STARTUP-
ÖKOSYSTEM
REPORT
OSTWESTFALEN-LIPPE
DEZEMBER 2021
 Vorwort
UNTERNEHMERTUM A ls ich vor ein paar Jahren in einem Inter-
view nach Ostwestfalen-Lippe als Grün-
KANN MAN LERNEN
derstandort gefragt wurde, habe ich mir ge-
wünscht, dass die Region ihr „Understatement“
ablegt. Heute ist das Understatement Geschich-
te und die Region ein etablierter Innovations-
VERENA PAUSDER
standort.
Die Hinterland of Things Conference ist nur eines
der sichtbareren Beispiele für die neue Gründer-
kultur. In wenigen Jahren eine Konferenz zu eta-
blieren, die die Tech-Szene und den etablierten
Mittelstand so beispielhaft miteinander verbin-
det, ist Ausdruck davon, was Ostwestfalen-Lippe
ausmacht. Und sie zeigt gleichzeitig den Auftrag
dieser Region.
Verena Pausder
erfolgreiche Gründerin, Unternehmerin und
Autorin und in Bielefeld aufgewachsen

Viele Hidden-Champions stammen von hier, und
der deutsche Mittelstand ist das Rückgrat des
Wohlstands in unserem Land. Doch jetzt geht es
darum, wie wir auch den Wohlstand der Zukunft
sichern, indem wir die nächste Generation er-
folgreicher Gründer:innen aufbauen. Dafür brau-
chen wir Austausch, eine starke Infrastruktur und
Menschen, die den Mut haben, neue Wege zu
gestalten. Hier in Ostwestfalen-Lippe leben viele
Menschen, die aufgrund ihrer beruflichen oder
familiären Situation eng mit der Region verwur-
zelt sind. Ich glaube, dass genau diese Verbun-
denheit, das lokale Engagement und die Boden-
ständigkeit die große Stärke der Region ist.
Ich möchte zwei Themen hervorheben, die mir
besonders am Herzen liegen: Bildung und Fe-
male Founders. Ich setze mich seit Jahren für ein
Bildungssystem ein, das unsere Kinder mit den
Kompetenzen ausstattet, die sie für die Zukunft
brauchen – dazu gehören vor allem die digitale
Bildung und selbstständiges Arbeiten. Dafür soll-
te auch Unternehmertum schon früh in der (Aus-)
Bildung verankert werden, um lösungsorientiertes
und eigenständiges Denken in den Vordergrund
zu stellen und zu zeigen: Unternehmertum kann
man lernen. p
S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 02
 Vorwort

D eshalb ist es auch großartig zu sehen, dass

mit der Founders Foundation eine Initiati-
ve geschaffen wurde, die in den letzten Jahren
über 450 unternehmerische Talente ausgebildet
hat. Für mich ist die Founders Foundation ein
deutschlandweites Vorbild, wie man Innovations-
Die Ergebnisse dieses Startup-Ökosystem Re-
ports, die Hinterland of Things Conference und
die Founders Foundation zeigen: Die Zukunft
wird nicht nur in „Gründungs-Hubs“ wie Berlin,
München oder Hamburg gestaltet. Es sind die
Flächenregionen, die unser Land schon immer

„WIR BRAUCHEN
kultur in Flächenregionen etablieren kann. stark gemacht haben. Ostwestfalen-Lippe macht
vor, wie der Beitrag einer solchen Region zur Zu-
Besonders gefreut hat mich, dass immer mehr kunftsfähigkeit unseres Landes aussehen kann.

AUSTAUSCH, Frauen an den Formaten der Founders Founda-

tion teilnehmen. Denn mit Blick auf Female Foun- Ich freue mich darauf, weiterhin Botschafterin für

EINE STARKE
ders haben wir in Deutschland noch viel zu tun, diese tolle Region sein zu können und wünsche
denn nur 15 % der Gründer hier sind Frauen. Wir Ihnen viel Spaß beim Lesen.
müssen uns mehr engagieren, um mehr Frauen

INFRASTRUKTUR zu ermutigen, selbst zu gründen – auch hier in

Ostwestfalen-Lippe.

UND MENSCHEN,
DIE DEN MUT
VERENA PAUSDER

HABEN, NEUE WEGE

ZU GESTALTEN.“

S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 03
   

STARTUP- INHALT

ÖKOSYSTEM
EINLEITUNG  05

1. ENTWICKLUNG VON STARTUP-ÖKOSYSTEMEN 06

1.1 Einordnung der globalen Startup-Ökonomie 07

REPORT
1.2 Rahmenbedinungen in Ostwestfalen-Lippe 10
1.3 Ökosysteme im internationalen Vergleich 12

2. B2B-FOKUS FÜR STARTUPS IM HERZEN DES

OSTWESTFALEN-LIPPE
DEUTSCHEN MITTELSTANDS 13
2.1 Synergien zweier Welten: Alt trifft Neu 14
DEZEMBER 2021 2.2 Vernetzung als Wachstumstreiber 16
2.3 Herausforderungen der Transformation im Mittelstand 17

3. KAPITALDYNAMIK IN B2B-STARTUP-ÖKOSYSTEMEN 19
3.1 Kapital als Beschleuniger des Wachstums 20
3.2 Entwicklung der Investitionen in Ostwestfalen-Lippe 23
3.3 Mehr Mut zu Unternehmertum 25

4. BESONDERHEITEN EINER FLÄCHENREGION 26

4.1 Charakteristika von Startup-Ökosystemen 27
4.2 Ausbau der Infrastruktur in Ostwestfalen-Lippe 28
4.3 Ein Blick auf die Startup-Community 30

5. S
 TARTUP-POTENZIAL IN EINER DER ERFOLGREICHSTEN
WIRTSCHAFTSREGIONEN DEUTSCHLANDS 33
5.1 Wachstum im Blick: Die Chancen der Region 34
5.2 Ostwestfalen-Lippe: Nukleus des Wandels 37
5.3 Startup Ökosysteme leben von erfolgreichen Gründer:innen 38

ANHANG  39
Unterstützer40
© Dezember 2021 Founders Foundation gGmbH.
Alle Rechte vorbehalten. Quellen  41
Impressum  42

S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 04
  Einleitung  

EINLEITUNG

I n den letzten Jahren hat sich der Begriff

des Ökosystems als zukunftsorientierte
Form der Wertschöpfung etabliert. Statt ab-
grenzendem und isoliertem Handeln gilt es
kollaborativ und offen zu denken. Die speziel-
le Form eines Startup-Ökosystems überträgt
diese Logik: Das Ziel ist es, unternehmerisches
Talent, etablierte Unternehmen, Investoren,
Wissenschaft, Politik und lokale Institutionen
zu fördern, um den Aufbau von Startups zu
begünstigen. Die Aufzählung zeigt: Es bedarf
einem Zusammenspiel in der Orchestrierung
verschiedenster Akteure.
Regionen, in denen dies gelungen ist, gibt es
genug. Das Silicon Valley, Tel Aviv und Städte
Denn auch die Region hat das Potenzial, den
Erfolgsbeispielen zu folgen und ein starkes
Ökosystem aufzubauen. Die Kombination aus
starkem Mittelstand, einer diversen Hoch-
schullandschaft und einem Nukleus erster,
erfolgreicher Start-ups sind als einzigartiger
Modellversuch in einer Flächenregion zu be-
werten. Gleichzeitig und in Abgrenzung zu
den genannten, (inter-)nationalen Benchmarks,
verfügt Ostwestfalen-Lippe nicht über das
eine führende Industriecluster oder die über-
ragende Großstadt. Diese Einschätzung legt
nah, dass zwar die Rahmenbedingungen stim-
men, allerdings zu identifizieren ist, wie der
Aufbau eines Startup-Ökosystems in einer Flä-
chenregion gelingen kann.
Erkenntnissen im Aufbau eines Startup-Öko-
systems und den Erfahrungen eines prakti-
schen Modellversuchs. In der Kombination der
genutzten Quellen wird ein erster Überblick
vermittelt, der in den kommenden Jahren ge-
schärft und ausgebaut wird.
Dafür werden insbesondere drei Faktoren de-
taillierter untersucht, die als essentiell einzu-
schätzen sind:
1. Die Vernetzung disruptiver Geschäftsmo-
delle mit der etablierten Wirtschaft. Gerade
Ostwestfalen-Lippe kann durch den B2B-
Fokus einen „Unfair Advantage“ erzeugen.
I m Kern dieser Ausarbeitung steht die Über-
zeugung, dass der Mut zu Unternehmertum
eine wichtige Säule gesellschaftlichen Wan-
dels darstellt. Gründer:innen und unternehme-
rische Talente bilden einen relevanten Teil des
Fundaments wirtschaftlichen Wachstums. Die-
se gilt es zu fördern und die richtigen Bedin-
gungen zu schaffen. Nur mit gemeinschaftlich
koordinierten Anstrengungen, ganz im Sinne
der Denkweise der Ökosysteme, wird dies ge-
lingen – in Ostwestfalen-Lippe und darüber
hinaus. 

wie Berlin oder München haben sich in den
letzten Jahrzehnten als Erfolgsbeispiele für
den Aufbau von Startup-Ökosystemen etab-
liert. In der gezielteren Untersuchung dieser
fällt auf, dass wiederkehrende Muster auftre-
ten, die es für Ostwestfalen-Lippe abzuleiten
gilt.
M
ethodisch wird dies im Rahmen des
Reports auf der Basis (inter-)nationaler
Studien, den Daten nationaler Benchmarks,
eigener Umfragen und qualitativer Gastbei-
träge vorgenommen. Der Report bietet damit
erstmalig eine Verbindung aus theoretischen
2. Die Attraktion von Wagniskapital, um die
entstandene Dynamik auszubauen.
3. D
 ie Stärkung der lokalen Infrastruktur. Akti-
ve Institutionen, Netzwerkformate und die
Förderung des Austausches multiplizieren
Wachstumspotenziale.

S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 05
1
ENTWICKLUNG VON
STARTUP-ÖKOSYSTEMEN
 1 Entwicklung von Startup-Ökosystemen
1.1 E
 INORDNUNG DER GLOBALEN
STARTUP-ÖKONOMIE
K napp 3 Billionen US-Dollar. Das ist der
Wert der globalen Startup-Ökonomie,
den das Forschungsunternehmen Startup
Genome für das Jahr 2020 ermittelte. Ein
Wert, der dem Bruttoinlandsprodukt einer
G7-Wirtschaft entspricht!
Das beweist: Die globale Startup-Ökonomie
ist längst elementarer Bestandteil der globa-
len Wertschöpfung. Kein Zufall, dass sieben
der zehn wertvollsten Unternehmen weltweit,
gemessen an der Marktkapitalisierung, Tech-
nologieunternehmen sind. Allein vier davon
wurden im US-amerikanischen „Startup-Mek-
ka“, dem Silicon Valley, gegründet.
Marc Andreessen, Gründer einer der führen-
den globalen Wagniskapitalgeber Andrees-
sen Horowitz, beschrieb das Phänomen der
Technologieunternehmen 2011 mit dem Satz:
07 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
Entwicklung von Startup-Ökosystemen 1
„Software is eating the world“. Und daran hat
sich nicht das Geringste geändert. Die Aus-
wirkung kann man in nahezu jedem Bereich
sehen: Finanzen, Versicherungen, Bildung,
Immobilien… Die Liste ist lang und zeigt, dass
die durch Technologie getriebene radikale
Veränderung in Wirtschaft und Gesellschaft
längst kein Hype bzw. kurzfristiger Trend mehr
ist. Startups schaffen Arbeitsplätze, sichern
Wohlstand und fördern Innovationen zur Lö-
sung gesellschaftlicher Probleme.
In diesem Report definieren wir Startups als
»SOFTWARE
Unternehmen, die jünger als zehn Jahre sind,
Umsatz- bzw. Mitarbeiterwachstum planen
und innovativ in ihren Produkten bzw. Ge-
IS EATING
schäftsmodellen sind. Mit dieser Formulierung
folgen wir der Definition des Bundesverbands
Deutsche Startups. p
THE WORLD «
Marc Andreessen
07
 Entwicklung von Startup-Ökosystemen 1

DIE DEMOKRATISIERUNG
DER STARTUP-LANDSCHAFT
Anzahl der Städte in Europa, die ein 20
21
Unicorn hervorgebracht haben.

