Annika Schach
Cathrin Christoph Hrsg.
Handbuch
Sprache in den
Public Relations
Theoretische Ansätze –
Handlungsfelder – Textsorten
Springer Reference Sozialwissenschaften
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Fachwissen in aktueller, kompakter und verständlicher Form. Thematisch umfasst
die Reihe die Fachbereiche der Soziologie, Politikwissenschaft, Medien- und Kom-
munikationswissenschaft sowie der Pädagogik.
Die Handbücher dieser Reihe repräsentieren den jeweils aktuellen Stand des Wis-
sens im Fach. Reviewprozesse sichern die Qualität durch die aktive Mitwirkung von
namhaften HerausgeberInnen und hervorragenden AutorInnen.
Der Vorteil dieser neuen Handbücher liegt in seiner dynamischen Komponente: Die
Beiträge erscheinen noch vor der gedruckten Fassung (Online First) und sind bereits
von Beginn an zitierfähig. Zudem werden diese Beiträge aktualisiert und geben so
den aktuellen Stand der Forschung wieder.
Springer Reference Sozialwissenschaften wächst kontinuierlich um neue Kapitel und
Themen.
Annika Schach • Cathrin Christoph
Herausgeber
Springer VS
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018
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Im November 2015 befanden wir uns auf dem Rückweg von der Fachgruppentagung
„PR und Organisationskommunikation“ der Deutschen Gesellschaft für Publizistik
und Kommunikationswissenschaft (DGPuK). Zwei Tage lang hatten wir Vorträgen
gelauscht und mit den Kollegen diskutiert. Aber in der Rückschau bemerkten wir:
Über die Sprache war – wieder einmal – nichts gesagt worden. Dabei kommunizie-
ren Organisationen doch größtenteils mittels Sprache. Das Verfassen von Texten
gehört zum Brot- und Buttergeschäft von PR-Praktikern. In der PR-Ausbildung sind
Text-Seminare eine Selbstverständlichkeit. Und doch: Die wissenschaftliche Ausei-
nandersetzung mit PR blendet Text und Sprache weitgehend aus. Häufig verharrt sie
im Theoretisch-Abstrakten. So fassten wir den Entschluss, dieses Thema endlich
anzupacken. Die Idee zu diesem Handbuch war geboren.
Bei unseren Recherchen stellten wir schnell fest: Selbstverständlich gibt es
Kolleginnen und Kollegen, die Texte und Sprache in der PR erforschen – und zwar
aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Viele von ihnen bestätigten uns in dem
Gefühl, dass es an der Zeit ist für das „Handbuch Sprache in den Public Relations“.
Auch die Resonanz auf den Call for Papers zeigte: Wir betreten kein Neuland. Aber:
Die Sammlung und Systematisierung der unterschiedlichen Forschungen zum
Thema waren nötig. Denn noch führt die Beschäftigung mit Sprache ein Nischen-
dasein in der PR-Forschung. Warum ist das so?
Die PR-Forschung in Deutschland ist zum einen stark sozial- und kommunika-
tionswissenschaftlich geprägt und zum anderen durch Ansätze der Betriebswirt-
schaft und Managementlehre geleitet. Im deutschsprachigen Forschungsgebiet
Organisationskommunikation und PR überwiegt ein strategisch-instrumentelles Ver-
ständnis von Kommunikation, das zunehmend kritisch bewertet wird (z. B. Röttger
2010, S. 8; Sandhu 2009, S. 83; Wehmeier 2006, S. 214). Jedoch ist unter anderem
eine zunehmende insbesondere in Nordamerika setzt sich aber mehr und mehr die
Perspektive „Communication Constitutes Organization“ (CCO) durch. Sie die von
einer fundamentalen Konstituierung der sozialen Wirklichkeit durch Sprachgebrauch
aus (Craig 1999). Organisationen bestehen demnach aus fortwährend miteinander
verknüpften Kommunikationsprozessen und -ereignissen. Die CCO-Perspektive
interessiert sich vor allem für Emergenz und Prozesshaftigkeit von Kommunikati-
onspraktiken. (Schoeneborn 2013, S. 102) Sie ist in ihren Grundzügen der System-
theorie Luhmannscher Prägung nahe, Schoeneborn bezeichnet die systemtheoreti-
v
vi Vorwort Handbuch Sprache in den Public Relations
Die Beschäftigung mit Sprache und Text in den Public Relations hat eine hohe
Relevanz für die Praxis. Unternehmen werden in einem immer größeren Umfang
selbst zum Verfasser von Publikationen – in Text, Bild oder Film. Was unter dem
Begriff Content Management oder Content Marketing zusammengefasst wird, meint
den wachsenden Bereich der Produktion von sprachlichen Inhalten durch die Unter-
nehmen. In der Dreiteilung der Unternehmenskommunikation von sogenannten
Vorwort Handbuch Sprache in den Public Relations vii
Das Ziel dieses Handbuchs ist es, eine interdisziplinäre Perspektive auf Sprache und
Text in den Public Relations aufzuzeigen. Dabei sollen Anknüpfungspunkte auf
theoretischer wie auch anwendungsbezogener Basis geschaffen werden. Das Hand-
buch kann somit als Basis einer Systematisierung des aktuellen Feldes und zur
Anregung weiterer Forschung dienen. Es hat sich zu diesem Zeitpunkt kein umfas-
sendes theoretisches und empirisches Bild einer linguistischen PR-Forschung zeigen
können, und doch belegt die Vielfalt dieses Handbuches den Facettenreichtum der
Zugänge zu einem gemeinsamen Untersuchungsgegenstand. Das Handbuch zeigt in
drei Überthemen:
Es richtet sich an Wissenschaftler aller Disziplinen, die sich mit der Kommuni-
kation von und in Unternehmen auseinandersetzen, Praktiker aus Organisationen,
die nach Antworten auf Fragen des Sprach- und Textgebrauchs suchen und Studie-
rende der einschlägigen Studiengänge. Das Handbuch kann nicht alle Ansätze
erfassen. Aber es soll einen Startschuss für den Diskurs über die Relevanz der
Beschäftigung mit Sprache und Text in den Public Relations geben und Inspiratio-
nen für die Entwicklung interdisziplinärer Ansätze liefern. Wir würden uns freuen,
wenn in der Reaktion weitere Kolleginnen und Kollegen an uns herantreten, die sich
mit dem Thema auseinandersetzen – egal, aus welchem Fachgebiet. Vielleicht
gelingt es uns gemeinsam, dieses Forschungsfeld zu erfassen, zu systematisieren
und weiter in den Blickpunkt zu rücken.
Literatur
ix
x Inhaltsverzeichnis
xiii
xiv Mitarbeiterverzeichnis
Ulrike Buchholz
Zusammenfassung
Für Wilhelm von Humboldt ist Sprache die Form des Denkens schlechthin, wobei
sie den Prozess des Hervorbringens fokussiert. Damit setzt Humboldt eine Prio-
rität des Sprechaktes gegenüber der Sprache und zielt damit auch zugleich stets
auf das Handeln eines konkreten Menschen ab. Jede Sprache wirft einen eigenen
Blick auf die Welt, erschließt sie sich durch ihren spezifischen Blickwinkel und
gibt sie vielfältig wieder. Am Modell der lernenden Organisation wird gezeigt,
wie Humboldts Idee der Sprache in ihrer Vielfalt als Vermittlerin zwischen den
Welten die Zusammenarbeit befruchten und damit die Organisation entwickeln
helfen kann.
Schlüsselwörter
Denken • Dialog • Lernende Organisation • Verstehen • Weltansicht
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
2 Sprache als bildendes Organ des Gedankens: Der Kernaspekt des Sprachverständnisses
Wilhelm von Humboldts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
3 Verschiedenheit und Vielfalt: Humboldts Aspekt der sprachlich gebundenen
Weltansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
4 Erkenntnis durch Dialog: Sprache als Vermittlung zwischen dem Ich und dem Du . . . . . . 8
5 Verstehen ist auch Nicht-Verstehen: Die Individualität des Sprechens und die
Grenzen des Verstehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
6 Verstehen ist Kommunikation: Die Perspektive des Anderen wahrnehmen
und erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
7 Verstehen als Folge sozialer Tätigkei: Über Dialog die Perspektiven auf die Welt
fruchtbar machen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
U. Buchholz (*)
University of Applied Sciences and Arts, Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
E-Mail: ulrike.buchholz@hs-hannover.de
1 Einleitung
erklärbar. Sie vermittelt mithin zwischen dem Ich und der Welt, die er sich durch
Sprache gestaltet, und hilft dem Menschen, sich wiederum von der Welt, den
bezeichneten Gegenständen, zu differenzieren, sich aus ihr herauszuheben, sich ihr
gegenüberzustellen zu können. Damit erkennt der Mensch Objekte als Gegenstände
und sich selbst als Subjekt. „Das sprachliche Denken schafft die Gegenstände, an
denen das reflexive Denken ansetzt“ (Coseriu 2015, S. 456). Dieser Akt des Reflek-
tierens ist nach Humboldt durch und durch sprachlicher Natur. „Daraus folgt, daß der
Mensch ‚nur Mensch [ist] durch Sprache‘ (GS IV: 16) und daß er die Welt nur als
Welt erfaßt, insofern sie sprachlich konstituiert ist.“ (Di Cesare 1996, S. 279)
„Die Sprache muss zwar, meiner vollesten Ueberzeugung nach, als unmittelbar in den
Menschen gelegt angesehen werden; denn als Werk seines Verstandes in der Klarheit des
Bewusstseyns ist sie durchaus unerklärbar. (. . .) Die Sprache liesse sich nicht erfinden, wenn
nicht ihr Typus schon in dem menschlichen Verstande vorhanden wäre. Damit der Mensch
nur ein einziges Wort wahrhaft, nicht als blossen sinnlichen Anstoss, sondern als articulirten,
einen Begriff bezeichnenden Laut verstehe, muss schon die Sprache ganz, und im Zusam-
menhange in ihm liegen“ (GS IV: 15).
Für Humboldt ist Sprache die Form des menschlichen Geistes, des Denkens
schlechthin und daher ist sie im Wesentlichen kognitiv und nicht einzig kommuni-
kativ – weil sie kein Instrument ist, weil die Wörter keine Zeichen, weil sie keine
Abbilder der Welt sind. „Wörter sind keine willkürlichen und gleichgültigen Laute,
die sprachlich gefasste universelle Inhalte kommunizieren. Dagegen setzt Humboldt
seine kognitive Sprachauffassung“ (Trabant 2012, S. 46, 315), in der er sie zum
‚bildenden Organ des Gedankens‘ macht.
Die Sprache ist als „Schlüssel zum und Schema des Menschlichen überhaupt“
(Coseriu 2015, S. 359) schöpferische Tätigkeit, sie ist energeia, so Humboldt in
einer seiner zentralen Aussagen:
„Die Sprache, in ihrem wirklichen Wesen aufgefasst, ist etwas beständig und in jedem
Augenblick Vorübergehendes. [. . .] Sie selbst ist kein Werk (Ergon), sondern eine Thätigkeit
(Energeia). Ihre wahre Definition kann daher nur eine genetische seyn“ (GS VII: 45, 46).
Die Sprache fokussiert demnach den Prozess des Hervorbringens, nicht das
hervorgebrachte Erzeugnis (ergon). Sprache ist also stets ein Werden. Damit setzt
Humboldt eine Priorität des Sprechaktes gegenüber der Sprache und zielt damit auch
zugleich stets auf das Handeln eines konkreten Menschen ab (vgl. etwa Di Cesare
1996, S. 284–285; Trabant 2012, S. 25–26, 209).
Die Sprache an sich wird sichtbar in den verschiedenen Einzelsprachen, die
wiederum in den jeweiligen Sprechakten zu Tage treten. „Aus dem Sprechen [. . .]
erzeugt sich die Sprache“ stellt Humboldt fest (GS VI: 180) und: „Die Sprache liegt
nur in der verbundenen Rede, Grammatik und Wörterbuch sind kaum ihrem toten
Gerippe vergleichbar.“ (GS VI: 147).
Die Rede aktualisiert die Sprache nicht nur, sondern sie modifiziert sie auch jedes
Mal. „Deshalb begründet und rechtfertigt die Rede die Sprache und nicht umge-
kehrt“ (Di Cesare 1996, S. 285).
Verstehen und Diversität in der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts 7
Sprache ist die Bedingung der Erkenntnis, deren Objektivierung aber erst dann
vollendet ist, wenn ein Individuum sich mittels Sprache mit einem anderen Indivi-
duum austauscht, wenn das Wort „aus fremden Munde wiedertönt“ (GS VII: 56).
Mit Hilfe der Sprache verständigt man sich auf gemeinsame Bedeutungen und
letztlich auf gemeinsame Gegenstände, auf die gemeinsame Welt, die sich für
Humboldt ja ausschließlich sprachlich gestaltet. (Vgl. etwa Coseriu 2015, S. 455;
Trabant 2012, S. 315). Das Denken drückt nicht nur eine Beziehung des Ichs zur
Welt aus. Die Gestaltung dieser Beziehung erfolgt von vorneherein in der Verbin-
dung zu einem Du.
„Es liegt aber in dem ursprünglichen Wesen der Sprache ein unabänderlicher Dualismus,
und die Möglichkeit des Sprechens selbst wird durch Anrede und Erwiederung bedingt.
Schon das Denken ist wesentlich von Neigung zu gesellschaftlichem Daseyn begleitet, und
der Mensch sehnt sich, unabhängig von allen körperlichen und Empfindungs-Beziehungen,
auch zum Behuf seines blossen Denkens nach einem dem Ich entsprechenden Du, der
Begriff scheint ihm erst seine Bestimmtheit und Gewissheit durch das Zurückstrahlen aus
einer fremden Denkkraft zu erreichen“ (GS VI: 26).
Erst wenn also der Kommunikator – das Ich – die von ihm mit seiner Subjektivität
angereicherte Rede vom Rezipienten – dem Du -, wiederum mit dessen Subjektivi-
tät, dessen Interpretation verknüpft, erneut wahrnimmt, erlangt diese Rede eine über
ein Vorverständnis hinaus reichende, wirkliche Objektivität. Durch die sprachlich
gestaltete Erwiderung wird die subjektive Vorstellung zum Begriff. Die vollständige
Objektivierung der subjektiven Vorstellung kann also erst dann erfolgen, wenn das
Ich selbige außerhalb seiner selbst wahrnehmen kann. Und das geschieht im Dialog
mit dem Du (Vgl. Di Cesare 1996, S. 280–281).
Verstehen und Diversität in der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts 9
„Alles Sprechen beruht auf der Wechselrede“, bekundet Humboldt (GS VI: 25),
wodurch er die dialogische Natur des Denkens betont. Objektivierung erfolgt durch
Sprache und findet daher ausschließlich intersubjektiv statt. In letzter Konsequenz
heißt das, dass ein Ich nur durch ein Du existieren kann: „Erst in der vom Du
gegebenen Antwort erkennt das Ich die so geformten Erscheinungen als Welt und
sich selbst als Ich“ (Di Cesare 1996, S. 281). Sprache ist also Rede, wodurch eben
das Sprechen, der Prozess des Hervorbringens, in Humboldts Sprachtheorie Priorität
gegenüber der Sprache an sich erhält, wie bereits weiter oben erläutert. Und Rede ist
Dialog, also nicht einfach ein Austausch von Worten, kein einfaches Gespräch, keine
schlichte Konversation. Im Dialog beobachten sich die Gesprächspartner beim
Denken selbst und beteiligen das Gegenüber an eben diesem Denkprozess (Gölitzer
2015, S. 97).
Die Rede in der Form eines Dialogs ist selbstreflexiv und ermöglicht eine in der
sprachlichen Interaktion sich weiterentwickelnde Sinnhaftigkeit, ein sich fortentwi-
ckelndes Erschließen von Bedeutung. Es geht um neue Sichtweisen, neue Einsichten
und Erkenntnisse, die durch die „Wechselrede“ gewonnen werden, die zwar immer
subjektiv bleiben, aber nur durch diese „Wechselrede“, durch andere (sprachliche)
Zugänge zur Welt, überhaupt Objektivität erhalten können. Da die Rede aber nie ihre
Subjektivität verliert, kann es im Dialog auch zu Missverständnissen kommen, was
aber gerade die sprachliche Verständigung vorantreibt, denn nur im Dialog kann man
ein gemeinsames Verständnis finden und dadurch sich selbst und damit die Welt
weiterentwickeln. (Vgl. Gölitzer 2015, S. 91, 92)
Auch das Verstehen ist für Humboldt wie das Sprechen ein durch und durch
sprachlicher Vorgang:
„Mit dem Verstehen verhält es sich nicht anders. Es kann in der Seele nichts, als durch eigne
Thätigkeit vorhanden seyn, und Verstehen und Sprechen sind nur verschiedenartige Wir-
kungen der nemlichen Sprachkraft“ (GS IV: 56).
Das heißt jedoch nicht, dass im jedesmaligen Sprechakt durch die Vermittlung
der Sprache stets eine vollständige Übereinstimmung erzielt werden kann. Denn
Verstehen ist ein Vorgang, bei dem eine wahrgenommene Äußerung gedeutet,
interpretiert werden muss. Aber
„Keiner denkt bei dem Wort gerade und genau das, was der andre [nicht nur Denotation,
sondern eben auch viel Konnotation, d. V.], und die noch so kleine Verschiedenheit zittert,
wie ein Kreis im Wasser, durch die ganze Sprache fort“, stellt Humboldt fest (GS VII: 64).
Aufgrund der absoluten Individualität und Subjektivität des Sprechens kann man
nie sicher sein, ob man wirklich verstanden wurde wie intendiert. Denn das Gegen-
über, das Du, ist ebenso individuell geprägt wie man selbst, bleibt so bis zu einem
gewissen Grad fremd.
„Alles Verstehen ist immer zugleich auch ein Nicht-Verstehen, alle Übereinstimmung in Gedan-
ken und Gefühlen zugleich ein Auseinandergehen“, folgert Humboldt daher (GS VII: 64 f.).
Diese Grenzen des Verstehens wird sich das verstehende Individuum insbeson-
dere dann bewusst, wenn die Fremdheit ganz offensichtlich ist, nämlich in der
Begegnung mit einer fremden Sprache. Die Vielfalt der Sprachen mit ihren jewei-
ligen Weltansichten impliziert damit nicht nur die Möglichkeit, in gewisser Weise
„die Welt“ zu erkennen und zu verstehen, sondern setzt dem interkulturellen Mitei-
nander auch gleichzeitig Grenzen. (Koller 2003, S. 522 ff.) Aber Verständigung
kann dennoch gelingen, weil die Individuen die Perspektive des Gegenübers über-
nehmen können und in der Lage sind, über ihr eigenes Denken nachzudenken, was
wiederum das Verstehen fördert (Vgl. Gölitzer 2015, S. 83).
henden Stoff „nichts auftreten kann, was dem Interpreten prinzipiell unzugänglich
wäre“ (Koller 2003, S. 520–521).
Verstehen bildet sich aber nicht nur aus dem reinen Schöpfen aus prinzipiell
bekanntem Stoff, denn
„die gemeinsame Rede ist nie mit dem Uebergeben eines Stoffes vergleichbar. In dem
Verstehenden, wie im Sprechenden, muss derselbe aus der eignen, inneren Kraft entwickelt
werden; und was der erstere empfängt, ist nur die harmonisch stimmende Anregung“
(GS VII: 57).
Damit basiert Verstehen auch und vor allem auf dem, was vom rezipierenden (und
interpretierenden) anderen Individuum zurückkommt. Durch die Artikulation, die
„sinnliche Form des Wortes“ (Di Cesare 1995, S. 280) wird das Gesagte bzw.
Gehörte objektiviert und öffnet sich so dem Verstehen, indem Kommunikator und
Rezipient sich auf eine gemeinsam geteilte Bedeutung verständigen (Vgl. Gölitzer
2015, S. 94). Diese „Arbeit des Geistes“ beschreibt Humboldt wie folgt :
„Subjective Thätigkeit bildet im Denken ein Object. Denn keine Gattung der Vorstellungen
kann als bloss empfangendes Beschauen eines schon vorhandenen Gegenstandes betrachtet
werden. Die Thätigkeit der Sinne muss sich mit der inneren Handlung des Geistes syn-
thetisch verbinden, und aus dieser Verbindung reisst sich die Vorstellung los, wird, der
subjectiven Kraft gegenüber, zum Object und kehrt, als solche aufs neue wahrgenommen, in
jene zurück. Hierzu aber ist die Sprache unentbehrlich. Denn indem in ihr das geistige
Streben sich Bahn durch die Lippen bricht, kehrt das Erzeugnis desselben zum eignen Ohre
zurück. Die Vorstellung wird also in wirkliche Objectivität hinüberversetzt, ohne darum der
Subjectivität entzogen zu werden. Dies vermag nur die Sprache; und ohne diese, wo Sprache
mitwirkt, auch stillschweigend immer vorgehende Versetzung in zum Subject zurückkeh-
rende Objectivität ist die Bildung des Begriffs, mithin alles wahre Denken unmöglich. Ohne
daher irgend auf die Mittheilung zwischen Menschen und Menschen zu sehn, ist das
Sprechen eine notwendige Bedingung des Denkens des Einzelnen in abgeschlossener
Einsamkeit. In der Erscheinung entwickelt sich jedoch die Sprache nur gesellschaftlich,
und der Mensch versteht sich selbst nur, indem er die Verstehbarkeit seiner Worte an Andren
versuchend geprüft hat. Denn die Objectivität wird gesteigert, wenn das selbstgebildete Wort
aus fremden Munde wiedertönt“ (GS VII: 55 f.).
Verstehen ist also für Humboldt, indem es ein sprachlicher Akt ist, zugleich ein
dialogischer, intersubjektiver, kommunikativer Vorgang. Verstehen aus sich selbst
heraus durch sprachliche Artikulation sich selbst gegenüber als isoliertes Subjekt ist
für ihn nur prinzipiell denkbar. Wirklich fundiert, wirklich objektiviert ist Verstehen
erst im Austausch mit einem Gegenüber, wodurch dessen Gedanke wieder zurück-
kehrt zum Sprecher. „Sprachliche Interaktion wird (. . .) mithin als ein Vorgang
begriffen, bei dem ein Sprecher durch die Äußerung einer Lautfolge einen Zuhörer
dazu anregt, in sich selbst eine [subjektive, d. V.] Vorstellung hervorzubringen, die in
irgendeiner Weise derjenigen entspricht, die vom Sprecher artikuliert wurde“ (Koller
2003, S. 524). Das funktioniert nach Humboldt, wie bereits erläutert, weil bei aller
Verschiedenheit der Individuen ihnen die prinzipielle Menschlichkeit und die grund-
sätzliche Sprachfähigkeit zu eigen sind (inklusive der Selbstreflexion bzw. Selbst-
erkenntnis) und sie dadurch in einer Beziehung zueinander stehen.
12 U. Buchholz
„Was für mich am überzeugendsten für die Einheit der menschlichen Natur in der Verschie-
denheit der Individuen spricht, ist das oben Gesagte: dass auch das Verstehen ganz auf der
inneren Selbstthätigkeit beruht, und das Sprechen mit einander nur ein Gegenseitiges
Wecken des Vermögens des Hörenden ist“ (GS VI: 176).
Folgt man Humboldts Verständnis von Sprache, Sprechen und Denken, erfolgt das
Verstehen nur im Dialog, also aus einer sozialen Interaktion heraus, die – modern
gesagt – für beide Parteien eine Win-Win-Situation ermöglicht. Denn die differenten
Ansichten und Einsichten, die im Dialog zutage treten, sollen nicht in einem
Wettkampf ausgefochten werden, sondern in eine Beziehung treten, die die Diffe-
renz erhält und für beide Seiten positiv gestaltet.
„Die ganze Individualität des Sprechenden wird daher von ihr [der Sprache, d. V.] in den
Andren übertragen, nicht um seine eigne zu verdrängen, sondern um aus der fremden und
eignen einen neuen fruchtbaren Gegensatz zu bilden“ (GS VII: 180).
Aber da der Mensch fähig ist, sich in die andere Weltansicht hineinzudenken,
quasi die Grenzen seiner eigenen Weltansicht zu überwinden, ist Verstehen möglich,
wissend jedoch, dass er seine eigene Weltansicht dabei nicht gänzlich ablegen kann.
(Er bleibt immer in einer Zwischenwelt). So ist schließlich das Verstehen nicht mit
bedingungsloser Angleichung verknüpft, sondern mit einer für beide Seiten förder-
lichen Weiterentwicklung, die jedoch die grundsätzliche Differenz im Verstehen
aufrecht erhält (Vgl. Koller 2003, S. 527, 530). Ein auf Verstehen ausgerichteter
Verstehen und Diversität in der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts 13
Dialog intendiert also eine Entwicklung und beruht folglich auf Zuhören und
Reflexion. Die Idee der Weltansicht setzt die Teilnehmenden in einem Dialog zudem
in einen Kontext individueller Kenntnisse, gemeinsamer Lernprozesse, gruppenspezi-
fischer Dynamik oder bestimmter Gesprächsmodalitäten mit daraus resultierenden
unterschiedlichen Deutungen (Vgl. etwa Schwägerl 2016). Durch das Nicht-Verstehen
im Dialog bleibt die Grenze zwischen den sprachlichen Weltansichten erhalten, was
aber, wenn man sich darauf einlässt und diesen Umstand kultiviert, im Verlauf der
Interaktion zu einer Entfaltung und Evolution des (gemeinsamen) Wissens führt.
Humboldt betrachtet das Nicht-Verstehen als konstitutiv für das Verstehen und
die Vielfalt der voneinander verschiedenen Weltansichten als für das Verstehen
ertragreich. Im Dialog, in der sozialen Tätigkeit muss es darum gehen, Unterschiede
auszuhalten, sie nicht wegen der vermeintlichen Notwendigkeit einer herbeizufüh-
renden Übereinstimmung in Kongruenz bringen zu wollen. Denn zum einen sind die
Sprachenvielfalt und die aus ihnen hervorgehende Diversität der Weltansichten nicht
überwindbar. Und zum anderen ist das Aushalten des Unterschieds, ist das im Dialog
entstehende Nicht-Verstehen eben auch konstitutiv für Fortentwicklung und geisti-
ges Wachstum.
Folgt man Humboldts Verständnis vom Menschen als durch Sprache konstituiertes
Individuum („der Mensch ist nur Mensch durch Sprache“), welches sich nur mit
Sprache seine Welt erschließen (im Grunde sogar gestalten) kann, muss man ein
sprachlich gebundenes Lernen voraussetzen. Jeder sieht die Welt so, wie sie ihm
seine Sprache zugänglich macht. Jeder erkennt nur das, was ihm über Sprache
bewusst wird. Und er erkennt es dann am besten, wenn er sich und seine Sicht durch
den Austausch mit einem Gegenüber reflektieren kann. Konsequent weitergedacht
heißt das für die Zusammenarbeit vieler Individuen in Organisationen, dass das
gemeinsame Arbeiten erst dann vollendet funktionieren kann, wenn die einzelnen
Mitarbeitenden in einen beständigen Dialog (miteinander und mit ihrer Umwelt)
treten können.
Dies trifft ganz besonders auf die Form der sogenannten lernenden Organisation
zu, deren Konzept vor dem Hintergrund der zu beobachtenden wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Entwicklung immer häufiger obligat für den ökonomischen Erfolg
insbesondere von Unternehmen ist. Wissen gilt für viele Experten zunehmend als die
strategisch bedeutendste Ressource für den Unternehmenserfolg (vgl. etwa Dillerup
und Stoi 2016, S. 849 ff.; Macharzina und Wolf 2015, S. 819 f.; Bullinger et al.
2009, S. 77–78, 701–702). Und ein erfolgversprechender Prozess zum Erwerb von
Wissen ist bekanntlich Lernen. Für die lernende Organisation geht es vor allem um
das kollektive Lernen, um das Erzeugen und Gestalten von Wissen, das die gesamte
Organisation in einem kollaborativen Zusammenwirken voranbringt.
Unternehmen müssen insbesondere lernen, sich auf ein Umfeld einzustellen, das in
fast jeder Hinsicht unsicher und unübersichtlich geworden ist. Viele Einflussgrößen
14 U. Buchholz
bilden zunehmend ein vernetztes, sowohl in seinen Einzelteilen wie auch im Zusam-
menhang kaum überschaubares Ganzes. Die größte Herausforderung ist dabei der
Umgang mit Komplexität und hierbei vor allem der Umgang mit Mehrdeutigkeit.
(Buchholz und Knorre 2017, S. 7).
