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Heft 4
meteorologische fortbildung
Meteorologische Fortbildung
30. Jahrgang, Heft 4, 2004
3 Klimaveränderung und Konsequenzen für die Die bisherigen Arbeitsschwerpunkte des Vorhabens
Wasserwirtschaft - KLIWA KLIWA (1999 bis 2003) umfassen vor allem:
- die Ermittlung von Veränderungen in den Messzeit-
3.1 Ziele des Kooperationsvorhabens KLIWA reihen hydrometeorologischer und hydrologischer
Kenngrößen durch Analysen im Langzeitverhalten
Das Vorhaben „Klimaveränderung und Konsequenzen (z. T. mehr als 100 Jahre),
für die Wasserwirtschaft (KLIWA)“ wird in enger Zu- - verschiedene regionale Klimaszenarien zur Ab-
sammenarbeit zwischen dem Deutschen Wetterdienst schätzung möglicher zukünftiger Auswirkungen der
(DWD) und den Wasserwirtschaftsverwaltungen der Klimaveränderung auf den Wasserhaushalt, zum
Länder Baden-Württemberg (BW) und Bayern (BY) Vergleich untereinander und zur Einordnung in Re-
unter fachlicher Beteiligung der Bundesanstalt für Ge- lation zum bisherigen Langzeitverhalten und
wässerkunde (BfG) durchgeführt (Abb. 27-1). - Klimaszenarien auf Wasserhaushaltsmodelle anzu-
wenden und zu bewerten.
Die Ziele von KLIWA sind:
- die bisherigen Veränderungen durch Untersuchun-
gen langer Messzeitreihen der Wasserhaushaltsgrö- 3.2 Ergebnisse aus dem Langzeitverhalten hydrome-
ßen in Süddeutschland nunmehr in hoher räum- teorologischer und hydrologischer Größen
licher und zeitlicher Auflösung zu erfassen,
- die Auswirkungen möglicher zukünftiger Klimaver- Im Gegensatz zu den punktförmig ermittelten hydro-
änderungen auf den Wasserhaushalt der Flussgebie- meteorologischen Größen ist die Abflussmessung als
te in Süddeutschland durch Klimaszenarien-Berech- ein Flächenintegral über einem Einzugsgebiet zu be-
nungen zu ermitteln bzw. abzuschätzen, trachten. Somit muss der räumlichen Übertragung der
- Veränderungen im Rahmen eines integrierten hydrometeorologischen Punktmessungen auf die jewei-
hydrometeorologisch-wasserwirtschaftlichen Mess- lige Fläche eine genaue zeitlich-räumliche Datenprü-
netzes zu überwachen und mit den Szenarien-Be- fung vorangehen, um mit Hilfe von Regionalisierungs-
rechnungen zu vergleichen sowie verfahren gebietsbezogene Werte oder Rasterwertver-
- wasserwirtschaftliche Handlungsempfehlungen - so- teilungen ermitteln zu können. Als Gebietswerte für 33
weit erforderlich - abzuleiten. hydrologisch orientierte Untersuchungsgebiete auf der
Basis von Rasterwerten liegen statistische Kennzahlen
Abb. 27-1: Übersicht über die Projekt-Teilbereiche des Kooperationsvorhabens KLIWA, Stand: Dezember 2003.
172 H. Bartels et al.: Klima und Wasserwirtschaft promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004
und Trendangaben der Lufttemperatur, des Nieder- Schneedeckendauer und eine Änderung in der
schlags und der Verdunstung vor (Abb. 27-2). Die Er- Schneeschmelze. Man findet einen Rückgang der mitt-
gebnisse zum Langzeitverhalten der Starkniederschlä- leren Anzahl der Tage mit einer Schneedecke in tiefe-
ge und des Schneedeckenregimes sind als regionali- ren und mittleren Höhenlagen (unterhalb von etwa
sierte Punktverteilungen und als Rasterwerte verfüg- 800 m ü. NN) von bis zu 40 %. Gleichzeitig nimmt der
bar. Da noch im Laufe des Jahres 2004 eine Reihe von Niederschlag sowohl im Gebietsmittel als auch in den
Abschlussberichten in der Schriftenreihe KLIWA er- stationsbezogenen Starkniederschlägen regionalspezi-
scheinen wird und zudem einige Kurzberichte bereits fisch im Winterhalbjahr zu. Ursache dafür sind intensi-
im Internet (unter www.kliwa.de) abrufbar sind, kann vere und länger anhaltende Niederschläge. Die Ge-
sich die Ergebniszusammenstellung auf die folgenden bietsniederschläge liefern bei nahezu gleich bleiben-
Aussagen für Süddeutschland beschränken. dem Jahresniederschlag deutliche Zunahmen im mete-
orologischen Winter und Frühjahr und gegenläufig da-
Die Jahresmitteltemperatur 1931 bis 2000 variiert in zu trockenere meteorologische Sommer. Die halb-
den Gebietswerten der 33 Untersuchungsgebiete Süd- jährlichen Höchstwerte der Starkniederschläge zeich-
deutschlands (Abb. 27-2) zwischen 6,4 °C (Illergebiet) nen sich durch eine deutliche Zunahme (bis zu 35 %)
und 9,7 °C (Rhein zwischen Murg und Neckar); der und einer wachsenden Anzahl von Stationen mit
mittlere Jahresniederschlag zeigt Unterschiede in den Trendsignifikanz zu höheren Dauerstufen (von 1 bis 10
Gebietswerten von 720 mm/a (Main zwischen Regnitz Tagen) im hydrologischen Winterhalbjahr aus. Es sind
und Fränkische Saale) bis 1740 mm/a (Illergebiet). regionale Schwerpunkte am Schwarzwald und im
Nordosten Baden-Württembergs sowie in Franken
Entsprechend dem allgemeinen Trend für Mitteleuro- und Teilen des Bayerischen Waldes festzustellen. Zu-
pa ist in den Zeitreihen eine flächendeckende Zunah- sammen mit einem häufigeren Auf- und Abbau der
me der Lufttemperatur zu erkennen. Im Anstieg der Schneedecke in tieferen und mittleren Höhenlagen
Monatsmitteltemperatur ragt das hydrologische Win- wächst das Niederschlagsdargebot (Summe aus Regen
terhalbjahr (November bis April) und dort vor allem und Wasserabgabe aus der Schneedecke) an.
der Dezember mit regionsspezifischen Werten zwi-
schen 1,8 und 2,7 K/mon heraus. Die Temperaturzu- Im hydrologischen Sommerhalbjahr (Mai bis Ok-
nahme im Winterhalbjahr bedingt eine Abnahme der tober) dagegen sind nur geringe bis keine Trendände-
Abb. 27-2: Untersuchungsgebiete (33) und KLIWA-Regionen (9) in Süddeutschland für die Berechnung von Gebietswerten zum Lang-
zeitverhalten hydrometeorologischer Parameter und für den Vergleich mit Klimaszenarien.
promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004 H. Bartels et al.: Klima und Wasserwirtschaft 173
rungen zu beobachten: Tendenziell zeigen sich - mit Niveau einzuschwingen scheint. Diese Veränderungen
Ausnahme des Monats August - trockenere Sommer der Zirkulationstypen spiegeln sich deutlich im Lang-
mit nur einer geringen Zunahme der Lufttemperatur. zeitverhalten der Starkniederschläge wider.
Diese Veränderungen gehen mit einer Umstellung der Die erwähnten Änderungen der hydrometeorologi-
Zirkulationstypen etwa ab Mitte der 60er Jahre einher. schen Größen haben Auswirkungen auf das mittlere
Von besonderem Interesse ist dabei das bevorzugte Verhalten des Gebietswasserhaushalts. Während das
Auftreten von Starkniederschlagsereignissen bei be- Langzeitverhalten der Hochwasserabflüsse bei der
stimmten Zirkulationstypen. In den Abbildungen überwiegenden Anzahl der Pegel noch keine Verände-
27-3a und 27-3b ist daher die relative Häufigkeit von rung der Jahreshöchstabflüsse zeigt, lassen die Abfluss-
Zirkulationstypen bei Starkniederschlagsereignissen zeitreihen in den letzten 30 bis 40 Jahren regional eine
im zeitlichen Verlauf von 1931 bis 2000 aufgetragen. Es Zunahme der Hochwasserabflüsse erkennen. Die mitt-
ist deutlich zu erkennen, dass das Auftreten der jeweils leren monatlichen Hochwasserabflüsse sind im Win-
50 größten Starkniederschlagsereignisse (partielle Se- terhalbjahr ab den 70er Jahren höher als in der Zeit da-
rie) im Vergleich zur Gesamthäufigkeit dieser Wetter- vor (AK KLIWA 2002). Lediglich die Häufigkeit klei-
lagen in Süddeutschland während des hydrologischen nerer Hochwasser hat bevorzugt im Winterhalbjahr
Winterhalbjahrs sehr eng mit dem zonalen Zirkula- gebietsweise zugenommen.
tionstyp - vor allem den zyklonalen Westlagen - ver-
knüpft ist. Das Maximum der Kopplung wird in den Die klimatischen Bedingungen in Süddeutschland mit
60er bis 80er Jahren erreicht und pendelt sich daran Auswirkungen auf den gesamten Wasserhaushalt ha-
anschließend auf einem höheren Niveau ein. Im hydro- ben sich im vergangenen Jahrhundert - insbesondere
logischen Sommerhalbjahr dagegen ist ein Anstieg des während der letzten drei Jahrzehnte - erkennbar ver-
bevorzugten Auftretens von Starkniederschlägen bei ändert. Die Trends überschreiten regionalspezifisch
dem meridionalen Zirkulationstyp - vor allem bei den und interannuell die bisher aus langen Messzeitreihen
Großwetterlagen Trog über Westeuropa und Trog über bekannte natürliche Schwankungsbreite bei einigen
Mitteleuropa - ab den 70er Jahren zu verzeichnen, der Untersuchungsgrößen. Sie legen daher den Einfluss
sich ebenfalls ab den 90er Jahren auf einem höheren des Menschen auf das globale und regionale Klima na-
he, der in der internationalen Klimaforschung grund-
(a) sätzlich nicht mehr in Frage gestellt wird.
durch entsprechende Vorgaben vergleichbar sein, um sind und relativ geringe Abweichungen bei der
sie vor dem Hintergrund des bisherigen Erkenntnis- Verifikation auftreten (GERSTENGARBE et al.
standes über das Langzeitverhalten hydrometeorologi- 2002). Nachteilig wirkt sich aus, dass die Verände-
scher Größen zu bewerten. Wie in Abschnitt 2 be- rungen von Wasserhaushaltsgrößen auf dem Kli-
schrieben, sind von den Niederschlagsänderungen vor ma der Vergangenheit basieren, so dass keine
allem diejenigen im hydrologischen Winterhalbjahr für neuen Extrema und Änderungen im Andauer-
den Hochwasserschutz besonders wichtig. Die Ergeb- verhalten simuliert werden können; Veränderun-
nisse der Klimaszenarien werden als Eingangsgrößen gen in den Zirkulationsmustern bleiben ebenfalls
für Wasserhaushaltsberechnungen verwendet. Sie um- zum Teil unberücksichtigt.
fassen folgende Größen: Niederschlag, Lufttempera- 2. Es werden die vom ECHAM4 prognostizierten
tur, relative Luftfeuchte, Luftdruck, Globalstrahlung (weniger sicheren) Zirkulationsmuster bzw. Wet-
oder Sonnenscheindauer und Windgeschwindigkeit. terlagen verwendet und über eine objektive Wet-
terlagenklassifikation statistisch mit den bis-
Die Vergleichbarkeit der Szenarien wurde durch fol- herigen Beobachtungen/Messungen verknüpft
gende Vorgaben erreicht: (ENKE 2003).
- Alle regionalen Modelle nutzen Ergebnisse des glo- Dabei können neue Extrema mit veränderter
balen Klimamodells ECHAM4 des Max-Planck-In- Dauer gefunden werden; die Verifikation zeigt
stituts für Meteorologie in Hamburg (MPI) für das geringe Abweichungen. Von Nachteil ist, dass
Emissionsszenario B2, weil letzteres eine eigenstän- großräumige Zirkulationsveränderungen, wie
dige europäische Umweltgesetzgebung und Um- z. B. die ausgeprägte Zunahme der Westwetterla-
weltpolitik zulässt. gen im ECHAM4, auch im regionalen Skalenbe-
- Die Güte der regionalen Simulationen wird durch reich verstärkt auftreten und somit die Nieder-
Vergleich mit und Anpassung an Mess- und Beob- schlagsverteilungen gleichen Wetterlagentyps
achtungsdaten von 1971 bis 2000 überprüft. Da- identisch sind.
durch werden die veränderten Bedingungen der 3. Es werden alle vom ECHAM4 prognostizierten
jüngsten Vergangenheit berücksichtigt. Im parallel und mit Unsicherheiten verbundenen Größen als
durchzuführenden Kontrolllauf wird der Einfluss Antrieb für das doppelt genestete regionale Kli-
des globalen Klimamodells (ECHAM4) für die glei- mamodell REMO (1/6 Grad) eingesetzt (JACOB
che Zeitreihe sichtbar. Mit Hilfe des Kontrolllaufs und BÜLOW 2003).
werden aber auch die Differenzen zum vorgesehe- Die dynamische regionale Klimamodellierung ist
nen Szenarienzeitraum bestimmbar, wodurch syste- das prinzipiell am besten geeignete Instrument
matische Fehler des ECHAM4 zum Teil ausge- zur Ermittlung zukünftigen Klimas, wobei zusätz-
glichen werden können. lich eine höhere zeitliche Auflösung möglich ist.
- Für den Zeitraum 1951 bis 2000 werden geprüfte lü- Die bisherigen Ergebnisse sind jedoch noch un-
ckenlose und homogenisierte Datensätze von rund befriedigend, weil eine Reihe ungelöster Fragen
75 Klimastationen und 450 Niederschlagsstationen weitere Entwicklungsarbeiten erforderlich ma-
bereitgestellt. chen; z. B. bei der verbesserten Simulation des
- Für die Verifikations- und Validierungsläufe werden Wasserkreislaufs sowie dessen Jahresgang und
statistische Kennzahlen zu den Mittel- und Extrem- interannuelle Variabilität in der Atmosphäre
werten sowie zum Andauerverhalten der oben ge- (Wasserdampf, Wolkenwasser) und am Boden
nannten hydrometeorologischen Größen festge- (Schnee, Bodenwasser, Grundwasser, Abfluss).
schrieben.
- Für den Vergleich der Regionalmodelle wird ein Die Punktergebnisse der beiden statistischen Verfahren
einheitlicher, in der näheren Zukunft liegender (PIK und Meteo-Research) zur Ermittlung von Klima-
Zeithorizont von 2021 bis 2050 festgelegt. szenarien für 2021 bis 2050 wurden in regionalisierte
- Die Ergebnisse der Modellrechnungen sind als Ta- Zeitreihen täglicher Werte für Rasterfelder umgerech-
geswerte bereitzustellen. Ausnahme ist die Model- net. Die Ergebnisse des regionalen dynamischen Mo-
lierung des MPI, die Stundenwerte liefern kann. dells (MPI) liegen als Zeitreihen stündlicher Werte in
Form von Rasterwertdateien (etwa 18 km x 18 km) vor.
Die ausgewählten Klimamodelle und statistischen Ver- Um diesen Unterschieden in den Ausgabedatensätzen
fahren unterscheiden sich in den vom Klimamodell der Klimaszenarien-Berechnungen sowie den darin
ECHAM4 benötigten Eingaben auf folgende Weise: enthaltenen Unsicherheiten Rechnung zu tragen, wur-
den einfache und robuste Verfahren zur Regionalisie-
1. Das statistische Downscaling nutzt nur die vom rung der Klimaszenarien gewählt. Zum Vergleich wur-
ECHAM4 prognostizierte (relativ sichere) Tem- den zunächst die in Abb. 27-2 dargestellten - aus den 33
peraturverteilung und stellt einen Zusammen- Untersuchungsgebieten abgeleiteten und zusammen-
hang mit den bisherigen Beobachtungen und gefassten - neun KLIWA-Regionen für Süddeutsch-
Messungen her. land definiert und Mittelwerte der Temperatur und des
Der Vorteil besteht darin, dass die systematischen Niederschlags für 2021 bis 2050 von allen drei Model-
Fehler des ECHAM4 auf ein Minimum reduziert lierergruppen eingetragen und gegenübergestellt.
promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004 H. Bartels et al.: Klima und Wasserwirtschaft 175
(a)
Wie aus den Untersuchungen zum
Langzeitverhalten der hydrometeo-
rologischen Größen hervorgeht, tre-
ten in den Jahren 1971 bis 2000 ne-
ben den positiven Temperaturver-
änderungen vor allem auch die
Niederschlagszunahmen im hydro-
logischen Winterhalbjahr hervor.
Im hydrologischen Sommerhalbjahr
erweitert sich die Bandbreite der
drei verschiedenen Modellergeb-
nisse erheblich. Die Ursachen liegen
in der hohen zeitlichen und räum-
lichen Variabilität konvektiver
Niederschläge. Diese führen sowohl
bei der Übertragung der Punktmes-
Abb. 27-4: Vergleich der Ergebnisse aus Szenarien-Berechnungen - Differenz (in %)
sungen eines Bodenniederschlags-
zwischen Szenarium für 2021 bis 2050 und Messungen oder Kontrolllauf von messnetzes auf die Fläche zu erhöh-
1971 bis 2000 für den Niederschlag im hydrologischen Winterhalbjahr von (a) ten Unsicherheiten bei der Erfas-
PIK, (b) Meteo-Research und (c) MPI. sung des heutigen Klimas und erst
176 H. Bartels et al.: Klima und Wasserwirtschaft promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004
Tab. 27-2: Kenndaten der im Pro- Name Räumliche Anzahl Land- Verdunstungsansatz Anwendungsgebiet
jekt KLIWA benutzten Auflösung nutzungseinheiten
hydrologischen Modelle. LARSIM 1 km x 1 km 16 PENMAN-MONTEITH Baden-Württemberg flächendeckend
LARSIM 18 km x 18 km 14 PENMAN-MONTEITH/ Rhein bis zur deutsch-
THOMPSON et al. (1981) niederländischen Grenze
ASGi 1 km x 1 km bis zu 20 PENMAN-MONTEITH, u. a. oberer Main,
WENDLING, HAMON Regnitz, Naab
HBV-SMHI ~1000 km2 2 FAO-Gras-Referenz- Rhein bis zur deutsch-
verdunstung klimatologisch, niederländischen Grenze
WENDLING (1995)
Rhein
Neckar
(a)
Oberes Maingebiet
R. SAUSEN
liche (konsistente) Entwicklungspfade, ohne Aussagen 1992 waren etwa 1,2 ppmv des atmosphärischen CO2
über die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens eines be- durch den Luftverkehr verursacht. Das sind 1,6 % des
stimmten Szenarios zu machen. In IPCC (1999) wird anthropogenen Anstieges (76 ppmv) seit 1800. Gemäß
eine größere Anzahl solcher Szenarien vorgestellt, für Szenario Fa1 wird der Beitrag des Luftverkehrs bis
eine Untermenge wurde die zu erwartende Klimaän- 2050 auf etwa 6,3 ppmv anwachsen (2,9 % des anthro-
derung abgeschätzt. Wir werden uns hier auf ein Bei- pogenen Anstieges gemäß dem Szenario IS92a). Der
spiel konzentrieren, auf Szenario Fa1 (Abb. 28-1); hier Strahlungsantrieb des CO2 aus dem Luftverkehr liegt
nimmt der Verkehr von 1992 bis 2050 um einen Faktor bei 0,018 bzw. 0,074 W/m2 für 1992 bzw. 2050 (PRA-
6,4 zu, wenn man das Transportvolumen (in Personen- THER und SAUSEN 1999). Zum Vergleich: Das ge-
kilometern bzw. Frachttonnenkilometern) betrachtet. samte anthropogene CO2 verursacht einen Strahlungs-
Die mittlere jährliche Wachstumsrate liegt bei 3,1 %. antrieb von 1,5 (1990) bzw. 3,8 W/m2 (2050), jeweils
Wegen der Einführung effizienterer Flugzeuge und gegenüber dem vorindustriellen Niveau.
verbesserter Flugverkehrsmanagementsysteme wach-
sen die CO2-Emissionen nur um 1,7 % jährlich; das
entspricht einer Zunahme um den Faktor 2,7 von 1992 4.2 Ozon
bis 2050. Dieses Luftverkehrs-Szenario ist konsistent
mit dem Hintergrund-Szenario IS92a (IPCC 1992) für Die Stickoxidemissionen des Luftverkehrs führen
alle anthropogenen Beiträge. Auch das in Abb. 28-1 wegen photochemischer Reaktionen zu einer Erhö-
dargestellte Luftverkehrs-Szenario Eab sowie einige hung der Ozonkonzentration, im Wesentlichen im Be-
weitere sind konsistent zu IS92a. reich der Tropopause der Nordhemisphäre (DAME-
RIS et al. 1998). Dort erreichte der Zuwachs 1992 etwa
3 % des Hintergrundwertes, bis zum Jahr 2050 wird der
Beitrag des Luftverkehrs auf mehr als 6 % des Hinter-
grundwertes anwachsen. Die mittlere Zunahme der
Ozonkonzentration auf der Nordhemisphäre hängt in
Treibstoffverbrauch in Gt C/a
Jahren hat, ist es weitgehend homogen verteilt und der eine merkbare Zunahme der Kondensstreifenbede-
zugehörige Strahlungsantrieb zeigt nur eine geringe ckung: global werden 0,5 % erreicht (GIERENS et al.
Abhängigkeit von der geographischen Breite im 1999); die Werte für Europa und die USA betragen
Gegensatz zum Strahlungsantrieb des zusätzlichen dann 4,6 % bzw. 3,7 %. Die zugehörenden Strahlungs-
Ozons. antriebe liegen bei 0,02 bzw. 0,1 W/m2 für 1992 bzw.
2050 (MINNIS et al. 1999).
sehr lange (Stunden) existieren und sich in „natürli- densstreifen von ähnlicher Größe; der Beitrag von
che“ Zirren (sogenannter „Contrail-Cirrus“) umwan- CH4 ist ebenfalls von der gleichen Größenordnung,
deln können, denen man ihre Entstehungsgeschichte aber negativ. Alle übrigen Beiträge sind mindestens ei-
nicht mehr ansieht (MINNIS et al. 1998). Kürzlich ge- ne Größenordnung kleiner.
lang MANNSTEIN und SCHUMANN (2004) eine
obere Abschätzung der Strahlungswirkung durch Con- Nach IPCC (1999) beträgt der gesamte (global
trail-Cirrus: Diese Grenze ist etwa zehnmal so groß gemittelte) Strahlungsantrieb des Luftverkehrs
wie der Strahlungsantrieb durch linienförmige Kon- +0,05 W/m2 für 1992 und +0,19 W/m2 für 2050 (gemäß
densstreifen. Der wahre Wert des Strahlungsantriebes Szenario Fa1), d. h. der luftverkehrsbedingte Strah-
durch Contrail-Cirrus dürfte zwischen null und dieser lungsantrieb wächst um den Faktor 3,8 im betrachteten
oberen Grenze liegen (siehe auch Abb. 28-4). Zeitraum. Die Werte für alle anthropogenen Beiträge
liegen bei 1,4 W/m2 für 1990 und 3,8 W/m2 für 2050
Außerdem verändern die von den Flugzeugen emit- (Szenario IS92a); der Steigerungsfaktor liegt hier bei
tierten Aerosole die atmosphärische Aerosolkonzen- 2,7. Damit wächst der relative Beitrag des Luftverkehrs
tration und können auch die optischen Eigenschaften von 3,5 % auf 5,1 %. Beim Luftverkehrsszenario Eab
der Wolken modifizieren. Gegenwärtig kann dieser Ef- (siehe Abb. 28-1), das von einem schnelleren Wachs-
fekt jedoch noch nicht quantifiziert werden, da weder tum des Verkehrs ausgeht, wird 2050 ein Luftverkehrs-
Beobachtungen noch Modellsimulationen einen ver- anteil von etwa 10 % erreicht.
lässlichen Aufschluss geben. Schätzungen reichen von
einem vernachlässigbaren Effekt bis zu einem Strah-
lungsantrieb, der deutlich größer ist als der durch die Strahlungsantrieb in mW/m2 1992 (IPCC, 1999)
2000 bezogen auf IPCC (1999)
(linienförmigen) Kondensstreifen verursachte. 2000 (TRADEOFF, 2003, Mittel)
dass der Luftverkehr von 1992 bis 2000 stärker wuchs 5 Grenzen des Konzeptes „Strahlungsantrieb“
als in dem Szenario, das den IPCC-Zahlen zugrunde
liegt. TRADEOFF kam zu einem etwas geringeren Der im vorherigen Abschnitt durchgeführte Vergleich
Beitrag aufgrund des Methanabbaus durch NOx vom der individuellen Beiträge des Luftverkehrs zur an-
Luftverkehr. Die anderen Beiträge unterscheiden sich thropogenen Klimaänderung beruht auf der Annah-
nicht signifikant von den IPCC-Abschätzungen. me, dass der Strahlungsantrieb für jede Störung des
Wegen des geringeren Beitrags durch Kondensstreifen Klimasystems ein guter Prädiktor für die zu erwarten-
ist der gesamte vom Luftverkehr bedingte Strahlungs- de Temperaturänderung ist. Eine grundlegende An-
antrieb für 2000 kleiner als man aufgrund der IPCC- nahme hierfür ist die annähernde Konstanz des Klima-
Abschätzungen erwartet hätte. sensitivitätsparameters λ in Gleichung (28-1). Die Stu-
dien von HANSEN et al. (1997) und PONATER et al.