65
N och vor etlichen Jahren wurde der Be-
griff Startup-Kultur als Inbegriff für das
Geschehen im kalifornischen Silicon Valley
verstanden. Über Jahre hinweg wurde dort
ein Exzellenzcluster führender Investoren, Uni-
versitäten, Institutionen und Unternehmen ge-
benutzen ihn in diesem Report. Er wird etwas
sperrig definiert als „eine dynamische Gruppe
weitgehend unabhängiger Wirtschaftsakteure,
die Produkte oder Dienstleistungen schaffen,
die zusammen eine kohärente Lösung bilden.“
Die Charakterisierung von Regionen, in der viele

41
bildet. Unternehmerische Erfolge und der My-
thos um Persönlichkeiten wie Steve Jobs und
Elon Musk beflügelten diese Entwicklung auf
geradezu magische Weise.
Doch inzwischen erfährt die globale Startup-
Ökonomie eine sukzessive Demokratisierung.
20 Alleine wenn man sich die Entwicklung der so-
erfolgreiche Startups aufgebaut wurden, geht
damit weit über eine regionale Zuordnung hin-
aus. Vielmehr geht es um die Dichte von Akteu-
ren, die gesamtheitlich den Aufbau neuer, inno-
vativer Unternehmen fördern.
Ökosysteme sind jedoch nicht nur im Kontext
von Startups, sondern auch gesamtwirtschaft-

40
20
genannten „Unicorns“ betrachtet (Unterneh-
men, die eine Unternehmensbewertung von
mehr als 1 Mrd. USD erreicht haben): Startup
Genome hat ermittelt, dass mittlerweile über
20
18 65 Städte oder Regionen in Europa ein solches
lich relevant. Die Veränderung der wirtschaftli-
chen Zusammenarbeit, insbesondere getrieben
durch die Digitalisierung, erfordert ein Umden-
ken. Statt Isolierung und Abschottung werden
Kooperation und Austausch zentrale Werte

37
hervorgebracht haben. Global sind es mittler-
20 weile über 170 Ökosysteme, die ein Unicorn
19
hervorgebracht haben. Der Begriff „Ökosys-
tem“ spielt für die Beschreibung dieser globa-
künftiger Wertschöpfung. Disruptive Technolo-
gien und Geschäftsmodelle erfordern das Auf-
lösen von Unternehmensgrenzen, steigern die
Notwendigkeit des Austausches und führen zu

29
len Startup-Kultur eine zentrale Rolle. Auch wir neuen Formen der Wertschöpfung. p

20
16
26 20
17

S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 08
Quelle: Global St ar t up Ecos y s tem Repor t 2021
 1 Entwicklung von Startup-Ökosystemen
Auch wenn Europa im Schatten der Erfolgs-
meldungen aus den USA stand, zeigen sich
mittlerweile auch hier die Auswirkungen einer
gewachsenen Dynamik. Laut Startup Geno-
me wurden allein im Jahr 2020 41 Mrd. USD in
europäische Startups investiert. Die jährliche
Auswertung des Wagniskapitalgebers Atomico
im „State of European Tech Report“ beschreibt
die Dynamik in Europa als „zunehmendes Zu-
sammenspiel zwischen Risikokapital, privatem
Beteiligungskapital und den öffentlichen Märk-
ten, das mehr Möglichkeiten für Fusionen und
Übernahmen, eine starke Pipeline künftiger
Kandidaten für Börsengänge und ein systemati-
sches Recycling erfahrener Talente zum Aufbau
neuer Unternehmensgenerationen schafft.“
Die Aufzählung unterstreicht: Der Aufbau ei-
nes Ökosystems umfasst verschiedene Facet-
ten. Während Regionen wie das Silicon Valley,
Berlin, München, aber auch Städte wie Tel Aviv
oder Stockholm sichtbare Entwicklungsstufen
nachweisen können, ist Ostwestfalen-Lippe
am Anfang dieser Entwicklung.
09 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
Obwohl die Region als starke Wirtschaftsregion
gilt, war die Start-up-Kultur vor Ort bisher we-
nig ausgeprägt. Niedrige Arbeitslosenquoten,
eine kontinuierliche Steigerung des BIP pro
Kopf und ein dynamisches Wirtschaftswachs-
tum belegen jedoch eindrucksvoll, dass die
Startvoraussetzungen zur Gründung von Unter-
nehmen ideal sind. Nicht zuletzt, ist Ostwest-
falen-Lippe Heimat einiger führender, globaler,
mittelständischer Familienunternehmen, wie Dr.
Oetker, Goldbeck, Miele, Melitta, Schüco, Dr.
Wolff etc.
Doch für den Aufbau eines Ökosystems
braucht es mehr als die genannten Faktoren.
Der konstante Zufluss unternehmerischer Ta-
lente, der Zugang zu Wagniskapital, die Ver-
netzung zu Forschung und Wissenschaft und
der enge Austausch innerhalb der verschiede-
nen Akteure in einem Ökosystem sind erfolgs-
kritische Faktoren.
1
LOKALE STÄRKE IM
GLOBALEN KONTEXT
Der Startup-Ökosystem Report Ostwestfalen-
Lippe zeigt den Fortschritt der realen
Entwicklung eines Startup-Ökosystems
in einer Flächenregion.
Hier befindet sich Ostwestfalen-Lippe noch
im Anfangsstadium der Entwicklung. Hinzu
kommt, dass es in der Region an dem über- Startup
ragenden Industriecluster, dem „Hub“, man- Genome
gelt. Beide Faktoren gelten in der Theorie als
Beschleuniger im Aufbau eines Ökosystems.
Da beides in Ostwestfalen-Lippe nicht ausge-
prägt ist, können die Erkenntnisse des Reports
umso mehr als exemplarisch eingeschätzt wer-
den. Die detaillierte Einordnung der Region
wird am Ende dieses Reports dargelegt. 
Deutscher
Startup
Monitor
Startup Monitor NRW
Startup-Ökosystem Report
Ostwestfalen-Lippe
09
 »
1 Entwicklung von Startup-Ökosystemen
STARTUPS SIND PROBLEMLÖ-
SER UND INNOVATIONSTREIBER.
MIT IHREM UMTRIEBIGEN UNTER-
NEHMERGEIST, IHRER AGILITÄT
UND IHREM RIESIGEN DISRUPTI-
Christian Miele VEN POTENZIAL LASSEN SIE AUS
Vorstandsvorsitzender des Bundes-
verbands Deutsche Startups e.V
IDEEN NEUE TECHNOLOGIEN,
AUS INNOVATIONEN NEUE PRO-
DUKTE UND AUS PRODUKTEN NEUE MÄRKTE ENT-
STEHEN. SO SIND SIE EIN INTEGRALER BESTANDTEIL
UND TREIBER IM ENTWICKLUNGS- UND TRANSFOR-
MATIONSPROZESS UNSERER WIRTSCHAFT. NUR MIT
EINEM HOCHENTWICKELTEN STARTUP-ÖKOSYSTEM
KÖNNEN WIR UNSERE WIRTSCHAFT ZUKUNFTSFÄ-
HIG GESTALTEN UND SO UNSEREN WOHLSTAND
ERHALTEN. DAS GILT INSBESONDERE FÜR EINE
STARK MITTELSTÄNDISCH GEPRÄGTE REGION WIE
OSTWESTFALEN-LIPPE. DENN IDEALE RAHMENBE-
DINGUNGEN FÜR STARTUPS KÖNNEN NUR IM BES-
TEN WISSEN UM DIE REGIONALEN GEGEBENHEITEN
ENTSTEHEN, SODASS IDEEN GEFÖRDERT, NETZ-
«
WERKE GEKNÜPFT UND GRÜNDUNGSGEIST FREIGE-
SETZT WERDEN KANN.
10
1.2 R AHMENBEDINGUNGEN
IN OSTWESTFALEN-LIPPE
„Insgesamt zeichnet sich in Deutschland in
den letzten Jahren eine sehr positive Ent-
wicklung des Startup-Ökosystems ab.“ So
beschreibt der Bundesverband Deutsche
Startups den Ausbau der deutschen Startup-
Ökonomie im jährlich erscheinendem Deut-
schen Startup Monitor.
Auch wenn die COVID-19-Pandemie viele
Branchen negativ beeinträchtigt hat, zeigt
sich: Startups sind mittlerweile elementarer
Bestandteil der Unternehmenslandschaft.
Nicht zuletzt ist der Aufstieg von Zalando und
HelloFresh in den DAX ein klares Zeichen
dafür, dass junge Technologieunternehmen
enorme gesellschaftliche und wirtschaftliche
Relevanz haben.
Entwicklung von Startup-Ökosystemen 1
Allerdings ist dieser Aufwärtstrend bisher
maßgeblich an die Entwicklungen in Berlin
und München geknüpft. Um eine weiterhin
positive Weiterentwicklung zu gewährleisten,
wächst die Notwendigkeit, auch über die bei-
den Städte hinaus Startup-Gründungen zu för-
dern. Im Zuge der wachsenden Demokratisie-
rung ist es daher notwendig, in Regionen wie
bspw. Ostwestfalen-Lippe eine Startup-Kultur
zu etablieren.
Trotz der Stärke der Region als dynamischer
und gesund wachsender Wirtschaftsstandort,
waren die Anstrengung zur Etablierung die-
ser bisher wenig ausgeprägt. Erst in den letz-
ten Jahren haben sich Initiativen geformt, die
das Wachstum von Startups ermöglicht und
gefördert haben. p
S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 10
 1 Entwicklung von Startup-Ökosystemen
Der entstandene Nukleus an Gründungsaktivi-
täten hat sich in den letzten Jahren sukzessive
und beachtlich vergrößert. Mittlerweile um-
fasst die Region ca. 120 Startups und einen
kumulierten Wert des Startup-Ökosystems
von ca. 650 Millionen Euro. Diese Messgröße
ist die gängige Kennzahl zur Schaffung einer
internationalen Vergleichbarkeit von Ökosyste-
men. Auch wenn Regionen wie Tel Aviv (ca. 7
Billionen US-Dollar) oder Stockholm aufgrund
ihres Reifegrades einen deutlich höheren Wert
erzielen, zeigen die Aktivitäten in Ostwestfa-
len-Lippe erste messbare Erfolge.
In Kombination mit dem Potenzial gemessen
an der Wirtschaftskraft, lässt sich sagen: Die
ersten Entwicklungsschritte erlauben die Pro-
gnose einer weiterhin positiven Entwicklung
der regionalen Startup-Ökonomie und zeigen,
dass sich die konstanten Investitionen in die
Region auszahlen. Auch wenn diese bisher we-
nig ausgeprägt ist und wenig begünstigende
Standortvorteile bietet.
11 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
DAS ÖKOSYSTEM OSTWESTFALEN-LIPPE
Über die letzten Jahre konnte hier eine dynamische und schnell
wachsende Startup-Kultur etabliert werden.
Angesichts dessen erfordert der Aufbau eines
Ökosystems ein Zusammenspiel verschiedens-
1200
ter Faktoren. Gerade in Ostwestfalen-Lippe ist
die zunehmende Orchestrierung und Synchro-
>
nisierung der einzelnen Aktivitäten essentiell,
um die Anzahl der Gründer:innen, die Perfor- GESCHAFFENE
mance der Startups und den Zugang zu Kapi- ARBEITSPLÄTZE
tal und Wissensaustausch zu fördern.
Im Gegensatz zu Städten wie Berlin und Mün-
chen, ist Ostwestfalen-Lippe eine Flächenre-
gion. Die Nähe und Dichte an Organisationen,
120
Talenten und Aktivitäten erfolgt deshalb deut-
lich dezentraler als in Städten und Metropo-
>
len. Unerlässlich sind regionale Co-Working
Spaces wie das Denkwerk in Herford oder der
Pioneers Club in Bielefeld. Geförderte Projek-
te wie das TecUp und die Garage33 in Pader-
born oder weiterführende Studiengänge wie
der Master in Entrepreneurship an der TH Ost- STARTUPS IN
westfalen-Lippe sind essentiell für die nach- DER REGION
650
haltige Entwicklung der Region. 
MIO €
ÖKOSYSTEM-
WERT
Quelle: Dealroom & jüngs t kommunizier ter E x i t
 1 Entwicklung von Startup-Ökosystemen
1.3 ÖKOSYSTEME IM INTERNATIONALEN VERGLEICH
EIN GASTBEITRAG VON HENNA KARÄNEN
U m ehrlich zu sein: Ich war noch nie in
Bielefeld und bin deshalb auch nicht die
richtige Ansprechpartnerin, wenn es darum
geht, die Dynamik in der Region zu bewerten.
Allerdings weiß ich, dass der Aufbau eines
Startup-Ökosystems sowohl komplex als auch
relevant ist, um Innovationskulturen zu be-
gründen.
Ich sehe dies bei meiner täglichen Arbeit bei
Sting – einem Startup-Accelerator in Stock-
holm. In den letzten Jahren habe ich mich viel
damit beschäftigt, was es heißt, ein funktionie-
rendes Startup-Ökosystem aufzubauen. Denn
Stockholm hat, auch wenn man es auf den
ersten Blick nicht erwartet, eine erfolgreiche
Historie global erfolgreicher Startups: Skype,
Spotify oder Klarna sind da nur die Spitze des
Eisbergs. Zwar helfen diese Beispiele ein Öko-
system aufzubauen, doch sind sie nicht die
alleinigen Erfolgsfaktoren.
Ein Ökosystem ist für mich ein Modell, das
zwei Aspekte vereint: Das Engagement ver-
*Quelle: Startup Genome
12 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
schiedener Akteure, aber auch die Zusam-
menarbeit zwischen ihnen. Bleibt man im
Startup-Kontext, sind bspw. Venture Capital
Fonds, Business Angels, Universitäten, Unter-
nehmer:innen und größere Unternehmen Teil
dieses Ökosystems. Echter Mehrwert entsteht
jedoch erst dann, wenn diese Akteure effektiv
miteinander kollaborieren, um Synergieeffekte
zu erzeugen. Und genau dies ist die Chance
und Herausforderung.
Auch wenn ich Ostwestfalen-Lippe nicht im
Detail kenne, lassen sich sicher einige Eigen-
schaften von Stockholm in die Region über-
tragen. Zum Beispiel glaube ich, dass der
vergleichbar kleine schwedische Markt (im
Vergleich zum Silicon Valley oder Tel Aviv) ei-
STOCKHOLM GEHÖRT
ZU DEN TOP 20 STARTUP-
ÖKOSYSTEMEN GLOBAL
MIT EINEM WERT VON
ÜBER 46 MRD. USD*
ner unserer Erfolgsfaktoren ist. Das zwingt die
Unternehmer:innen dazu, von Beginn an groß
und international zu denken, da der Heimat-
markt schlichtweg zu klein ist. Auf der anderen
Seite bietet er genügend Möglichkeiten, ers-
te Kunden für die eigene Ideen zu gewinnen.
Eine perfekte Kombination.
D
arüber hinaus glaube ich an die Rolle von
Vorbildern. Ein paar der erfolgreichsten
Unternehmen aus Stockholm habe ich schon
genannt, doch die Liste könnte man auch über
verschiedenste Branchen erweitern. Es spricht
für Stockholm, dass hier gleichermaßen er-
folgreiche B2B- und B2C-Modelle hervorge-
bracht wurden. Diese Vielfalt hat zur Konse-
quenz, dass in der Region mittlerweile ein sehr
breiter Fundus an Wissen entstanden ist, der
nun das Wachstum beschleunigt. Für mich die
Überleitung zu einer weiteren relevanten Kom-
ponente: Eine eng vernetzte lokale Communi-
ty, die inzwischen mehrere Generationen von
Gründer:innen umfasst und die ihre Expertise
in das Ökosystem zurückzahlen.
Unsere Arbeit in Stockholm zeigt mir, dass es
nicht das „eine“ Erfolgsrezept für den Aufbau
erfolgreicher Startup-Ökosysteme gibt und
gute Startup-Voraussetzungen das Wachstum
zwar beschleunigen können, aber auch nicht
alleine ausschlaggebend für den Erfolg sind.
Vielmehr ist es der Anspruch und die Bereit-
schaft zum Zusammenwirken aller Akteure,
was das Herzstück funktionierender Ökosyste-
me ausmacht. Und dies kann in Ostwestfalen-
Lippe genauso wie in Stockholm funktionie-
ren. 
Henna Keränen
Head of Strategic
Partnerships & Community
des schwedischen
Accelerators Sting und
Ecosystem Hero of the Year
des Jahres 2020 & 2021
in Schweden
2 B2B-FOKUS FÜR
STARTUPS IM HERZEN
DES DEUTSCHEN
MITTELSTANDS
 2 B2B-Fokus für Startups im Herzen des deutschen Mittelstands
2.1 S YNERGIEN ZWEIER WELTEN:
ALT TRIFFT NEU
S trategischer Erfolgsfaktor funktionieren-
der Startup-Ökosysteme ist ein hoher
Grad der Vernetzung zwischen etablierten
Unternehmen und aufkommenden Startups.
Insbesondere die Investitionen in eine Bran-
chenspezialisierung entfachen laut Startup
Genome überproportionales Wachstumspo-
tenzial eines Ökosystems. Ostwestfalen-Lippe
ist bekannt für seine Familienunternehmen
und Weltmarktführer. Führende globale Unter-
nehmen sind hier in der Region ansässig und
dies teilweise seit mehreren Generationen. Es
scheint fast, als hätte Hermann Simon 1990
den Begriff „Hidden Champions“ speziell für
diese Region entwickelt: Unternehmen, die
in der breiten Masse zwar unbekannt, aber
Weltmarktführer in ihrem Marktsegment sind.
Gleichzeitig beheimatet die Region eben auch
einige global führende Marken wie Dr. Oetker,
Miele oder Melitta.
14 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
B2B-Fokus für Startups im Herzen des deutschen Mittelstands 2
OSTWESTFALEN-LIPPE HAT EINE B2B-DNA
85 % der Startups, die in der Region gegründet werden,
sind B2B-Geschäf tsmodelle.
Zusammengefasst ist festzustellen, dass in der
Region viele der führenden, häufig global agie-
renden und zumeist familien-geführten Unter-
nehmen sitzen, die primär im B2B-Segment
tätig sind. B2B meint Geschäftsbeziehungen
von „Business to Business“. Durch dieses starke
Rückgrat verzeichnet Ostwestfalen-Lippe seit
Jahren eine niedrige Arbeitslosenquote, eine
Deutschland Nordrhein-Westfalen
kontinuierliche Steigerung des BIP pro Kopf und
ein dynamisches Wirtschaftswachstum.
Allerdings besitzt die Region weder das eine über-
ragende Branchencluster, noch eine B2C
zentrale Großstadt, in der sich Aktivitäten bündeln.
Es zeigt sich eine breite Diversifikation der Un-
ternehmenslandschaft: Industrie, Maschinen-
B2B
bau, Konsumgüter, Food, Textil, Möbelindust-
rie – die Liste ist vielfältig. Dennoch teilen alle
aufgezählten Branchen die Herausforderung
der Digitalisierung ihrer gesamten Wertschöp-
fungskette. p 85 %
B2B
B2C
Ostwestfalen-Lippe Sonstige
14
Quellen: Deu t s c her St ar t up Moni tor 2021 | N R W St ar t up Moni tor 2020 | Dealroom
 B2B-Fokus für Startups im Herzen des deutschen Mittelstands 2