Neues Wissen entwickeln kann nur der Mensch (Dillerup und Stoi 2016,
S. 866, 874; Macharzina und Wolf 2015, S. 816). Organisationales Lernen geschieht
dann, wenn sich die Wissensbasis einer Mehrheit der in der Organisation arbeitenden
Individuen verändert und dazu beiträgt, dass sich die Organisation weiterentwickelt.
Dazu ist es notwendig, dass sich verschiedene Wissensquellen laufend austauschen
können, genauer, dass die Individuen interagieren (Macharzina und Wolf 2015,
S. 816; Bullinger et al. 2009, S. 826). Ein besonderes Kennzeichen der lernenden
Organisation ist ein abwechselnder Prozess des Denkens und Handelns (Bullinger
et al. 2009, S. 827). Systemimmanent sind dabei Information, Kommunikation und:
Sprache. (Natürlich ist für ein erfolgreiches organisationales Lernen auch eine Unter-
nehmenskultur unabdingbar, die den Wissensaustausch und das Lernen fördert. Und
es müssen die passenden, unbürokratischen Organisationstrukturen geschaffen wer-
den, in denen der Informationsfluss ungehindert strömen kann. Das bleibt hier einmal
außen vor, da wir uns im Geiste Humboldts auf den für das Verstehen und damit für
das Lernen obligaten Dialog zwischen Menschen beschränken wollen.)
Organisationales Lernen wird also mehr und mehr zu einer Voraussetzung für
Wachstum und Weiterentwicklung der jeweiligen Organisation. Wenn wir das
Verstehens-Modell von Wilhelm von Humboldt zugrunde legen, das in den vorhe-
rigen Kapiteln entwickelt wurde, wird dies immer mit einem Ringen um gemeinsam
getragener Handlungsoptionen verknüpft sein. Denn eine totale Übereinkunft wird
es nicht geben können, da es immer einen Anteil an Nicht-Verstehen geben wird. In
der traditionellen Unternehmensführung wird dieser Dissenz durch den Einsatz von
Macht kompensiert. Bei den zunehmend unsicheren und unübersichtlichen Umfel-
dern von Unternehmen kann das aber schnell zu einer fatalen Fehlentscheidung
führen. Unternehmerisches Handeln muss stattdessen laufend mit der aktuellen
Situation abgeglichen und gegebenenfalls auch kurzfristig umgeworfen werden
können, wenn die Situation neu bewertet werden muss, und zwar auf Basis viel-
fältiger Informationen aus der gesamten Organisation.
Es kann dabei aber eben ganz im Humboldtschen Sinn zu widersprüchlichen
Situationsbewertungen kommen, wenn Individuen sie aus ihrer Perspektive, ihrer
Weltansicht betrachten und zu verstehen versuchen. Deshalb ist es wichtig, im Aus-
tausch miteinander viele Perspektiven einzubeziehen, die mögliche blinde Flecken
mindern (Buchholz und Knorre 2017, S. 5–6). Dabei entstehende Verwerfungen muss
eine Organisation eine Zeit lang aushalten können, um sie in der Breite zur Diskussion
stellen zu können und so aus einem Nicht-Verstehen heraus letztlich womöglich die
bessere Entscheidung zu treffen. In einer lernenden Organisation ist dieser Weg allemal
geeigneter als Unterschiede oder Dissenzen schnell und risikoarm in einem Vier-
Augen-Gespräch bereinigen zu wollen.
In lernenden Organisationen werden Mitarbeitende benötigt, die bereit sind, sich
immer wieder neues Wissen anzueignen, um immer wieder neue Zusammenhänge zu
erkennen, neue Ideen zu entwickeln und diese gemeinsam mit anderen umzusetzen.
Verstehen und Diversität in der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts 15
Je vielfältiger dabei die Basis ist, umso erfolgversprechender sind die Ergebnisse.
Denn ohne Vielfalt, Komplexität und Zufall entsteht nichts nachhaltig Neues
(Buchholz und Knorre 2012, S. 157). Dabei spielt die Überwindung der Angst vor
dem real existierenden Nicht-Verstehen, die Überwindung einer Vogel-Strauß-
Haltung, die die Wahrnehmung einer diffus daherkommenden Wirklichkeit ausblen-
det, eine entscheidende Rolle. Das Wissen um sprachliche Weltansichten und ins-
besondere deren Wertschätzung kann aus dem Dilemma heraushelfen. Denn wenn
man es zulässt, führt die Auseinandersetzung mit anderen Weltansichten zur Erwei-
terung der eigenen Weltansicht – in lernenden Organisationen eine elementare
Notwendigkeit. Das Kommunikationsmanagement muss hier die Rolle der Vermitt-
lung einnehmen, die die Chancen von Vielfalt bewusst macht, dabei hilft, Unter-
schiede eine Zeitlang zum Zweck der Lösungsfindung auszuhalten, und u. a. dafür
für vielfältige Vernetzungsgelegenheiten sorgt.
Fast ist man geneigt, Wilhelm von Humboldt als Vordenker des organisationalen
Lernens zu betrachten. Denn seine sprachwissenschaftlichen Untersuchungen waren
getrieben durch sein Bestreben, dem Entstehen von Neuem nachzugehen. Ihn
interessierte die Verschiedenheit, was sie konstituiert und wie sie sich entfaltet
(Trabant 2012, S. 312; Meschonnic 1995, S. 68). Folgt man seinen Überlegungen,
eröffnet sich gar eine geeignete Sichtweise auf das moderne Diversity Management.
Denn die Wertschätzung von Vielfalt und der entsprechende Umgang mit einer
selbst widersprüchlichen Pluralität sind in lernenden Organisationen, wie wir gese-
hen haben, Grundvoraussetzungen unternehmerischer Entscheidungen und Hand-
lungen. Innovationskraft benötigt Vielfalt, weil auf diese Weise eher die Zufälligkei-
ten zu Tage treten, aus denen sich Neues entwickelt. Das Einnehmen verschiedener
Perspektiven, unterschiedliche Annahmen über Entwicklungen oder Zusammenhänge
sowie differierende Einstellungen werden als hilfreich betrachtet, um im Unterneh-
men ein möglichst umfassendes Bild anzunehmender Störungen oder erreichbarer
Chancen zu erhalten (Buchholz und Knorre 2012, S. 154). Und das reicht über die
Unternehmensgrenzen hinaus. Denn organisationales Wissen generiert sich auch und
nicht zuletzt im Austausch mit Kunden, Lieferanten und anderen externen Bezugs-
gruppen.
Zentrale Elemente für erfolgreiches Agieren in einer unsicheren Umwelt sind
Kollaboration, Vielfalt, Vernetzung und Wachsamkeit (Buchholz und Knorre 2017).
In einer institutionalisierten Kollaboration haben alle involvierten Mitarbeitenden in
der Zusammenarbeit das übergeordnete unternehmerische Ziel stets im Blick, anstatt
sich einzig auf die sie unmittelbar betreffenden Aufgaben und Ziele zu konzentrie-
ren. Für adäquate Lösungen ist Vielfalt eine wesentliche Voraussetzung, denn sie
führt, wie mehrfach ausgeführt, zu unterschiedlichen Meinungen und Ansichten.
Durch die bewusste Auseinandersetzung mit diesen Unterschieden gelangt man zur
Selektion und damit zu Entscheidungen, was insgesamt ein hochkommunikativer
16 U. Buchholz
Prozess ist und gemanagt werden muss. Ein richtig verstandenes Diversity Manage-
ment sorgt also nicht nur gezielt für Pluralität, sondern auch für die Wahrnehmung
von Komplexität und versteht es gleichzeitig, die herbeigeführte Vielschichtigkeit mit
Hilfe von Kommunikation zum Nutzen einvernehmlicher Handlungen aufzulösen
(Buchholz und Knorre 2012, S. 157).
Vielfalt kann sich besonders in Netzwerken entfalten, denn die Netzwerkteilneh-
mer können im gegenseitigen Austausch die (möglichen) Folgen ihrer Handlungen
auch auf Basis der Erkenntnisse und Verhaltensweisen der anderen reflektieren und
die für die Organisation gedeihlichen Handlungen anstoßen. Das ist ein zutiefst
sprachlicher Akt, wie Humboldt immer wieder betont, nämlich „dass die objective
Wahrheit aus der ganzen Kraft der subjectiven Individualität hervorgeht. Dies ist nur
mit und durch die Sprache möglich“ (GS IV: 27).
Intelligente Verbindungen vielfältiger Informationen haben daher systemgenerie-
rende Eigenschaften und fördern die Wachsamkeit gegenüber äußeren Einflüssen
und internen Ressourcen und Abläufen. Vielfältige Vernetzungsmöglichkeiten sind
auch deshalb notwendig, um den organisationalen Blick auf wettbewerbsrelevante
interne und externe Realitäten zu schärfen. Im gemeinsamen Abgleich von Beob-
achtungen, Meinungen und Erkenntnissen können die Netzwerkteilnehmer leichter
Marktchancen und potenzielle Krisen ausmachen und Lösungen finden. Es bleibt
nicht bei einer individuellen Betrachtung und Bewertung von Ereignissen oder
Sachverhalten und einer Handlungsentscheidung aufgrund persönlicher Vorlieben
oder Erfahrungen. Das Kommunikationsmanagement sollte daher dafür sorgen, dass
sich die Menschen in der Organisation vielfältig austauschen und einen immer
wieder neuen wissensgenerierenden Dialog führen können.
10 Schlussbetrachtung
Was kann die Public Relations von Humboldt mitnehmen? Auf der Hand liegt der
interkulturelle Kontext, nicht nur bezogen auf Länder und Nationen, sondern auch
bezogen auf die Varietät jedes Individuums mit seiner eigenen Prägung. Denken, so
Humboldt, hängt nicht nur grundsätzlich von der Sprache ab, sondern sogar bis zu
einem gewissen Grad von jeder einzelnen spezifischen Sprache. Sprachen sind
Weltansichten und die Analyse eben dieser Weltansichten ist Aufgabe des Kommu-
nikationsmanagements.
Jede Sprache wirft einen ihr eigenen Blick auf die Welt. Weltansichten lassen sich
aber nicht überwinden, also sollte man sich auf sie einlassen. Denn dann wird man
erkennen, dass sie einen großen sprachlich gefassten Reichtum enthalten, der nur
gehoben werden muss. Das lässt sich ausweiten auf die Sprache jedes Individuums.
Befasst man sich mit Sprachen, befasst man sich mit Menschen. Will man Menschen
verstehen und sie in das eigene Lebenskonzept bzw. Organisationskonzept einbin-
den, muss man ihre Sprache verstehen. Wenn man ihre Sprache versteht, erfasst man
ihre Welt leichter, als wenn man nur ihre wahrnehmbaren Handlungen aus dem
eigenen Blickwinkel zu interpretieren versucht.
Verstehen und Diversität in der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts 17
Wenn wir mit Humboldt argumentieren, wird Realität, wird Wirklichkeit durch
Sprache maßgeblich konstruiert. Die Sprecher nehmen also im Grunde das wahr,
was sie selbst sprachlich erfasst haben bzw. worüber sie sich mit anderen ausge-
tauscht haben. Je mehr Austauschmöglichkeiten es im Unternehmen gibt und je
vielfältiger sie sind, umso reichhaltiger sind die Informationen und umso aussage-
kräftiger die ihnen gemeinsam zugewiesene Bedeutung. Auftretende Differenzen
etwa von Deutungsmustern und Symbolsystemen dienen der Weiterentwicklung.
Denn das Ziel von Verstehen ist nicht, Übereinstimmung herzustellen, sondern eben
diese Differenzen auszuhalten und fruchtbar werden zu lassen (Koller 2003, S. 530).
Das Diversity Management kann von dieser Einstellung profitieren.
PR will verstehen, wie der Andere denkt. Verstehen ist für Humboldt „Verstehen
durch Mitdenken“ (GS VII: 583). Geht man wie er also davon aus, dass Sprache
Denken „in der Dimension des anderen“ ist (Trabant 2012, S. 56), muss im Kom-
munikationsmanagement ein Gewicht auf dem Gestalten von Dialog liegen. Der
Dialog als „Basismodell des Sprechens“ (Gölitzer 2015, S. 100) fungiert als immer
neue Anregung für das Denken und ist die Voraussetzung dafür, bei aller Verschie-
denheit, bei allem Nicht-Verstehen doch auch Gemeinsamkeiten entdecken zu kön-
nen, die ohne den Austausch womöglich unentdeckt geblieben wären. (Gölitzer
2015, S. 99).
Nach Humboldt benötigt ein Individuum ein Gegenüber, um im Denken die
vollendete Objektivität und damit in der gegenseitigen Übernahme der Perspektive
des anderen das Verstehen zu erreichen. Sprechen ist damit immer ein sozialer Akt
und ermöglicht erst durch den Austausch der jeweils anderen Sichtweise das Ent-
stehen einer neuen Perspektive. Jürgen Trabant sieht in der Sprache damit eine
Technik der Kreation (2015, S. 230). Aber gestalten kann das Ich nicht ohne das
Du, so dass die wahrgenommene Welt nie vollkommen subjektiv ist, sondern immer
eine intersubjektive Welt sozialer Bedeutungen. PR will verstehen, wie der andere
denkt und stößt dabei doch an die Grenzen des Verstehens. Verständigung enthält
nach Humboldt eben stets einen Anteil Nicht-Verstehens. Die erwünschte Kommu-
nikationsbeziehung ist damit immer wieder ein auszuhandelnder Prozess des Mit-
einanders, über dessen Bindungsfähigkeit man aber nie sicher sein kann. Deswegen
ist Kommunikation nie fertig, und deswegen wird die Disziplin der Public Relations
immer eine Aufgabe in der Entwicklung und Pflege von Beziehungen zwischen
unterschiedlichen Welten haben.
Wilhelm Freiherr von Humboldt wurde am 22. Juni 1767 in Potsdam geboren und
starb am 8. April 1835 im heimatlichen Tegel. Zusammen mit seinem zwei Jahre
jüngeren Bruder Alexander wuchs er auf Schloss Tegel auf und erhielt dort bis 1787,
dem Jahr seiner Einschreibung an der Universität Frankfurt an der Oder, eine sorg-
fältige Schulausbildung. Wenig später wechselte er an die Universität Göttingen, um
dort die damals klassischen Studien zu betreiben, ohne sie mit einem Abschluss zu
beenden. Er fing früh an, durch Europa zu reisen, um sich weiterzubilden. Dabei
18 U. Buchholz
befasste er sich stets mit den Sprachen der bereisten Länder und entwickelte die
ersten Ansätze seiner Sprachtheorie über die Verschiedenheit der Sprachen. 1809
kehrte er nach Deutschland zurück und war einige Monate als Direktor im preußi-
schen Innenministerium tätig. In diese Zeit fällt sein Beitrag zur Reform der deutschen
Universität, insbesondere seine Initiative, die heute auf seinen Namen lautende Hum-
boldt-Universität in Berlin zu gründen, welche seine Reformideen leben sollte. 1810
wurde er zum Staatsminister ernannt und nahm Aufgaben als preußischer Gesandter in
Wien war. 1814 vertrat er zusammen mit Staatskanzler Karl August von Hardenberg
die preußischen Interessen auf dem Wiener Kongress. 1817–1818 war er Preußens
Gesandter in London und nahm anschließend wieder Aufgaben als Minister für
ständische Angelegenheiten in Berlin wahr. Nach einem Konflikt mit Hardenberg
schied er Ende 1819 aus dem Staatsdienst aus und arbeitete bis zu seinem Tod als
finanziell unabhängiger Privatgelehrter in Tegel an seinen Sprachstudien. In dieser
Zeit entstanden seine Hauptwerke, auf die auch in diesem Beitrag Bezug genommen
werden.
Für seine Studien stand er in ständiger Korrespondenz mit praktisch allen
Wissenschaftlern, Dichtern und Politikern seiner Zeit, was sein ausgeprägter
Briefwechsel zeigt, deren Artefakte bis heute erhalten sind. Mit Goethe und Schiller
war er befreundet, Novalis, Schleiermacher und den Brüdern Schlegel stand er nahe,
um nur einige wenige Weggefährten zu nennen. Das lebhafte Netzwerk dieser
Wissenschaftler zog sich durch Europa und reichte bis nach Amerika, China und
Polynesien.
Ausführliche Darstellungen der Biografie Wilhelm von Humboldts finden sich
u. a. in Coseriu 2015; Trabant 2012; Konrad 2010; Di Cesare 1996.
Literatur
Buchholz, Ulrike, und Susanne Knorre. 2012. Interne Unternehmenskommunikation in resilienten
Organisationen. Wiesbaden: Springer Gabler.
Buchholz, Ulrike, und Susanne Knorre. 2017. Interne Kommunikation in agilen Unternehmen. Eine
Einführung. Wiesbaden: Springer Gabler.
Bullinger, Hans-Jörg, Dieter Spath, Hans-Jürgen Warnecke, und Engelbert Westkämper, Hrsg.
2009. Handbuch Unternehmensorganisation. Strategien, Planung, Umsetzung, 3., neu bearb.
Aufl. Berlin/Heidelberg: Springer.
Coseriu, Eugenio. 2015. Geschichte der Sprachphilosophie. Band 2: Von Herder bis Humboldt.
Auf der Grundlage der nachgelassenen Aufzeichnungen des Verfassers und einer Nachschrift
von Heinrich Weber et al. (Neu bearb. und Hrsg. von Jörn Albrecht). Tübingen: Narr.
Di Cesare, Donatella. 1996. Wilhelm von Humboldt. In Klassiker der Sprachphilosophie. Von
Platon bis Noam Chomsky, Hrsg. Tilman Borsche. München: Beck.
Dillerup, Ralf, und Roman Stoi. 2016. Unternehmensführung, 5., kompl. überarb. und erw. Aufl.
Wiesbaden: Springer Gabler.
Gölitzer, Susanne. 2015. Sprachtheoretische Grundlagen des Dialogs nach Wilhelm von Humboldt.
In Gespräche über Lernen – Lernen im Gespräch, Hrsg. H. de Boer und M. Bonanati, 83–102.
Wiesbaden: Springer.
Humboldt, Wilhelm von. 1903–1936. In Gesammelte Schriften, Hrsg. Albert Leitzmann et al.,
17 Bde. Berlin: Behr.
Verstehen und Diversität in der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts 19
Koller, Hans-Christoph. 2003. „Alles Verstehen ist daher immer zugleich ein Nicht-Verstehen“.
Wilhelm von HUMBOLDTs Beitrag zur Hermeneutik und seine Bedeutung für eine Theorie der
interkulturellen Bildung. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 6(4): 515–531.
Konrad, Franz-Michael. 2010. Wilhelm von Humboldt. Bern: Haupt (UTB Profile, Bd. 3380).
Krallmann, Dieter, und Andreas Ziemann. 2001. Grundkurs Kommunikationswissenschaft. Mün-
chen: Wilhelm Fink Verlag.
Macharzina, Klaus, und Joachim Wolf. 2015. Unternehmensführung: Das internationale
Managementwissen: Konzepte – Methoden – Praxis, 9., vollst. überarb. und erw. Aufl. Wies-
baden: Springer Gabler.
Meschonnic, Henri. 1995. Humboldt heute denken. In Sprache denken. Positionen aktueller
Sprachphilosophie, Hrsg. Jürgen Trabant. Frankfurt a. M.: Fischer.
Schwägerl, Christian. 2016. Diagnostik interner Kommunikation: Zur Erforschung der Lücke
zwischen Wirklichkeitskonstruktion und Gesprächswirklichkeit. In Interne Kommunikation im
Wandel. Theoretische Konzepte und empirische Befunde, Hrsg. S. Huck-Sandhu, 199–213.
Wiesbaden: Springer VS.
Trabant, Jürgen. 2012. Weltansichten. Wilhelm von Humboldts Sprachprojekt. München: Beck.
Kommunikativer Institutionalismus
und Accounts
Sprachliche Muster der Legitimation in der
Public Relations
Swaran Sandhu
Zusammenfassung
Der organisationale Neoinstitutionalismus vollzieht seit einigen Jahren eine kom-
munikative Wende und beschäftigt sich verstärkt mit diskursiven und sprachli-
chen Mustern. Dieser Beitrag liefert einen Überblick über den kommunikativen
Institutionalismus mit einem besonderen Fokus auf sprachliche Muster wie
Accounts. Damit wird die Beziehung von PR und Sprache auf zwei Ebenen
erweitert. Erstens verbindet der kommunikative Institutionalismus die gesell-
schaftlichen Erwartungsstrukturen mit der organisationalen bzw. individuellen
Dimension. Zweitens liefert diese Theorieperspektive neue Ansätze für For-
schungsdesigns wie etwa die spezifische Untersuchung von legitimierenden
Accounts auf der Mikroebene.
Zu Beginn stellt der Beitrag die Entwicklungslinien des Neoinstitutionalismus
vor, der als Weiterentwicklung des sozialkonstruktivistischen Ansatzes gelten
kann. Zum besseren Verständnis werden die gängigen Untersuchungsebenen
und damit verbundenen Konzepte zuerst eingeführt. Danach diskutiert der Bei-
trag die kommunikative Wende im Neoinstitutionalismus, die besonders die
Bedeutung von Sprache bzw. kommunikativen Prozessen innerhalb eines insti-
tutionellen Rahmens und zur Konstitution von Realität betont. Der zweite Teil des
Beitrags geht auf die sprachlichen Bausteine des kommunikativen Institutiona-
lismus ein und zeigt, über welche diskursiven Sprachmuster Legitimation herge-
stellt wird. Der Beitrag schließt mit einem Ausblick auf mögliche Forschungsde-
signs und neuere theoretische Entwicklungen
Schlüsselwörter
Neoinstitutionalismus • Kommunikativer Institutionalismus • Account • Kom-
munikatives Feld • Semantisches Netzwerk • Kommunikativer Konstruktivismus
S. Sandhu (*)
Hochschule der Medien Stuttgart, Stuttgart, Deutschland
E-Mail: sandhu@hdm-stuttgart.de
Inhalt
1 Grundmuster und -ebenen des institutionellen Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1.1 Mikro-Ebene: Zwischen ‚cultural dopes‘ und ‚muscular actors‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
1.2 Meso-Ebene: Themenfelder und Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
1.3 Makro-Ebene: Institutionelle Logiken und kulturelle Weltbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2 Kommunikativer Institutionalismus und Accounts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.1 Accounts als Bausteine für sprachliche Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.2 Legitimierende Accounts in der PR-Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.3 Empirische Untersuchung von Accounts in semantische Netzwerken . . . . . . . . . . . . . . . . 32
3 Zusammenfassung und Ausblick: Sprachliche Bausteine der Legitimität in einer
medialisierten Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
1
Der vorliegende Beitrag basiert auf diversen Vorarbeiten, insbesondere Sandhu (2012, 2015). Die
Auseinandersetzung der PR-Forschung mit dem Neoinstitutionalismus gewinnt seit einiger Zeit an
Bedeutung (Wehmeier und Röttger 2012; Frandsen und Johansen 2013; Friedrichsmeier und Fürst
2013; Fredriksson et al. 2013; Fredriksson und Pallas 2015). Einen Überblick über gängige
Konzepte und Annahmen des Neoinstitutionalismus in der strategischen Kommunikation liefert
Sandhu (in Vorbereitung). Für grundlegende deutschsprachige Einführungen in den Neoinstitutio-
nalismus siehe vor allem Hasse und Krücken (2005) sowie auf die organisationale Ausprägung
bezogen Walgenbach und Meyer (2008).
Kommunikativer Institutionalismus und Accounts 23
Handeln und somit auch Kommunikation stets eingebettet in das soziale, kulturelle
und organisationale Umfeld statt.
Generell analysiert die Mikroebene das individuelle bzw. subjektive Handeln von
Akteuren. Dazu gehört auch eine Annahme über das Menschenbild bzw. die Hand-
lungsfähigkeit von Individuen oder Akteuren. Die Frage, wie handlungsfähig
Akteure sein können, die in gesellschaftliche Strukturen eingebettet sind, gehört zu
den Schlüsselfragen der institutionellen Theorie (Battilana und D’Aunno 2009).
Die frühen institutionellen Ansätze haben sich bewusst gegen das seit den
1960er-Jahren dominante Konzept des handlungsfähigen und wirkmächtigen
Akteurs gestellt. Stattdessen wollten sie gezielt den Einfluss von institutionellen
Strukturen auf das individuelle Handeln herausarbeiten. Diese theoretische Entschei-
dung führte zu einer eher einseitigen Betrachtung von Akteuren, die zum Spielball
von institutionellen Strukturen wurden und deshalb ironisch als ‚cultural dopes‘
bezeichnet wurden (Delmestri 2006). Demgegenüber steht die Annahme eines
Akteurs, dem Handlungen stärker zugeschrieben werden können, ohne gleich in
das Zerrbild eines handlungsmächtigen ‚muscular actor‘ zu fallen. Diese Strömung
wird gegenwärtig am ehesten mit dem Konzept institutional work abgebildet
Kommunikativer Institutionalismus und Accounts 25
(Lawrence et al. 2013). Institutionelle Arbeit umfasst dabei alle Handlungen von
Akteuren, um institutionelle Rahmensetzungen zu verändern. Dazu gehören auch zu
einem großen Teil sprachliche Handlungsmuster, wie etwa Definitionen anbieten,
Assoziationen herstellen, mit Metaphern und Analogien arbeiten oder herrschende
Vorstellungen unterminieren (Lawrence und Suddaby 2006). Diese sprachlichen
Handlungsmuster werden nachfolgend als Accounts beschrieben und sind in Abb. 1
als Sprechblase symbolisiert.
Pressesprecherinnen, Redenschreiber oder Kommunikationsberater entscheiden
nicht nur über die Form, sondern auch den Inhalt von Kommunikation und dies vor
allem mittels Sprache. Unterscheiden lassen sich intentionale und nicht-intentionale
Äußerungen. PR als strategische Organisationsfunktion setzt ein geplantes und
intentionales Kommunizieren voraus. Deshalb sind viele Aktivitäten, die Neoinsti-
tutionalisten der institutionellen Arbeit zuschreiben genau genommen kommunika-
tive Spracharbeit in Form von legitimierenden Accounts. Dabei ist es zweitranging,
ob die Akteure spezifische Kommunikatoren wie Pressesprecherinnen in Organisa-
tionen sind oder andere Akteure wie Vorstandsvorsitzende, Rednerinnen auf Kon-
ferenzen oder Interviewpartner, die im Rahmen ihrer Agentschaft die Positionen des
Unternehmens wiedergeben.
Die Meso-Ebene liegt zwischen der individuellen Ebene des Subjekts und der
gesellschaftlichen Makro-Ebene. Üblicherweise werden hier Organisationen als
Gebilde mit klaren Mitgliedschaftsregeln, Zielen und Grenzen gegenüber ihrer
Umwelt definiert (Kühl 2011). Die Einzelfallbetrachtung von nur einer Organisation
bildet die wechselseitigen Beziehungen zwischen der Organisation und ihrem
Umfeld nur eingeschränkt ab. Stattdessen verwendet der Neoinstitutionalismus das
organisationale Feld auf der Meso-Ebene, um die Einbettung von Organisationen in
ihre Umwelt empirisch greifbar zu machen. Für das Feldkonzept ist die Sprache
relevant, um die Umwelt und andere Organisationen nach entsprechenden kogniti-
ven Modellen zu kategorisieren.
Das organisationale Feld ist ein Alleinstellungsmerkmal der neoinstitutionellen
Forschung. Ausgangspunkt war die Überzeugung, dass Strukturangleichungspro-
zesse (Isomorphie) der Formalstruktur von Organisationen nicht aus strategischen
Überlegungen, sondern aus Legitimationsgründen entstehen. Das Feldkonzept
(Wooten und Hoffman 2008) basiert auf der Annahme, dass sich Felder aus all jenen
Organisationen konstituieren, die eine relevante Umwelt oder ein Umfeld für die zu
untersuchende Organisation bilden, sich deshalb gegenseitig als relevante Akteure
wahrnehmen und somit eine erhöhte Interaktion untereinander haben (DiMaggio
und Powell 1983). Damit geht das Feldkonzept weiter als andere Segmentierungs-
vorschläge für das Organisationsumfeld, die z. B. nach Branche, Größe, Wertschöp-
fungskette oder Organisationsform vorgehen, weil sich im Feld ganz unterschiedli-
che Organisationstypen finden lassen. Felder können etwa aus regulierenden
politischen Behörden, Konkurrenten, Abnehmer oder Zuliefern bestehen. Dies
26 S. Sandhu
bedeutet, dass das Feld stets beobachterabhängig ist und deshalb nicht a-priori
festgelegt werden kann, sondern immer wieder empirisch neu erhoben werden muss.