Setzt man die hier vorgestellten totalen Strahlungsan- (1999) begründeten Zweifel an der universellen Gül-
triebe in Relation zum Strahlungsantrieb nur aufgrund tigkeit dieser Annahme. PONATER et al. (1999) und
des CO2, so kann man konstatieren, dass der gesamte STUBER et al. (2001a) zeigten, dass das Klima auf
Strahlungsantrieb des Luftverkehrs etwa 2 bis 4 mal so luftverkehrsbedingte Ozonstörungen empfindlicher
groß ist, wie es seinen CO2-Emissionen entspräche. reagiert als auf eine homogene CO2-Änderung, d. h.
für luftverkehrsbedingte Ozonstörungen ist der Klima-
Die hier gezeigten verschiedenen Abschätzungen für sensitivitätsparameter λ größer als „normal“.
den gesamten luftverkehrsbedingten Strahlungsan-
trieb enthalten alle nicht den Beitrag aufgrund des Um diesen Effekt zu verstehen, wurden mit dem Mo-
Contrail-Cirrus (und anderer luftverkehrsbedingter dell ECHAM4/MLO (hier ist das Atmosphären-Mo-
Effekte auf „natürliche“ Zirren). Für diesen Beitrag dell ECHAM4 mit einem thermodynamischen Modell
sind bislang nur obere Grenzen bekannt. Im Extrem- der ozeanischen Deckschicht gekoppelt) die Reaktio-
fall könnte der luftverkehrsbedingte Strahlungsantrieb nen auf räumlich inhomogene Störungen der Ozon-
deutlich größer sein als in Abb. 28-4 angegeben. (Man konzentration systematisch untersucht (SAUSEN
beachte, dass innerhalb von TRADEOFF zwei obere 2001; STUBER et al. 2001b). In einer ersten Serie von
Grenzen, basierend auf verschiedenen Methoden, er- numerischen Experimenten wurde in den Modell-
mittelt wurden; der größere Wert liegt bei etwa schichten 2-4, 6-8, 10-12 und 16-19 horizontal homoge-
0,1 W/m2.) ne Ozonstörungen eingeführt. Diese Schichten ent-
sprechen der Stratosphäre, der oberen Troposphäre,
der mittleren Troposphäre und der unteren Troposphä-
4.9 Unsicherheiten re (siehe Abb. 28-5 für die vertikale Lage der Schich-
ten). Die Ozonmenge wurde jeweils so gewählt, dass
Die hier vorgestellten Beiträge zum luftverkehrsbe- der zugehörende Strahlungsantrieb (relativ zu einem
dingten Strahlungsantrieb sind mit großen Unsicher- den 1990er Jahren entsprechenden Referenzklima) et-
heiten behaftet. Die Fehlerbalken in Abb. 28-3 geben wa 1 W/m2 beträgt. In einer zweiten Serie wurde bei
jeweils die geschätzten 67 %-Konfidenzintervalle an. gleicher Wahl der Schichten die Ozonstörung auf die
(Die Wahrscheinlichkeit, dass der wahre Wert im ange- nördlichen Extra-Tropen (zwischen 30° N und dem
gebenen Intervall liegt, beträgt 2/3.) Die Konfidenzin- Nordpol) beschränkt. Schließlich wurde noch eine Si-
tervalle der individuellen Beiträge zum Strahlungsan- mulation mit einer betragsmäßig äquivalenten (räum-
trieb wurden mit sehr unterschiedlichen Methoden ab- lich homogenen) CO2-Änderung (RF ≈ 1 W/m2) durch-
geschätzt, potenzielle Fehler bei der Bestimmung des geführt.
Strahlungsantriebes sind nicht unabhängig voneinan-
der und die Fehlerbalken beruhen nicht unbedingt auf Abb. 28-5 zeigt die Werte des Klimasensitivitätspara-
Normalverteilungen. Daher kann nicht ohne weiteres meters λ für die neun betrachteten Fälle. Da der Strah-
ein Konfidenzintervall für den gesamten Strahlungsan- lungsantrieb jeweils bei etwa 1 W/m2 liegt, sähe eine
trieb des Luftverkehrs angegeben werden. Das in Abb. Darstellung der Änderung der mittleren Bodentempe-
28-3 gezeigte Intervall für „Summe“ ist einfach berech- ratur im Gleichgewicht ähnlich aus wie Abb. 28-5. Wie
net als die Wurzel aus der Summe der Quadrate der erwartet liegt der „normale“ Wert (für die äquivalente
einzelnen Konfidenzintervalle, ohne Korrelationen zwi- CO2-Störung) bei etwa 0,8 K/(Wm-2) (punktierte Linie
schen den individuellen Beiträgen zu berücksichtigen. in Abb. 28-5; siehe auch STUBER et al. 2001a). Im Fal-
le horizontal homogener Ozonstörungen (ausgefüllte
Jüngere Forschungsergebnisse (z. B. SAUSEN et al. Balken in Abb. 28-5) hängt der Klimasensitivitätspara-
2004) führten zu einer Reduktion der Unsicherheiten meter λ von der Höhe der Schicht ab, in der sich die
bei den Strahlungsantrieben durch O3, CH4 und (li- Ozonstörung befindet, und λ ist immer signifikant ver-
nienförmige) Kondensstreifen. Bei den in Abb. 28-4 schieden vom „normalen“ Wert. Dieser Effekt ist noch
angegebenen oberen Grenzen für den Strahlungsan- ausgeprägter, wenn man die Resultate für die auf die
trieb durch Contrail-Cirrus ist die Unsicherheit größer nördlichen Extra-Tropen beschränkten Ozonstörun-
als ein Faktor 2 (MANNSTEIN und SCHUMANN gen betrachtet. Besonders große Werte für λ ergeben
2004). sich für Ozonstörungen in der Stratosphäre. STUBER
186 R. Sausen: Luftverkehr und Klima promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004
Modell-Schicht
Flugzeugen auf Bedeckungsgrad und optische Eigen-
Druck in hPa
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6 Schlussbemerkungen port of IPCC Working Groups I and III. [J. E. PENNER, D. H.
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Der Luftverkehr trägt einige Prozent zum anthropoge- (Hrsg.)]. Cambridge University Press, Cambridge, UK, 373 S.
nen Einfluss auf das Klima bei. Sein relativer Beitrag IPCC, 2001:Climate change 2001 - The scientific basis. [J. H.
wird selbst in einer „Business-as-usual“-Welt (wie Sze- Houghton, Y. Ding, D. J. Griggs, M. Nouger, P. J. van der Lin-
nario IS92a) noch zunehmen. Wegen seines indirekten den, X. Dai, K. Maskell und C. A. Johnsin (Hrsg.)]. Cambridge
chemischen Einflusses (Ozonproduktion und Methan- University Press, Cambridge, UK, 881 S.
abbau aufgrund von NOx-Emissionen) und wegen der JOSHI, M., K. SHINE, M. PONATER, N. STUBER, R. SAU-
Anregung von Kondensstreifen und Cirrus ist der ge- SEN, L. LI, 2003: A comparison of climate response to diffe-
samte Strahlungsantrieb des Luftverkehrs etwa zwei- rent radiative forcings in three general circulation models: to-
wards an improved metric of climate change. Climate Dyn. 20,
bis viermal so groß wie man es aufgrund der CO2-
843-854.
Emissionen des Luftverkehrs erwarten würde. Dieser
Effekt wäre zu berücksichtigen, wenn man den Luft- LEE, D. S., R. SAUSEN, 2000: New Directions: Assessing the
real impact of CO2 emissions trading by the aviation industry.
verkehr in den Emissionshandel gemäß dem Kyoto-
Atmos. Environ. 34, 5337-5338.
Protokoll einbezöge (LEE und SAUSEN 2000). Darü-
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188 promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 188-201 (November 2004)
© Deutscher Wetterdienst 2004
L. BENGTSSON
große Schwankungen, je größer die Anzahl der Würfe klären, während derjenige in der 2. Hälfte des 20. Jahr-
ist. In einem gekoppelten System werden beliebig lan- hunderts höchstwahrscheinlich auf anthropogene Ef-
ge und große Auslenkungen durch dämpfende Mecha- fekte zurückzuführen ist.
nismen verhindert. Zusätzlich zur Strömung der At-
mosphäre können auch unregelmäßig vorkommende
Antriebe wie El Niño-Ereignisse in ähnlicher Weise 3.2 Änderungen der Sonnenstrahlung
sehr langfristige Schwankungen anregen. Ich stimme
voll der Sichtweise von WUNSCH (1992) zu, der vor- Der Antrieb von Klimaprozessen durch die Strahlung
schlug, dass stochastischer Antrieb als die Null-Hypo- der Sonne ist, soweit wir es gegenwärtig wissen, sogar
these für Klimaschwankungen bei Zeitskalen von Jahr- in einer Langzeitperspektive bemerkenswert stabil.
zehnten und Jahrhunderten angesehen werden sollte. Die Variabilität kann von der Erdoberfläche aus
wegen der Wolken, der Aerosole, des Ozons, des Was-
Kann ein Klimamodell diese Schwankungen wiederge- serdampfs und anderer Gase nicht genau genug be-
ben? Es sollen dazu Ergebnisse des Hamburger ge- obachtet werden. Beobachtungen von Satelliten aus
koppelten Modells für gegenwärtige Treibhausgaskon- gibt es aber erst seit etwa 25 Jahren. Für diese Periode
zentrationen gezeigt werden (ROECKNER et al. gibt es keinen Trend in der mittleren Abstrahlung, je-
1999). Abb. 29-3 enthält die Ergebnisse eines 300 Jahre doch Variabilität bei kurzen Perioden und im quasi-
langen Modelllaufs für die mittlere oberflächennahe 11jährigen Zyklus. Seine Amplitude beträgt zwischen
Lufttemperatur der nördlichen Erdhälfte zusammen 1 und 2 W/m2, was bei 1367 W/m2 mittlerer Bestrah-
mit der 50-jährig gemittelten. Beim direkten Vergleich lungsstärke eine Schwankung um nur etwa 1 ‰ bedeu-
mit Abb. 29-2 fällt die beinahe identische statistische tet. Diese Amplitude führt zu einem Strahlungsantrieb
Variabilität auf. Es ist deshalb recht wahrscheinlich, von nur etwa 0,2 W/m2, weil ja der Erdquerschnitt nur
dass die interne Variabilität des Klimasystems die be- ein Viertel der Erdoberfläche ist und die Erde 30 %
obachteten Schwankungen vor allem bei Zeitskalen des Angebots zurückstreut. Modellexperimente von
von Jahrzehnten für den Zeitraum 1000 bis 1900 er- CUBASCH et al. (1997) deuten an, dass ein so gerin-
klärt. Das Modell kann jedoch die seit 1900 beobach- ger Antrieb in der Troposphäre mit starker interner
tete Erwärmung von fast 1 K nicht wiedergeben. Ein Variabilität nicht entdeckbar sein sollte, auch weil der
weiterer Modelllauf ohne die Kopplung an den zirku- dämpfende Einfluss des Ozeans hinzukommt.
lierenden Ozean, aber mit einer ozeanischen Deck-
schicht, enthielt dieselbe Langfristschwankung nicht. Die Frage nach längerfristigen Schwankungen der
Das deutet auf gekoppelte Prozesse wie ENSO-Ereig- Sonnenstrahlung ist jüngst heiß debattiert worden. Sol-
nisse, die im Hamburger Modell realistisch wiederge- che Schwankungen werden aus Sonnenfleckenschwan-
geben werden, als Voraussetzung für langfristige kungen erschlossen (EDDY 1976), aus Analogien mit
Schwankungen. Wir können also daraus schließen, dass sonnenähnlichen Sternen und aus Änderungen im Ge-
stochastischer Antrieb mit höchster Wahrscheinlich- halt radioaktiver Isotope in Ablagerungen, die mit der
keit für die beobachteten Schwankungen vor 1900 ver- Sonnenaktivität gekoppelt sein können. CUBASCH et
antwortlich ist. Ähnliche Ergebnisse zeigen auch ande- al. (1997) haben ein Klimamodell mit Daten nach LE-
re Modelle (MANABE und STOUFFER 1997). REI- AN et al. (1995) sowie HOYT und SCHATTEN (1993)
CHERT et al. (2002) haben jüngst die statistische von 1700 bis heute angetrieben. Wie erwartet, folgt das
Struktur der Simulation mit ECHAM4 genutzt, um Modell den langfristigen Schwankungen. Die mittlere
den Rückzug der Gebirgsgletscher bis 1900 als von na- globale Erwärmung für das Jahrhundert von 1893 bis
türlichen Schwankungen dominierten Prozess zu er- 1992 betrug 0,19 bzw. 0,17 K, siehe dazu CUBASCH
(2002). Wenn also die geschätzten Daten der Schwan-
kungen der Strahlkraft der Sonne korrekt sind, dann
können damit bei Zeitskalen bis zu einem Jahrhundert
wenige Zehntel Grad Temperaturänderung erklärt
werden. Das Hauptproblem bleibt das Fehlen von Da-
ten zur langfristigen Änderung der so genannten Solar-
konstante, denn nur für die vergangenen 25 Jahre gibt
es zuverlässige Messungen, die aber keine systemati-
sche Änderung zeigten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit
müssen wir deswegen die Sonne als Haupteinflussfak-
tor für die Erwärmung im 20. Jahrhundert ausschließen.
Abb. 29-3: Simulierte Variation der Temperatur über 300 Jahre mit Vulkan-Aerosole in der Stratosphäre, überwiegend aus
ECHAM4/OPYC3 sowohl für Jahresmittel als auch ei- Schwefelsäure, sind als global klimawirksame Beimen-
ne 50-jährige Mittelung (nach BENGTSSON 2001). gungen vorgeschlagen worden, sofern ausreichend
promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004 L. Bengtsson: Natürliche und anthropogene Antriebe des Klimasystems 191
Schwefeldioxid (SO2) bei einem Vulkanausbruch in die Die Abkühlung der Troposphäre entspricht gut den
Stratosphäre injiziert wird. Der sehr große Ausbruch Beobachtungen, dabei trat sie in allen 6 Modellläufen
des Pinatubo auf der philippinischen Insel Luzon am 15. sehr ähnlich auf. Die Erwärmung in der Stratosphäre
und 16. Juni 1991 schuf die Gelegenheit, den Effekt ist dagegen etwas überbewertet. Der Vulkaneinfluss
ziemlich genau zu quantifizieren. Etwa 14-21 Mill. Ton- dauerte drei bis vier Jahre, wobei er durch den Ozean-
nen SO2 sind dabei in die Stratosphäre emittiert worden einfluss etwas verlängert wurde. Also können in die
(KRUEGER et al. 1995). Die Vulkanwolke bewegte Stratosphäre vordringende Vulkanausbrüche das Kli-
sich mit etwa 20 m/s ostwärts in etwa 3 Wochen um die ma global beeinflussen, der Effekt klingt aber nach
Erde, unter Umwandlung des SO2 in Schwefelsäure dem Abbau der Aerosolschicht in der Stratosphäre
(BLUTH et al. 1992). Einen Monat nach dem Ausbruch rasch ab. Nur eine Serie großer Eruptionen kann daher
war die Aerosolwolke nur im Band zwischen 20° S und die mittlere globale Temperatur über Jahrzehnte und
30° N verteilt, um danach in einigen Monaten global länger erklären, und damit vielleicht Teile der Schwan-
verbreitet zu sein. Radiosonden und Satellitendaten er- kungen über der nördlichen Erdhälfte zwischen 1000
gaben eine mittlere globale Erwärmung in der strato- und 1900 (LINDZEN und GIANNITES 1998). Die ra-
sphärischen Aerosolschicht von etwa 2 K. Die Beobach- sche Erwärmung im 20. Jahrhundert kann keineswegs
tungen zeigten auch eine Kühlung der unteren Tropo- fehlender Vulkanaktivität zugeschrieben werden. Le-
sphäre und der Erdoberfläche um bis zu 0,5 K (DUT- diglich zur Erwärmung bis 1940 könnte die seit Ende
TON und CHRISTY 1992), siehe auch GRAF (2002). des 19. Jahrhunderts bis zu dieser Zeit abnehmende
Vulkanaktivität beigetragen haben. Das bisher wärm-
Es gab mehrere Versuche, den Einfluss des Pinatubo ste Jahrzehnt, von 1991 bis 2000 enthielt sogar den
zu modellieren, z. B. von HANSEN et al. (1997). stärksten Vulkanausbruch des 20. Jahrhunderts.
BENGTSSON et al. (1999) verwendeten dazu das
hochauflösende Hamburger Klimamodell, in das das Ziemlich sicher können wir daher feststellen, dass re-
Vulkanaerosol Monat für Monat, wie über 2 Jahre be- duzierte Vulkanaktivität die rasche und anhaltende Er-
obachtet, integriert wurde. Wie beobachtet, erwärmte wärmung im 20. Jahrhundert nicht verursacht haben
sich die Stratosphäre rasch und auch die Abkühlung in kann. Dieser Prozess der Elimination von Einflussfak-
der Troposphäre konnte festgestellt werden. In Abb. toren führt zum anthropogenen Einfluss als wahr-
29-4 ist der Vergleich des Modells mit den Daten des scheinlichster Ursache.
Mikrowellensondierers auf Satelliten (MSU), in des-
sen Einheiten, für das Mittel aus 6 Realisierungen des
Modells vorgestellt. Die Abbildung zeigt den Verlauf 3.4 Einfluss des Menschen
seit 1979, wobei auch beobachtete Ozonkonzentratio-
nen mit eingegeben worden sind. Der Ausbruch des El In den bewertenden Berichten des Zwischenstaat-
Chichón 1982 ist nicht modelliert worden, weil die zu- lichen Ausschusses über Klimaänderungen (IPCC,
gehörige Aerosolwolke nicht ausreichend genau vor- Intergovernmental Panel on Climate Change) wurden
zugeben war. nicht nur der Antrieb zu Klimaänderungen durch
Treibhausgase, Aerosole und Landnutzungsänderun-
gen seit Beginn der Industrialisierung dokumentiert,
sondern auch seine zeitliche Zunahme. Seit etwa 1850
hat der gemeinsame Antrieb von Kohlendioxid (CO2),
Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O, Lachgas) und
der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) um etwa
50 % des gesamten vorindustriellen Antriebs zugenom-
men, wobei mehr als die Hälfte davon in den vergange-
nen 40 Jahren hinzukam. Trotz der Versuche, Emissio-
nen zu reduzieren, ist es nicht zu vermuten, dass man
weitere 30 % Zuwachs bis zur Mitte dieses Jahrhun-
derts noch vermeiden könnte. Die Wahrscheinlichkeit
für einen noch höheren Anstieg ist recht hoch.
Abb. 29-4: a) Beobachtete Temperatur (gestrichelt) der Atmo- Das IPCC hat auch über die Versuche berichtet, zu-
sphäre, abgeleitet aus der Mikrowellensondiereinheit künftige Konzentrationen der langlebigen Treibhaus-
(MSU) der NOAA-Satelliten für 1979-1997 und b) gase abzuschätzen. Entsprechende Projektionen in
die modellierte Temperatur unter Beachtung des Pi- Klimamodellen basieren auf der Extrapolation der
natubo-Vulkanausbruchs und der stratosphärischen Trends vergangener Jahrzehnte (+ 1 % pro Jahr für das
Ozonverdünnung (durchgezogene Kurve als Mittel
„äquivalente“ CO2), obwohl beachtet werden muss,
aus 6 Simulationen) mit Angabe der Standardabwei-
chungen der Simulationen. Man beachte die systema-
dass die Zuwächse jüngst kleiner waren und näher bei
tischen Veränderungen in der Stratosphäre und die 0,5 % pro Jahr lagen. Zukünftige Methankonzentratio-
hohe Variabilität in der unteren Troposphäre (Kanal nen, beispielsweise, sind sehr schwierig einzuschätzen,
2 LT); nach BENGTSSON et al. (1999). da Quell- und Senkenstärken recht ungenau bekannt
192 L. Bengtsson: Natürliche und anthropogene Antriebe des Klimasystems promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004
sind. So ist der Rückgang der Zuwachsraten des Me- Als Folge des Ungleichgewichts kühlt sich die Strato-
thans bisher unerklärt. Auch die Änderungen im ter- sphäre ab, weil erhöhter CO2-Gehalt die Emission er-
restrischen Kohlenstoffkreislauf sind unsicher. Wird höht. Weil die Temperatur in der Stratosphäre mit der
die terrestrische Biosphäre mehr oder weniger als jetzt Höhe zunimmt, ist die Abstrahlung in den Weltraum
aufnehmen? Bisherige Modellierversuche widerspre- höher als die Absorption der Wärmestrahlung aus nie-
chen sich, schließen aber eine positive Rückkopplung drigeren Schichten. Dies ist in der Tat der Grund für
nicht aus, was zusätzliche Emissionen aus der Biosphä- die Abkühlung der Stratosphäre bei CO2-Zunahme.
re bedeuteten würde. Das durch die Kühlung erreichte neue Strahlungs-
gleichgewicht vermindert die Emission nach unten um
Während der Strahlungsantrieb der langlebigen Treib- etwa 0,2 W/m2, so dass an der Tropopause der Antrieb
hausgase (CO2, CH4, N2O, FCKW) mit einem Fehler un- entsprechend kleiner wird.
ter 10 % bekannt ist, sind alle anderen Antriebe, siehe
Abb. 29-5, weit weniger sicher anzugeben. Das gilt ins- Das System Oberfläche/Troposphäre wird also weiter-
besondere für den indirekten Aerosoleffekt. Der Ein- hin erwärmt, bis wieder ein neues Energiegleichge-
fluss von Landnutzungsänderungen ist ebenfalls sehr wicht erreicht ist. Das dauert sicherlich Jahrzehnte,
ungenau bekannt und realistische Modelluntersuchun- weil die sehr hohe Wärmespeicherfähigkeit des Oze-
gen dazu fehlen bisher. Hauptziel zugehöriger For- ans verzögernd wirkt. Warum erwärmt sich das System
schung muss es daher sein, die Antriebe genauer zu spe- Oberfläche/Troposphäre überhaupt, denn im neuen
zifizieren, speziell derjenigen durch die Aerosolteilchen. Gleichgewicht muss nur die Abstrahlung der unverän-
derten Absorption von Sonnenenergie wieder kom-
pensiert werden? Der Grund ist die Temperaturabnah-
me mit der Höhe in der Troposphäre, was bei CO2-Zu-
nahme zur Abstrahlung aus höheren und somit kälte-
ren Schichten führt. Die erhöhte nach unten gerichtete
Wärmestrahlung erwärmt die Troposphäre und die
Oberfläche so lange, bis der Temperaturanstieg zur
vollen Kompensation der verminderten Abstrahlung
ausreicht (Abb. 29-6). Ohne Temperaturabnahme mit
der Höhe in der Troposphäre gäbe es überhaupt kei-
nen Treibhauseffekt der Atmosphäre.
lative Feuchte im Mittel konstant zu halten scheint, Schnee fast null, weil sie ähnlich hell wie diese Ober-
führt die Erwärmung jedoch zu höherer absoluter flächen sind.
Feuchte und somit weiterer Erwärmung, also einer po-
sitiven Rückkopplung durch Wasserdampf. Interessan- Oberflächenprozesse wie das Schmelzen von Schnee
terweise hat sogar schon ARRHENIUS (1896) diese und Eis bei Erwärmung senken das Reflexionsvermö-
Wasserdampfrückkopplung beachtet. Empirische gen und stoßen eine positive Rückkopplung an, wäh-
Untersuchungen (HENSE et al. 1988; FLOHN und rend Änderungen der Wolkenbedeckung und der Wol-
KAPALA 1989; RAVEL und RAMANATHAN 1989; kenverteilung mit der Höhe positiv wie negativ rück-
GAFFEN et al. 1991; INAMDAR und RAMANA- koppeln können. Andere Rückkopplungen wiederum
THAN 1998) zeigen, dass Temperatur- und Wasser- hängen von der Zirkulationsänderung ab, wie Zugbah-
dampfänderungen positiv korreliert sind, ebenso wie nen und Stabilität der atmosphärischen Schichtung die
dies Modellstudien zeigen (MANABE und WEATHE- Oberflächentemperatur ändern können. Deshalb kann
RALD 1967; MITCHELL 1989). Sowohl einfache Ab- man vom Antriebsmuster nicht auf Klimaänderungen
schätzungen als auch Klimamodelle und empirische in bestimmten Regionen schließen. Das ist der Haupt-
Studien berechnen einen positiven Rückkopplungsfak- grund, warum möglichst realistische Klimamodelle für
tor des Wasserdampfes von 1,3 bis 1,7. Der integrierte eine Untersuchung von Rückkopplungen verwendet
Effekt der Substanz Wasser jedoch, z. B. die Albedore- werden müssen. Der Vergleich der geographischen
duktion bei Erwärmung in bisher schneebedeckten Muster, hier vom Hamburger Modell (ROECKNER
Gebieten, ist noch höher. HALL und MANABE (1999)
entfernten den Effekt von Wasserdampf in ihrem Kli-
mamodell bei einem CO2-Verdopplungsexperiment.