SAAS ÜBERRAGT
50 % der Geschäf tsmodelle der Startups in Ostwestfalen-Lippe
sind SaaS-Modelle, gefolgt von Plattformen und E-Commerce.

IT-Prozesse, Geschäftsmodelle, aber auch Ar- le liegen. Die Kooperation zwischen Startups
Analoge 4 % beits- und Organisationskulturen haben sich und Mittelstand könne ausgebaut werden,
8,5 %
Dienstleistungen
in den vergangenen Jahren extrem gewandelt genauso wie der Marktzugang erleichtert wer-
12 % und werden dies auch weiterhin tun. Diese den, um den „Unfair Advantage“ der Region
Kombination bietet die ideale Voraussetzung, weiter auszubauen. Die Wahrnehmung eines
Sonstiges 26,4 % um als Modellversuch für die Entwicklung steigenden Vernetzungsdrangs ist positiv ein-
eines B2B-orientierten Startup-Ökosystems in zuschätzen.

F
einer Flächenregion zu fungieren.
est steht: Um die Auswirkungen der digi-
In Ostwestfalen-Lippe zeigen sich die Erfol- talen Transformation für das eigene Unter-
50 % ge der Initiativen für den Aufbau genau die- nehmen proaktiv zu gestalten, bedarf es einer
SaaS 26,5 % ses Ökosystems nach und nach. Mit einem verstärkten Kooperation zwischen etablierten
Anteil von 85 % der Startups, die im Bereich Strukturen und innovativen Ansätzen. Die wirt-
B2B agieren, überträgt sich die Mentalität der schaftlichen, politischen und infrastrukturel-
Region auch auf die Neugründungen. Insbe- len Gegebenheiten müssen weiterentwickelt
sondere der Trend zu den Geschäftsmodellen werden, um ein nachhaltiges Ökosystem zu
Online-
15,6 % Software-as-a-Service und Plattformen zeigt, formen. Konkret braucht es die stärkere Öff-
Plattform 15 % dass längst auch hier an den Geschäftsmo- nung etablierter Unternehmen: In der Bereit-
dellen der Zukunft gearbeitet wird. Während stellung finanzieller Mittel sowie im Wissens-
Software- die Gründungskultur vor einigen Jahren noch transfer. Nur so kann die Zahl technologisch
entwicklung 11,5 %
stark von analogen Existenzgründungen be- getriebener Geschäftsmodelle wachsen und
15 % stimmt war, entstehen nun vermehrt skalierba- der Marktzugang dieser schrittweise verein-
Online-Handel 10,1 % re, digitale Lösungen. facht werden. Denkbar sind eine stärkere Ak-
tivierung des Corporate Venture Capitals, die
Online Netzwerk 1,5 % 4 % Eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter Steigerung der Formate zur Vernetzung und
den Gründer:innen in der Region zeigt, dass in politische Anreizsysteme. 
dem Bereich der Vernetzung weitere Potenzia-
Deutschland Ostwestfalen-Lippe

S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 15
Quellen: Deu t s c her St ar t up Moni tor 2021 | Dealroom
 2 B2B-Fokus für Startups im Herzen des deutschen Mittelstands
2.2 VERNETZUNG ALS WACHSTUMSTREIBER
D eutschlandweit liegt der Anteil an Start-
ups, die mit etablierten Unternehmen
kooperieren, im Jahr 2021 bei 65,3 %. Dies be-
legt der Deutsche Startup Monitor 2021 und
unterstreicht damit den Trend der Zusammen-
arbeit in offenen Ökosystemen.
Die Vernetzung ermöglicht beidseitig Potenzia-
le: Etablierte Unternehmen schaffen Möglich-
keiten für neue bzw. wachsende Wertströme
und profitieren direkt von technologischen und
kulturellen Innovationen. Startups verbessern
ihre Situation am Markt, indem sie Ressourcen
und Infrastruktur gewachsener Organisationen
für beschleunigtes Wachstum nutzen.
Dies ist längst kein Trend einer Nische mehr:
In den Auswirkungen, die die Zukunftsinstitut
GmbH in Frankfurt a. M. aus den zwölf Mega-
trends unserer Zeit ableitet, fallen Begriffe
wie Co-Working, Coopetition oder Open In-
novation ins Auge. Sie implizieren einen ak-
tiven Austausch und eine tiefere Vernetzung
16 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
verschiedener Akteure. So ist anzunehmen,
dass die Isolation unterschiedlicher Segmente,
Branchen oder Unternehmen zunehmend auf-
gebrochen wird, nicht nur um Wertschöpfung
zu beschleunigen, sondern auch um gesell-
schaftliche, demographische und ökologische
Fragestellungen effizienter zu lösen.
Daraus lässt sich klar ableiten: Zentraler
Treiber der Entwicklung eines Startup-Öko-
systems ist die Intensität der Vernetzung
verschiedener Akteure – insbesondere mit
der Startup-Welt, die neue Impulse kreiert.
Verschiedene Initiativen fördern diesen Aus-
tausch: Das Förderprogramm „Open Innova-
tion City“ steht für die Übertragung des Prin-
zips „Open Innovation“ auf Städte. Der Verein
„OWL Maschinenbau“ versteht sich als Netz-
werk für den Aufbau einer dynamischen Ko-
operationskultur aus dem Maschinenbau he-
raus. Beide Projekte sind nur ein Querschnitt
der Vielfalt in Ostwestfalen-Lippe. Und sie
trägt Früchte: 81 % der Gründer:innen in
B2B-Fokus für Startups im Herzen des deutschen Mittelstands 2
EIN EINZIGARTIGES
ÖKOSYSTEM?
Eine Umfrage unter den Gründer:innen in der
Region zeigt, dass die proaktive Vernetzung
in der Region Ostwestfalen-Lippe als positiv
wahrgenommen wird.
OSTWESTFALEN-
Ostwestfalen-Lippe schätzen die Vernetzung
als einzigartig ein. LIPPE SCHAFFT
Die Zeit hat uns gezeigt: Eingeschränkte DURCH DIE
VERNETZUNG
persönliche Begegnungen schmälern die
Notwendigkeit des Austausches nicht. Die
vergangenen Monate machten deutlich: Ge-
meinsame Nutzung bestehender Ressourcen
ZWISCHEN
multipliziert Wissen, Erfahrungen und gegen-
seitiges Verständnis. Einhergehend mit der Va-
MITTELSTAND
lidierung des B2B-Fokus der Region, zeichnet
sich so ein „Unfair Advantage“ für Ostwestfa-
UND STARTUPS
len-Lippe ab. Ähnlich wie es der Technologie- EIN EINZIGARTIGES
fokus im Silicon Valley oder die Konzentration
auf Cybersecurity-Lösungen in Tel Aviv ist, ÖKOSYSTEM.
kann Ostwestfalen-Lippe durch die Digitalisie-
rung der Wertschöpfungsketten im B2B-Be-
reich eine marktführene Spezialisierung errei-
chen – sofern die Vernetzung der Old- und der
New-Economy gelingt. 
81%
S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 16
Quelle: Eigene Umf r age
 2 B2B-Fokus für Startups im Herzen des deutschen Mittelstands
2.3 HERAUSFORDERUNGEN DER TRANSFORMATION IM MITTELSTAND
EIN GASTBEITRAG VON DR. STEFAN SCHOLLE
V iele etablierte Unternehmen stehen vor
den gleichen strategischen Herausforde-
rungen: Wie kann die Weiterentwicklung und
Transformation des bestehenden Geschäftes
bewältigt und parallel auch disruptives in-
novatives Wachstum forciert und ermöglicht
werden, ohne, dass dabei der Kern und die
Schlagkraft tradierter Geschäftsmodelle mit-
samt funktionierender Prozesse verloren geht?
Meistens wird dieser Spagat im Business Jar-
gon in Metaphern beschrieben: Etablierte
Unternehmen/Konzerne sein wie große „Tan-
ker“ auf dem Ozean, die zwar langsam, aber
stetig auf ihrem Kurs fahren. Daneben gibt
es die Schnellboote. Kleinere Einheiten oder
Start-ups, die deutlich schneller und agiler
neue Routen finden. Die Message dahinter
ist eindeutig zweideutig: Junge, innovative
Unternehmen „überholen“ die etablierten
Unternehmen. Diese sind allein aufgrund Ihrer
Größe bereits zu träge, zu langsam zu starr.
Vermutlich ist an diesem Vergleich sogar et-
was Wahres dran, denn ich sehe in der Praxis,
*Quelle: Deutscher Startup Monitor 2021
17 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
dass Unternehmen trotz ihrer Gründerphase
im Zeitablauf getragen vom Wachstumserfolg
quasi verlernt haben rechtzeitig neue Richtun-
gen einzuschlagen, Es ist für eine nachhalti-
ge Geschäftsentwicklung erforderlich, mutig
immer wieder die richtigen Entscheidungen
zu treffen! Wandel findet in immer kürzeren
Entscheidungszyklen statt und erfordert die
gesteigerte Bereitschaft zur Korrektur eige-
ner Entscheidungen der Vergangenheit, falls
sich diese als falsch oder unwirksam erweisen.
In gewachsenen Organisationen fällt dies im
Vergleich zu Start-ups oft schwer. Die Gefahr
ist dann, dass sich ein Unternehmen in einem
dynamischen VUCA-Kontext nicht mehr er-
folgreich anpassen kann oder im Extrem den
eigenen Niedergang durchsteuert.
Allerdings ist das skizzierte Bild des Schnell-
boots und Tankers nicht vollständig. Unter-
nehmen heutzutage sind zu vielschichtig und
komplex, um sie lediglich als „Tanker“ und
„Schnellboote“ zu klassifizieren. Es erfordert
einen differenzierteren Blick auf Unterneh-
mensstrukturen, einzelne Organisationseinhei-
ten und die Zusammenhänge.
Übersetzen wir das in neue Metaphern: Für
mich gibt es eben nicht nur die „Tanker“ und
„Schnellboote“. Ich sehe bspw. auch die Da-
seinsberechtigung von Kayaks: Wendige, da-
für kleine, Einheiten, die schnell neue Routen
testen. Daneben gibt es die Ruderboote – be-
setzt mit größeren Teams, die unabhängig ne-
ben den „Tankern“ agieren. Unternehmen digi-
tal zu transformieren, heißt ein tiefgreifendes
Verständnis der Kundenbedürfnisse, Prozesse,
Produkte und der eigenen Kultur mit diversen
Initiativen zu schaffen. Von Geheimmanövern
mit U-Booten ganz zu schweigen.
S
ie sehen, worauf ich hinauswill: in Öko-
systemen erfolgreich Unternehmen mana-
gen, ist komplex und fordert ein umfangreiches
Steuerungsdenken. Kernaufgabe ist es, die Power
einer gesamten Flotte zu synchronisieren. Denn
wenn die verschiedenen Tätigkeiten und Rollen
richtig orchestriert werden, entstehen Synergie-
effekte. Doch dafür braucht es in erster Linie den
Mut und die Bereitschaft, „neue“ Schiffe aufzu-
setzen. Bei Melitta haben wir dies in den letzten
65,3 % DER STARTUPS
KOOPERIEREN
MIT ETABLIERTEN
UNTERNEHMEN.*
Jahren gelernt. Mit knapp 1,9 Mrd. EUR Umsatz
und über 6.000 Mitarbeitenden sind wir mit den
Veränderungen von Wirtschaft und Gesellschaft
global konfrontiert. Um diesen zu begegnen und
uns zukunftsfähig aufzustellen, haben wir strategi-
sche Anpassungen eingeleitet: Angefangen bei
der Professionalisierung unseres Corporate De-
velopments über den Aufbau des Digital Trans-
formation Teams, das die Innovationsfähigkeit der
Kernorganisation fördert, haben wir Instrumente
für die Veränderungsprozesse geschaffen. p
 2 B2B-Fokus für Startups im Herzen des deutschen Mittelstands