Doch wie entsteht diese gegenseitige Wahrnehmung von relevanten Akteuren in
einem Feld? Die Ausprägung von kognitiven bzw. mentalen Modellen der relevan-
ten Akteure setzt voraus, dass sich Organisationen beobachten und nach bestimmten
Kategorien einordnen lassen. Der Beobachter benötigt Informationssignale, um die
Relevanz von Organisationen einordnen zu können. Hier schließt sich der Kreis zu
Sprache und PR: Viele Organisationen verfügen über mehr oder weniger stark
ausgeprägte Beobachtungsregimes ihrer Umwelt, die sich entweder aus strate-
gisch-ökonomischen Überlegungen (Konkurrenzbeobachtung, Business Intelli-
gence, Strategische Früherkennung von schwachen Signalen, etc.) oder aus der
Medienlogik (Medienbeobachtung und -monitoring, Issues- und Reputationsma-
nagement, Social-Media-Monitoring, etc.) herausgebildet haben. Ziel dieser Hand-
lungsprogramme ist es über Datengewinnung und -auswertung herauszufinden, wie
die eigene Organisation von ihrer Umwelt wahrgenommen wird und wie das Ver-
hältnis zu anderen Akteuren beschrieben sein kann.
Je nach Größe der Organisation und ihrer Bedeutungszuschreibung können diese
genannten Funktionen in einer Person vereint oder in größere Abteilungen ausdif-
ferenziert sein, die teilweise externe Dienstleister zur Datenerhebung heranziehen.
Entscheidend ist jedoch, welche Informationen ausgewertet werden. Dazu gehören
vor allem sprachliche Äußerungen von Vertretern des Unternehmens (Reden, Vor-
träge, Interviews, Gesprächsprotokolle, Youtube-Videos, etc.), offizielle Dokumente
(veröffentlichte Geschäfts- und Quartalsberichte, Telefonkonferenzen, Strategie-
Papiere, Imagebroschüren, Patenteinreichungen, etc.), veröffentlichte Pressemel-
dungen, Berichterstattung in relevanten Branchenmagazinen oder Leitmedien,
Social Media Statements aber auch Gespräche über die Organisation oder Einschät-
zungen (Analyseberichte, Interviews, Gerichtsakten, etc.) bis hin zu investigativen
Berichten von Insidern, Informanten oder anonymen Quellen wie Wikileaks. Aus
diesem Quellenfundus findet eine Verdichtung von relevanten Informationen statt,
die für die Führungsebene der Organisation aufbereitet und durch Rankings oder
andere Formen der Visualisierung im Zeitverlauf vergleichbar gemacht wird (Ken-
nedy 2008). Für die Datenanalyse werden teilweise bereits Algorithmen eingesetzt,
die etwa maschinenlesbare Daten nach entsprechenden Kriterien wie Worthäufigkei-
ten aber auch Sentiment (emotionale Bewertung) oder gemeinsame Nennung aus-
werten können. Allen Auswertungslogiken liegen mentale Muster und Modelle
zugrunde, die die Umwelt der Organisation und die dort verhandelten Themen und
Akteure nach bestimmten Kriterien einordnet.
Eine wichtige Weiterentwicklung für die Erforschung von organisationalen Fel-
dern ist das Konzept der Themenfelder, denn hier ist ein gemeinsames Thema (bzw.
Issue) die Verbindungslinie zwischen Organisationen (Hoffman 1999, S. 364). Im
Gegensatz zum Issues-Management, das als strategische Managementfunktion
innerhalb der Organisation eingesetzt wird (Lütgens 2015) sind Themenfelder öf-
fentlich beobachtbar. Mit dem Fokus auf Themenfelder erlangen auch sprachliche
Kommunikativer Institutionalismus und Accounts 27
Äußerungen und Diskurse rund um das Themengebiet eine neue Relevanz und die
bislang stark organisationszentrierte Analyse vollzieht eine kommunikative Wende,
denn:
Ein Feld ist mehr als eine Ansammlung einflussreicher Organisationen: Es ist das Zentrum
gemeinsamer Dialogkanäle und Diskussionen (. . .). Ein Feld formiert sich um Themen, die
Feldorganisationen mit unterschiedlichen Mitteln verfolgen (Hoffman 1999, S. 352 f.,
eigene Übersetzung des Autors).
Mit dieser kommunikativen Erweiterung des Feldbegriffs wird die Analyse von
Themenstrukturen, die sich über Sprache und Kommunikation beobachten lassen
bedeutsam. Und hier lassen sich Querverbindungen zur semantischen bzw. diskur-
siven Netzwerkanalyse herstellen (Mützel 2015) oder zu Diffusionsstudien, um den
Verlauf bestimmter Themen besser zu analysieren (Coni-Zimmer 2012).
Diese umfassende Definition deutet bereits an, dass institutionelle Logiken über-
geordnete Ordnungssysteme darstellen, die in der Regel kulturell verankert sind und
deshalb nicht hinterfragt werden. Dazu gehören etwa idealtypisch die kapitalistische/
liberale Marktwirtschaft, der bürokratische Nationalstaat, westliche Demokratien,
die Kernfamilie oder die christliche Religion (Friedland und Alford 1991). Institu-
tionelle Logiken stellen spezifische Trägermechanismen wie Leitbilder oder Frames
bereit, die Organisationen in ihr Leitbild übernehmen, um institutionelle Logiken
möglichst optimal zu bedienen. Die Sprache ist hier ein wichtiges Medium, um
implizite Erwartungsstrukturen und Handlungen explizit zu machen.
28 S. Sandhu
Seit dem ‚linguistic turn‘ findet eine intensive Auseinandersetzung mit verschiede-
nen sprachwissenschaftlichen Dimensionen im Neoinstitutionalismus statt (Suddaby
und Greenwood 2005; Lamertz und Heugens 2009), die ihren Kulminationspunkt im
Konzept des kommunikativen Institutionalismus gefunden haben (Cornelissen et al.
2015). Damit rücken Kommunikation und Sprache ins Zentrum der neoinstitutio-
nellen Analyse. Die Autoren ordnen die kommunikative Dimension des Neoinstitu-
tionalismus in drei Grundformen: (1) im klassischen Neo-Institutionalismus wird
Kommunikation als unidirektionales Transmissionsmodell verstanden, (2) der rhe-
torische Institutionalismus untersucht besonders performative und rhetorische
Sprachakte (Green und Li 2011) und (3) der diskursive bzw. kommunikative Institu-
tionalismus versteht Kommunikation als konstitutiv für Institutionen (Lawrence und
Phillips 2004). Im Rahmen dieses Beitrags liegt der Fokus besonders auf der letzten
Variante. Für Cornelissen et al. sind Institutionen das Ergebnis fortlaufender Kom-
munikationsprozesse, die konstitutiv für ihre Existenz sind (2015, S. 14). Mit
diesem interaktiven Modell wird Kommunikation zentral für die institutionelle
Theorie, mehr noch: „it accords a constitutive role to communication, since it is
primarily in and through communication that institutions exist and are performed
and given shape“ (ebd., S. 15). Eine Möglichkeit den kommunikativen Institutiona-
lismus mit PR zu verbinden ist die Analyse von Accounts.
Accounts (Scott und Lyman 1968) sind in sich geschlossene Sprachmuster, die vor
allem zur Legitimierung dienen (van Leeuwen 2007). Sie sind eng verwandt mit den
bekannteren Ansätzen des Framing (Cornelissen und Werner 2014) und Sense-
making (Maitlis und Christianson 2014), die vor allem auf kognitive Sinnzusam-
menhänge abzielen. Accounts sind die sprachlichen Bausteine von Framing- und
Sensemaking-Prozessen. Der Begriff Account (dieser Abschnitt bezieht sich in
weiten Teilen auf Sandhu 2012, S. 179 ff.) lässt sich nicht ohne weiteres ins
Deutsche übersetzen, da er mehrdeutig ist (Ortmann 2010, S. 210 f.). Seine Band-
breite reicht vom Rechnungswesen als professionelle Praxis („accounting“) über die
Zurechenbarkeit von Verantwortung („accountability“), über Rechenschaft ablegen
(„to account for“) bis für etwas verantwortlich sein („to be accountable“). Accounts
werden als sprachliches Mittel immer dann eingesetzt, wenn eine Handlung einer
beurteilenden Prüfung unterworfen wird (Scott und Lyman 1968, S. 46) und schlie-
ßen damit die Lücke zwischen Handlung und Erwartung. Oder anders ausgedrückt:
Accounts sind „sprachliche Erklärungen, mit denen Akteure die Ereignisse um sich
herum deuten“ (Meyer 1986, S. 346). Diese Funktion kommt immer dann zu tragen,
wenn unerwartete oder außergewöhnliche Situationen auftreten, die erklärungsbe-
dürftig sind, weil sie aus dem Erwartungshorizont fallen.
Kommunikativer Institutionalismus und Accounts 29
Die Narration bezieht sich auf die kulturelle Konstante des Erzählens, das häufig
mit dem Begriff des Storytelling gleichgesetzt wird. Streng genommen haben
narrative Accounts keine eigene Legitimationsbasis, sondern sind eher eine Strategie
der Vermittlung, die moralisch, dramatisierend oder personalisierend sein kann.
Organisationen legitimieren sich über sprachliche Muster, die hier als Accounts
bezeichnet werden. Die sprachlichen Muster schließen an übergreifende Legitimie-
rungsmechanismen an, von denen Autorität, Rationalität und Moral zu den drei
wichtigsten Kategorien gehören. Diese Kategorien können durch narrative Formen
der Dramaturgie ergänzt werden. Typische Untersuchungsgegenstände für organi-
sationale Accounts können die Kommunikationsmaterialien der Organisation, wie
etwa Pressemeldungen, Geschäftsberichte, Kunden- und Mitarbeiterzeitschriften,
Social-Media-Statements, etc. sein. Demgegenüber stehen die medial vermittelten
Frames, die journalistisch aufbereitet wurden, also etwa in Berichten, Statements,
etc. Rezipientenframes lassen sich in Kommentaren, Leserbriefen, Feedback-
Postings finden. Spezifischere Untersuchungsgegenstände wie etwa Prozessakten
von Gerichten, Protokolle oder Online-Foren sind etwas aufwendiger vom Zugang.
Forschungsdesigns sind belastbarer, wenn sie nicht nur eine Kommunikationsdi-
mension untersuchen, sondern mehrere Kommunikationsepisoden in einem thema-
tischen Feld im Zeitvergleich. In der empirisch beobachtbaren Praxis sind Accounts
in unterschiedlichen Kontexten zu beobachten. Meist kommen mehrere unterschied-
liche Formen zum Einsatz, teilweise auch in einer Mischform. Da Accounts Sinn-
bezüge verdeutlichen, bieten sich inhaltsanalytischen Verfahren (Fürst et al. 2016)
als Analyseinstrumente an. Teilweise lassen sich diese Verfahren mit anderen theo-
retischen Rastern wie etwa der Frame-Analyse (Schultz et al. 2012; Völker 2017)
bzw. mit computergestützten Verfahren der Sentiment-Analyse oder semantischen
Netzwerkanalysen verbinden. Insbesondere die semantische Netzwerkanalyse bietet
ein bislang unausgeschöpftes Potenzial zur Analyse von legitimierenden Accounts.
Kommunikativer Institutionalismus und Accounts 33
Startpunkt des Beitrags war die Feststellung, dass Organisationen sich über Sprache
legitimieren. Diese Idee wurde auf den sozialkonstruktivistischen Ansatz von Berger
und Luckmann (2004/1966) zurückgeführt, der maßgeblich den Neoinstitutionalis-
mus beeinflusste. Der Sprache kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Der Neo-
institutionalismus vollzieht deshalb eine Wende hin zur lingustisch-kommunikativen
Dimension. Neben dieser Ausrichtung sind mindestens drei damit verwandte Kon-
zepte relevant, die ebenfalls in der phänomenologisch geprägten Perspektive von
Berger und Luckmann stehen.
Die Idee des kommunikativen Konstruktivismus (Keller et al. 2013) wurde vor
allem in der deutschsprachigen wissenssoziologischen Diskussion vorangebracht.
Ihr Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass moderne, globalisierte und individua-
lisierte Gesellschaften immer stärker um unterschiedliche Perspektiven ringen, „weil
immer mehr, immer öfter und immer begründeter Geltungsansprüche und Legitima-
tionen ausgehandelt werden müssen – und zwar kommunikativ“ (Reichertz und
Tuma 2017, S. 9). Bislang ist der Ansatz aber eher eine weite Klammer, da sich
hier ganz unterschiedliche Zugänge versammeln können. Er bietet aber vor allem für
die kommunikationswissenschaftliche PR-Forschung einen Impuls verstärkt die
Genese von intentionaler Kommunikation und deren Aushandlung zu untersuchen.
Stärker aus der medienwissenschaftlichen Perspektive bzw. auf einer materalisti-
schen Phänomenologie basierend führen Couldry und Hepp (2017) die Idee der
kommunikativen Figuration bzw. der mediatisierten Konstruktion der Wirklichkeit
ein. Bereits im Titel ist der Bezug zu Berger und Luckmann unverkennbar, Couldry
und Hepp (2017) sprechen selbst von einem „Update“ der klassischen Arbeit für eine
Zeit, in der Kommunikation, Medien und Daten unser Wirklichkeitserleben erschaf-
fen. Sie erweitern die klassischen Überlegungen um das Konzept der medialen
Figuration und Materialität von Daten und entwickeln ihre Arbeit in einem perma-
nenten Dialog mit Berger und Luckmann weiter.
Eine starke Verbindung zwischen Organisation und Kommunikation sucht die
CCO-Perspektive (Blaschke und Schoeneborn 2017). Die Idee, dass Kommunika-
tion die Organisation konstituiert hat sich in verschiedenen Strömungen vor allem in
der Montreal-School entwickelt. Inzwischen haben sich hier unterschiedliche Lager
ausgebildet (Schoeneborn et al. 2014), wobei hier besonders der Pragmatismus und
die Sprechakttheorie eine wichtige Verbindung zur Sprache herstellen.
34 S. Sandhu
Die drei hier vorgestellten Ansätze nehmen sich mitunter gegenseitig wahr, haben
sich aber teilweise parallel und unabhängig entwickelt. Sie alle haben aber das
Potenzial, das Verhältnis von PR-Forschung und Sprache weiterzuentwickeln. Mit
dem Vorschlag einer Mikrofundierung der PR-Legitimationsprozesse auf der Ebene
von sprachlichen Accounts kann hier nur ein erster Schritt gemacht werden.
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Systemtheoretisch orientierte
Textsortenlinguistik
Christina Gansel
Zusammenfassung
Eine sich entwickelnde systemtheoretisch orientierte Textsortenlinguistik wird
aktuellen Denkrichtungen in der Textlinguistik gerecht, die Texte in ihren Welt-
bezügen, also gesellschaftsbezogen erforschen. Dabei wird der Bezug zu anderen
Disziplinen wie der Soziologie oder der Kommunikationswissenschaft herge-
stellt. Der Beitrag gibt einen ausschnitthaften Überblick über die Ansätze der
Textsortenlinguistik und ihr begriffliches Instrumentarium. Im Zentrum stehen
Textsorten als Strukturen der Kommunikation in sozialen Systemen, die auf der
Grundlage der Differenz von Kommunikation und Handlung sowie einer kom-
munikationswissenschaftlichen Mehrebenenheuristik bestimmt werden.
Schlüsselwörter
Textsorte • Ebenenheuristik • Kerntextsorte • Institutionell geregelte Anschluss-
kommunikation • Strukturelle Kopplung
Inhalt
1 Einleitung – Kommunikation und Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2 Textsorte und Kommunikationsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
3 Textsorten als auf Kommunikation bezogene Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
4 Textsorten in einer kommunikationswissenschaftlichen Ebenenheuristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
4.1 Textsorten als Phänomene der Mesoebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
4.2 Meso-Makro-Link und Meso-Mikro-Link . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
4.3 Textsorten als Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4.4 Textsorten als Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
5 Kerntextsorten, Textsorten der institutionell geregelten Anschlusskommunikation und
Textsorten struktureller Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
C. Gansel (*)
Institut für deutsche Philologie, Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald, Greifswald,
Deutschland
E-Mail: gansel@uni-greifswald.de
5.1 Kerntextsorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
5.2 Textsorten der konventionalisierten, institutionell geregelten
Anschlusskommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
5.3 Textsorten der strukturellen Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
aktualisiert wird, konstituiert ihren eigenen Horizont; sie konstituiert das, was sie
wählt schon als Selektion, nämlich als Information.“ (Luhmann 1988, S. 194). Denn
das, was sie wählt, zeigt gleichzeitig das, was sie nicht wählt. Ein Wetterbericht
selektiert Angaben zum Wetter und nicht das Programm eines Fernsehsenders.
Entscheidet sich ein Kommunizierender zur Mitteilung der Information, findet die
zweite Selektion statt. Dabei erhält die Mitteilung eine bestimmte Form (Text,
Vertextungsmuster, Stil). Journalistische Nachrichten erscheinen üblicherweise nicht
in Reimform. Die dritte Selektion stützt sich auf die Unterscheidung von Information
und Mitteilung. Erst wenn „Ego“ und „Alter“ die drei Selektionen vollzogen haben,
hat Kommunikation zwischen Ego und Alter stattgefunden. Alter hat dann die aus
der Mitteilung von Ego gewonnene Information nach verstanden und nicht verstan-
den selektiert. Die Seite „Verstehen“ der Differenz „Verstehen/Nicht-Verstehen“
„realisiert nicht nur die einzelne Kommunikation“ (Baraldi et al. 1997, S. 90). Erst
Verstehen ist die Voraussetzung für weitere Kommunikationen, für Anschlusskom-
munikationen.
Luhmann begreift also „Kommunikation nicht als Handlung“ und den „Kommu-
nikationsprozeß nicht als Kette von Handlungen“ (1988, S. 225). Eine Mitteilung
allein kann als Handlung beobachtet werden, die Kommunikation ist jedoch die
dreifache Selektion von Information und Mitteilung und Verstehen, die in einem
Analyseprozess erschlossen werden muss. Für soziale Systeme nun, zu denen im
Folgenden Textsorten in Beziehung gesetzt werden sollen, ist Kommunikation
konstitutiv, d. h., dass Kommunikation Soziales schafft. „Soziale Systeme, die durch
Kommunikation als Kommunikationssysteme gebildet werden, regulieren, in wel-
che Richtung und wie weit Kommunikation getrieben werden kann“ (Luhmann
1988, S. 226). So ist die Kommunikation, die eine Dozentensprechstunde als Inter-
aktionssystem konstituiert, thematisch durchaus begrenzt. Studierende und Leh-
rende werden in der Interaktion während der Sprechstunde universitäre oder wis-
senschaftliche Themen bearbeiten und dazu einen entsprechenden Wortschatz
verwenden. Sie werden sich nur am Rande und in begrenztem Rahmen über private
Angelegenheiten verständigen.
Soziale Systeme haben also einen eigenen Kommunikationshorizont, in dem sie
sich reproduzieren. Gerade dieser Zusammenhang ist für eine theoretische und
empirische Erschließung von Textsorten relevant, denn Textsorten sind nicht nur
Muster für sprachliche Handlungen (Mitteilungshandlung), sondern insbesondere
auf Kommunikation – im Sinne Luhmanns – und deren Reichweite zu beziehen.
Textsorten sind in Hinblick auf ihre Reichweite in der Kommunikation durch den
Kontext eines sozialen Systems bestimmt. Was dies in systemtheoretischem Sinne
bedeutet, ist im Folgenden darzulegen.
Wenn nun in einer bestimmten Kommunikationssituation jemand einem anderen
oder einer anderen etwas mitteilt, kann dies als Handlung beobachtet werden. Es
kann beobachtet werden, mit welcher Intention ein Kommunikator einen Text
produziert und an einen Empfänger richtet, also eine Mitteilung in Form eines Textes
vom Sender zum Empfänger gelangt. Die Reduktion der Kommunikation auf Mit-
teilungshandeln ist nach Luhmann „nie falsch, wohl aber einseitig, wenn ein Kom-
munikationssystem sich selbst als Handlungssystem auffasst. Erst durch Handlung
Systemtheoretisch orientierte Textsortenlinguistik 41
wird die Kommunikation als einfaches Ereignis an einem Zeitpunkt fixiert“ (1988,
S. 227). Von daher trifft Luhmanns folgende Einschätzung für die handlungstheo-
retische Textsortenlinguistik durchaus zu:
„Wir denken normalerweise Kommunikation immer schon zu sehr als Handlung und können
uns daraufhin Kommunikationsketten wie Handlungsketten vorstellen. Die Wirklichkeit
eines kommunikativen Ereignisses ist jedoch sehr viel komplexer.“ (1988, S. 232)
„Kommunikation ist die elementare Einheit der Selbstkonstitution, Handlung ist die ele-
mentare Einheit der Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung sozialer Systeme.“ (Luh-
mann 1988, S. 241)
Vor dem Hintergrund der Trennung der Begriffe Handlung und Kommunikation in
einem systemtheoretischen Gedankengebäude kann nun gefragt werden, welche
Informations-, Mitteilungs- und Verstehensselektionen sich mit/in einer Textsorte
zu einer Struktur verfestigen. Eine solche Frage geht über die handlungstheoretische
Definition des Begriffs Textsorte hinaus und meint vorerst nicht ein Sprachhand-
lungsmuster. Es muss gefragt werden, welche erwartbaren, konventionalisierten
Informations-, Mitteilungs- und Verstehensselektionen in Textsorten eingebunden
sind und diese sind in Abhängigkeit von dem Kommunikationsbereich bzw. von
dem sozialen System, in dem die Textsorte ihre Funktion erfüllt, zu bestimmen.
Was Fleischer u. a. in ihrer Stilistik zur Zuordnung von Textsorten zu mehreren
Kommunikationsbereichen anhand des Beispiels der Meldung formulieren, macht
Sinn: Eine Meldung kann z. B. dem Kommunikationsbereich des Militärwesens, des
42 C. Gansel
zivilen Wetterdienstes oder aber der juristischen Sphäre zugeordnet werden (vgl.
Fleischer et al. 1993, S. 36). Unter Kommunikationsbereich verstehen die Autoren
„die soziale Sphäre mit den für sie charakteristischen Institutionen (i. w. S.) und
Sozialbeziehungen“ (Fleischer et al. 1993, S. 37).
Um an dieser Stelle Argumente für die benannte Position anzugeben, können
eigene Untersuchungen zur Literaturkritik angeführt werden. Untersuchungen zur
Textsorte Literaturkritik zeigen, dass der Ursprung der Textsorte im System Literatur
liegt. In der Gegenwart wird jedoch durch Journalistinnen und Journalisten eine
Variante der Literaturkritik gestaltet, die nicht mehr eindeutig dem literarischen Sys-
tem zugewiesen werden kann, sondern sich in das System Journalismus einfügt.
Zudem beschreibt das System diese Textsorte der literarischen Rezension und Anfor-
derungen an diese als eine eigene und im systemspezifischen Sinne. Festzustellen ist,
dass die sprachliche Gestaltung von Rezensionen in den beiden Systemen differiert
und einem je eigenen Kommunikationshorizont gerecht wird (vgl. Gansel 2011b).
Diese empirisch belegbare Erkenntnis folgt den Ausführungen Fleischers et al.:
„Mit der Zuordnung eines Textes zu einer bestimmten Textsorte ist nicht in jedem Fall
zugleich auch eine eindeutige Festlegung auf einen bestimmten Kommunikationsbereich
verbunden. Die Menge der empirisch gegebenen Textsortenbezeichnungen beruht nicht auf
einem einheitlichen Klassifikationsprinzip. Viele Textsorten können bei entsprechender
Abstraktion einem Kommunikationsbereich zugeordnet werden, andere dagegen mehreren.“
(1993, S. 36)
„bestimmte gesellschaftliche Bereiche, für die jeweils spezifische Handlungs- und Bewer-
tungsnormen konstitutiv sind. Kommunikationsbereiche können somit als situativ und sozial
definierte ‚Ensembles‘ von Textsorten beschrieben werden“ (Brinker et al. 2000b, S. XX).
Systemtheoretisch orientierte Textsortenlinguistik 43
Mit dem Vollzug der Trennung von Kommunikation und Handlung lassen Textsor-
ten sich in zwei Richtungen interpretieren. Einmal sind sie interpretierbar als Muster,
prototypische Vorbilder oder Schemata für Mitteilungshandlungen, die je von einem
Akteur/Kommunikator adressatenorientiert und zweckgerichtet ausgeführt und in
Textexemplaren manifestiert sind.
Wenn Textsorten – wie oben aufgeführt – als auf Kommunikation bezogene
Strukturen gefasst werden, die zur Selbstreproduktion und Selbstreflexivität eines
sozialen Systems beitragen, ist zum anderen ein abstrakterer Zugriff erforderlich, der
im Folgenden durch die Strukturationstheorie von Anthony Giddens (1992) unter-
mauert werden soll. Die Strukturationstheorie bietet Ansätze, den Textsortenbegriff
eben in die angesprochenen zwei Richtungen zu vertiefen – in die der Selbstrepro-
1
Der Terminus Kommunikationsbereich ist in der wissenschaftlichen Literatur zur Stilistik und
Textlinguistik eingeführt und etabliert. Wie die letzten beiden Auflagen der „Linguistischen Text-
analyse“ von Klaus Brinker et al. (72010, S. 127; 82014, S. 141) zeigen, werden in dominant
handlungstheoretischer Perspektive im Rahmen kontextueller Kriterien zur Beschreibung von
Textsorten die Kategorien „Kommunikationsform“ und „Handlungsbereich“ aufgeführt. Interessant
ist dabei, dass in der siebten wie in der achten Auflage dem Handlungsbereich in Klammern
„(Kommunikationsbereich)“ beigefügt ist. Dies impliziert die Gleichsetzung von Handlungs- und
Kommunikationsbereich. In diesem Beitrag erfolgt in systemtheoretischer Ausrichtung eine Tren-
nung und Differenzierung von Kommunikations- und Handlungssystem.
44 C. Gansel
duktion und Selbstreflexivität und die der konkreten Ausprägung von Textexem-
plaren einer Textsorte.
Im Sinne der Strukturationstheorie von Anthony Giddens (1992) wird hier – ohne
die Theorie weiter zu vertiefen – ein Strukturbegriff zugrunde gelegt, der nicht als
Muster für die Strukturierung sozialer Beziehungen gesetzt ist. Strukturen sind
Grundlage als auch Ergebnis sozialen Handelns, also auch von über die Zeit
wiederkehrenden Mitteilungshandlungen. Giddens betont den zeitlichen Aspekt als
ein Grundprinzip seiner Theorie:
„Eine Ontologie von Raum und Zeit als konstitutives Prinzip sozialer Praktiken ist grund-
legend für die Konzeption der Theorie der Strukturierung, die von der Temporalität und so
gewissermaßen von ‚Geschichte‘ ausgeht.“ (Giddens 1992, S. 53)
In diesem Sinne sind auch Textsorten mit Temporalität verknüpft, sie sind nicht
einfach da, sondern werden für die Kommunikationen eines Systems erst als kommu-
nikative Praktik entwickelt. Sie vollziehen sich „als ein Fluß intentionalen Handelns.
Handlungen haben unbeabsichtigte Folgen; und (sie können sich) in systemischen
Rückkopplungsprozessen als die unerkannten Bedingungen weiteren Handelns dar-
stellen.“ (Giddens 1992, S. 58)
Somit könnte formuliert werden, dass Textsorten in der Kommunikation von
sozialen Systemen ein Bestandteil der „Regeln und Ressourcen“ sind, die die
Produktion und Reproduktion von sozialen Systemen mitbestimmen.
„Ressourcen (die mit den Signifikations- und Legimitationsaspekten sozialer Systeme ver-
bunden sind) sind Strukturmomente, auf die sich die bewußt handelnden Subjekte in der
Produktion ihres Handelns beziehen und die sie auch reproduzieren.“ (Giddens 1992, S. 67)
„Hier wird er (der Strukturbegriff – C. G.) charakteristischerweise nicht als ein Muster für
die Strukturierung von Gegenwärtigem, sondern als Schnittpunkt von Gegenwärtigem und
Abwesendem gedacht; die zugrunde liegenden Codes müssen aus Oberflächenerscheinun-
gen abgeleitet werden.“ (Giddens 1992, S. 68)
Die zugrunde liegenden Codes lassen sich als der bereits erwähnte Kommunika-
tionshorizont interpretieren, den Giddens nicht als gemeinsamen großen Wissens-
vorrat der Akteure sehen möchte, sondern als das „in Begegnungen inkorporierte
gemeinsame Wissen (Hervorhebung im Original – C.G.)“, das „dem Bewußtsein der
Akteure nicht direkt zugänglich ist“ (1992, S. 55). Dennoch erscheint es in Ober-
flächenphänomenen (z. B. in einem konkreten Text) ablesbar.
