballungszentren sollte zumin-


2.2.2 Grundstücksanalyse dest ein Flächennutzungsplan vorhanden sein, der eine
Bebauung des entsprechenden Grundstücks zulässt.
Eine der schwierigsten und aufwendigsten Aufgaben ist Damit besteht jedoch noch keinerlei Sicherheit der
sicherlich die Suche nach einem geeigneten Grundstück Bebaubarkeit, die allein durch einen gültigen Bebauungs-
in möglichst guter Lage (siehe Abb. 2–5). plan gegeben ist. Ein solcher Bebauungsplan kann
allerdings nicht nur von Vorteil sein, insbesondere wenn
zum Zeitpunkt seiner Erstellung, aus welchen Gründen
ZUSCHNITT UND BAURECHT auch immer, sehr restriktive Vorgaben gemacht wurden.

Stadtplanung: Die Vorstellungen des Stadtplanungs-


amtes sind zwar für die spätere Planung nicht unbe-
dingt verbindlich, dennoch ist es für den Ablauf nützlich
STANDORT PREIS zu wissen, in welcher Richtung die für diesen Bereich
Verantwortlichen denken. Dabei geht es vor allem um
Abb. 2–5 Grundstücksparameter die Einbindung eines neuen Projektes in die Umgebung.

Infrastruktur: Bei großen Projekten empfiehlt es sich


Dabei spielt der Grundstückspreis in der Renditekalku- dringend, vor dem eigentlichen Planungsbeginn durch
lation eine entscheidende Rolle. Er hängt vor allem vom ein qualifiziertes Büro ein Verkehrsgutachten anfertigen
Standort (Zentrum oder Randlage, Verkehrsanbindung, zu lassen. Weiterer wichtiger Bestandteil der Infrastruk-
Einkaufsmöglichkeiten, öffentliche Einrichtungen) und tur sind die ausreichende Versorgung des Baugebiets
vom Grundstückszuschnitt sowie vom vorhandenen mit Energie und Wasser sowie die Entsorgung.
Baurecht (Bebauungsmöglichkeiten) ab.
Grundstücksbelastungen: Erst wenn die Bebaubarkeit
Bei der zunehmenden Bebauungsdichte in unseren des Grundstücks in Art und Umfang geklärt ist, kann der
Ballungsräumen hat jeder Bauwillige heute große vorgesehene Grundstückspreis bewertet werden. Er ist
Schwierigkeiten, ein für seine Zwecke geeignetes, be- letztlich als eine Belastung pro m2 Nutzfläche bzw. pro
bautes oder unbebautes Gewerbegrundstück zu finden. Arbeitsplatz zu sehen. Ein weiterer erheblicher Kosten-
Ausreichende Größe, eine gute Lage sowie ein erschlos- faktor beim Erwerb des Grundstücks sind die Erschlie-
senes Gelände und funktionierende Infrastruktur sind ßungskosten. Hierbei wird in der Regel unterschieden
notwendig. Ist man schließlich fündig geworden, kann zwischen verbrauchsabhängigen Anschlusskosten für
ein Grundstück immer noch mit unangenehmen Überra- Strom, Heizungsmedien und Wasser und pauschalen
schungen aufwarten. Gerade in Ballungszentren ist mit Ablösungen, wie sie heute zumeist für Verkehrserschlie-
vielerlei Gefahren zu rechnen, sodass professionelle ßung und Abwasseranschluss vereinbart werden.

24
ERARBEITEN DER PLANUNGSIDEE

Ist das Gelände im innerstädtischen Bereich noch be- kann, während eine mögliche Dekontamination vor Ort
baut, so können sich die Abbruchkosten vor allem dann Kosten von 20,– bis 600,– €/t verursacht. Je früher
in erheblichen Dimensionen bewegen, wenn ein Indus- man sich mit diesem Problem auseinandersetzt, umso
triebetrieb Produkte mit kontaminierten Rückständen mehr kann man die Auswirkung bei der späteren
produziert hat. Planung und Ausführung begrenzen. So ist es in der
Regel sinnvoller, teilweise auf eine Bebauung des
Auch das Umlegen oder Ersetzen vorhandener Leitun- Grundstücks zu verzichten und den Boden an Ort und
gen kann zu einem erheblichen Kosten- und Zeitfaktor Stelle zu belassen. Dazu muss jeweils die aktuelle
werden, da in der Regel neue Trassen gesucht werden Gesetzgebung bezüglich der Entsorgungspflicht für das
müssen, die zum Teil eigene Genehmigungsverfahren gesamte Grundstück geprüft werden.
bedingen. Vor allem im Zusammenhang mit Leitungen
der Deutschen Telekom AG oder anderer Netzbetreiber Grundwasserspiegel, Quelleinzugsgebiet: Entscheidend
sowie der Deutschen Bahn AG sind hier langwierige für die Bebaubarkeit des Grundstücks in den Unter-
Verhandlungen die Regel. Als Ausweg werden häufig ein geschossen, z. B. für Tiefgaragen, Technikzentralen und
Verbleib auf dem Gelände und eine damit notwendige Lagerflächen, ist heute der Grundwasserspiegel. Bauen
Integration in das zu planende neue Gebäude als das oder Gründen im Grundwasser verursacht erhebliche
kleinere Übel angesehen, obwohl auch damit erhebliche Mehrkosten, sodass man vor dem Grundstückskauf
Kosten verbunden sind. Besonders intensiv muss auf versuchen sollte, den Grundwasserspiegel im
den Liegenschaftsämtern danach geforscht werden, ob Bereich des Grundstücks bei den Behörden zu erfragen.
für das Grundstück besondere zusätzliche Eigentums-, Letztendliche Sicherheit hierüber gibt natürlich nur ein
Nutzungs- oder Zufahrtsrechte bestehen. Solche Belas- Bodengutachten, das jedoch vor Grundstückserwerb zu
tungen entpuppen sich in aller Regel als große Gefahr, teuer und zu zeitaufwendig ist, da gesicherte Aussagen
wenn man vom bestehenden Planungsrecht abweichen über das Grundwasser nur durch Dauerbrunnen gemacht
will und ein Bebauungsplan-Änderungsverfahren vorge- werden können. Besondere Vorsicht ist in jedem Fall
sehen ist. dann geboten, wenn das Grundstück im Bereich eines
Quelleinzugsgebietes liegt.
Baugrund: Einen wesentlichen Einfluss vor allem auf
die Untergeschosse sowie die Gründung von geplanten Umweltauflagen: Von Umweltschutzbehörden werden
Gebäuden haben die Beschaffenheit des Baugrunds, im Wesentlichen die folgenden Themen in die Bebau-
die Lage des Grundwassers sowie benachbarte Gebäu- ungsplanverfahren eingebracht:
de, Verkehrstrassen und Leitungstrassen.
– Erhaltung von Frischluftschneisen
Altlasten: Ergibt sich während der Recherche der Ver- – Reduzieren von Emissionen
dacht auf kontaminierten Boden, so ist dringend eine – Gewässerschutz
chemische Analyse zu empfehlen. Stellt sich eine – Baumschutz
Sanierungsbedürftigkeit heraus, so gilt im Grunde das – Vermeidung von Oberflächenversiegelung
Verursacherprinzip. Allerdings ist grundsätzlich der
Eigentümer für die Sanierung verantwortlich. Während In einer Grundsatzbesprechung mit den entsprechen-
bei normalem Aushubmaterial heute die Transport- den Behörden kann geklärt werden, welche übergeord-
probleme aus den verstopften Innenstädten sowie die neten Vorstellungen für diesen Bereich vorliegen.
Möglichkeiten des Recyclings im Vordergrund stehen,
sind es bei kontaminierten Böden die unterschied- Beweissicherungsverfahren: Grenzen direkt an das
lichen Möglichkeiten der Behandlung. Dabei ist derzeit Grundstück Gebäude, S-Bahn- oder U-Bahn-Trassen
davon auszugehen, dass der Abtransport von hoch- sowie Ver- und Entsorgungsleitungen, und hat man
kontaminierten Böden bis zu 1.000,– €/t betragen vor, im Bereich der Grundstücksgrenze tiefer gehende

25
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Baumaßnahmen durchzuführen, so sind zum Teil In Kenntnis der zu erwartenden Grundstückskosten


aufwendige Beweissicherungsmaßnahmen empfeh- sowie der Bau- und Betriebskosten aus dem Flächen-
lenswert, wenn sie nicht sogar vorgeschrieben werden. modell können eine zu erwartende Produktivitätsver-
Die Kosten für solche Beweissicherungsmaßnahmen besserung oder Mieterträge gegenübergestellt und die
können sich vor allem im innerstädtischen Bereich, wo Rentabilität des geplanten Projekts ermittelt werden.
häufig 100 % der Grundstücksfläche unterkellert wer- Ein Investor wird ein Projekt nur starten, wenn zu erwar-
den, zu erheblichen Beträgen summieren, die ebenfalls tende Einnahmen größer als die Ausgaben sind. Dazu
die Grundstückskosten belasten. Dabei sind gerade die müssen neben den Ausgaben und Einnahmen weitere
Trassen von S- und U-Bahn wegen der Ungenauigkeit Daten wie beispielsweise die Verzinsung des eingesetz-
der Schienenverlegung ebenso wie große Abwasser- ten Kapitals, der Cashflow und das Risiko der geplanten
kanäle höchst riskante Nachbarn. Investition als Entscheidungshilfe ermittelt werden.

Baumassenüberprüfung
2.2.3 Machbarkeitsstudie und Renditeprüfung Häufig sind die Vorstellungen der Bauherren nicht mit
den Vorstellungen der jeweiligen Kommunen kompatibel.
Flächenmodell Auch vorhandene Bebauungspläne sind in den seltens-
Aus dem Raumprogramm (Nettoflächen) kann über ten Fällen bei Großprojekten geeignet, die richtige
nutzungsabhängige Faktoren ein Bruttoflächenmodell Lösung zu finden. Fast immer soll eine möglichst dichte
mit zugeordneten Kostenkennwerten und Mieten er- Bebauung erfolgen, was allerdings oft ein verhängnis-
stellt werden (siehe Abb. 2–6). voller Fehler für die spätere Nutzung und Vermarktung
sein kann. Deshalb ist es wichtig, zunächst zu unter-
suchen, welche Bebauungsdichte denn überhaupt
Einnahmen
Verkaufserlös, möglich und sinnvoll ist. Durch geeignete Verfahren
Mieten,
Ausgaben Nebenkosten, kann man die Konsequenzen solcher unterschiedlicher
Grundstückskosten, Effektivität,
Baukosten, Imagegewinn Dichten darstellen und damit eine neutrale Diskussions-
Betriebskosten,
Instandhaltung, basis schaffen, die in aller Regel zu vernünftigen Ver-
Zinsen, Tilgung
einbarungen sowohl für den Bauherrn als auch für die
Kommune und ihre Bürger führt (siehe Abb. 2–7).

Abb. 2–6 Die Renditewaage

GFZ 4,0: 300.000 m2 GF GFZ 4,5: 335.000 m2 GF GFZ 5,0: 370.000 m2 GF

Bürohochhaus 180 m Bürohochhaus 180 m Bürohochhaus 230 m

Hotelhochhaus 112 m Hotelhochhaus 112 m

1.715 pro Geschoss x 42 = 72,030 1.715 pro Geschoss x 42 = 72,030 1.715 pro Geschoss x 55.25 = 94,754

Hotelhochhaus 62 m

1,440 pro Geschoss x 12.5 = 18,000 1,440 pro Geschoss x 29 = 41,760 1.400 pro Geschoss x 29 = 41,760

Technik auf dem Dach Technik auf dem Dach Technik auf dem Dach
und im Turmbereich und im Turmbereich und im Turmbereich
22 m 22 m 13,655 22 m
DG 2,000 9,000 DG 2,000 11,383 DG 2,000
5. OG 8,000 15,000 Luftraum 4. OG 5. OG 8,000 15,000 Luftraum 4. OG 5. OG 9,000 18,700 Luftraum 4. OG
4. OG 9,360 15,000 Luftraum 3. OG 4. OG 9,360 4. OG 9,000 18,700 Luftraum 3. OG
15,000 Luftraum 3. OG
3. OG 9,360 3. OG 9,360 3. OG 9,360
15,000 Luftraum 2. OG 15,000 Luftraum 2. OG 18,700 Luftraum 2. OG
2. OG 9,360 2. OG 9,360 2. OG 9,360
1 . OG 7,800 21,000 Luftraum 1 . OG 1 . OG 7,800 37,500 Luftraum 1 . OG 1 . OG 7,800 37,500 Luftraum 1 . OG

EG 5,800 37,500 Freiflächen EG EG 5,800 37,500 Freiflächen EG EG 5,800 37,500 Freiflächen EG

P1 7,700 22,500 14,300 5,000 Leitungen, U-Bahn 1 . UG P1 10,000 24,500 14,100 5,000 Leitungen, U-Bahn 1 . UG P1 7,800 24,500 17,600 5,000 Leitungen, U-Bahn 1 . UG
P2 7,700 P2 10,000 P2 7,800
25,884 10,700 5,000 Leitungen, U-Bahn 2. UG 27,774 10,900 5,000 Leitungen, U-Bahn 2. UG P3 7,800 24,492 11,625 5,000 Leitungen, U-Bahn 2. UG
P3 7,700 P3 10,000
P4 45,000 4,850 Leitungen 3. UG P4 48,500 4,850 Leitungen 3. UG P4 55,000 4,100 Leitungen 3. UG
P5 45,000 4,850 Leitungen 4. UG P5 48,500 4,850 Leitungen 4. UG P5 55,000 4,100 Leitungen 4. UG

Abb. 2–7 Prüfen von Varianten der Bebauungsdichte (Potsdamer Platz in Berlin)

26
ERARBEITEN DER PLANUNGSIDEE

Machbarkeitsstudie Eine Risikoanalyse schließt die Machbarkeitsstudie ab.


Häufig wird zur weiteren Absicherung einer Projektent- Mit der Machbarkeitsstudie liegt somit ein technisch
wicklung eine Bebauungsstudie entwickelt. Diese stellt realisierbares und mit den Behörden vorabgestimmtes
in Varianten die mögliche Bebauung der infrage kommen- Bebauungskonzept vor. Diese Gesamtkonzeption für
den Flächen dar. Diese Darstellungen werden sowohl die Grundstücke ermöglicht die Diskussion mit mögli-
auf Plänen als auch durch die Verwendung von Computer- chen Entwicklungs- und Finanzierungspartnern sowie
animationen anschaulich dargestellt (siehe Abb. 2–8). eine abgesicherte Grundlage für eine Planungsidee.

Im Anschluss an die Entwicklungskonzeption wird die


technische Durchführbarkeit geprüft. Auf Grundlage der 2.2.4 Architekten- und Investorenwettbewerbe
Bebauungsstudien werden Erschließungs- sowie Ver-
und Entsorgungskonzepte untersucht und bei Bedarf Ideenfindung über Architektenwettbewerbe
Baugrunduntersuchungen integriert. Mit den Behörden Hat man sämtliche Randbedingungen geklärt, so wird
erfolgt eine planungsrechtliche Vorabstimmung, die ein Architekt gesucht, der in der Lage ist, das vorgege-
sich mit Themen wie Baumassenverteilung, Geschoss- bene Raumprogramm unter Beachtung des Kostenrah-
flächenzahl oder städtebaulicher Akzeptanz befasst. mens und der bestehenden Randbedingungen in eine
Anschließend wird ein Konzept für die Parzellierung bestechende Planungsidee umzusetzen. Grundsätzlich
erarbeitet. stehen hier drei Möglichkeiten zur Verfügung:

– direkte Beauftragung eines bestimmten Architekten


– Mehrfachbeauftragung von drei bis vier Architekten
– Wettbewerbsverfahren nach GRW (Grundsätze und
Richtlinien für Wettbewerbe der Architekten- und
Ingenieurkammern)

Für die direkte Einschaltung nur eines Architekten spricht,


dass die Aufgabe vom ersten Moment an im Dialog
zwischen Bauherr und Architekt schrittweise gelöst
werden kann. Es ist allerdings sinnvoll, nicht nur auf
Empfehlung hin zu entscheiden, sondern sich durch
Besichtigung von Bauten des betreffenden Architekten
und durch Befragung der Bauherren ein eigenes Bild zu
machen.

Für einen Architektenwettbewerb spricht, dass man das


Know-how und die Ideen einer größeren Anzahl von
Architekten mobilisieren kann. Außerdem haben dabei
auch junge Architekten die Chance, zum Zuge zu kommen.