N eben der Erweiterung der Kerngeschäf-

te, auf die die genannten Maßnahmen
einzahlen, gilt es,
on muss Offenheit zum neuen Gebot werden.
Statt Ausschluss gilt es Ökosysteme zu bilden,
Vernetzung zu fördern
Wert, den das eigene Produkt dem Kunden
bringt. Daraus ergeben sich dann neue Wege,
die im Sinne der Ökosystem-Logik koopera-
nehmer, jeder Teilnehmerin exponentiell. Sich
zu öffnen, kann eine Chance sein, die wir bei
Melitta angefangen haben zu nutzen. Auch
auch neue Märk- und Austausch zu le- tiv bestritten werden können. Ich glaube, hier wenn dies situativ Chaos fördert und teilweise
te zu erschließen. „ IN DER DIGITALEN ben. Wertschöpfung haben Startups einen entscheidenden Vorteil: unangenehme Veränderungsprozesse in Gang

TRANSFORMATION
Aus diesem Grund darf kollaborativer ge- Sie starten beim Kern des Kundenbedürfnis- setzt – am Ende überwiegen die Chancen und
haben wir u.a. die dacht werden. ses und haben eben keine verkrusteten Struk- die Kraft einer gemeinsamen Vision.
Melitta 10X, einen
Inkubator für neue MUSS OFFENHEIT So verschiebt sich
turen. Und genau hier liegt der größte Mehr-
wert der Zusammenarbeit: Zurück zu finden Und dies sollte doch, egal ob Mittelstand oder
Geschäftsfelder
und -modelle, in
ZUM GEBOT allerdings auch die
Definition von Wert-
zu einer kundenzentrierten Denkweise. In der
ganzen Debatte um Wandel und Transforma-
Startup, unser angestrebtes Ziel sein. 

Berlin gestartet. Pa-

rallel bauen wir mit
WERDEN. “ schöpfung. Schauen wir
zurück: Früher haben
Akquisitionen wie wir Kunden anhand de-
dem Unternehmen Roastmarket strategische mographischer Faktoren eingeordnet: Alter,
Zukunftsoptionen auf – ganz im Sinne des um- Geschlecht, Herkunft. Irgendwann erfolgte die
fangreichen Steuerungsdenkens Weiterentwicklung zur Charakterisierung des
Lebensstils. Heute haben wir, auch dank Tech-
tion kommen wir unweigerlich zu der Frage:
Was heißt Unternehmertum heute? Fest steht:
Es geht darum, Produkte und Dienstleistun-
gen zu schaffen, die für unseren Kunden einen
Mehrwert schaffen – nur, dass sich das Ver-
ständnis und die Art und Weise verändert ha-
ben.

Aus den Erfahrungen der letzten Jahre sehe
ich jedoch nicht die Komplexität als größte He-
rausforderung an. Ich glaube, dass vor allem
der kulturelle Wandel herausfordernd ist. Über
die letzten Jahrzehnte haben die Unterneh-
men geschlossen agiert: Geschlossene Wert-
schöpfungsketten, hohe Eintrittshürden und
Kommunikationsbarrieren prägten Unterneh-
menskulturen. Nun haben sich die Gegeben-
heiten verändert. In der digitalen Transformati-
nologie, die Möglichkeit, die Bedürfnisse der
Kunden holistisch zu verstehen: Was ist der
wirkliche Grund, warum Kunden unser Produkt
nutzen? Welchen Sinn stiftet dies?
Mit diesem neuen Verständnis wächst auch
die Notwendigkeit, die Daseinsberechtigung,
den „Purpose“ des eigenen Unternehmens
neu zu verstehen. Dies eben nicht mehr an bis-
herige Produkte zu knüpfen, sondern an den
D
afür können wir aus der ganzen Welt ler-
nen. Das Silicon Valley, aber auch Stand-
orte wie Shenzen in China oder Tel Aviv, sind
Dr. Stefan Scholle
unfassbare Wissensquellen, von den wir noch Managing Director Melitta
Group / Melitta Corporate
zu wenig wissen. Dafür braucht es eine inten- Ventures, Start-Ups and
sivere Vernetzung. Umso mehr freue ich mich, M&A und Board Member
des Start-Ups Roastmarket.
dass wir auch in OWL, unserer Heimat, an-
fangen, diese Mentalität stärker zu leben. Der
Wert eines Netzwerks steigt mit jedem Teil-

18 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
3 KAPITALDYNAMIK
IN B2B-STARTUP-​​
ÖKOSYSTEMEN
 3 Kapitaldynamik in B2B-Startup-Ökosystemen

EUROPA AUF DEM VORMARSCH

Anteil aufkommender, frühphasiger Ökosysteme der
Kontinente zur Grundgesamtheit aller Ökosysteme

3.1 K APITAL ALS BESCHLEUNIGER

37 %
DES WACHSTUMS

D ie Startup-Szene ist in den letzten Jahren

beträchtlich gewachsen. Ein entscheiden-
der Faktor dafür ist die signifikante Steigerung
Die Aussage ist klar: Der Zufluss von Kapital
in die Startup-Ökonomie wächst. Auch wenn
häufig kritisiert wird, dass diese im Vergleich zu
30 %
der Investitionen in die Startup-Ökonomie – den USA oder China noch gering und die regu-
global, national als auch regional in Ostwestfa- latorischen Hürden, gerade in Deutschland, zu
len-Lippe. groß sind. Dennoch hilft die Entwicklung, ver-
stärkt erfolgreiche Startups „made in Europe“ zu
Der „State of European Tech“ Report des Wag- finanzieren. Zudem weist Europa laut Startup
19 %
 
niskapitalgebers Atomico in Kooperation mit Genome im internationalen Vergleich die
Slush und Dealroom hat ermittelt, dass alleine höchste Anzahl aufkommender, frühphasiger
2020 knapp 41 Mrd. USD in europäische Start- Startup-Ökosysteme auf.
ups investiert wurden. Auf deutsche Unterneh-
men entfiel ein Anteil von ca. 13 %. Dass diese Von dieser Entwicklung profitiert Ostwest-
Entwicklung anhält, zeigen jüngste Meldun- falen-Lippe. Auch wenn das Ökosystem noch
gen: Das französische Startup Sorare hat die nicht mit global führenden Akteuren konkur-
größte Serie B-Finanzierungsrunde in Europa rieren kann, ist die wachsende Kapitaldynamik
abgeschlossen. Das deutsche Startup Celonis auch hier wesentlich. Nicht zuletzt beweisen
4 %   5 %
ist das erste deutsche Decacorn – ein Startup
mit über 10 Mrd. EUR Bewertung. Auch die
dies die steigenden Investitionen in die Start-
ups der Region.  2 % 3 %
Anzahl der Wagniskapitalgeber sowie die Vo-
lumen der Fonds steigen sukzessive an. Infla- EN
NI IK A N A E IN - EN R D - O PA
tion und das niedrige Zinsniveau sind weitere, OZ E A A FR M E T
L A IK A A SI NO IK A EU R
ER ER
externe Beschleuniger. AM AM