Die mittlere Erwärmung fiel von über 3 K auf wenig
über 1 K. Die einzigen von der positiven Rückkopplung
durch Wasserdampf abweichenden Studien stellt
LINDZEN (1990, 1994) vor, welche einen regional ne-
gativen Rückkopplungseffekt durch den Wasserdampf
nicht ausschließen, als Folge einer Austrocknung der
oberen Troposphäre durch Absinken im Umfeld von
intensivierter hochreichender Konvektion.
et al. 1999), zeigt dies klar (Abb. 29-7). Das Antriebs- 5 Modellergebnisse für Szenarien verschiedener
muster wurde von einem Klimaänderungsexperiment Klimaänderungen
ohne Kopplung an den Ozean übernommen, wobei
Änderungen der Treibhausgase, der Sulfataerosole Numerische Modelle differieren noch beträchtlich bei
und des troposphärischen Ozons seit Beginn der In- vorgegebenem festem Antrieb. Auch bei zeitabhängi-
dustrialisierung vorgeschrieben worden waren (siehe gem Antrieb gilt das, weil die Klimaänderungsrate
Tab. 29-2). Es gibt praktisch keine Korrelation zwi- stark von der Reaktion der Dynamik des gekoppelten
schen Antriebs- und Temperaturänderungsmuster. Ge- Systems abhängt. Die ausgeprägte Erwärmung der
biete mit negativem Nettoantrieb über Eurasien wer- nördlichen Erdhälfte in den vergangenen 25 Jahren ist
den signifikant wärmer. Der Grund dafür ist, dass die mitgeprägt von stärkeren El Niño-Ereignissen und
Erwärmung aus anderen Regionen, z. B. den tropi- stärkerem Westwind über dem Nordatlantik, welche
schen Ozeanen, in die höheren Breiten transportiert beide zu den milderen Wintern über Landgebieten ge-
wird. führt haben (HURRELL 1995).
Folglich sind die Erwärmungsmuster und Nieder- Falls sowohl El Niño-Ereignisse wie stärkere West-
schlagsänderungen sicherlich auch modellabhängig, winddrift unvorhersagbar auf längeren Zeitskalen
wie LE TREUT und MC AVANEY (1999) zeigten. sind, führte das zu langfristigen Differenzen zwischen
Abb. 29-8 unterstreicht dies für 11 „state-of-the-art“- Modellen, auch wenn sie beide Effekte statistisch kor-
Modelle bei einem einfachen CO2-Verdopplungsexpe- rekt aber phasenverschoben enthielten. Andererseits
riment für die Parameter globale mittlere Temperatur könnte es aber auch passieren, dass beide Zirkula-
und Niederschlag. Weiterhin wird daraus klar, dass die tionsanomalien auf den Antrieb mit veränderter Wahr-
Zunahme des Niederschlags weit geringer ist als es die scheinlichkeitsdichteverteilung reagierten und dann
Clausius-Clapeyronsche Gleichung fordert. Der wäre die Zunahme in den jüngsten Jahrzehnten eine
Grund liegt bei der Balance zwischen Verdunstung korrekte Reaktion auf den Antrieb. Wir können es
und Niederschlag, denn erstere ist vom Nettoantrieb noch nicht entscheiden. Einige Modelle deuten eine
an der Oberfläche abhängig. Dieser ist aber häufig erhöhte Westwinddrift in zeitabhängigen Läufen an,
durch erhöhte Lufttrübung geschwächt. Wir müssen andere wie das Hamburger Modell, zeigen keine signi-
daher immer noch mit erheblichen Fehlerbalken, fikante Reaktion. Letzteres deutet auf eine langsame
selbst bei global gemittelten Werten, bei einer Klima- Zunahme der Amplitude von El Niño- und La Niña-
änderung rechnen, und sogar dann noch, wenn der An- Ereignissen hin (TIMMERMANN et al. 1999), was in
trieb genau bekannt wäre. anderen Modellen weniger klar auftritt.
Man hat auch versucht, die Klimareaktion aus Daten Aus dieser Diskussion folgt auch, dass regionale Kli-
der Klimageschichte zu erschließen. LEA (2004) hat maänderungen noch stärker vom gewählten Modell
die CO2-Gehalte aus dem Wostok-Eisbohrkern mit abhängig sind, z. B. weil kleine Zugbahnenverschie-
Oberflächentemperaturdaten im östlichen äquatoria- bungen in globalen Modellen lokal sehr starke Unter-
len Pazifik kombiniert, wobei eine Empfindlichkeit des schiede provozieren können. Dies hat RÄISÄNEN
tropischen Klimas von 4,4 bis 5,6 K für eine CO2-Ver- (1999) unterstrichen, der 12 gekoppelte Modelle spe-
dopplung folgt. Die Empfindlichkeit könnte also noch ziell für Nordeuropa und den östlichen Nordatlantik
höher sein als bisher angenommen. verglich. Allen Modellen eigen ist eine starke Erwär-
mung der Arktis, kaum eine über der Antarktis und
dem südlichen Ozean.
Bezeichnung Experiment und Antrieb Simulationsperiode Tab. 29-3: Modellläufe mit Berücksichtigung
der stratosphärischen Ozon-Ver-
GSO Wie GSDIO mit Messdaten der stratosphärischen 1979-1999
Ozonverteilung, 2 Modellläufe teilung und des Pinatubo-Aus-
bruchs.
GSP Wie GSDIO, aber zusätzlich mit Pinatubo-Ausbruch 1991-1997
GSOP Wie GSDIO mit Messdaten der stratosphärischen 1979-1997
Ozonverteilung sowie Berücksichtigung des
Pinatubo-Ausbruchs
Modelllauf GSOP GSOP GSOP Tab. 29-4: Vergleich dekadischer Temperaturtrends in K seit 1979
(Mittel) (Minimum) (Maximum) für das GSOP-Experiment. (1): Mittelwert von 6 Modell-
Druckniveau (1) (2) (3) läufen, (2) und (3): kleinster bzw. größter dekadischer
50 hPa -0,17 -0,15 -0,17 Temperaturtrend aller Modellläufe. Beim GSOP-Experi-
500 hPa +0,10 +0,02 +0,16 ment wurden zusätzlich zum GSDIO-Experiment noch
850 hPa +0,10 +0,03 +0,15 die Effekte des stratosphärischen Ozons sowie des Pina-
tubo-Ausbruchs berücksichtigt.
Boden +0,12 +0,04 +0,19
Trend, dass es fast keine mittlere globale Erwärmung 6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
mehr gibt.
Beobachtungen zusammen mit theoretischen Studien
In Abb. 29-15 werden die geographischen Muster für und Klimamodellsimulationen erlauben für die ober-
das Ensemblemittel und die Realisierungen maxima- flächennahe Lufttemperatur der nördlichen Erdhälfte
len bzw. minimalen Trends im 50 und 500 hPa Niveau der letzten etwa 1000 Jahre folgende Charakterisie-
sowie an der Oberfläche vorgestellt, wobei jeweils ne- rung: Erstens, eine mit der Milankowitsch-Theorie
ben der Ozonverdünnung in der Stratosphäre auch der konsistente langsame Abkühlung bis 1900 von insge-
Ausbruch des Pinatubo beachtet wurde. Die Abküh- samt 0,2 K. Zweitens, ein rapider Temperaturanstieg
lung der Stratosphäre ist besonders ausgeprägt in den im 20. Jahrhundert, der höchstwahrscheinlich anthro-
hohen Breiten beider Erdhälften, die Erwärmung in pogen ist. Überlagert sind große Schwankungen bei
den Tropen ist eine Folge des Vulkanausbruchs. Im 500 Zeitskalen von Jahren bis mehrere Jahrzehnte, welche
hPa-Niveau gibt es markante Musterverschiebungen höchstwahrscheinlich aus internen Wechselwirkungen
für verschiedene Realisierungen (Läufe) aufgrund ho- folgen. Auch große Vulkanausbrüche tragen dazu bei
her interner Variabilität. Auch an der Oberfläche ver- und können über einige Jahre die Oberfläche kühlen.
schieben sich die Muster. Über Teilen Eurasiens Falls langfristige Schwankungen der Bestrahlungsstär-
(40 - 70° N; 10° W - 135° E) ist die Differenz des Trends ke der Sonne existieren, können diese in ähnlicher
pro Jahrzehnt zwischen wärmster und kältester Reali- Weise langfristige Schwankungen der Temperatur ver-
sierung sogar 0,8 K. Nehmen wir an, dass die wirkliche ursachen.
Atmosphäre sich ebenso verhält, dann kann man aus
Beobachtungen über so kurze Zeitabschnitte keine Wir können auch recht sicher ausschließen, dass die
Aussagen über die globale Klimaänderung machen, bisher noch nicht beobachtete massive Erwärmung im
und noch weniger, falls nur Regionen betrachtet wer- 20. Jahrhundert von natürlichen Prozessen angestoßen
den. worden ist, weil sowohl Amplitude als auch Andauer
zu groß sind, um von einem Modell wiedergegeben zu
Abb. 29-15: Temperaturänderung pro Dekade für 1979-1997 in der Simulation (GSOP), links: für die Erdoberfläche, Mitte: im 500 hPa-
Niveau, rechts: im 50 hPa-Niveau. a) Mittelwert; b) minimale Erwärmung der Troposphäre; c) maximale Erwärmung der Tro-
posphäre. Man beachte die starke Variabilität in hohen nördlichen Breiten.
promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004 L. Bengtsson: Natürliche und anthropogene Antriebe des Klimasystems 199
werden, noch können wir aus den Beobachtungen der Drift auftritt. Simulationen von Klimaänderungen sind
letzten 1000 Jahre Unterstützung für frühere ähnlich daher Störungsrechnungen und wahrscheinlich dann
massive Erwärmungen finden. falsch, wenn die Störungen zu groß werden. Für Simu-
lationen bei doppeltem oder dreifachem CO2-Gehalt
Dass die Erwärmung im vergangenen Jahrhundert an- scheint das jedoch noch keine große Einschränkung zu
thropogen ist, wird auch von vielen Modellstudien ge- sein.
stützt. Gekoppelte zeitabhängige Modellsimulationen,
die von Änderungen der Treibhausgase und der Sulfa- Die so genannte Flussanpassung (flux adjustment), zu-
taerosole angetrieben worden sind, können mindes- erst beschrieben von SAUSEN et al. (1988), ist kriti-
tens den beobachteten langfristigen Temperaturtrend siert und als Beispiel dafür herangezogen worden, dass
im 20. Jahrhundert wiedergeben, wobei es wichtig ist, gekoppelte Modelle, die sie verwenden, weniger glaub-
dass alle Einflussfaktoren berücksichtigt sind. Dies ist würdig seien. Jüngst sind Modellläufe mit signifikant
noch nicht ganz der Fall, weil andere als Sulfataeroso- geringerer Anpassung der Energieflüsse oder ganz oh-
le und in der Atmosphäre gebildete Treibhausgase wie ne sie vorgestellt worden. Mit oder ohne Flussanpas-
Ozon noch nicht voll berücksichtigt worden sind. Auch sung sind die Ergebnisse jedoch sehr ähnlich. Es ist zu
Landnutzungsänderungen als Folge der Landwirt- erwarten, dass die neue Generation der gekoppelten
schaft, der Forstwirtschaft und der Verstädterung sind Modelle, z. B. ECHAM5/MPI-OM in Hamburg, diese
nur unzureichend enthalten. Debatte beendet, weil sie ohne Flussanpassung aus-
kommt.
Sogar wenn Modelle in der Simulation einer Erwär-
mung übereinstimmen, gibt es doch Modellunterschie- Ein herausragendes Problem, welches abschließend
de bezüglich Muster und Geschwindigkeit der Erwär- hier betont werden muss, ist die inhärente stochasti-
mung, was auf die Bedeutung der Rückkopplungen für sche Variabilität der Modelle und - wie ich glaube -
regionale Änderungen von Temperatur, Niederschlag auch der Natur. Rein zufällig können Klimaanomalien
und Zirkulationsmustern hinweist. Noch ist das Mo- Jahrzehnte andauern und regionales Klima signifikant
dellergebnis stärker von Modelleigenschaften als De- beeinflussen. Solche Anomalien werden oft als Klima-
tails des Antriebs bestimmt. Daraus folgt, dass die Mo- änderungen missverstanden, wie nach der Periode von
delle sehr detailliert sein müssen, denn eine systemati- 1930 bis 1940 und erneut nach dem kalten Abschnitt in
sche Schwäche würde ein fehlerhaftes Muster der Kli- den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, als Kli-
maänderungen erzeugen. Mindestens das gegenwärti- maforscher die Möglichkeit eines anhaltenden Wech-
ge Klima und seine Variabilität müssen sie beschreiben sels zu einem viel kälteren Klimaabschnitt vorschlu-
können. Vereinfachte Modelle könnten irreführend gen.
sein. Die gegenwärtigen Modelle leiden noch an unzu-
reichender horizontaler und vertikaler Auflösung, wo- Wir wissen noch nicht, ob Anomalien wie El Niño und
durch Orographie und Küstenlinien sowie Zirkula- die nordatlantische Oszillation sich bei allgemeiner
tionsmuster nicht gut genug aufgelöst bzw. wiederge- Erwärmung systematisch ändern.
geben werden. Das betrifft nicht nur regionale Klima-
simulationen, sondern auch zum Teil die großräumige Zum Schluss soll zur Frage nach der dynamischen Sta-
Zirkulation, weil diese zum Teil von mesoskaligen Wet- bilität des Klimas der Erde zurückgekehrt werden, ob
tersystemen angetrieben wird. also das Klima transitiv oder intransitiv ist. Das wahr-
scheinlichste Ereignis, das den Umschwung in ein an-
Ein weiteres großes Problem ist die Darstellung physi- deres Klimaregime bringen könnte, ist - wenn auch nur
kalischer Prozesse, die vom Modellgitter nicht aufge- regional - die Schwächung bzw. der Stopp der thermo-
löst werden, als da sind Wolken-Strahlungs-Wechsel- halinen Zirkulation des Nordaltantiks. Die Folge wä-
wirkung, hoch- bzw. tiefreichende Konvektion, Turbu- ren niedrigere Temperaturen der Ozeanoberfläche
lenz in Grenzschicht und freier Atmosphäre bzw. im (MAROTZKE und WILLEBRAND 1991). Modelle
Inneren von Ozeanen. Sie sind Beispiele für schwierig haben darauf hingewiesen, dass eine solche Instabilität
zu handhabende Prozesse, weil zum Teil Beobach- angeregt werden könnte durch erhöhte Niederschläge
tungen fehlen sowie manchmal auch das Prozessver- entlang der Zugbahnen nordatlantischer Tiefdruckge-
ständnis. biete oder rasches Schmelzen des südlichen grönländi-
schen Inlandeises. Ob ein solches Ereignis Wirklichkeit
Die Kopplung zwischen Atmosphäre und Ozean ist ein wird, ist ungewiss und viele detailliertere Modellstu-
besonderes Problem. Geringe Änderungen von Wol- dien einschließlich neuer Testdaten sind dazu notwen-
ken und Meereis beeinflussen drastisch den Austausch dig.
von Energie und Wasser. Kleine Fehler in den Modell-
komponenten können als langfristige Klimadrift bei
Integration über Jahrhunderte wieder gefunden wer-
den. Viele Modellierer handhaben dies durch kleine
systematische Korrekturen der Energieflüsse an der
Oberfläche, so dass ohne Klimaänderungen keine
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© Deutscher Wetterdienst 2004
M. HEIMANN
nalen Modelle des ozeanischen Kohlenstoffkreislaufs (1) Physikalische Gesetze beschreiben Transport und
(Ocean Carbon Cycle Models, OCCMs). Diese werden Mischung. Diese lassen sich auf die Grundglei-
eingebettet in ein ozeanisches Zirkulationsmodell. chungen der Hydrodynamik zurückführen und
Wichtige Aspekte der Dynamik des ozeanischen Koh- sind so gut numerisch dargestellt wie im zu Grun-
lenstoffkreislaufs, wie sie sich z. B. bei der Simulation de liegenden Zirkulationsmodell.
der Aufnahme des atmosphärischen Überschuss-CO2 (2) Chemische Gleichgewichtsreaktionen beschreiben
abbilden, hängen daher nicht allein von den spezifi- die Dissoziation der verschiedenen anorganischen
schen Kohlenstoffkomponenten ab, sondern werden Kohlenstofffraktionen und Salze. Diese sind im
zu einem wesentlichen Teil von den Eigenschaften des Allgemeinen sehr gut verstanden und die Reak-
verwendeten Zirkulationsmodells bestimmt. tionskonstanten im Labor oder in situ genau ge-
messen worden.
Abb. 30-2 zeigt schematisch die Prozesse, welche in (3) Die Beschreibung der biologischen Prozesse ba-
heutigen globalen OCCM explizit dargestellt werden siert vorwiegend auf empirischen Untersuchun-
(SIX und MAIER-REIMER 1996). Neben den drei gen. Diese bedingen die größten Unsicherheiten,
marinen Pumpen werden auch Sedimentbildung und da bei einer Szenarienrechnung in einen anderen
-lösung in vereinfachter Form simuliert (ARCHER et Klimazustand implizit angenommen wird, dass sich
al. 2002). Der Kreislauf der Nährstoffe wird meistens die empirischen Beziehungen nicht ändern.
durch einen einzigen, repräsentativen Nährstoff darge-
stellt, der für N oder P steht. Das System der Kontinuitätsgleichungen muss nume-
risch auf dem Gitter des ozeanischen Zirkulationsmo-
In formaler Hinsicht unterliegt jeder Spurenstoff in ei- dells gelöst werden. Als Eingangsgrößen werden Was-
nem OCCM einer dreidimensionalen Kontinuitätsglei- sertemperatur, Salzgehalt, Druck, Strömungsvektor so-
chung. Neben dem gesamten anorganischen Kohlen- wie Mischungsparameter zur Beschreibung von sub-
stoff und der Alkalinität werden für die Darstellung skaliger Diffusion und Konvektion aus dem ozeani-
der Effekte der marinen Biosphäre eine Reihe weite- schen Zirkulationsmodell vorgeschrieben. Für die Be-
rer Stoffe (organischer Kohlenstoff, Phytoplankton, schreibung der marinen Biosphäre müssen zudem das
Zooplankton, POC, DOC, O2, N, u. a. m.) benötigt; so- einfallende Sonnenlicht, und gegebenenfalls die Einträ-
mit ergibt sich ein System von mehr als 9 gekoppelten ge von Nährstoffen durch Wind (z. B. Saharastaub) und
Kontinuitätsgleichungen. Die Umwandlungsprozesse Flüsse vorgeschrieben werden. Die hohe Anzahl der zu
der verschiedenen Spurenstoffe erscheinen dabei als betrachtenden Tracer sowie die unter Umständen auf-
Quellen und Senken. Für diagnostische Zwecke wer- wändige Berechnung der chemischen und biologischen
den meistens noch weitere Tracer mitberechnet, wie Umsatzprozesse bewirkt, dass ein OCCM in den meis-
z. B. Kohlenstoffisotope (13C, 14C) in den verschiedenen ten Fällen mehr Rechenzeit benötigt, als das ozeani-
Kohlenstoffformen. Die Parameterisierungen, welche sche Zirkulationsmodell, in welches es eingebettet ist.
einem OCCM zu Grunde liegen, sind von unterschied-
licher Qualität: Die heutige Entwicklung geht in Richtung einer besse-
ren Darstellung der marinen Biosphäre entweder
durch explizite Darstellung mehrer funktionaler Grup-
pen von marinen Organismen, durch Berücksichtigung
weiterer Attribute des Planktons, wie z. B. verschiede-
ne Größenklassen, oder durch die explizite Beschrei-
bung höherer trophischer Ebenen der marinen Nah-
rungskette. Erste Ergebnisse sind vielversprechend
(AUMONT et al. 2003; MOORE et al. 2002; GREGG
et al. 2003); allerdings werden diese Ansätze erst in der
nächsten Generation von CCCMs Eingang finden. Ein
systematischer Vergleich heutiger ozeanischer Kohlen-
stoffmodelle wurde im Rahmen des Ocean Carbon
Model Intercomparison Project (OCMIP) durchge-
führt (ORR et al. 2001).
Weise die wichtigsten Prozesse, welche in einem mo- in die verschiedenen Pflanzenkompartimente (Blätter,
dernen dynamischen Vegetationsmodell (DGVM) be- Struktureile, Wurzeln usw.) und die Erzeugung von to-
schrieben werden. Pauschal lassen sich die verschiede- tem Pflanzenmaterial (u. a. Blattabwurf) sowie die
nen Prozesse nach ihren charakteristischen Zeitskalen mikrobielle Umsetzungen des Kohlenstoffs zu Humus
in drei Kategorien einordnen. und schließlich zurück in CO2. Für die Darstellung die-
ser Prozesse in DGVM müssen Parameterisierungen
Auf kurzen Zeitskalen verläuft die Aufnahme von CO2 basierend auf empirischen Messungen verwendet wer-
und gleichzeitige Abgabe von H2O bei der Photosyn- den. Viele dieser Prozesse sind neben der lokalen Tem-
these. Diese Prozesse sind unmittelbar mit der lokalen peratur und Feuchte zudem durch das vorliegende
Bilanz von Energie und Wasser an der Erdoberfläche Nährstoffangebot (vor allem Stickstoff und Phosphor)
gekoppelt. Ein wichtiges Steuerelement für den Gas- bestimmt. Eine quantitative, konsistente Berücksichti-
austausch bildet dabei die von den Spaltenöffnungen gung dieser Abhängigkeiten in DGVMs würde daher
abhängige Leitfähigkeit der Blätter, welche durch zusätzlich die explizite Modellierung der Kreisläufe
physiologische Pflanzenprozesse kontrolliert wird. Da von N und P erfordern. Wegen ungenügendem Pro-
die diesem Prozess zu Grunde liegenden Gesetze nicht zessverständnis und zur Begrenzung der Komplexität
aus einer allgemeinen Theorie quantitativ abgeleitet werden diese jedoch in der Darstellung der terrestri-
werden können, wird die stomatäre Leitfähigkeit in schen Biosphäre in heutigen CCCMs vernachlässigt
Abhängigkeit von Umweltgrößen wie Lufttemperatur oder nur implizit berücksichtigt, z. B. durch die Annah-
und Feuchte, verfügbarem Wasser sowie der aktuellen me, dass Nährstoffe in jedem Falle unbegrenzt vorlie-
Photosynthese basierend auf empirischen Messungen gen, oder dass nährstoffbedingte Begrenzungen des
parameterisiert (SELLERS et al. 1997; COLLATZ et Wachstums in spezifischen Ökosystemen aus empiri-
al. 1991). Die Photosynthese selbst lässt sich durch bio- schen Daten vorgeschrieben werden.
chemische Grundgesetze angenähert beschreiben
(FARQUHAR et al. 1980). Die Gesamtheit dieser Über noch längere Zeiträume gesehen sind Änderun-
schnellen Prozesse wird oft auch biophysikalische gen der Pflanzenzusammensetzung sowie deren geo-
Rückkopplung genannt. Sie ist in vielen modernen at- graphische Ausbreitung zu berücksichtigen - Wechsel-
mosphärischen Zirkulationsmodellen bereits als Teil wirkungen dieser Art mit dem Klimasystem werden als
des Landoberflächenschemas enthalten, wie z. B. beim biogeographische Rückkopplungen bezeichnet. In
amerikanischen SIB2-Modell (SELLERS et al. 1997) DGVMs geschieht dies durch die Darstellung der Ve-
oder beim Oberflächenschema, das im zukünftigen getationszonen als Zusammensetzung verschiedener
Hamburger ECHAM5-Klimamodell eingebaut wird, funktionaler Pflanzentypen („Plant Functional Types“,
basierend auf dem Modell von BETHY (KNORR und PFT). Wachstum und Ausbreitung der PFTs wird si-
HEIMANN 2001). muliert durch vorgeschriebene PFT-spezifische Ab-
hängigkeiten gegenüber Umweltbedingungen sowie
Auf längeren Zeitskalen sind biogeochemische Prozes- durch den Wettbewerb mit anderen PFT um Res-
se zu betrachten. Hierzu gehört das Wachstum der sourcen, wie z. B. Wasser und Licht (SITCH et al.
Pflanzen durch Einbau des assimilierten Kohlenstoffs 2003). Eine wichtige Rolle spielen dabei Störfaktoren
wie z. B. Feuer, welche die Verbrei-
tung vorherrschender PFT reduzie-
ren können, um damit anderen PFT
die Gelegenheit zu geben, sich tem-
porär oder bei geändertem Klima
auch langfristig durchzusetzen.