Die in Giddens Strukturbegriff eingelassene Dualität (Strukturdualität) meint also
Struktur als die Mittel der Systemreproduktion und die in Produktion und Rezeption
sozialer Handlungen (damit auch sprachlicher Handlungen) einbezogenen Regeln
und Ressourcen (vgl. Giddens 1992, S. 70). Diese Dualität wird weiterhin mit den
Systemtheoretisch orientierte Textsortenlinguistik 45
2
Der Anschluss an die Kommunikationswissenschaft erscheint auch aus dem Grunde sinnvoll, da in
der Sprachwissenschaft die Ebenenbezeichnungen gleichfalls verwendet werden, jedoch in einem
anderen Sinn interpretiert und gefasst werden. Zudem werden in soziolinguistischen und sozial-
theoretischen Ausführungen zwar Mikro- und Makroebene voneinander unterschieden, die Meso-
ebene wird jedoch ausgespart. So diskutiert Habscheid (2000) das Mikro-Makro-Problem im
Rahmen der Gesprächsforschung auf der Grundlage der Makrotheorien Systemtheorie und Hand-
lungstheorie und nutzt die Strukturationstheorie Giddens (1992) als Vermittlungstheorie, was
sinnvoll erscheint. Die Mikroebene wird an interaktivem Handeln festgemacht. Für die Überbrü-
ckung von der Mikroebene zur Makroebene eignet sich nach Habscheid (2000, S. 144) der Begriff
des Sprachhandlungsmusters. „Unter Sprachhandlungsmustern werden soziale Organisationsfor-
men (‚Strukturen‘) für sprachliches Handeln verstanden, welche die Bearbeitung von gesellschaft-
lich rekurrenten Problemen prägen, ermöglichen und restringieren. (Bestimmte) Sprachhandlungs-
muster können in der Perspektive gesellschaftlicher Zweckbereiche unter ‚Institutionen‘ subsumiert
werden. Die Reichweite von Handlungsstrukturen erstreckt sich aber auch auf die Selektion,
Kombination und Herausbildung von Praktiken in Stilen und Varietäten, die Personen, Gruppen,
Organisationen usw. symbolisch konstituieren.“ Um die Strukturationstheorie Giddens als Ver-
mittlungstheorie zwischen Handlungs- und Systemtheorie anzuwenden, wird in diesem Beitrag
etwas anders vorgegangen, indem nämlich – wie gezeigt – mit Struktur und Strukturmoment eine
abstrakt virtuelle Größe von einer der Umsetzung von Mustern unterschieden wird.
46 C. Gansel
Es ist zunächst zu konstatieren, dass auch in einer bisherigen Fassung von Textsorten
in systemtheoretischer Perspektive die Mesoebene noch keine Rolle spielt. Wenn in
der Bestimmung von Textsorten eine Orientierung am Kommunikationssystem eines
sozialen Systems erfolgt, bleibt die Bestimmung an die Makroebene gebunden. In
Bezug auf Textsorten ist dann zu fragen, welche systemspezifischen Informations-
selektionen zur Entwicklung der Textsorte führen (Themen) und zu ihrer Repro-
duktion beitragen, inwiefern die Form der Mitteilungsselektion (sprachliche und
Systemtheoretisch orientierte Textsortenlinguistik 47
Tab. 1 Textsorten im Rahmen einer Mehrebenenmodellierung (nach Wehmeier und Röttger 2011,
S. 197)
Strukturebene Einheit Textsorten
Makro Funktionssystem
Kommunikation/ Institution Regeln und Ressourcen:
Wahrnehmung Kommunikationshorizont/
Systemlogik
Textsorten der Reflexion
Textsorten als
Programme = Kerntextsorten
Textsorten struktureller
Kopplung (Makro-Makro)
Meso Organisation Regeln und Ressourcen:
Kerntextsorten
Textsorten der institutionell
geregelten
Anschlusskommunikation
(Meso-Mesointern)
Textsorten struktureller
Kopplung (Meso-Mesoextern)
Kommunikation Rollen
/Handlung/
Wahrnehmung
Mikro Individuen Textsorten in realisierten
Textexemplaren aufgrund der
Musterhaftigkeit von
Textsorten für sprachliche
Handlungen,
Oberflächenphänomene
Textsorten als Operationen
Ausführungen mit Beispielen belegt, wobei dies in dem Beitrag lediglich grob
erfolgen kann. Dabei wird auf systemtheoretisch orientierte textsortenlinguistische
Untersuchungen zurückgegriffen.
Über den Meso-Makro-Link kann zunächst die kontextuelle Verortung der Textsorte
erfolgen. Als Kontextebenen in Kontextualisierungs- und Kontexttheorien werden
unterschieden:
In der Perspektive der Makroebene interessiert der soziale Kontext, der als
Kommunikations- und Handlungsbereich sprich als Kommunikations- und Hand-
lungssystem eines funktionalen Systems der Gesellschaft aufgefasst werden soll.
Makroperspektivisch spielt ebenso der Wissenskontext eine Rolle, der an dieser
Stelle – und das sei noch einmal betont – im Sinne Giddens (vgl. 1992, S. 55) als das
den Akteuren nicht direkt zugängliche Wissen betrachtet werden soll. Für einen
derartigen Bereich des Wissens, der implizit wirkt und unbewusst mitgeführt wird,
kann auf Beschreibungen der Systemlogik der funktionalen Systeme, wie sie in der
Systemtheorie vorliegen, zurückgegriffen werden.
Dies wird im Folgenden anhand von Notizzetteln für die Dozentensprechstunde an
Hochschulen (vgl. Buchholz 2011) expliziert, wobei an diesem Beispiel die Eben-
enheuristik von der Makro- bis zur Mikroebene durchgespielt werden soll. Die
Dozentensprechstunde an Universitäten und Hochschulen bildet einen interaktionalen
Rahmentyp. In systemtheoretischem Sinne bildet sie ein Interaktionssystem, das auf
Anwesenheit mindestens zweier psychischer Systeme/Personen basiert, die sich mit
Hilfe von Sprache strukturell koppeln. Heinemann und Viehweger stellen fest, dass
„die meisten Interaktionsereignisse [. . .] institutionell geprägt (sind)“ (1991, S. 155)
und in bestimmten Kommunikationsbereichen organisiert und vollzogen werden,
d. h. dass die Dozentensprechstunde konstitutiv für organisationelle Zusammenhänge
der Universität (Mesoebene) ist und die in der Makroebene verortete Systemlogik
über die Organisation der Universität in die Mikroebene des individuell Agierenden
hineinwirkt.
Luhmann versteht die Universität oder eine Hochschule als autopoietisches
Organisationssystem, das auf Mitgliedschaft der Angehörigen basiert und mit spe-
zifischen Textsorten dokumentiert und manifestiert wird: Dozent/Dozentin –
Arbeitsvertrag; Student/Studentin – Studierendenausweis. Als Mitglied berücksich-
tigt man die in der Organisation geltenden Regeln, handelt und kommuniziert auf der
Grundlage getroffener Entscheidungen. Das Organisationssystem Universität sieht
Luhmann nun als ein System, das die Verbindung zwischen zwei funktional ausdif-
ferenzierten Systemen herstellt – zwischen dem System Wissenschaft und dem
System Erziehung (Makro-Makro-Link). Einer Hochschule obliegen deshalb zwei
wesentliche Aufgaben: die Erzeugung neuen Wissens und die Bereitstellung dieses
Wissens für Studierende und die Gesellschaft auf der einen Seite (Forschung,
Wissenschaft) sowie die Bildung und Produktion von Zertifikaten, die für Karrieren
selektieren (Erziehung), auf der anderen. Letztlich muss also der Notizzettel von
Studierenden für die Dozentensprechstunde in der Konstellation der eben umrisse-
nen Systeme gesehen werden.
Während der Dozentensprechstunde kann beobachtet werden, dass Studierende
einen solchen Zettel als Mitteilung für sich bereithalten, notierte Fragen abarbeiten,
das Gespräch in wichtigen Teilen ergebnisorientiert protokollieren oder auch Ver-
stehenshandlungen signalisieren, indem sie notierte Fragen als im Gespräch bear-
beitet mit Häkchen markieren oder dies lautlich kundtun. Der möglicherweise
während des Sprechstundengesprächs ergänzte Notizzettel dient im Anschluss Stu-
dierenden als Instrument zur Selbstreflexion, als Unterstützung zur Erzeugung von
Wissen (z. B. in Haus- und Abschlussarbeiten), als Stütze zur Organisation von
50 C. Gansel
3
Es ist davon auszugehen, dass die Regularitäten der Kommunikation des jeweils übergeordneten
funktionalen Teilsystems in den Textsorten reproduziert werden.
Von daher ist es für die Untersuchung von Textsorten wesentlich, sich die Systemlogik der
einzelnen gesellschaftlichen Teilsysteme bewusst zu machen. Die Systemtheorie bietet dafür viel-
fältige Anregungen. Nach Luhmann wird die Systemlogik funktional ausdifferenzierter Teilsysteme
der Gesellschaft wie Recht, Politik, Wirtschaft, Religion, Kunst, Erziehung oder Wissenschaft
u. a. mit den Kategorien Funktion, Leistung, Medium, Code, Programm beschrieben. Die Funktion
eines Systems besteht darin, für ein spezifisches Problem „funktional äquivalente Problemlösun-
gen“ (Krause 2005, S. 151) anzubieten. Der Aspekt Leistung sagt etwas über die Beziehungen von
Systemen aus. Systeme stellen für andere (psychische oder soziale) Systeme Leistungen zur
Verfügung. Das Medium in der Systemrationalität meint ein symbolisch generalisiertes Medium,
ein Erfolgsmedium. Es konditioniert die Motivationen und Selektionen unbestimmter Kommuni-
kationen und ist entscheidend für die Annahme von Kommunikation. Aus dem Medium leitet sich
der Code, die binäre Leitdifferenz des Systems her. Programme sind die flexibelsten Bereiche
funktional ausdifferenzierter Systeme. Sie versorgen das System mit zulässigen Regeln des Kom-
munizierens. Die Tabelle (Tab. 2) gibt einen Überblick der Beschreibung für die Funktionssysteme
Wissenschaft und Erziehung.
Systemtheoretisch orientierte Textsortenlinguistik 51
Bis dahin wurde der Begriff Textsorte im Sinne des Strukturbegriffs der Struktu-
rationstheorie als Phänomen der Mesoebene charakterisiert, das in Relation zur
Makro- und Mikroebene steht. Die Formulierung, dass Textsorten Strukturen der
Kommunikation sind, war dabei entscheidend. Systemtheoretisch orientierte text-
sortenlinguistische Forschungen haben neben dem Begriff der Struktur (Gansel
2011a), Textsorten ebenso als Operation (Buchholz 2011) oder als Programm
(Christoph 2008; Holtfreter 2011) gefasst. Damit stehen sich drei Verortungen
gegenüber, die in ihrer Differenz durchaus problematisch erscheinen, in einer Meh-
rebenenheuristik jedoch einer gewissen Plausibilität nicht entbehren.
wäre Produzent und Rezipient des Notizzettels. Er, als psychisches und physisches
System, erlebt also die beiden Seiten der Kommunikation des Ego und Alter des
Notizzettels.“ (Buchholz 2011, S. 208–209). Zeitlich versetzt im Vorfeld der Sprech-
stunde ist der Student Produzent, indem er des Fragens wertes und des Fragens nicht
wertes unterscheidet. In der Sprechstunde selbst wird der Notizzettel rezipiert und dient
der Operation der Gesprächsstrukturierung, um letztlich Notizen als Produzent zu
ergänzen. Anschlussfähigkeit und Rekursivität entstehen erst dann, wenn „die wissen-
schaftlichen und organisatorischen Informationen [. . .] durch die Transformation ins
Persönliche brauchbar“ (Buchholz 2011, S. 208), also durchdacht werden. „Der Notiz-
zettel hat dann die Funktion der losen strukturellen Kopplung zwischen dem psychi-
schen System und dem Funktionssystem Wissenschaft bzw. dem Organisationssystem
Universität.“ (Buchholz 2011, S. 208). Es sei ergänzt, dass der binäre Code des
Erziehungssystems (z. B. besser lernen/schlechter lernen) die „Einheit der Operationen,
die das System reproduzieren“ (Baraldi et al. 1997, S. 139) lenkt. Letztlich wird
Buchholz mit seiner Beschreibung dem Mikro-Mikro-Link in der Ebenenheuristik
gerecht, nämlich der Beziehung zwischen Individuum und Interaktionssystem, in
dem das Individuum danach strebt, den positiven Wert des Codes zu erreichen.
5.1 Kerntextsorten
4
Adamzik (vgl. 2016, S. 134) bezweifelt die Möglichkeit der Abgrenzung von Textsorten der
konventionalisierten, institutionell geregelten Anschlusskommunikation von solchen der strukturellen
Kopplung. Sie verweist völlig zu Recht auf die Existenz nicht-konventionalisierter Textsortenketten
im Sinne der „genre chains“ Fairclough (2004). Mit dem Konzept der genre chains nach Fairclugh
(2004) ist die Möglichkeit angesprochen, Textsortenketten in andere Zusammenhänge zu setzen, sie
zu rekontextualisieren und zu modifizieren. Derartige Aspekte können in diesem Beitrag durch die
systematische Anbindung an die kommunikationswissenschaftliche Ebenenheuristik nicht berück-
sichtigt werden. In diesem Sinne ist Adamzik zuzustimmen, wenn sie schreibt, dass es sich bei dem
Begriff der Textvernetzungen „um ein ganzes Bündel von Phänomenen handelt, denn Texte sind auf
vielfältige Weise miteinander verknüpft“ (2016, S. 334). Hier soll davon ausgegangen werden, dass
Textvernetzungen von Beziehungen zwischen Texten (z. B. intertextueller Art) zu trennen sind, ja
getrennte Beobachtungen und Beobachtungskategorien erfordern. Deshalb sollen die oben aufge-
führten Begrifflichkeiten nach jetzigem Erkenntnisstand beibehalten werden.
Systemtheoretisch orientierte Textsortenlinguistik 55
siert werden. Für die universitäre Kommunikation wäre das beispielsweise eine
solche Kette von professionalisierten Textsorten: Beantragung eines Themas für eine
Abschlussarbeit – Genehmigung des Themas – Benachrichtigung des Betreuers über
die Genehmigung des Themas durch den Prüfungsausschuss – Wissenschaftliche
Abschlussarbeit – Gutachten. Der hier gewählte Begriff der konventionalisierten,
institutionell geregelten Anschlusskommunikation kann an den Begriff der Textsor-
tenkette anschließen, wie er in der amerikanischen textlinguistischen Literatur (vgl.
Bazerman 1988) genutzt wird. Es wird dabei von einem Textsortensystem ausgegan-
gen, in dem Textsorten systematisch aufeinander bezogen werden. Bazerman (1988)
zeigt dies am Beispiel des amerikanischen Patentverfahrens.
Letztlich sind derartige Textsorten erforderlich, um Beziehungen zwischen
Akteuren der Subsysteme eines Organisationssystems, wie die Universität eines
ist, herzustellen. „Wenn ein System in Subsysteme differenziert ist, müssen zugleich
integrierende Mechanismen identifizierbar sein, die verhindern, dass das System
zerfällt.“ (Schneider 2002, S. 352). Derartige Beziehungen zwischen Lehre und
Prüfungsamt werden durch zahlreiche Textsorten operativ gestützt.
Luhmann hat den Begriff Anschlusskommunikation allgemeiner genutzt, und
zwar im Sinne einer generellen Notwendigkeit des Aneinanderanschließens von
Kommunikation. Wir nutzen den Begriff in einem spezielleren Sinne, mit dem wir
die in Organisationen geregelten und konventionalisierten Anschlusskommunika-
tionen im Sinne des Anschlusses einer Textsorte an eine andere erfassen möchten.
Als Textsorten der konventionalisierten, institutionell geregelten Anschlusskom-
munikation bezeichnen wir Textsorten, die die Reaktion auf das Kommunikations-
angebot des eigenen Systems bedeuten und diese erfordern (Beziehungen zwischen
Subsystemen). Selbstverständlich führen auch diese Textsorten die Sinnverarbei-
tungsregeln des Systems jeweils mit. Entsprechend lassen sich die in diesem
Abschnitt klassifizierten Textsorten in den Meso-Mesointern-Link einbinden.5
Interessant für die Erschließung von Textsorten als Strukturen der Kommunikation
eines sozialen Systems ist der Begriff strukturelle Kopplung, der im Folgenden
behandelt werden soll. Der komplizierte und hochkomplexe Begriff bildet eine
Beobachtungsfigur, er soll dazu genutzt werden zu erschließen, wie soziale Systeme
mit eigenen Kommunikationen auf ihre äußere Umwelt (nicht auf interne Subsys-
teme) Bezug nehmen. Es geht bei diesem Begriff letztlich um Beziehungen zwi-
schen Systemen. In der eben vorgestellten Abbildung (Tab. 1) zu der Ebenenheu-
5
Angeregt durch paradigmatische und syntagmatische Relationen zwischen Ausdrücken entwickelt
Adamzik (2011, S. 374; 2016, S. 341) den Begriff der Textsortenkette für syntagmatische Relatio-
nen zwischen Textsorten. Der Ansatz kann hier für Textsorten der konventionalisierten, institutio-
nell geregelten Anschlusskommunikation greifen, die Einbindung in einen kommunikationswis-
senschaftlichen Rahmen setzt allerdings andere Prämissen.
56 C. Gansel
ristik stehen Textsorten der strukturellen Kopplung in der Nähe des Makro-Makro-
Links und des Meso-Mesoextern-Links.
Ausgangspunkt für die Nutzbarmachung der Kategorie der Textsorten der struktu-
rellen Kopplung ist die systemtheoretische Erkenntnis, dass soziale und psychische
Systeme geschlossen – in den eigenen Strukturen – operieren. Sie sind operativ
geschlossen, aber dennoch umweltoffen. Systeme sind mit der Umwelt durch
Irritationen und Einflussmöglichkeiten verbunden, dauerhafte Beziehungen zwischen
sozialen Systemen bezeichnet Luhmann als „strukturelle Kopplungen“ (1998, S. 117).
Strukturelle Kopplungen zur Umwelt werden als Ergebnis und Folge der Auto-
poiesis gesehen. „So kann autopoietische Schließung nicht entstehen, ohne dass sich
das Umweltverhältnis in strukturelle Kopplungen umformt, die bestimmte Abhän-
gigkeiten steigern und andere wirksam ausschließen.“ (Luhmann 1998, S. 779)
Um es einfacher zu sagen, es geht immer darum, was aus der Umwelt (Kopplung
durch Wahrnehmung oder Beziehung zu X) für psychische oder soziale Systeme
relevant sein kann und sich in eigene Strukturen (strukturell) umbauen lässt. Herge-
stellte Beziehungen zur Umwelt zeigen sich in einer Struktur. Da Textsorten als
Strukturen von Kommunikation bearbeitet wurden, müssten sich die von Luhmann
erdachten Kopplungen auch in diesen Strukturen, also in Textsorten, zeigen. Jeden-
falls geht er davon aus, dass strukturelle Kopplungen „alle möglichen Formen
annehmen, solange sie mit der Autopoiesis des Systems kompatibel sind“ (2004b,
S. 120). Strukturelle Kopplungen müssten demnach in geformter Sprache als Ober-
flächenphänomene greifbar werden.
Einige Beobachtungen in der Figur der Kopplung sollen sich anschließen, um auf
mögliche Formen struktureller Kopplung aufmerksam zu machen. Die hier heraus-
gestellten Möglichkeiten stellen kein geschlossenes System dar, basieren jedoch auf
systemtheoretisch orientierten Textsortenuntersuchungen:
Massenmedien sind an das Wirtschaftssystem oder das politische System oder
das Kunstsystem über Themen gekoppelt. Massenmedien haben kein spezifisches
Thema. Über die ausgewählten Themen erreichen sie alle Gesellschaftsbereiche und
alle Gesellschaftsbereiche werden auf sie aufmerksam (vgl. Luhmann3 2004a).
Mit der Beobachtungsfigur der strukturellen Kopplung arbeitet gleichfalls Kroll
(2016) in ihrer Dissertation zur Untersuchung von Sozialenzykliken im Religions-
system. Auf der Ebene der strukturellen Kopplung zeigt Kroll, „zu welchen anderen
Systemen das Religionssystem mithilfe der Sozialenzykliken strukturelle Kopplun-
gen unterhält und auf welche Weise diese entstehen“ (Kroll 2016, S. 220). Dabei
geht sie davon aus, „dass die strukturellen Kopplungen die Beziehung eines Systems
zu seinen Umweltvoraussetzungen beschreibt“ (Kroll 2016, S. 220). In ihrer Unter-
suchung weist Kroll allerdings auf die Schwierigkeiten hin, strukturelle Kopplungen
auf der Textoberfläche zu operationalisieren. Sie stellt fest, dass lexikalische Ele-
mente Indikatoren für strukturelle Kopplungen darstellen können, entscheidet sich
jedoch für die Untersuchung von Themen. Damit folgt sie Luhmann (32004a), der
feststellt, dass die Massenmedien über Themen koppeln. „Das Religionssystem ist
als funktional aus der Gesellschaft ausdifferenziertes Teilsystem operativ geschlos-
sen, aber umweltoffen. Es empfängt Störungen bzw. Irritationen aus der Umwelt und
ist strukturell an diese gekoppelt. Diese strukturellen Kopplungen finden über
Systemtheoretisch orientierte Textsortenlinguistik 57
Themen statt, die ein Produkt der Systeme in der Umwelt des Religionssystems sind,
jedoch von diesen in seinen eigenen Strukturen behandelt werden.“ (Kroll 2016,
S. 223) Die Befunde Krolls verweisen insbesondere auf durch Lexeme indizierte
Themen aus dem Wirtschaftssystem (z. B. Arbeit), der Politik (z. B. Diktatur, Demo-
kratie), des Rechts (z. B. Eigentumsrecht) und in absteigender Folge aus der Familie
(z. B. Eltern, Familienglück), der Wissenschaft (z. B. Fachleute, Forschung) und der
Erziehung (z. B. väterliche Gewalt) (2016, S. 227). Kroll begründet die strukturellen
Kopplungen mit Themen aus der Systemumwelt mit der Anschlussfähigkeit des
Religionssystems an seine gesellschaftliche Umwelt, um sich als Teilsystem der
Gesellschaft zu behaupten und zu rechtfertigen (vgl. Kroll 2016, S. 231).
Busses (2000, S. 662) Textsorten rechtsdurchwirkter Bereiche können im Sinne
struktureller Kopplungen interpretiert werden, weil sie Ausdruck fester Beziehungen
zwischen funktionalen Teilsystemen sind. Als Beispiel seien Studien- und Prüfungs-
ordnungen benannt, die für Studierende wie Lehrende Rechtssicherheit herstellen.
Der Grund dafür, dass für derartige Zusammenhänge der Begriff der strukturellen
Kopplung beibehalten werden soll, ist der, dass unterschiedliche Systemlogiken in
die Ordnungen eingeschrieben werden. Zwar bilden sich Stabsstellen oder Justi-
ziariate in Universitäten heraus, die als Subsysteme behandelt werden können, aber
auf der Grundlage anderer Prämissen arbeiten als Erziehung und Wissenschaft.
Als Beispiele struktureller Kopplungen zwischen Funktionssystemen der moder-
nen, ausdifferenzierten Gesellschaft nennt Luhmann selbst u. a. die folgenden:
Bemerkenswert ist dabei, dass doch zumeist jeweils eine Textsorte (Zeugnis,
Vertrag, Verfassung), also schriftliche Fixierungen für die Verbindung und somit
für das Fortbestehen der beteiligten Systeme sorgt, ohne jedoch in die Operationen
des jeweils anderen Systems einzugreifen.
Es verwundert nicht, dass die gesellschaftliche Kommunikation ein spezifisches
System wie die Public Relations (PR) ausgebildet hat. Christoph (2009) stellt in ihrer
Dissertation heraus, dass PR ein System zur strukturellen Kopplung bildet und damit
eine weitere Strukturbildung oder Strukturselektion darstellt. Diese wird von unter-
schiedlichen Muttersystemen benutzt, um mit der Gesellschaft, mit der Systemum-
welt zu kommunizieren. Christoph definiert PR wie folgt:
„PR bezeichnet die Kommunikationshandlungen einer Organisation mit ihrer Umwelt. Sie ist
interessengesteuert und dient der strukturellen Kopplung des Muttersystems mit relevanten
Umweltsystemen, insbesondere mit dem Journalismus. PR unterstützt die Funktion des Mut-
tersystems, indem sie diese gegenüber den relevanten Umwelten legitimiert.“ (2009, S. 82)
6 Fazit
In der Zusammenschau des Beitrags lässt sich feststellen, dass eine systemtheoretisch
orientierte Textsortenlinguistik ein Begriffsinstrumentarium auf der Grundlage der
Systemtheorie Niklas Luhmanns entwickelt hat. Dieses Instrumentarium wurde
anhand einer Reihe korpusbasierter Textsortenuntersuchungen kritisch überprüft,
modifiziert und präzisiert. Es liegen damit neben weiteren, die hier nicht bearbeitet
werden konnten, Beobachtungskategorien vor, mit denen sich über die textlinguisti-
schen Kategorien hinaus Textsorten in ihrem gesellschaftlich-kontextuellen Funktio-
nieren angenähert werden kann. Die Vertiefung von Textsorten als Struktur auf der
Grundlage der Strukturationstheorie erwies sich als produktives Bindeglied zwischen
Systemtheoretisch orientierte Textsortenlinguistik 59
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Sprache und Public Relations aus
systemtheoretischer Sicht
Marcus Simon
Zusammenfassung
Im folgenden Artikel wird auf den Stellenwert von Sprache innerhalb der Sys-
temtheorie unter Bezugnahme auf Talcott Parsons und insbesondere auf Niklas
Luhmann eingegangen. Es wird das Verhältnis von Sprache zu den Begriffen
Kommunikation, Medium und Sinn betrachtet und auf die Funktion der Sprache
bei der Leistungserbringung im Teilsystem Public Relations eingegangen.
Gezeigt wird, dass der Begriff Sprache in der Systemtheorie eine untergeordnete
Rolle spielt und für die Public Relations Anknüpfungspunkte an die Textlingu-
istik für die Ausgestaltung der Praxis zielführender sind.
Schlüsselwörter
Systemtheorie • Sprache • Public Relations • Kommunikation • Medium • System
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
2 Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
3 Sprache, Kommunikation und System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4 Medium, Form und Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
5 Public Relations als System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
6 Sprache und Public Relations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
7 Zusammenfassende Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
8 Kritischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
1 Einleitung
Die Sprache führt ein Schattendasein in der Systemtheorie, die – zumindest in ihrer
Luhmannschen Version1 – für sich in Anspruch nimmt, eine „Supertheorie“ zu sein,
mit deren Hilfe alle gesellschaftlichen und sozialen Erscheinungen erklärt werden
können. Das ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen gäbe es Möglichkei-
ten, an klassische strukturalistische Theorien der Sprachwissenschaft anzuknüpfen,
zum anderen wird dem Begriff „Kommunikation“ bei Luhmann eine grundlegende
Bedeutung als basales Letztelement für die Konstitution und den Erhalt von sozialen
Systemen beigemessen. Das wirft Fragen über den Zusammenhang der Begriffe
„Sprache“ und „Kommunikation“ auf.
Der Rekurs auf die Linguistik unterbleibt allerdings auch bei Talcott Parsons.
Und das obgleich Ferdinand de Saussure konstatierte: „Die Sprache ist ein System,
das nur seine eigene Ordnung zulässt“ (Saussure 1969, S. 27). Schon die Wortwahl
lädt dazu ein, die strukturalistisch-sprachwissenschaftliche Auffassung von Sprache
in die Theorie sozialer Systeme zu integrieren oder zumindest Anregungen daraus zu
schöpfen. Nichts dergleichen findet statt. Weder in der struktur-funktionalen Sys-
temtheorie nach Talcott Parsons, noch in der funktional-strukturellen Systemtheorie
nach Niklas Luhmann ist Sprache ein bedeutender Baustein für den Blick auf
gesellschaftliche Zusammenhänge.