20 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
Quelle: Global St ar t up Ecos y s tem Repor t 2021
 3 Kapitaldynamik in B2B-Startup-Ökosystemen
VERÄNDERUNGEN DER
DEUTSCHEN STARTUP-ÖKONOMIE
EIN GASTBEITRAG VON FLORIAN HEINEMANN
D ie Kapitaldynamik der globalen Startup-
Ökonomie hat in den letzten Jahren sig-
nifikant zugenommen. Kontinuierlich wachsen-
de Finanzierungsrunden, höhere Bewertungen
und größere Fonds-Volumen sind Ergebnis
einer begünstigenden Niedrigzinspolitik, star-
ker Wertentwicklung und dem fortschreiten-
den technologischen Wandel.
Davon profitiert auch das nationale Ökosys-
tem, denn der Standort Deutschland bietet
mittlerweile eine gute Substanz für Grün-
der:innen. Der Wert, den erste Startups wie
Zalando geschaffen haben, wurde reinvestiert.
Ehemalige Mitarbeiter:innen sind der Branche
treu geblieben oder haben selbst gegründet.
Auch Universitäten, etablierte Konzerne, Inku-
batoren und weitere startup-nahe Institutio-
nen fördern den Aufbau disruptiver Geschäfts-
modelle durch erhöhte Investitionsvolumina.
Konsequenz dessen ist eine positive Aufwärts-
spirale des Wachstums, die mittlerweile auch
21 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
KAPITALDYNAMIK IN EUROPA NIMMT ZU
Das Investitionsvolumen in europäische Startups
steigt seit Jahren konstant an.
, 6 41D,1. $
0
4 .$ MR
MRD
von internationalen Investor:innen wahr-
genommen wird. Ich sehe darin eine große
Chance. Gleichzeitig müssen wir konstatieren,
dass wir die Entwicklungslücke zu den USA
26D,.7$
noch nicht geschlossen haben. Hier dürfen
und müssen wir schneller werden, wenn wir
die europäische Wettbewerbsfähigkeit erhal- MR
ten wollen. Dies ist allerdings nicht alleinige
Aufgabe der Hubs Berlin oder München. Viel- 2,
2 .$8
MRD
mehr geht es darum, flächendeckend die not-
wendigen politischen und infrastrukturellen
Rahmenbedingungen zu schaffen, um bun-
6 , 5
1 D. $
des- und europaweit unternehmerische Inno-
MR
vationen zu fördern.
Als Investor sehen wir diese regionale Demo-
kratisierung seit einiger Zeit. Die überpropor-
tionale Erhöhung der Nachfrage um Assets
senkt die durchschnittlichen Renditen. Dies
zwingt Investoren verstärkt dazu, abseits be-
reits etablierter Märkte und Kanäle zu agieren
– insbesondere auch regional betrachtet.  p 6 7 8 9 0
201 201 201 201 20 2
Quelle: Global St ar t up Ecos y s tem Repor t 2021
 3 Kapitaldynamik in B2B-Startup-Ökosystemen
D ie zweite Ebene der Veränderung der
Arbeit als Investor ist kultureller Natur.
Gerade in Deutschland ist es für Unterneh-
men üblich, den Pfad profitablen Wachstums
anzustreben. Das klassische Investment eines
VC-Fonds verfolgt jedoch einen anderen
Entwicklungspfad. Auf Kosten der initialen
Profitabilität und im Austausch mit Unterneh-
mensanteilen wird Kapital für beschleunig-
tes Wachstum bereitgestellt. Für Investoren
gilt es deshalb, das kulturelle Verständnis für
eben diesen Pfad zu schaffen. Auch wenn ich
die deutsche Bodenständigkeit sehr schätze,
braucht es mehr mutige Unternehmer:innen,
die die Absicht haben, globale Player aufzu-
bauen.
Das Unternehmen UiPath ist dafür ein gutes
Beispiel. Mit Sitz in Bukarest war das rumäni-
sche Startup zwischenzeitlich das wertvollste
Unternehmen des amerikanischen NASDAQs.
Auch wenn UiPath heute international auf-
gestellt ist, profitiert der Standort Bukarest
enorm. Ähnlich des Effekts, den Zalando in
Berlin erzielt hat, ist auch der Erfolg von Ui-
Path Initiator des Wachstums des dortigen
Startup-Ökosystems.
22 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
Kapitaldynamik in B2B-Startup-Ökosystemen 3
„ SÄMTLICHE
WERTSCHÖPFUNGSKETTEN,
Solche Positivbeispiele machen Hoffnung,
wenngleich ich nicht glaube, dass dies in jeder
Region möglich sein wird. Denn dafür bedarf
denen B2B-Unter-
nehmen miteinan-
der interagieren, IN DENEN B2B-UNTERNEHMEN
es eben nicht nur innovativer Ideen, sondern
auch der wirtschaftlichen, politischen, sozialen
müssen schlicht-
weg digitaler wer-
MITEINANDER INTERAGIEREN,
und ökologischen Voraussetzungen. Zwar sind
diese nicht genau zu beziffern und abhängig
den.
MÜSSEN SCHLICHTWEG
von verschiedensten Faktoren, doch ist eine
kritische Masse an Talenten, Kapital und Un-
Die Verbindung
aus wachsender
DIGITALER WERDEN. “
ternehmen essentiell für die Entfaltung einer Kapitaldynamik,
Startup-Kultur, die wir zweifelsfrei brauchen, regionaler Demokratisierung und B2B-Affinität
wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen. ist aus meiner Sicht ideal, um das Wachstum
D
der deutschen Startup-Ökonomie, auch relativ
afür sehe ich insbesondere im Um- betrachtet, zu beschleunigen. Dafür bedarf es
feld von B2B-Geschäftsmodellen in allerdings die nötigen Rahmenbedingungen,
Deutschland und Europa enormes Potenzial. die die Kollaboration zwischen Wissenschaft,
Die fortschreitende Digitalisierung der Wert- Talenten, Startups und etablierten Unterneh-
schöpfungsketten, insbesondere in der mittel- men ermöglichen, zu schaffen.
ständisch geprägten Industrie, bietet Nährbo-
den für den nachhaltigen Aufbau disruptiver
Geschäftsmodelle. Bereiche, die ich persön-
lich als interessant erachte, sind u. a. eine di-
gitale Prozesstransparenz, die intelligente
Nutzung von bspw. Produktionsdaten, B2B-
Commerce-Modelle oder sog. „Developer Florian Heinemann
Mitgründer & Partner des
Tools“, die die Effizienz von Programmierern Venture Capital Fonds
Project A in Berlin
steigern. Sämtliche Wertschöpfungsketten, in
S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 22
 3 Kapitaldynamik in B2B-Startup-Ökosystemen

BIELEFELD UND PADERBORN UNTER DEN TOP-STÄDTEN IN NRW

Anzahl finanzierter Startups in 2020 je 100.000 Einwohner
nach Kreisen und kreisfreien Städten in NRW

3.2 E
 NTWICKLUNG DER INVESTITIONEN Düsseldorf 6,0
IN OSTWESTFALEN-LIPPE Köln 5,3
3,1
D
Städteregion Aachen
ie Bereitschaft zu Investitionen in die Allerdings greift diese Bewertung der Kapital-
Startup-Ökonomie ist in den letzten Jah- dynamik zu kurz. Da sich die Tätigkeiten zum
ren nachweislich gestiegen. Sowohl national Aufbau des hiesigen Ökosystems primär auf Bonn 3,0
als auch regional zeigen die vergangenen Jah- die letzten Jahre beziehen, sind eine Vielzahl

2,7
OWL
re einen sukzessiven Anstieg. Die Einschätzun- der Startups in der Region sehr frühphasig. Bielefeld
gen von Florian Heinemann (vgl. Kapitel 3.1) 66 % der Unternehmen in Ostwestfalen-Lippe

stimmen zuversichtlich, dass diese Entwick-
lung anhalten wird.
Dennoch ist zu konstatieren, dass es in Ost-
westfalen-Lippe bisher noch keine Regelmä-
ßigkeit in der Bekanntgabe größerer Finanzie-
rungsrunden gibt. Meldungen wie die jüngste
50 Mio. EUR Finanzierung des Gütersloher
Startups Schüttflix sind gleichzeitig ein klares
Erfolgssignal, aber bisher eher die Ausnahme.
Man könnte annehmen, dass Flächenregionen
wie Ostwestfalen-Lippe derzeit noch kein at-
traktiver Investitionsstandort sind.
2,2
sind aktuell der Seed Phase zuzuordnen. In
Münster
dieser liegt der Fokus noch auf der Entwick-
lung und Validierung des Produkts – besten-
1,9
OWL
falls mit ersten Kunden. Kreis Paderborn
Der richtige Bewertungsmaßstab der Kapital-
dynamik vor dem Hintergrund des Reifegrads
der Startups ist demnach nicht ausschließlich HOHER ANTEIL VON
die absolute Zahl vermeintlich „großer“ Finan- BUSINESS ANGEL INVESTMENTS
zierungsrunden. Vielmehr ist zu identifizieren,
Anteil der Startups, die Investitionen von
welcher Anteil der Neugründungen bereits ex-
Business-Angels erhalten haben.
terne Investitionen erhalten haben, die sie für
weiteres Wachstum vorbereiten. Diese Start-
ups bilden das notwendige Fundament, um
30,1 % Deutschland

die Region überhaupt attraktiv für weiteren

Kapitalzufluss zu machen. p 50 % Ostwestfalen-Lippe

Stand 2021

23 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
Quellen: St ar t up Moni tor N R W 2020 | Deu t s c her St ar t up Moni tor 2021 | Eigene Umf r agen
 Kapitaldynamik in B2B-Startup-Ökosystemen 3

INVESTMENTS VON VC-FONDS BISHER SELTEN

Verteilung der genutzten Finanzierungsquellen in Ostwestfalen-Lippe
im Vergleich zum Bundesdurchschnitt

21 %
E
Innenfinanzierung
(operativer Cashflow) 42 % ine durchgeführte Umfrage hat ergeben, Startups über die Seed Phase hinaus zu be-
dass ca. 50 % der Startups in Ostwestfa- gleiten und die Bedingungen für erfolgreiche
eigene 75 % len-Lippe Investitionen von Business Angels Series A und Series B Finanzierungsrunden zu
Ersparnisse 69 % erhalten haben. Der hohe Anteil dieser Finan- schaffen. Erste Beispiele zeigen zwar, dass dies
zierungsform, die vermehrt in der Frühphase gelingen kann, doch fehlt es bisher an der
Business 30 % wahrgenommen wird, zeigt, dass hier Ge- Konstanz.
50 %
D
Angel schäftsmodelle entstehen, die zwar am Anfang
stehen, aber ausreichend Potenzial der Skalie- ie Zahlen zeigen: Die Hürden des Kapi-
rung haben. Für den Aufbau des Ökosystems talzugangs für lokale Startups werden
Venture 20 %
Capital 8 % bedeutet dies: Die Breite der Gründungen in schrittweise abgebaut. Auch wenn viele Start-
der Seed Phase wächst. Dies ist eine positive ups tendenziell am Anfang stehen, nimmt die
Entwicklung und zeigt, dass die ersten Ansät- Finanzierungsdichte zumindest durch Business
Inkubator/Accelerator/ 12 %
ze zur Aktivierung unternehmerischer Talente Angels zu. Der Startup Monitor NRW hat ge-
Company Builder 12 %
und Wagniskapital gelingen. Gleichzeitig ist es zeigt, dass 20 Business Angels aus Bielefeld
zwangsläufige Voraussetzung. Nur wenn die im Jahr 2020 national in Startups investiert
Family and Friends
22 % Deutschland
Zahl an Gründungen weiter zunimmt, kann sich haben. Dies unterstreicht, dass die Aktivierung
19 % Ostwestfalen-Lippe
eine nachhaltige Startup-Kultur entfalten. von Kapital aus der Region heraus gelingen
(Mehrfachantworten möglich)
kann. Diese Entwicklung gilt es weiter zu be-
Ein Drittel der Startups sind bereits über die schleunigen. Institutionen, Unternehmen und
Seed Phase hinausgewachsen. Für diese Startups müssen sich professionalisieren, um
wächst die Relevanz des Kapitalzuflusses, da die infrastrukturellen Voraussetzungen des
ÜBER 2/3 DER STARTUPS IN SEED PHASE der Kapitalbedarf mit der Größe des Unterneh- Wachstums zu schaffen. Nur so kann sich die
Verteilung der Startups in Ostwestfalen-Lippe nach Entwicklungsstadium mens korreliert. Hieraus leitet sich eine strategi- positive Dynamik des Marktes in Ostwestfa-
sche Herausforderung für die Region ab: len-Lippe vollumfänglich entfalten. 
Seed Phase
66 %
Early Growth Stage
27 %
Late Growth Stage
7 %
Later Stages