(MCGUIRE et al. 2001) bis hin zu der Beschreibung der Simulation mit in situ Beobachtungen, die auch be-
des Austauschs von CO2 und H2O an einzelnen Stand- reits mit partiell gekoppelten Modellen durchgeführt
orten während eines Jahres (SITCH et al. 2003). werden können, gibt es eine Reihe von regionalen und
globalen Tests, welche eine Bewertung der Qualität ei-
Dennoch ist die Beschreibung der terrestrischen Bio- nes Modells erlauben. Wie bei allen Experimenten zur
sphäre in den heutigen DGVMs in vielen Aspekten Überprüfung von komplexen Modellen stellen sie
noch unbefriedigend. Bereits oben wurde das Fehlen allerdings nur einen notwendigen, aber nicht hinrei-
einer expliziten Darstellung der Nährstoffkreisläufe in chenden Test dar, da immer nur ein bestimmter Aspekt
den DGVMs angesprochen. Obwohl plausibel als er- der Modelldynamik erfasst wird.
ster Ansatz, berücksichtigt das Konzept der PFT nicht
weitergehende Fragen wie z. B. diejenige nach der Rol- Quellen und Senken des CO2 an der Erdoberfläche er-
le von Biodiversität, welche für die Stabilität von Öko- zeugen raumzeitliche Variationen der atmosphäri-
systemen unter sich veränderndem Klima von großer schen CO2-Konzentration. Wegen der starken Durch-
Bedeutung sein könnte. Daneben fehlt in heutigen mischung der Atmosphäre werden diese Signale inte-
DGVMs eine explizite Darstellung der Altersstruktur griert und spiegeln daher das großräumige Quellen-
von Ökosystemen, welche ebenfalls die Vegetationsdy- und Senkenmuster wider. Die Simulationsergebnisse
namik signifikant beeinflusst. Noch weitgehend unbe- von CCCM lassen sich daher anhand von Beobach-
rücksichtigt sind ferner alle möglichen direkten und in- tungen von atmosphärischen CO2-Konzentrationsvari-
direkten Einwirkungen durch menschliche Aktivitäten ationen überprüfen. Hierzu muss allerdings das atmo-
(Landnutzung, Landnutzungsänderungen und -ma- sphärische CO2 im Atmosphärenmodell als eigenes,
nagement). 83 % aller Landflächen der Erde und sogar dreidimensionales Tracerfeld mitgerechnet werden. Ei-
98 % aller Landflächen, auf denen potenziell Reis, ne zusätzliche Schwierigkeit ergibt sich aus dem Um-
Weizen oder Mais angebaut werden könnte, unterlie- stand, dass die Atmosphäre die Summe aller CO2-
gen bereits heute signifikant menschlichen Einflüssen Quellen und -Senken widerspiegelt. In der Nordhemi-
(SANDERSON et al. 2002). Dies hat gravierende Aus- sphäre sind dies auch die Emissionen von CO2 aus der
wirkungen auf Vegetationsdynamik, Kohlenstoffum- Verbrennung von fossilen Energieträgern, während in
satzraten und -speicherung in der Landbiosphäre. den Tropen auch die Emissionen aus Änderungen der
Landnutzung eingehen, welche in den heutigen
CCCM-Simulationen noch nicht berücksichtigt wor-
3 Kopplung, Initialisierung und Überprüfung den sind. Ein herausragendes atmosphärisches Signal
stellt der Jahresgang dar, der insbesondere in der
Die Kopplung von Komponentenmodellen des Koh- Nordhemisphäre sehr ausgeprägt die jahreszeitliche
lenstoffkreislaufs zu einem globalen CCCM ist im Aktivität der Landbiosphäre widerspiegelt und damit
Prinzip relativ einfach. Die meisten OCCM sind im ein wichtiges Diagnosemittel darstellt (HEIMANN et
Normalfall bereits eingebettet in ein OGCM entwi- al. 1998).
ckelt worden. Obwohl das etwas schwieriger ist, kann
auch die neueste Generation von DGVM mit Wetter- Der wohl kritischste Test einer gekoppelten CCCM-Si-
daten aus einem atmosphärischen Zirkulationsmodell mulationsrechnung über die historische Periode ergibt
angetrieben werden. Die Rückkopplung vom Kohlen- sich aus dem Vergleich des simulierten CO2-Konzen-
stoffkreislauf auf das Klimasystem erfolgt über das at- trationstrends mit Beobachtungen aus Eiskernen und
mosphärische CO2, welches als neue prognostische Va- den direkten Messungen seit 1959 von Mauna Loa und
riable eingeführt werden muss. Über die Schwierigkei- dem Südpol. Die kritische Modellgröße ist dabei die so
ten bei der Implementation der Rückkopplungseffek- genannte „Airborne Fraction“, d. h. der in der Atmo-
te zwischen Vegetation und Atmosphäre berichtet sphäre verbleibende Teil einer CO2-Emission. Be-
CLAUSSEN (2003). obachtet wird ein Wert von etwa 0,44, der allerdings
mit relativ hohen Unsicherheiten behaftet ist, da ins-
Da sowohl der ozeanische wie auch der terrestrische besondere die Emissionen aus Änderungen der Land-
Kohlenstoffkreislauf eine lange Einstellungszeit nutzung nur sehr ungenau bekannt sind. Da diese
(>1000 bzw. >500 Jahre) benötigen, werden die einzel- Emissionen in den heute vorliegenden CCCM-Simula-
nen Komponenten zunächst entkoppelt mit vorge- tionen nicht oder nur pauschal berücksichtigt wurden,
schriebenem atmosphärischen CO2 durch separate steht dieser harte Test noch aus.
Einschwingsimulationen initialisiert. Danach wird zu
einer dynamischen CO2-Konzentration übergegangen.
In den beiden heute vorliegenden Simulationen mit 4 Erste Simulationsergebnisse
CCCMs stellte sich ohne Flusskorrektur eine relativ
stabile CO2-Konzentration im Kontrolllauf heraus Bis heute (2003) wurden zwei Szenarienrechnungen
(COX et al. 2000; DUFRENE et al. 2002). des globalen Wandels über den Zeitraum 1850-2100
mit CCCM durchgeführt und publiziert: mit dem Had-
Es existiert eine Vielzahl von Möglichkeiten, um ge- ley Centre Modell des englischen Wetterdienstes
koppelte CCCM zu überprüfen. Neben dem Vergleich (HADLEY: COX et al. 2000) sowie mit dem französi-
208 M. Heimann: Erste Kopplung von Modellen des Klimas und des Kohlenstoffkreislaufs promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004
schen Modell des Institut Pierre Simon Laplace in Pa- (feine Linien), wie im gekoppelten Lauf (fette Linien).
ris (IPSL: DUFRESNE et al. 2002). Die Resultate wer- Die IPSL-Simulation benutzte etwas höhere Emissio-
den im Folgenden dargestellt und verglichen. Beiden nen (integriert 1850-2100: 2220 PgC gegenüber der
Modellsimulationen liegen vergleichbare Randbedin- Hadley-Simulation mit 1880 PgC). Beide Simulationen
gungen zu Grunde, die im Wesentlichen nur aus den weisen im ungekoppelten Fall fast denselben atmo-
vorgeschriebenen CO2-Emissionen aus der Verbren- sphärischen CO2-Verlauf auf mit einem Endwert von
nung fossiler Energieträger bestanden. Änderungen etwa 700 ppm in 2100. Die etwas höheren Emissionen
der Landnutzung wurden nicht berücksichtigt, und die in der IPSL-Simulation werden durch eine etwas hö-
simulierte Vegetation bestand nur aus potenzieller na- here Ozeanaufnahme kompensiert (s. unten). Die ge-
türlicher Vegetation unter Vernachlässigung von Land- koppelten Simulationen weisen hingegen dramatisch
wirtschaft. In beiden Studien wurden neben einem unterschiedliche globale Ergebnisse auf: Beim IPSL-
Kontrolllauf eine ungekoppelte und eine gekoppelte Modell ergibt sich eine moderate CO2-Erhöhung ge-
Simulation durchgeführt. In der ungekoppelten Rech- genüber dem ungekoppelten Lauf mit einem Endwert
nung wurde dem physikalischen Klimasystem ein kon- in 2100 von etwa 750 ppmv. Demgegenüber ergibt die
stanter, vorindustrieller Wert der atmosphärischen gekoppelte Hadley Simulation einen wesentlich stär-
CO2-Konzentration vorgeschrieben und damit die keren CO2-Anstieg in der Atmosphäre auf ungefähr
Kohlenstoffaufnahme in Ozean und Landbiosphäre im 1000 ppmv. Diese unterschiedlichen atmosphärischen
Kontrollklima berechnet. In der gekoppelten Simula- CO2-Verläufe in den gekoppelten Simulationen spie-
tion wurde dann das volle CCCM mit den vorgeschrie- geln sich auch in der simulierten Erhöhung der global
benen Emissionen angetrieben. gemittelten Lufttemperatur in Oberflächennähe wi-
der: Diese steigt in der IPSL-Simulation um +3 K bis
zum Jahre 2100 gegenüber +5 K in der gekoppelten
4.1 Globale Ergebnisse Hadley-Simulation.
Abb. 30-4 zeigt die vorgeschriebenen Emissionen, den Worauf sind diese beiden sehr verschiedenen Simula-
resultierenden atmosphärischen CO2-Konzentrations- tionsergebnisse zurückzuführen? Abb. 30-5 zeigt die
verlauf sowie die global gemittelte Lufttemperatur in berechnete, global integrierte CO2-Aufnahme in Oze-
Oberflächennähe in den beiden Simulationen. Darge- an und in der Landbiosphäre, sowohl für die ungekop-
stellt sind sowohl die Ergebnisse im ungekoppelten pelte als auch die gekoppelte Rechnung.
(a)
Emission in Pg C/a
CO2-Aufnahme in Pg C/a
(b)
CO2-Konzentration in ppm
CO2-Aufnahme in Pg C/a
(c)
Lufttemperatur in °C
(a)
Beide Modelle unterscheiden sich im ungekoppelten
Falle bezüglich der Ozeanaufnahme. Im gekoppelten
Fall erhöht sich in beiden Modellen die Ozeanaufnah-
me. Dies ist in erster Linie durch die höheren atmo-
sphärischen CO2-Konzentrationen im gekoppelten
Lauf verursacht, welche eine erhöhte Partialdruckdif-
ferenz zwischen Oberflächenozean und Atmosphäre
erzeugen und damit einen etwas größeren CO2-Fluss
in den Ozean. Bezüglich der Landbiosphäre unter-
scheiden sich die beiden Modelle in der ungekoppelten
(b)
Rechnung nur geringfügig. Im gekoppelten Fall jedoch
zeigt sich ein stark unterschiedliches Verhalten in der
Simulation nach etwa 2020: In der Simulation mit dem
IPSL-Modell ergibt sich eine etwas verringerte CO2-
Aufnahme, während in der Hadley-Simulation die Auf-
nahme durch die Landbiosphäre stark zurückgeht und
in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts sogar zu ei-
ner zusätzlichen CO2-Quelle wird.
beitsgruppe gezeigt (COX et al. 2000). Eine ähnliche me ∆C der CO2-Konzentration als Folge einer Emis-
Überprüfung lässt sich für die Temperaturerniedrigung sion lässt sich schreiben als
nach dem Ausbruch des Pinatubo 1991 und der beob-
achteten damit einhergehenden reduzierten atmo- ∆C = gQ (1)
sphärischen CO2-Anstiegsrate durchführen. Beide
Tests bestätigen das Hadley-Modell, sind allerdings Die sogenannte „Airborne Fraction“ charakterisiert
nicht hinreichend. Zum einen basiert die Analyse dabei die Sensitivität des Kohlenstoffkreislaufs auf ei-
interannuärer Variationen auf relativ kurzer Zeitskala. ne Störung. Sie spiegelt die Gesamtheit der verschie-
Zudem wird angenommen, dass die beobachtete inter- denen Umwälzraten und internen Transformationen in
annuäre Variabilität nur durch die Respiration erzeugt den verschiedenen Kohlenstoffspeichern der Erde wi-
wird. Dies ist nicht unbestritten: Die beobachtete, er- der. g ist nicht eine Konstante, sondern verändert sich
staunlich gute zeitliche und räumliche Korrelation der mit der Zeit auf Grund der Vorgeschichte und der ver-
interannualen Variationen mit dem Auftreten von Ve- schiedenen Nichtlinearitäten dieser Prozesse. Betrach-
getationsfeuern weist darauf hin, dass vielleicht bis zu tet man allerdings nur kleine Störungen, so lässt sich
50 % der interannuären Schwankungen des atmosphä- die Dynamik des Kohlenstoffkreislaufs linearisieren.
rischen CO2 durch Emissionen aus Vegetationsfeuern In diesem Falle lässt sich einfach zeigen, dass bei einer
verursacht werden (RÖDENBECK et al. 2003). Ange- annähernd exponentiellen Zunahme der Emissionen
fochten wird schließlich auch die simple Beschreibung die Airborne Fraction ungefähr konstant bleibt
des Bodenkohlenstoffs im Hadley-Modell durch nur (OESCHGER et. al. 1976), was in der Tat durch die di-
einen Speicher. Empirische Studien zeigen, dass sich rekten Beobachtungen der letzten 45 Jahre erstaunlich
die beobachtete Dynamik nur durch mehrere Kohlen- gut bestätigt wird.
stofffraktionen mit unterschiedlichen Umwälzraten
adäquat beschreiben lässt (z. B. BURKE et al. 1989). Die Klimasensitivität bezeichne die global gemittelte
Temperaturzunahme auf eine Zunahme des CO2-Ge-
halts der Atmosphäre:
5 Quantitative Analyse der Rückkopplungen
∆T = s∆C (2)
Die Ergebnisse aus den ersten Simulationen mit ge-
koppelten Kohlenstoffkreislauf - Klimamodellen las- Auch dieser einfache Ansatz vernachlässigt Nichtline-
sen sich auf globaler Skala mit Hilfe einer Rückkopp- aritäten und Vorgeschichte im globalen Klimasystem.
lungsanalyse quantifizieren (FRIEDLINGSTEIN et Im ungekoppelten Falle beträgt damit die Temperatur-
al. 2003). Abb. 30-7 zeigt das vereinfachte Schema der erhöhung durch die CO2-Emission
zu betrachtenden Rückkopplungsschleifen. Ziel der
Analyse ist es, Vorzeichen und Größe der einzelnen ∆Tuc = s∆Cuc= sgQ (3)
Sensitivitäten zu bestimmen und daraus die Antwort
des gesamten Systems auf eine Emission abzuschätzen. Betrachten wir nun die Rückkopplung der Klimaände-
Eine Rückkopplungsschleife stellt dabei eine negative rungen auf den Kohlenstoffkreislauf, so lässt sich diese
(positive) Rückkopplung bei einer ungeraden (gera- durch die klimainduzierten CO2-Emissionen aus Land
den) Anzahl negativer Vorzeichen der einzelnen Wir- und Ozean charakterisieren:
kungen.
Qc lim = λ∆T (4)
Quantitativ lässt sich der Effekt der Rückkopplung
vereinfacht wie folgt abschätzen. Die globale Zunah- Im gekoppelten Falle addieren sich diese klimaindu-
zierten Emissionen zur primären Störung; damit ergibt
sich für die Reaktion des Systems:
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© Deutscher Wetterdienst 2004
K. G. HOOSS
1Quantitativ sind diese Veränderungen weniger auf menschliche geheuer gefräßiger planetarer Superorganismus. Der biologisch-
als auf maschinelle Aktivitäten zurückzuführen. Bei höchstag- materielle Stoffwechsel der rund sechs Milliarden menschlicher
gregierter Betrachtung erscheint der gesamte Zivilisationsappa- Körper hat am Stoffwechsel dieses Gesamtapparates einen An-
rat einschließlich Mensch als eine Art selbsterzeugende globale teil von wenigen Prozenten; den weitaus größten Teil seines
Supermaschine, die die Evolutionsgeschichte um eine weitere Hungers stillt das neue große Tier an fossilem Kohlenstoff.
Komplexitätsebene bereichert: als ein neu heranwachsender, un-
214 K. G. Hooss: Modelle der globalen Umwelt und Gesellschaft promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004
maschutzes und den Folgekosten seiner Unterlassung. teme sich äußerlich nur wenig ändern und einander na-
Der Ausdruck „Kosten“ muss in diesem Zusammen- hezu konstante Randbedingungen liefern. Die allge-
hang in seiner allgemeinsten Bedeutung verstanden meine Nützlichkeit dieser nullten Näherung rechtfer-
werden, als erkennbare und noch-nicht-erkennbare tigt die traditionelle Trennung wissenschaftlicher Dis-
Verluste. Die Abschätzung der Kosten von Klima- ziplinen, und diese wiederum ermöglicht den hohen
schutzmaßnahmen ist außerordentlich schwierig und Verfeinerungsgrad, den die Modelle der Einzeldiszipli-
zur Zeit Gegenstand vieler wirtschaftswissenschaft- nen inzwischen erreicht haben, jeweils unter Konstant-
licher Studien. Die Abschätzung der Verluste durch haltung (bzw. Nichtformulierung) der vom Gesamtsys-
Klimaänderung hingegen sprengt nicht nur den Zeit- tem vorgegebenen Randbedingungen. Wenn sich aber
horizont üblicher Wirtschaftsmodelle, sondern auch einzelne Teilsysteme eines komplexen multidisziplinä-
den Kalibrierungsbereich aller Klimamodelle, sowie in ren Systems quantitativ signifikant oder gar qualitativ
der Summe überhaupt unser Vorstellungsvermögen. ändern, so wird die Annahme der konstanten unbe-
Dies wird illustriert durch die enormen Schwierigkei- kannten Randbedingungen für alle Teilsysteme ungül-
ten beim Versuch der wirtschaftlichen Bewertung der tig, und dann kann die Trennung der wissenschaftlichen
weltweiten Ökosysteme. (siehe z. B. COSTANZA et al. Disziplinen mit ihren separaten Modellentwicklungen
(1997): „The economies of the Earth would grind to a zu divergierenden Vorhersagen führen.
halt without the services of ecological life-support sys-
tems, so in one sense their total value to the economy is Für eine effektive Beratung der entstehenden globalen
infinite“). Bisherige Schätzungen globaler Klimascha- Umweltpolitik erfordert der zunehmende globale
denskosten sind in der Regel Summen marginaler Wandel die Zusammenführung von Modellen der Na-
Schäden, d. h. im Verhältnis zum Ganzen jeweils klei- tur und der Wirtschaft mitsamt ihren sozialen Struktu-
ner Verluste, unter Vernachlässigung bzw. in Unkennt- ren (Abb. 31-1). Das grundlegende Studium des Wech-
nis synergetischer Effekte. Es ist daher kein Wunder, selspiels der Teilsysteme bildet den relativ neuen inter-
dass existierende Abschätzungen der zu erwartenden disziplinären Forschungsbereich der Gesamtbewer-
Gesamtkosten mit gekoppelten Klima- und Wirt- tung des Globalen Wandels (Integrated Assessment of
schaftsmodellen sich um Größenordnungen unter- Global Change; HARVEY (1989); NORDHAUS
scheiden, und zwar selbst dann, wenn ausschließlich (1991); DOWLATABADI und MORGAN (1993);
Modellstudien aus dem Energiesektor verglichen wer- WEYANT (2000) und viele andere).
den (WEYANT 2000).
Weniger unbesorgte Naturen hingegen verweisen auf Abb. 31-1: Allgemeine Struktur eines globalen Umwelt- und
das Ausmaß der zu erwartenden Änderungen in den Gesellschaftsmodells wie SIAM oder ICLIPS; ver-
planetaren Lebensbedingungen, das alle historischen gleiche Text.
Erfahrungen der Menschheit übertrifft, und rufen zur
verantwortlichen Vorsorge auf. Auf beiden Seiten exis- Interdisziplinäre Multimodelle sind aus gekoppelten
tiert die Meinung, dass weiteres wirtschaftliches disziplinären Einzelmodellen zusammengesetzt. Eine
Wachstum nicht notwendig auch unbegrenztes mate- grundsätzliche Forderung an das jeweilige Gesamtmo-
rielles Wachstum bedeuten müsse. dell ist die größtmögliche Vollständigkeit: Wenigstens
die wichtigsten Wechselbeziehungen zwischen den ein-
zelnen Teilsystemen müssen abgebildet sein. Grund-
1.2 Ansatz sätzliche Anforderungen an die Teilmodelle sind Wirk-
lichkeitstreue, Stimmigkeit, Schnelligkeit, Handhab-
Gegenseitige Abhängigkeiten einzeln modellierter barkeit und Verständlichkeit.
Teilsysteme eines komplexen Systems (etwa der Wirt-
schaft vom Klima und umgekehrt) können in guter Wirklichkeitstreue (d. h. äußere Nachprüfbarkeit) und
Näherung vernachlässigt werden, solange alle Teilsys- Stimmigkeit (d. h. innere logische Konsistenz) sind in
promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004 K. G. Hooss: Modelle der globalen Umwelt und Gesellschaft 215
der naturwissenschaftlichen Modellierung die wichtig- schaft einschließlich Land- und Forstwirtschaft, koor-
sten Kriterien der Modellbeurteilung. Besondere diniert von Ferenc Tóth am Potsdam-Institut für Kli-
Schnelligkeit ist notwendig, wenn die Teilmodelle in mafolgenforschung (PIK). Der Hauptteil der Klima-
Kombination mit anderen Teilmodellen für viele Ein- komponente des ICLIPS-Modells stammt aus der
zelsimulationen verwendet werden sollen. Für die GES-Gruppe am Max-Planck-Institut für Meteorolo-
interdisziplinäre Forschung treten zwei zusätzliche gie (Abschnitt 2.4; siehe auch BRUCKNER et al.
Forderungen in den Vordergrund: Handhabbarkeit (2003)).
durch Angehörige anderer Disziplinen (die aus der
Sicht der jeweiligen Modellentwickler in der Regel Das Kernstück des ICLIPS- Modells ist eine Serie dis-
Laien sind), sowie möglichst allgemein verständliche, ziplinärer Module. Im sequenziellen Betrieb erzeugt
übersichtliche Dokumentation (a) des theoretischen es, ausgehend von ökonomischen Vorgaben und politi-
Verfahrens mit seinen Stärken und Schwächen, (b) der schen Steuerungsinstrumenten, zunächst Emissionsra-
technischen Anbindung, und (c) der numerischen Er- ten zivilisationsbedingter Spurengase, und nachfol-
gebnisse und ihrer Unsicherheiten. gend deren atmosphärische Konzentrationen, weiter-
hin Klimaänderungen, sowie physische und letztlich
Modelle können allgemein auf dreierlei Weise gekop- wiederum ökonomische Klimafolgeschäden.
pelt sein: parallel (d. h. voneinander datenunabhängig;
nicht notwendig im programmiertechnischen Sinne ge- Im inversen Betrieb („Tolerable Windows Approach“,
koppelt), seriell (nacheinander mit Datenabhängigkeit TWA) des Gesamtmodells werden Parameterbereiche
in einer Richtung), oder dynamisch (gleichzeitig mit maximal erträglicher zukünftiger Klimaschäden vorge-
gegenseitigen Einflüssen einschließlich Rückkopplun- schrieben und dann, der Kausalkette entgegen, die die-
gen im Gesamtsystem). Sie können ferner auf dreierlei sen „Fenstern“ entsprechenden Parameterbereiche
Weise betrieben werden: sequentiell bzw. kausal (Ursa- der optimalen wirtschaftspolitischen Strategien er-
chen und Wirkungen entlang der Zeitachse nachvoll- rechnet (Abb. 31-2).
ziehend), invers (für einen gegebenen Endzustand die
Anfangsbedingungen aufsuchend, der Kausalität ent-
gegen) sowie optimierend (d. h. das Maximum einer 2 Modelle
einwertigen Gewinnfunktion bzw. das Minimum einer
Kostenfunktion aufsuchend). Kombinationen der drei 2.1 Grundsätze
Betriebsweisen sind möglich.
Das zentrale Thema der Forschungsgruppe „Globale
Ein Beispiel eines aufwändigen, multidisziplinären se- Umwelt und Gesellschaft“ (Global Environment and
riellen inversen und intertemporal optimierenden Erd- Society, GES) am Max-Planck-Institut für Meteorolo-
systemmodells ist das Modell für integrierte Klima- gie ist die menschengemachte Treibhausanregung. Ne-
schutzstrategien (Integrated Climate Protection Stra- ben Ozonloch und Artensterben ist diese eines der
tegies, ICLIPS, TÓTH et al. (2000)). Das Modell wur- gröbsten physischen Symptome des Globalen Wandels.
de entwickelt von internationalen Expertengruppen Glücklicherweise kann sie, wegen der weitgehenden
der Systemanalyse, der Klimatologie und der Wirt- Homogenisierung der Treibhausgaskonzentrationen in
Einigungs-
zone
Anpassungs-
strategien
Tolerable verhandelbare Mögliche Bequemer
Klimafolgen Anteile Maßnahmen Bereich
Abb. 31-2: Zielorientierte Strategie: das ICLIPS-Modell mit dem inversen Verfahren der Tolerierbaren Fenster (tolerable windows). Als
tolerierbar erklärte Parameterbereiche von Klimafolgeschäden werden zurück übersetzt durch die entsprechenden Fenster in
den Klima- und Wirtschafts-Parameterräumen bis in den Nutzen- und Entscheidungsraum (aus: BRUCKNER et al. 2003).
216 K. G. Hooss: Modelle der globalen Umwelt und Gesellschaft promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004
der Atmosphäre, mathematisch als niedrigdimensiona- Die schrittweise Verfeinerung seiner Bestandteile und
les Anfachungsproblem dargestellt werden. Durch die- ihrer Kopplungsmechanismen ist Gegenstand mehre-
se Dimensionsreduktion ist es möglich, mit einem ver- rer Doktorarbeiten (OCAÑA 2000; HOOSS 2001;
gleichsweise einfachen Modell allgemeingültige Bezie- BARTH 2003, WEBER 2004). Im Folgenden werden
hungen zwischen der Treibhausanfachung und der die wichtigsten Charakteristika dieser Modelle kurz
Antwort des Klimasystems abzuleiten. Diese können beschrieben; Abb. 31-3 gibt dazu eine Übersicht der
dann an entsprechende Modelle des sozioökonomi- am MPI entwickelten Modellhierarchie.
schen Systems angekoppelt werden.
Aus praktischen Gründen werden die Ein- und Aus- 2.2 Urmodell
gangsgrößen solcher Modellsimulationen ebenfalls auf
wenige Variable beschränkt. Falls das gekoppelte Kli- Modelle
ma-Sozioökonomie-Modell auch intern nur mit weni- HiSTiLoS (Highly Simplified Time-dependent Low-di-
gen Variablen rechnet, bezeichnen wir dieses reduzier- mensional System; HASSELMANN (1990), TAHVO-
te Modell als ein Kernmodell. So lange die Ergebnisse NEN et al. (1994)).
solcher Kernmodelle bei späteren Verfeinerungen der SIAM-S (Structural Integrated Assessment Model,
Modelle unverändert (oder zumindest gute Näherun- stochastic climate): dasselbe, erweitert mit stochasti-
gen der komplexeren Modellvarianten) bleiben, spre- scher Klimavariabilität (OCAÑA 2000).
chen wir von Kernaussagen der Modelle. In diesem
Falle können die Kernmodelle auch als Aggregatmo- Zweck und Module
delle, d. h. Kompaktformen, der verfeinerten Modelle Grundlegende Beziehungen zwischen Klimaänderung
dienen. und Wirtschaftsfolgen; grundlegende Strategien der
Entscheidungsfindung in Unsicherheit der künftigen
Die Anzahl der Ein- und Ausgangsvariablen wird aus klimatischen Entwicklung. Jedes Modul stellt die
zwei Gründen klein gehalten: kleinst- und allgemeinstmögliche Form des jeweiligen
• Erstens möchten Entscheidungsträger in Politik und Teilmodells dar (Abb. 31-3).