Vor diesem Hintergrund fragt der Artikel danach, welchen Stellenwert die Spra-
che in den oben genannten Theorien einnimmt. Luhmann verortet Sprache nicht in
einem konkreten System-Bereich. Er sieht darin ein Medium, das sowohl in den
Operationalisierungsbereich psychischer als auch sozialer (und hierzu zählt auch das
Teilsystem Public Relations) Systeme hineinragt und eine Verbindung zwischen
beiden herstellt. Parsons wiederum weist Sprache einen Platz im kulturellen System
zu. Public Relations verortet er dagegen wie Luhmann im Bereich sozialer Systeme.
Wie die Anschlussfähigkeit zwischen psychischen und sozialen Systemen zu bewer-
ten ist und welche Rollen hierbei „Sprache“ auf der einen und „Kommunikation“,
„Medium“ und „Code“ auf der anderen Seite zukommen, soll im Folgenden geklärt
werden.
Der Beitrag möchte auch Antworten darauf geben, welche Implikationen dies
für das Teilsystem Public Relations hat. Dargestellt wird, welche Funktion Public
Relations für das übergeordnete unternehmerische System übernimmt und wie
sich Input-Output-Aufgaben der Public Relations an der Schnittstelle zwischen
System und Umwelt einordnen lassen. Gefragt wird, welchen Stellenwert Spra-
che im Austausch innerhalb eines Systems und mit anderen Systemen einnimmt.
Es soll demnach dargestellt werden, was die Antworten auf die Stellung von
Sprache in der Systemtheorie nach Luhmann und Parsons einerseits sowie nach
der Funktion des Teilsystems Public Relations innerhalb der Theorie sozialer
1
Dass es „die“ Systemtheorie nicht gibt, wird häufig hervorgehoben (vgl. Kaplan 1968, S. 30;
Schweizer 1979, S. 12; Kunczik 2010, S. 176).
Sprache und Public Relations aus systemtheoretischer Sicht 65
Zum Thema Sprache in der Systemtheorie gibt es nur äußert wenige Vorarbeiten.
Hier wird weitgehend Neuland betreten.
Giesecke versucht, de Saussures Theorie anschlussfähig an die Systemtheorie zu
machen und schwenkt von einer sprachwissenschaftlichen auf eine kommunikati-
onswissenschaftliche Betrachtungsweise ein. Er setzt die beiden Begriffe Sprache
und Kommunikation synonym und will aufzeigen, dass die Systemtheorie besser
geeignet sei, Kommunikation innerhalb von Gesellschaften abzubilden, als die
strukturalistische Linguistik nach de Saussure (vgl. Giesecke 1987).
Künzler untersucht den Begriff generalisierter Austauschmedien bei Parsons und
Luhmann und geht dabei auch auf den Aspekt Sprache ein. Im Mittelpunkt seiner
Ausführungen stehen die Austauschmedien auf der Makroebene sozialer Systeme.
Bei Parsons sind dies Geld, Macht, Einfluss und Wertbindung; bei Luhmann die
Medienarten Wahrheit, Geld, Macht, Liebe, Recht, Kunst, Glaube, Einfluss und
Wertbindung. Die Verbindung von Sprache und Medien über die Systemgrenzen
hinweg, wird jedoch nicht deutlich (vgl. Künzler 1986; Künzler 1987).
Schweizer rückt den Aspekt der Informationsverarbeitung in Linguistik und
Systemtheorie in den Mittelpunkt und untersucht Anknüpfungspunkte zwischen
der kybernetischen Systemtheorie und der Computerlinguistik. Die Anwendung
systemtheoretischer Grundlagen auf Fachfragen der Linguistik und automatisierter
Informationsverarbeitung stellt jedoch für den geplanten Artikel und seine Ausrich-
tung keinen Erkenntnisgewinn in Aussicht (vgl. Schweizer 1979).
Für Gansel ist die Textlinguistik in der Lage, das Defizit in der Betrachtung von
Sprache innerhalb der Systemtheorie durch kommunikativ-pragmatische Betrach-
tungen zu beheben. Der von ihr herausgegebene Sammelband nähert sich der
Systemtheorie aus textlinguistischer Perspektive unter Bezugnahme auf den gemein-
samen Gegenstand Kommunikation. Im Mittelpunkt steht die kommunikativ-
pragmatische Frage nach formalen und inhaltlichen Zusammenhängen zwischen
den Text konstituierenden Sätzen. Bei der Betrachtung von Textfunktion und Text-
sorten werden auch Aspekte der Sprachgestaltung mitberücksichtigt (vgl. Gansel
2008). Die Frage ist, wie viel von den systemtheoretischen Implikationen bei einem
solchen Vorgehen noch übrig bleibt.
66 M. Simon
• vom Verhalten des Handelnden, seinen Bedürfnissen und Trieben (der Verhal-
tensorganismus sorgt für die notwendige Anpassungsfähigkeit),
• von der Persönlichkeit des Handelnden, seiner psychisch-motivationalen Kon-
stitution (das Persönlichkeitssystem ist für die Zielverwirklichung des überge-
ordneten Handlungssystems verantwortlich),
• von den Rollenerwartungen, die an Handlungen in sozialen Interaktionszusam-
menhängen geknüpft sind (das soziale System erbringt die Integrationsleistung)
sowie
• von den Werten und Normen, die der Handelnde mit anderen Handelnden teilt
(das kulturelle System ist für die Normerhaltung zuständig) (vgl. Parsons 2009,
S. 12).
Sprache ist in diesem Konstrukt dem kulturellen System zugeordnet. Sie liefert
somit die strukturellen Rahmenbedingungen für Interaktion, Kommunikation und
Austausch, deren notwendige Voraussetzung sie darstellt (vgl. Parsons 1968, S. 437;
Parsons 1976a, S. 121).
Für Parsons ist Sprache ein grundlegendes Austauschmedium, dessen primäre
Funktion es ist, Kommunikation auf individueller Ebene innerhalb des kulturellen
Systems zu gewährleisten. Daneben sind innerhalb der Gesellschaft als eines genuin
sozialen Systems andere Austauschmedien wirksam. Auch soziale Systeme lassen
Sprache und Public Relations aus systemtheoretischer Sicht 67
sich in vier Subsysteme unterteilen. Jedem dieser Subsysteme weist Parsons ein
spezifisches Austauschmedium zu (vgl. Tab. 1). Hierzu zählt Geld als „eine sehr
hoch spezialisierte Sprache“ (Parsons 1976b, S. 302), Macht, Bindung an kulturelle
Werte und Einfluss, verstanden als Fähigkeit, sich in gesellschaftliche Diskussionen
einzubringen und Konsensfindung zu unterstützen. Es handelt sich hierbei generell
um Medien, die den kommunikativen Austausch innerhalb des betreffenden Systems
sowie zwischen den Subsystemen organisieren. Nach innen wirken sie integrierend
und etablieren gleichzeitig „strukturelle Arrangements“ (Parsons 1976b, S. 305)
zwischen den Subsystemen eines Sozialsystems. Parsons vermutet, dass auch auf
der Ebene des generellen Handlungssystems spezifische Austauschmedien wirksam
sind, bleibt hierbei aber sehr vage (vgl. Parsons 1976b, S. 304 f.).
Dieser Grundgedanke von Parsons, Sprache als ein Verbindungsglied, als Inter-
aktionsmedium zwischen Systemen zu betrachten, wird von Niklas Luhmann auf-
gegriffen. Die Funktion der Sprache liegt ihm zufolge darin, Kommunikationssys-
teme und Bewusstseinssysteme strukturell zu koppeln. Das setzt voraus, dass beide
Systembereiche als getrennte betrachtet werden: Kommunikation findet ausschließ-
lich in sozialen Systemen statt. Das Individuum hingegen bildet ein eigenständiges
System, das unabhängig vom gesellschaftlichen (sozialen) System mittels Bewusst-
sein operiert. Der Mensch ist Luhmann zufolge nicht Teil der Gesellschaft, sondern
deren Umwelt zuzurechnen. Grundlegend ist hierbei die Unterscheidung in psychi-
sche Systeme (Bewusstseinssysteme) und soziale Systeme. Soziale Systeme wie die
Gesellschaft differenzieren sich in Teilsysteme wie Public Relations aus, die jeweils
spezifische Funktionen für das übergeordnete System übernehmen. Menschen lassen
sich nicht einzelnen sozialen Systemen zuordnen, da sie zeitgleich mehreren sozialen
Systemen durch die Übernahme von Rollen, etwa derjenigen eines PR-Mitarbeiters,
angehören. Der Mensch ist ein System eigener Art, ein psychisches System,2 das mit
sozialen Systemen strukturell gekoppelt ist und dennoch als eigenständiges Bewusst-
seinssystem operiert.
Wir haben es also prinzipiell mit zwei unterschiedlichen Systemarten zu tun: Für
das soziale System ist das basale Letztelement, um sich operativ zu reproduzieren,
die Kommunikation, für das Bewusstseinssystem ist es das Denken. Beide Sys-
temarten benötigen Medien, um ihre intrasystemischen Handlungen vornehmen zu
2
Streng genommen ist der Mensch eine strukturell gekoppelte Einheit der Differenz von organi-
schem System und psychischem System. Der Einfachheit halber wird im Folgenden nur auf die
sinnstiftende Komponente dieser Einheit, das psychische System, im Zusammenhang mit Indivi-
duen eingegangen.
68 M. Simon
können, aber auch, um mit anderen Systemen interagieren zu können. Ein solches
Interaktionsmedium ist die Sprache. Sie verfügt über keine eigene Operationsweise
und ist deshalb auch nicht als eigenständiges System zu betrachten. Als Interakti-
onsmedium muss sie entweder im Denken oder im Kommunizieren vollzogen
werden (vgl. Luhmann 2002a, S. 112). Interaktionsmedien wie die Sprache bilden
spontane, temporäre Formen aus, die auf den Austausch zwischen Anwesenden
beschränkt sind. Sie sind somit geprägt durch die Differenz anwesend/abwesend.
An dieser Stelle ist Sprache das Bindeglied zwischen psychischen und sozialen
Systemen: „Anwesenheit bringt Wahrnehmbarkeit mit sich und insofern strukturelle
Kopplung an kommunikativ nicht kontrollierbare Bewußtseinsprozesse“ (Luhmann
2002a, S. 814).
Luhmann führt für dieses Phänomen der Interaktion zwischen den beiden opera-
tiv geschlossenen Systemarten den Begriff „Interpenetration“ ein. Durch Interpene-
tration mittels des Mediums Sprache wird im Bezugssystem das jeweils andere
System präsent gehalten, d. h. Bewusstseinssysteme werden durch Interpenetration
mit sozialen Systemen sozialisiert und soziale Systeme können durch Interpenetra-
tion die Eigentümlichkeiten von Menschen in körperlicher und mentaler Hinsicht in
ihre Operationen und Prozessabläufe einberechnen und in Kommunikation umwan-
deln (vgl. Luhmann 2001a S. 131). Voraussetzung für Kommunikation ist Wahr-
nehmung, die ausschließlich durch psychische Systeme geleistet werden kann, denn
Bewusstsein ist der Kommunikation vorgelagert. Ohne wahrnehmendes Bewusst-
sein ist Kommunikation nicht möglich.
Sprache ist in der Lage, Wahrnehmung zu ersetzen, an deren Stelle zu treten oder
diese zu aggregieren, führt Luhmann in Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunika-
tion aus. Ihre Aufgabe sei es allein, das Verstehen von Kommunikation zu steigern
(vgl. Luhmann 2001c, S. 81). Somit lässt sich Sprache als grundlegendes Aus-
tauschmedium betrachten, das Kommunikation ermöglicht, jedoch nicht selbst
Kommunikation ist, denn sie referiert nur auf einen der insgesamt drei Selektions-
vorgänge, die Kommunikation ausmachen, nämlich das Verstehen (s. u.). Durch
Sprache wird Sinn seiner Selbstreferenz enthoben und generalisiert. Nur so kann es
zur Interaktion zwischen verschiedenen Bewusstseinssystemen und zur Interpene-
tration zwischen Bewusstseinssystem und Kommunikationssystem bzw. zwischen
psychischem und sozialem System kommen. Dabei ist Sprache auf die Interaktion
unter Anwesenden beschränkt. Sie muss also zwangsläufig dem psychischen System
stärker zugeeignet sein, als dem sozialen.
Um diese Beschränkung aufzuheben, sind neben dem Medium Sprache andere
Medien notwendig, die die Bindung der Interaktion an Anwesenheit, Raum und
Zeit aufheben. Diese zweite Medienart nennt Luhmann Verbreitungsmedien, zu
denen er neben den (elektronischen) Massenmedien auch die Schrift zählt. Schrift
ist demnach ein Medium eigener Art und mit Sprache nicht zu verwechseln. Als
dritte und letzte Medienart, die erst entstehen kann, wenn Verbreitungsmedien die
Grenzen der Interaktion zwischen Anwesenden aufheben, sind die symbolisch
generalisierten Kommunikationsmedien zu nennen. Hierunter versteht er die
oben in Tab. 1 genannten Austauschmedien nach Parsons, die er um zwei weitere
ergänzt:
Sprache und Public Relations aus systemtheoretischer Sicht 69
Warum es gerade diese Medien sind, die er ergänzt, macht Luhmann nicht
deutlich. Generell knüpfen diese sechs symbolisch generalisierten Kommunikati-
onsmedien als Formen an Kommunikation an. Sie dienen der Umformung unwahr-
scheinlicher (verstanden als problematischer und erklärungsbedürftiger Kommuni-
kation) in wahrscheinliche Kommunikation und sind somit unerlässlich für das
Gelingen von Kommunikation. Da Medien als Erfüllungsgehilfen gelungener Kom-
munikation eingesetzt werden, ist es notwendig, den Begriff Kommunikation etwas
genauer zu betrachten.
Kommunikation ist nach Luhmann das basale Letztelement sozialer Systeme. Es
handelt sich dabei nicht um eine bloße Übertragung von Information. Kommunika-
tion besteht vielmehr aus der Einheit von drei Selektionsvorgängen. Zunächst wird
eine Information aus einem reichhaltigen Pool an Möglichkeiten ausgewählt. Diese
Information wird auf spezifische Weise mitgeteilt und erst durch das Verstehen dieser
beiden Selektionsvorgänge kommt Kommunikation zum Abschluss (vgl. Luhmann
2002b, S. 194 f.). Von Kommunikation lässt sich demnach erst sprechen, wenn die
Einheit der Differenz von Information und Mitteilung verstanden wird: „Im Verste-
hen erfaßt die Kommunikation einen Unterschied zwischen dem Informationswert
ihres Inhalts und den Gründen, aus denen der Inhalt mitgeteilt wird“ (Luhmann
2001b, S. 97). Geschieht dies nicht, handelt es sich um bloße Wahrnehmung und
nicht um Kommunikation. Wahrnehmung wiederum wird nicht in sozialen Systemen,
sondern in psychischen Systemen operationalisiert. Und an dieser Stelle kommt
wieder die Sprache ins Spiel: Sie fängt Wahrnehmung in symbolische Generalisie-
rung ein und macht sie mitteilbar. In der Definition von Kommunikation spielt sie
jedoch keine Rolle. Und das ist verstörend, da Luhmann selbst betont, dass bei der
Kommunikation immer auch psychische Systeme, also Individuen, beteiligt sein
müssen. Diese beteiligten Individuen, die bei Luhmann als Bewusstseinssysteme
fungieren, können von den Motivationen der anderen nichts wissen, was Konsens
im Sinne einer vollständigen Übereinstimmung ausschließt.3 Jedes Individuum ope-
rationalisiert für sich alleine als autopoietisches System. Und nur Kommunikation
innerhalb eines sozialen Systems ist „mit der Fähigkeit zur Selbstbeobachtung
ausgestattet“ (Luhmann 2002a, S. 85). So lässt sich die Dynamik gesellschaftlicher
Veränderung nur durch das Einwirken von Kommunikation auf und in sozialen
Systemen erklären und durch nichts anderes.
Wie bereits Künzler kritisch hervorhebt (vgl. Künzler 1987), ist die Rolle der
Sprache im Zusammenspiel der beiden Systemarten psychischer und sozialer Sys-
3
Hier scheiden sich die Wege von Luhmann und Habermas, der in seiner Theorie kommunikativen
Handelns gerade Konsens und Verständigung als einen Prozess der Einigung als Zielsetzung von
Kommunikation ins Zentrum seiner Überlegungen rückt, wonach Kommunikation darauf ausge-
richtet sei, Handlungen einvernehmlich zu gestalten (vgl. Habermas 1999).
70 M. Simon
teme bei Luhmann nur sehr kursorisch dargestellt und letztlich nicht abschließend
geklärt. Sprache wird in der Systemtheorie marginalisiert und auf Kosten des
Begriffs Medium weitestgehend ignoriert. Zwar wird sie als ein grundlegendes
Interaktionsmedium vorgestellt, das jedoch keinesfalls mit der Kommunikation
selbst verwechselt werden dürfe (vgl. Luhmann 2002a, S. 213 f.). Sprache als
Symbol generalisiert Sinn und Bedeutung und macht sie somit tauschbar. Als
Medium struktureller Kopplung zwischen psychischen und sozialen Systemen dient
sie einzig dazu, einen Unterschied zu markieren, eine Differenz, die von beiden
Systemen als Dasselbe erkannt wird. Sprache sorgt dafür, dass Wahrnehmung durch
Formung in Zeichen kommunizierbar wird. Sie macht die Unterscheidung zwischen
Information und Mitteilung eindeutig, so dass sie zum Objekt für Anschlusskom-
munikation werden kann. Sprache trifft eine Unterscheidung, da immer auch etwas
anderes gesagt werden kann. Als Medium ist sie ein Mittel für Anwesende, eigene
Operationen zu strukturieren, und sie existiert nur in diesen Operationen. In Abgren-
zung zur strukturalistischen Sprachtheorie stehen sprachliche Zeichen aus system-
theoretischer Sicht nicht für externe Referenten, sondern sind ausschließlich Arti-
kulationen der autopoietischen Selbstreferenzialität von psychischen und sozialen
Systemen. Es kommt also zu einer Entkoppelung zwischen Bezeichnetem und
Bezeichnendem. Die symbolische Wiederverwendbarkeit sprachlicher Generalisie-
rung schließt den Rekurs auf das Bezeichnete aus (vgl. Luhmann 2002a, S. 112).
Die Differenz, die durch die Sprache markiert wird, findet ihre Einheit im Code. Der
binäre Code der Sprache besteht darin, dass für alle Aussagen, die möglich sind, eine
positive und eine negative Fassung zur Verfügung gestellt wird (vgl. Luhmann
2002a, S. 221). Der Code vereint somit widerstreitende Eigenschaften, er sorgt für
die Einheit der Differenz. Darin liegt der Wert der Sprache als Interaktionsmedium:
Eine Mitteilung kann angenommen oder abgelehnt werden. Die Bewertung sprach-
licher Aussagen findet jedoch nicht in der Kommunikation statt. Ob eine Aussage als
wahrhaftig oder als Täuschungsversuch (z. B. Fake News) zu betrachten ist, obliegt
einzig dem psychischen (Bewusstseins-)System zu entscheiden. Im Kommunikati-
onssystem zeigt sich diese Bewertung durch die psychischen Systeme anschließend
durch Annahme oder Ablehnung von Folge- und Anschlusskommunikation (vgl.
Luhmann 2002a, S. 229 f.). Gleichzeitig betont diese Sichtweise nochmals, dass
Sprache nicht zur Verständigung und Formung von Übereinkunft und Konsens
herangezogen werden kann. Gesellschaftlicher Fortschritt ist nicht durch Sprache
zu begründen. Entscheidenden Anteil daran haben Luhmann zufolge, der dabei an
Parsons anknüpft, symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien, die Sprache
lediglich voraussetzen.
Sprache ist für Luhmann ein mangelhaftes Interaktionsmedium. Er rechnet „zu
den schlimmsten Eigenschaften unserer Sprache“ (Luhmann 2002b, S. 115), dass
sie sich notgedrungen immer auf Satzsubjekte beziehe. Dies evoziere die aus seiner
Sicht falsche, weil einschränkende, Vorstellung, wonach Menschen im Zentrum von
Ereignissen stünden. Die Zurechnung von wirklichkeitsformenden Ereignissen auf
konkrete Personen, „denen irgendwelche Eigenschaften, Beziehungen, Aktivitäten
oder Betroffenheiten zugeschrieben werden“ (Luhmann 2002b, S. 115), bilde nur
eine vereinfachte Version gesellschaftlicher Realität ab.
Sprache und Public Relations aus systemtheoretischer Sicht 71
Die Entwertung der Sprache ist bei Luhmann inkonsequent. Einerseits ist es ein
Medium unter anderen, das lediglich Wirksamkeit in der Interaktion unter Anwe-
senden entfaltet, andererseits ist Sprache die Voraussetzung anderer Medien. Spra-
che ist zudem eine Art Steigbügelhalter für das Verständnis des Begriffs Sinn:
„Durch Sprache wird die Selbstreferenz von Sinn generalisiert, und dies mit Hilfe
von Zeichen, die selbst diese Generalisierung sind, also nicht im Hinweis auf etwas
anderes bestehen“ (Luhmann 2002a, S. 210). Und hier schließt sich der Kreis: Da
sowohl psychische als auch soziale Systeme sinnkonstituierend sind, wird Sprache
als geeignetes Interaktionsmedium benötigt.
Deutlich wird dies dort, wo Luhmann davon spricht, dass psychische Systeme auf
der Basis von Bewusstsein operieren, Bewusstsein gleichzeitig jedoch an Kommu-
nikation „als strukturdeterminiertes System und als Medium“ beteiligt ist (Luhmann
2001a, S. 121). Es ist also System und Medium zugleich. Wie löst Luhmann dieses
Paradox auf? Ein System besteht nicht aus Elementen und deren Beziehungen,
sondern aus Operationen. Im sozialen System sind diese Operationen Kommunika-
tion, im psychischen System Bewusstseinsvorgänge in Form von Wahrnehmung und
Denken. Zweifellos sind Menschen an Kommunikation in sozialen Systemen betei-
ligt. Sie sind jedoch immer Systeme eigener Art, die nicht mit sozialen Systemen
verschmelzen. So ist Bewusstsein zwar an der Kommunikation in sozialen Systemen
beteiligt, aber nie damit identisch. Was ein Mensch denkt, kann nicht kommuniziert
werden. Im sozialen System wird Bewusstsein allerdings dazu herangezogen, der
Kommunikation vorgelagerte Wahrnehmungen vorzunehmen und durch Überfüh-
rung in ein Medium (etwa Sprache) stimulierend auf Kommunikation einzuwirken
(vgl. Luhmann 2001a, S. 122 f.).
Da Sprache ein Medium ist, muss im Folgenden zunächst der Begriff Medium
schärfer umrissen werden. Luhmann versteht darunter sämtliche Einrichtungen,
deren Ziel und Nutzen es ist, unwahrscheinliche Kommunikation auf allen drei
Selektionsebenen (Information, Mitteilung und Verstehen) in wahrscheinliche zu
überführen (vgl. Luhmann 2001c, S. 81). Wichtiges Kennzeichen eines Mediums ist
die Differenz von loser und fester Kopplung seiner Elemente. Solche lose gekop-
pelten Elemente sind im Medium Sprache beispielsweise Laute und Wörter, die in
unendlich vielen, wenn auch Regeln unterliegenden Varianten zu festen Koppelun-
gen (Sätze) zusammengefügt werden können. Die daraus resultierende spezifische
Ordnung bestimmter Elemente ergibt eine Form. Die Form der Sprache ist beispiels-
weise eine Differenz von Laut und Sinn (vgl. Luhmann 2002a, S. 255). Sprachliche
Kommunikation ist also „prozessieren von Sinn im Medium der Lautlichkeit“
(Luhmann 2002a, S. 213). Nicht das Medium selbst ist beobachtbar, sondern die
Formen, die aus ihm gebildet werden können. Durch die Beobachtung dieser
Formen ergeben sich Alternativmöglichkeiten.
Soziale und psychische Systeme erzeugen ihre Autopoiesis durch Selbstbeob-
achtung. Sie unterscheiden also Unterscheidungen, damit Kommunikation und
72 M. Simon
• Die Sachdimension erlaubt die Zurechnung von Sinn auf die Anregung von
Themen, was in psychischen Systemen als Intention und Erleben, in sozialen
Systemen als Kommunikation und Handeln geschieht. Auf der Ebene der Sach-
dimension differenziert Sinn in ein Innen und ein Außen sowie thematisch in ein
Dieses und Anderes. Eine Sinnselektion, die der Umwelt zugerechnet wird, ist als
„Erleben“ zu charakterisieren. Eine Sinnselektion, die dem System zugerechnet
wird, ist als „Handeln“ zu charakterisieren (Differenzmerkmal der Sachdimen-
sion: System/Umwelt).
• Die Zeitdimension erlaubt die Zurechnung von Sinn auf Abfolge und Veränder-
barkeit im Zusammenhang mit einem Vorher und einem Nachher (Differenz-
merkmal der Zeitdimension: Vergangenheit/Zukunft).
• Die Sozialdimension erlaubt die Zurechnung von Sinn auf Identitäten. Im Zen-
trum des Interesses steht hierbei die Frage danach, wer es ist, der sich an wen
wendet, und auf welche Weise Alter und Ego interagieren (Differenzmerkmal der
Sozialdimension: Konsens/Dissens).
sowie der Kommunikationswege innerhalb der Organisation wie auch die kommu-
nikativen Austauschbeziehungen mit der Systemumwelt (Input-Output-Beziehun-
gen). Bewusstsein ist zwar in Form von Wahrnehmungsleistungen am Entscheiden
beteiligt, allerdings werden die Entscheidungen selbst jeweils als eigene operative
Leistung der Organisation behandelt (vgl. Luhmann 2002a, S. 830 ff.). Organisatio-
nen verfügen über einen gewissen Bewegungs- und Handlungsspielraum beim
Bewältigen der Entscheidungssequenzen. Da dieser Spielraum durch kommunika-
tive Operationen abgesteckt wird, kann erfolgreich agierende Public Relations maß-
geblich dazu beitragen, die organisatorischen Handlungsalternativen zu erweitern.
Durch einen internen Selektionsprozess wird Kommunikation hergestellt und der
Organisationsumwelt zur Verfügung gestellt. Organisationen sind dadurch in der
Lage, mit anderen Systemen in ihrer Umwelt zu kommunizieren.
Innerhalb des Wirtschaftssystems hat das Subsystem Public Relations der Sys-
temtheorie zufolge die Funktion, Interessen von Organisationen zu formulieren und
diese in den öffentlichen Diskurs als legitimen Kommunikationsbeitrag zu integrie-
ren. Durch die öffentliche Darstellung und Diskussion dieser (unternehmerischen)
Interessen werden sie einer demokratischen Legitimation zugeführt. Public Rela-
tions leisten solchermaßen einen strukturellen Beitrag zur Funktionsfähigkeit der
Gesellschaft. Laut dem Theorieentwurf von Ronneberger/Rühl tritt das System
Public Relations auf drei Ebenen mit seiner Umwelt in Beziehung (vgl. Tab. 2).
• Auf der Mikroebene wird die Public Relations als Aufgabe definiert, bei der
durch Kommunikation die Handlungen, Einstellungen und Denkweisen
bestimmter Teilöffentlichkeiten oder Stakeholder beeinflusst werden sollen (vgl.
Ronneberger und Rühl 1992, S. 269). Glaubwürdigkeit und erneut Vertrauen sind
hierbei zentrale Anliegen, um Interesselagen kommunikativ durchsetzungsfähig
zu gestalten.
Wie gezeigt wurde ist Sprache ein Medium struktureller Kopplung, das Bewusst-
seinssysteme und soziale Systeme unter der Bedingung der Anwesenheit zusammen-
schaltet. Es ist ein sinnvermittelndes und sinnverwirklichendes Medium. Sprache dient
beiden Systemarten: (1) der Kommunikation, indem sie den dreifachen Selektionsvor-
gang (Information, Mitteilung, Verstehen) unterstützt, (2) dem Bewusstsein, indem sie
Wahrnehmungsstrukturen symbolisch generalisiert ausformt und für den Austausch
zur Verfügung stellt. Diese Formgestaltung kondensiert in Textsorten, die Sinn fixie-
ren, Wissen tradieren, Zeit- und Raumgrenzen aufweichen und somit sprachbasierte
Sinnverwirklichung über den engen Bereich der Kommunikation unter Anwesenden
hinaus verfügbar halten. Dabei findet ein Medienwandel statt: Schrift symbolisiert
Sprache in einem anderen Wahrnehmungsmedium (vgl. Luhmann 2002a, S. 255 f.).