S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 24
Quellen: Deu t s c her St ar t up Moni tor 2021 | Eigene Umf r agen
 3 Kapitaldynamik in B2B-Startup-Ökosystemen
3.3 MEHR MUT ZU UNTERNEHMERTUM
EIN GASTBEITRAG VON OLIVER FLASKÄMPER
E nde der 1990er Jahre habe ich angefan-
gen digitale Geschäftsmodelle aufzubau-
en. Fasziniert von der Idee, viele Menschen
mit geringem Aufwand erreichen zu können,
gründete ich geizkragen.de. Auch wenn es
bereits vergleichbare Portale gab, standen wir
noch am Anfang des Internetzeitalters: Web-
sites waren für viele Unternehmen Fremdwor-
te und wurden häufig noch über Uniserver be-
trieben. Ohne Startbudget baute ich damals
aus Hiddenhausen mein erstes Unternehmen
in einer Branche auf, die bis dato kaum Beach-
tung gefunden hatte. Ich erinnere mich noch
gut daran, wie ich meinen beklebten PKW an
den Wochenenden an viel befahrenen Straßen
in Bielefeld und Herford geparkt habe, um
Besucher:innen für unsere Website zu gene-
rieren. Die ostwestfälische Art des Marketings
sozusagen.
Heute, knapp 20 Jahre später, bin ich der Re-
gion nach wie vor verbunden. Mit bitcoin.de
25 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
bauten wir aus Herford heraus den größten
Krypto-Marktplatz Deutschlands auf. Im Denk-
werk, einem 3.000 qm großen Co-Working
Space, schufen wir einen Ort für Unterneh-
mer:innen und Gründer:innen, um sich ge-
meinsam zu entfalten. Gerade im Vergleich zu
den Anfängen haben sich in den letzten Jahren
mehr Initiativen, Organisationen und Unterneh-
men angesiedelt, die die lokale Startup-Szene
fördern. Diese beschleunigen den Zufluss von
Wagniskapital, den Aufbau einer guten Infra-
struktur und dadurch das ganzheitliche Wachs-
tum der Startups.
N
ehmen wir ganz spezifisch das Beispiel
des Wagniskapitals. Ich selbst habe in den
letzten Jahren vermehrt als Business Angel in
Startups investiert. Gerade mit Blick auf Städte
wie Berlin oder München sehen wir, dass Kapital
ein enormer Wachstumsbeschleuniger für junge
Unternehmen sein kann. Zumal die steigende
finanzielle Attraktivität der Branche mehr Men-
schen zu eigenen Gründungen bewegt. Diese
Euphorie tut uns gut. Allerdings müssen wir auf-
passen, dass Kapital nicht zum Synonym des
unternehmerischen Erfolgs wird. Blicke ich auf
meine unternehmerische Laufbahn zurück, wa-
ren es eben nicht Investitionen – und übrigens
auch nicht das perfekte Ökosystem -, die Grund
des Erfolgs waren. Stattdessen waren es immer
die Produkte, die die Probleme des Kunden lö-
sen, die Mehrwerte schaffen. Gerade zu Anfang
meiner Karriere gab es weder Initiativen, Netz-
werke oder Austauschformate, noch Zufluss von
Wagniskapital in dieser Region. Dennoch war es
uns möglich, erfolgreich zu sein.
Wir sind nicht vergleichbar mit Berlin oder
München – und das sollte auch nicht unser An-
spruch sein. Denn ich glaube, in Ostwestfalen-
Lippe wissen wir, wie solide, zukunftsfähige
Geschäftsmodelle gebaut werden müssen.
Seriengründer, Business Angel
W ir wissen um den Wert bodenständi-
ger, langfristiger Arbeit. Mein Plädo-
yer für alle Gründer:innen in der Region: Wer
gründen möchte, sollte dies hier tun. Denn
wir haben nicht nur den Rückenwind einer
wachsenden Dynamik, sondern eben auch die
Mentalität, die erfolgreiche Unternehmungen
aus meiner Sicht brauchen. Es sind eben nicht
nur finanzielle oder persönliche Ressourcen
notwendig. Aber es geht eben auch nicht
ganz ohne sie. Entscheidend ist die Kombina-
tion, die Ostwestfalen-Lippe in meinen Augen
einzigartig macht. 
Oliver Flaskämper
und Gründer des
Denkwerks in Herford
4 BESONDERHEITEN
EINER FLÄCHENREGION
 4 Besonderheiten einer Flächenregion
4.1 CHARAKTERISTIKA VON STARTUP-ÖKOSYSTEMEN
E ine entscheidende Facette funktionieren-
der Ökosysteme ist eine hohe Intensität
der Verbindungen zwischen einzelnen Akteu-
ren. Diese wiederum wird durch die Qualität
der Infrastruktur gewährleistet. Beides, sowohl
die Infrastruktur als auch die Verbundenheit,
sind nach den Erkenntnissen des Forschungs-
unternehmens Startup Genome zentrale Ele-
mente in der Entwicklung von Startup-Öko-
systemen. Beides bestärkt darüber hinaus das
Verständnis, dass eine erfolgreiche und etab-
lierte Startup-Kultur das Ergebnis des Zusam-
menspiels verschiedenster Institutionen ist.
Insbesondere in Flächenregionen besitzt dies
eine übergeordnete Relevanz. Schließlich sind
diese von Dezentralität in der Vernetzung und
Infrastruktur geprägt.
In diesem Kontext sind primär die Anzahl der
Institutionen und Netzwerke, sowie die Quali-
tät ihrer Tätigkeiten zu bewerten. Aber auch
übergeordnete Facetten wie die Ausgaben für
Forschung und Entwicklung und der Zusam-
27 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
menhang mit politischen Entscheidungen sind
wichtig. Es wird klar: Die Bewertung der Quali-
tät einer Infrastruktur ist gleichzeitig komplex
und notwendig.
Im internationalen Vergleich zeigen einige
Beispiele, wie der Aufbau einer solchen Infra-
struktur gelingen kann. Im israelischen Tel Aviv
sind mittlerweile über 250 Inkubatoren, mehr
als 100 Zentren für Forschung und Entwick-
lung multinationaler Unternehmen und vier
der 50 weltweit besten Universitäten für Unter-
nehmertum ansässig. Eine solche Dichte an
Organisationen und Unternehmen, die die Ba-
sis für die Ausbildung der Unternehmer:innen
und Geschäftsmodelle der Zukunft legen, ist
unerlässlich und ursächlich dafür, dass Tel Aviv
zu den infrastrukturell stärksten Ökosystemen
global gezählt wird.
Z
war ist die Summe der Akteure eines Öko-
systems eng mit der Stärke verknüpft,
doch entscheidet die Verbundenheit über die
Entfaltung synergetischer Potenziale. Häufig
auch als Community bezeichnet, spiegelt diese
Facette eine kaum messbare Variable für den
Aufbau erfolgreicher Innovationskulturen wider.
Natürlich können die Anzahl der Interaktionen,
Events und Geschäftsbeziehungen innerhalb
eines Ökosystems herangezogen werden, doch
stellt die Stärke der Beziehungen einen viel
tiefgreiferenden Erfolgsfaktor dar. Diese steigt
u.a. durch die Angebote des sinnvollen Austau-
sches – sowohl innerhalb einer Region als auch
darüber hinaus. Tel Aviv gilt heute als Parade-
beispiel, da man es dort geschafft hat, regio-
nale, nationale Grenzen aufzubrechen und die
Interaktion mit global relevanten Akteuren zu
stärken. Die hohe Dichte multinationaler Unter-
nehmen, die dort Forschung und Entwicklung
treiben, beweist dies.
Damit ist klar: In der Debatte um die Verbun-
denheit eines Ökosystems geht es viel weniger
um physische Nähe als um die sinnvolle Or-
chestrierung einzelner Akteure und der Stär-
kung der Beziehungen untereinander. So mul-
tiplizieren sich Wissen, Zugang zu Ressourcen
und die Qualität der Netzwerke.
G
erade diese Argumentation zeigt, dass
Ostwestfalen-Lippe als Flächenregion
keinen kategorischen Nachteil hat. Zwar do-
minieren Städte und Metropolen die Liste der
erfolgreichsten Ökosysteme weltweit, doch
zeigt nicht zuletzt auch die wachsende Demo-
kratisierung (vgl. Kapitel 1.2), dass sich dies
sukzessive verändert.
Enge Kollaborationen der verschiedenen Ak-
teure sind die Währung des Wachstums – egal,
ob es sich um Universitäten, Schulen, etablierte
Unternehmen, Investoren, Startups oder Star-
tup-nahe Institutionen handelt. Umso wichti-
ger für die Entwicklung ist, dass diese stärker
incentiviert werden. Ohne die Überwindung
einer kritischen Größe ist das Erreichen eines
höheren Reifegrads als Ökosystem nur bedingt
möglich.  
 4 Besonderheiten einer Flächenregion
4.2 A
 USBAU DER INFRASTRUKTUR
IN OSTWESTFALEN-LIPPE
D ie Mentalität in Ostwestfalen-Lippe wird
häufig als eher stoisch, bodenständig
und pragmatisch beschrieben. Sehr oberfläch-
lich betrachtet könnte man meinen, das seien
nicht gerade die idealen Voraussetzungen
eines eng verbundenen Ökosystems mit star-
ken Beziehungen und hohem Interaktionsgrad
– gerade in der Eigenschaft als Flächenregion.
Deutlich wird diese mit Blick auf die Vertei-
lung der Startups in der Region. Die geogra-
phische Verteilung beweist, dass die Startups
dezentral angesiedelt sind und unterstreicht
die Notwendigkeit einer starken Infrastruktur.
Nur wenn diese gegeben ist, kann der Aus-
tausch von Wissen und Ressourcen gelingen,
der für den Aufbau eines Ökosystems unab-
dingbar ist.
28 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
4
OSTWESTFALEN-LIPPE IST DEZENTRAL
Die Verteilung der Startups in der Region bekräf tigt
die Eigenschaf t als Flächenregion.
Im Vergleich zu klassischen Ballungszentren
ergeben sich daraus gleichermaßen Vor- und Minden
Nachteile. In diesen wird die Notwendigkeit
des systematischen Ausbaus der Infrastruk-
Herford
tur erst in späteren Wachstumsphasen deut-
lich, da zu Beginn die physische Nähe die
systematischen Initiativen kompensieren. An-
strengungen zum Ausbau dieser beginnen
demnach womöglich erst in späteren Wachs- Bielefeld Lemgo
tumsphasen, während der Ausbau der Infra-
struktur in Flächenregionen von Beginn an
essentiell ist.
Detmold
In Ostwestfalen-Lippe hat sich so neben
Bielefeld insbesondere Paderborn als Grün- Gütersloh
dungsstandort etabliert. Dies ist u.a. zurück-
zuführen auf die Gründungsförderung durch
Paderborn
das TecUp und die Garage33 der Universität
Paderborn, die somit gute Beispiele für den
Aufbau einer dezentralen Infrastruktur sind.
p
Quelle: Dealroom
 » 
4 Besonderheiten einer Flächenregion Besonderheiten einer Flächenregion 4

ICH STAMME AUS EINER FA-

MILIE VON UNTERNEHMERN.
DIE LUST AUF DIE EIGENE UN-
TERNEHMENSGRÜNDUNG WAR N eben diesen beiden Institutionen gibt es
weitere Beispiele wie das „Center for En-
Austausch zwischen New- und Old-Economy
systematisch zu fördern. Nur durch das Zusam-
ALSO SCHON IMMER GEGEBEN. trepreneurship“ der FH Bielefeld oder der Stu- menspiel all dieser Akteure kann sich ein hohes
diengang „Applied Entrepreneurship“ an der Maß an Verbundenheit entwickeln. Eine Um-
DOCH WARUM GERADE JETZT? TH OWL. Diese Programme haben direkten frage unter den Gründer:innen in der Region
Fabiola Munguia
Gründerin des Startups AUS MEINER SICHT GIBT ES KEI- Einfluss auf die Gründungsaktivität der Region dazu hat ergeben, dass das Startup-Ökosystem
Secfix und als eine der
und können Motor für innovative Geschäfts- in Ostwestfalen-Lippe als besonders stark in
100 innovativsten Frauen
Deutschlands vom NEN BESSEREN ZEITPUNKT, UM ideen sein. der Vernetzung wahrgenommen wird. Hervor-
Handelsblatt ausgezeichnet
ZU GRÜNDEN: FREI VERFÜGBA- stechen besonders die Vernetzung mit dem
Allerdings sind die Ergebnisse des dargestell- Mittelstand und mit anderen Partnern. Zudem
RES KAPITAL, STETIGER TECHNO- ten Wissenschaftsaustausches in der Region bewerten 85 % der Teilnehmer:innen die Infra-
LOGISCHER FORTSCHRITT UND GESELLSCHAFT- noch ausbaufähig. Bisher hat Ostwestfalen- struktur als gut, um künftige Trends aus der
Lippe noch kein Exzellenzcluster (inter-)national Region voranzutreiben und stimmen der Aus-
LICHE PROBLEME, WIE BSPW. DER KLIMAWANDEL. führender Hochschulen, die die Startup-Kultur sage zu, dass die Dynamik der Startup-Kultur in
FÜR UNS WAR DAS NETZWERK DER TECHNISCHEN der Region durch disruptiven Wissenschafts- Ostwestfalen-Lippe stetig zunimmt.
transfer nachhaltig fördert. Im Deutschen
UNIVERSITÄT MÜNCHEN EIN ENTSCHEIDENDER Startup Monitor 2021 ist keine Hochschule aus Die Aussagen zeigen Zuversicht. Auch wenn
FAKTOR FÜR DIE ENTWICKLUNG. ERSTE KUN- Ostwestfalen-Lippe in den bundesweit Top 10 Infrastruktur und Vernetzung ausbaufähig
Gründungshochschulen vertreten. sind, scheinen die Voraussetzungen für weite-
DEN:INNEN, BERATER:INNEN UND UND MITARBEI- res Wachstum durch die Qualität und Anzahl
TER:INNEN KONNTEN WIR SO FINDEN. BEI MEI- Die Qualität einer Infrastruktur ist jedoch nicht der Institutionen in allen Städten der Region
nur an der regionalen Hochschullandschaft gegeben, sofern der Anspruch des Wachs-
NEM BESUCH IN OSTWESTFALEN-LIPPE HABE ICH festzumachen. Wirtschaftsnahe Förderungs- tums in allen Organisationen dezentral formu-
EINE ÄHNLICHE ENTWICKLUNG GESEHEN: EIN programme wie die Open Innovation City Bie- liert und gelebt wird. Und vielleicht ist genau
lefeld oder der OWL Maschinenbau e. V. und dies der Vorteil, den die anfänglich geschil-
NETZWERK MOTIVIERTER GRÜNDER:INNEN UND Co-Working Spaces wie der Pioneers Club in derte, ostwestfälische Mentalität für den Auf-
UNTERNEHMER:INNEN IST FÜR DIE ENTWICKLUNG Bielefeld, das Denkwerk in Herford sind glei- bau einer pulsierenden Startup-Kultur in der

«
chermaßen notwendig, um Ressourcen, Ideen,
DER STARTUPS IN DER REGION UNABDINGBAR.
Kapital und Menschen sinnvoll zu verbinden.
  Parallel gilt es, den in Kapitel 2 dargestellten
Region bietet: Das Streben nach Exzellenz bei
gleichzeitiger Zurückhaltung konstant zu ver-
folgen. 