Die Architekten liefern auf der Grundlage einer soge-


nannten Auslobung (Pflichtenheft) ihre Entwürfe sowie
ein Modell ab, die nach einer Vorprüfung von einem
Preisgericht begutachtet und bewertet werden.
Abb. 2–8 Erste Machbarkeitsstudie als Skizze und Modell
(Potsdamer Platz in Berlin)

27
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Schließlich wird eine Reihenfolge festgelegt und mög- Bei Mehrfachbeauftragungen ist sowohl ein kooperati-
lichst ein 1. Preisträger benannt, dessen Entwurf zur ves als auch ein anonymes Verfahren möglich. Im ersten
Ausführung durch den Investor empfohlen wird. Fall stehen die Architekten dem Bauherrn sozusagen in
Es können Wettbewerbe nach GRW oder Mehrfachbe- direkter Abstimmung gegenüber. Beim anonymen Ver-
auftragungen durchgeführt werden (siehe Abb. 2–9). fahren dagegen entscheidet ein neutrales Preisgericht
über die Qualifikation der Arbeiten; in der Regel folgt
Bei Wettbewerben nach GRW, die auch die europäischen der Bauherr der Empfehlung des Preisgerichts, er hat
Dienstleistungsrichtlinien einbeziehen, sind die Rand- aber auch die Möglichkeit, einen der weiteren Preisträger
bedingungen für Architektenwettbewerbe festgelegt; zu beauftragen.
unter anderem wird grundsätzlich von einem anonymen
Verfahren ausgegangen. Die einzige Ausnahme – das Als besonderes Verfahren in der GRW ist derzeit der
kooperative Verfahren nach GRW – eignet sich für kombinierte Wettbewerb in der Erprobung. Diese Kom-
besonders schwierige Projekte, bei denen die Lösung bination von Planung und Bauleistung hat zum Ziel,
der Aufgabe im Meinungsaustausch zwischen Auslober, die Baukosten zu senken.
Preisgericht und Teilnehmer erarbeitet wird. Für die Ein-
haltung der „Spielregeln“ sorgen die Wettbewerbsaus-
schüsse der Architektenkammern und bei öffentlichen
Auftraggebern zusätzlich behördliche Instanzen.

IST AUFTRAGGEBER IST DAS PROJEKT ÜBER SIND KOMBINIERTE VERFAHREN


ÖFFENTLICH? EU-SCHWELLENWERT? INTERESSANT?

Privater Auftraggeber Öffentlicher Auftraggeber Öffentlicher Auftraggeber

Planerauswahlverfahren Kombiniertes Verfahren


nach VOF* nach VOF/VOB

Planungswettbewerb Verhandlungs- Kombinierte Verfahren


nach RPW* Verhandlungs- verfahren (VOF/VOB/VOL)
Direkt- Planungs- Es gibt: verfahren mit mit Bestandteilen wie:
beauftragung gutachten mit nach-
nach HOAI* Direkt- geschalteter
beauftragung Mehrfach-
Offene Wettbewerbe beauftragung Planen

Nicht offene Wettbewerbe Bauen

Zweiphasige Verfahren Finanzieren

Kooperative Verfahren Betreiben

*VOF = Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen


* HOAI = Honorarordnung für Architekten und Ingenieure
Abb. 2–9 Aufzeigen von möglichen Verfahrensarten und Abwicklungsmöglichkeiten * RPW = Richtlinien für Planungswettbewerbe

28
ERARBEITEN DER PLANUNGSIDEE

In der Praxis ist es im Preisgericht oft schwierig, den

© Projektgesellschaft Neue Messe GmbH & Co. KG


richtigen Konsens zwischen Sachpreisrichtern als
Vertretern des Investors (Ziele: Funktion, Wirtschaft-
lichkeit, Vermarktungsfähigkeit) und den Architekten
als Fachpreisrichtern (Ziele: Städtebau, Architektur,
ökologische Einbindung) zu finden. Ein gutes Ergebnis
hängt im Wesentlichen davon ab, dass zum einen die
Anforderungen in der Auslobung professionell und

© Projektgesellschaft Neue Messe GmbH & Co. KG

© Uwe Rau
Abb. 2–12 Diskussion des Preisgerichts beim Wettbewerb
© Projektgesellschaft Neue Messe GmbH & Co. KG

vernünftig formuliert sind und zum anderen die Vor-


prüfung richtige und verständliche Basisdaten für die
Entscheidung liefert (siehe Abb. 2–10 bis 2–12).

Ideenfindung über Investorenwettbewerbe


Bei sogenannten Investorenwettbewerben wird in der
Regel ein Grundstück von einer Kommune oder einem
Abb. 2–10 Alternative Entwürfe (Potsdamer Platz in Berlin)
sonstigen Grundstücksbesitzer zur Überplanung aus-
gelobt. Die Investoren haben sowohl Bebauungsmög-
lichkeiten als auch Vermarktungs- und Finanzierungs-
© Projektgesellschaft Neue Messe GmbH & Co. KG

konzepte zu liefern (ein Beispiel sind die Friedrichstadt-


passagen in Berlin). Den Zuschlag erhält die städtebau-
lich beste Lösung in Verbindung mit einem Kaufpreis-
angebot für das Grundstück oder einer entsprechenden
Beteiligung. Anders dagegen verhält es sich bei dem
in der Erprobung befindlichen Investorenwettbewerb
nach GRW: Dieser beinhaltet die Bedingung, dass die
Überlassung des Grundstücks an den Investor nur dann
erfolgt, wenn damit auch der preisgekrönte Wett-
Abb. 2–11 Siegerentwurf von Renzo Piano (Potsdamer Platz in Berlin) bewerbsentwurf realisiert wird.

29
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

2.2.5 Bewertung der Entwürfe nach Lean-Kriterien – Ist die Planung für eine optimale Logistikeinrichtung
geeignet? Dazu sind angemessene Flächen, deren
Die einzelnen Entwürfe werden bereits in diesem Zuschnitt und Verbindung für Transportwege ent-
Stadium nach Lean-Kriterien überprüft wie am Beispiel scheidend.
eines Projektes mit Revitalisierungsbereich und Neu- – Wie gut sind die Taktungsmöglichkeiten? Dies ist
baubereich. Dabei wurden folgende Kriterien unter- abhängig von der Anordnung und der Gleichheit der
sucht (siehe Abb. 2–13): Ausbaumodule. Je mehr identische Module, umso
besser die Taktungsmöglichkeiten.
– Können Neu- und Rückbau parallel erfolgen? Dazu – Ist die Aufteilung der Baustelle in Teilabschnitte
ist die Anordnung von zwei getrennten Baukörpern möglich? Dies ist vor allem vom Standort der Technik-
erforderlich. zentralen und von der Technikanbindung abhängig.
– Kann das Projekt gut in unterschiedliche Ausbau- – Ist eine Teilinbetriebnahme möglich? Erforderlich ist
module unterteilt werden? Dazu darf es möglich eine autarke Versorgungsmöglichkeit getrennter Teil-
wenig Schnittstellen bzw. Überschneidungen der abschnitte mit eigenem Zugang.
Bereiche geben. – Wie werden die Auswirkungen auf den Terminplan
– Wie hoch kann der Vorfertigungsgrad sein? Er ist eingeschätzt? Hierzu sind Ablaufstudien zu den
umso höher, je weniger unterschiedliche Typologien einzelnen Entwürfen unter Beachtung der
verwendet werden. vorstehenden Aussagen erforderlich.

Abb. 2–13 Bewertung Masterplan nach Lean-Kriterien

30
PROJEKTORGANISATION

2.3 Projektorganisation oder auch nicht. Dies ist oft abhängig davon, ob dessen
Ziele mit den eigenen übereinstimmen. Gemeinsame
Operationen werden meist von Begeisterung getragen
und führen häufig zu kreativen Ansätzen, bleiben aber
Aufbauorganisation
in der Regel ohne Ergebnis. Diese Organisation ist
durchaus geeignet, um Projektgrundlagen zu erarbeiten
Zielvorgaben und Zielfortschreibung und Ziele zu definieren. Für die eigentliche Projekt-
abwicklung ist sie aber unbrauchbar.

Ablauforganisation
Die Erfahrung zeigt, dass – unabhängig von der präfe-
rierten Führungsmethode des Projektleiters – eine klare
Vertragswesen und einfache Struktur für eine geordnete Abwicklung
nötig ist. Jeder Beteiligte muss wissen, an wen er sich
wenden kann, wenn Probleme auftreten. Er muss auch
Entscheidungsfindung
überblicken, für welche Bereiche und Mitarbeiter er Ver-
antwortung trägt und wem er Aufgaben zuordnen kann.
Information und Kommunikation
Diese Anforderungen werden am besten in der hierarchi-
Abb. 2–14a Projektorganisation schen Struktur erfüllt. Dies gilt allerdings nur dann,
wenn diese auf einer aufgabenbezogenen Kompetenz
aufgebaut ist und mit den Zielvorgaben auch die ent-
sprechende Eigenverantwortung delegiert wird. Außer-
2.3.1 Bauherrenorganisation dem muss die Anzahl der Hierarchieebenen so gering
wie möglich gehalten werden.
Die gebräuchlichen Organisationsformen liegen alle in
der Regel zwischen einem streng hierarchischen Aufbau Bei allen hierarchisch aufgebauten Strukturen sollte
und dem gewollten oder ungewollten Chaos (siehe immer darauf geachtet werden, dass sie nicht durch
Abb. 2–14b). immer neue Anforderungen ihren klaren und einfachen
Aufbau einbüßen und sich zu „konzerngigantischen“
Die als „gruppendynamisch“ bezeichnete Struktur Gebilden entwickeln. Findet der Projektleiter bereits
zeichnet sich durch die Zusammenarbeit von „Individua- solche unübersichtlichen Strukturen bei Projektbeginn
listen“ aus, die nicht in einer geordneten Hierarchie vor, so muss er alles versuchen, das Projekt „auszu-
organisiert sind. Falls sich ein „Anführer“ heraus- koppeln“.
kristallisiert, folgen die Gruppenmitglieder diesem –

hierarchisch gruppendynamisch konzerngigantisch

Abb. 2–14b Unterschiedliche Organisationsformen

31
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Kostenkontrolle. Deshalb sollte es auch direkt bei der


Ebene 1:
Prinzipielle Projektleitung Gesamtprojektleitung angesiedelt werden. Es ist aller-
Zielvorgaben
dings abzuwägen, ob diese Funktion in der Projekt-
struktur in einer Linien- oder einer Stabsfunktion ange-
Ebene 2: ordnet werden soll.
Einzelziele und Projekt-
Aufgaben management
In der Linienfunktion kann das Projektmanagement
direkte Weisungen und Aufgabenverteilungen an die
Ebene 3:
Ausführungs- und Planung und Planungs- und Baubeteiligten weitergeben, soweit es
Handlungsanweisungen Ausführung
sich um ablauf- und kostenrelevante Angelegenheiten
handelt. Im Sinne eines effektiven und stringenten
Ablaufes ist dieser Variante ganz eindeutig der Vorzug
Abb. 2–15 Klare Entscheidungshierarchie
gegeben, vor allem weil es ganz klare Verantwortlich-
keiten gibt (siehe Abb. 2–16a).

Wie auch immer: Eine klare Entscheidungshierarchie Anders verhält es sich, wenn das Projektmanagement
ist unverzichtbar. Dabei muss immer sichergestellt dem Auftraggeber in einer Stabsfunktion zuarbeitet.
werden, dass dieselbe Struktur durchgängig von der In diesem Falle müssen die von der Projektsteuerung
Projektleitung über das Projektmanagement bis zu den erarbeiteten Unterlagen von den Mitarbeitern der Projekt-
Ausführungs- und Handlungsanweisungen durchge- leitung weitergegeben und durchgesetzt werden. Neben
halten wird. Nur dadurch ist gewährleistet, dass die An- erhöhtem Personalaufwand kommt es dabei zu einer
weisungen unverfälscht bei den Ausführenden ankom- Art indirekten Steuerung mit eingeschränkter Eigen-
men und auch der Ausführungsreport an die Projektlei- verantwortung. Die Projektsteuerung arbeitet in diesem
tung innerhalb dieser Struktur erfolgt (siehe Abb. 2–15). Falle mehr als Zuarbeiter der Projektleitungen und als
internes Controlling (siehe Abb. 2–16b).
Das Projektmanagement ist für den Bauherrn ein unver-
zichtbares Instrument zur Ablaufkoordination und

Gesamt- Gesamt- Projekt-


projektleitung projektleitung steuerung

Projekt-
management
Information, T-Pläne

Projektleitung Projektleitung Projektleitung Projektleitung


Anlagentechnik Bauherr Bautechnik Anlagentechnik Bauherr Bautechnik

Planung, Bauleitung Planung, Bauleitung Planung, Bauleitung Planung, Bauleitung


Anlagentechnik Bautechnik Anlagentechnik Bautechnik
Auftrag-
Auftrag- nehmer
Ausführung nehmer Ausführung Ausführung Ausführung
Anlagentechnik Bautechnik Anlagentechnik Bautechnik

Abb. 2–16a Projektmanagement in Linienfunktion Abb. 2–16b Projektsteuerung in Stabsfunktion

32
PROJEKTORGANISATION

Kreistag
POLITISCHE

Aufsichtsrat Klinikum Verwaltungs- und Finanzausschuss


EBENE

Geschäftsführung Betriebsleitung Eigenbetrieb


STRATEGISCHE

„Zweitmeinung“
Bürgerbeteiligung Lenkungsgruppe (Second Opinion)
EBENE

Öffentlichkeitsarbeit
Pressearbeit Kaufmännischer Support
Gesamtprojektleitung (Bau/Nutzer)
OPERATIVE

Projektleitung Bau Projektleitung Technik Projektleitung Nutzer


EBENE

Architekt HLSKE, Küchenplaner, Planer


Fachplaner Medizintechnik Betriebsorganisation

Abb. 2–17 Beispiel einer Aufbauorganisation mit Nutzerintegration

Bei sehr großen Projekten ist die Bauherrenorganisation und der Landkreis muss bezahlen, was zwangsläufig zu
nicht immer so ganz einfach abzubilden. Vor allem wenn gegensätzlichen Vorstellungen führt, die von der
wie im Falle der Abb. 2–17 ein Landkreis als Investor Gesamtprojektleitung zusammengeführt werden müs-
und ein Klinikverbund als Nutzer und Betreiber fungiert, sen. Hinzu kommen die Anforderungen von Behörden,
empfiehlt es sich, parallel zum Bauprojektmanagement vor allem zu den Raumordnungs- und Genehmigungs-
ein sogenanntes Nutzermanagement zu platzieren. verfahren. Den Gesetzen des Projektes angepasst, muss
dann auch das Projektmanagement organisiert werden.
Damit kann sichergestellt werden, dass Bau- und Nutzer-
projekt eng miteinander verzahnt werden und das Damit jeder den richtigen Ansprechpartner hat, wird das
Bauprojekt die richtigen Vorgaben vom Nutzerprojekt Projektmanagementteam unter dem Gesamtprojekt-
erhält. Im vorliegenden Fall bilden Investor und Nutzer management aufgeteilt in Projektleitung Bau und Tech-
eine Lenkungsgruppe, die auch für Bürgerbeteiligung nik und separat davon die Projektleitung Nutzer. Analog
und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Die Anforderun- dazu werden dann ebenfalls konsequent die Planung,
gen und Inputs kommen von den Nutzern und Betreibern, Objektüberwachung und Bauausführung strukturiert.

33
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

2.3.2 Zielvorgaben und Zielfortschreibung

PROJEKTMANAGEMENT

Planungsbüros / Baufirmen
Eindeutig definierte Zielvorgaben sind die Grundlage

AUFTRAGGEBER
Vorgaben
jeder geordneten, dennoch kreativen Projektabwick-
lung. Basis der Zieldefinition ist die Problemanalyse.
Das heißt die Lösung der Frage: „Was wollen wir?“ Vorgaben

Dabei ist häufig zunächst einfacher zu fragen:


„Was wollen wir auf keinen Fall oder nur ganz ungern?“ Vorgaben

Mangelhafte Zielvorgaben führen häufig zu Ergebnis-


sen, welche der ursprünglichen Aufgabenstellung nur
unzureichend entsprechen.
Abb. 2–18 Projektmanagement durch Zielvorgaben

Die Vorgaben des Projektleiters werden von der Projekt-


steuerung in Form von Aufgabenstellungen und Termin-
plänen an die Fachbereiche, Planungsleiter und Bau-

PROJEKTMANAGEMENT

Planungsbüros / Baufirmen
leiter weitergegeben. Diese wiederum disponieren und
AUFTRAGGEBER Berichte
überwachen auf der Basis dieser Aufgabenstellungen
die Abwicklung der Planung und der Baudurchführung. Berichte
Durch diese Vorgehensweise entsteht eine stufenweise
Verfeinerung der Zielvorgaben des Projektleiters über Berichte
die einzelnen Hierarchieebenen. So ist es möglich, dass
die konzentrierten und mit wenig Zeitaufwand formulier-
baren prinzipiellen Zielvorgaben des Projektleiters präzise
durchformuliert und terminiert durch eine Vielzahl von Abb. 2–19 Rückmeldung verdichteter Informationen
Beteiligten umgesetzt werden (siehe Abb. 2–18).