Wirtschaft die Vor- und Nachteile von Klima-
schutzmaßnahmen (bzw. ihrer Unterlassung) quan- Klima: LDCM(Linear Differential Climate Module).
titativ erfassen, möglichst in monetären Einheiten. Skalare linearisierte Klimaantwort auf kleine externe
Dazu müssen Informationen über Auswirkungen Störungen. Nur CO2-Emissionen werden betrachtet.
von Klimaänderungen und Klimasteuerungsmaß-
nahmen in kompakter, übersichtlicher Form, d. h. in LDCM-S. Ein stochastischer Term in den dynamischen
wenigen Kenngrößen zusammengefasst, vorliegen. Gleichungen stellt die Unsicherheit der Klimaentwick-
• Zweitens sind die rechentechnischen Ansprüche lung dar.
komplexer Klimamodelle um Größenordnungen zu
aufwändig, um eine Vielzahl
von Szenarien-Simulationen
mit gekoppelten Klima-So-
zioökonomie-Modellen durch-
zuführen, wie sie für die Ge-
samtbewertung (Integrated
Assessment) erforderlich sind.
Der Hauptzweck der Modelle
kann daher auch nicht in quan-
titativ realistischen Vorhersa-
gen der globalen Entwicklung
liegen. Sie dienen vielmehr der
Illustration der verschiedenen
Rollen der gesellschaftlichen
Interessengruppen in der Evo-
lution des globalen Klima-So-
zioökonomischen Systems.
(b) Bewertung: Grundlage jeder Schätzung der Minde- 2 Intertemporal: vergleichend zwischen verschiedenen Zeitaltern
rungs- und Schadenskosten einer zukünftigen Klima- (einschließlich der kommenden Menschheitsgeschichte).
änderung ist letztlich eine Beurteilung der Wertvor- 3 Dies kommt der psychologischen Natur des Menschen entgegen,
stellungen zukünftiger Generationen. Dies ist auch der ja doch in jeder Generation wieder alles neu machen will.
218 K. G. Hooss: Modelle der globalen Umwelt und Gesellschaft promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004
Reduktionspfad. Die üblichen kurzfristigen Diskontie- tion) bei der Aufnahme in den Ozean, und mit CO2-
rungsansätze wirtschaftlicher Berechnungen, ange- Düngung der Landvegetation. Räumliche Muster und
wandt auf die langfristig zu erwartenden Klimaschä- Zeitcharakteristik des Klimasignals werden aus einer
den, führen unweigerlich zu einer inakzeptablen glo- transienten Treibhaussimulation mit gekoppelten drei-
balen Erwärmung. Reduktionspfade, die zur deut- dimensionalen Ozean-Atmosphäre-Zirkulationsmo-
lichen Beschränkung der globalen Erwärmung führen, dellen durch EOF-Analyse herausgefiltert.
ergeben sich nur bei stark reduzierter Diskontierung
der Klimaschadenskosten relativ zu den Vermeidungs- Gefahren
kosten. Die linearisierte Darstellung kleiner Auslenkungen
komplexer nichtlinearer Systeme ist nicht zulässig in
(c) Spieltheorie: Erste spieltheoretische Varianten der der Nähe von Bifurkationspunkten, also Systemzu-
Optimierungs- und Sensitivitätsstudie haben diese ständen, von denen aus die weitere zeitliche Entwick-
Kernaussagen im Wesentlichen unverändert gelassen. lung des Systems in mindestens zwei deutlich verschie-
Die Optimierung durch zwei voneinander abhängige dene Richtungen möglich ist. Welches im Klimasystem
Spieler (wie z. B. einen globalen Brennstoffproduzen- der Erde der nächste Bifurkationspunkt ist und wie
ten und einen globalen Brennstoffverbraucher) kann weit davon entfernt wir zur Zeit stehen, ist bislang
formal auf ein Einspielerproblem zurückgeführt wer- nicht genau bekannt. Zur Zeit diskutiert werden denk-
den. Einfache Varianten mit N gleichartigen Spielern6 bare Instabilitäten in der Nordatlantikzirkulation un-
zeigten, dass Reduktionsabkommen auch dann wirt- ter erhöhtem Frischwassereintrag (RAHMSTORF
schaftlich für die Unterzeichner sein können, wenn 2000), im westantarktischen Eisschild (VAUGHAN
nicht alle Spieler an den Verpflichtungen teilnehmen. und SPOUGE 2002), in der Vegetation (PETERS und
LOVEJOY 1992; SCHEFFER et al. 2001) in ihrem
subkontinentalskaligen Wechselspiel mit dem Nieder-
2.4 Klimawandel schlag (GANOPOLSKI et al. 1998), sowie in Methan-
lagern am Kontinentalschelf und in Permafrostregio-
Modell nen (PEARCE 1989; KVENVOLDEN 1993; HAR-
SIAM-2: Die skalare lineare Klimakomponente VEY und HUANG 1995; ANISIMOV und NELSON
SLICCS in SIAM ist ersetzt durch ein nichtlinear, re- 1997).
gional und auf mehrere Ausgangsvariablen erweitertes
Impulsantwortmodell (Nonlinear Impulse-response Aussagen
representation of the coupled Carbon cycle-Climate (a) Linearisierung: Wir nehmen an, dass das planetare
System, NICCS; HOOSS (2001); HOOSS et al. (2001)). Klimasystem eine allmähliche Verdoppelung des at-
http://www.icbm.de/~hooss (klick Aggregatmodelle) mosphärischen Kohlendioxidgehaltes, über rund 100
Jahre verteilt, mit einer Erwärmung um zwei bis drei
Zweck und Module Celsiusgrade monoton (wenn auch um einige Jahre bis
Verfeinerte Kompaktdarstellung des klimatologischen Jahrzehnte verzögert) beantworten wird. Der Anstieg
Treibhausmechanismus (nur Signal, ohne Variabilität). des Meeresspiegels reagiert noch langsamer, jahrtau-
sendelang. Wir wissen aber, dass das Globalklima in
Kohlenstoffkreislauf: CarC (Carbon Cycle). Zeitab- der Vergangenheit plötzliche Umschwünge vollzogen
hängige globale Nettoemissionen von Kohlendioxid hat, und dass es folglich für eine stetige und monotone
aus menschlicher bzw. maschineller Tätigkeit werden Erwärmung keine Garantie geben kann.
umgesetzt in die zeitliche Entwicklung der atmosphä-
rischen Konzentration. Die Treibhausantwort komplexer Klimamodelle hat
sich in diesen Grenzen als annähernd linearisierbar er-
Klimasystem: CliC (Climate Change). Die CO2-Kon- wiesen; sie wird in unserem monoton-nichtlinear er-
zentrationsänderungen werden weiter umgesetzt in weiterten Aggregatmodell für globale Klima-Wirt-
raumzeitliche globale Änderungsmuster der Jahres- schafts-Studien in sinnvoller Auswahl nutzbar ge-
mittel einiger wirtschaftsrelevanter Klimavariabler: macht.
Erdnahe Lufttemperatur, Gesamtbewölkung, Nieder-
schlag, Meeresspiegel. (b) Fossile Ressourcen: Vollständige Verbrennung der
fossilen Ressourcen (im Modell 15.000 Gigatonnen
Verfahren Kohlenstoff; in der Mitte der Abschätzungen nach
Lineare Impuls-Antwort-Projektionen komplexer WATSON et al. (1996)) reicht für einen jahrhunderte-
Kohlenstoffkreislauf- und Klimamodelle, mit drei langen Anstieg des atmosphärischen Kohlendioxidge-
nichtlinearen (aber monotonen) Erweiterungen für hö- haltes bis aufs knapp Zwanzigfache des vorindustriel-
here CO2-Konzentrationen: Mit logarithmischem (statt len (Abb. 31-5, Szenario BAU, für „Business-As-Usu-
linearem) atmosphärischem Strahlungsantrieb, mit rea- al“, dt. „Weiter so“). Derartig hohe Konzentrationen
listischer anorganischer Kohlenstoffchemie (Dissozia- sind in der Erdatmosphäre seit der Zeit der ersten Wir-
beltiere nicht mehr aufgetreten (BERNER 1997). 5000
6 N bedeutet Nicht-zu-Viele, im Modell etwa fünf bis zwanzig. ppm sind auch die derzeit zulässige Maximale Arbeits-
220 K. G. Hooss: Modelle der globalen Umwelt und Gesellschaft promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004
Verfahren
2.5 Wirtschaftswachstum Eine nichtkooperative Dreispielervariante mit opti-
mierender Investitionspolitik und diagnostischer Ar-
Modelle beitslosigkeit, die an die einfacheren SIAM-97-Mehr-
MADIAM-1 (Multi-Agent Dynamic Integrated spielervarianten (Abschnitt 2.3) anknüpft. Die Wirt-
Assessment Model; BARTH (2003), WEBER et al. schaft wird beschrieben durch vier prognostische (Zu-
(2003), WEBER et al. (2004), WEBER (2004)). stands-)Variable: Kapital, Produktivität, Lohntarif
und (optional) den Anteil an nichtfossiler Energie. Die
dynamische Entwicklung hängt ab von der (Investi-
CO2-Konzentration in ppm
wird dies zwar auch im MADEM angenommen, nicht Emissionsrate im Laufe des Jahrhunderts allmählich
aber für die Produktionsfaktoren, insbesondere nicht wieder senken. Technischer Wandel führt dazu, dass
für Arbeit und Kapital. Stattdessen hängt die Zahl der diese Vermeidungsstrategie das gesamte Wirtschafts-
Beschäftigten in diesem Modell diagnostisch vom Mo- wachstum des kommenden Jahrhunderts (gemessen in
dellzustand ab. Produktion, Profit und Lohn) schlimmstenfalls um we-
nige Prozente verzögert (verglichen mit einem hypo-
Varianten thetischen ungebremsten Wachstumsszenario ohne Kli-
Das Modell optimiert optional unter der Randbedin- maproblem; vgl. Abb. 31-6).
gung endlicher Ressourcen. Zuschaltbare Beschrei-
bungen von zwei Gütern (anstelle eines globalen Pro- (b) Investitionen: Den größten Einfluss auf die Koh-
duktionsguts), Versicherungen, Sparen, Banken und lendioxid-Emissionen haben durch Kohlenstoff-Steu-
Preisen, sowie von stochastischem Technologiewandel, ern angeregte Investitionen in kohlenstoffarme Tech-
Klimafolgekosten, Energiekosten und Investitionsal- nologie, und zwar um so mehr, wenn diese Steuern in
ternativen in Emissionseffizienz (Emissionen pro ebensolche Investitionen zurückgeführt werden. Der
Energieeinheit) und Energieeffizienz (Energie pro Einfluss der Verbraucher ist an sich weniger bedeu-
Produktionseinheit). tend als der von Regierung und Unternehmen, zeigt
aber wichtige Synergien mit diesen.
„Monte-Carlo“-Verfahren: Statistische Verteilungen
werden durch Zufallszahlen realisiert. Technologische
Entwicklungssprünge erfolgen stochastisch Poisson- 2.6 Vegetation
verteilt. Ähnlich wird auch die unsichere Wirkung der
Investitionen auf die prognostischen Variablen Kapital, Modell: ECOBICE (Tol, Knorr, Kemfert) http://ecobi-
Produktivität und die beiden erwähnten Effizienzen ce.uni-oldenburg.de/
modelliert: Die Effektivität der Investitionen wird mit
einem Rauschen versehen, d. h. „zufällig“ verstärkt Zweck: Globaler Wandel der Landvegetation und des
oder abgeschwächt. Wasserkreislaufs im Wechselspiel mit Bevölkerung,
Wirtschaft und Klima.
Regionen: MADIAM-2: Mehrere Wirtschaftsmodule
vom MADEM-Typ, durch Handelsbeziehungen und Verfahren: Dynamische Kopplung eines feinauflösen-
das gemeinsame Klimamodul (2.4) gekoppelt, stellen den Landvegetationsmodells mit vergleichsweise
im Groben die Weltregionen dar (etwa USA, übrige hochaggregierten Modellen der globalen Wirtschafts-
Industrieländer und Entwicklungsländer; in Planung; und Bevölkerungsentwicklung einschließlich regiona-
im Code bereits vorgesehen). ler Wasser- und Landnutzung, sowie mit dem oben be-
schriebenen Klima-Aggregatmodell (s. Abschnitt 2.4
Klimaspiel: Eine oder zwei der drei Rollen eines redu- und Abb. 31-3).
zierten MADIAM-1 (Verbraucher, Unternehmer,
Staat) werden von menschlichen Spie-
lern übernommen. Die dritte (und ggf. (a) (b) (c)
Temperaturänderung in K
Konzentration in ppmv
normalisierte Löhne
Grossbildschirm-Spielkonsole gestattet
auch Zuschauern die (passive) Teilnah-
me. Das Spiel ist im Deutschen Museum
in München aufgebaut und mit einem
Fragebogen an die Spieler ausgewertet
worden (LEWALTER und GREYER
2003). Einige Sponsoren haben Interesse Zeit in Jahren Zeit in Jahren Zeit in Jahren
an der Weiterentwicklung angemeldet,
Abb. 31-6: Einfluss des (durch Kohlenstoffsteuern) induzierten technologischen Wan-
Verhandlungen laufen noch.
dels (induced technological change: ITC) auf (a) globale CO2-Emissionen,
(b) CO2-Konzentrationen und (c) mittlere globale Erwärmung, sowie auf
Aussagen (d) gesamtwirtschaftliche Produktion, (e) Profite und (f) Löhne im Ver-
(a) Vermeidungskosten: Bei optimaler gleich zu einem BAU- (business as usual) und MM-Szenario (moderate
Strategie der drei Spieler lässt sich die mitigation).
222 K. G. Hooss: Modelle der globalen Umwelt und Gesellschaft promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004
Entwicklungsstand: Die wesentlichen Teilmodelle sind politik die Weichen gestellt werden: Einer Klimapoli-
vorhanden, müssen aber für den Zweck angepasst wer- tik, die uns noch im Laufe dieses Jahrhunderts von fos-
den. Ein Koppler ist in Arbeit an der Universität Ol- silen Brennstoffen weitgehend unabhängig machen
denburg. Dieses Modell ist formal kein Projekt der wird (HASSELMANN et al. 2003).
Hamburger GES-Gruppe mehr, setzt aber ihre Arbei-
ten in Richtung der komplexen Erdsystemmodellie- Dies ist nicht nur aus klimatologischer Sicht erforder-
rung fort. lich, sondern - angemessene politische Instrumente
vorausgesetzt - durch technologischen Wandel auch zu
einem wirtschaftlich akzeptablen Preis machbar: Nach
3 Kernaussagen neuen Schätzungen aus dem Europäischen Klimafo-
rum würde eine langfristige Entkarbonisierungspolitik
Ausgehend von einfachen Kernmodellen der globalen das globale Wirtschaftswachstum des ganzen Jahrhun-
klimatologischen und sozioökonomischen Systeme derts schlimmstenfalls um wenige Jahre verzögern,
wurden grundlegende Wechselbeziehungen zwischen verglichen mit dem, was möglich wäre, wenn es das
Klimaänderungen, -schutzmaßnahmen und sozioöko- Klimaproblem nicht gäbe; siehe AZAR und SCHNEI-
nomischen Auswirkungen untersucht. Die Aussagen DER (2002), ebenfalls HASSELMANN et al. (2003).
unseres Kernmodells wurden durch schrittweise Ver-
feinerungen der einzelnen Module (Klima, Wirtschaft Zweitens unterstreichen unsere Untersuchungen eine
und Regierung) geprüft und bestätigt. Die Module alte Erkenntnis: Die größte Unsicherheit unter allen
wurden hinsichtlich ihrer Unsicherheiten und verblei- Modellannahmen betrifft die heutige Wertschätzung
bender Unwägbarkeiten bewertet und mit detaillier- des Zukünftigen. Dies gilt insbesondere für diejenige
ten, ausführlich getesteten Simulationsmodellen der Zukunft, die zwar außerhalb unserer aktuellen Wirt-
jeweiligen wissenschaftlichen Einzeldisziplinen ver- schafts- und Lebensplanung liegt, in Jahren aber auch
glichen bzw. kalibriert. nicht weiter entfernt ist als Columbus’ Reise in die
Neue Welt.
Die zwei wichtigsten Kernaussagen gelten dem mög-
lichen Ausmaß des Klimawandels und der (im weites- Wirtschaftsmathematisch werden intertemporal (d. h.
ten Sinne) ethisch-religiösen Tragweite seiner wirt- über Zeitabstände hinweg) zu vergleichende Werte mit
schaftspolitischen Bewertung: exponentiell schrumpfenden Diskontfaktoren gewich-
tet. In üblichen Kosten-Nutzen-Analysen (etwa bei der
Erstens müssen die Grenzen des Wachstums aus heuti- Frage, ob sich eine bestimmte Investition rentieren
ger Sicht neu beurteilt werden. Unser Planet birgt für werde oder nicht) werden konstante Diskontraten, die
eine nachhaltige Wirtschaft zwar nicht, wie MEA- durch den marktüblichen Zinssatz bestimmt sind, für
DOWS et al. (1972) nach der damaligen Datenlage alle Güter angenommen. Obwohl ähnliche Ansätze
noch befürchten mussten und in den Vordergrund auch bei Kosten-Nutzen-Rechnungen in der Klimade-
stellten, zu wenig fossile Brennstoffe, sondern zu viel. batte verwendet wurden, ist ihre Gültigkeit im Falle
Die Grenzen des Wachstums werden nach heutigen der sehr langen Zeitskalen des Klimaproblems, die die
Schätzungen der fossilen Brennstoffressourcen (ein- üblichen Zeitskalen betrieblicher Investitionen um
schließlich Kohle, Ölschiefer und Methanhydrate) we- Größenordnungen übersteigen, doch mehr als fraglich.
nigstens in dieser Sparte nicht durch Erschöpfung der
Ressourcen erreicht, sondern durch die Anreicherung Vermeidungskosten im Treibhausproblem fallen rela-
eines unvermeidbaren Abfallproduktes: Des Treib- tiv kurz- und mittelfristig an, die Klimaschäden länger-
hausgases Kohlendioxid (wobei bereits MEADOWS fristig. Bis die Klimaschäden in absoluten Zahlen groß
et al. (1972) auf diese nun tatsächlich erreichte alter- geworden sind, sind ihre Kosten, in heutige Werte um-
native Grenze des Wachstums hingewiesen haben: Die gerechnet, durch Anwendung des wirtschaftsüblichen
endliche Belastbarkeit des Planeten bei dennoch aus- Diskontfaktors um Größenordnungen geschrumpft.
reichenden Ressourcen). Diskontierte Klimaschadenskosten spielen deshalb im
Vergleich mit den Vermeidungskosten praktisch keine
Die ersten Anzeichen der globalen Erwärmung sind, Rolle. Die Anwendung der Diskontierungsmethode
so der weitgehende Expertenkonsens, heute schon auf das Klimaproblem führt also zwangsläufig in un-
nachweisbar (HOUGHTON et al. 1996). Obwohl die haltbare Widersprüche: Die wirtschaftlichste Lösung
Berichte des IPCC (und mit ihnen praktisch die ge- des Klimaproblems wäre danach eine „Klimakatastro-
samte öffentliche Diskussion) die Drohung der globa- phe“, deren (im Prinzip absehbare) Kosten in unseren
len Erwärmung in diesem Jahrhundert in den Vorder- heutigen Entscheidungen kaum zu Buche schlügen.
grund stellen, sind nach Modellrechnungen noch
schwerere Auswirkungen der Klimaänderungen im Wenn es stimmt, dass die meisten Menschen sich kaum
zweiten und späteren Jahrhunderten dieses Millenni- zu einer Haltung „Nach mir die Sintflut“ bekennen
ums zu befürchten. Diese Entwicklung erfolgt unauf- würden, dann muss in der Übertragung des üblichen
haltsam, wenn nicht (unabhängig von kurzfristigen Re- Diskontierungsverfahrens auf das Klimaproblem of-
duktionszielen) einer neuartigen langfristigen Klima- fensichtlich eine Inkonsistenz stecken. Diese liegt im
promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004 K. G. Hooss: Modelle der globalen Umwelt und Gesellschaft 223
Ansatz, dass der Wert des Klimas für kommende Ge- debatte dient somit auch als Kernbeispiel der allge-
nerationen im heutigen Vergleich genau so diskontiert meineren Nachhaltigkeitsdebatte; der Kohlenstoff-
wird wie ein verzinsbares Gut. Die intergenerationale kreislauf steht dabei stellvertretend für die planetaren
Verzinsbarkeit der Naturschätze aber, einschließlich Stoffkreisläufe. Der gesamte Energie- und Material-
Arbeitsmodus des planetaren Klimasystems, konnte umsatz einer idealen nachhaltigen Wirtschaft ist in die
im Rahmen unserer Arbeit nicht abschließend disku- materiell-biologischen Kreisläufe des planetaren Ge-
tiert werden. Die zu Grunde liegende Frage nach dem samtmetabolismus eingebettet; er muss im Verhältnis
Wert unseres Erbes bleibt damit offen. zu diesem Gesamtmetabolismus gemessen werden, um
die Ver- und Entsorgungskapazitäten des Lebens auf
der Erde nicht zu überschreiten.
4 Schluss
H. GRAßL
Bericht zum Thema Klimaänderungen durch den Men- päischen Parlaments für etwa 10.000 Hauptemittenten
schen zu liefern. Das Ministertreffen bei dieser Konfe- Emissionshandel ein, um der Industrie in Richtung
renz beauftragte wiederum die Regierungen bis zum emissionsarme Techniken Anreize zu geben und sie so
Erdgipfel in Rio de Janeiro im Juni 1992 eine unter- noch wettbewerbsfähiger zu machen.
schriftsreife Rahmenkonvention zu Klimaänderungen
vorzulegen. Was hatte die Minister dazu bewegt? Drei In Deutschland hat jüngst der Wissenschaftliche Beirat
Befunde, nämlich erstens die Beobachtung einer an- der Bundesregierung ,Globale Umweltveränderungen’
thropogenen Erhöhung der Konzentration der langle- (WBGU) in seinem Hauptgutachten ,Energiewende
bigen Treibhausgase in der Atmosphäre (CO2 nahm in zur Nachhaltigkeit’ (WBGU 2003) gezeigt, dass die
den 80er Jahren mit 0,5 % pro Jahr zu, Methan mit 1 % ,Quadratur des Kreises’, nämlich gleichzeitig Klimaän-
und Lachgas mit 0,25 %), zweitens die hohe Korrela- derungen zu dämpfen und jedem Menschen den Zu-
tion zwischen mittlerer Temperatur an der Erdoberflä- gang zu ausreichend Energie für eine nachhaltige Ent-
che und den Treibhausgasen CO2 und Methan seit et- wicklung zu geben, machbar und finanzierbar ist. Es ist
wa 160 000 Jahren sowie drittens die mit Klimamodel- langfristig billiger, die Energieversorgung wesentlich
len berechnete Erhöhung der Temperatur um 1,5 °C mit erneuerbaren Energieträgern aufzubauen, als
bis 4,5 °C bei einer Verdopplung der CO2-Konzentra- weiterhin bei Einsatz von Erdöl und Kohle die großen
tion. Im Jahre 1992 wurde dann auch die Klima-Rah- Umweltprobleme mitbekämpfen zu müssen. Entschei-
menkonvention in Rio de Janeiro von 154 Ländern ge- dende Voraussetzung für diesen Umbau der Energie-
zeichnet. Sie trat 1994 im März in Kraft. Bereits bei der versorgung ist die Internalisierung externer Kosten
ersten Vertragsstaatenkonferenz März/April 1995 in oder die Annäherung an das Verursacherprinzip.
Berlin wurde ein völkerrechtlich verbindliches Proto-
koll zu Emissionsreduktionen gefordert, weil die vage
formulierte Verpflichtung, im Jahre 2000 nicht mehr Literatur:
CO2 als 1990 zu emittieren, als nicht zielführend er-
kannt worden war. BAKAN, S., A. CHLOND, U. CUBASCH, J. FEICHTER, H. F.
GRAF, H. GRAßL, K. HASSELMANN, I. KIRCHNER, M.
LATIF, E. ROECKNER, U. SCHLESE, D. SCHRIEVER, I.