29 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 29

 4 Besonderheiten einer Flächenregion

BIELEFELD UND PADERBORN UNTER DEN TOP 10

Startup-Gründungen 2020 je 100.000 Einwohner in NRW

4.3 EIN BLICK AUF DIE STARTUP-COMMUNITY Düsseldorf 12,2

EIN GASTBEITRAG VON KEVIN PAMANN

D ie Gründung des Pioneers Club in Biele-

feld im Jahr 2017 ist vorrangig darauf zu-
rückzuführen, dass durch die vermehrte Grün-
als ein reiner Co-Working Space. Wir sind ein
Ort des Austausches zwischen Startups, eta-
blierten Mittelständlern, Selbstständigen und
Köln 9,0
dungsaktivität in der Region die Nachfrage Kreativen. Der Begriff Co-Working suggeriert Bonn 5,7
nach flexiblen und kollaborativen Arbeitsplät- häufig, dass es lediglich um den Arbeitsplatz

5,7
zen konstant gestiegen ist. Da sich der Trend geht. Es geht jedoch vor allem darum, im Sin-
Münster
des Co-Workings zeitgleich weiter verfestigt ne der Ökosystementwicklung eine Vernet-
hatte, lag es nahe, eine zentrale Anlaufstel- zungsplattform zu schaffen, um eine Commu-
le für Gründer:innen im Bielefelder Zentrum
zu schaffen. Heute sind wir jedoch weit mehr
nity auf- und auszubauen. Dies gelingt anhand
von vier Faktoren:  p
Städteregion Aachen 4,9
3,6
OWL
Bielefeld

Mülheim a.d.R. 3,5

3,2
OWL
Kr. Paderborn

Solingen 3,1
Kevin Pamann
Geschäftsführer des Bielefelder
Pioneers Club
Kr. Mettman 3,1

30 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
Quelle: N R W St ar t up Moni tor 2020
 4 Besonderheiten einer Flächenregion
1. DAS GEFÜHL EINER COMMUNITY
Ich bin überzeugt, dass der Begriff „Commu-
nity“ sehr vielfältig verstanden wird und die
einheitliche Definition schwierig fällt. Denn
häufig ist dies mehr ein Gefühl als eine kon-
krete Kennzahl, die bestätigt, ob eine Com-
munity besteht oder nicht. Es ist die gegen-
seitige Hilfe, die Offenheit in der Vernetzung
untereinander und die Bereitschaft, andere
aktiv unterstützen zu wollen. Die Aufgabe von
Institutionen wie dem Pioneers Club ist es, die
Rahmenbedingungen zu schaffen, ein solches
„WIR SIND EIN ORT Miteinander zu ermöglichen. Wichtig dafür
ist eine möglichst heterogene Landschaft der
DES AUSTAUSCHES Mitglieder: Weltkonzerne, etablierter Mittel-
stand, Startups und Selbstständige sollen in
ZWISCHEN ausgewogenem Maße aufeinandertreffen, um
den gegenseitigen Austausch so gehaltvoll
STARTUPS, wie möglich zu gestalten.
ETABLIERTEN
MITTELSTÄNDLERN,
SELBSTSTÄNDIGEN
UND KREATIVEN.“
31 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
AUSTAUSCH IM FOKUS
Besonderheiten einer Flächenregion 4
2. AUFBAU LOKALER (GESCHÄFTS-)
BEZIEHUNGEN
Ökosysteme wachsen nicht ausschließlich
durch die Anzahl der Akteure, sondern durch
die Stärke der Beziehungen untereinander.
Gerade in der jetzigen nach wie vor durch die
COVID-19-Pandemie geprägten Zeit ist die
Notwendigkeit der Vernetzung höher denn je.
Das kann in sich ganz verschiedenen Ergeb-
nissen äußern: Kundenbeziehungen, Koopera-
tionen, Vermittlung von Stellen oder allgemei-
nem Wissensaustausch. Egal in welcher Form:
Der Aufbau des regionalen Netzwerks birgt
Potenziale, sofern er richtig orchestriert wird.
35
 p
Events
mit über 1.000 Teilnehmer:innen
im Pioneers Club im Jahr 2021.
S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 31
Quelle: Pioneer s Club
 4 Besonderheiten einer Flächenregion
3. ANGEBOTE ZUM AUSTAUSCH
Eng verbunden mit dem Aufbau der Ge-
schäftsbeziehungen im Ökosystem ist die An-
zahl der Angebote des Austausches, die in
Form verschiedener Formate geschaffen wer-
den. Die Regel ist einfach: Je häufiger sinn-
stiftender Austausch stattfindet, desto eher
bilden sich Beziehungen und Opportunitäten
zur Zusammenarbeit.
Auch während der Corona-Pandemie gab es
eine rege Teilnahme an Events, gleich ob es
sich um edukative Formate oder Communi-
ty-Events handelte. Auch aus der Community
kommen Ideen und Initiativen für die Durchfüh-
rung von Events. Zu sehen ist, dass es für Grün-
der:innen wertvoll ist, sich auszutauschen. Da-
her werden bereits bestehende Möglichkeiten
angenommen und durch die Community neue
Ideen für den Austausch formuliert.
4. DICHTE DER STARTUPS
Der Pioneers Club, die Garage33 und die Foun-
ders Foundation haben gemeinsam, dass sie
der regionalen Gründungskultur Orte und Hot-
spots bieten, zu denen verschiedene Akteure
32 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
Besonderheiten einer Flächenregion 4
MITGLIEDERZAHLEN STEIGEN KONSTANT
Trotz der COVID-19 Pandemie hat sich der Pioneers Club weiter
als Plattform des Austausches in der Region etabliert.
des Ökosystems Zutritt haben. In der Umge-
bung dieser Organisationen erhöht sich da-
durch die Startup-Dichte. Sie bieten einen Ort
für Arbeit, Netzwerk und Austausch und haben
 %
einen Anteil daran, dass sich die Startup-Kultur
5
in der Region weiter herausbilden kann. Insbe-
sondere für junge Ökosysteme ist dies wichtig:
12
+
Durch eine fest verankerte Kultur junger Un-
ternehmer:innen wird die Attraktivität im Öko-
system zu arbeiten erhöht, und es entscheiden
sich mehr Menschen dazu ein Unternehmen
zu gründen. Dabei können sie dann auf stetig
wachsende Erfahrungswerte anderer Startups
zurückgreifen.
Der Ausbau infrastruktureller Einrichtungen
erhöht die Startup-Dichte langfristig, da die
Institutionen als regionaler Schmelztiegel der
entsprechenden Kultur in Ostwestfalen-Lippe
dienen.
Der Pioneers Club ist nur ein Beispiel dafür,
wie die Vernetzung innerhalb des Startup-Öko-
systems in Ostwestfalen-Lippe gelingen kann.
Doch braucht es die Summe aller Akteure, die
die vier genannten Faktoren weiter fördern. 
7 8 9 0 1
201 201 201 20 2 20 2
S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 32
Quelle: Pioneer s Club
5 STARTUP-POTENZIAL
IN EINER DER
ERFOLGREICHSTEN
WIRTSCHAFTSREGIONEN
DEUTSCHLANDS
 5 Startup-Potenzial in einer der erfolgreichsten Wirtschaftsregionen Deutschlands
5.1 WACHSTUM IM BLICK:
DIE CHANCEN DER REGION
D ie vergangenen Kapitel haben die Dyna-
mik des Startup-Ökosystems Ostwest-
falen-Lippe aus verschiedensten Facetten
dargestellt. Die Nachricht ist klar: Ostwestfa-
len-Lippe ist auf einem guten Weg, als Beispiel
für den Aufbau von Startup-Ökosystemen in
Flächenregionen zu fungieren.
Verena Pausder hat den Status Quo im Vor-
wort als „etablierten Innovationsstandort“
beschrieben, für den es gilt, Austausch zu för-
dern, eine starke Infrastruktur aufzubauen und
mutige Gründer:innen anzuziehen.
Die Erkenntnisse des ersten Startup-Ökosys-
tem Reports Ostwestfalen-Lippe unterstrei-
chen dies: Die Region ist wirtschaftlich stark
und hat signifikante Fortschritte gemacht.
Konsequenz sind eine Mentalität und Kultur
des Mutes und der Innovation, die die Zusam-
34 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
DAS ÖKOSYSTEM OSTWESTFALEN-LIPPE
BEFINDET SICH IN DER ACTIVATION PHASE
In Ostwestfalen-Lippe zeigen die Aktivitäten der
letzten Jahre ein erstes Wachstum. Dennoch bedarf
es der Kombination verschiedener Faktoren, um
weiteres Wachstum zu ermöglichen.
SILICON VALLEY
menarbeit fördern. Die über 120 Startups der
Region, die Initiativen der etablierten Unter-
nehmen, die Programme der Hochschulen
und die Vielzahl an Vereinen, Events und För-
derprogrammen sind nur die Speerspitze des-
sen, was kulturell verankert wurde.
Der hohe Anteil wachstumsfähiger B2B-Ge-
schäftsmodelle, die SaaS- bzw. Plattformlösun-
gen anbieten, die hohe Quote der finanzierten
Startups in der Seed Phase und die Stärke der
Vernetzung zwischen Mittelstand und Startups
sind in Kombination einzigartig und stimmen
zuversichtlich für weiteres Wachstum.
Allerdings ist zu frühe Zufriedenheit über
die Errungen­schaften nicht sinnvoll. Die OSTWESTFALEN-
Weiterentwick­lung des Status Quo ist LIPPE
notwendig, um Wachstum zu forcieren.  p
ACTIVATION GLOBALIZATION ATTRACTION INTEGRATION
PHASE PHASE PHASE PHASE
Anhand der Einordnung in Phasen lässt sich der Reifegrad eines Star tup Ökosystems ableiten.
Quelle: Dealroom
 5 Startup-Potenzial in einer der erfolgreichsten Wirtschaftsregionen Deutschlands

„DER ‚UNFAIR ADVANTAGE‘

U m aus den Erkenntnissen des Reports
sinnvolle Handlungsempfehlungen zu
breite, thematische Dominanz im Umfeld von
B2B-Geschäftsmodellen. Trotz der wahrge-
her in der kontinuierli-
chen Attraktion (inter-) DER REGION IST DIE BREITE
schließen, wird das Modell zur Einordnung
der Reifegrade eines Ökosystems von Startup
nommenen Durchschnittlichkeit der Region
scheint das Umfeld gute Wachstumsbedin-
nationaler Talente. Eine
Attraktivität über ge- THEMATISCHE DOMINANZ
Genome genutzt. Das Modell besteht aus vier
Phasen: Die „Activation Phase“, die „Globali-
gungen für Startups zu bieten. Denn fest steht:
Die Transformation der Wertschöpfungsketten
zielte Standortpolitik,
Cluster-Exzellenz und
IM UMFELD VON B2B-
zation Phase“, die „Attraction Phase“ und die
„Integration Phase“.
etablierter Unternehmen ist allgegenwärtig.
Umso wichtiger ist es hier, den Wissenstrans-
infrastrukturellen Aus-
bau zu fördern, wird
GESCHÄFTSMODELLEN.“

An dieser Stelle wird auf die Erläuterung aller
vier Phasen verzichtet. Lediglich die für Ost-
westfalen-Lippe relevante „Activation Phase“
wird herangezogen, um die Erkenntnisse des
Reports einzuordnen.
Laut Startup Genome haben junge Ökosyste-
me (bis 1.000 Startups) vier Herausforderun-
gen: Die Performance der Startups erhöhen,
den Zugang zu frühphasigen Investitionen ver-
fer zu intensivieren. Dafür braucht es künftig
eine größere Anzahl an Initiativen, Formaten
und Programmen, die systematisch eine Platt-
form der Vernetzung bieten. Ökosysteme wie
Tel Aviv machen es vor: Die Ansiedlung multi-
national erfolgreicher Unternehmen und der
politisch geförderte Aufbau von Accelerato-
ren, Inkubatoren und Company Buildern sind
essentiell für die Steigerung der Performance
der Startups. Hiervon kann Ostwestfalen-Lip-
pe lernen.
notwendig sein, um
weitere Startups „made in OWL“ zu begünsti-
gen. Auch der Wissenstransfer der Hochschu-
len in disruptive Geschäftsmodelle muss ver-
bessert werden. Mit fortschreitender Reife des
Ökosystems wächst die Qualität und Erfah-
rung der lokalen Gründer:innen und wird so
eine positive Aufwärtsspirale erzeugen, sofern
eine kritische Masse errreicht wird.
Als dritte Empfehlung gilt die Vereinfachung
D
ie Aktivierung von Corporate Ventu-
re Capital spielt bisher trotz der Wirt-
schaftskraft der Region eine untergeordnete
Rolle als Finanzierungsquelle. Hierzu müssen
Anreize geschaffen werden. Zudem wächst
die Notwendigkeit, die vielen frühphasigen
Startups in weitere Wachstumsphasen zu be-
gleiten. Für eine Erhöhung der Quoten an
Later-Stage Startups braucht es eine größere
Masse lokal aktiver Investoren. Neben den
schon aktiven Business Angels ist die Veranke-

einfachen, unternehmerisches Talent ausbilden
und die lokale Community enger verbinden.
In Kombination mit den Kernergebnissen des
Reports zeigen diese die Handlungsempfeh-
lungen für die nächste Entwicklungsstufe auf.
Der „Unfair Advantage“ der Region ist die
D
ie zweite Handlungsempfehlung ist die
Attraktion und holistische Förderung
unternehmerischen Talents. Frühphasig Grün-
der:innen aus der Region auszubilden und
anhand verschiedener Angebote in der Grün-
dung zu begleiten, hat für eine erste Welle an
Startups gesorgt. Schwierigkeiten liegen bis-
des Kapitalzugangs. Die hohe Beteiligung
von Business Angels, die grundsätzlich wach- rung von institutionellen Wagniskapitalgebern
sende Investitionsbereitschaft in die Startup- notwendig für weiteres Wachstum.  p
Ökonomie und der Zufluss von Investitionen
von renommierten Venture Capital Fonds
zeigt, Ostwestfalen-Lippe hat ein starkes Fun-
dament für Investoren geschaffen. Dennoch
bedarf es auch hier weiterer Anstrengungen:

35 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
 5 Startup-Potenzial in einer der erfolgreichsten Wirtschaftsregionen Deutschlands

DIE ENTWICKLUNGSZIELE IN
OSTWESTFALEN-LIPPE
Um den Aufbau des regionalen Startup-Ökosystems weiter zu
begünstigen, braucht es ein verstärktes Zusammenspiel der
vier Handlungsempfehlungen. Diese ermöglichen eine positive

D
Aufwärtsspirale.
ie vierte Handlungsempfehlung ist das Ökosysteme wie Tel Aviv, Stockholm oder
entstandene Netzwerk mit diversen auch Berlin zeichnen sich durch einen hohen
Projekten, Initiativen und Programmen aus- Grad an Internationalität aus, der in Ostwest-
zubauen. Der entstandene Nukleus einer
Startup-Community in Kombination mit
falen-Lippe in Ansätzen besteht. Hier liegt es
an den Akteuren des Ökosystems (etablierte
Ent wick
lung
s zie
l
einer wachsenden Infrastruktur hilft, die Ent- Unternehmen, Hochschulen und Institutionen
wicklung der Startups zu beschleunigen. wie der Founders Foundation gGmbH etc.),
diesen weiter zu forcieren. Andernfalls wird Incentivierung und Holistische
Intensivierung der Förderungsangebote
Die Hinterland of Things, It‘s OWL, OWL die kritische Größe, die eine beschleunigte Austauschformate zur Attraktion
(inter-)nationaler
Maschinenbau e.V. und Einrichtungen wie positive Aufwärtsspirale auslöst, nicht zu errei- zwischen New- und

das Denkwerk oder der Pioneers Club sind chen sein.