Die einzelnen Aktivitäten und ihre Erledigung ebenso


Vorbereitung durch Projektmanagement
wie dabei auftretende Probleme werden von der Planungs-
PROJEKTLEITUNG

und Ausführungsebene an die Projektsteuerung berich-


tet. Diese fasst die Einzelberichte in einem konzen-
Diskussion
trierten Bericht für den Projektleiter zusammen, in dem
insbesondere auftretende Probleme in der Abwicklung
und Vorschläge zu ihrer Lösung dargestellt werden
(siehe Abb. 2–19).
Beschränkung auf den notwendigen Teilnehmerkreis
Alle diese Kommunikationsvorgänge sind linear und
mehrstufig. Damit ist die Gefahr des Informationsver- Abb. 2–20 Direkte Kommunikation nur bei Abstimmungsbedarf
lusts durch Transformation nicht mehr auszuschließen,
und es kann passieren, dass einige Zielvorgaben nicht
im Sinne des Projektleiters erledigt werden. dem Projektleiter zu suchen. Entscheidend ist dabei,
dass sich diese Besprechungen auf die wesentlichen In-
Es ist deshalb erforderlich, neben dem linearen System halte beschränken, deren Klärung der Anwesenheit des
der Aufgabenverteilung über Terminpläne oder Aufga- Projektleiters bedarf. Jede dieser Besprechungen muss
benkataloge mit entsprechender Rückmeldung auch die sorgfältig durch die Projektsteuerung vorbereitet, proto-
direkte Kommunikation in Form von Besprechungen mit kolliert und kommuniziert werden (siehe Abb. 2–20).

34
PROJEKTORGANISATION

2.3.3 Projekt- und Plangliederung einem Teilprojektleiter geführt, während die Fach-
bereichsleiter übergreifend mit allen Teilprojektleitern
Die Organisation eines Großprojektes kann nicht ein- zusammenarbeiten (siehe Abb. 2–21).
fach durch Ausweitung von herkömmlichen Strukturen
zu einer Monsterorganisation erfolgen. Sie erfordert Natürlich muss zusätzlich eine übergeordnete Gesamt-
vielmehr ein Zerlegen in Teilprojekte, bis überschaubare organisation installiert werden (Organisation der Orga-
Größenordnungen und Einheiten entstehen, die mit nisation). Dies ist auch der Grund dafür, dass die Orga-
üblichen organisatorischen Methoden abgewickelt nisation eines Großprojektes von > 100 Mio. € deutlich
werden können. aufwendiger ist als die Organisation von kleineren Pro-
jekten. Durch die zusätzliche Organisationsebene steigt
Eine Möglichkeit ist die Aufteilung in eine Matrix- der spezifische Aufwand bei sehr großen Projekten
organisation mit Teilprojekten und Fach- oder Experten- exponentiell an und kann nur durch höchste Professio-
bereichen. Dabei werden die Teilprojekte jeweils von nalität der Beteiligten im Griff behalten werden.

DEBIS-IMMOBILIENMANAGEMENT

GENERAL MANAGER DREES & SOMMER


U-Bahn U3 TP 2
TP 6
ORGANISATION Regional-
TEILPROJEKTE / GESAMTKOORDINATION / TP 1 bahnhof
PROJEKTSTEUERUNG UND QUERSCHNITTSFUNKTIONEN
OBJEKTÜBERWACHUNG

TP 3
Teilprojekt 1: Wohnen,
CinemaxX, Büros, Hotel TP 8
Termincontrolling TP 7
U3/B96
Teilprojekt 2: Büro Anlieferung

Baustellenlogistik TP 5
Teilprojekt 3: Wohnen,
Büros, Imax, Einzelhandel
Kostencontrolling
Straßentunnel B 96
Teilprojekt 4: Büros TP 4

Planungsmanagement
Teilprojekt 5: Musical,
Varieté, Spielbank
Ausschreibung TP 9
Teilprojekt 6: Regional-
bahnhof
Vergabevorbereitung Verzahnung der debis-Baustelle
Teilprojekt 7: U3/B96/ mit den Umfeldmaßnahmen
Anlieferung
TP = Teilprojekt
Vertragsmanagement
Teilprojekt 8: Infrastruktur,
Logistik debis-Baumaßnahmen
Qualitätsmanagement Baumaßnahmen Umfeld
Teilprojekt 9: Parkhaus
Gleisdreieck

Abb. 2–21 Teilprojekte und Querschnittsfunktionen

35
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Als nächste Aufgabe im Rahmen der Projektorganisation bereiche sollten bereits so bezeichnet werden, wie es
muss die Grundlage für die Verständigung untereinander im späteren Betrieb vorgesehen ist. Auf der Grundlage
geschaffen werden. Dies geschieht, indem das Projekt der Bauteil- und Geschossgliederung erfolgt eine durch-
nach einzelnen Abschnitten strukturiert wird. gängige Planaufteilung für alle Maßstäbe und alle Teil-
gewerke (siehe Abb. 2–22).

Die Information kann durch eine Systemzeichnung Lage-


plan weiter verdeutlicht werden. Dabei ist der jeweils
Planungsidee Bauteil- und Geschosseinteilung
dargestellte Bauteil durch Umrandung oder Hinterlegen
B3 (A) zu kennzeichnen (siehe Abb. 2–23).
A3
B2
A2
1
B1
A1
B 2
3 3
A

Zuordnungsmatrix Gebäudegeometrie und Funktion 1 2

Funktionsbereiche
Abb. 2–23 Systemzeichnung Lageplan
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Bauteil/Geschoss

A1

A2
5 Funktionen
A3
in einem Da alle Planunterlagen erfahrungsgemäß im Verlauf der
B1 Bauteil/
Geschoss Planung einer Veränderung unterliegen, kommt einer
B2
B3 klaren und eindeutigen Dokumentation der Änderungen
große Bedeutung zu. Es ist wichtig, dass alle Planungs-
1 Funktion auf 4 Bauteile/Geschosse verteilt
beteiligten als Grundlage Pläne mit dem gleichen Index
verwenden. Eine Änderungsdokumentation wird in etwa
Abb. 2–22 Objektgliederung und Codierung so aufgebaut wie im Schema Änderungsdienst (siehe
Abb. 2–24).

Dazu wird das Projekt zunächst nach konstruktiven Ge- In prinzipiell gleicher, jedoch vereinfachter Form sind
sichtspunkten in Bauteile und Geschosse aufgegliedert, auch die übrigen Dokumente (Aktennotizen, Briefe usw.)
die ihrerseits über eine Matrix den einzelnen Funktions- zu codieren, um neben der Verbesserung der Kommuni-
bereichen zugeordnet werden müssen. Diese Funktions- kation auch die Ablage (z. B. Mikrofilm) zu ermöglichen.

Index Datum KZ Art der Änderung Veranlasser

01 22.01.1997 Oh Aussparungen 9, 12, 15, 27 verlegt bzw. vergrößert Ingenieur TA


02 17.02.1997 Mai Wand in Achse D/8-12 versetzt um 45 cm Bauherr/PM

Abb. 2–24 Schema Änderungsdienst

36
PROJEKTORGANISATION

Weiterhin werden der durchgängige Änderungsdienst Berechnungen, Pläne und Leistungsverzeichnisse.


sowie die spätere Wartung und Instandhaltung durch Außerdem überwachen sie im Regelfall die fachgerech-
klare Dokumentation der Unterlagen erheblich verein- te Ausführung der Bauleistungen. Ihre Vergütung richtet
facht. Für den Einsatz von Planlistenverfahren zur termin- sich nach der HOAI (Gebührenordnung für Architekten
lichen Abwicklung sind diese Vorarbeiten unerlässlich. und Ingenieure).

Die Bauunternehmen realisieren die in den Plänen und


2.3.4 Die Projektbeteiligten Leistungsverzeichnissen (LV) definierte Bauaufgabe
nach VOB oder VOL. Sie erhalten dafür eine Einzel- oder
Die Beteiligten lassen sich im Wesentlichen in vier Pauschalvergütung, die im Wettbewerb mit anderen
Gruppen (siehe Abb. 2–25) zusammenfassen: ermittelt wurde.

– Auftraggeber = Bauherr in den verschiedensten Formen Die Bauausführung kann erst beginnen, wenn die
– Planer und Berater zuständigen Genehmigungsbehörden die Pläne und
– bauausführende Firmen in den unterschiedlichen Berechnungen freigegeben haben. Die Genehmigungs-
Konstellationen prozesse können bei größeren Bauvorhaben zu äußerst
– Genehmigungsbehörden und Träger öffentlicher zeit- und kostenintensiven Verfahren werden, insbe-
Belange sondere, wenn keine gültigen Bebauungspläne vor-
liegen oder diese geändert werden sollen. In diesen
Fällen steigt die Anzahl der beteiligten Stellen sehr
stark an. Es sind die Träger öffentlicher Belange einzu-
Baurecht, Stadtplanung, Denkmalpflege, Architektur schalten, z. B. Energieversorgungsunternehmen,
Umweltschutzbehörden, und häufig kommen noch
Umweltschutz, Landschaftspflege
Parlamente, Rechnungsprüfung

BAUHERR Bürgerinitiativen etc. hinzu.


Aufsichtsräte, kommunale

Wasserwirtschaft,

Im Folgenden werden die wesentlichen Varianten der


Bauherren, Planer und Bauunternehmen am Markt kurz
dargestellt und die unterschiedlichen Aufgabenstellun-
BAU-
PLANER gen skizziert.
UNTERNEHMEN

Die Beteiligten auf Bauherrenseite


Bürgerinitiativen, Normenkontrollverfahren, Gutachten
Bauherr – Eigentümer – Investor: Er stellt das Kapital
(und seltener ein Grundstück) für die Immobilieninves-
Abb. 2–25 Projektbeteiligte bei Bauvorhaben tition aus eigenen Mitteln oder aus fremden Quellen
(Finanzierung) zur Verfügung. Dafür erhält er die er-
wirtschafteten Erträge, die nach Abzug der Vergütung
Der Auftraggeber oder Bauherr kann durch eine Einzel- für alle an der Erstellung, Vermarktung und dem Betrieb
person, aber auch durch verschiedenartige Organisati- Beteiligten übrig bleiben. Als Bauherr kommen bei-
onen mit unterschiedlichsten Zielsetzungen und Kom- spielsweise infrage:
petenzen repräsentiert werden. Er stellt die Bauaufgabe
und formuliert das Programm, wozu bei größeren und – Verwaltungen des Bundes und der Länder
komplexeren Projekten Berater hinzugezogen werden. – Kommunal- und Kreisverwaltungen
– Universitäts- und Hochschulverwaltungen
Die Planer setzen das Programm in eine standortbezo- – Sparkassen, Banken und Versicherungswirtschaft
gene Planungsidee um und erstellen die notwendigen – Sozialversicherungsträger

37
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

– Industrie und Handel Nutzer – Mieter – Betreiber: Für die Nutzung der Immo-
– Bau- und Wohnungswirtschaft bilie hat der Nutzer ein Entgelt, die Miete, zu bezahlen.
– private Investoren aller Art Bei einem aktiven Geschäftsbetrieb spricht man von
einem Betreiber, wie z. B. bei einem Hotel, einem Alten-
Projektentwickler – Initiator – Developer: Er hat die Idee wohnstift, einem Musicaltheater oder einem Kaufhaus.
für das Projekt, sucht das Grundstück und bereitet die Die Nutzer, Mieter oder Betreiber treten häufig als
Umsetzung einschließlich der Baugenehmigung vor. „Quasi-Bauherren“ vor allem für den Innenausbau auf,
Vor einer Realisierung beschafft er wenn möglich die da dieser auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnitten
Mieter und sucht dann einen Endinvestor, der das Pro- wird.
jekt übernimmt. Erst dann wird in der Regel das Projekt
angegangen. Realisierungen auf Vorrat und Verdacht Der Projektmanager vertritt den Bauherrn gegenüber
sind mit hohen Risiken behaftet und bilden eher die allen anderen an der Planung und dem Bau Beteiligten
Ausnahme. Die herausforderndste und entscheidende und zieht den Bauherrn selbst nur in wichtigen Ent-
Leistung ist die Beschaffung des geeigneten Grund- scheidungsfällen hinzu, die er entsprechend vorbereitet
stücks, die häufig der Idee vorausgeht. Im heutigen hat. Seine diesbezüglichen Kompetenzen werden in
engen Grundstücksmarkt ist gerade in Toplagen jedes Abhängigkeit von der eigenen Managementkapazität
Grundstück heiß umkämpft. Die Frage nach einer des Bauherrn vertraglich geregelt. Dies kann von einer
möglichen Vermarktung und damit der vorgesehenen reinen Management-Unterstützung bis hin zu weit-
Nutzung wird deshalb oft erst an die zweite Stelle ge- reichenden Vertretungsvollmachten gehen.
stellt. Für die Grundstückssuche und die Mieterbeschaf-
fung arbeitet der Projektentwickler in der Regel mit Mögliche Organisationsformen der Planer und Berater
Immobilienmaklern zusammen. Bei der Planungsvor- Die Anzahl der beteiligten Planer und Berater ist im
bereitung, der Beschaffung der notwendigen Genehmi- Laufe der Zeit immer mehr gestiegen. Dies ist das
gungen sowie der Überwachung der Realisierung setzt Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen:
er eigene oder fremde Projektmanager und Planer ein.
– Die Komplexität der Technik bei Gebäuden hat
Der Projektentwickler bringt Angebot (an Grundstücken) beständig zugenommen, weshalb sich immer mehr
und Nachfrage (nach Immobilien) durch Entwicklung spezialisierte Experten herausgebildet haben.
eines Bauprojekts zusammen. – In der Folge sind auch Genehmigungsvorgänge und
Zulassungen zusehends komplizierter geworden,
Projektmanager – General Manager: Schwerpunkt der sodass auf allen Seiten zusätzliche Gutachter
Aufgaben des Projektmanagers ist die Optimierung beschäftigt werden.
der aus der Vermarktungsstrategie sich ergebenden – Beim Abschluss von Verträgen wird von vielen Bau-
Programm- und Planungsvorgaben des Auftraggebers herren zunehmend versucht, Risiken auf die Auftrag-
in funktionaler, wirtschaftlicher und bautechnischer nehmer abzuwälzen. Durch das gegenüber den früher
Hinsicht und deren Umsetzung durch Planer und Bau- vorherrschenden Eigennutzern bei Investoren-
firmen. Er hat in Abstimmung mit dem Auftraggeber projekten erforderliche Renditedenken sind die Bau-
einen Gebäudestandard (was bekommt der Nutzer preise immer mehr unter Druck geraten. Die Unter-
geboten?) zu definieren und auf dieser Basis einen nehmer haben darauf mit Claim Management
Kosten- und Terminrahmen festzulegen. Das Controlling reagiert. Diese Situation hat zu einem zunehmenden
und die Einhaltung dieses Kosten- und Terminrahmens Einsatz von Rechtsanwälten auf beiden Seiten geführt.
hat er durch geeignete Verfahren unabhängig von der
Vergabestrategie sicherzustellen, den Auftraggeber Es gibt folgende Konstellationen (siehe Abb. 2–26):
über alle Abweichungen zu informieren und die not- Einzelplaner: Die – in der Regel freiberuflichen –
wendigen Entscheidungen herbeizuführen. Architekten und Fachplaner für Tragwerk, technische

38
PROJEKTORGANISATION

Anlagen, Bauphysik etc. setzen die Programm- und Sicherheitstechnik, die ebenfalls in die Gesamtplanung
Standardvorgaben des Auftraggebers/Projektmanage- integriert werden müssen.
ments entsprechend den Leistungsbildern der Honorar-
ordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) stufen- Die inhaltliche Koordination der einzelnen Planungs-
weise in Planungskonzepte, Genehmigungs- und Aus- beteiligten liegt bei den Architekten, die allerdings vor
führungspläne sowie in Leistungsbeschreibungen um, allem bei Großprojekten damit häufig überfordert sind,
nach denen die ausführenden Firmen arbeiten. Dazu sodass erhebliche Koordinierungsleistungen, auch in-
üben sie in der Regel die örtliche Bauleitung (Objekt- haltlicher Art, auf das Projektmanagement zurückfallen.
überwachung, Gebäude- und Objektüberwachung,
technische Ausrüstung) aus. Teilweise Paketierung: Der hohe Koordinationsaufwand
der einzelnen Fachgewerke sowie das Erfordernis einer
In vielen Fällen wird die Ausführungsplanung heute integrierten Planung für nachhaltige Gebäude (vor allem
von den bauausführenden Unternehmen erbracht, Heizung, Lüftung, Sanitär, Elektroanlagen, Bauphysik,
die dafür allerdings häufig spezialisierte Ingenieur- Fassadenkonstruktion, Dach) haben zu größeren
büros einschalten. Dies betrifft neben den Schal- und Anbietern geführt, die diese Leistungen als General-
Bewehrungsplänen bei den Stahlbetonarbeiten auch fachplanung mit interner Koordination anbieten,
die Ausführungsplanung der Stahlbauten sowie der wodurch sich die Schnittstellenproblematik reduziert.
technischen Gewerke und des Ausbaus. Bei Fertig-
bauten wird die gesamte Planungsleistung generell von Dasselbe gilt für die Paket-Übernahme der Objektüber-
den ausführenden Bauunternehmen realisiert. wachungen Gebäude und technische Ausrüstung als
Generalbauleitung.
Aufgrund der Spezialisierung gibt es heute in der Regel
separate Berater für Küchenplanung, Förderanlagen, Generalplaner: Die zunehmende Zahl von Planungsbe-
Brandschutz und Entrauchung, Schwachstromanlagen, teiligten durch fortschreitende Spezialisierung der