Mit dem zweiten bewertenden Bericht des IPCC kam
SCHULT, U. SCHUMANN, F. SIELMANN, W. WELKE,
im Dezember 1995 ein weiteres, den Laien eher über- 1991a: Auswirkungen von Ölbränden in Kuwait auf das Glo-
zeugendes Element hinzu: The balance of evidence sug- balklima - ein Bericht über die Hamburger Experimente. Me-
gests a discernible human influence on global climate. teorologisches Institut der Universität und Max-Planck-Insti-
Also war das anthropogene Signal in den Messungen tut für Meteorologie, Hamburg, 54 S., 142 S.
der oberflächennahen Lufttemperatur entdeckt und BAKAN, S., A. CHLOND, U. CUBASCH, J. FEICHTER, H.F.
zwar auf der Basis eines Vergleiches mit den gekoppel- GRAF, H. GRAßL, K. HAS-SELMANN, I. KIRCHNER, M.
ten Atmosphäre/Ozean/Land-Modellen, die zeigen LATIF, E. ROECKNER, U. SCHLESE, D. SCHRIEVER, I.
konnten, dass im späten 20. Jahrhundert der Einfluss SCHULT, U. SCHUMANN, F. SIELMANN, W. WELKE,
des Menschen auf die Temperaturmuster an der Ober- 1991b: Climate response to smoke from the burning oil wells
in Kuwait. Nature 351, 367-371.
fläche und in der Atmosphäre aus den natürlichen
Schwankungen statistisch signifikant herauswuchs. IPCC, 2001: Climate Change: The Scientific Basis, Contribution
Klaus Hasselmann, der Gründungsdirektor des Max- of Working Group I to the Third Assessment Report (TAR),
Cambridge University Press, Cambridge, UK, 881 S.
Planck-Instituts für Meteorologie, war im März 1995
der erste, der dies bei einer Pressekonferenz mit dem WBGU, 2003: Welt im Wandel - Energiewende zur Nachhaltig-
keit, Springer Verlag, Berlin - Heidelberg, ISBN 2-540-40160-1.
Forschungsminister öffentlich machte.
Alle Gutachten können unter www.wbgu.de im Internet ge-
funden und ausgedruckt werden.
Diese wissenschaftliche Erkenntnis wurde von der
Weltöffentlichkeit im Dezember 1997 mit dem Kioto-
Protokoll zur Klimarahmenkonvention beantwortet.
In ihm verpflichten sich die Industrieländer zu Reduk-
tionen von Treibhausgasemissionen in einem ersten
Schritt bis 2012 um im Mittel etwa 5 %. Obwohl der
dritte bewertende Bericht des IPCC im Jahre 2001 so-
gar eine Zuordnung von Einflussfaktoren auf Klima-
änderungen vornehmen konnte, ist das Kioto-Proto-
koll noch immer nicht völkerrechtlich verbindlich, weil
die USA durch Präsident Bush ausgestiegen sind und
Russland noch pokert, so dass trotz Ratifizierung
durch über 100 Länder erst 44 % der weltweiten CO2-
Emissionen im Jahre 1990 statt der geforderten 55 %
erreicht worden sind. Dennoch hat die Europäische
Union ihre Politik auf das Kioto-Protokoll eingestellt
und ab Januar 2005 führt sie nach Beschluss des Euro-
promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 227-231 (November 2004) 227
© Deutscher Wetterdienst 2004
Meilensteine der Geschichte Forschung, Überwachung und Vor- orologische Institut ( ESKÝ HY-
Das ESKÝ HYDROMETEO- hersage der verschiedenen Luftver- DROMETEOROLOGICKÝ ÚS-
ROLOGICKÝ ÚSTAV ( HMÚ) schmutzungsgrade und der Frage TAV, HMÚ) und das slowakische
erfüllt zum einen alle Aufgaben ei- nach den Hauptquellen von Schad- Pendant SLOVENSKÝ HYDRO-
nes Nationalen Wetterdienstes, zum stoffemissionen) erweitert. Damit METEOROLOGICKÝ ÚSTAV
anderen aber auch Pflichten aus hatte das HMÚ seinen heutigen (SHMÚ). In beiden Einrichtungen
dem Bereich der Luftreinhaltung. Status einer staatlichen, zentralen wurden alle drei Hauptaufgabenbe-
Eine derartig breit gefächerte Auf- Institution erreicht und ist nun auf reiche kontinuierlich ausgebaut und
gabenpalette ist für einen Nationa- den Gebieten Meteorologie, Klima- die technischen Funktionen er-
len Wetterdienst eher ungewöhn- tologie, Hydrologie (einschließlich weitert. Wegen der neuen Lage in
lich. Das Tschechische Hydromete- Wasserqualität) und Luftreinhal- Zentral- und Osteuropa nach 1989
orologische Institut hat sich in meh- tung tätig. Mit anderen Worten: beschleunigte sich die Fortentwick-
reren größeren Etappen zu dem Hauptaufgabe des HMÚ ist in- lung beider Wetterdienste. Seit Auf-
hochgradig integrierten Wetter- zwischen die Überwachung und lösung der Tschechoslowakischen
dienst entwickelt, wie er sich heute Vorhersage des Zustands von At- Föderation in zwei voneinander un-
darstellt. Nachdem die regelmäßige mosphäre und Hydrosphäre hin- abhängige Staaten arbeiten auch
Wetterbeobachtung bereits im 18. sichtlich sowohl kurzfristiger Verän- die beiden Wetterdienste völlig un-
Jahrhundert begonnen hatte, wur- derungen als auch zu erwartender abhängig von einander.
den im Jahre 1851 unter der öster- Langzeitentwicklungen. Die Zen-
reichisch-ungarischen Monarchie trale des HMÚ hat ihren Sitz in 1993 änderte sich der Status des
staatliche Dienststellen für Meteo- Prag zu einem Teil in dem histori- Tschechischen Hydrometeorologi-
rologie und Hydrologie eingerich- schen Schloss im Ortsteil Komo - schen Instituts und aus einer reinen
tet, die ihre Tätigkeit nach 1918 in any (Abb. 1), der anderer Teil befin- Regierungsbehörde wurde eine teil-
der neu gegründeten Tschechoslo- det sich in der Nähe in neuen Ge- rechtsfähige Anstalt im Bereich des
wakei weiterführten. Das entschei- bäuden. tschechischen Umweltministeriums.
dende Jahr war 1954, das Jahr, in
dem Hydrologie und Meteorologie
unter dem Dach einer einzigen In-
stitution mit den drei Kernaufga-
benbereichen Klimatologie, Hydro-
logie/Synoptik und Flugmeteorolo-
gie zusammengelegt wurden und
die Mitarbeiterzahl auf über 700 an-
stieg. Dies blieb so bis ins Jahr 1968,
wobei im Laufe der Zeit mit dem
Hinzukommen neuer Aufgaben und
der Einrichtung neuer Arbeitsplät-
ze (hydrometeorologische Regio- Abb. 1: Zentrale des HMÚ im historischen Schloss in Prag Komo any.
nalzentren inbegriffen) die Mitar-
beiterzahl auf 995 anwuchs. Im Zusammenhang mit dem Zu- Seither nutzt das HMÚ ähnlich
sammenschluss der tschechoslowa- anderer nationaler Wetterdienste in
Im Jahre 1967 wurden die Aufga- kischen Föderation im Jahre 1969 der EU seine Fähigkeiten für kom-
benbereiche des HMÚ mit dem wurde das damalige Institut in zwei merzielle Zwecke. In den letzten
neuen Gesetz Nr. 35/1967 zur Luft- voneinander unabhängige Einrich- Jahren haben die kommerziellen
reinhaltung um den Bereich der tungen aufgespalten, und zwar in Aktivitäten dazu beigetragen, ca.
Überwachung der Luftqualität das für den tschechischen Teil zu- 20 % der Gesamtausgaben des In-
(einschließlich der dazugehörigen ständige Tschechische Hydromete- stituts abzudecken.
228 Das Tschechische Hydrometeorologische Institut promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004
Entsprechend der Satzung erfüllt • Überwachung der Luftqualität hersage- und Warndienst mit seiner
das HMÚ derzeit die im Folgen- - Erfüllung der aus dem Gesetz neuen integrierten Struktur (in Zu-
den aufgeführten Kernaufgaben: zur Luftreinhaltung Nr. 86/ sammenarbeit mit dem Wetter-
• Meteorologie und Klimatologie 2002 erwachsenden Aufgaben dienst der tschechischen Armee
- Messen und Beobachten der - Überwachung der Luftqualität und den Wasserverbänden) auf der
Prozesse in der Atmosphäre in einem nationalen Netz zur Grundlage der 2001 neu verab-
- Verarbeitung und Nutzung der Erfassung der Luftverschmut- schiedeten Gesetze voll in das neue
erhobenen Daten für die Be- zung gemäß Regierungsver- nationale Krisenmanagement und
lange des Vorhersage- und ordnung Nr. 350/2002 über die das Integrierte Rettungswesen IZS
Warndienstes und der zivilen Grenzwerte für die Verschmut- (Integrovaného Záchranného Sys-
Luftfahrt sowie für die Zu- zung der Umgebungsluft und tému) eingegliedert worden (siehe
sammenarbeit mit dem Wetter- die Bedingungen und Metho- Abb. 2). Warnmeldungen vom Vor-
dienst der tschechischen Armee den zur Erfassung, Aus- und hersage- und Warndienst werden
- Erhebung von Klimadaten so- Bewertung sowie Überwa- mit Hilfe der Hauptbetriebszentra-
wie deren Verarbeitung in ei- chung der Luftqualität le entsprechend der Hochwasser-
ner Klima-Datenbank für die - Aufbau und Pflege eines Ver- schutzpläne und unter direkter Auf-
Bedürfnisse der Klimatologie zeichnisses der Emissionsdaten sicht der Hochwasserschutzbehör-
- Übermittlung von Daten - Administrator und Operator den über die regionalen Betriebs-
• Hydrologie des Informationssytems für zentralen der Feuerwehren und
- Überwachung und Bewertung Luftqualität ISKO (Informa - Rettungsdienste an die untergeord-
des Bodens und des Grund- ní systém kvality ovzduší) so- neten Ebenen des Krisenmanage-
wassers hinsichtlich Quantität wie des tschechischen Regis- ments, wie z. B. regionale und kom-
und Qualität (in Zusammenar- ters für Luftverunreinigungen munale Verwaltungsbehörden, und
beit mit den Wasserverbänden und Quellen der Luftverunrei- dann an die Öffentlichkeit weiter-
und dem Forschungsinstitut für nigung REZZO geleitet. Abb. 2 zeigt auch, dass in
Wasserwirtschaft T.G. Masaryk - Betrieb von Smog-Warn- und einigen dringenden Fällen wie z. B.
[Výzkumný ústav vodohospo- Regulierungssystemen gemäß Hochwasser die zusätzliche direkte
dá ský T. G. Masaryka, VÚV]), Bekanntmachung des Umwelt- Verbreitung von Warnmeldungen
Aufbau und Verwaltung einer ministeriums Nr. 553/2002 über die Medien und auch das
hydrologischen Datenbank Internet sehr hilfreich sein können.
- Statistiken zum Wasserhaus- Vorhersage- und Warndienst
halt Der Vorhersage- und Warndienst Der Vorhersage- und Warndienst
- Hochwasservorhersage (im hatte wegen der rechtzeitigen Her- besteht derzeit aus einem Zentralen
Rahmen des integrierten Vor- ausgabe von Warn- und Alarmmel- Vorhersagebüro CPP (Centrální
hersage- und Warndienstes des dungen an die Öffentlichkeit und P edpov dní Pracovišt ) in Prag
HMÚ und in Zusammenar- Katastrophenschutzstäbe bei den und sechs Regionalen Vorhersage-
beit mit den Wasserverbänden) katastrophalen Hochwassern von büros in den Regionalniederlassun-
1997 und ganz be- gen des HMÚ (Abb. 3). Verwen-
Hochwasserwarnsystem in der sonders von 2002 det werden Multisensor-Beobach-
Tschechischen Republik Wasserverbände eine entscheiden- tungsdaten (Niederschlag, Abfluss-
5x
de Rolle inne. mengen), Daten aus dem weltwei-
Gerade in dem ten Fernmeldesystem GTS der
Zentrales national
Jahr war der Vor- WMO sowie Daten moderner Fern-
Vorhersage-
büro
regional Beobachtung
Rettungs- und Nieder- Pegel-
Met. schlags-
Feuerwehr- GTS Radar Satellit Modelle messun-
Regionale Betriebszentrale zentralen messun- gen
Vorhersage- ALADIN gen
Feuerwehr und Hochwasser-
büros 6x Rettungsdienste 14x
schutzbehörden/
Katastrophen- zentrale
stäbe Vorhersagen
und
Warnungen Zentrales Rechenzentrum
und Regionale 6x
Vorhersage- Kommunikations- Vorhersage-
Rundfunk büro zentrale büros
Fernsehen Bezirke regionale
Hydrol. Modell Vorhersagen
80x Internet/
Intranet und
Warnungen
Videotext Archiv
Internet Klima- Hydrol. für Modell-
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3000x und Radar-
daten
Abb. 2: Vernetzung des Vorhersage- und Warndiensts mit dem Abb. 3: Aufbau des Vorhersage- und Warndiensts beim Tschechi-
nationalen Krisenmanagement (Notfallwesen). schen Hydrometeorologischen Institut.
promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004 Das Tschechische Hydrometeorologische Institut 229
Abb. 6: Webseite des HMÚ mit Tabellen zu Wasserabfluss Abb. 7: NOx-Konzentrationen im Jahresdurchschnitt (in
und Wasserständen in der Messstation Malá Chuchle µg/m3), ermittelt durch ein Modell mit verfeinerter
bei Prag für den Zeitraum der Hauptflutwelle zwischen Auflösung für die hohen Konzentrationsgefälle im Be-
dem 13. und 19. August 2002. Die Hochwasserschutz- reich der Stadt Zlín.
stufen werden farblich hervorgehoben: niedrig = grün,
mittel = gelb, hoch = rot.
promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004 Das Tschechische Hydrometeorologische Institut 231
1969 gehörten die beiden Institute zur Verbesserung der Infrastruktur Die integrierte Struktur des Vorher-
sogar zusammen), Universitäten in Anspruch genommen. Viele der sage- und Warndienstes des HMÚ
und Instituten der tschechischen Tätigkeiten wurden im Vorfeld des hat dazu beigetragen, dass in der
Akademie der Wissenschaften, dem Beitritts der Tschechischen Repu- Tschechischen Republik die Schä-
Forschungsinstitut für Wasserwirt- blik zur EU im Mai 2004 deutlich den während der letzten Hochwas-
schaft T.G. Masaryk, den Wasserver- intensiviert. serkatastrophen niedrig gehalten
bänden usw. Die Fachleute des werden konnten. Die kontinuierli-
HMÚ nehmen auch an den Akti- Das HMÚ - ein meteorologisch- che Einbindung des HMÚ in das
vitäten anderer Organisationen teil, hydrologischer Dienstleister - und nationale Notfallwesen nicht nur im
wie z. B. an dem Nationalen Kli- die EU Fall von Hochwassern sondern auch
maprogramm, dem Nationalen Ko- Der integrierte Charakter des bei anderen hydrometeorologi-
mitee für Katastrophenvorsorge, Tschechischen Hydrometeorologi- schen Risiken (schwere Stürme,
der Hydrologie-Kommission für die schen Instituts mit seinen Dienst- Kälteeinbrüche, Dürreperioden
UNESCO und vielen anderen. leistungen zu Meteorologie, Hydro- usw.), schweren Fällen der Luftver-
logie und Luftreinhaltung hat sich unreinigung (Smog), Industrie- und
Das HMÚ ist an dem internatio- als sehr vorteilhaft herausgestellt. In nuklearen Unfällen sowie Terroran-
nalen Austausch von Daten und letzter Zeit verfolgt auch die WMO griffen hat zu einer besseren Aner-
Produkten und an den Aktivitäten zunehmend diesen Ansatz der Inte- kennung und Finanzausstattung des
zahlreicher internationaler Organi- gration und hat mit der Erweiterung HMÚ seitens der Regierung ge-
sationen beteiligt, wie der Weltorga- ihrer Aktivitäten um die beiden Be- führt. Alle Vorhersagen und War-
nisation für Meteorologie WMO, reiche Hydrometeorologie und Um- nungen sowie sonstige Produkte
der Organisation für internationale welt begonnen. Seit dem 14. Kon- sind den staatlichen Verwaltungsbe-
Zivilluftfahrt ICAO, der UNESCO, gress im Jahre 2003 verwendet die hörden und darüber hinaus der all-
der Europäischen Organisation zur WMO in ihrer offiziellen Bezeich- gemeinen Öffentlichkeit sowohl
Nutzung von meteorologischen Sa- nung die Untertitel „Wetter, Klima, über professionelle Netze als auch
telliten EUMETSAT, des Europäi- Wasser“. Die Idee der Integration über die Medien, insbesondere öf-
schen Zentrums für Mittelfristige entspricht auch der Vision von Gor- fentlich-rechtliche Fernseh- und
Wettervorhersage EZMW, der UN- don A. McBean, dem ehemaligen Radiosender und Internet, zugäng-
Wirtschaftskommission für Europa Direktor des Kanadischen Wetter- lich und werden einer schrittweisen
ECE, der Europäischen Umwelt- diensts, der in seinem Artikel über Modernisierung und Verbesserung
agentur EEA. Weiterhin wird an die Wettervorhersage im 21. Jahr- hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit
vielen internationalen Programmen hundert wie folgt schreibt: „Die Zu- und Gesamtqualität unterzogen.
wie dem Europäischen Zusammen- kunft wird ein integriertes Beobach-
arbeitsprogramm im Bereich der tungssystem sein - ein optimiertes Nicht zuletzt ist die Frage nach der
wissenschaftlichen und technischen Netz zur Gewinnung reichhaltiger Qualität der Produkte im Vorfeld
Forschung COST, dem Verbund Eu- Daten zu Atmosphäre, Wasser, Erd- des EU-Beitritts zu einer Angele-
ropäischer Wetterdienste EUMET- oberfläche und Ozeanen, anhand genheit von großer Bedeutung ge-
NET usw. mitgearbeitet. Auch hat derer die wachsenden Bedürfnisse worden und hat das HMÚ die
es in allen drei Hauptaufgabenge- der verschiedensten Kundengrup- Zertifizierung nach ISO 9001 in al-
bieten stets eine enge bilaterale Zu- pen gedeckt werden können. In dem len drei Hauptaufgabenbereichen
sammenarbeit mit den Nachbarlän- Maße, in dem der Umfang der Wet- in Angriff genommen. Das HMÚ
dern, mit Frankreich, den USA und tervorhersage wächst, werden auch hat sich gut darauf vorbereitet, im
anderen Ländern gegeben. die Nationalen Wetterdienste des Mai 2004 im Rahmen der EU-Mit-
21. Jahrhunderts die Möglichkeit be- gliedschaft den Anschluss an die
Seit 1996 gewährt das HMÚ Ent- kommen, sich zu Einrichtungen zu „alten“ EU-Wetterdienste zu erhal-
wicklungsländern Unterstützung entwickeln, die die Bürger und Re- ten.
(durch Organisation von Fortbil- gierungen ihrer Länder warnen und
dungslehrgängen und Hilfe bei der in fließend ineinander übergehen-
Installation und Kalibrierung von den Zeitabschnitten von Minuten Anschrift des Autors:
Geräten sowie bei der Implemen- bis hin zu Jahrzehnten über die Ver- Dr. Ivan Obrusník
tierung moderner Datenbanksyste- änderungen informieren, z. B. mit Direktor des HMÚ
me, wie z. B. CLICOM und CLIDA- Vorwarnzeiten in Minuten bei Tor- Ständiger Vertreter der Tschechi-
TA, usw.). Jüngst hat das HMÚ an nados, in Tagen bei Winterstürmen schen Republik bei der WMO
den EU-Rahmenforschungspro- und Fällen von Luftverschmutzung, Na Šabatce 17
grammen 5 und 6 teilgenommen in Wochen bei Hochwasser und 143 06 Prag 4
und auch die EU-Unterstützungs- Dürre und in Jahrzehnten bei Kli- Tschechische Republik
programme PHARE1 und ISPA2 maänderungen.“ Tel.: +420 241 765 614
Fax: +420 241 760 603
1 siehe: http://europa.eu.int/comm/enlargement/pas/phare E-mail: obrusnik@chmi.cz
2 siehe: http://europa.eu.int/comm/enlargement/pas/ispa.htm http://www.chmi.cz
232 promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 232-235 (November 2004)
© Deutscher Wetterdienst 2004
3 Forschungsperspektiven
- die Synthese von Geowissen- dellierung und ein Graduiertenkol- Meteorologisches Institut
schaften und Sozialwissenschaf- leg der Universität Hamburg er- Bundesstraße 55
ten als Grundlage nachhaltiger möglichen es, Doktoranden und 20146 Hamburg
Umweltpolitik, und junge Wissenschaftler aus aller Welt 3 Universität Hamburg
G. BUDÉUS
Dies ist für ein tiefes Ozeanbecken eine sehr erhebliche lagert sich im Laufe der Zeit in größere Tiefen und war
Differenz, die auch zeigt, dass die oft angenommene 1994 noch in etwa 1000 m anzutreffen (BUDÉUS et al.
Konstanz der hydrographischen Verhältnisse in den tie- 1998). Ein lokales Temperaturmaximum (-0,85 °C) ist mit
fen Bereichen der Ozeane keineswegs zutrifft. Die Ver- dieser Schicht verbunden. Die Winterkonvektion erreicht
wendung des Begriffs ,Erwärmung’ ist hier im Übrigen die Sprungschicht in vielen Jahren und ventiliert die da-
vorsätzlich vermieden, da die steigenden Bodenwasser- rüber liegende Schicht (Abb. 5). Die untere Schicht bleibt
temperaturen ohne eine aktuelle Wärmequelle erklärbar dagegen weitgehend isoliert von atmosphärisch verur-
sind, nämlich durch Advektion wärmeren Wassers (BU- sachten Modifikationen. Diese vertikale Zweiteilung ist
DÉUS et al. 1998). Dieser Temperaturanstieg ist sicher in nahezu allen Parametern erkennbar: die Bandbreite
das prominenteste aktuelle Signal in den tiefen arkti- reicht von den hydrographischen Parametern über Nähr-
schen Gewässern. stoffkonzentrationen und Bakterienabundanzen bis zur
Verteilung von Tracern wie FCKWs oder dem 1996
Der Grund dafür, dass die winterliche Konvektion nicht künstlich eingebrachten SF-6.
bis zu den Bodenwassermassen vordringt, ist in einer aus-
geprägten vertikalen Zweiteilung mit einer Salzgehalts- In dem bis hierher beschriebenen background wurden
und Dichtesprungschicht in heute etwa halber Tiefe nun überraschenderweise sehr kleine Gebiete gefunden,
(1800 m) der Grönlandsee zu finden (Abb. 4). Im Gegen- in denen die Sprungschicht etwa 1000 m tiefer liegt als
satz zum oben beschriebenen ,klassischen’ Zustand mit dort (vgl. Abb. 5). Die zunächst mit Skepsis aufgenom-
großskaliger Aufwölbung beobachtet man seit den 90er menen Felddaten erwiesen sich bald als korrekt und
Jahren diese Sprungschicht im gesamten Becken. Sie ver- wurden von mehreren Forschungsgruppen bestätigt
(GASCARD et al. 2002, WADHAMS et al. 2002, BU-
DÉUS et al. 2004, WADHAMS et al. 2004). Die zugehö-
rigen Phänomene sind Wirbel, deren Durchmesser nur
etwa 20 km beträgt und von denen es einige wenige in
der gesamten Grönlandsee zu geben scheint.Wegen ihrer
Kleinheit sind sie weder leicht zu finden, noch ist ihre
Zahl einfach zu bestimmen. Man muss sich dabei vor Au-
gen halten, dass ein Stationsabstand bei Feldmessungen
von zum Beispiel etwa 10 nautischen Meilen (18 km) auf
einem Schnitt von etwa 1000 km in der Ozeanographie
vor wenigen Jahren noch als völlig außerordentlich ange-
sehen wurde. Dazu ist ein solcher hydrographischer
Schnitt durch ein Seegebiet nur schwer regelmäßig ein
Abb. 4: Schematische Darstellung der zonalen Verteilung des oder zwei Mal pro Jahr durchführbar. Man ist also von
Wassermassenaufbaus in der Grönlandsee, wie er für der Beobachtungsdichte, wie sie in der Meteorologie be-
die 90er Jahre galt. PW: Polarwasser, RAW: Rezirkulie- steht, sehr weit entfernt. Die Entdeckung eines solchen
rendes Atlantisches Wasser, AODW: Arktisches Tiefen- Wirbels ist somit eher als zufällig zu bezeichnen, und
wasser, NSDW: Tiefenwasser der Norwegischen See.
selbst mit einer flächendeckenden survey in einem Ras-
ter von 10 nautischen Meilen konnte 2004 kein solcher
Wirbel lokalisiert werden, obwohl nachfolgende Expedi-
tionen dann doch erwartungsgemäß mehrere auffanden.
Literatur
J. JANSEN
Am 25. März 2004 wurde man auf ein Sturmtief im man ab dem 27. März 12 UTC die Bezeichnung
Südatlantik aufmerksam, das sich auf die brasilianische „außertropische Zyklone mit tropischer Charakteris-
Küste zu bewegte. Dieses Tief hatte sich am 19./20. im tik“ (VIS-Aufnahme in Abb. 2). In der Nacht vom 27.
Bereich Paranagua/Florianopolis aus einer baroklinen auf den 28. erreichte der Sturm mit seinem Zentrum
Welle entwickelt und war dann in östliche Richtung die Küste in der Grenzregion der beiden brasiliani-
gezogen. Am 22. löste es sich von der Höhenströmung schen Bundesstaaten Santa Catarina und Rio Grande
(Cut-Off Prozess). Die Zugbahn ist in Abb. 1 darge- do Sul (IR-Aufnahme in Abb. 3). Das NHC bestimmte
stellt. Bereits am 26. stufte das U.S. National Hurricane die Windgeschwindigkeit mit 65 - 70 kn (10 Min-Mittel:
Center (NHC) in Miami/FL diese Zyklone nicht nur 57 - 61 kn), der brasilianische Wetterdienst dagegen
als tropisch ein, was für den Südatlantik allein schon mit 43 - 48 kn. Ein QuikScat-Bild2 vom 27. um 21.15
außergewöhnlich ist, sondern sogar als Hurricane der UTC zeigt eine höchste Windgeschwindigkeit von
Kategorie 1 (64 - 82 kn auf der Saffir-Simpson Skala1). 55 kn.