Old-Economy 2021 Talente

hier nur ein Ausschnitt.

Nicht zuletzt unterstreichen die Erkenntnisse Platzierung Frühphasige
des B2B-Fokus Ausbildungs-
Die Aufzählung zeigt aber auch: Der Aus- dieses Reports: Zur Erreichung dieser Ziele als „Unfair programme
tausch mit anderen Ökosystemen sowie die bedarf es einer vernetzten Denkweise, um die Advantage“ für Talente

internationale Vernetzung sind bisher wenig Ressourcen, die die Region bietet, synerge-
ausgeprägt. In Wachstumsszenarien ge- tisch zu nutzen. Nur so kann dieses Ökosystem Aufbau einer Attraktion
lokalen einer ersten
dacht, ist es daher logisch, auch diesen zu seinem Status als Heimat-Taktgeber für Innova- Community Kapitaldynamik
fördern. tion und Veränderung gerecht werden. 

Ausbau der Vereinfachung

lokalen Community des Kapitalzugangs

„SCHWIERIGKEITEN LIEGEN BISHER IN

durch Förderung der regionalen durch regionale Investoren
Infrastruktur und verstärktem und Corporate Venture
Wissenschaftstransfer Capital

DER KONTINUIERLICHEN ATTRAKTION

(INTER-)NATIONALER TALENTE.“

36 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
Quelle: Eigene Dar s tellung
 5 Startup-Potenzial in einer der erfolgreichsten Wirtschaftsregionen Deutschlands
5.2 O
 STWESTFALEN-LIPPE: NUKLEUS DES WANDELS
EIN GASTBEITRAG VON JAN-HENDRIK GOLDBECK
D er Begriff „Ökosystem“ hat sich in den
letzten Jahren zu einem Trendbegriff für
die Beschreibung wirtschaftlicher Gegeben-
heiten entwickelt. Und wir sehen die Erfolge
dieses Modells, das Kooperation, Offenheit
und Kollaboration in den Mittelpunkt stellt:
Die nationale und regionale Startup-Ökono-
mie wächst konstant, und auch die etablierten
Mittelständler fördern den Austausch stetig.
Wenn wir von Ökosystemen sprechen, sehe
ich allerdings mindestens zwei Ebenen, auf
denen diese stattfinden: Zum einen ent-
lang der Wertschöpfungsprozesse innerhalb
eines Unternehmens und zum anderen in
der Zusammenarbeit über Unternehmens-
grenzen hinweg. Für GOLDBECK heißt dies,
die Produkte und Dienstleistungen holistisch
über den gesamten Lebenszyklus eines Ge-
bäudes zu denken und technologische Mög-
lichkeiten wie Big Data, Predictiveness oder
37 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
Artificial Intelligence konstant auf ihren Nut-
zen zu überprüfen, um sie nahtlos vertikal in
die gesamte Wertschöpfungskette zu integ-
rieren.
Diese Entwicklung haben wir begonnen.
Nicht, weil wir aktionistisch neuen Trends
hinterherlaufen wollen, sondern weil wir uns
nach wie vor als etabliertes Startup sehen,
das konstant neue Geschäftsfelder, Techno-
logien und Ideen testen muss, um die Zu-
kunft des Bauens aktiv zu gestalten.
Nach meinem Empfinden muss dies der An-
spruch aller Unternehmer:innen und Grün-
der:innen der Region Ostwestfalen-Lippe
sein. Allerdings nicht aus der Motivation des
Größenwahns, sondern auf dem Fundament
der typischen ostwestfälischen Werte: Be-
scheidenheit und Konstanz, gepaart mit ver-
stärktem Mut zur Veränderung!
In diesem Zusammenhang können wir von der
amerikanischen Startup-Kultur lernen. Mit viel
Kapital schnell Entscheidungen zu treffen und
muss. Ich sehe großes Potenzial, erfolgreiche
Startups „made in OWL“ aufbauen zu können,
wenn wir die Attraktivität der Region für Talen-
„einfach mal zu machen“, sind entscheidende te erhöhen, Mittelstand und Tech-Welt noch
Tugenden für Veränderungsprozesse. Nicht besser vereinen und die Wissenschaft stärker
zuletzt durfte GOLDBECK dies durch den Bau in den Dialog einbinden. 
der GigaFactory für den amerikanischen Auto-
bauer Tesla erfahren. Auch wenn ich diese
amerikanische Aggressivität schätze, nervt es
mich gleichzeitig, dass mittlerweile absurde
Hockeystick-Grafiken und Unicorn-Bewertun-
gen die Grundfesten erfolgreichen Unterneh-
mertums überschatten.
U
mso wichtiger ist es aus meiner Sicht,
dass wir die wirtschaftlichen und gesell-
schaftlichen Veränderungsprozesse aus unse-
rer Heimat heraus aktiv gestalten. Wir haben
in den letzten Jahren einen Nukleus an Grün- Jan-Hendrik Goldbeck
geschäftsführender
derspirit aufbauen können, der nun durch Gesellschafter des
Unternehmens GOLDBECK
gezielte Aktivitäten weiterentwickelt werden mit Sitz in Bielefeld-Ummeln.
 5 Startup-Potenzial in einer der erfolgreichsten Wirtschaftsregionen Deutschlands

5.3 S
 TARTUP ÖKOSYSTEME LEBEN VON ERFOLGREICHEN GRÜNDER:INNEN

I n Ostwestfalen-Lippe haben wir in den letz-

ten Jahren aus einer „Start-Up-Wüste“ ge-
meinsam ein solides Fundament für ein nach-
haltiges Tech-Ökosystem geschaffen. Unser
vielfältiges Angebot an frühphasigen Ausbil-
dungsprogrammen stärkt die Unternehmer-
kultur in der Region. Darüber hinaus fördert es
ein Entrepreneurial Mindset, das über alle Bran-
chen hinweg greift. Darauf sind wir stolz!
chen eine Vielfalt an Aktivitäten, um das hiesige
Ökosystem auszubauen. Nur so können regio-
nale Ökosysteme langfristig wachsen und sich
selbst stärken. Dafür sind alle gefordert: Die
etablierte (mittelständische) Wirtschaft, wissen-
schaftliche Einrichtungen, multinationale Kon-
zerne genauso wie unternehmerische Talente.
Der Schlüssel für ein florierendes Ökosystem
liegt in der Zusammenarbeit von allen. Wir kön-
Die zunehmende Positionierung entlang der
gesamten B2B Wertschöpfungskette und
Tech-Themen ermöglicht inhaltliche Anker-
punkte – und erhöht die Sichtbarkeit unserer
Region. Jetzt gilt es, uns klar zu positionieren.
Das können wir nur schaffen, wenn wir auf
dem Bestehendem aufbauen und sinnvoll in-
haltliche Schwerpunkte für die regionale Grün-
derszene setzen.
ture Capital Fonds in die Startups der Region
zu bringen. Das wird der notwendige Hebel
sein, um Unternehmen zu ermöglichen zu ska-
lieren und langfristig erfolgreich zu werden.
Der Zuwachs an Gründer:innen in der Region
macht es deutlich: Das Fundament ist gelegt.
Lasst uns nun Hand in Hand die Potenziale unse-
rer Region weiter ermitteln. Lasst uns unsere Stär-

Fakt ist: Gründer:innen, die am Beginn ihrer
Start-Up Reise stehen, sind ständig auf der Su-
che nach „Wasser in der Wüste“. Sie suchen
Wege, an Kapital zu gelangen, erste Kontakte
zu Investor:innen, sie wollen Mitarbeiter:innen
gewinnen – und natürlich Kund:innen für ihre
Idee begeistern. Dafür braucht es Talente mit
Mut. Aber auch eine starke Infrastruktur und
ein lebendiges Netzwerk. Die Kombination
aus diesen Faktoren ist entscheidend für den
Erfolg. In Ostwestfalen-Lippe haben wir den
Grundstein dafür gelegt. Aber das reicht uns
noch nicht. Denn Fakt ist auch: Wir müssen
unser Fundament jetzt weiter stärken. Wir brau-
nen und sollten die Kooperation in der Region
also weiter fördern – in allen Belangen.
Lasst uns auch weiterhin mutige Talente für
Entrepreneurship begeistern, sie richtig för-
dern und den Weg vom Talent zum eigenen
Startup unterstützen. Wir müssen es schaf-
fen, nationale und internationale Gründer:in-
nen für unseren Standort zu gewinnen. Denn
es sind die Gründer:innen, die Vielfalt und
Innovationskraft in unserer Region sichern.
Genauso gehört hier das übergreifende
Knowhow des Ökosystems dazu, das es uns
erlaubt, uns aus unserer regionalen Blase hin-
auszuwagen.
E
ken in Kollaboration mit allen Akteur:innen des
s sind die Flächenregionen wie Ost- Ökosystems ausbauen. Lasst uns diese Ziele ge-
westfalen-Lippe, der Mittelstand 1.0, die meinsam erreichen. Denn wir haben Großes vor!
Deutschland als Wirtschaftsstandort stark
gemacht haben. Noch nie kam es mehr auf
eben diese Flächenregionen an, damit der
Innovationsstandort Deutschland auch in Zu-
kunft Erfolgsmodell bleibt. Dafür ist es wichtig,
neben unternehmerischen Talenten auch Kapi-
tal innerhalb und außerhalb dieser Region zu
aktivieren. Für Ostwestfalen-Lippe heißt das:
Gemeinsam darauf hinarbeiten, mehr Risikoka-
pital von vermögenden Unternehmen aus der Dominik Gross
Mitgründer und
Region für die Region zu generieren und mehr Geschäftsführer der
Founders Foundation gGmbH
Risikokapital-Investitionen von etablierten Ven- und Hinterland of Things

38 S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE
ANHANG
ANHANG 5

UNTERSTÜTZER

Wir bedanken uns herzlich bei den Netzwerkpartnern des Startup-Ökosystem Reports Ostwestfalen-Lippe 2021.
Durch ihre Reichweite konnte eine breite Einschätzung sichergestellt werden.

S TA R T U P- Ö KOS YS T E M R E P O R T OS T W E S T FA L E N - L I PPE 40
ANHANG
QUELLEN
Der Startup-Ökosystem Report
Ostwestfalen-Lippe gibt anhand
bestehender Studien und Auswer-
tungen zur Entwicklung von Star-
tup-Ökosystemen, quantitativer Er-
hebungen durch eigene Umfragen,
verifizierten Datenplattformen und
qualitativen Experten-Einschätzungen
einen holistischen Überblick über die
Entwicklungen in Ostwestfalen-Lippe.
Die Ausarbeitung erhebt keinen wis-
senschaftlichen Anspruch.
5
Andreesseen, M. (2011)
Why Software Is Eating The World
NRW.BANK.Research (2020)
Regionalwirtschaftliche Profile Nordrhein-Westfalen 2020
The Wall Street Journal, New York Ostwestfalen-Lippe
Abrufbar unter: https://www.nrwbank.de/export/.galleries/downloads/
Atomico (2020) Regionalwirtschaftliche-Profile/NRW.BANK_Wirtschaftsregion_Ostwest-
The State of European Tech falen-Lippe_2020.pdf
Abrufbar unter: https://2020.stateofeuropeantech.com
Startup Blink (2021)
Dealroom (2020) Global Startup Ecosystem Index 2021
Startup jobs in Berlin Abrufbar unter: https://www.startupblink.com/
Abrufbar unter: https://blog.dealroom.co/wp-con- tent/ startupecosystemreport.pdf
uploads/2020/02/Berlin-Employment- 2020-vFINAL.pdf
Startup Genome (2020)
Deloitte (2021) Global Startup Ecosystem Report 2020
The Israeli Technological Eco-system. A powerhouse of innovation Abrufbar unter: https:// startupgenome.com/gser2020
Abrufbar unter: https://www2.deloitte.com/il/en/pages/innovation/
article/the_israeli_technological_eco-system.html Kollmann, T.; Kleine-Stegemann, L.; Then-Bergh, C.; Harr, M. (2021)
Deutscher Startup Monitor 2021 (DSM)
Ernst & Young (2021) Berlin
What business ecosystems means and why it matter.
Abrufbar unter: https://www.ey.com/en_gl/alliances/ Startup Genome (2021)
what-business-ecosystem-means-and-why-it-matters Global Startup Ecosystem Report 2021
Abrufbar unter: https://startupgenome.com/gser2021
Kollmann, T.; Jung, P. ; Kleine-Stegemann, L; Ataee, J. & De Cruppe, K (2020)
Deutscher Startup Monitor (DSM) 2020
Berlin
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IMPRESSUM
HERAUSGEBER
Founders Foundation gGmbH

AUTOREN
Moritz Köster
Louis Schulze

DESIGN
STEUER Marketing und Kommunikation GmbH

DANKSAGUNG
Wir bedanken uns herzlich für die Unterstützung bei allen
Netzwerkparter:innen und Teilnehmer:innen. © Dezember 2021 Founders Foundation gGmbH. Alle Rechte vorbehalten.

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