EINZELPLANER TEILWEISE PAKETIERUNG GENERALPLANER

Architekt Architekt Architekt

Fachplaner, Firmenplaner General-Fachplaner Fachplaner

Bauleitung, Fachbauleitung General-Bauleitung Bauleitung, Fachbauleitung

Berater Berater Berater

Abb. 2-26 Mögliche Konstellationen von Planern und Beratern

39
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

einzelnen Fachgebiete hat vor allem im Industrie- und her. Sie erhalten in der Regel eine Vergütung nach
Anlagenbau zunehmend zum Einsatz von General- Einzelpositionen und Massenberechnungen unter
planern geführt. Ihre Aufgaben umfassen die gesamten Anwendung von Lohngleitklauseln. Alternativ sind Fest-
Planungsleistungen einschließlich der Architektur mit preisvereinbarungen empfehlenswert, da sie meist für
eigenen Mitarbeitern oder mit von ihnen beauftragten einen geringen Aufpreis das Inflationsrisiko auf die
Subplanern. Sie sind damit der allein verantwortliche Unternehmerseite verlagern.
Ansprechpartner des Auftraggebers und übernehmen
häufig auch die Projektsteuerung aufseiten der Auftrag- Teil-Generalunternehmer: Bei sehr schwierigen und
nehmer. Generalplaner sind meist Planungs-GmbHs anspruchsvollen Bauaufgaben ist in letzter Zeit häufiger
von Architekturbüros, da sie häufig Teile der Leistungen die Zusammenfassung von Gewerken mit vielen Schnitt-
ihrerseits wieder an freiberufliche Einzelplaner ver- stellen und gegenseitigem Koordinierungsaufwand
geben, diese aber intern koordinieren. zu sogenannten Teil-GU oder Bauteil-GU angewendet
worden (Paketvergabe).
Problematisch bei der Generalplanerlösung ist häufig,
dass hoch qualifizierte Spezialbüros sich nicht gerne Typische Beispiele sind die Technikgewerke „Heizung
in diese Organisation als Subunternehmer einbinden – Lüftung – Sanitär – Sprinkler – Gasversorgung“ oder
lassen, was besonders für renommierte Architekten „abgehängte Decken – Trennwände – Schrankwände“
gilt. Außerdem ist die Managementkompetenz häufig im Bürohausbau. Diese Gewerke bilden dann eine
nicht so ausgeprägt, wie es erforderlich wäre, um der Arbeitsgemeinschaft, die als Teil-GU für diese Gewerke
Optimierung der Prozesse und der Wirtschaftlichkeit den Gesamtauftrag erhält. Die Abwicklung ähnelt der
den notwendigen Stellenwert einzuräumen. Variante mit Einzelplanern und Einzelgewerken, da
auch hier die Beteiligten gleichzeitig beauftragt werden
Mögliche Organisationsformen der ausführenden Firmen müssen. Es kann daher mit der gleichen Effektivität
Die Organisation der bauausführenden Firmen kann und nur leicht eingeschränkter Flexibilität gearbeitet
sehr unterschiedlich gestaltet sein, je nach den Zielvor- werden.
gaben des Bauherrn. Möchte dieser möglichst großen
Einfluss auf die Ausführung nehmen und stufenweise Ein weiteres Beispiel sind die Gewerke „Dach –
Ausführungsentscheidungen treffen, dann muss er Fassade“. Bei dieser Kombination kann sehr schnell ein
vertraglich möglichst flexibel bleiben und immer nur so regendichtes Gebäude mit den entsprechenden Unter-
viele Leistungen vergeben, wie in der aktuellen Phase nehmen abgestimmt und an diese vergeben werden,
erforderlich sind. ohne dass die übrige Planung schon den für eine GU-
Vergabe notwendigen Detaillierungsgrad aufweist.
Will er dagegen vor allem einen Festpreis und garan-
tierte Termine, so ist nur ein einziger Vertragspartner In diesem Verfahren sind jedoch auch Risiken enthal-
die Strategie der Wahl. Nachfolgend sind die einzelnen ten. So erfordern derartige Vergabearten aufseiten des
Möglichkeiten beschrieben (siehe Abb. 2–27): Projektmanagements tief gehende Kenntnis des Mark-
tes und der planerischen Zusammenhänge.
Einzelunternehmer (Rohbaugewerk, Ausbaugewerke,
Technikgewerke, Einrichtung, Freianlagen): Die Einzel- Generalunternehmer/General-Contractor: Der Wunsch
unternehmer übernehmen die Erstellung der einzelnen der Bauherren nach „garantierten“ Kosten und Termi-
Gewerke eines Projekts nach den Plänen und Aus- nen bei gleichzeitig reduziertem eigenem Aufwand hat
schreibungsunterlagen der Architekten und Fachplaner. zur Entwicklung des Generalunternehmers geführt.
Für spezifische Gewerke (vor allem Fassade, Technik Dieser ist in der Regel selbst Bauunternehmer – meist
und Ausbaugewerke mit Werkstattfertigungsanteilen) für die Rohbauarbeiten –, während er die übrigen
stellen sie eigene Werkstatt- und Montagezeichnungen Leistungen an Nachunternehmer weitervergibt. Der

40
PROJEKTORGANISATION

Generalunternehmer übernimmt die schlüsselfertige Vermietung oder den Verkauf des Objekts. Für die
Erstellung des Bauwerks auf der Grundlage von Planun- Schnittstellen zur Planung und Bauvorbereitung gibt es
terlagen und einer Leistungsbeschreibung. Er trägt das verschiedene Möglichkeiten:
in der Weitervergabe von Bauleistungen an Nachunter-
nehmer liegende Preisrisiko und schließt mit dem – Kompletter Planungsvorlauf mit Einzelleistungsver-
Auftraggeber einen „GU-Vertrag“ zum Festpreis und zu zeichnissen (HOAI Phase 1 bis 7): In diesem Fall wird
einem vereinbarten Termin ab. die Planung bis zur Ausführungsplanung in allen
Gewerken fertiggestellt und ganz normale Leistungs-
Dabei werden allerdings häufig bestimmte Risiken aus- verzeichnisse werden für alle Gewerke erstellt. Der
gegrenzt oder nur zu überhöhten Preisen übernommen. GU ist in diesem Fall nur als reines, ausführendes
Unternehmen ohne Einflussnahme auf die Planung
Beispiele hierzu sind: tätig.
– Baugrundrisiko: Tragfähigkeit, Wasserhaltung,
verseuchter Untergrund, verseuchtes Grundwasser – Reduzierter Planungsvorlauf mit Raum- und Baubuch:
– Risiken aus der Baugenehmigung; insbesondere Als Ausschreibungsunterlagen liegen vom Architekten
Brandschutzauflagen, Auflagen der Gewerbeauf- die Genehmigungs- und die Ausführungsplanung vor,
sichtsämter, die häufig im Ermessen dieser Behörden die allerdings mehr als Systemplanung und Darstel-
stehen und nicht von Beginn an überschaubar sind. lung der maßgeblichen architektonischen Details zu
verstehen ist. Hinzu kommen ein vollständiges Raum-
Der Generalunternehmer trägt nicht das Risiko für buch sowie eine detaillierte Bau- und Qualitäts-
die Baugenehmigung, die Zwischenfinanzierung, die beschreibung.

EINZELVERGABEN VERGABEPAKETE GENERALUNTERNEHMEN

Rohbau Rohbau Rohbau

Fassade Dach Fassade Dach Fassade Dach

HLS Elektro Aufzüge Steuerung HLS Elektro Aufzüge Steuerung HLS Elektro Aufzüge Steuerung

Boden Wände Decken Restausbau Boden Wände Decken Restausbau Boden Wände Decken Restausbau

Außenanlagen Außenanlagen Außenanlagen

Abb. 2–27 Unterschiedliche Vergabestrategien bei der Bauausführung

41
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Für die Tragwerksplanung und die technische Ausrüs- werden. Sie sind die „Designer“ und werden so in der
tung genügen die Vorplanung und Teile des Entwurfs, Regel auch eingesetzt. Arbeitet ein Bauherr nicht mit
ergänzt durch entsprechende Bau- und Qualitätsbe- GU, wie z. B. häufig in Skandinavien, so übernimmt
schreibungen. Die übrigen Planungsleistungen werden ein großes Ingenieurbüro die Ausführungsplanung im
vom GU erbracht und von den Architekten und Fach- Sinne der HOAI.
ingenieuren freigegeben. Dies ist das übliche Verfahren
für individuell geplante und architektonisch anspruchs- – Generalübernehmer – Bauträger: Der Generalüber-
volle Gebäude. nehmer oder Bauträger tritt schon zu Beginn der
Planung in das Projekt ein. Er übernimmt die Planung
– Entwurf und Baubeschreibung für einfache Bauauf- und den Bau der Immobilie, die Finanzierung und die
gaben: Für einfachere Gebäude genügen ein quali- Vermietung oder den Verkauf. Er trägt das wirtschaftliche
fizierter Vorentwurf und eine Baubeschreibung nach Risiko bis zur betriebsbereiten Übergabe an einen
Gewerken. Der GU hat in diesem Fall die meisten Investor, einschließlich Zwischenfinanzierung und
Optimierungsmöglichkeiten, was sich in einem güns- Endfinanzierung. Typisch ist der Einsatz beim Erstellen
tigen Angebot, aber auch in einem ständigen Kampf von Eigentumswohnungen oder Bürobauten zur
um die gewünschte Qualität niederschlägt. Der GU Vermietung.
wird in diesem Fall schon im Rahmen der durch den
Architekten für den Auftraggeber (AG) zu erbringenden
Genehmigungsplanung eingeschaltet. Die Architek-
tenplanung übernimmt der GU ab der Ausführungs- 2.4 Abwicklungsstrategie
planung, wobei dem Architekten vom AG meist eine
künstlerische Oberleitung eingeräumt wird. 2.4.1 Alternative Managementmodelle aufseiten
des Auftraggebers
– Angelsächsische Methode: Der AG liefert eine
vollständige Planung und Baubeschreibung mit den Generell kann der Bauherr alle Managementleistungen
Ausschreibungsunterlagen. Diese Pläne und „spe- im eigenen Hause erbringen. Er kann sie aber auch ganz
cifications“ enthalten zwar sehr detailliert alle Pla- oder teilweise an professionelle Projektmanagement-
nungsangaben, es handelt sich jedoch nicht um eine Unternehmen vergeben. Ob und in welchem Umfang er
durchgearbeitete und koordinierte Ausführungs- das tut, hängt von der speziellen Situation des Bauherrn
planung wie die der HOAI. Sie zeigt vielmehr nur das, ab. Dazu gibt es zahllose Ansichten und theoretische
was der AG später „sieht“. Die genaue Art der Um- Ausarbeitungen. Entscheidend ist, dass nach der prakti-
setzung ist Sache des General Contractors. Dieser hat schen Erfahrung und wissenschaftlichen Untersuchungen
demzufolge auch die Ausführungspläne sowohl für zufolge bei einer frühzeitigen Einschaltung von professi-
den Architekten als auch für die Tragwerksplanung onellen externen Projektmanagern ein Optimierungs-
und die technische Gebäudeausrüstung zu erstellen. potenzial von 10 bis 15 % der Bausumme oder mehr ge-
hoben werden kann. Dies hängt von der Professionalität
Hier liegt häufig auch eine Quelle des Missverständ- und Kompetenz des externen Projektmanagers sowie
nisses zwischen deutschen Bauherren und eng- vom Umfang der übertragenen Verantwortung ab.
lischen oder amerikanischen Architekten, da diese
meist davon ausgehen, dass der Unternehmer diese Im folgenden Kapitel sind praktikable Lösungen in
Koordination wahrnimmt. Sie konzentrieren sich Varianten beschrieben, wie sie sich aus über 35-jähriger
daher viel mehr auf die Darstellung der optischen Praxis des Verfassers darstellen. Die jeweiligen Vor- und
Erscheinung des Gebäudes und der ihnen wichtigen Nachteile werden von den Bauherren in Abhängigkeit
Details. Wie diese zu realisieren sind, ist oft von von ihren jeweiligen Prioritäten bei den einzelnen Vari-
untergeordneter Bedeutung – es muss eben gelöst anten durchaus unterschiedlich gesehen.

42
ABWICKLUNGSSTRATEGIE

Übersicht über mögliche Varianten Die dargestellten Varianten bauen sich stufenweise auf,
In der Praxis haben sich die dargestellten Varianten wobei der Bauherr immer mehr Verantwortung an seinen
als gängig herausgestellt, wobei sich die Construction- externen Manager überträgt bis hin zu einer Komplett-
Management-Varianten aus dem angelsächsischen übernahme der Gesamtleistung. Entsprechend muss
Bauwesen entwickelt haben und international einge- der Vertrauensfaktor mit der Zunahme der übertragenen
setzt werden können (siehe Abb. 2–28). Verantwortung ebenfalls zunehmen, wobei dann auch
gewisse Kontrollmechanismen zu empfehlen sind.

Projekt- Projekt- Projekt- Construction General Construction Baupartner-Manage-


controlling steuerung management Management (CM) Management ment (CM at risk)
Bauausführung mit
Festpreis oder GMP

Logistikplanung Baulogistik

Supervision Objektüberwachung Objektüberwachung

Technisch-wirtschaft- Technisch-wirtschaft- Technisch-wirtschaft-


liches Controlling liches Controlling liches Controlling
Value Engineering, Value Engineering, Value Engineering,
Optimierung Optimierung Optimierung
Vertrags- und Risiko- Vertrags- und Risiko-
Vertrags-Controlling Vertrags-Management Management Management
Ausschreibung, Ausschreibung, Vergabe
Vergabe-Controlling Vergabe-Management Vergabe-Management
Generalplanung Generalplanung
Plankoordination Planungsmanagement (ggfs. inkl. Architekt) inkl. Architekt
PROJEKTLEITUNG PROJEKTLEITUNG PROJEKTLEITUNG PROJEKTLEITUNG
AG AG AG AG
Projektkommuni- Projektkommuni- Projektkommuni- Projektkommuni-
kation PKM kation PKM kation PKM kation PKM
Ablaufoptimierung Ablaufoptimierung Ablaufoptimierung Ablaufoptimierung
und -simulation und -simulation und -simulation und -simulation

Projektorganisation Projektorganisation Projektorganisation Projektorganisation Projektorganisation

Qualitäts- Qualitäts- Qualitäts- Qualitäts- Qualitäts-


Controlling Management Management Management Management

Kosten-Controlling Kosten-Steuerung Kosten-Management Kosten-Management Kosten-Management Kosten-Management

Termin-Controlling Termin-Steuerung Termin-Management Termin-Management Termin-Management Termin-Management

ohne HOAI-Leistungen mit HOAI-Leistungen

Management-Grundleistungen Management-Zusatzleistungen Bauleistungen HOAI-Leistungen

Abb. 2–28 Übersicht über Projektmanagement-Varianten

43
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Projektcontrolling Projektsteuerung
Beim Einsatz eines Projektcontrollings ist der Bauherr Beim Einsatz einer Projektsteuerung möchte der Kunde
selbst in der Leitungsfunktion und begleitet das Projekt professionelle Unterstützung in den Bereichen Orga-
sehr intensiv. Er holt sich professionelle Unterstützung nisation, Termine, Kosten und Qualitäten. Er möchte
für ein Controlling der Termine und Kosten – manchmal jedoch selbst in der Leitungsfunktion sein und begleitet
auch für Qualitäten (siehe Abb. 2–29). das Projekt sehr intensiv (siehe Abb. 2–30).

Das Projektcontrolling befindet sich in einer Stabs- Der Projektsteuerer befindet sich wie das Projektcon-
funktion zur Projektleitung des Bauherrn und arbeitet trolling in einer Stabsfunktion zur Projektleitung des
diesem zu, indem Kontrollberichte des tatsächlichen Bauherrn. Allerdings liefert die Projektsteuerung nicht
Verlaufs im Vergleich zu den Vorgaben der Projektlei- nur Kontrolldaten, sondern arbeitet für die Projekt-
tung erstellt werden. leitung Organisations-, Termin- und Kostenpläne aus
und unterstützt die Projektleitung in einer Assistenz-
Die übrigen Projektbeteiligten befinden sich in einer funktion bei der Steuerung. Hinzu kommen natürlich die-
Linienfunktion zum Bauherrn und sind von diesem selben Kontrollfunktionen wie beim Projektcontrolling.
direkt beauftragt. Die Beauftragung der Planung erfolgt
nach oder in Anlehnung an die HOAI, je nachdem ob Auch hier befinden sich die Projektbeteiligten in einer
eine Vergabe der Bauleistungen an einen Generalunter- Linienfunktion zum Bauherrn, von dem sie direkt
nehmer oder aber in Einzelgewerken geplant ist. beauftragt wurden. Je nachdem, ob eine Vergabe der
Bauleistungen an einen Generalunternehmer oder aber
Dem Bauherrn muss bewusst sein, dass das Projektcon- in Einzelgewerken geplant ist, erfolgt die Beauftragung
trolling keinerlei Steuerungsfunktion ausübt. Es zeigt der Planung nach bzw. in Anlehnung an die HOAI.
lediglich erkennbare Abweichungen vom Soll auf, wobei
es die Solldaten nicht selbst ermittelt hat. Die Projektsteuerung übt entgegen dem gewählten
Begriff nur indirekt über die Projektleitung eine Steue-
Die Variante wird angewendet von professionellen Bau- rungsfunktion aus und zeigt nur die Abweichungen vom
herren mit eigenem Know-how, z. B. eigener Bauabtei- Soll auf. Allerdings ist diese Kontrollfunktion deutlich
lung oder bei sehr einfachen Projekten. Der Honorarauf- verbessert, weil die Solldaten entweder selbst ermittelt
wand ist relativ gering und bewegt sich üblicherweise oder aber durch Kontrollberechnungen abgesichert
im Bereich von ca. 0,7 bis 0,9 % der Planungs- und werden.
Baukosten, bei kleineren und/oder sehr komplizierten
Projekten bis 2,0 %.