Hierbei muss berücksichtigt werden, dass in den Über-
wachungszentren der USA bei Angabe der Windge-
schwindigkeiten das 1 Min-Mittel üblich ist. Der Um-
rechnungsfaktor zum 10 Min-Mittel, wie es von ande-
ren nationalen Diensten verwendet wird, ist laut
WMO-Reglement 0,871. Das 1 Min-Mittel von 64 kn
entspräche dann 56 kn im 10 Min-Mittel.
Roger Edson von der University of Guam gab dem der Zuggeschwindigkeit sowie der Stärke des Windfel-
Sturm den Namen „Aldonça“, ein veralteter portugie- des ab. Es gibt Fälle, in denen die SST niedriger als der
sischer Frauenname, der soviel wie „süß“ bedeutet. In genannte Wert ist. In diesem Fall ist der Entstehungs-
den brasilianischen Medien gebrauchte man den Na- prozess jedoch noch nicht eindeutig geklärt.
men „Catarina“, da die Zyklone auf den Bundesstaat
Santa Catarina zusteuerte. Die meisten amtlichen Stel- In der Passatwindzone südlich von der ITZ gibt es da-
len wie die Defesa Civil do Rio Grande do Sul spra- gegen kaum Easterly Waves, aus denen tropische Zy-
chen von „1-T Alpha“. Dieser Name soll auch im Wei- klonen entstehen können. Auch ist die Windgeschwin-
teren verwendet werden. digkeit südlich der ITZ in der höheren Troposphäre im
Durchschnitt um mehr als 30 km/h höher als an der
Da aus dem Bereich der Zugbahn von 1-T Alpha kei- Meeresoberfläche. Diese vertikale Windscherung
ne Schiffsmeldungen vorliegen und Brasilien im hemmt den Entwicklungsprozess von tropischen Zy-
Gegensatz zu den USA keine für die Aufklärung von klonen spätestens im Stadium einer Depression.
tropischen Wirbelstürmen ausgerüsteten Flugzeuge
besitzt, ist die Bewertung, ob es sich bei 1-T Alpha um Für die Umwandlung einer subtropischen in eine tro-
eine tropische oder außertropische Zyklone handelte, pische Zyklone muss großräumig ein Mechanismus
schwierig. zum Transport von Wärmeenergie von den unteren in
die oberen Schichten der Troposphäre in Gang ge-
Zur besseren Einschätzung werden kurz einige Hin- bracht werden. Auch hierzu ist eine Verdunstungsober-
weise dazu gegeben, wann und wo mit dem Entstehen fläche mit ausreichend hoher Wassertemperatur not-
tropischer Zyklonen zu rechnen ist. Die Entstehung wendig. Durch starke Konvektion wird wiederum ge-
tropischer Zyklonen ist an die Lage der Innertropi- nügend latente Wärmeenergie frei, die für den Ener-
schen Konvergenzzone (ITZ) gebunden. Über dem giehaushalt der tropischen Zyklone zur Verfügung
Atlantik liegt sie in der Regel im Bereich des Äquators steht.
oder hart nördlich davon. Begünstigend für die Entste-
hung tropischer Zyklonen sind: Mit seinem Zentrum bewegte sich 1-T Alpha über ei-
ne Wasseroberfläche mit nur etwa 24 °C (siehe Abb. 1).
• eine geringe vertikale Windscherung, Die flächenhafte Verteilung der SST in der Abb. 1
• eine wirksame Corioliskraft und wurde Modellrechnungen3 entnommen. Zusätzlich
• eine Wasseroberfläche, die weiträumig eine Tempe- sind Messungen von Driftbojen und Schiffen aus die-
ratur (SST) von mindestens 26,5 °C aufweist. ser Zeit in dem betreffenden Seegebiet eingetragen.
Bei Zufuhr von feuchtwarmer Luft hat sich in der Zy-
Wichtig für das Überleben von Wirbelstürmen ist aber klone trotz kalten Wassers in den mittleren und oberen
auch, dass die SST von mindestens 26,5 °C nicht nur Schichten ein warmer Kern gebildet, erkennbar in
auf die dünne Oberflächenschicht begrenzt ist, da die Abb. 4 an den dunkelblauen Farben. 1-T Alpha zeigte
winderzeugten Wellen das Wasser vertikal durchmi- zudem eine gut strukturierte Konvektion mit ausge-
schen. Wie mächtig die Schicht sein muss, hängt von prägtem Auge. Ein QuikScat-Bild unter http://winds.
jpl.nasa.gov/publications/AtlanticHurricane.cfm gibt
die Windverhältnisse in der Nacht zum 27. März wie-
der.
3 http://www.mar.mil.br/chm/meteo/prev/tsm/tsming.htm
Abb. 4: Infrarotaufnahme des Satelliten METEO-7 vom
4Advanced Microwave Sounder Unit; Querschnittsanalyse der
26.03.2004, 20:30 UTC aus: http://ww.nrlmry.navy.mil/
sat_products.html. Temperatur innerhalb einer Zyklone
promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004 J. Jansen: Tropische(?) Zyklone über dem Südatlantik 245
scher Sturm eingestuft. Aufklärungsflugzeuge kamen scheinend in niedrigen und mittleren Höhen den sich
nicht zum Einsatz. verstärkenden Temperaturgradienten zwischen einem
warmen Hoch über Land südwestlich von ihm und ei-
Im westlichen Nordatlantik erstreckt sich der Bereich nem Kältetief (insbesondere kalt zwischen 700 und 500
mit einer SST von 26 °C entlang des Golfstroms bis hPa) nordöstlich des Zentrums ab. Der Ballonaufstieg
zum 40. Breitengrad. Hier können Hurricanes ihre In- am 28. um 00 UTC von Porto Allegre untermauerte
tensität auch außerhalb der Tropen beibehalten. Bei diese Vermutung. Die 850-500 hPa-Scherung bei Porto
Systemen baroklinen Ursprungs, die sich über demsel- Alegre betrug zu diesem Zeitpunkt 20 kn. J. Callaghan
ben Seegebiet formen und, wenn auch nicht alle, Ei- machte darauf aufmerksam, dass fast alle Systeme
genschaften einer tropischen Zyklone erkennbar wer- (tropische und sub-/außertropische) im Vorhersagebe-
den, entscheiden die Kollegen im NHC, das System als reich von Brisbane solch einen Temperaturgradienten
„tropisch“ einzustufen: Wohl auch, um keine Konfu- abbauen, dass aber bei den tropischen Zyklonen die
sion in den öffentlichen Warnungen zu erzeugen. vertikale Neigung und die Scherung viel schwächer ist.
Seiner Meinung nach handelte es sich bei 1-T Alpha
Einwände, ein System baroklinen Ursprungs, das sich um ein Hybrid-System. Operationell würde er es aller-
über Wasserflächen mit einer Temperatur weit unter- dings als tropische Zyklone bezeichnen.
halb des Schwellenwertes entwickelt, als „tropische“
Zyklone zu bezeichnen, kommen vor allem von Mitar- Der Diskussionsbeitrag von J. Callaghan stützt auch
beitern des australischen Wetterdienstes. Sie erleben unsere Auffassung, dass es sich bei 1-T Alpha um einen
entlang der Ostküste das ganze Spektrum von schwe- Hybridtypus gehandelt hat; d. h. einen Sturm, der in
ren tropischen Zyklonen bis zu heftigen außertropi- seiner Struktur tropische wie auch subtropische Merk-
schen Stürmen, wobei sich subtropische Stürme und male aufwies. Mithin läßt sich feststellen, dass die Ein-
Hybride (subtropische Tiefs mit tropischen Eigen- schätzung der Brasilianer nicht falsch ist, sieht man da-
schaften) auch innerhalb der tropischen Zone entwi- von ab, dass sie anscheinend in den Bulletins nicht zwi-
ckeln. So lieferte J. Callaghan einen interessanten Dis- schen subtropisch und außertropisch unterscheiden5.
kussionsbeitrag unter www.bom.gov.au/bmrc/clfor/
cfstaff/jmb/04Mar30a.htm, der hier auszugsweise wie-
dergegeben wird. Basis seines Beitrages sind die nu- Literatur
merischen Analysen des UKMO.
HIRSCHBERG, P. A.; J. M. FRITSCH, 1991: Tropopause Undu-
Das UKMO-Modell ließ am 22.03.2004 das Tief als lations and the Development of Extratropical Cyclones, Part
II: Diagnostic Analysis and Conceptual Model. Monthly
200 hPa Wärme-Anomalie stromabwärts in einer Tro-
Weather Review 119, 518-550.
popausen-Schwingung entstehen, siehe hierzu auch
Abb. 25 Teilbild I in HIRSCHBERG und FRITSCH
(1991). Diese Schwingung schwächte sich anschließend
ab mit dem Ergebnis, dass das Tief am 24. März Anschrift des Autors:
12 UTC eine nahezu senkrechte Achse mit einer
schwachen zyklonalen Zirkulation in der 200 hPa-Flä- Josias Jansen
che hatte. Dabei lag es in einem kalten Trog zwischen Deutscher Wetterdienst
700 und 500 hPa. Vom 25. bis zum 26. 12 UTC näherte GB Klima und Umwelt
sich dem Tief von Westen her eine neue Tropopausen- Abt. Klimaüberwachung
Schwingung, die zu einer Intensivierung des Tiefs führ- Postfach 30 11 90
te. Dieser neue Prozess brachte wärmere Luft ober- 20304 Hamburg
halb des Systems in der 200 hPa-Fläche, aber ohne die E-Mail: Josias.Jansen@dwd.de
starke 200 hPa-Warmluftadvektion, mit der die frühe-
re intensive außertropische Entwicklung verbunden
war.
5 siehe http://www.defesacivil.rs.gov.br/cumunicacao/noticia_
view_html
246 promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 246-253 (November 2004)
© Deutscher Wetterdienst 2004
C. LEFEBVRE
In der Zeit von Ende Juli bis zum Ende der 1. Septem- teilung der weltweiten Schiffsdaten von Juli bis Okto-
berwoche 2002 gelang dem Abenteurer Arved Fuchs ber 2002, die dem Deutschen Wetterdienst zugemeldet
und seiner Crew auf der ,Dagmar Aaen’, einem gaffel- wurden. Deutlich erkennbar ist die Fahrtroute der
getakelten Holzkutter (Abb. 1), nach zwei vergeb- ‚Dagmar Aaen’ entlang der sibirischen Küste.
lichen Versuchen die erfolgreiche Durchsegelung des
Nördlichen Seeweges von Murmansk im Norden der Im Gegensatz zu den im Mittel der Jahre sehr schwie-
Halbinsel Kola bis Providenija im Süden der Bering- rigen Eisverhältnissen am Rande des Nordpolarmee-
straße (siehe Abb. 2). res, die im Folgenden beschrieben werden, traf die Ex-
pedition im Jahre 2002 auf eine ungewöhnlich geringe
Auf ihrer Reise wurde die Crew mit täglichen meteo- Eisbedeckung. Sie gibt Anlass zu der Frage, ob sich die
rologischen Beratungen vom Deutschen Wetterdienst arktischen Meereisverhältnisse gegenwärtig verän-
unterstützt, die nicht nur die zu erwartenden Winde dern. Eine Eisabnahme kann als Anzeichen einer Kli-
auf dem jeweiligen Streckenabschnitt, sondern auch maerwärmung angesehen werden, da nach Modell-
Informationen über das Wetter (Sicht, Niederschläge, rechnungen die Zunahme an Treibhausgasen (insbe-
Temperatur), den Seegang und die Eisdrift umfassten. sondere CO2) eine Temperaturzunahme bewirkt, die in
Bei kritischen Wetterlagen erhielt die Schiffsführung der Arktis am größten ist und dort 5 K übersteigen
zusätzliche Empfehlungen wie aus meteorologischer kann (IPCC 2001).
Sicht sich anbietende Ausweichrouten
und ggf. Reiseunterbrechungen. Als
Gegenleistung setzte sie 3-stündlich
Wettermeldungen ab, die über Satellit in
das die Welt umspannende GTS (Global
Telecommunication System) eingespeist
und international verbreitet wurden. Die
Daten werden - wie alle weltweit erho-
benen Schiffswettermeldungen - in den
Archiven des Deutschen Wetterdienstes Abb. 2: Der Seeweg der ,Dagmer Aaen’ im Sommer 2002 (http://www.national-
gepflegt. Abb. 3 zeigt die räumliche Ver- geographic.de/php/entdecken/arved_fuchs/tagebuch_11_09.htm).
Die mittleren sommerlichen Eisverhältnisse in den rend in der Laptewsee und der Tschuktschensee in
arktischen Randmeeren Russlands günstigen, d. h. warmen Jahren, das Eis im September
völlig, in der Karasee bis auf einen Bedeckungsgrad
In der Arktis werden die mittleren Eisverhältnisse von 10 % abschmilzt, beträgt die geringste Eisbede-
durch das permanente Hochdruckgebiet über der ckung in der Ostsibirischen See im September immer
Beaufortsee (Seegebiet nördlich von Alaska) be- noch 30 %.
stimmt, das hier eine antizyklonale Eisbewegung, den
sog. Beaufortwirbel und den sog. Transpolaren Drift- Eine differenziertere Betrachtung gibt Abb. 7, in der
strom, antreibt (siehe Abb. 4). Der Beaufortwirbel be- die mittlere Ausdehnung mit dichtem und sehr dich-
wegt das Eis in die Ostsibirische See. Mit dem Trans- tem Eis – das ist Eis mit einem Bedeckungsgrad von
polaren Driftstrom erfolgt der Haupttransport an Eis 7-10 Zehntel – dargelegt wird. Ihr kann entnommen
aus der Kara- und Laptewsee durch die etwa 1000 m werden, dass die Grenzen für dichtes und sehr dichtes
tiefe Framstraße (zwischen Grönland und Spitzber- Eis deutlich nördlicher liegen als die mittlere Packeis-
gen) in den Nordatlantik. Er liegt im Jahresmittel bei grenze, und dass in der bereits erwähnten Wilkitzki-
mindestens 900 000 km² (RIGOR et al. 2002). straße zwischen der Taimyr-Halbinsel und Sewernaja
Zemlja der Bedeckungsgrad des Eises im Laufe des Ju-
Einen ersten Überblick über die in den Sommermona- li normalerweise auf Werte unter 7 Zehntel zurück-
ten zu erwartenden Eisverhältnisse in den russischen geht, was die Chancen für eine Passage erhöht.
Gewässern des Nordpolarmeeres gibt Abb. 5, in der
die mittlere Packeisgrenze für die Monate Juli bis Sep-
tember eingetragen ist. Aus ihr lässt sich der im Som-
mer zunehmende Rückzug der Eisgrenze von den Küs-
ten ersehen. Deutlich ist auch der Einfluss der in die
Randmeere strömenden großen Flusssysteme zu er-
kennen. So ist in der Karasee der Raum zwischen den
Halbinseln Jamal und Taimyr, in den u. a. die Flüsse
Ob, Tar und Jenesseij münden, bereits im Juli eisfrei.
Ebenso verhält es sich in der Laptewsee im Bereich
des Lenadeltas und in der Tschuktschensee nördlich
der Beringstraße. Andererseits gibt es Gebiete, wie im
Nordosten der Taimyr-Halbinsel, und hier insbesonde-
Abb. 5: Die mittlere Packeisgrenze in den Monaten Juni bis
re die Wilkitzkistraße, in denen im Mittel der Jahre die September (aus: Seehandbuch 1995).
Eisgrenze auch noch im September an das Festland
heranreicht.
Welche Eisverhältnisse auf den Schifffahrtsrouten an- Der Eisrückgang erfolgt von Polynjen aus, die fast im-
getroffen werden, hängt entscheidend auch von den mer an den gleichen Orten liegen. Mit Polynja wird eine
Windverhältnissen ab. Wie Abb. 8 zeigt, kann durch die offene Wasserstelle im Eis bezeichnet. Weitere Einzel-
Schubwirkung des Windes aus nordwestlichen bis heiten dazu siehe HARMS et al. (2004). In den russi-
nordöstlichen Richtungen Treibeis Richtung Küste schen Gewässern des Nordpolarmeeres befinden sich
und damit in die Seewege verdriften oder zu einer Ver- diese Polynjen vor allem vor den Mündungsgebieten
dichtung des dort bereits lagernden Treibeises führen. der sibirischen Ströme, einige aber auch im freien Meer.
Die Eisverhältnisse in den russischen Seegebieten wer- Neben der Lage der Polynjen sind die Zentren starker
den in der warmen Jahreszeit durch das sehr differen- Vereisung für die regionale Eislage entscheidend.
zierte Abschmelzen unterschiedlich kompakter Eisde- Treibeis mit einem Bedeckungsgrad von 7-10 Zehnteln
cken bestimmt. Nach vorangegangenen strengen Win- und großer Mächtigkeit oder in Verbindung mit Pack-
tern mit dickeren Eisschichten können sich die Tau- eis konzentriert sich gewöhnlich an 9 Stellen und kann
vorgänge über einen längeren Zeitraum erstrecken dort große Eismassive bilden, die üblicherweise nach
und/oder zu einem vermehrten Auftreten von Treibeis ihrer geographischen Lage benannt werden (Abb. 9).
führen. Jedes einzelne Eismassiv weist dabei noch verschiede-
ne Ausprägungen und differenzierte Lagen auf, die für
die Befahrbarkeit der Küstengewässer in den Som-
mermonaten entscheidend sein können. So wird im
Bereich der Taimyr-Halbinsel, deren Eisverhältnisse zu
den schwierigsten auf der Nordroute zählen, zwischen
zwei Varianten unterschieden. Relativ günstige Bedin-
gungen bestehen, wenn die Eismassive ,Nördliche Ka-
rasee’ (Nr. 2 in Abb. 9) und ,Sewernaja Zemlja’ (Nr. 3
in Abb. 9) voneinander getrennt sind (,leichte’ Varian-
te). Dann schmilzt die geschlossene Eisdecke gewöhn-
lich in der ersten Augusthälfte. Bilden beide Massive
eine Einheit (,schwere’ Variante), bricht die geschlos-
Abb. 7: Mittlere Ausdehnung von Eis mit einem Bedeckungs- sene Eisdecke erst Ende August/Anfang September
grad von 7-10 Zehntel in den Monaten Juli bis Septem- auf. Im Mittel der Jahre sind bis Ende September die
ber (aus: Seehandbuch 1995). Küsten der Taimyr-Halbinsel mit einer Wahrschein-
lichkeit von 80-90 % von einer geschlossenen Eisdecke
befreit, wobei die Wilkitzkistraße, die Meeresenge zwi-
schen dem Festland und Sewernaja Zemlja, Tausch-
platz von Eismassen aus der Kara- und Laptewsee
bleibt. In einzelnen Jahren kann das Eis den Küsten-
bereich jedoch den ganzen Sommer über blockieren.
In der Ostsibirischen See prägt die Lage des Ayon-
Massivs (Nr. 7 in Abb. 9) die Eisverhältnisse in der
Longa-Passage, die zur Tschuktschensee führt, ent-
scheidend. Hat es eine zentrale Lage, werden die Zu-
fahrten und die Passage eisfrei. Die für die Schifffahrt
schwierigste Situation besteht, wenn das Ayon-Massiv
mit dem Eismassiv der Wrangel-Insel (Nr. 8 in Abb. 9)
Abb. 8: Schubwirkung des Windes in den Monaten Juli bis Sep- verbunden ist und dichtes Eis die Longa-Straße und die
tember (aus: Seehandbuch 1995). Küste entlang der Tschuktschen-Halbinsel blockiert.
in %
Am 6. September, kurz vor Kap Deschnjow (66° 05’ N,
169° 40’ W), gingen innerhalb von nur 6 Stunden (zwi-
schen 6 und 12 UTC) die Wassertemperaturen von
8 °C auf 3 °C zurück, was auf eine Veränderung der Mittel 1988-2000: 6,1 Mio. km2
Strömungsverhältnisse schließen lässt. Nach der Um-
rundung des Kaps und der Einfahrt in die Beringstra-
ße stieg die Wassertemperatur dann wieder an. Der Jahr
aufkommende Nebel könnte ein Indiz dafür sein, dass Abb. 11: Anomalien der Meereisbedeckung im September
hier unterschiedlich temperierte Wassermassen aus der 1988-2003 (http://nsidc.org/data/seaice_index/archives/
Arktis und dem Pazifik aufeinander trafen. Die letzten image_select.html).
Seemeilen der Nordostpassage bis zum Ort Provideni-
ja am Ausgang der Beringstraße wurden mit einem auf
Nordwest drehenden und bis auf Windstärke 6 Bft zu-
nehmenden Wind rasch bewältigt. Mit den nördlichen
Winden wurde kaltes arktisches Wasser durch die Be-
ringstraße südwärts transportiert, wodurch die Wasser-
temperaturen bis auf 2,3 °C am 9. September, dem An-
kunftstag in Providenija absanken, während die Luft-
temperaturen nur geringfügig zwischen 6 und 8 °C
schwankten.
land markant.
Beobachtete Tendenzen
in 106 km2
breitet um bis zu rund 4 K, im März in Ostsibirien so- Die Witterung in Übersee (Global Climate Review), 2002: Deut-
gar um bis zu rund 10 K zu warm. Im Februar und scher Wetterdienst, Vol. 50, No. 3.
März bewirkte eine kräftige nordwärts gerichtete DIVINE, D.; R. KORSNES; A. MAKSHTAS, 2003: Variability
Windkomponente die Wärmezufuhr in die russischen and climate sensitivity of fast ice extent in the north-eastern
Randgebiete, was die Entwicklung einer ausgeprägten Kara SEA; Polar Research 22 (1), 27-34.
Eisbedeckung hemmte. Die hohen Temperaturabwei- FUCHS, A., 2003; Kälter als Eis, Delius Klasing Verlag, Biele-
chungen stehen in guter Übereinstimmung mit Er- feld, 224 S.
kenntnissen von THOMPSON and WALLACE HARMS, I. H.; C. SCHRUM; K. HATTEN, 2004: Entstehung
(2000), die für den winterlichen Zeitraum Januar-März und Klimarelevanz von Polynjen, promet 30(3), 148-152.
eine starke Erwärmung der eurasischen Landmasse HIBLER III, W.D.,1989: Arctic ICE-Ocean Dynamics in The
bei einem hohen AO-Index fanden. Das überdurch- Arctic Seas; Van Nostrand Reinhold Company, New York,
schnittliche Temperaturniveau hielt über die Sommer- 888 S.
monate hin an, so dass sich die Abschmelzprozesse im IPCC, 2001: Climate Change 2001: the Scientific Basis. Third As-
Sommer beschleunigt vollzogen. Insgesamt war das sessment Report of the Intergovernmental Panel of Climate
Jahr 2002 auf der Nordhalbkugel nördlich von 30° N Change, Cambridge University Press, Cambridge, UK, 881 S.
das bisher wärmste in einer aus Land- und Seestatio- JOHANNESSEN, O. M.; L. BENGTSSON; M.W. MILES; S.V.
nen seit 1861 bestehenden Zeitreihe. Es wies eine Ab- KUZMINA; V.A. SEMENOV; G.V. ALEKSEEV; A.P. NA-
weichung zum Mittel des Bezugszeitraums 1961-1990 GURNYI; V.F. ZAKHAROV; L.P. BOBYLEV; L.H. PET-
von 0,76 K auf (WMO 2003). TERSSON; K. HASSELMANN; H.P. CATTLE, 2004: Arctic
climate change: observed and modelled temperature and sea-
ice variability, Tellus 56A (4), 328-341
Neben den herausragenden Randbedingungen begün-
KARCHER, M.J.; R. GERDES; F. KAUKER; C. KÖRBELE,
stigten besonders auch die während der Seereise herr-
2003: Artic warming: Evolution and spreading of the 1990s
schenden Windverhältnisse die Eisbedingungen. Es warm event in the Nordic seas and the Artic Ocean; J. Geo-
gab nur wenige Zeiten, in denen ein kräftiger nörd- phys. Res. 108, No. C2, 3034, 16-1 - 16-16.
licher Wind blies, der das Treibeis in Richtung Küste
RIGOR, I. G.; R. L. COLONY; S. MARTIN, 2000: Variations in
und somit in die Fahrtroute trieb. Zudem verhalfen Surface Air Temperature Observtions in the Artic, 1979-97; J.
zeitweise die richtigen Windrichtungen zur unproble- Climate 13, 896-914.
matischen Bewältigung selbst kritischer Reiseab- RIGOR, I. G.; J. M. WALLACE; R. L. COLONY, 2002: Respon-
schnitte. So hatte direkt vor der Passage der Kara- se of Sea Ice to the Arctic Oscillation; J. Climate 15, 2648-2663.
straße, südlich von Nowaja Semlja, ein über mehrere
ROTHROCK, D. A.; Y. Yu; G. MAYKUT, 1999: Thinning of the
Tage wehender kräftiger Westwind das Eis weitgehend Arctic sea-ice cover; Geophys. Res. Lett. 26, 3469-3472.
aus dieser Enge getrieben, was deren Durchsegelung
Seehandbuch Nr. 4151, 1995: Abteilung für Seeschifffahrt und
unproblematisch machte (vgl. FUCHS 2003, S. 85).