Da Sprache als Interaktionsmedium nur in Situationen von Anwesenheit wirksam und
sinnlich wahrnehmbar ist, begrenzt sich der Bezugsrahmen von Sprache und Public
Relations auf Instrumente wie Event, Messe/Ausstellung, Pressekonferenz, Podiums-
diskussion, Hintergrundgespräch etc. Alle schriftlichen Instrumente fallen hingegen
unter die Kategorie „Verbreitungsmedien“, die (s.o.) eine Weiterentwicklung der
Kommunikationsmöglichkeiten der Sprache darstellen. Hier verabschiedet sich der
Begriff Sprache aus der Diskussion und wird von Schrift ersetzt. Der Blick richtet sich
fortan auf die Formen, die aus dem zuhandenen Symbolmaterial in je spezifischen
Situationen gebildet werden. Die daraus resultierenden Leistungen sollten sich insbe-
sondere auf Aspekte konzentrieren, die Anknüpfungspunkte zur Sprachwissenschaft
aufweisen:
Dies gelingt über Textsorten, die als logisch geschlossene Zusammenstellung von
Sätzen verstanden werden können. Sie werden als Mitteilungen (Pressemitteilung,
Tweet, Blog-Beitrag, Online-News, Artikel im Kundenmagazin, Facebook-Post etc.)
im PR-System produziert unter Wahrung einer gewissen Sorgfalt und unterliegen
bestimmten Regeln im Herstellungsprozess bezogen auf die Themenauswahl, die
Umsetzung und Verwendung, den Sprachstil sowie die Distribution. Das System
muss sicherstellen, dass ausreichende Mechanismen der Kontrolle eingebaut sind,
damit diese Mitteilungen zuverlässig und vertrauenswürdig im Hinblick auf ihre
Faktizität sind. Die Kontrollen müssen unabhängig von den persönlichen Motiven
der Beteiligten funktionieren (vgl. Luhmann 2014, S. 69).
78 M. Simon
7 Zusammenfassende Darstellung
Sprache stellt eine intersubjektive Übertragbarkeit von Sinn sicher. Sie geht der
Verständigung über Sachverhalte der Wirklichkeit voraus und basiert zugleich auf
der allgemein akzeptierten Übereinkunft eines verfestigten Regelsystems zu ihrer
Formung und Verwendung. Sprache gibt der Einheit der Differenz von Zeichen und
Bezeichnetem eine Form. Alles, auf das mittels eines Zeichens Bezug genommen
wird, existiert nur in Abhängigkeit von seiner zeichenhaften Bezeichnung, d. h. die
Worte sind nicht das, auf das sie bezeichnend verweisen.
Mittels Sprache lassen sich System/Umwelt-Beobachtungen durchführen und
interaktiv austauschen. Interaktion schafft durch wechselseitige Bezugnahme eige-
nen Erlebens und Handelns eine eigenständige soziale Realität, die mittels Sprache
in eine sinnlich wahrnehmbare Erscheinungsform gegossen wird. Solche Erschei-
nungsformen kondensieren in visuellen, auditiven, gustatorischen, taktilen und
olfaktorischen Phänomenen der Wahrnehmung. Interaktion ist dabei das, was sich
aufgrund zirkulärer Wahrnehmung zwischen den Beteiligten abspielt und nicht etwa
die Anwesenheit der Beteiligten selbst. Diese gehören vielmehr zur Umwelt des
Interaktionssystems. Durch Sprache können in solchen Beteiligungs- und Aus-
tauschszenarien psychische Aspekte der Wirklichkeit Anwesender ebenso artiku-
liert, wahrgenommen und verarbeitet werden, wie soziale Aspekte gesellschaftlicher
Wirklichkeit.
Auf der Ebene funktional-ausdifferenzierter gesellschaftlicher Subsysteme ent-
wickeln sich spezifische Sprachen, die sich in Form von syntaktischen und seman-
tischen Besonderheiten manifestieren. In diesem Sinne lässt es sich auch von einer
PR-Sprache sprechen, die den Möglichkeitsraum von Themen festlegt und
bestimmt, auf welche Weise über diese gesprochen werden kann. An der Oberfläche
sprachlicher Erscheinungsformen werden Festlegungen getroffen, die Einfluss neh-
men auf die drei Elemente der Kommunikation: Information, Mitteilung und Ver-
stehen. Ihre Typologisierung und konkrete Ausformung gehört nicht mehr zum
originären Interessensgebiet der Systemtheorie und ist Thema im Praxisteil dieses
Sammelbandes.
8 Kritischer Ausblick
Zuletzt sind drei kritische Punkte zu benennen, die sich auf Kommunikation und
Beobachtung, die Rolle der Akteure und den Stellenwert der Sprache in der Sys-
temtheorie beziehen.
Kommunikation schafft Strukturen und lässt sich als Herrschaftsgrammatik
beschreiben, unter der sich die Ordnung der Elemente und ihrer Relationen fügt.
Dieses Machtdispositiv im Foucaultschen Sinne (vgl. Foucault 2008) wird in der
Systemtheorie nicht ausgeblendet aber auch nicht bewertet, sondern nur deskriptiv
dargestellt. Soziale Systeme sind beobachtbar. Diese Beobachtung definiert sich
durch Schemata der Unterscheidung, die beim Beobachten verwendet werden und
die sich in Codes manifestieren. Kriterien der Selektion, an der immer auch Indivi-
Sprache und Public Relations aus systemtheoretischer Sicht 79
duen mit ihren spezifischen Einstellungen und Interessen beteiligt sind, werden
ausschließlich auf diesen binären Code reduziert. So arbeitet beispielsweise das
Wissenschaftssystem mit dem Code wahr oder unwahr – ein Drittes gibt es nicht.
Der Code dient zur operativen Schließung des Systems und zieht eine Grenze
zwischen Innen und Außen gegenüber der Umwelt. Den Raum zwischen den Polen
des binären Codes eines Systems zu lesen und zu interpretieren, ist nicht das
Anliegen dieser theoretischen Beschreibung von sozialen Zusammenhängen. Dabei
liegt gerade in der Herrschaftsgrammatik des Systems eine Regelungs- und Regulie-
rungsmaschinerie begründet, die einen eindeutigen Handlungsrahmen vorgibt.
Indem die Systemtheorie die Ideologie aus der Betrachtung sozialer Ordnung ent-
fernt, überlässt sie das Gesellschaftssystem einer autopoietischen Eigendynamik, die
Alternativlosigkeit suggeriert, der die Elemente ausgeliefert sind.
Die Systemtheorie reduziert zudem soziale Akteure und ihre Handlungen auf
Verwaltungs- und Verfahrensfragen sowie auf Aspekte der Mitgliedschaft und Rol-
lenannahme. So laufen auch innerhalb des PR-Systems – wie in allen sozialen
Systemen – Mechanismen ab, die sich nicht mehr von Individuen kontrollieren,
geschweige denn steuern lassen. Innerhalb des PR-Systems obwaltet eine Logik, die
auf Anschlusskommunikation ausgerichtet ist und die stumm bleibt bei der Beant-
wortung der Frage nach Zurechenbarkeit von Handlungen und danach, was es denn
ist, das kommuniziert wird. Es geht einzig um Prozesse, Verschaltungen und Rela-
tionen. Dazu, wie Inhalte sprachlich geformt werden sollten, um größtmöglichen
Erfolg im Sinne der kommunizierenden Organisation zu erzielen, hat die System-
theorie nichts beizutragen. Ihr genügt es festzustellen, das kommuniziert wird und
wie dieser Mechanismus aufrechterhalten werden kann. Einziger Zweck ist der
Systemerhalt, mag es dem Einzelnen als Rolleninhaber im System dabei auch die
Sprache verschlagen.
Sprache erfährt innerhalb der Systemtheorie generell eine Entwertung gegenüber
für die Untersuchung gesellschaftlichen Zusammenhalts zentralen Begriffen wie
Kommunikation, Medium und Sinn. Im Sozialgefüge wird der Sprache lediglich
die Rolle eines Hilfselementes in Gestalt eines Interaktionsmediums unter Anwe-
senden zugewiesen, das durch Ausformung von Wahrnehmungen in einem symbo-
lisch generalisierten Medium den übergeordneten Kommunikationsprozess unter-
stützt. Sobald Schrift im Spiel ist, findet ein Medienwechsel statt und es kann nicht
mehr von Sprache als Untersuchungsgegenstand gesprochen werden. Dies mag in
einer system-funktionalen Betrachtung von Gesellschaft eine theoriestützende Sicht-
weise sein. Der Wahrnehmung des Stellenwertes von Sprache in der PR-Praxis kann
dies jedoch nur bedingt gerecht werden und wirkt unbefriedigend. Menschliche
Sprache als Interaktionsmedium zwischen psychischen und sozialen Systemen gilt
als Voraussetzung der Kommunikation, auch wenn immer häufiger Algorithmen in
einigen Bereichen ein symbolisch generalisiertes Medium eigener Art darstellen, die
sprachliche Kommunikation oftmals nur noch simuliert. Der Stellenwert der Spra-
che, dies ist abschließend festzuhalten, ist in der Theorie sozialer Systeme nicht
eindeutig konturiert und steht quer zu einer lebensweltlichen Auffassung des
Begriffs. Die Rolle der Sprache in und für psychische Systeme hingegen ist erst
noch zu formulieren.
80 M. Simon
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Pragmastilistischer Ansatz zur Konzeption
und Analyse von Public Relations
Kommunikation
Daniela Wawra
Zusammenfassung
In diesem Beitrag wird ein Rahmen für die Konzeption und Analyse von Public
Relations Kommunikation entwickelt, der in der Pragmatik und Stilistik verankert
ist. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Bedeutung auch des außersprach-
lichen Kontexts für die Wahl der konkreten kommunikativen Formen in Public
Relations Produkten. Der integrative Ansatz zeigt das Potenzial einer interdis-
ziplinären Herangehensweise, die Forschungsergebnisse der Linguistik, Kommu-
nikations- und Wirtschaftswissenschaften zusammenführt und nicht zuletzt für
die PR Praxis zur Optimierung von Kommunikation genutzt werden kann.
Schlüsselwörter
Public Relations • Pragmatik • Textlinguistik • Stilistik • Lasswell
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
2 Der pragmastilistische Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
3 Anwendung und Erweiterung des pragmastilistischen Ansatzes auf PR
Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
3.1 Wer? – Selbstbild der Organisation, Produzenten und Kommunikatoren des
Kommunikats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
3.2 In welchem Kontext? – Situativer und kultureller Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
3.3 Mit welcher Intention (zu welchem Zweck)? – Ziele der Kommunikation . . . . . . . . . . . 87
3.4 Wann? – Das Timing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
3.5 Zu wem? – Die Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
3.6 Was? – Der Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
3.7 Durch welchen Kommunikationskanal/durch welche Medien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
D. Wawra (*)
Lehrstuhl für Englische Sprache und Kultur, Universität Passau, Passau, Deutschland
E-Mail: daniela.wawra@uni-passau.de
1 Einleitung
Im weiteren Sinne wird Public Relations (PR) häufig als „interessensgeleitete[] Kom-
munikation gegenüber Öffentlichkeiten“ (Reisewitz 2017) bzw. „Anspruchsgrup-
pen“ (z. B. Belegschaft, Kunden, Regierung) (Wirtschaftslexikon24 2015) beschrie-
ben. Zu den Kernaufgaben der professionellen PR gehört es, zu informieren,
Orientierung zu geben bzw. sich an der Meinungsbildung zu beteiligen und dabei,
möglichst langfristig, Akzeptanz, Vertrauen und Verständnis für eine öffentliche
Person oder Organisation herzustellen. PR ist strategische, d. h. geplante und zielge-
richtete Kommunikation. Sie kann gegliedert werden nach (1) Zielrichtung (nach
innen gerichtete, d. h. an die eigenen Mitarbeiter adressierte Kommunikation –
interne PR oder nach außen gerichtete – externe PR),1 (2) Anspruchsgruppen
(z. B. Beziehungen zu Konsumenten – „Consumer Relations“, Geschäftspartnern,
Investoren, Mitarbeitern – „Human Relations“), (3) Gegenstand (z. B. Produkt –
„Produkt-PR“, Unternehmen oder Nonprofit Organisation, öffentliche Person – „Per-
sonality-PR“, politikbezogen – „Political Communications“), (4) konkretem Anlass
(z. B. Krise – „Krisenkommunikation“, Messe) oder (5) intendierter geografischer
Reichweite (z. B. „lokale/regionale PR“, „Länder-PR“, „internationale PR“) (Reise-
witz 2017; siehe auch Kunczik 2010, S. 26–34). Verbreitete PR Instrumente sind
Pressearbeit, Eigenveröffentlichungen (Print und Online, wobei auch die Kommuni-
kation bzw. der Dialog mit verschiedenen Anspruchsgruppen im Internet, z. B. über
soziale Netzwerke, immer mehr zum Standard gehört), Events für bestimmte Ziel-
gruppen, Sponsoring und das Issues Management (d. h. die frühzeitige Identifikation
von und Kommunikation zu Themen, die für die öffentliche Person oder die Orga-
nisation bedeutsam sein könnten)2 (Reisewitz 2017; Wirtschaftslexikon24 2015).
Kastens und Busch (2016, S. 9 f.) identifizieren als aktuelles dringendes Desiderat
der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Unternehmenskommunikation allgemein,
und so auch der Public Relations, eine Erweiterung um geisteswissenschaftliche
Ansätze. Von diesen versprechen sie sich eine notwendige vertiefte Auseinanderset-
zung mit und ein realistischeres sowie gleichzeitig „pragmatisches“ Verständnis von
Kommunikation. Zudem plädieren sie für eine Verschiebung weg von einem einsei-
tigen, monologischen Kommunikationsmodell, das nur die „Kommunikation von
Unternehmen“3 in den Blick nimmt, hin zu einem dialogischen bzw. interaktions-
basierten Kommunikationsmodell, das die Kommunikation „zwischen Wirtschaft
1
Vgl. dazu auch Wawra (2008, S. 46).
2
Vgl. dazu auch Lies (2017).
3
Kursivdruck im Original.
Pragmastilistischer Ansatz zur Konzeption und Analyse von Public Relations. . . 83
Die Pragmatik beschäftigt sich mit dem Gebrauch von Sprache und sieht Sender und
Empfänger sowie situative und kontextuelle Faktoren als konstitutiv an für die
Konstruktion von Bedeutungen (z. B. Horn und Ward 2006, S. xi). Eine pragmati-
sche Perspektive impliziert auch, dass Sprache „kein neutrales Medium ist“ (Felder
2009, S. 11), sondern ein perspektiv- und interessengeleitetes Instrument, das dazu
verwendet wird, bestimmte Interpretationen von und Sichtweisen auf Dinge, Perso-
nen, Handlungen, Ereignisse und ihre Verflechtungen mitzuteilen, zu verbreiten und
die Deutungshoheit zu gewinnen (vgl. dazu auch Bartels 2015, S. 65). In der Public
Relations Kommunikation wird Sprache in diesem Sinne bewusst strategisch einge-
setzt. So beschreibt etwa Kunczik (2010, S. 14) Public Relations als „Bemühen, die
Öffentlichkeit bzw. Teilöffentlichkeiten durch die Selbstdarstellung von Interessen
beeinflussen und damit Interessen durchsetzen zu wollen“.6 Eine pragmatisch ori-
entierte linguistische Analyse von Public Relations hat letztlich das Ziel, aufzuzei-
gen, welche Deutungen in der untersuchten Kommunikation zur Durchsetzung der
eigenen Interessen vorgenommen werden. Dabei nimmt sie den weiteren, außer-
sprachlichen, Kontext mit in den Blick.
4
Kursivdruck im Original.
5
Kursiv- und Fettdruck im Original.
6
Zu inkludieren sind hier auch Anspruchsgruppen wie z. B. die eigenen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter einer Organisation. Diese unter dem Terminus ‚Teilöffentlichkeit‘ zu subsumieren
scheint unglücklich.
84 D. Wawra
7
Der Terminus ‚Text‘ wird hier synonym zu ‚Kommunikat‘ verwendet und kann schriftliche wie
mündliche Kommunikation sowie das Design umfassen.
8
Hervorhebungen im Original.
Pragmastilistischer Ansatz zur Konzeption und Analyse von Public Relations. . . 85
Aspekte in den Vordergrund gestellt werden können (Jeffries und McIntyre 2010,
S. 31). Dies ist ebenfalls ein zentraler Aspekt für erfolgreiche Public Relations
Kommunikation.
Einen kontextsensitiven Untersuchungsrahmen für pragmastilistische Analysen
bietet Lasswells (1964) Ansatz zur Erfassung von Massenkommunikationsprozes-
sen: ‚Wer?‘ (Produzenten), ‚Sagt was?‘ (Inhalt), ‚Durch welchen Kanal?‘ (Kommu-
nikationsmedium), ‚Zu wem?‘ (Rezipienten), ‚Mit welcher Wirkung?‘. Für den
stilistischen Teil der Analyse ist noch die Frage ‚Wie?‘ zu ergänzen (Stolt 1984,
S. 165; Wawra 2008, S. 155). Dieser Ansatz soll im folgenden Abschnitt auf Public
Relations angewandt und erweitert werden.
Ein Ansatz, der für Public Relations Maßnahmen zentrale Aspekte umfasst und zur
Planung wie Analyse herangezogen werden kann, muss ausgehend von Lasswell
(1964, s. o.) um einige Fragen erweitert und zum Teil umgestellt werden. Ein
pragmastilistischer Ansatz zur Konzeption und Analyse von Public Relations sieht
dann wie folgt aus:
Wer sagt in welchem Kontext mit welcher Intention (zu welchem Zweck)
wann zu wem was durch welchen Kommunikationskanal wie mit welcher
Wirkung?
Im Folgenden werden die einzelnen Schritte ausgeführt.
Vor der Planung jeder PR muss entschieden werden, wer Teil des Teams sein sollte.
Neben in der Regel Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der PR Abteilung, die das
Kernteam bilden, wird anfangs ebenso die Leitung und die Finanzabteilung in
geeigneter Form einzubinden sein, um das Budget für die Maßnahme abzuklären.
Auch Inhalt und Form der PR Kommunikation sollten in den verschiedenen Stadien
ihrer Planung jeweils mit der Leitung abgeklärt und von dieser ‚abgesegnet‘ werden:
„Da die PR-Strategie direkt an die grundsätzliche Strategie der gesamten Organisa-
tion, nicht nur an die Marketingstrategie, anknüpft, ist sie eine unternehmerische
Leitungsfunktion (. . .)“ (Reisewitz 2017). Zudem kann es oft sinnvoll sein, abhängig
von Anlass und Art der geplanten PR, Mitglieder weiterer Abteilungen (oft nur für
einige Sitzungen) ins Team zu holen, wie z. B. Mitarbeiter aus technischen Abtei-
lungen, wenn es etwa darum geht, auf eine Produktpanne zu reagieren (für eine
ausführliche Darlegung, wer z. B. an der Erstellung eines Geschäftsberichts beteiligt
werden sollte, siehe Wawra 2008, S. 167–169).
Gegebenenfalls ist außerdem zu klären, wer am besten geeignet ist, die Botschaft
vorzutragen, so sie personalisiert wird: Wer tritt z. B. vor die Kamera und gibt ein
86 D. Wawra
Statement ab, der Pressesprecher oder der Vorstandsvorsitzende? Kommt eine Stel-
lungnahme vom Vorstandsvorsitzenden persönlich, signalisiert dies etwa, dass das
Thema so ernst genommen wird, dass sich die Führung selbst dessen annimmt.
Zudem muss darauf geachtet werden, dass die PR Kommunikation mit dem
Selbstbild der Organisation (oder der öffentlichen Person), ihrem Image, Leitbild,
ihrer Philosophie, übereinstimmt oder dieses in intendierter Weise verändert bzw.
über es hinausgeht. Dies beginnt mit dem (Corporate) Design und endet mit der
(Corporate) Identity, die bei einem erfolgreichen Impression Management stimmig
sein müssen.
Zum Beispiel wurden im Februar 2014 Bilder von Prinz Harry als Großwildjäger
veröffentlicht, die wohl seine Männlichkeit und seinen Wagemut unterstreichen
sollten. Dies passte jedoch nicht zu seinem zuvor aufgebauten Image als Tierschützer
(Frankfurter Rundschau 19.12.2014).
Bettina Wulff sprach 2014 sehr offen darüber, dass ihre Selbstwahrnehmung nicht
mehr mit der Fremdwahrnehmung übereinstimme. Sie wolle ihr Image ändern und
künftig vor allem mit den Themen Kinder, Bildung und Netzsicherheit assoziiert
werden. Dazu engagierte sie einen PR-Berater, der helfen sollte, dieses Image in der
öffentlichen Wahrnehmung durchzusetzen (SZ.de 28.08.2014).
Beispiele für wirksame PR Instrumente, um das Unternehmensimage positiv zu
verstärken bzw. zu erweitern finden sich z. B. bei Red Bull: Das Unternehmen bietet
u. a. einen Red Bull Bike und Motorsport Channel, den Red Bull Rampage – ein
Event, das die besten Mountainbike Freerider versammelt sowie viele weitere
Sportveranstaltungen und Berichte über neueste Musik und Computerspiele (Red
Bull 2017). Dies schafft wünschenswerte Konnotationen des ‚hip‘, ‚in‘ und stets
‚up-to-date‘ Seins, von Erlebnis, Abenteuer, Waghalsigkeit, Mut, Jugend, Sportlich-
keit, Männlichkeit, Grenzüberwindung etc., die mit der Marke und dem Unternehmen
verbunden werden. So wird das gewünschte Image des Unternehmens verbreitet und
gefestigt.
Bräuche etc. Von diesen Faktoren ist die geeignete Form einer erfolgreichen Adres-
sierung grundlegend abhängig.
Malaysia Airlines z. B. hatte wenige Monate nach zwei Flugzeugabstürzen mit
insgesamt über 500 Todesopfern ein Gewinnspiel im Internet veröffentlicht, bei dem
dazu eingeladen wurde, eine „Bucket List“ zu erstellen (Frankfurter Rundschau
19.12.2014). „Bucket List“ ist etymologisch abgeleitet von „to kick the bucket“
(„sterben“) und hat die Bedeutung „a list of things that one has not done before but
wants to do before dying“ (Merriam-Webster 2017). Es handelt sich also um eine
Liste, in der alles aufgelistet werden soll, was man vor seinem Tod noch tun und
erleben möchte. Im andauernd sehr präsenten Kontext der rezenten Katastrophen
misslang diese PR Kampagne und schädigte das Ansehen der Fluglinie weiter.
Ein dagegen sehr unbedeutendes aber illustratives Beispiel für eine misslungene
PR aufgrund der Nichtbeachtung des Kontexts lieferte auch Cathy Lugner. Ihr
misslang eine PR Offensive beim Wiener Opernball: Sie hatte ein Bild von sich in
Abendkleid getwittert und dazu den Text: „Mein Kleid :) [rotes Herz] was sagt ihr?
Ich sage: sexy, statt trauern“. Der Tweet löste Empörung aus, da kurz vor dem
Wiener Opernball bekannt geworden war, dass die österreichische Gesundheitsmi-
nisterin Sabine Oberhauser gestorben war. So schrieben Nutzer: „Ein bisschen
geschmacklos der Spruch bei dem derzeitigen Trauerfall.“, „Ich hatte dich immer
gern aber das geht gar nicht“. (Express 24.02.2017). Bei manchem kam auch allein
das Erscheinen von Cathy Lugner auf dem Opernball nicht gut an – ob wegen des
Todesfalls oder ihrer rezenten Trennung von Richard Lugner, dem Gastgeber, bleibt
offen. So schreibt ein Nutzer: „Pietätlos dass diese Goldgräberin überhaupt antanzt.
Taktgefühl von einem Rhinozeros“ (Express 24.02.2017). Cathy Lugner versuchte
danach, ihren Faux-Pas wieder gutzumachen, indem sie auf Facebook richtig stellte,
dass ihr Post nicht auf den Todesfall, sondern auf ihre Trennung von Richard Lugner
bezogen war: „Man kann es nicht jedem recht machen, Fakt ist, mein post war auf
mich und meine Scheidung bezogen!! Ich schaue nicht 24 h Nachrichten aber mich
trifft der Tod einer so tollen Frau natürlich auch [drei Smileys mit Tränen]“ (Vienna.
at 24.02.2017). Die vielen und ausschließlichen „Likes“ hinter dem Post zeigten an,
dass diesmal der Kontext gut berücksichtigt und eingeschätzt wurde – die ‚Fans‘
erwarteten eine Anteilnahme.
Bei der PR Planung ist genau zu überlegen, was mit der Kommunikation bezweckt
wird. Allgemein sind häufige Ziele von PR, „den Ruf einer Organisation oder einer
Marke zu verbessern, eine höhere öffentliche Wahrnehmung zu erreichen, die
Motivation von Mitarbeitern oder Mitgliedern und die Loyalität von Partnern zu
erhöhen, Kundenvertrauen zu stärken oder die öffentliche Aufmerksamkeit auf die
für die Organisation wichtigen Themen zu lenken (Issues Management)“ (Reisewitz
2017). In unserem digitalen Zeitalter gehört auch die dialogische Direktkommunikation
mit Zielgruppen über soziale Netzwerke immer häufiger zu den PR Zielen (z. B. das
88 D. Wawra
Das Timing einer PR ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Es gibt zahlreiche Beispiele für
das Misslingen von PR Kommunikation, da sie zum falschen Zeitpunkt veröffent-
licht wurde. Wegen versehentlicher zu früher Veröffentlichung der Ergebnisse des
dritten Quartals sank z. B. 2012 Googles Aktienkurs um 9 %. Die Mitteilung sollte
9
Hervorhebung im Original.
10
Hervorhebung im Original.
Pragmastilistischer Ansatz zur Konzeption und Analyse von Public Relations. . . 89
eigentlich nach Börsenschluss erfolgen, ein Entwurf war jedoch noch während der
Handelszeit in Umlauf gebracht worden (Ashford 2012). Sony erlitt 2011 einen
gravierenden Imageschaden, nachdem das Unternehmen erst sieben Tage nach dem
„womöglich größte[n] Datenleck in der Geschichte des Internets“ – konkret Hacker-
angriffen auf ihr PlayStation Netzwerk – an die Öffentlichkeit ging. Gerade im
Internet verbreiten sich schnell Gerüchte, so dass nach einer Panne sehr zeitnah
reagiert werden sollte, um zumindest eine gewisse Deutungshoheit zu behalten und
frühzeitig die eigene Sicht in Umlauf bringen zu können (Lilienström 2011).
Grundsätzlich ist zu beachten, dass genug Zeit eingeplant werden muss für die
Zwischenschaltung weiterer Stellen vor der Veröffentlichung eines Kommunikats
(z. B. Verantwortliche bei den Medien wie Journalisten).11 Auch ist beim Timing die
Frage In welchem Kontext? mit zu berücksichtigen: Steht ein wichtiges Ereignis an
oder ist gerade etwas passiert, über das die Medien ausführlich berichten, geht die
eigene Meldung womöglich unter und sollte entsprechend früher oder später ver-
öffentlicht werden (CP Communications 2017). Zudem zeigen auch die Beispiele
Malaysia Airlines und Cathy Lugner (siehe In welchem Kontext?), wie falsches
Timing (hier die in der Öffentlichkeit noch präsenten Flugzeugunglücke mit vielen
Todesopfern bzw. der sehr rezente Tod einer Politikerin) zur Zielverfehlung von PR
führen kann.
Es muss auch geklärt werden, wer die Zielgruppen der PR Kommunikation sein
sollen und was sie charakterisiert, um PR entsprechend adressatengerecht aufberei-
ten zu können: Was sind ihre Werte, Einstellungen, Präferenzen? In unserer digitalen
Gesellschaft bieten sich hierfür immer detailliertere und effektivere Möglichkeiten
der Analyse an durch die Anwendung von Big Data Instrumenten, also der weitge-
hend automatisierten algorithmusbasierten Erhebung und Auswertung der Daten
von Internetnutzerinnen und -nutzern (vgl. dazu auch Wawra 2014, S. 11).