Bauherr Bauherr

Projekt- Projekt-
Projektleitung controlling Projektleitung steuerung

Fachplaner Fachplaner
Architekt Bauleitung Gutachter Architekt Bauleitung Gutachter

Generalunternehmer oder Generalunternehmer oder


Einzelunternehmer Einzelunternehmer

Abb. 2–29 Projektcontrolling Abb. 2–30 Projektsteuerung

44
ABWICKLUNGSSTRATEGIE

Die Variante wird angewendet von professionellen Die übrigen Projektbeteiligten befinden sich auch hier
Bauherren mit eigenem Know-how, denen aber für wieder in einer Linienfunktion zum Bauherrn und sind
besondere Projekte die Managementkapazität fehlt. Sie von diesem direkt beauftragt. Die Beauftragung der
beauftragen die Projektsteuerung in der Regel zur akti- Planung erfolgt nach oder in Anlehnung an die HOAI,
ven Unterstützung ihrer Projektleitung. Der Honorarauf- je nachdem ob eine Vergabe der Bauleistungen an
wand bewegt sich üblicherweise im Bereich von ca. 1,1 einen Generalunternehmer oder aber in Einzelgewerken
bis 1,5 % der Planungs- und Baukosten, bei kleineren geplant ist.
und/oder sehr komplizierten Projekten auch bis 2,4 %.
Das Projektmanagement übt eine direkte Steuerungs-
Projektmanagement funktion aus, zeigt die Abweichungen vom Soll und
Zusätzlich zu den Leistungen der Projektsteuerung sorgt durch geeignete Gegenmaßnahmen für die Ein-
übernimmt das Projektmanagement vom Bauherrn die haltung der Meilensteine. Die Solldaten werden selbst
Leitungsfunktion gegenüber den Projektbeteiligten. ermittelt und zusätzlich durch Sensitivitätsanalysen
Der Bauherr überträgt in der Regel die sogenannten abgesichert. Ein gutes Projektmanagement sorgt in
delegierbaren Bauherrenfunktionen. Meist handelt es der Regel für eine Punktlandung bei den vereinbarten
sich bei dieser Variante um komplexere Projekte oder Kosten- und Terminzielen sowie für eine weitgehende
um Bauherren, die nicht über eigenes Management- Einhaltung der Qualitäten. Nicht enthalten ist allerdings
Know-how oder über eigene Managementkapazitäten eine intensive Optimierung der Planungsinhalte an sich.
verfügen (siehe Abb. 2–31). Diese liegt im Wesentlichen bei den Architekten und
Fachplanern.
Im Gegensatz zur Projektsteuerung befindet sich der
Projektmanager als „Geschäftsführer auf Zeit“ in einer Die Variante wird angewendet von Bauherren ohne ei-
Linienfunktion mit direkter Weisungskompetenz im genes Management-Know-how. Diese beauftragen das
Auftrag des Bauherrn gegenüber den Planern und Aus- Projektmanagement, um die Projektleitung an profes-
führenden. Er nimmt Einfluss auf die richtige Projektor- sionelle Manager abgeben zu können. Der Honorarauf-
ganisation, die Abwicklungsstrategie und die Prozesse wand bewegt sich üblicherweise im Bereich von ca. 1,6
bis hin zur Ablaufoptimierung und Ablaufsimulation bis 2,1 % der Planungs- und Baukosten, bei kleineren
(als Zusatzleistung). Ebenfalls als Zusatzleistung sorgt und/oder sehr komplizierten Projekten auch bis 3,0 %.
er für die reibungslose und effektive Projektkommuni-
kation und berät den Bauherrn intensiv bei der Vertrags- Construction Management (CM)
überwachung. Beim Construction Management wird aufbauend auf
den beschriebenen Leistungen des Projektmanagers
zum frühestmöglichen Zeitpunkt ausführungsbasiertes
Wissen in das Projekt implementiert. Somit wird zu-
sätzlich zu den üblichen delegierbaren Bauherrenfunk-
tionen auch in weiten Teilen eine originäre Komponente
Bauherr
übertragen. Der Bauherr gibt nur noch die generelle
Linie vor, und der Construction Manager setzt diese
Projektmanagement
dank seiner Planungskompetenz und seiner Manage-
menterfahrung in die planerische Lösung um (siehe
Fachplaner
Architekt Bauleitung Gutachter Abb. 2–32).

Generalunternehmer oder
Einzelunternehmer

Abb. 2–31 Projektmanagement

45
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Der Construction Manager ist wie der Projektmanager Construction Management“, eines Baustellenleitplans
in Linienfunktion zu den Projektbeteiligten. Er hat aber sowie einer Überprüfung der Machbarkeit über Bauab-
ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Projektbetei- laufsimulationen. Um gezielt die immer wiederkehren-
ligten, welche mit Fokus auf den Bearbeitungsprozess den Konflikte von Planung und Bau im Griff zu behalten,
ausgewählt werden. Alle Planungs- und Ausführungs- wird begleitend ein Risikomanagement aufgesetzt.
aufträge werden unter Mitwirkung und Vorbereitung Dadurch werden sowohl Prozess- wie auch Planungs-
durch den Construction Manager direkt mit dem und Baurisiken transparent und können verhindert oder
Bauherrn/Kunden abgeschlossen. Aufgrund der minimiert werden. Ein zusätzlich zu beauftragendes
Managementkompetenz kommen bei der Variante Anti-Claim-Management wird durch das Construction
„Construction Management“ Einzelplaner und Einzel- Management präventiv vermieden oder professionell
unternehmer oder Paketaufträge zum Einsatz. integriert.

Der Construction Manager optimiert in der „Pre Die Variante wird angewendet von Bauherren ohne
Construction Phase“ zunächst die Planungsabläufe eigenes Management-Know-how, die aber vom Projekt-
und Planungsinhalte mittels seiner Kompetenz und management auch eine intensive fachliche Beratung
Erfahrung. Er selbst erbringt keine Planungsleistungen und Optimierung ihres Projektes erwarten. Das
nach HOAI, sodass nicht der oft zitierte „Interessen- Construction Management beinhaltet für sie deshalb
konflikt“ entstehen kann. Der Construction Manager eine starke inhaltliche Komponente, weshalb sie auch
stellt bereits im Planungsprozess sicher, dass die sehr erfahrene Manager mit Planungs- und Ausführungs-
architektonischen und technischen Lösungen prakti- erfahrung erwarten. Entsprechend bewegt sich der
kabel und wirtschaftlich ausführbar sind. Durch Value Honoraraufwand üblicherweise im Bereich von ca. 2,2 %
Engineering wird immer wieder die Zieldefinition des bis 3,0 % der Planungs- und Baukosten, bei kleineren
Projektes mit dem Planungsstand abgeglichen, wobei und/oder sehr komplizierten Projekten bis 3,9 %.
sowohl die Investitionskosten als auch die später an-
fallenden Betriebskosten (Life Cycle Costs) berücksich- General Construction Management
tigt werden. Deshalb sind im Construction Management Der GCM erbringt zusätzlich zu den CM-Leistungen auch
auch eine professionelle Plankoordination mittels Planungsleistungen, vor allem die konzeptionellen
Planungsmanagement und die inhaltliche Planprüfung Planungsleistungen (siehe Abb. 2–33).
entscheidend.
Zunehmend gibt es Bauherren, die nur einen Ansprech-
In der „Construction Phase“ liegt der Schwerpunkt partner haben wollen, der sie durch alle Leistungs-
auf der Optimierung der Bauabläufe mittels „Lean phasen begleitet. Sie sehen im „One Stop Shopping“-

Bauherr Bauherr

Construction Management General Construction Management

Fachplaner Fachplaner
Architekt Bauleitung Gutachter Architekt Bauleitung Gutachter

Einzelunternehmer oder Einzelunternehmer oder


Paketvergabe Paketvergabe

Abb. 2–32 Construction Management (CM) Abb. 2–33 General Construction Management

46
ABWICKLUNGSSTRATEGIE

Prinzip keine Interessenkonflikte, sondern die Vorteile In der „Construction Phase“ liegt der Schwerpunkt
einer eindeutigen Verantwortung und die Vermeidung auch auf der Optimierung der Bauabläufe mittels „Lean
von Schnittstellen. Genau diese Anforderungen erfüllt Construction Management“, eines Baustellenleitplans
das General Construction Management durch die früh- sowie einer Überprüfung der Machbarkeit über Bauab-
zeitige Einbindung aller Fachplaner und eventuell auch laufsimulationen. Hinzu kommt eine komplette Logistik-
des Architekten. Das General Construction Management planung in Zusammenarbeit mit den ausführenden
erbringt die kompletten Generalfachplanleistungen vom Unternehmen. Die Objektüberwachung erfolgt in Form
Konzept bis zur Ausführungsplanung selbst oder durch einer „Generalbauleitung mit Managementkompetenz“,
Kooperationspartner in seiner Verantwortung. Diese in der Bauleiter und Projektmanager direkt vor Ort
Management-Variante erfordert ein enges Vertrauens- zusammenarbeiten.
verhältnis zwischen Bauherr und Construction Manager.
Man muss sich kennen und schätzen! Die Gründe für die Beauftragung des General Construc-
tion Managements sind im Prinzip dieselben wie beim
Der General Construction Manager steht sowohl in der Construction Management. Die inhaltliche Komponente
Vertragsbeziehung wie auch organisatorisch in Linien- wird aber noch verstärkt durch die direkte Übernahme
funktion zwischen dem Bauherrn und den Planungs- der Verantwortung für die Planung inkl. der Ausführungs-
beteiligten. Dabei kann der Architekt entweder direkt planung des Architekten. Angewendet wird diese
vom General Construction Management oder aber vom Variante vorzugsweise im Industriebau, vor allem aber
Bauherrn beauftragt werden. In jedem Fall muss dem auch beim „nachhaltigen Bauen“ als Alternative zum
General Construction Management ein Weisungsrecht Generalplaner, bei dem häufig die Managementkompe-
gegenüber dem Architekten eingeräumt werden, wenn tenz und das Value Engineering zu kurz kommen.
er seine Aufgabe optimal erfüllen soll. Die Auswahl der
Fachplaner erfolgt in Abstimmung mit dem Bauherrn Der Honoraraufwand (ohne Planungskosten) bewegt
durch den General Construction Manager. sich wegen der Verantwortung für die Planung im
Bereich von ca. 3,1 % bis 4,0 % der Planungs- und
Der General Construction Manager koordiniert und Baukosten, bei kleineren und/oder sehr komplizierten
optimiert die Planungsleistungen durch direkte Zusam- Projekten bis 5,4 %. Es wird ein Gesamtangebot inkl.
menarbeit mit dem Architekten und Fachplanern sowie Generalfachplanung und der Objektplanung vorgelegt.
unter Einbeziehung der wesentlichen ausführenden
Firmen zu einem frühen Zeitpunkt. Dadurch wird deren Bei dieser Variante werden häufig neben dem üblichen
Know-how lange vor Ausführungsbeginn mit in die Honorar auch zusätzliche Prämien über Bonusrege-
Planung einbezogen. Dies erfordert allerdings eine lungen vereinbart, die ganz oder teilweise je nach
von den üblichen HOAI-Phasen abweichende Abwick- dem Grad der Zielerreichung vereinbarter Kriterien
lungsstrategie und ein stufenweises Angebots- und (Termine, Kosten, Qualität) ausbezahlt werden. Diese
Vergabeverfahren, bei dem sorgfältig ausgewählte und Bonusregelungen sind allerdings kritisch zu sehen,
bekannte Unternehmen zunächst Angebote auf der da sie häufig zu einer Belastung des erforderlichen
Basis einer Vorplanung mit Anforderungsbeschreibung Vertrauensverhältnisses von Bauherrn und Construction
abgeben. Nach der Planungsoptimierung werden die Manager führen (z. B. bei Einsparungsvorschlägen aller
Angebote konkretisiert und detailliert. Nach intensiver Art, die den Bonus erhöhen würden, aber vom Bauherrn
Prüfung durch das General Construction Management nicht gewünscht werden).
werden die Aufträge in transparenter Abstimmung mit
dem Bauherrn vergeben.

47
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Baupartner-Management Die Grundidee ist ähnlich wie bei einem Construction


Beim Baupartner-Management wird das General Management at Risk, wird aber in entscheidenden
Construction Management durch die Übernahme der Details doch anders abgewickelt, beispielsweise durch
Bauausführung mit ausgewählten Unternehmen, den die Baupartnerschaft und eine weitere Unterteilung der
Baupartnern, ergänzt. Im Unterschied zu einer General- „Pre-Construction-Phase“. Die ausführenden Unterneh-
oder Totalunternehmerlösung werden die Einzelunter- mer werden wie beim General Construction Manage-
nehmen als Partner zu einem sehr frühen Zeitpunkt in ment in die Entwurfsphase integriert und erarbeiten
die Planung und Vorbereitung einbezogen. Der Bauherr unter einer vorgegebenen Kosten- und Termingrenze ein
erhält eine größtmögliche Kosten- und Terminsicherheit Festpreisangebot, welches die qualitativen und quanti-
von mittelständischen Unternehmen, welche die Bau- tativen Vorgaben des Kunden erfüllen muss. An dieser
leistungen im eigenen Hause erbringen und auch nach Stelle kann der Bauherr vom Projekt zurücktreten, falls
Inbetriebnahme noch zur Verfügung stehen. seine Vorstellungen nicht erfüllt werden können. Er
bezahlt in diesem Falle ein vereinbartes Honorar für
Für das Baupartner-Management werden in der Regel erbrachte Leistungen. Wird das Festpreisangebot akzep-
bei großen Projektmanagementunternehmen eigene tiert, beginnt die Optimierung der Ausführungsplanung,
Gesellschaften gegründet, die sich ausschließlich auf der Logistik und der Prozesse für die Bauausführung in
diese Managementvariante spezialisiert haben. (Bei der einem integrierten Planungsprozess. Mögliche Syner-
Drees & Sommer AG ist das beispielsweise die Building gien werden analysiert und Schnittstellen zwischen
Agency.) Die Baupartner werden vom Baupartner- den Baupartnern reduziert und vereinfacht. So können
Management in einer Projektgesellschaft zusammen- beispielsweise die baulogistischen Prozesse bereits
gefasst, für die sie dann sowohl gegenseitig als auch frühzeitig koordiniert werden. Der Bauherr bekommt
gesamtschuldnerisch gegenüber dem Bauherrn haften. eine Komplettleistung aus einer Hand und kann sicher
Das Baupartner-Management übernimmt die Geschäfts- sein, dass alle auftretenden Konflikte innerhalb der
führung der Projektgesellschaft, welche sämtliche Baupartnerschaft gelöst werden.
Planungs- und Bauaufträge in ihrem Namen vergibt. In
der Regel werden ca. 80 % des Auftragsvolumens über Diese Variante wird in der Regel nur solventen, vertrau-
die Gesellschafter der Projektgesellschaft abgewickelt, enswürdigen Kunden angeboten. Der Aufwand für Ma-
der Rest wird an sonstige Subunternehmer vergeben nagement und Risikoabdeckung liegt zwischen 6,0 %
(siehe Abb. 2–34). und 8,0 % der Planungs- und Baukosten, bei kleineren
und/oder sehr komplizierten Projekten bis 10 %. Er ist
im Festpreisangebot enthalten.

Die Variante GMP (Garantierter Maximalpreis) hat sich


aus ähnlichen Gründen wie die Bonusregelung beim
General Construction Management nicht bewährt. Eine
Projekt- klare Festpreisregelung ist eindeutig vorzuziehen.
Bauherr controlling
Allerdings ist zu empfehlen, dass der Bauherr sich bei
dieser Variante ein eigenes, vom Baupartner-Manage-
Baupartnermanagement (CM at risk)
ment unabhängiges Projektcontrolling einrichtet.

Fachplaner
Architekt Bauleitung Gutachter

Einzelunternehmer oder
Paketvergabe

Abb. 2–34 Baupartner-Management (CM at Risk)

48
ABWICKLUNGSSTRATEGIE

Vergleichende Betrachtung professionelle Manager abgeben zu können.