Ozeanographie des Ministeriums für Verteidigung der Russi-
Arved Fuchs und seiner Crew war damit auch das nö- schen Föderation, St. Petersburg, 415 S.
tige Quantum Glück beschieden, das solche Abenteu-
SERREZE M. C.; J. M. MASLANIK; T. A. SCAMBOS; F. FET-
er bestehen hilft. TERER, J. STROEVE; K. KNOWLES; C. FOWLER; R.
DROBOT; R. G. BARRY; T. M. HARAN, 2003: A record mi-
Abschließend ist festzuhalten, dass die günstigen Eis- nimum arctic sea ice extent and area in 2002; Geophys. Res.
verhältnisse, die zur Zeit der Nordostpassage angetrof- Lett. 30 (3); 1110; doi:10.1029/2002GL016406.
fen wurden, sowohl auf die allgemeinen Veränderun- THOMPSON, D. W. J.; J M. WALLACE, 1998: The Arctic Oscil-
gen in der Arktis, die sich insbesondere in der Abnah- lation signature in the wintertime geopotential height and
me des Eises in den russischen Randmeeren auswir- temperature fields; Geophys. Res. Lett. 25, 1397-1300.
ken, wie auch auf die speziellen Bedingungen im Jahr THOMPSON, D. W. J.; J M. WALLACE, 2000: Annular Modes in
2002 und zur Zeit der Seereise selbst zurückzuführen the Extratropical Circulation: Month-to-Month Variablity; J.
sind. Climate 13, 1000-1016.
WAPLE, A. M.; J. H. LAWRIMORE (Hrsg.), 2003: State of the
Danksagung Climate in 2002; Bul. AMS 84(6), 800-800.
WMO, 2003: WMO Statement of the Status of the global Clima-
Meinem Kollegen Josias Jansen möchte ich für die te in 2002; No. 949, WMO, Genf, 11 S.
wertvolle Zuarbeit und insbesondere die Auswertung
der russischen Seehandbücher herzlich danken.
Anschrift der Autorin:
Literatur
Dipl.-Met. Christiana Lefebvre
CAVALIERI, D. J.; P. GLOERSEN; C. L. PARKINSON; J. C. Deutscher Wetterdienst
COMISO; J. H. ZALLY, 1997: Observed hemisheric asymme- GB Klima und Umwelt
try in the global ice changes; Sience 278, 1104-1106. Abt. Klimaüberwachung
COMISO, J. C., 2002: A rapidly declining perennial sea ice cover Postfach 30 11 90
in the Arctic; Geophys. Res. Lett., 29 (20): 1956, doi:10.1029/ 20304 Hamburg
2002GL015650. E-Mail: Christiana.Lefebvre@dwd.de
254 promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 254-256 (November 2004)
© Deutscher Wetterdienst 2004
Buchbesprechungen
ZÄNGL, W., HAMBERGER, S. vial, die Brennweiten der damaligen Pasterze oder Seite 165 an der Mer
(Hrsg.): Gletscher im Treibhaus. Kameras auf einem modernen de Glace. Auf den Seiten 124 und
Eine fotografische Zeitreise in Zoom einzustellen, aber die Bild- 125 sind zwischen Eiger und Mönch
die Alpine Eiswelt. Tecklenborg paare in dieser Sammlung rechtfer- jeweils in der unteren Bildhälfte
Verlag, Steinfurt, 2004, 271 S., tigen den großen Aufwand, der in starke Unterschiede festzustellen, in
460 Abb. ISBN 3-934427-41-3, sie gesteckt worden ist. Gute Bei- der Höhe nicht. Nicht einmal Felsen
Preis: 39,80 €. spiele für diese Schwierigkeiten und sind ewig: Der Gipfel, der auf Seite
ihre Bewältigung sind auf den Sei- 48 im Jahr 1931 noch eine kühne
Wolfgang Zängl und Sylvia Ham- ten 74 und 75 am Aletschgletscher Felsnadel trug, hat sie bis 2003 ver-
berger haben hier ein Buch veröf- zu sehen, wo die Eisoberfläche um loren.
fentlich, das wirklich vielseitig ist, mehrere hundert Meter eingesun-
sowohl nach dem Umfang als auch ken ist und der Wald das ehemalige Die Dynamik der Spaltenbildung
nach dem Inhalt. Mehr als zwei Gletschergebiet wieder besiedelt scheint manchmal unabhängig von
Drittel der 271 Seiten enthalten sehr hat. Es ist nicht nur das Eis, auch der Eisdicke zu sein: auf den Seiten
gut organisierte Vergleichsaufnah- Moränen, Bäche, Seen und Hütten 56/57 bleibt die quer verlaufende
men von Alpengletschern zu Beginn haben sich im letzten Jahrhundert Spalte am oberen Ende des Wech-
des 20. Jahrhunderts und heute, die verändert, der Wald hat sich meist tengrats ortsfest, auch wenn das Eis
Spezialisten und Laien gleicherma- ausgedehnt. so viel dünner geworden ist. Be-
ßen beeindrucken werden. Darauf sonders interessant die steilen Eis-
folgt eine Reihe von Textbeiträgen Manchmal ist die Veränderung der wände, die sich nicht so sehr nach
aus ganz verschiedenen Standpunk- Siedlungen im Vordergrund genau- dem Klima richten, sondern mehr
ten: Von WissenschaftlerInnen, so eindrucksvoll wie die des Eises dynamisch eingegrenzt werden, zum
Journalisten und Mitgliedern natur- im Hintergrund, zum Beispiel im Beispiel die Hängegletscher am Piz
schützender Organisationen. Pitztal auf den Seiten 32 und 33, am Palü auf Seite 137 und 237, am Gla-
Stilfserjoch auf Seite 188 oder Zer- cier de Moiry, Seite 96 und 97 im
Ich habe dieses Buch einen Monat matt auf den Seiten 238 und 239, Bild rechts oben, oder am Mont
auf meinem Schreibtisch gehabt, es wobei man in diesen Fällen wirklich Blanc, Seite 67-169. Steilflanken rea-
kritisch gelesen, und beschlossen, es von den Folgen menschlicher Tätig- gieren je nach Höhe unterschied-
in Reichweite stehen zu lassen. Der keit sprechen kann. lich; weil sie nur dünne Eisplatten
Bildteil ist eine außerordentlich gu- tragen, können diese in tiefen Lagen
te Dokumentation, im Textteil wer- Die Bildwiedergabe, die für glazio- ganz verschwinden, zum Beispiel an
den verschieden orientierte Leser logische Interpretationen wichtig der Jamspitze auf Seite 233.
jeweils etwas für ihre Bedürfnisse ist, ist im Allgemeinen gut gelungen.
finden, sei es eine fachliche Einfüh- Ein Beispiel für Schwierigkeiten Zwischendurch findet man auf den
rung in die Glaziologie, eine sachli- dieser Art kann man an den moder- alten Postkarten nichtwissenschaft-
che Darstellung der Naturschutzge- nen Bildern des Blaueisgletschers in liche Details, z. B. grüßt vom Rhône-
setze, oder die Meinung, dass der den Bayerischen Alpen sehen, wo gletscher 1901 ein Gymnasiast seine
Mensch an allem schuld sei. Ich wer- auf Seite 14 rechts vier, auf Seite 15 Familie erst in Sütterlinschrift, dann
de für meine eigene Information unten nur drei verschiedene Firn- in griechischen Buchstaben. Sylvia
und für meine Vorlesungen sicher schichten zu erkennen sind. An der Hamberger widmet den alten Post-
oft auf den Bildteil zurückgreifen. Zunge des Oberen Grindelwaldglet- karten und den heutigen Impressio-
schers (Seite 115, 118) ist es auch in nen einen Beitrag „Herzliche Grüße
Die beiden Autoren dieser Bilddo- der Natur schwierig, das graue Eis vom wunderbaren Gletscherge-
kumentation haben sehr gründlich vom grauen Felsen zu unterschei- biet“, Seite 190-193.
recherchiert. Es kann mehrere Jahre den. Bei mehreren Aufnahmen fällt
dauern, bis man einen Gletscher im auf, wie hell ein vorstoßender Glet- Besonders wenig Veränderungen
erwünschten Zustand - kein Alt- scher ist und wie grau sein Eis beim beobachtet man an den Gletschern
schnee an den Rändern, keine Wol- Rückzug ist. des Mt. Blanc-Gebiets, wo zum Bei-
ken, noch kein Neuschnee - ins Bild spiel Glacier des Bossons und Ta-
bekommt. Es wird nicht immer Die Änderungen des „ewigen“ Ei- connaz (Seite 167 und 168) aus ih-
leicht gewesen sein, den richtigen ses sieht man in unteren und mittle- ren sehr hohen Firnbecken auch
Standpunkt wieder zu finden, von ren Höhenlagen natürlich beson- heute noch bis unter die Waldgrenze
dem aus eine alte Fotografie aufge- ders gut, z. B. auf Seite 26 am Pfaf- reichen, relative geringe Änderung
nommen wurde, es ist auch nicht tri- fenferner, Seite 42 und 43 an der der Zunge auch beim Feegletscher
promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004 Buchbesprechungen 255
(Seite 86 und 87), der ebenfalls ein turschwankungen gegeben hat und streicht den Unterschied zwischen
hohes Einzugsgebiet hat. dass sich die Alpengletscher seither globaler und alpiner Erwärmung
nur in dem Ausmaß verändert ha- hervor. Latif stellt die Frage der
Auf Seite 183 ist der Suldenglet- ben, wie wir es von den letzten 150 Vorhersagbarkeit des Klimas, macht
scher unter dem Ortler im Bildver- Jahren kennen. Maisch betont, „dass die Probleme der Klimamodellie-
gleich 1913-2003 eigentlich nur we- es ... eine mit der heutigen Ausdeh- rung dem Nicht-Meteorologen an-
nig zurückgegangen, er ist von einer nung vergleichbare Vergletsche- schaulich und schließt mit dem zitie-
meterdicken Schuttschicht vor dem rungssituation bereits einmal gege- renswerten Satz „Das Klimasystem
Abschmelzen geschützt, aber nicht ben haben muss; und dies lange Zeit ist ein nichtlineares System, das bei
sofort als Gletscher erkennbar. Wie bevor die Menschen der damaligen starken Auslenkungen für uns alle
lange sich Eis unter dem Schutz ei- Zeitepochen das Klima spürbar zu verblüffende Lösungen bereit hal-
ner Schotterbedeckung halten belasten begannen.“ (Seite 208). ten kann“.
kann, sieht man auch am Arollaglet- Die jährliche Statistik der Längen-
scher (Seite 103) oder an seinem änderungen von Schweizer Glet- „Das Damokles-Schwert: Tauwetter
Nachbarn, dem Tsidjore Nouve auf schern auf Seite 211 ergibt bei Glet- im Alpenraum“ von Michel Revaz
Seite 105. schern zwischen 1 und 10 km Länge behandelt kurz und prägnant Glet-
deutlich zwei Vorstoßperioden, 1920 scherkatastrophen in der Geschich-
Die ersten 189 Seiten dieses Buchs und 1980, also in der Zeit des CO2- te und heute, d. h. Eislawinen, Aus-
bilden eine sehr gute und vielseitige Anstiegs, und zeigt damit, dass an- brüche von Gletscherseen, Folgen
Dokumentation der Veränderung dere Klimafaktoren vorübergehend des Auftauens von Permafrost. Da-
der Alpengletscher in den letzten wichtiger waren als der Treibhausef- zu werden Links zu Forschungspro-
100 Jahren, in der man nach ver- fekt. Mit manipulierten Bildern des grammen und -instituten aufgelistet.
schiedenen Kategorien wie Höhe, Tschiervagletschers wird dessen
Höhenbereich, Steilheit, Nord-Süd- Entwicklung von 1850 bis 2100 dar- Ich möchte nicht alle Beiträge be-
exposition, Alpenrand- oder zentra- gestellt. Schließlich folgt auf Seite sprechen, weil sie mit zunehmender
le Lage blättern kann und immer 214 noch eine Reihe von „coolen Seitenzahl weniger wissenschaftlich
wieder neue Eindrücke bekommt. Gletscherlinks“, mit denen man sich (das macht sie aber nicht weniger le-
Die Bilder sind gut beschrieben, das Eis auf den Bildschirm holen senswert) und zum Teil auch subjek-
manchmal kurz kommentiert. kann. tiver werden:
- Dominik Siegrist: Alpentouris-
Im Textteil gibt Francoise Funk-Sa- Gerhard Lieb behandelt „Die Pas- mus im Treibhaus,
lamí mit „Naturwunder aus Eis“ ei- terze als Beispiel eines schwinden- - Daniela Grosse: Stilfser Joch-
ne sehr gute Einführung in die Glet- den Gletschers“, gibt eine interes- Straße: Ein Pass macht Geschich-
scher, für Laien gleich gut zu lesen sante Geschichte der Gletschermes- te,
wie für Wissenschaftler aus den sungen seit 1879 und fasst die Ver- - Peter Haßlacher: Die Gletscher
Nachbarfächern der Glaziologie. Ich änderungen in zwei eindrucksvollen im Fadenkreuz der Seilbahnwirt-
hätte gerne mehr solche Beiträge, Grafiken zusammen: die jährlichen schaft. Prägnante, sachliche Dar-
die einem das Verständnis der vor- Längenänderungen und ihre Anein- stellung der Erschließung der Ös-
hergehenden Bildvergleiche so er- anderreihung zu 1800 m Rückzug terreichischen Gletscherskigebie-
leichtern. seit 1850, und sieben Querschnitte te,
der Pasterze, die ihr Schwinden aus - Stefan Witty: Bergsteigen im
Mathias Stremlow gibt mit „Grenz- einem anderen Gesichtspunkt an- Treibhaus,
raum Gletscher“ eine philosophi- schaulich machen. Lieb weist auch - Karsten Smid: Gletscherschmelze
sche Betrachtung der Gletscher, ih- darauf hin, dass durch den Rückzug - powered by Esso & Co.
rer Ästhetik und der Perception der des Eises von den Steilhängen und - Wolfgang Zängl: Von Kyoto nach
Gletscher durch den Menschen. Die durch das Auftauen von Permafrost Bagdad und zurück.
reinen oder exklusiven Naturwis- das Bergsteigen schwieriger und ge-
senschaftler unter den Glaziologen fährlicher geworden ist. Ich hoffe, dass es den Gletschern
sollten diesen Beitrag zweimal le- einst so geht wie dem Wald, der sich,
sen. Mojib Latif gibt in seinem Beitrag 1980 totgesagt, heute gesund aus-
„Der globale Klimawandel“ eine dehnt, und empfehle dieses Buch al-
„Gletscher im Brennpunkt des Kli- (für mich) klare Zusammenfassung len, die sich für Gletscher und Klima
mawandels“ von Max Maisch stellt des natürlichen und anthropogenen interessieren. Man muss nicht alle
die Gletscherschwankungen in den Treibhauseffekts, zeigt die Tempera- Texte lesen, aber man sollte alle Bil-
Rahmen der großen Ereignisse der turreihe des Hohen Peißenbergs seit der in Muße und mit Aufmerksam-
Eiszeiten und der Nacheiszeit. Es ist 1781, Man’s Kurve der Temperatur keit anschauen, sie vermitteln einen
interessant, dass es seit dem Ende der Nordhalbkugel der letzten 1000 sehr guten Überblick und bieten im-
des letzten großen Gletscherhoch- Jahre (in die ich gerade im Hinblick mer wieder kleine Entdeckungen.
stands der Jüngeren Dryas vor etwa auf die kleine Eiszeit keinen linea-
11.600 Jahren nur geringe Tempera- ren Trend eintragen würde) und M. Kuhn, Innsbruck
256 Buchbesprechungen promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004
SYMADER, W.: Was passiert, Unterfragen und -kapitel. Als di- den Niederschlag erfassen und
wenn der Regen fällt? Einfüh- daktisches Hilfsmittel faßt er die nicht, was auf dem Boden an-
rung in die Hydrologie. Verlag aus seiner Sicht wesentlichen Tat- kommt...“ sollte wohl doch so nicht
Eugen Ulmer Stuttgart, Preis bestände und Ansätze in sog. Infor- stehen bleiben (S. 32). Auch die
24,90 €. mationsblöcken und Flußdiagram- Messung des Niederschlages durch
men zusammen. Radar nutzt als Messprinzip nicht
Wasser und Leben sind eng mitein- die Signalabschwächung durch
ander verbunden und jedes Zuviel Insgesamt werden im Verlauf der Wolken (S. 35). Die Berechnung
oder Zuwenig an Wasser hat Fol- Behandlung alle wichtigen Fragen von Gebietsniederschlägen durch
gen. Das Wissen über den Wasser- und Ansätze angesprochen. Es wird die Kombination verschiedener
kreislauf und die Wirkungen von auf Übersichtsliteratur verwiesen. Verfahren (S. 90-92) sollte mit ei-
Wasser auf belebte und unbelebte Insgesamt erweist sich die Litera- nem relativierenden Hinweis verse-
Umwelt in der Lehre zu vermitteln, turliste als eher kurz und an der ei- hen werden. Es könnte sonst der
machen sich daher viele Studien- nen oder anderen Stelle wären er- Eindruck einer zu starken Simplifi-
gänge zur Aufgabe. Im vorliegen- gänzende Angaben durchaus will- zierung entstehen. Insgesamt dient
den Buch wird dies aus der Sicht kommen gewesen. die Darstellung der weitläufigen
der Hydrologie getan. Der Autor Zusammenhänge und stellt qualita-
wählt einen prozessorientierten Im ersten Kapitel werden eher all- tive Beschreibungen von einer gro-
Ansatz. gemeine Grundlagen gelegt. Dabei ßen Vielfalt von Prozessen dar.
zeigt sich, dass durch die notwendi-
Der Wasserkreislauf und die Dar- ge Kürze der Darstellung an eini- Das Buch strebt durch eine pro-
stellung im vorliegenden Buch be- gen Stellen die fachliche Präzision zessausgerichtete Untergliederung,
ginnt mit der Bildung des Regens in Einbußen erleidet. So ist die Verti- die Verwendung der Technik der
der Atmosphäre (Kapitel 1). In den kalgeschwindigkeit der Luft und „Informationsblöcke“ und die zahl-
folgenden Kapiteln wird der Weg die Tropfengröße bestenfalls indi- reichen Flußdiagramme eine Aus-
des Niederschlages vom Auftreffen rekt miteinander verknüpft. Auch richtung auf gut verständliche
auf die Oberfläche, (Kapitel 2), der besteht zwischen Eisnadeln und Lernblöcke an. Damit wird sicher
Weitergabe von der Oberfläche Pulverschnee (S. 18) nur insofern in besonderem Maße eine Leser-
(Kapitel 3), dem Eindringen in den ein Zusammenhang, als einer eine schaft angesprochen und erreicht,
Untergrund (Kapitel 4), der Untermenge des anderen darstellt. die sich nicht mit einzeldisziplinen-
Grundwasserbildung (Kapitel 5), Auch bei der Beschreibung der behafteten Details aufhalten kann.
dem Wegspülen von Stoffen (Kapi- Rolle von Wind und Turbulenz wä-
tel 6) und schließlich dem Abfluss re eine Zuschärfung der Begriffe G. Tetzlaff, Leipzig
(Kapitel 7) dargestellt. Der Autor nützlich und in Teilen wohl auch er-
zerlegt die in den einzelnen Kapi- forderlich. „Die traditionelle Nie-
teln gestellten Hauptfragen in derschlagsmessung soll den fallen-
promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 257-260 (November 2004) 257
© Deutscher Wetterdienst 2004
Das Heft 3/4, Jahrgang 28, „Numerische Klimamodelle – Was können sie, wo müssen sie verbessert werden?
Teil I: Das Klimasystem der Erde“ enthielt folgende Beiträge:
Das Heft 1 - 4, Jahrgang 29, „Numerische Klimamodelle – Was können sie, wo müssen sie verbessert werden?
Teil II: Modellierung natürlicher Klimaschwankungen“ enthielt folgende Beiträge:
Das Heft 3, Jahrgang 30, „Numerische Klimamodelle – Was können sie, wo müssen sie verbessert werden?
Teil III: Modellierung der Klimaänderungen durch den Menschen, 1. Teilheft“ enthielt folgende Beiträge:
21 H. GRAßL: Einführung
22 E. ROECKNER: Wirkung der erhöhten Treibhausgaskonzentration
23 G. P. BRASSEUR, H. SCHMIDT: Ozonabnahme in der Stratosphäre
24 J. LELIEVELD: Veränderte troposphärische Chemie
25 J. FEICHTER, U. LOHMANN: Aerosole und Klima
26 S. LIESS, L. DÜMENIL-GATES: Wirkung von Landnutzungsänderungen
promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004 263
* vergriffene Hefte. Ausleihe in der Bibliothek des Deutschen Vol.16, 1986, Nr. 1 Klimarelevante Spurenstoffe II
Wetterdienstes und in anderen Bibliotheken möglich. Nr. 2/3 Hydrometeorologie
Nr. 4 Ozon I
Vol. 1, 1971, Nr. 1/2 Mikro- und Makroturbulenz Vol.17, 1987, Nr. 1/2 Ozon II und III
Vol. 2, 1972, Nr. 1 Numerische Vorhersage* Nr. 3/4 Mesoskaliges Klima
Nr. 2 Satellitenmeteorologie I Vol.18, 1988, Nr. 1-3 Das Max-Planck-Institut für Meteorologie
Nr. 3 Satellitenmeteorologie II Nr. 4 Meteorologie und Klimatologie der
Nr. 4 Wolkenphysik Antarktis I
Vol. 3, 1973, Nr. 1 Das barotrope Modell Vol.19, 1989, Nr. 1/2 Meteorologie und Klimatologie der
Nr. 2 Geschichte der meteorologischen Antarktis II und III
Strahlungsforschung Nr. 3/4 Reaktive Spurenstoffe in der Atmosphäre
Nr. 3 Meßtechnik und Automation
Nr. 4 Technoklimatologie Vol.20, 1990, Nr. 1/2 Spezielle geophysikalische Verfahren
Nr. 3/4 Fernerkundung in der Meteorologie I
Vol. 4, 1974, Nr. 1 Die Grenzschicht der Atmosphäre*
Nr. 2 Medizinmeteorologie* Vol.21, 1991, Nr. 1/2 Fernerkundung in der Meteorologie II
Nr. 3 Instrumente und Methoden Nr. 3/4 ALPEX - Das Alpine Experiment I
Nr. 4 Vorhersageprüfung* Vol.22, 1992, Nr. 1 ALPEX - Das Alpine Experiment II
Vol. 5, 1975, Nr. 1 Agrarmeteorologie heute Nr. 2-4 Meteorologie der Mittleren Atmosphäre
Nr. 2 Die chemische Zusammensetzung der Vol.23, 1993, Nr. 1/2 Wolkenphysik und Wolkendynamik I
unteren Atmosphäre I, Gase* Nr. 3 Wolkenphysik und Wolkendynamik II
Nr. 3 Die chemische Zusammensetzung der Nr. 4 Allgemeine Themen
unteren Atmosphäre II, Aerosole
Nr. 4 GATE I Vol.24, 1995, Nr. 1/3 Wettervorhersagedienst I
Nr. 4 Wettervorhersagedienst II
Vol. 6, 1976, Nr. 1 GATE II
Nr. 2 Die Allgemeine Zirkulation der Vol.25, 1996, Nr. 1/2 Wettervorhersagedienst III
Atmosphäre Nr. 3 Beiträge zur Grundfragen d. Meteorologie
Nr. 3 Das barokline Modell Nr. 4 Das Meteorologische Observatorium
Nr. 4 Die Energetik der Allgemeinen Hohenpeißenberg I
Zirkulation der Atmosphäre
Vol.26, 1997, Nr. 1/2 Das Meteorologische Observatorium
Vol. 7, 1977, Nr. 1 Radioaktivität der Atmosphäre Hohenpeißenberg II
Nr. 2 Luftelektrizität I Nr. 3/4 Photosmog I
Nr. 3 Luftelektrizität II
Nr. 4 Klimaschwankungen Vol. 27, 2001, Nr. 1/2 Photosmog II
Nr. 3/4 Die neue Modellkette des DWD I
Vol. 8, 1978, Nr. 1 Aktuelle Probleme der
Flugmeteorologie Vol. 28, 2002, Nr. 1/2 Die neue Modellkette des DWD II
Nr. 2/3 Anthropogene Klimamodifikation Nr. 3/4 Numerische Klimamodelle
Nr. 4 Sturmfluten und Seegang I Teil I: Das Klimasystem der Erde
Vol. 9. 1979, Nr. 1 Sturmfluten und Seegang II Vol. 29, 2003, Nr. 1-4 Numerische Klimamodelle
Nr. 2/3 Zirkulationsmodelle Teil II: Modellierung natürlicher
Nr. 4 Stadtklima Klimaschwankungen
Vol.10, 1980, Nr. 1/2 Klimamodelle Vol. 30, 2003, Nr. 1/2 Umweltmeteorologie
Nr. 3 Klima und Planung I Vol. 30, 2004, Nr. 3 Numerische Klimamodelle
Nr. 4 Klima und Planung II Teil III: Modellierung der Klimaänderungen
Vol.11, 1981, Nr. 1 Meso-scale Modelle durch den Menschen, 1. Teilheft
Nr. 2/3 Transport und turbulente Diffusion Vol. 30, 2004, Nr. 4 Numerische Klimamodelle
von Luftbeimengungen Teil III: Modellierung der Klimaänderungen
Nr. 4 Flugmeteorologische Probleme der durch den Menschen, 2. Teilheft
planetarischen Grenzschicht
Vol.12, 1982, Nr. 1/2 Synoptische Meteorologie heute
Zentraler synoptischer Dienst*
Nr. 3/4 Biometeorologie
264 promet, Jahrg. 30, Nr. 4, 2004
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