Die Kampagne der plakatierten Bauernregeln des Umweltministeriums (Fisser
2017, s. o.; Mit welcher Intention?) scheiterte auch, da sie nicht an die richtige
Zielgruppe adressiert war: Diese waren eigentlich EU-Abgeordnete und Verantwort-
liche, die Agrarpolitik machen. Auch Bauern können als Zielgruppe der Kampagne
insofern gelten, als das Bundesumweltministerium bei ihnen wohl ihr Image als
‚Kümmerer‘ und Vertretung in der EU verbessern wollte. Stattdessen wurde die
Zielgruppe der Bauern jedoch mehr gegen das Ministerium antagonisiert, denn für
die Sache eingenommen.
11
Zum Beispiel sind oft etwa Journalisten Donnerstag und Freitag weniger häufig an ihren Arbeits-
plätzen, so dass es dadurch zu längeren Verzögerungen kommen kann. Es kann auch von Vorteil
sein, einen Beitrag eher gleich morgens (oder noch am Vorabend) zu schicken, da die Chancen
besser sind, dass er sofort oder zeitnah bearbeitet bzw. aufbereitet wird, bevor die Verantwortlichen
mit anderen Aufgaben bereits ausgelastet sind (CP Communications 2017).
90 D. Wawra
Der Inhalt muss auf den Kontext abgestimmt werden, in den die PR eingebettet sein
wird (In welchem Kontext?) sowie zur öffentlichen Person bzw. Organisation und
ihrem Selbstverständnis (Wer?) passen, dem Zweck der PR Maßnahme dienen (Mit
welcher Intention?) und adressatenspezifisch sein (Zu Wem?).
Grundlegend sollten die drei Maximen Grices (1975, S. 45–47) für eine gelun-
gene Kommunikation beachtet werden, die sich auf den Inhalt beziehen: Die
Maxime der Quantität (1), Qualität (2) und Relation (3).13
(1) Die Quantität des Inhalts sollte dem Anlass angemessen sein. Ist der Inhalt zu
umfangreich, beeinträchtigt dies die Rezeption (begrenzte Aufmerksamkeits-
spanne bei den Adressaten), werden zu wenig Informationen gegeben, steigt
die Gefahr, missverstanden zu werden. Es ist also darauf zu achten, dass das
Kommunikat so viele Informationen wie nötig bereitstellt und nichts Wesentli-
ches ausgelassen wird, um die intendierte Rezeption nicht zu gefährden. In
manchen Medien (z. B. Printmedien, TV-Spots) steigen mit dem Umfang die
Kosten, so dass unter ökonomischen Gesichtspunkten eine Beschränkung
sinnvoll ist.
Die Plakatkampagne mit den abgewandelten Bauernregeln des Bundesum-
weltministeriums (Fisser 2017; Mit welcher Intention?) z. B. verletzte die
Maxime der Quantität: Die Botschaften waren offensichtlich zu kurz und wur-
den von vielen missverstanden. Ein Beispiel, bei dem die Maxime der Quantität
durch Redundanz verletzt wurde, liefert eine offizielle Erklärung von Sony nach
12
Aus „Freerunning“ wurde „Freezerunning“, eine kreative Wortbildung, die die niedrige Außen-
temperatur bei dem Event mit in das Kompositum und dessen Bedeutung integriert.
13
Grices (1975, S. 46) weitere Maxime, betreffend die Art und Weise der Kommunikation, fällt
unter das „Wie?“ der Kommunikation und wird dort behandelt.
Pragmastilistischer Ansatz zur Konzeption und Analyse von Public Relations. . . 91
Besonders wichtig ist schließlich die Planung der ersten Sätze jeder PR Kommu-
nikation zur Aufmerksamkeitsgewinnung und -steuerung: Sie entscheiden darüber,
ob die PR überhaupt als relevant wahrgenommen und rezipiert wird bzw. ob die
Rezeption vollständig erfolgt oder abgebrochen wird.
Bei der Frage nach dem Wie? geht es um die konkrete Form von Public Relations
Kommunikation. Dies schließt die sprachliche Umsetzung wie auch das Design ein.
In der Stilistik ist die Formulierung von drei Anforderungen verbreitet, die
Kommunikation erfüllen soll: Sie soll der Sache angemessen, anschaulich und
expressiv sein (Eroms 2014, S. 26). „Sachangemessenheit“ und „Anschaulichkeit“
(Eroms 2014, S. 26) können zunächst mit Grices Maxime der Art und Weise
beschrieben werden (Grice 1975, S. 46). Sie stellt einige Regeln dazu auf, wie
kommuniziert werden sollte. So soll auf leichte Verständlichkeit geachtet werden.
Dem dient eine klare, präzise, konkrete und eindeutige Ausdrucksweise (z. B. indem
man geläufigere Wörter bevorzugt, Schachtelsätze und Nominalisierungen vermei-
det,14 Aktiv- den Passivkonstruktionen vorzieht) und sich so kurz wie möglich zu
fassen. Auch eine logische, gut strukturierte Anordnung der Inhalte dient der Ver-
ständlichkeit und Sachangemessenheit (z. B. das Generellere vor den Details zu
platzieren). Für eine übersichtliche Strukturierung der Inhalte ist das Textdesign
(Layout, Typografie, Bilder, Grafiken) wesentlich, wie es generell auch zur leichte-
ren Verständlichkeit eines Texts beitragen kann. Ausführliche Darstellungen und
Beispiele für eine in diesem Sinne verbal und nonverbal realisierte PR Kommuni-
kation finden sich für allgemeine und spezifischere PR Kontexte z. B. in Lehr-
büchern fürs Schreiben in diesem Bereich, in journalistischen Stilhandbüchern und
anderen Handreichungen für professionelle Kommunikation. Manche Organisatio-
nen erstellen auch eigene Richtlinien, die grundlegend jedoch den allgemeineren
Empfehlungen folgen (siehe dazu z. B. Newsom und Haynes 2016; Bivins 2013;
Marsen 2013; Foster 2012; Wilcox und Reber 2012; Wawra 2008, S. 86–114).15 Das
Kriterium der Sachangemessenheit referiert über die konkrete sprachliche Umset-
zung hinaus auch auf den Kontext, in dem die Kommunikation stattfindet (In
welchem Kontext?), denn für diesen müssen die gewählten Kommunikationsformen
passend sein.
„Expressivität“ kann im engeren Sinne als emotionale Färbung verstanden werden,
im weiteren Sinne hängt sie eng zusammen mit dem Kriterium der Anschaulichkeit,
wenn sie nämlich als Bemühen definiert wird, anschaulich zu kommunizieren und
einen ‚Draht‘ bzw. eine persönlichere Beziehung zum Adressaten aufzubauen. Dies
kann z. B. durch die Verwendung von Bildern und Metaphern gelingen, so sie
Sachverhalte verdeutlichen können, den Adressaten emotional ansprechen oder ge-
wünschte Konnotationen transportieren, die bestimmte Assoziationen hervorrufen.
In der Stilistik wird des Weiteren grundlegend unterschieden zwischen „Stilwer-
ten“, „Stilneutralität“ und „Stileffekten“. Stilwerte sind „Ausdrücke, die in einem Text
auf Grund gebräuchlicher Muster zu erwarten sind“, d. h. der gesellschaftlichen
14
Vgl. ausführlicher zu „Satzlänge und Satzkomplexität“ auch Eroms (2014, S. 165–171) (Her-
vorhebung im Original).
15
Vgl. zum ‚guten Stil‘ auch Eroms (2014, S. 207–234).
Pragmastilistischer Ansatz zur Konzeption und Analyse von Public Relations. . . 93
16
Hervorhebung im Original.
94 D. Wawra
da das Kommunikat wenig ansprechend und langweilig erscheinen mag (Eroms 2014,
22–29).
So erzielte die Plakataktion des Bundesumweltministeriums (Fisser 2017, s. o.;
Mit welcher Intention?) Aufmerksamkeit durch Stileffekte, indem im Kontext von
Agrarpolitik, in dem eine sachliche, nüchterne Ausdrucksweise erwartet würde,
gereimt und zudem z. B. bei dem Plakatspruch „Haut Ackergift die Pflanzen um,
bleiben auch die Vögel stumm“ der sehr umgangssprachliche und plastische bzw.
bildliche Ausdruck „umhauen“ verwendet wurde.
Die Form des Kommunikats muss dabei immer auch für den kulturellen Kontext
passend sein, wenn eine PR Maßnahme Erfolg haben soll (In welchem Kontext? Mit
welcher Intention? und Mit welcher Wirkung?). So kann PR scheitern, wenn falsch
übersetzt oder kulturelle Eigenheiten und Nuancen nicht berücksichtigt wurden.
Sprachstile können unterschiedlich sein, z. B. mehr oder weniger direkt oder explizit.
Eine erfolgreiche Ansprache der Adressaten muss dies entsprechend berücksichtigen:
In der einen Kultur kann z. B. ein bildlicherer, persönlicherer und religiös gefärbter
Stil wirksamer sein, in der anderen ein sachlicherer und objektiverer (Payne 2017).17
VW arbeitet auf der eigens eingerichteten Website (Microsite, s. o.; Durch wel-
chen Kommunikationskanal?) anlässlich des Skandals um die manipulierten Emis-
sionswerte von Dieselfahrzeugen sehr sparsam mit Stileffekten. Auffällig ist ledig-
lich die in großen Lettern auf der Startseite sofort ins Auge fallende zentrale
Botschaft „We’re working to make things right“ (VW 2017). Die Botschaft ist kurz,
prägnant, umgangssprachlich und wird durch das Design, die große und gefettete
weiße Schrift auf blauem Grund, hervorgehoben. Wörter und Satzbau sind stilneut-
ral, um die Sachlichkeit zu unterstreichen. Die blauen Flächen der Webseite wirken
freundlich und entspannend auf den Besucher. Neben dem VW Logo und der
zentralen Botschaft finden sich auf dieser Hauptseite nur zwei Verlinkungen: Zum
einen der Aufforderungssatz „Check your TDI Goodwill Package balance“ und zum
anderen „More information on the TDI Settlement – Visit VWCourtSettlement.com“
(auch hier ist der zweite Teil als Aufforderung formuliert). Das Wissen um den
Skandal wird vorausgesetzt, auf der Hauptseite und den verlinkten Seiten wird an
keiner Stelle weder der Auslöser für den Skandal – die Manipulation der Abgaswerte
durch VW-Verantwortliche – noch dieser selbst erwähnt und auch nach einer
Entschuldigung sucht man vergebens. Die Formulierung der zentralen Botschaft
der Hauptseite „We’re working to make things right“. (Agens/Personalpronomen
„We“; Verb mit progressive aspect und im Aktiv) impliziert, dass der Konzern aktiv
versucht, ein Problem zu beheben bzw. etwas zu korrigieren, was falsch lief (Präsup-
position). Die Verantwortung dafür wird offengelassen. Auf den beiden verlinkten
Seiten finden sich dann ausschließlich sachliche Informationen zur Klärung von
Ansprüchen betroffener Kunden und deren Abwicklung.18 Die Informationsfunktion
17
Zur Erfassung kultureller Unterschiede und möglicher Auswirkungen auf PR Kommunikation
siehe z. B. auch Wawra (2008, S. 199–350).
18
https://www.vwcourtsettlement.com/en/, https://www.vwcourtsettlement.com/en/2-0-models/.
Zugegriffen am 10.03.2017.
Pragmastilistischer Ansatz zur Konzeption und Analyse von Public Relations. . . 95
(siehe Mit welcher Intention?) steht also deutlich im Vordergrund. Der äußerst spar-
same Einsatz von Stileffekten dient dem Zweck, dass möglichst wenig Aufmerksam-
keit auf den Skandal gelenkt wird.
Bei strategischer Kommunikation wie Public Relations geht es bei dieser letzten
Frage darum, die Intention bzw. das Ziel der Kommunikation (Mit welcher
Intention?) abzugleichen mit dem tatsächlichen Effekt: „Die über den PR-Erfolg
ausgelöste Wirkung zu erfassen, bedeutet, Veränderungen der Realität zu messen
(z. B. in Bezug auf Verhaltensweisen, Einstellungen, Wissen) und sie in einen
Wirkungszusammenhang mit PR-Aktivitäten zu stellen“. (Reisewitz 2017). Ein
direkter Nachweis ist meist schwierig aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren
auf z. B. das Firmenimage und die Zufriedenheit von Ziel- und Anspruchsgruppen.
Es können jedoch Maßnahmen ergriffen werden, die mindestens Anhaltspunkte für
die Effektivität von PR geben. Im Vorfeld einer PR Maßnahme kann z. B. deren
Wirkung hinsichtlich der Zielsetzung auf eine Gruppe von Probanden im Unter-
schied zu einer Kontrollgruppe getestet werden wie auch der Effekt von Kommuni-
kationsalternativen. Nach der Durchführung einer PR-Maßnahme kann z. B. anhand
von Medienresonanzanalysen, Daten zur Kunden- oder Mitarbeiterzufriedenheit und
Umfragen zur Einschätzung des Unternehmens (Imageforschung) überprüft werden,
ob eine Maßnahme die gewünschte Wirkung erzielt hat. Auch die Entwicklung von
Umsatz- und Verkaufszahlen kann mittelfristig zu einem Gesamtbild der Wirksam-
keit von PR beitragen (siehe auch Wilcox und Reber 2012, Kap. 9; Reisewitz 2017).
4 Fazit
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Diskursbasierte Ansätze zur Analyse von
Public Relations Kommunikation
Daniela Wawra
Zusammenfassung
In diesem Beitrag wird zunächst ‚Diskurs‘ charakterisiert, und darauf aufbauend
werden typische Diskurse der Public Relations (PR) kategorisiert. Es folgt eine
Darstellung von Aufbau, Arten und Funktionen von Diskursen allgemein sowie
PR Diskursen im Besonderen. Im Anschluss werden für PR Kontexte geeignete
Ansätze zur Diskursanalyse vorgestellt. Schließlich werden Diskurs-Frames und
ihre Bedeutung für Public Relations diskutiert.
Schlüsselwörter
Public Relations • (Kritische) Diskursanalyse • Multimodale Diskursanalyse •
Diskurstypen • Diskursfunktionen • Diskursstrategien • Diskurs-Frames
Inhalt
1 Einleitung: Der Diskursbegriff und Diskurse der Public Relations (PR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
2 Aufbau, Arten und Funktionen von Diskursen allgemein und PR Diskursen
im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
2.1 Propositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
2.2 Themen, Themenentfaltung, Diskurstypen und -funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
2.3 Die Makrostruktur eines Diskurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
2.4 Superstrukturen eines Diskurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
3 Grundzüge ausgewählter Ansätze der Diskursanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
3.1 Das SPEAKING Modell nach Hymes (1972) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
3.2 Diskurslinguistische Modelle nach Warnke (2008) und Spieß (2013) . . . . . . . . . . . . . . . 106
3.3 Modell der professionellen und diskursiven Praktik nach Bhatia (2012) . . . . . . . . . . . . 107
3.4 Diskursstrategisches Modell nach Habermas (1987); Fill (2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
3.5 Gees (2014b) „How-to-“Ansatz zur Analyse von Diskursen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
3.6 Machin und Mayrs (2012) Ansatz zur (kritischen) Analyse multimodaler
Diskurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
D. Wawra (*)
Lehrstuhl für Englische Sprache und Kultur, Universität Passau, Passau, Deutschland
E-Mail: daniela.wawra@uni-passau.de
liegende Strategien oder Funktionen sind (1) die Bekanntmachung eines Themas (dies
kann z. B. ein Produkt, Ereignis oder eine gesellschaftliche Entwicklung sein), (2) die
Information der Anspruchsgruppen über dieses Thema, (3) die Schadensvermeidung,
d. h. es wird versucht, potenziell für die Organisation oder öffentliche Person schäd-
liche Entwicklungen abzuwehren. Die (4) Imageprofilierung schließlich dient dazu,
ein gewünschtes – in der Regel positives – Bild der eigenen Person oder Organisation
bei den diversen Anspruchsgruppen durchzusetzen und zu erhalten (z. B. Diller 2001,
S. 627, 1443; Wawra 2008, S. 46–48, 50–51). Je nachdem, welche Funktion erfüllt
werden soll, können PR Diskurse in verschiedene ‚Subdiskurse‘ gegliedert werden,
die typische Spezifikationen aufweisen: Nach der adressierten Anspruchsgruppe kön-
nen etwa unterschieden werden die Subdiskurse (1) Human Relations (Mitarbeiter),
(2) Media Relations (Print und Online-Medien, z. B. Pressemitteilung), (3) Investor
Relations (z. B. Aktionäre). Nach dem Gegenstand kann man z. B. differenzieren
zwischen (4) Produkt PR und (5) Personality PR. Entsprechend dem konkreten Anlass
für die PR sind Subdiskurse v. a. das (6) Issues Management (Themen, die als
bedeutsam eingeschätzt werden, werden aufgegriffen und eine eigene Positionierung
dazu vorgenommen) und das (7) Crisis Management (zur Schadensvermeidung)
(Reisewitz 2017; Lies 2017; siehe auch Kunczik 2010, S. 26–34; Wawra 2008, S. 47).
Diskurse sind geprägt von Konventionen, sie legen „jeweils spezifische Sagbar-
keits- [bzw. Ausdrucks-] und Wissensräume sowie deren Grenzen fest“. Sie sind
„institutionalisierte, geregelte Redeweisen als Räume möglicher Aussagen, die an
Handlungen gekoppelt sind“ (Link 2016, S. 121). Allerdings scheinen die Grenzen
gerade bei kreativen Diskursen der PR nicht immer fix, sondern in einem gewissen
Rahmen verhandelbar. Foucaults Diskurstheorie geht noch weiter. Ihm zufolge
beschreiben Diskurse nicht eine vorhandene Realität, sondern schaffen diese erst.
Sie sind Arten der Wissensrepräsentation zu einem bestimmten historischen Zeit-
punkt. Zwar existieren Materielles und Handlungen unabhängig von Diskursen, sie
erlangen jedoch erst durch sie Bedeutung und werden zu Wissensgegenständen. Jede
Gesellschaft hat dabei ihre „regimes of truth“: Bestimmte Diskurse werden akzep-
tiert und für wahr gehalten. So werden ausgewählte Interpretationen von Dingen und
Ereignissen zu scheinbar objektiven Fakten (Foucault 1977, S. 27; 1980, S. 131;
Hall 2001, S. 73; Goatly 2007, S. 26–27).
Die Diskurslinguistik geht von einer solchen konstruktivistischen Perspektive
aus, d. h. es wird angenommen, dass Sprache die soziale Umwelt mit erschafft und
verändert. Analysen gehen oft über Einzeltexte und Untersuchungen der Textober-
fläche hinaus, d. h. es interessieren „textübergreifende Fragestellungen“. Grundlage
von Analysen bildet dann ein Korpus von „Texten, die thematisch zusammenge-
hören und aus einem vorab definierten Zeitraum stammen“. Sie können einen so
verstandenen ‚Diskurs‘ zumindest als Ausschnitt abbilden. Von Interesse ist dabei
besonders, welche Annahmen, Einstellungen und welches Wissen einem Diskurs
zugrunde liegt, wie sich „Sprache und Wissen“1 gegenseitig konstituieren. Dabei
1
Kursivdruck im Original.
102 D. Wawra
2.1 Propositionen
Propositionen sind auf der Mikroebene eines Diskurses angesiedelt, der selbst die
Makroebene darstellt. Zwischen Propositionen und Diskurs, auf der Mesoebene,
sind die Themen (Topics) zu verorten, d. h. worüber es in dem Diskurs (Diskurs-
thema), Diskursteil oder Satz (Satzthema) geht. Das Thema wird deutlich durch die
jeweils kürzeste Zusammenfassung eines Diskurses bzw. durch die Hauptproposi-
tion eines Absatzes oder Kommentars in einem Satz (Renkema 2004, S. 90–93). Im
obigen Beispiel von McDonald’s ist das Unternehmen selbst das Satzthema des
ersten wie zweiten Satzes sowie auch Thema des Diskurses. Die Ausführung des
Themas oder „Themenentfaltung“2 kann grundsätzlich deskriptiv (beschreibend),
explikativ (erklärend), argumentativ (begründend) oder narrativ (erzählend) sein
(Brinker et al. 2014, S. 60–80). Müller (2011, S. 111–121) kommt z. B. zu dem
Ergebnis, dass in den von ihr untersuchten 20 Pressemitteilungen die deskriptiv-
argumentative Themenentfaltung dominiert. Auch Christoph (2009, S. 102–105)
charakterisiert die Themenentfaltung in Pressemitteilungen als deskriptiv und argu-
mentativ.
Darauf aufbauend kann zwischen verschiedenen Diskurstypen unterschieden
werden. In Anlehnung an Bühlers (1934/1990) Organonmodell der drei Funktionen
von Sprache (Symbol, Symptom und Signal) wird häufig unterschieden zwischen
(1) informativem Diskurs, (2) narrativem bzw. expressivem Diskurs und (3) argu-
mentativem Diskurs (Renkema 2004, S. 59). (1) Informativer Diskurs ist sachlich,
die Information der Adressaten steht im Vordergrund. (2) Narrativer/expressiver
Diskurs ist subjektiv, es wird eine persönliche Sichtweise dargelegt bzw. die Selbst-
darstellung steht im Zentrum. (3) Argumentativer Diskurs liegt vor, wenn die
Adressaten durch das Vorbringen von Argumenten von etwas überzeugt oder zu
etwas bewegt werden sollen. Selten trifft man einen der drei Diskurstypen in
Reinform an, in der Regel sind die Diskursarten miteinander kombiniert, wenn auch
häufig eine Art dominiert.
Sechs Arten von Diskursen können unterschieden werden auf der Basis von
Jakobsons Modell der Sprachfunktionen (Jakobson 1960; Renkema 2004,
S. 59–60): (1) referentieller Diskurs bezieht sich auf den außersprachlichen Kontext,
die Information steht im Zentrum, (2) emotiver Diskurs drückt die Einstellungen und
Gefühle des Diskursproduzenten aus, (3) konativer Diskurs wendet sich an die
Adressaten (z. B. ein Befehl oder eine Anleitung), (4) poetischer Diskurs stellt die
Form der Botschaft in den Vordergrund (z. B. Dichtung, Reim), (5) phatischer
Diskurs dient der Kontaktaufnahme (z. B. „Hallo“) und (6) metasprachlicher Dis-
kurs der Überprüfung des Kommunikationskanals (z. B. „Verstehst Du mich?“).
Auf diese Ansätze aufbauend können verschiedene grundlegende Funktionen
unterschieden werden, die Diskurse erfüllen können: (1) Information („Im letzten
Quartal hatten wir folgende Verluste zu verzeichnen (. . .)“), (2) Appell („Entdecken
Sie unser Unternehmen!“), (3) Obligation („Wir versprechen . . ./Wir verpflichten
2
Hervorhebung im Original.
104 D. Wawra
uns . . .“), (4) Kontakt („Willkommen . . .“) und (5) Deklaration („Hiermit beschei-
nigen wir . . .“). In Diskursen werden meist mehrere der Funktionen realisiert, wobei
eine oder mehrere Funktionen dominant sein können (Brinker et al. 2014,
S. 105–121). Ergänzt werden können die Funktionen noch um eine Darstellungs-
(in Anlehnung an Bühler (1934/1990), s. o.) bzw. besser Vermittlungsfunktion
(Wawra 2008, S. 146). Ein Diskurs fungiert als Medium, das die Intentionen der
Diskursproduzenten den Diskursadressaten bestmöglich deutlich machen soll. Die
erfolgreiche Vermittlung der Botschaft ist dabei grundlegend zunächst abhängig
v. a. von der „Sprachrichtigkeit“, „Deutlichkeit“, „Angemessenheit“ und „Knapp-
heit“ („Sprachökonomie“) (Eroms 2014, S. 223–233). Auch Grices (1975,
S. 45–47) Kommunikationsmaxime der Quantität („Kommuniziere so viel wie nö-
tig“), Qualität („Kommuniziere nichts, was Du für falsch hältst/nicht belegen
kannst“), Relation („Kommuniziere nur für den Kommunikationsanlass Relevan-
tes“) sowie der Art und Weise („Drücke Dich leicht verständlich aus“) beziehen sich
auf die Vermittlung. Eine gute Erfüllung der Vermittlungsfunktion ist also notwen-
dige Bedingung für die Umsetzung weiterer Funktionen. Ein ausführliches Anwen-
dungsbeispiel der genannten Funktionen im Rahmen einer Analyse von 100 Briefen
an die Aktionäre in Geschäftsberichten deutscher und US-amerikanischer Unterneh-
men findet sich in Wawra (2008, S. 289–326).
Die Makrostruktur ist die generelle Bedeutung eines Diskurses. Sie kann extrahiert
werden durch drei Makroregeln („macrorules“): (1) Tilgung („deletion“), (2)
Generalisierung und (3) Konstruktion (Renkema 2004, S. 94–99). (1) Es werden
die Propositionen getilgt, die für die Interpretation anderer Propositionen eines
Diskurses irrelevant sind. (2) Propositionen werden soweit möglich umgewandelt
in eine allgemeinere Proposition. (3) Eine Proposition kann aus verschiedenen
Propositionen konstruiert werden. Dabei müssen die Propositionen, aus denen die
Makroproposition konstruiert wird, im Unterschied zu (2) nicht im Diskurs vorkom-
men, sie können auf Weltwissen beruhen. Die Regeln helfen dabei, die Bedeutungs-
struktur eines Diskurses offen zu legen.
(1) Das Setting bezieht sich auf Zeit, Ort und den weiteren physischen Kontext einer
Redesituation. Die Scene bezieht sich auf den psychologischen Kontext, z. B. ob
die Situation formell oder informell ist.
(2) Die Participants sind die Kommunikationsteilnehmer, d. h. Produzenten und
Adressaten.
(3) Ends bezeichnen Zweck bzw. Ziele der Kommunikation.
(4) Act Sequences stehen für Form, Inhalt und Anordnung der Botschaft.
(5) Keys referieren auf den Ton der Kommunikation, ist er z. B. ernst oder humor-
voll.
(6) Instrumentalities sind die Kommunikationskanäle (mündlich, schriftlich) und
die Sprachformen (Dialekt, Umgangssprache, Standard); diese Kategorie kann
für multimodale Diskurse erweitert werden, indem die Arten und Formen der
verwendeten Modalitäten untersucht werden.
(7) Normen beziehen sich auf die Konventionen der Interaktion (z. B. hinsichtlich
Unterbrechungen) und der Interpretation (z. B. einer Aussage oder eines Bildes).
(8) Genres referieren auf die Art des Sprechereignisses (z. B. Werbung, Märchen).
3
Alle Hervorhebungen im Original.
106 D. Wawra
4
Genres können definiert werden als „recognizable communicative events, characterized by a set of
communicative purpose(s) identified and mutually understood by members of the professional or
academic community in which they regularly occur.“ (Bhatia 2012, S. 241).
5
Hervorhebungen im Original.
108 D. Wawra
den Kontext vom professionellen auf den sozialen Bereich. Untersucht werden
z. B. durch Diskurse induzierte mögliche Veränderungen der Identitäten der Dis-
kursteilnehmer, sozialer Strukturen und beruflicher Beziehungen sowie deren Vor-
und Nachteile. Um den Anforderungen gerecht zu werden, ist soziales wie pragma-
tisches Wissen erforderlich. Die drei Bereiche (‚social‘, ‚socio-pragmatic‘ und
‚textual space‘) interagieren und sind komplementär. Analysen von Diskursen, die
dieses Modell als Ausgangspunkt verwenden, können in jedem der Bereiche anset-
zen und diese jeweils mehr oder weniger intensiv untersuchen und ggfs. erweitern, je
nach Forschungsziel. Das Modell wurde für geschriebene Genres entwickelt, kann
aber auch für gesprochene Sprache verwendet werden (Bhatia 2012, S. 246–247).
Ein solches Analysemodell eignet sich besonders dazu, typische Praktiken und
Kulturen der Public Relations herauszuarbeiten (in Anlehnung an Bhatia 2012,
S. 249).
(1) Ziel der Strategien, die formbezogen sind, ist es v. a., die Aufmerksamkeit der
Adressaten zu bekommen und als Gedächtnisstütze zu fungieren. Hierzu sind
z. B. rhetorische Mittel geeignet wie Dreierlisten („Ihre Mobilität. Ihre Freiheit.
Unsere Handschrift.“)7 (Continental 2017), Aufzählungen, Kontrastierungen
(„Vor 50 Jahren . . . Heute . . .“), intertextuelle Verweise (z. B. Zitate) und
Stilfiguren wie (Metaphern, Alliterationen, Wortspiele etc.).
(2) Inhaltsbezogene Diskursstrategien finden sich auf der Ebene von Wort
(z. B. euphemistische und pejorative Benennungsstrategien wie z. B. „Urbani-
sierung“ (Zerstörung von Dörfern) oder „provinziell“), Satz (Verlinkungsstrate-
6
Kursivdruck jeweils im Original.