Alle Varianten haben Vor- und Nachteile. Je mehr Know- – Construction Management: Bauherren ohne eigenes
how eingekauft und Verantwortung abgegeben wird, Management-Know-how, die zusätzlich eine intensive
umso größer wird die mögliche Hebelwirkung zuguns- fachliche Beratung und Optimierung ihres Projektes
ten des Auftraggebers, aber auch das Risiko, dass das erwarten.
Ergebnis bei wenig kompetenten oder gar windigen
Partnern nicht den Erwartungen entspricht. Außerdem Der Honoraraufwand liegt zwischen 0,7 und knapp
steigt natürlich der Umfang des aufzuwendenden 4,0 %. Die letzten beiden Varianten haben das größte
Honorars mit dem Umfang der delegierten Aufgaben Optimierungspotenzial in inhaltlicher, wirtschaftlicher
und Risiken (siehe Abb. 2–35). und ablauftechnischer Hinsicht. Sie sollten aber nur mit
hoch professionellen und vertrauenswürdigen (Referen-
Für die ersten vier Varianten (ohne HOAI- und Bauaus- zen!) Partnern gewagt werden. Sie eignen sich beson-
führungsleistungen) spricht, dass nur delegierbare und ders, wenn ein Projekt von Beginn an betreut wird und
originäre „Bauherrenaufgaben“ an ein Management- der Schwerpunkt auf einer integrierten Planung liegt,
unternehmen weitergegeben werden. wie es beim „nachhaltigen Bauen“ (Green Building) der
Fall sein muss.
Die Einsatzbereiche sind:
– Projektcontrolling: sehr professionelle Bauherren mit Die Einsatzbereiche sind:
eigenem Know-how, z. B. eigener Bauabteilung, oder – General Construction Management: vorzugsweise der
bei sehr einfachen Projekten. Industriebau, vor allem beim „nachhaltigen Bauen“
– Projektsteuerung: professionelle Bauherren mit als Alternative zum Generalplaner.
eigenem Know-how, denen aber für besondere – Baupartner-Management: in der Regel solvente
Projekte die Managementkapazität fehlt. Sie beauf- Kunden mit hoher Kooperationsbereitschaft, zu
tragen die Projektsteuerung in der Regel zur aktiven denen ein langjähriges Vertrauensverhältnis besteht.
Unterstützung ihrer Projektleitung.
– Projektmanagement: Bauherren ohne eigenes Der Honoraraufwand für diese Varianten liegt erfahrungs-
Management-Know-how. Diese beauftragen das gemäß zwischen 3 und knapp 10 % je nach Projektgröße
Projektmanagement, um die Projektleitung an und Schwierigkeitsgrad.

10,0 %
9,0 %
8,0 %
7,0 %
Prozent der Planungs-

6,0 %
5,0 %
und Baukosten

4,0 %
3,0 %
2,0 %
1,0 %
0,0 %
Projektcontrolling Projektsteuerung Projektmanagement Construction General Baupartner-
Management Construction Management
Management
Honorar von ... bis Grenzwerte Sonderprojekte

Abb. 2–35 Honorarbandbreite der Managementvarianten

49
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

2.4.2 Alternative Abwicklungsstrategien mit Planern für die Planung als auch für alle Einzelgewerke die nach
und ausführenden Firmen Preis, Qualität und Leistungsfähigkeit jeweils beste
Firma aussuchen und verpflichten kann. Ein weiterer
Schon viele Bauherren haben erleben müssen, dass die Vorteil ist die große Flexibilität. So können Planungsän-
Vielzahl von Projektbeteiligten ohne die Koordination derungen sehr viel besser aufgefangen werden als bei
durch einen starken und erfahrenen Partner zu vielen einem Generalvertrag, weil die Leistungen erst mit dem
Nachteilen und Ärgernissen führt. Planungs- und Baufortschritt abgerufen werden (siehe
Abb. 2–36).
Aus diesem Grunde zeichnen sich immer mehr
Tendenzen zu einer Generalisierung in unterschied-
lichen Bereichen ab mit dem Ziel, durch eine solche BAUHERR
Generalisierung eine bessere Steuerung und Kontrolle (PROJEKTMANAGEMENT)
des Bauprojektes zu erreichen. Dies gilt für ein
„General Management“ beim Bauherrn ebenso wie für
den „Generalplaner“, den „Generalunternehmer“ oder
den „Generalübernehmer“. Von speziellen Sonderfällen
Planer Einzelunternehmer
abgesehen, laufen alle Hochbauprojekte mehr oder
weniger nach einem bestimmten Schema ab, wobei
die Projektdauer je nach Bauherr, Organisation und Abb. 2–36 Organisation mit Einzelplanern und Einzelunternehmen
Abhängigkeit von Genehmigungsverfahren in weiten
Grenzen schwanken kann.

Die größten Abweichungen von einem solchen Ablauf Die gesamte Koordination liegt hier allerdings beim
treten in der Regel durch unterschiedliche Konstella- Bauherrn. Schaltet dieser für die Koordination ein
tionen im Zusammenspiel des Dreiecks „Bauherr – Projektmanagement ein, so ist die maximale Leistungs-
Planer – Bauunternehmer“ auf, die dem Projektmanager palette gefragt, was für den Projektmanager den größ-
geläufig sein müssen. ten Aufwand bedeutet. Gleichzeitig ist dies jedoch die
ideale Konstellation für ein professionelles Projekt-
Bauen mit Einzelunternehmern management, weil hier die umfangreichsten Einfluss-
Die traditionelle Art der Bauausführung ist die Organisa- möglichkeiten gegeben sind. Für den Bauherrn schlägt
tion mittels Einzelplanern und Einzelunternehmern. Der sich dies in optimierter Wirtschaftlichkeit, Funktionali-
größte Vorteil ist dabei zweifelsfrei, dass man sowohl tät, Qualität und Gestaltung nieder.

Überlappungsfeld
restl. Ausf. Planung Vorplanung, Entwurf und Baugesuch
Baugenehmigungsverfahren
Vergabe Rohbau restl. Vergaben
Vorlauf Ausführungsplanung
reine Bauzeit LV und Vergabe Rohbauarbeiten
Baustellenvorbereitung
Gesamtdauer Baudurchführung

Abb. 2–37 Konventioneller Ablauf mit überlappender Planung und Bauausführung

50
ABWICKLUNGSSTRATEGIE

Der Ablauf ist geprägt durch eine starke Überlappung BAUHERR


von Planung und Bauausführung. Diese Überlappung (PROJEKTMANAGEMENT)
eröffnet einerseits die Möglichkeit des Einsatzes
aktueller Technik und Bauverfahren, birgt aber auch das
Risiko von kostentreibenden Planungsänderungen in
sich. Versteht ein professionelles Projektmanagement
Planer Generalunternehmer
damit umzugehen, so ist mit diesem Verfahren durch
die große Überlappungsmöglichkeit von Planung und
Ausführung vor allem bei schwierigen Projekten sicher- Abb. 2–39 Organisation mit Einzelplanern und Generalunternehmer
lich die kürzeste Projektdauer mit der höchsten Qualität
zu erreichen (siehe Abb. 2–37).
Bauen mit Generalunternehmer (GU) = Schlüssel-
Bauen mit Paketvergaben (Teil-GU) fertigbau
Das Bauen mit Paketvergaben hat für das Projektmanage- Eine Projektabwicklung in dieser Konstellation erspart
ment bei größeren und komplizierteren Bauvorhaben dem Bauherrn/Projektmanagement Koordinationsauf-
etliche Vorteile. So kann das Know-how spezialisierter gaben auf der Baustelle, erfordert aber einen hohen
Firmen sehr früh in die Projektabwicklung einbezogen Koordinationsaufwand in der Vorbereitungsphase. Auf
werden, was in aller Regel zu deutlichen Kosteneinspa- die Garantien des GU ist nur dann Verlass, wenn eine
rungen bei gleichzeitiger Qualitätsverbesserung führt ausgereifte und koordinierte Planung mindestens bis
(siehe Abb. 2–38). zum Baugesuch vorliegt (siehe Abb. 2–39).

Bei dieser Variante übernimmt der GU häufig die Einzel-


BAUHERR planer auch für die Ausführungsplanung. Dem Projekt-
(PROJEKTMANAGEMENT) management kommt die Aufgabe des Controllers und
Treuhänders des Bauherrn zu. Er muss die Qualität und
die Zahlungspläne überwachen, Nachträge verfolgen
und überprüfen und dafür auch einen vereinbarten
Terminplan mit Kontrolldaten im Auge behalten. Der
Planer Teil-GU
Aufwand ist einerseits geringer, weil die detaillierte
Terminabstimmung mit den Subunternehmern sowie
Abb. 2–38 Organisation mit Einzelplanern und Paketvergaben die Überwachung der Einzelrechnungen entfallen.
Andererseits wird die Überwachungstätigkeit brisanter,
da es meist um höhere Nachträge aufgrund von Pla-
Das Projektmanagement muss sich nicht um die Koordi- nungsänderungen oder -vertiefungen geht, die jeder GU
nationsaufgaben innerhalb der Teil-GU-Gewerke küm- zum Anlass nimmt, seinen Pauschal-Festpreis kräftig
mern und sich dadurch eingehender der Optimierung aufzubessern – ob das nun gerechtfertigt ist oder nicht.
der Funktion, Wirtschaftlichkeit und Qualität des Bau- Zur Abwehr von ungerechtfertigten Nachträgen muss
vorhabens widmen. Bei dieser Gelegenheit können meist der Projektmanager tief in die Materie einsteigen,
auch die Terminabläufe sowie die Logistik auf der Bau- sowohl, was die Kosten, als auch, was den Terminablauf
stelle durch weitergehende Vorfertigung verbessert anbetrifft.
werden.
Per Saldo ist der Aufwand in der Vorbereitung und Bau-
ausführung vielleicht um 15 bis 20 % geringer (volle
Leistungserfüllung vorausgesetzt), dafür hat der Bauherr
eine Termin- und Kostengarantie sowie die Sicherheit,

51
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Vorplanung, Entwurf und Baugesuch


Baugenehmigungsverfahren
Vergabe komplett
Ausführungsplanung
reine Bauzeit LV und Vergabe schlüsselfertig
Baustellenvorbereitung
Gesamtdauer Baudurchführung

Abb. 2–40 Projektdauer bei GU auf Basis von Ausführungsplänen

dass diese durch den Einsatz des Projektmanagements Nachteilig sind die kaum vorhandenen Rationalisie-
auch zum Tragen kommt. Diese Sicherheit kostet dann rungsmöglichkeiten des Generalunternehmers und
auch mehr als eine Abwicklung mit Einzelvergaben. die – aufgrund der fehlenden Überlappung von Planung
und Ausführung – im Vergleich zur konventionellen
Beim Bauen mit Generalunternehmern gibt es wieder Abwicklung sehr lange Projektdauer (ca. zwölf Monate
unterschiedliche Varianten, was den Zeitpunkt der Ein- länger). Da der GU dennoch einen Zuschlag für die
schaltung und den vorliegenden Planungsstand betrifft. Kosten- und Termingarantie kalkulieren muss, könnte
Im Prinzip kann man drei Varianten unterscheiden: man genauso gut oder besser Einzelvergaben durch-
führen (siehe Abb. 2–40).
a) GU auf Basis Ausführungsplanung:
Bei dieser Variante wird vorausgesetzt, dass die Aus- Insgesamt ist diese Methode für eine Abwicklung mit
führungszeichnungen im Maßstab M 1:50 im Wesent- GU wenig geeignet, da sie ihm kaum Spielraum lässt.
lichen vorliegen und alle Leistungen qualitativ und Dieser Spielraum kann aber nur geschaffen werden,
quantitativ exakt definiert sind (amerikanische wenn man auf einen weniger detaillierten Planungs-
Methode). Vorteile sind die klaren Kalkulationsunter- stand zurückgeht.
lagen und die gute Vergleichbarkeit, verbunden mit
einer großen Kostensicherheit, wenn keine nachträg- b) GU auf Basis Entwurf mit Raum- und Baubuch:
lichen Änderungen auftreten. Die Basis der Planung M 1:100 (Entwurf ) ist in Verbin-

Vorplanung, Entwurf und Baugesuch


Baugenehmigungsverfahren
Vergabe komplett
Raum- und Baubuch
reine Bauzeit Angebot GU und Vertragsverh.
Planungsvorlauf, Bauvorbereitung
Gesamtdauer Baudurchführung

Abb. 2–41 Projektdauer bei GU auf Basis Entwurf mit Raum- und Baubuch

52
ABWICKLUNGSSTRATEGIE

dung mit einer grundsätzlichen Beschreibung in Form sondern nur ein Raum- und Funktionsprogramm als
eines Raum- und Baubuches grundsätzlich geeignet, Grundlage für sein Angebot erhält. Meist errechnet sich
sowohl den Rationalisierungsspielraum des GU zu er- aus einer erreichbaren Miete die maximal mögliche
höhen als auch die Belange des Bauherrn ausreichend Investition, die freihändig ausgehandelt wird. Bei
abzusichern. diesem Verfahren eignet sich auch eine Art einfacher
kombinierter Planungs- und Realisierungswettbewerb,
Dabei kommt es entscheidend auf die Qualität der der jedoch an das Projektmanagement des Bauherrn
Entwurfsplanung an, die als Konstruktionsplanung hohe Anforderungen bezüglich der Bewertung stellt.
grundsätzlich durchgearbeitet und exakt im Raum- und
Baubuch beschrieben sein muss (siehe hierzu spätere Die Projektdauer ist bei diesem Verfahren relativ kurz,
Ausführungen). allerdings hat der Bauherr nach der Vergabe praktisch
keinerlei Einflussmöglichkeiten mehr, wenn er die gewon-
Die Projektdauer ist bei diesem Verfahren durch die nenen Vorteile nicht verlieren will (siehe Abb. 2–42).
frühe Vergabe an den GU und seine Möglichkeiten zur
Rationalisierung des Ablaufs in etwa gleich wie beim Generalübernehmer
konventionellen Ablauf mit dem Vorteil der Termin- und Ein Generalübernehmer reduziert die Aufgaben des
Kostengarantie. Allerdings wirken sich nachträgliche Bauherrn auf ein reines Controlling der vereinbarten
Änderungen bei komplexen Projekten gravierender aus Vertragsinhalte und des Zahlungsplans. Die Koordi-
als bei der Variante GU1, da die Basis der Kostenermitt- nation findet nur noch direkt zwischen dem Bauherrn
lung nur prinzipiell und nicht detailliert beschrieben und dem Generalübernehmer statt. Da dieser auch die
ist. Für normale Projekte ist dies jedoch ein geeignetes Architekten als Auftragnehmer auf seiner Seite hat, ist
Verfahren (siehe Abb. 2–41). nach Festsetzen der Grundlagen keine große Einfluss-
nahme oder Optimierung mehr möglich. Diese Variante
c) GU auf Basis Raum- und Funktionsprogramm: wird im Wesentlichen bei reinen Investorenprojekten
Stehen bei einem Investorenprojekt die möglichst kosten- angewendet, die über geschlossene Immobilienfonds
günstige Erstellung eines Gebäudes (ohne allzu große auf den Markt gebracht werden. Die Bauherren sind
Anforderungen an Langzeitqualität) und niedrige Investi- außer durch die Zahlung der Kaufraten nicht direkt
tionskosten im Vordergrund, dann ist es vorteilhaft, den in den Projektablauf involviert, wodurch dessen Über-
Vergabezeitpunkt noch weiter nach vorne zu verlegen. wachung auf die Übereinstimmung mit dem Baufort-
schritt und die ständige Überprüfung der Qualitäten
In diesem Falle kann der GU eigene Bauverfahren schon umso wichtiger werden. Im Regelfall ist dann ein
in der Vorplanung berücksichtigen, da er keine Pläne, Generalunternehmer nachgeschaltet.

Vergabe komplett
Vorplanung und Angebot GU
Auftragsverhandlungen
Entwurf und Baugesuch durch GU
Baugenehmigungsverfahren
reine Bauzeit Ausführungs- und Systemplanung
Bauvorbereitung
Gesamtdauer Baudurchführung

Abb. 2–42 Projektdauer bei GU auf Basis Raum- und Funktionsprogramm

53
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

2.5 Vertrags- und Risikomanagement In den Verträgen muss daher neben der Vereinbarung
der Grundleistungen ein durchdachtes System für die
Verträge und Risiken sind eng verbunden. Deshalb Vergütung von Zusatzleistungen oder veränderten
müssen diese Themen in der Vorbereitungsphase Leistungen enthalten sein. So wird vermieden, dass
sauber durchdacht und geregelt werden. einzelne Auftragnehmer aufgrund von Änderungen und
Zeitnot plötzlich nahezu beliebige Preiskorrekturen
nach oben vornehmen können. Im Sinne einer harmoni-
2.5.1 Vorbereiten Vertragsmanagement schen Zusammenarbeit sollten auch gewisse „Spiel-
regeln“ für eine partnerschaftlich-kooperative Vertrags-
Wesentliche Voraussetzung für einen funktionierenden abwicklung vereinbart werden.
Projektablauf ist ein klares und inhaltlich synchronisier-
tes Vertragskonzept für Planung und Bauausführung Planungsverträge
(siehe Abb. 2–43). Als Grundlage für die Verträge mit Planern und Beratern
gilt die HOAI = Honorarordnung für Architekten und
Gerade bei Großbauten mit ihrer Vielzahl von ver- Ingenieure. Die HOAI hat Verordnungscharakter und wird
schiedenen Faktoren ist es unerlässlich, die möglichen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die Grundleistungen
Folgen von Vertragsänderungen für die Investitions- sind detailliert aufgeführt, inklusive der einzelnen
kosten zu kennen. Honorarprozente und Honorartafeln, die über die HOAI
zwingendes Preisrecht darstellen (siehe Abb. 2–44).

Vertragsanalyse / Vertragsdesign

Analyse der projektspezifischen Erfordernisse inkl.


Ermittlung von Vergütungen. Ausarbeiten von Vertrags-
entwürfen und Mitwirken bei Verhandlungen
HOAI TEIL 1: ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN

Datenbank der Vertragsinhalte § 01 Anwendungsbereich


§ 02 Begriffsbestimmungen
Organisation der vertraglichen Vereinbarungen
(Vertragsbedingungen, Leistungsbeschreibung, § 03 Leistungen und Leistungsbilder
Vergütungsvereinbarungen)
§ 04 Anrechenbare Kosten
§ 05 Honorarzonen
Vertragsterminpläne § 06 Grundlagen des Honorars
§ 07 Honorarvereinbarung
Zeitliche Definition der Reihenfolge der Vertragsleistungen
und der erforderlichen End- und Zwischentermine § 08 Berechnung des Honorars in besonderen Fällen
§ 09 Berechnung des Honorars
bei Beauftragung von Einzelfällen
Dokumentation der Vertragsleistungen
§ 10 Berechnung des Honorars
Laufende Dokumentation der erbrachten Vertragsleistungen bei vertraglichen Änderungen des Leistungsumfangs
und Änderungsvereinbarungen in Bezug auf Leistungs-
erbringung, Vergütung und Termine § 11 Auftrag für mehrere Objekte
§ 12 Instandsetzungen und Instandhaltungen
§ 13 Interpolation
Abwicklung von Nachforderungen
§ 14 Nebenkosten
Bearbeitung und Abwehr von Nachforderungen der § 15 Zahlungen
Auftragnehmer, insbesondere bei gezielten „Claim-
Management“-Einsätzen § 16 Umsatzsteuer

Abb. 2–43 Ablauf Vertragsmanagement Abb. 2–44 HOAI-Gliederung Teil 1 – allgemeine Vorschriften

54
VERTRAGS- UND RISIKOMANAGEMENT

Allgemeine Vertragsbedingungen bei Planungsverträgen: Insgesamt kann man festhalten, dass das Vertragswerk
Ebenso wichtig wie die korrekten Leistungsbilder sind so kurz wie möglich und so ausführlich wie nötig erstellt
faire und angemessene Vertragsbedingungen, die in werden muss. Bei sehr großen Projekten kann die
der HOAI nicht geregelt sind. Sie sollten einheitlich für Einschaltung eines kundigen Rechtsanwalts zu diesem
alle Beteiligten erstellt werden, wobei in verschiedenen Thema hilfreich sein. In der Regel ist dann allerdings die
Paragrafen eine Abstufung nach Umfang und Einfluss Forderung nach einem möglichst kurzen Vertragswerk
der einzelnen Leistungen vorgenommen werden sollte. nur noch schwierig zu erfüllen.
Diese Abstufungen werden sich insbesondere auf die
Haftung und Gewährleistung beziehen, aber auch auf Ganz wesentlich ist, dass vertraglich klare Verhältnisse
die Vereinbarungen zur Vergütung. Auch hier sollte man geschaffen werden, die eine gesicherte Leistungs-
sich davor hüten, durch das Zusammenschreiben mög- erbringung ermöglichen und spätere Honorarstreitig-
lichst vieler Vertragsbedingungen aus allerlei guten und keiten vermeiden. Derartige Differenzen führen stets zu
schlechten Verträgen ein riesiges Werk zu schaffen, bei einer Minderung der Leistung. Diese angesprochenen
dem sich die einzelnen Festlegungen laufend wider- klaren Verhältnisse, möglichst sofort von Beginn der
sprechen. Grundsätzlich muss bei allen Vertragsbedin- Leistung an, verbessern die Zusammenarbeit zwischen
gungen das AGB-Gesetz berücksichtigt werden. dem Bauherrn und den beauftragten Planern und
Beratern ganz erheblich und vermeiden auch hier
Von besonderer Bedeutung bei der Abfassung von unnötige Reibungsverluste. Mit überzogenen Vertrags-
Planungsverträgen sind entsprechende Terminverein- bedingungen lässt sich trotz aller Sorgfalt bei der
barungen. Die Fristen sollten insbesondere für die Vereinbarung der Projektziele eine optimale Leistungs-
ersten Phasen des Projekts nicht zu knapp gewählt erbringung nicht erzwingen.
werden, um die Kreativität der Beteiligten voll aus-
schöpfen zu können (siehe Abb. 2–45). Bauleistungsverträge
Im Prinzip gelten für die Bauverträge die gleichen
Neben juristisch relevanten Einzelfristen sollten in Grundanforderungen wie für die Planungsverträge.
regelmäßigen Abständen Phasengespräche verein- Auch hier sind zur Vermeidung von unnötigen Streitig-
bart werden, in denen eine Überprüfung der Planung keiten Klarheit und Eindeutigkeit das oberste Gebot.
hinsichtlich des Erfüllungsgrades (Soll-Ist-Vergleich) Jede Verletzung dieses Prinzips führt in der Regel
erfolgt. Die Dokumentation der Gesprächsergebnisse ist zum Streit und im schlimmsten Fall zu langwierigen
wichtig, da sie als Bestätigung bzw. Fortschreibung Gerichtsprozessen, die häufig in unbefriedigenden
der gemeinsamen Geschäftsgrundlage anzusehen ist. Vergleichen enden.

Inhalte aus Leistungskatalog


Strukturplänen Termine aus Regelabläufen Einzelfristen aus Sonstiges aus
Regelabläufen Terminplänen Terminplänen Vertragsbedingungen

VERTRAG PLANUNGSLEISTUNGEN

Termine Phasengespräche
Laufender Soll-Ist-Vergleich aus Terminplanung

Abb. 2–45 Laufender Soll-Ist-Vergleich Inhalte, Termine und Fristen

55
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Vorsicht gilt bei unklaren und somit interpretierbaren – aufgrund zu detaillierter Regelungen neuen Regelungs-
Formulierungen in den Verdingungsunterlagen sowie bedarf erfordern, der dann aber wegen der komplexen
zweifelhaften Pauschalpreisvereinbarungen. Auf diese Zusammenhänge nicht erkannt und abgedeckt wird
Weise wird häufig versucht, insbesondere im Bereich
der privaten Auftraggeber, die Risiken aus einer nicht Bei konsequenter Beachtung einiger weniger Grund-
ausgereiften Planung einseitig auf den Auftragnehmer sätze können Bauverträge abgeschlossen werden, die
abzuwälzen. genügend Rechtssicherheit für beide Partner bieten und
die das Prinzip der Ausgewogenheit nicht verletzen.
Umgekehrt nutzt in vielen Fällen der Auftragnehmer Grundsätzlich sollte die VOB als Vertragsart bei Bauver-
jede sich bietende Chance aus, um Nachforderungen trägen vereinbart werden. Im Gegensatz zu BGB-Ver-
geltend zu machen (Claim-Management). trägen sind hier spezielle Anordnungsrechte des Bau-
herrn/AG geregelt, denen bestimmte Vergütungsmecha-
Um dies zu verhindern, sind einige Auftraggeber dazu nismen als Ausgleich gegenüberstehen (§ 2 VOB/B).
übergegangen, überdimensionierte Vertragsbedingun-
gen zu verfassen, die in vielen Fällen: In der Abb. 2–46, Vertragstypen bei VOB-Verträgen ist
dargestellt, zwischen welchen Vertragstypen grundsätz-
– in sich widersprüchlich sind lich bei VOB-Verträgen unterschieden werden muss.
– die VOB massiv verändern oder in wesentlichen Je nach Vertragstyp können gewisse Risiken (Mengen-
Teilen außer Kraft setzen ermittlung, Planung) auf die ausführende Firma sinnvoll

Abrechnungsvertrag Pauschalvertrag
(Einheitspreisvertrag)

Detail Global

einfacher komplexer

LV LV LV
Baubeschreibung
Pos. Architekten- Leistung Gesamt- Pos. AN- Leistung Gesamt- AN- Leistung Gesamt- (zielorientiert)
0% menge preis Menge preis Menge preis
1 M1 EP1 GP1 1 M1 EP1 GP1 M1
2 M2 EP2 GP2 2 M2 EP2 GP2 M2 Üblicher Leistungsumfang
– erkennbar lückenhaft – technisch erforderlich
100% n Mn EPn GPn n Mn EPn GPn – Komplettierungsklausel – Funktionalität
für restliche erforderliche – Sicherheit
Leistung
Summe Summe
variabel fix variabel variabel fix variabel Summe fix Summe fix

Mengen- gemeinsames AN vor Ausführung überschlägig durch überschlägig durch


ermittlung: Aufmaß AN + „Planung“ für AN + „Planung“ für
Restleistung Gesamtleistung
Risiko: AG AN Menge: AN Menge + Planung: AN
Planung: teilweise AN

Abb. 2–46 Unterschiedliche Varianten von VOB-Verträgen

56
VERTRAGS- UND RISIKOMANAGEMENT

übertragen werden. Einheitspreisverträge sollten Dies gilt unabhängig davon, ob eine Vergabe nach
insbesondere dann zugrunde gelegt werden, wenn bei Leistungsverzeichnissen (Einzelvergabe) oder nach
baubegleitender Planung mit zahlreichen Änderungen Leistungsprogramm (Vergabe an Generalunternehmer)
gerechnet werden muss. Globale Pauschalvertrags- erfolgen soll. Nur durch diese Kontrolle ist sicherge-
varianten sind sinnvoll, wenn „Projekte von der Stange“ stellt, dass die in der Planung vereinbarten Ziele auch
gebaut oder spezielles Firmen-Know-how vom Markt entsprechend umgesetzt und nicht durch die Hintertür
eingekauft werden soll. kostspielige Änderungen produziert werden.

Aufbau der Leistungsverzeichnisse: Manche Verfasser Beachtung von VOB und VOL: Die VOB (Vergabe- und
von Leistungsverzeichnissen sind mit sich erst so Vertragsordnung für Bauleistungen) sowie die VOL
richtig zufrieden, wenn sie für einfache Fragen kom- (Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen) sollten
plizierte Lösungen erarbeitet haben. In vielen Fällen grundsätzlich beachtet werden. Bei der Abwicklung
sind ähnliche Verhaltensmuster bei der Erstellung von von Aufträgen der öffentlichen Hand ist dies zwingend
Ausschreibungen zu beobachten. Völlig unnötiger- vorgeschrieben. Private Auftraggeber können die VOB A
weise werden die Leistungsverzeichnisse mit Ballast mit dem Ziel der freihändigen Vergabeverhandlung
versehen und mit Nebensächlichkeiten aufgebläht. ausschließen.

Leistungsverzeichnisse müssen Die VOB dient ihrem Charakter nach als selbst geschaf-
– klar gegliedert sein (z. B. nach Losen) fenes Recht der Wirtschaft nicht als gesetzliche Verein-
– kurz und knapp die geforderte Leistung beschreiben barung, sondern als allgemeine Geschäftsbedingungen
(soweit erforderlich unter Hinweis auf Planungs- (AGB). Sie gilt aber als ausgewogenes Mittel der
unterlagen in der Anlage) Interessenlagen zwischen den Bauvertragspartnern. Sie
– eindeutige Regeln für Aufmaß und Abrechnung dient einschließlich der umfangreichen Kommentierung
beinhalten, soweit von den Festsetzungen der VOB und auch höchstrichterlichen Rechtsprechung als die
Teil C in begründeten Fällen abgewichen werden soll Entscheidungsgrundlage bei Bauprozessen. Kommt es
zum Streit, ist man bereits im Vorfeld der Prozesse
Kontrolle der Verdingungsunterlagen: Verdingungs- oder bei Klagebegründungen bzw. Erwiderungen
unterlagen müssen vom Projektmanagement kontrol- zwangsläufig mit ihr konfrontiert, soweit nicht über eine
liert werden. Dabei empfiehlt sich die in Abb. 2–47 Individualvereinbarung eine umfassende neue Rechts-
dargestellte Vorgehensweise. situation geschaffen wurde. Da dies in den seltensten

Vervollständigen der
Vollständigkeit der Inhalte Technische Richtigkeit Massen über Plausibilität Vertragsbedingungen

KONTROLLE DER VERDINGUNGSUNTERLAGEN

auf der Grundlage der

Planung und
Planung Planung der Kostenermittlung VOB, VOL (AGB)

Abb. 2–47 Kontrolle von Bauleistungsverträgen

57
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Fällen zutrifft, sollte zumindest die VOB B unein- tung einbezogen werden. Diese proaktive Risiko-Strate-
geschränkt zur Vertragsgrundlage erklärt werden; gie ist insbesondere im angloamerikanischen Bereich
die VOB C ist somit automatisch vereinbart. durch Einbeziehung der sogenannten Risk Costs bereits
Standard. Die relevante Methodik ist durch die in
Es gibt viele Fälle, in denen über zusätzliche allgemeine Abb. 2–49 dargestellten Arbeitsschritte gekennzeichnet:
Geschäftsbedingungen versucht wird, die Festsetzungen
der VOB einseitig zugunsten einer Vertragspartei
abzuändern. Solche Eingriffe in den Kerngehalt der VOB
durch ergänzende Vertragsklauseln (Schriftformklau- IDENTIFIKATION
seln, Formalzwänge etc.) hebeln die VOB aus, und es
besteht die Gefahr, dass über die Bestimmungen des
Bewertung
AGB-Gesetzes die VOB insgesamt als Geschäftsgrund-
lage entfällt.
Bewältigung
Als Vertragsgrundlage stehen dann lediglich noch die
§§ 631 f. des BGB zur Verfügung, die den Auftraggeber
Umsetzung
in der Regel schlechterstellen als die Bestimmungen
der VOB.
Monitoring

2.5.2 Vorbeugendes Risikomanagement Abb. 2–49 Proaktive Risiko-Strategie

Bauprojekte sind einer Fülle von Einflussfaktoren aus-


gesetzt, die eine wirtschaftliche Erstellung stark Die Einzelrisiken werden in speziellen Projekt-Work-
gefährden können (siehe Abb. 2–48). shops identifiziert und in sogenannten Risikoregistern
zusammengestellt, die nicht mehr als 150 Stück auf-
Herkömmliches Projektmanagement orientiert sich weisen sollten. Die Bewertung erfolgt quantitativ durch
primär an Kennzahlen. Im Gegensatz hierzu können durch Experteneinschätzung, wobei durch Priorisieren (z. B.
ganzheitliches Risikomanagement von Projektbeginn an ABC-Analyse) der Umfang auf wesentliche Management-
die latenten Projektzielabweichungen in die Betrach- schwerpunkte sinnvoll zu reduzieren ist. Im Mittelpunkt

Einflussfaktoren, z. B.

externe interne

PROJEKT (GEPLANT)
– Marktsituation (Dumping) – Baugrund (Findlinge z. B.)
– ausländischer Stararchitekt (Pläne zu spät) – Pilotprojekt (Elektronen-Beschleunigung)
– „organisierte“ Baufirma („Papierflut“) – architektonisch anspruchsvoll: „keine gerade Wand“
– „komplexer“ Bauherr (min. 3-fach-Hierarchie) – Nutzung (Nutzermix)
– schwache Bauleitung (z. B. Alter) – Endtermin (fest)
– schlechter Bauvertrag (Lücken, Fehler etc.) – Projektzeit (kurz!)
– etc. – „parallele“ Planung

Abb. 2–48 Risikofaktoren für Bauprojekte

58
VERTRAGS- UND RISIKOMANAGEMENT

steht die Risiko-Bewältigung durch quantitatives Forderungen wissen. Dies betrifft primär Behinderun-
Chancenmanagement, um adäquate Handlungsalter- gen, die dem Risikobereich des Bauherrn zuzuordnen
nativen für die Projektverantwortlichen aufzuzeigen und sind und letztlich beachtliche Bauzeitennachträge be-
geeignete Strategien gemeinsam umsetzen zu können. dingen, die nicht selten 20 bis 50 % der ursprünglichen
Projektbegleitend ist ein regelmäßiges Risiko-Controlling Auftragssumme als Bauunternehmer-Zielwert haben.
(Basis: Datenbank) mit geeignetem Reporting für die Aber auch technische Nachträge werden regelmäßig mit
strategische Führung der Projekte sinnvoll. Hierbei ist sogenannten Bauzeitenvorbehalten formal in Richtung
insbesondere die schrittweise Risiko-Reduzierung in- Bauzeitverzögerung gestellt. Insbesondere bei termin-
folge von Chancenmanagement zu dokumentieren, um kritischen Projekten führt dies auf Bauherrenseite zu
den Erfolg der beschlossenen Maßnahmen abzubilden. dem Dilemma, dass bei drohenden Projektzeitüber-
schreitungen schnelle Vergütungslösungen mit meist
nachteiligen Ergebnissen eingegangen werden müssen.
2.5.3 Anti-Claim-Management
Das Anti-Claim-Management sollte deshalb über ein
Aufgrund der zunehmenden Komplexität von Bauver- kooperatives Management ergänzt werden. Zeitnah und
trägen haben sich in den letzten Jahrzehnten Bauunter- somit projektbegleitend werden die Vertragsabweichun-
nehmen zunehmend darauf spezialisiert, vertragliche gen kausal dokumentiert, transparent aufbereitet und
Unsicherheiten gezielt auszunutzen. in regelmäßigen Kooperationsgesprächen nachvoll-
ziehbar ausgetauscht. Hierbei sollten berechtigte
Intensive Schulungsangebote von spezialisierten Ansprüche unmittelbar bezahlt werden. Strittige Sach-
Ingenieurbüros und auch eine zunehmend auf 50- verhalte werden auf der Basis von Baufakten mit einer
Prozent-Vorschlägen fußende Rechtsprechung unter- neutralen Instanz in baubetrieblich vertretbaren Risiko-
stützen die Baufirmen in ihren Bestrebungen, bereits bereichen verhandelt und mit geeigneten Methoden
im Stadium der Kalkulation die Vertragsprobleme durch des Konfliktmanagements bei emotionalen Streitig-
Spezialisten aufzudecken und vorab zu bewerten. keiten zeitnah zum Abschluss gebracht.
Identifizierte Nachtragspotenziale werden dazu aus-
genutzt, um gezielte Dumpingpreise am Markt zu
platzieren (Unterwert-Angebote). Durch Claim-Manage-
ment wird bei der Bauausführung über die Durchset-
zung von zahlreichen Nachträgen das Erreichen des Leistungsphase LP 8 Projektnachlaufzeit
Zielbetriebsergebnisses angestrebt.
Ausführung

Die große Zahl von Vertragsänderungen zwingt viele Aufwand

Bauherren unter dem steigenden Kostendruck zu einem


aktiv
gezielten Anti-Claim-Management. Durch formales Nachtragsmanagement

Aushebeln der Forderungen in juristischen und metho-


kooperativer Invest
dischen Schwachstellen der Claims werden schnell
Baustreitigkeiten hervorgerufen, die insbesondere Managementansatz
bei terminlich in Not geratenen Bauherren letztlich
Aufwand
schnelles Einlenken zu unwirtschaftlichen Vergleichen
bewirken (siehe Abb. 2–50). passiv
Anti-Claim-
Management
Ein gezieltes Anti-Claim-Management stellt somit nur Projektnach-
lauf
eine kurzfristige Erfolgsoptimierung dar, da ausführen-
de Firmen um die Zeitauswirkung ihrer behaupteten Abb. 2–50 Mögliche Reduzierung des Claim-Volumens

59
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Eine intelligente Investition in die baubegleitende Die Aussagen zu Terminabläufen werden deshalb
Streitvermeidung mit einem Projektmanagement nach entsprechend dem Planungs- und Baufortschritt umso
partnerschaftlicher Abwicklungsphilosophie ergibt genauer, je näher der Zeitpunkt der Ausführung heran-
grundsätzlich eine deutliche Reduzierung des Claim- gerückt ist (siehe Abb. 2–51).
Volumens.
Aus dieser Erkenntnis resultiert die Forderung, dass ein
Auch wird durch einen aktiven Management-Ansatz praxisorientiertes Terminplanungssystem stufenweise
nach Kooperationskriterien letztlich nicht nur eine aufgebaut sein muss. Dabei müssen die einzelnen
deutliche Reduzierung des Managementaufwandes zur Stufen von der Grobstruktur bis zum Detailplan durch-
Bewältigung der Vertragsänderungen erhalten, sondern gängig sein (siehe Abb. 2–52).
auch eine erhebliche Verringerung des Projektnach-
laufes mit der Möglichkeit der Projektzeiteinhaltung.
Es gilt: Streiten kostet alle Geld. Miteinander zu reden
Rahmenplan
spart allen Beteiligten viel Geld!
Ideen-
phase Planungsphase Realisierungsphase
R1

2.6 Termin- und Kostenstruktur

2.6.1 Terminplanung, Meilensteine Rn

Es liegt auf der Hand, dass Terminaussagen mit zuneh-


Generalnetz Realisierungsphase
mendem Abstand zum Eintritt eines Ereignisses immer
Rohbau mit Raumabschluss
ungenauer werden müssen. Bei der Erstellung der
R1
Ablaufstrukturpläne muss beachtet werden, dass zu Be-
ginn eines Projektes bei Weitem noch nicht alle Details
bekannt sind, die für den Ablauf wichtig sein könnten.

Rn

Genauigkeitsgrad der Terminaussage Steuerungsnetz Rohbau mit Raumabschluss


Aushub und Baugrubenverteilung
groß
R1

mittel

geringer

Zeit (t)
t1
kurzfristig Detailnetz Aushub und Baugrubenverkleidung

t2
mittelfristig t0 =
Zeitpunkt
der Termin-
t3 aussage
langfristig

Abb. 2–51 Genauigkeit der Terminaussagen Abb. 2–52 Stufenweiser Aufbau der Terminplanung

60
TERMIN- UND KOSTENSTRUKTUR

Die für den Projektmanager wichtigsten Pläne sind der zu optimieren. Während die Berechnungsmethoden
Rahmenplan oder Meilensteinplan und die General- als bekannt vorausgesetzt werden, soll hier auf die
netze, die er aus eigener Kenntnis zu einem Zeitpunkt Systematik im Rahmen der Anwendung für das Projekt-
erstellen muss, zu dem die „eingeplanten“ Partner in management näher eingegangen werden.
der Mehrzahl noch gar nicht am Projekt beteiligt sind.
Die Steuerungsnetze können in der Regel gemeinsam Es handelt sich um ein Simulationsmodell, das, wenn
mit den Betroffenen aufgestellt oder zumindest mit es einmal aufgebaut ist, mittels verschiedener Para-
diesen abgestimmt werden. Die Detailnetze werden meter eine Optimierung der Abläufe und ihre ständige
von den entsprechenden Beteiligten aufgestellt, vom Überwachung ermöglicht. Die einzelnen Schritte
Projektmanager geprüft und in komprimierter Form in werden nachfolgend erläutert (siehe Abb. 2–53).
die Steuerungspläne übernommen.
Projektanalyse: Der erste Schritt vor dem Einstieg in
Netzplan als Simulation des geplanten Ablaufs das Simulationsmodell ist eine gründliche Analyse der
Die Netzplantechnik wird in vielen Bereichen als Beteiligten, ihrer Aufgaben und Vorstellungen sowie
Planungsinstrument für Zeitabläufe eingesetzt. der gegebenen Randbedingungen. Diese Analyse der
Während für einfache und lineare Abläufe meist auch notwendigen Vorgänge erfordert prinzipiell folgende
eine einfachere Zeitplanung (Balkenplan) genügt, Fragestellungen:
kann das Projektmanagement aufgrund der komplizier-
ten Zusammenhänge im Gesamtprojekt und der großen – Wer muss welche Aufgabe erfüllen?
Anzahl von Vorgängen und Beteiligten auf dieses – Was muss erledigt werden?
Hilfsmittel überhaupt nicht verzichten. – Wann muss es (spätestens) erledigt sein?
– Wo müssen Kontrollen erfolgen?
Die Netzplantechnik stellt die einzige Möglichkeit dar, – Wie soll die Erledigung erfolgen, und wie soll die
die Zusammenhänge der vielfältigen Strukturen und Kontrolle aussehen?
Einzelvorgänge eindeutig zu beschreiben und den – Warum sind die Zielvorgaben des Projekts
Ablauf in verschiedenen Alternativen zu simulieren und gerade in dieser Richtung definiert? Gibt es
alternative Ansätze?

Besonders eingehend müssen z. B. die Vorstellungen


Projektanalyse und Forderungen des Bauherrn analysiert werden. Die
Zwischenfinanzierung von Bauwerken, beginnend mit
dem Erwerb des Grundstücks und abschließend mit der
Ablaufstrukturplan
Inbetriebnahme, erfordert sehr hohe Aufwendungen.
Der Bauherr wird daher stets bestrebt sein, im Rahmen
Updating in Stufen

Zuordnen von Daten der ihm zur Verfügung stehenden Mittel einen möglichst
kurzen Bauablauf zu erreichen. Diese Kosten der
Zwischenfinanzierung können gemindert werden,
Berechnen von Terminen, Kapazitäten und Kosten
indem z. B. einzelne Bauabschnitte vorzeitig in Betrieb
Kurzfristige Korrekturen
(manuell möglich)

genommen werden.
Erstellen von Terminplänen
Neben der Art des Objekts sind auch die Gegeben-
heiten der Baustelle und die Art der Konstruktion sowie
Abweichungsanalyse Steuerungsmaßnahmen
Art und Umfang des Ausbaus äußerst wichtig. Folgende
Punkte werden u. a. untersucht, ohne einen Anspruch
Abb. 2–53 Netzplantechnik = Simulation des terminlichen Ablaufs auf Vollständigkeit zu erheben:

61
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

– Lage des Bauwerks (z. B. Verkehrsverhältnisse,


Methode Metra-Potenzial-Methode
Zufahrt zur Baustelle, Flächen für Baustellen-
einrichtung und Baustofflagerung) Ablaufstruktur A B C D
– überbaute Flächen, Geschosszahl und m3 umbauter E F
Raum bei Hochbauten G
– Art und Schwierigkeit der Gründung
Zuordnung Anordnungs-
– Möglichkeiten des Anschlusses an zentrale von Daten Vorgang beziehung
Versorgungseinrichtungen (z. B. Fernwärme)
Beschreibung Art, Dauer
Zeitdauer
Kosten
Erst wenn diese „Stoffsammlung“ in ausreichendem Kapazitäten
Umfang durchgeführt ist, sollte mit der Strukturierung
begonnen werden. Abb. 2–54 Metra-Potenzial-Methode

Strukturierung der Abläufe: Der Projektmanager muss


die Interessen aller Beteiligten, die von der Ablauf-
planung erfasst werden, angemessen berücksichtigen, Deshalb sollen beim Aufbau der Ablaufstruktur rea-
um die korrekte Strukturierung der Abläufe zu gewähr- listische Vorstellungen und nicht Wunschdenken im
leisten. Bei einer Missachtung dieser Grundregel ist Vordergrund stehen.
die Bereitschaft zur konstruktiven Mitarbeit bei den
Beteiligten gering. Die Strukturierung der Abläufe erfordert vom Projekt-
manager die größte Erfahrung, muss er doch die Zusam-
Die Ablaufplanung muss ein Instrument sein, das: menhänge der einzelnen Vorgänge und Leistungen ge-
– Reibungsverluste bei der Planung und Ausführung nau kennen, um ein entsprechendes Gerüst aufzubauen
minimiert und und die Abfolge der Vorgänge richtig einzuplanen. Eine
– Planungs- und Ausführungsvorgänge berechenbar Hilfe bieten hierzu vorstrukturierte Standardabläufe für
macht. bestimmte Teilbereiche, die mit entsprechenden

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Vorgang A 10 10 10 10 10
Vorgang B 10 10 10 10
Termine

Vorgang C 20 20 20
Vorgang D 15 15 15 15 15
Vorgang E 10 10 10
Vorgang F 10 10 10 10
Vorgang G 5 5 5
Kapazitäten

30
20
10

Summe 10 10 10 10 10 20 20 20 25 35 35 30 20 15 15 15 15 15

3.000 Zahlung
Kosten

2.000 Leistung
1.000

100 200 300 400 500 700 900 1.100 1.350 1.700 2.050 2.350 2.550 2.700 2.850 3.000 3.150 3.300

Abb. 2–55 Termine, Kapazitäten, Kosten

62
TERMIN- UND KOSTENSTRUKTUR

Beschreibungen versehen eine Art Betriebsanleitung


darstellen. So sind z. B. bei bestimmten Ausführungs- Mitarbeiter
rechnerisch erforderliche
arten auch bestimmte Abfolgen der Gewerke notwendig 30 28 Spitzenkapazität
oder zumindest sinnvoll, unabhängig von der Art des 25
25
Bauvorhabens.
max. verfügbare
20 18 18 18 Spitzenkapazität
Berechnung von Terminen, Kapazitäten und Mittelabfluss
15 14 14 14
Bei der Netzplantechnik werden die einzelnen Leistungen 12
10
gemäß den Ablaufstrukturplänen als Vorgänge definiert 10
und über Anordnungsbeziehungen miteinander verknüpft.
5 3
Jedem Vorgang werden Daten zugeordnet, wie z. B.:
– Vorgangsdauer 0
Jan. Feb. Mär. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Zeit (t)
– Vorgangskosten
– Ressourcen t1
– Organisations-Codes t2

Erstlauf
Die vorgesehene Ablaufstruktur wird mithilfe dieser
nach Kapazitätsausgleich
Daten durchgerechnet, wobei die einzelnen Vorgänge
entsprechend ihren gegenseitigen Abhängigkeiten
über die Zeitachse verteilt werden. Bestimmend für den Abb. 2–56 Terminverschiebung durch Kapazitätenengpässe
Ablauf sind dabei die kritischen Vorgänge (siehe
Abb. 2–54).

Für die Steuerung und Überwachung auf der Ebene der um einen bestimmten Zeitpunkt t1 zu erreichen, eine
mittel- und kurzfristigen Terminplanung ist der Netzplan Spitzenkapazität von 28 Bearbeitern einsetzen müsste.
bei Einsatz einer differenzierten Termin- und Kapazitäts-
planung unverzichtbar. Nun liegt jedoch die maximal verfügbare Kapazität bei
18 Mitarbeitern, eine Diskrepanz, die im Ablaufplan
Ablaufoptimierung mittels Kapazitätsbetrachtungen: gelöst werden muss. Entweder muss die Planungs-
Der Ablauf von Bauprojekten zeigt immer wieder, dass kapazität kurzfristig durch Einschaltung von zusätz-
die Bereitstellung ausreichender Kapazitäten für lichen Büros erhöht werden oder aber es muss eine
Planung und Bauausführung entscheidend für die Ein- Terminneuberechnung unter Berücksichtigung der
haltung der Terminpläne ist (siehe Abb. 2–55). Maximalkapazitäten erfolgen, die dann zu einer Ver-
längerung des Planungsablaufs bis zum Zeitpunkt t2
In vielen Fällen und besonders bei Projekten mit sehr führt. Nicht akzeptabel ist es in diesem Zusammen-
kurzen Terminen wird der Baufortschritt von der Bereit- hang, die an sich erforderlichen Planungsleistungen zu
stellung der Ausführungspläne bestimmt. Eine enge Zu- reduzieren. Die damit erzielte Einhaltung der vorgege-
sammenarbeit mit den Büros, die diese Pläne erstellen, benen Termine wird über Pläne erreicht, die noch nicht
und eine gute Abstimmung der Büros untereinander die erforderliche Planungsreife haben (Vorabzüge).
sind Voraussetzung für die Einhaltung kurzer Fristen. In der Folge treten auf:
Dabei ist es notwendig, die Planlieferung und damit den
Bauablauf auf die vorhandenen bzw. auf die sinnvoll – Qualitätsminderungen
einsetzbaren Kapazitäten abzustimmen. In der – Mehrkosten
Abb. 2–56 ist beispielsweise zu erkennen, dass man, – Zeitverluste

63
2 KLÄRUNG DER ZIELE UND PROJEKTVORBEREITUNG

Kapazitätsausgleich: Jedem Vorgang eines Netzplans Steuerung des Mittelabflusses (Zahlungspläne): Einen
können die erforderlichen Ressourcen als Grundlage für beachtlichen Anteil an den Gesamtkosten eines Bau-
die Kapazitätsplanung zugeordnet werden. vorhabens bilden die Zwischenfinanzierungskosten
(im Normalfall ca. 6 bis 8 % der Herstellkosten).
Aufgabe des Projektmanagements ist es, über entspre-
Mitarbeiter chende Simulationsmodelle ein Optimum an Bauzeit,
60 Baukosten und Ausgabenverlauf zu erreichen. Aufbau-
50 end auf der Terminplanung, kann der Netzplan auch
40 für die Ermittlung des Ausgabenverlaufs eingesetzt
30 werden. Dabei werden dem einzelnen Vorgang die
20 zugehörigen Kosten zugeordnet, wobei der Kostenanfall
10 über die Dauer des Vorgangs als linear angenommen
0 wird (siehe Abb. 2–58a).
Zeit (t)

Abb. 2–57a Kapazitätsspitzen bei Frühstart

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Vorgang A 10 %
Eine Aufsummierung dieser Ressourcen bei einer Früh-
Vorgang B 30 %
star