7
http://www.continental-corporation.com/www/portal_com_de/themen/continental/basics/vision_
de.html.
Diskursbasierte Ansätze zur Analyse von Public Relations Kommunikation 109
Ein interessantes Beispiel liefert die Webseite von McDonald’s (2017), auf der
zunächst ein Punk auffällt, der vor einer beschmierten Mauer auf dem Boden sitzt,
neben sich eine McDonald’s Tüte. Er isst aus einer Schachtel Pommes Frites.
Darunter steht „WELTBÜRGER MIT VERANTWORTUNG“, „McDonald’s setzt
weltweit Maßstäbe in Gästeservice und Restauranterlebnis. Wir erfinden uns jeden
Tag neu, um dir nachhaltige und gesunde Produkte zu servieren.“ ‚Verantwortung‘
ist mit hellgrünen Buchstaben geschrieben und die Farbe dominiert neben weiß auch
die Webseite. Die Farbe hellgrün erweckt die Assoziation von Natur und Umwelt
und unterstreicht die Botschaft der Nachhaltigkeit des Unternehmens. Der auffällige
Punk symbolisiert den Ausbruch aus Konventionellem und Eingefahrenem und
unterstützt insofern die Botschaft des sich ‚jeden Tag neu‘ Erfindens des Unterneh-
mens. Allerdings wird man dem Punk wohl eher nicht viel Verantwortungsbewusst-
sein zuschreiben. Dass er auf dem Boden sitzt, widerspricht ‚Gästeservice und
Restauranterlebnis‘. Es könnte höchstens ironisch verstanden werden als ‚weltweit
[neue] Maßstäbe‘ setzen, indem Gästeservice und Restauranterlebnis für Freigeister
geboten werden, die darin bestehen, dass man sein Essen verzehren kann, wo man
möchte, frei von verbreiteten Essenskonventionen.
8
Hervorhebungen jeweils im Original.
110 D. Wawra
Im zweiten Abschnitt (Gee 2014b, S. 50–87) ist im Fokus, welche Intentionen bzw.
Ziele die Diskursproduzenten verfolgen. Im Mittelpunkt steht die Frage, warum gerade
diese lexikalischen und grammatikalischen Mittel ausgewählt wurden und nicht Alter-
nativen. Was wird damit jeweils bezweckt? Was wurde (auch thematisch, argumentativ)
ausgelassen? Welche mentalen ‚Bilder‘ sollen bei den Adressaten entstehen?
Der dritte Abschnitt (Gee 2014b, S. 90–153) befasst sich damit, welche Auswir-
kungen der Diskurs auf die Wahrnehmung des Kontexts bzw. diesen selbst hat. Was
wird z. B. als signifikant und als relevanter Kontext erachtet aufgrund dessen, was
im Diskurs wie gesagt wird? Welche Praktiken etabliert der Diskurs und welche
Aktivitäten werden als Erfolge dargestellt? Welche Identitäten und Beziehungen
(zwischen Menschen, Ereignissen und Dingen) werden konstruiert? Wie werden
Informationen verknüpft? Was wird als gut und nützlich für die Allgemeinheit
dargestellt? Welche Themen werden angesprochen, wie werden sie verknüpft und
gewechselt? Welche Zeichensysteme (z. B. verbal vs. nonverbal, Englisch
vs. Deutsch, technische vs. Alltagssprache) werden wann eingesetzt bzw. bevorzugt?
Werden Kontexte reproduziert oder verändert?
Der vierte Abschnitt (Gee 2014b, S. 156–193) widmet sich der situationsabhän-
gigen Bedeutungskonstruktion, dem Gebrauch und der Wirkung verschiedener
Sprachstile und -varietäten sowie der Intertextualität. Zudem wird gefragt nach
den typischen Narrativen und den im Diskurs entworfenen Welten („figured
worlds“). Auch ist von Interesse, in welchen erweiterten Kontexten (soziale Identi-
täten, gesellschaftliche Debatten, historische Ereignisse) der Diskurs verortet wird.
Die Fragen, die sich ein Diskursanalyst stellen sollte, um seinen bzw. ihren
Untersuchungsgegenstand möglichst genau zu durchleuchten, sind am Ende des
Buches noch einmal zusammengefasst. Gee (2014b) verfolgt einen kritischen Ansatz,
der Diskurse systematisch und sorgfältig hinterfragt. Dies erlaubt eine intensive
Auseinandersetzung mit PR Diskursen, deren Wahrnehmung manchmal von persuasiv
zu manipulativ wechseln kann. Der Analyserahmen kann in jedem Fall dazu beitragen,
ethische Grundsätze von PR zu befördern: Seitens der Produzenten, indem sie sich im
Vorfeld und während des Produktionsprozesses von PR Diskursen über die angespro-
chenen Aspekte Gedanken machen und seitens der Rezipienten bzw. Diskursanalys-
ten, indem manipulative Praktiken entlarvt und angeprangert werden.
Machin und Mayrs (2012) erweitern Instrumente und Methoden der Diskurslingu-
istik auf multimodale Kommunikate. Wörter und Bilder können z. B. auf Konnota-
tionen, Bedeutungsabsenzen oder -wiederholungen, strukturelle Oppositionen, die
situative Einbettung und Salienzen hin untersucht werden. Im Zentrum der Analysen
steht jeweils die Frage, warum gerade dieses und nicht ein anderes Kommunikati-
onsmittel eingesetzt wurde. Welche spezifische Bedeutung ist mit ihm also verbun-
den im Gegensatz zu einer anderen möglichen. Die Autoren gehen von Fragen der
Repräsentation aus: Was wird z. B. durch Nominalisierungen und Präsuppositionen
Diskursbasierte Ansätze zur Analyse von Public Relations Kommunikation 111
Diskurse sind nicht nur in soziale Situationen eingebettet, sie können diese auch
verändern oder neue Kontexte schaffen. Diskurse aktivieren mentale Frames und
können so die Rezeption in intendierte Richtungen lenken. Frames erleichtern es
uns, die vielfältigen Stimuli, die unsere Sinnesorgane täglich verarbeiten müssen,
effizient zu sortieren in für uns potenziell Bedeutsames und Unwichtiges. Frames
112 D. Wawra
sind Interpretationsschemata, die uns erlauben, dem, was wir erleben, Bedeutung
zuzuschreiben. Durch sie wird selektiert, welche Aspekte einer Wahrnehmung
bedeutsam werden und welche nicht. Wenn nicht zusätzliche kognitive Energie
aufgewendet wird, bewirken Frames, dass das, was nicht ins Schema passt, ignoriert
wird (Goffman 1974, S. 21; Gitlin 1980, S. 6; Schön 1983, S. 40; Lamprinakis und
Fulton 2011, S. 1–2; Wawra 2010, S. 38). Eng verbunden damit ist das „Frame
Problem“: Potentiell kann jeder einzelne Aspekt des Kontexts Einfluss auf die
Bedeutung eines Diskurses haben. Ein Kontext ist jedoch unendlich und reicht z. B.
von nonverbalen Aspekten, die einen Diskurs begleiten (z. B. Körpersprache, Design)
über Einstellungen, Werte bzw. kulturelle Prägungen von Diskursproduzenten und
-rezipienten bis hin zu historischen Aspekten, die einen Diskurs prägen. Es gibt stets
etwas, das für die Interpretation eines Diskurses noch herangezogen oder vernachläs-
sigt werden kann. Zudem können Annahmen über für relevant empfundene Teile des
Kontexts falsch sein (Gee 2014b, S. 38–39). Wie erreicht man also gerade bei einer
strategischen Kommunikationsform wie den Public Relations, dass der Diskurs von
den Adressaten möglichst wie beabsichtigt interpretiert wird? Die einzige Möglichkeit
ist es, viel sorgfältiger als in der Alltagskommunikation mit Kontextinformationen
umzugehen und diese auch mehr und systematisch zu hinterfragen. Gee (2014b,
S. 44) schlägt hierfür ein „Frame Problem Tool“ vor. Dieses legt nahe, nach einer
Diskursanalyse – wenn wir also denken, wir hätten diese abgeschlossen – noch einmal
aufmerksam den Kontext in den Blick zu nehmen und um das zu erweitern, was noch
relevant sein könnte. Ändert sich die Bedeutung des Diskurses daraufhin nicht, spricht
das für eine angemessene Analyse. Wenden wir dies auf Public Relations an, sollte in
eine solche Reanalyse des Diskurses auch einfließen, was Adressaten hinsichtlich des
Kontexts noch für relevant halten könnten und ob dies ändern würde, wie der Diskurs
bei ihnen ankommt. Hierfür können z. B. in der PR etablierte Verfahren der Wir-
kungskontrolle angewendet werden wie z. B. Umfragen zur Rezeption eines Diskur-
ses (Reisewitz 2017).
Lamprinakis und Fulton (2011, S. 2–3) wenden den Frame-Ansatz auf Organi-
sationen an. Demnach aggregieren sich die mentalen Frames der Individuen einer
Organisation zu einem „meta-frame“, der ein emergentes Phänomen darstellt, also
mehr ist als die Summe der individuellen Frames. Zu ergänzen ist, dass manche
Individuen abhängig von ihrer Position in der Organisation mehr Einfluss auf den
Meta-Frame haben dürften als andere. Die mentalen Frames der Führungsebene
werden sich hier mehr niederschlagen als die mentalen Frames z. B. der Fließband-
arbeiter. Organisationen agieren als Interpretationssysteme ihrer Umwelt, und der
Meta-Frame stellt das dominante Interpretationsschema dar. Informationen werden
durch ihn gefiltert. Dies führt dazu, dass Organisationen eine bestimmte Sicht auf
sich und ihre Umwelt haben und die Gefahr groß ist, dass neue Informationen, die
nicht in den Organisations-Frame passen, ignoriert werden. Dies ist besonders für PR
Kontexte bedeutsam, da gerade hier häufig mit neuen Entwicklungen umgegangen
und außerhalb des Meta-Frames gedacht werden muss, damit keine relevanten Infor-
mationen übersehen werden und entsprechend angemessen reagiert werden kann.
Ein Beispiel für eine solche Fehleinschätzung und -reaktion lieferten
VW-Verantwortliche mit ihrer zu späten Reaktion auf die manipulierten Diesel-
Diskursbasierte Ansätze zur Analyse von Public Relations Kommunikation 113
5 Fazit
Die vorgestellten Ansätze zur Analyse von Public Relations machen sehr deutlich,
dass Diskurse bedeutungskonstituierend sind und unsere soziale Umwelt beeinflus-
sen können. Gee referiert auf dieses Phänomen als ‚proaktive Designtheorie‘ der
Bedeutung („proactive design theory“) (Gee 2014a, S. 214). Der Gebrauch jeglicher
Modalität zur Bedeutungskonstruktion ist jeweils situationsabhängig. Manchmal
werden gängige Praktiken routinemäßig angewandt, manchmal ist der Prozess
kreativer. Gerade bei einer strategischen Kommunikationsform wie Public Relations
müssen die in Diskursen konstituierten Bedeutungen sorgfältig abgestimmt werden
auf die jeweiligen Intentionen und die konkreten Gebrauchskontexte. Für diese muss
auch das mit den Adressaten geteilte Wissen berücksichtigt werden (z. B. kulturelle
Werte, Einstellungen u. v. m.). Die Botschaft des Gesamtdiskurses muss also sorg-
fältig mit den zur Verfügung stehenden Modalitäten orchestriert werden, damit den
Adressaten möglichst deutlich die beabsichtigte Rezeption signalisiert wird (Gee
2014a, S. 214–215). Da sich Diskurse und ihre Umwelt gegenseitig beeinflussen
und Diskurse unsere Gesellschaften mit gestalten können, tragen PR Produzenten
eine große Verantwortung und sollten dieser gerecht werden, indem sie sich hohen
ethischen Standards verpflichten. PR Rezipienten können sich manipulativer Dis-
kurse besser erwehren durch ein grundlegendes Verständnis multimodaler Mecha-
nismen der Bedeutungskonstruktion und die Einsicht, dass Diskurse jeweils nur eine
von vielen Interpretationsmöglichkeiten unserer Umwelt darstellen.
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Wertschöpfung als Wortschöpfung
Zur Modellierung des Sprachgebrauchs in der
strategischen Organisationskommunikation
Peter Stücheli-Herlach
Zusammenfassung
Sozial- und sprachwissenschaftliche Disziplinen haben im Laufe der Zeit unter-
schiedliche Wege der Beschreibung und Erklärung des Sprachgebrauchs in der
Organisationskommunikation gefunden. Seit der Jahrtausendwende erweist sich
eine diskurspragmatische Perspektive als gemeinsamer Nenner: Wertschöpfung
als Wortschöpfung zu verstehen, ist ihre Pointe (Abschn. 1) Anhand der Modelle
aus Organisations- und Managementforschung sowie aus der Linguistik lassen
sich wichtige Merkmale eines strategischen Sprachgebrauchs für den Organisa-
tionsdiskurs bestimmen. Neben dem Begriff der Strategie spielt dabei jener des
Designs eine wichtige Rolle, der für die besonderen Bedingungen und Heraus-
forderungen kollektiver kommunikativer Problemlösung steht (Abschn. 2) Diese
Modellierungen legen es nahe, den Sprachgebrauch in der strategischen Organi-
sationskommunikation als eine Praxis semiotischer Vernetzung zu definieren, die
von einzelnen Diskurshandlungen bis zu diskursiven Formationen reicht und mit
spezifischen Methoden empirisch erforscht werden kann, was ein Fallbeispiel
illustriert (Abschn. 3)
Schlüsselwörter
Diskurspragmatische Perspektive • Organisationskommunikation • Diskurshand-
lungen • Strategie • Design • Angewandte Linguistik
Inhalt
1 Bedeutung der Sprache für die Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
1.1 Von der Wirtschaftslinguistik zur Diskurstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
1.2 Von der „Diskursivierung“ zur diskurspragmatischen Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
1.3 Organisationsdiskurs als Erwartungsdiskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
P. Stücheli-Herlach (*)
Zürcher Fachhochschule (ZHAW), Winterthur, Schweiz
E-Mail: stue@zhaw.ch
Diese „Diskursivierung“ der Analyse lenkt die Aufmerksamkeit zunächst auf einen
fundamentalen organisationstheoretischen Sachverhalt. Der Gebrauch von Sprache ist
für die Existenz und Leistungsfähigkeit einer Organisation zwar nicht alles; ohne ihn
wäre aber alles nichts. Mit anderen Worten: Moderne Organisationen würde es gar
nicht geben, ohne dass sich eine spezifische Art des Sprachgebrauchs für sie entwickeln
würde. Sie sind ein Prozess und ein Produkt der Kommunikation (Müller 2008, S. 22).
Dieser Sachverhalt ist schon im lebensweltlichen Umgang mit Organisationen
evident. Wir nähern uns einer Organisation, indem wir beispielsweise ein Stellen-
angebot auf einem Jobportal lesen. Um eine Service-Filiale oder einen Firmensitz
zu besuchen, klappern wir die Adressen auf einer Stadtkarte ab und orientieren uns
vor Ort an den Markennamen auf Leuchtreklamen. Wir werden an Empfangsdesks
durch freundliche Worte empfangen. Als Kunden werden wir durch E-Mails und
gedruckte Kataloge umworben, es werden uns Kauf- und Mietverträge zur Unter-
schrift vorgelegt. Marktforschungsinstitute befragen uns am Telefon nach unseren
Bedürfnissen und Vorlieben sowie nach unserer Zufriedenheit in Bezug auf Orga-
nisationsleistungen.
Diese Beispiele mögen oberflächlich erscheinen. Sie weisen aber auf die grund-
legende Tatsache hin, dass auch die professionelle Arbeit für Organisationen immer
auch sprachliche Arbeit ist (Müller 2006). So fordern Arbeitgeber bestimmte sprach-
liche Umgangscodes im E-Mail- und Telefonverkehr ein. Ganze Entwicklungsab-
teilungen schleifen an Wortmarken, lassen sie schützen und inszenieren sie in Social
Media. Wir investieren in Weiterbildungen, die uns mit sprachlichen Umgangsfor-
men in Ländern vertraut machen, in denen wir Geschäftsbeziehungen aufbauen oder
vertiefen möchten. Die Kompetenz von Führungspersonen wird von journalistischen
Medien wie im small talk der Kaffeepausen von Mitarbeitenden anhand ihrer
kommunikativen Fähigkeiten bewertet. Geschäftsleitungen streiten sich über For-
mulierungen zur Bekanntgabe schlechter wie guter Bilanzzahlen. Die Reihe solcher
Beispiele ließe sich beliebig verlängern.
Das Interesse am Sprachgebrauch zur Organisationskommunikation wird durch
die Reflexionsfigur der „Diskursivierung“ nicht nur auf diesen Sachverhalt der
120 P. Stücheli-Herlach
konstitutiven Bedeutung der Sprache für Organisationen hin ausgerichtet. Die Figur
lenkt das Interesse zudem auf ein Forschungsgebiet, das sich weit über einzelne
Äußerungen, Gespräche, Texte oder Textformen (wie beispielsweise die „Medien-
mitteilung“ oder den „Geschäftsbericht“) hinaus erstreckt. Denn der Begriff des
Diskurses umfasst einerseits den Zusammenhang sprachlicher Äußerungen über
einzelne Situationen hinweg, und anderseits weist er auf den Zusammenhang
sprachlicher Äußerungen mit kognitiven und sozialen Phänomenen hin: Ein Orga-
nisationsdiskurs vernetzt demnach das Wissen und Wirken, Wollen und Können,
Erinnern und Entwerfen sich organisierender Akteure und erzeugt genau dadurch die
Wirklichkeit der Organisation als einem sozialen Konstrukt (Foucault 1981, S. 74;
Habscheid 2003, S. 97–103; Fetzer 2014; Fairhurst und Putnam 2014).
Die „Diskursivierung“ führt in diesem zweiten Sinne zu einem Verständnis des
Organisationsdiskurses als einer narrativen Praxis: Sie erzeugt komplexe Sinnkonstrukte
als „Geschichten“ mit unterschiedlichen Rollen, Wertvorstellungen, Episoden und Schau-
plätzen (Czarniawska 1998; Viehöver 2006; Boje 2008; Musaccio 2009; für die PR siehe
Stücheli-Herlach und Perrin 2013; Schach 2016). Und sie erzählt diese Geschichten, um
Erwartungen in Bezug auf die Befriedigung von Bedürfnissen oder die Wahrung von
Interessen zu erzeugen, zu befriedigen oder zu verändern (Schimank 2005).
So verstanden, ist die „Diskursivierung“ in ihrem doppelten Gehalt eine Rückbe-
sinnung auf den Pragmatismus, also auf jenes amerikanisch-europäische Denken, das
von der „Kreativität“ jeglichen Handelns – und damit auch jeglichen Sprachhandelns –
ausgeht (Joas 1992). In dieser Perspektive erscheint die soziale Situation als ein
Moment, der für den Menschen durch sprachliches Handeln organisiert wird – und
nicht umgekehrt in dem Sinne, dass die Situation immer schon „vorgeben“ würde, was
gesagt oder geschrieben werden soll. Charles S. Peirce hatte den Akt der Zeichengebung
(die „Semiose“) auf diese Weise nicht nur als Bezeichnung, sondern aktive Deutung von
etwas in sozialen Situationen beschrieben (bspw. Peirce 1894/1998; Schubert 2010,
S. 33). Die Fokussierung der Forschung über Organisationen – und damit auch der PR –
auf Praxen des Sprachgebrauchs, das Verständnis dieser Praxen als gesprächs-, text- und
medienübergreifende Sinnkonstrukte und die Reflexion auf die narrative Form dieser
Sinnkonstrukte, die sprachliche wie kognitive und soziale Aspekte umfasst, wird hier
und im Folgenden als diskurspragmatische Perspektive bezeichnet.
Für Organisationen bedeutet diese Perspektive: Es ist nicht der Organisations-
zweck, der die Organisationskommunikation dirigiert, sondern umgekehrt: Die
sprachlich prozessierte Organisationskommunikation erzeugt erst eine Vielzahl
von Erwartungen und damit von verstehbaren Organisationszwecken, die ambig
und kontrovers sind und durch Sprachakte laufend aktualisiert, konkretisiert und
verändert werden müssen (Joas 1992, S. 218–244). Der Sprachgebrauch zur Orga-
nisationskommunikation, der in der Lehre der Bürokratie und in der Wirtschafts-
linguistik lediglich als „Mittel zum Zweck“ verstanden wurde, erweist sich nun,
nach dem „linguistic turn“, als jene zwecksetzende Praxis selber, welche sich dann
der Mittel der Organisation bedient (ebda.; Rorty 1967). Die Organisation wird zum
Sprachspiel – und Webers „rationale Herrschaft“ einer konsequent auf Schrift
setzenden Bürokratie erscheint in diskurspragmatischer Perspektive nurmehr als
ein zwar typischer, aber historisch gesehen spezieller Fall.
Wertschöpfung als Wortschöpfung 121
in dem Sinne, dass erst sprachliches Handeln die Organisation auch mit ihren Geld-
flüssen, ihren technischen Prozessen oder rechtlichen „Satzungen“ möglich macht.
Jede Zahlung war ja vorgängig verhandelt worden, jeder effiziente Produktionspro-
zess musste geplant, erprobt und verbessert werden, jeder Vertrag musste geschrie-
ben und diskutiert werden – jede organisationale Entscheidung also hat ihre erzähl-
bare „Geschichte“. Und sie wird, einmal gefällt, zum Ausgangspunkt für deren
weitere Entwicklung oder Veränderung.
Wertschöpfung als Wortschöpfung zu verstehen, liegt durchaus quer zu vertrau-
ten Denk- und Sprechroutinen des beruflichen Alltags. Diese konzentrieren sich
häufig auf die Annahme eines eindeutigen Organisationsziels (und nicht auf dessen
vielfältige Deutung), auf die Effizienz von Prozessen (und auf nicht deren konver-
sationelle oder textliche Gestalt) oder auf die blanke Legitimität einzelner Normen
(und nicht auf deren Verwobensein mit unterschiedlichen Perspektiven in unter-
schiedlichen Geschichten).
Bei genauerem Hinsehen weiß die diskurspragmatische Perspektive allerdings
selbst die neuere, ökonomisch informierte Organisationstheorie auf ihrer Seite (einen
frühen Überblick bietet Niedermaier 1998). So beschreibt das neuste St. Galler
Management-Modell eine Organisation als ein kommunikatives „Wertschöpfungs-
system“, das Erwartungen generiert und abgleicht, also erfüllt, enttäuscht oder
korrigiert und Werthaltiges (das Bedürfnisse befriedigt oder Interessen sichert)
dadurch erzeugt, vermehrt oder vermindert (zusammenfassend Rüegg-Stürm und
Grand 2015, S. 13). Treiber des Organisationsdiskurses sind also Erwartungen, die
im Sprachgebrauch entstehen und durch ihn präzisiert werden, und deren Erfüllung
oder Enttäuschung wiederum durch Sprachgebrauch verhandelt wird. Der Organi-
sationsdiskurs ist ein Erwartungsdiskurs.
Neben den einzelnen disziplinären Leistungen, die hier lediglich beispielhaft aufge-
führt werden konnten, sind Annäherungen zwischen Organisationstheorie, Manage-
mentforschung und Linguistik zu verzeichnen, die aus diskurspragmatischer Pers-
pektive besonders interessant sind. Sie ergeben sich durch einen gemeinsamen
Fokus der Forschungszweige nicht nur auf die Beratungs- und Führungsprozesse,
wie es herkömmlicherweise der Fall war (bspw. Habscheid 2003; Baecker 2003;
Fairhurst 2007), sondern mehr und mehr auch durch einen gemeinsamen Fokus auf
Strategien und Designs von Organisationskommunikation und damit auch der PR.
126 P. Stücheli-Herlach
Aus den bisherigen Modellierungen kann geschlossen werden, dass der Sprachge-
brauch zur strategischen Organisationskommunikation am besten als Diskurshan-
deln im Sinne einer kollektiven und kreativen Praxis narrativer Vernetzung definiert
Wertschöpfung als Wortschöpfung 127
werden kann (Abschn. 3.1). Dieser Zugang kann mit spezifischen Methoden
(Abschn. 3.2) für die empirische Forschung fruchtbar gemacht werden, wie das
Fallbeispiel eines strategischen Problemlösungsprozesses zeigt (Abschn. 3.3).
Der theoretische und definitorische Ertrag der Überlegungen lässt sich für die
Forschung fruchtbar machen. Diese rückt durch ihren Fokus auf eine allgegenw-
ärtige Praxis der Organisationskommunikation, nämlich das Denken, Reden und
Schreiben mit Worten, sehr nahe an die professionelle Lebenswelt und ihre Pro-
blemstellungen heran. Sie wird damit typischerweise sehr anwendungsorientiert
betrieben. Die Forschung ist zudem durch ihren Gegenstand, den Gebrauch der
Sprache, eine linguistisch orientierte Forschung. Wir können diese Forschung damit
als eine transdisziplinär verfahrende Angewandte Linguistik der Organisationskom-
munikation bezeichnen (Knapp und Antos 2011; Perrin 2012). Sie interessiert sich
für systematische Lernprozesse zwischen professionell Praktizierenden und wissen-
schaftlich Forschenden in Bezug auf professionsrelevante, sprachbezogene Pro-
blemstellungen und Lösungsperspektiven für die strategische Organisationskommu-
nikation und PR.
Die genannte Ausrichtung der Forschung bringt es mit sich, dass bestimmte
methodische Rahmenbedingungen beachtet und Präferenzen bestimmt werden müs-
sen. Grundsätzlich stehen qualitative Methoden der ethnografischen Sprachhand-
lungsforschung (Krotz 2005; Meyen et al. 2011) und qualitativ informierte Metho-
den korpusgestützt-quantitativer Diskursforschung (Scharloth et al. 2013) im
Vordergrund: Die Deutungspraxen des Organisationsdiskurses können nur durch
interpretative Verfahren rekonstruiert werden.
Wertschöpfung als Wortschöpfung 129
Die Fallstudie dokumentiert schließlich erste Ansätze – wenn auch nicht mehr –
einer skalierenden, diskursiven Formierung von neu entwickelten Mustern der Narra-
tion. Im Zuge des strategischen Prozesses wurden die erwähnten Musterentwürfe
einem routinemäßigen Gebrauch in verschiedenen Medien (wie beispielsweise
dem Mitgliedermagazin, der Website, verschiedenen Aushängen usw.) und in ver-
schiedenen Situationen erfolgreich zugeführt. Zu diesem Mustern zählten der
Genossenschafts-Claim „Am besten zusammen!“ oder die grafische Variation des
strategischen Aussage-Musters durch fünf um ein fiktives Zentrum angeordnete,
verschieden farbige Punkte, welche damit wiederum die semiotische „Verbindung“
unterschiedlicher Werte und Perspektiven zu einer zukunftsträchtigen Genossen-
schaftsgeschichte darstellten. Zum empirischen Nachweis von Mustern des Sprachge-
brauchs mit diskursiv noch deutlich formierender Wirkung, die sich auch auf wichtige
externe Anspruchsgruppen erstreckte, muss an dieser Stelle auf andere Fallstudien
hingewiesen werden (Stücheli-Herlach 2012; Stücheli-Herlach et al. 2015).
Die Fallstudie zeigt, wie Diskurshandlungen in dieser Organisation als situative
Deutungsakte und kreative Leistungen der Verknüpfung von Erwartungen vollzogen
wurden. Sie illustriert zudem, wie dies zu früherem Zeitpunkt auf eher problemati-
sche Weise geschah, zu späterem Zeitpunkt hingegen, als Bedingungen für eine
Reflexion geschaffen wurden, erfolgreicher gelang, nämlich in der Form einer
strategischen Design-Praxis. Die Fallstudie dokumentiert zudem, wie methodische
Verfahren der Angewandten Linguistik es erlauben, diese Praxen zu analysieren und
durch diese Reflexion zu fördern; ihr Kennzeichen ist dabei die Interaktion zwischen
Praktizierenden und Forschenden und die interpretierende Rekonstruktion dieser
Praxen. Wertschöpfung als Wortschöpfung zu verstehen und durch Sprachgebrauch
zu gestalten, bleibt dabei ein ambitiöses wissenschaftliches Unterfangen, das erst
begonnen hat, sich aber lohnen könnte.
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Der Begriff von Kommunikation
Zusammenfassung
Der Beitrag widmet sich den verwendeten Fachbegriffen in der wissenschaftlichen
und fachpraktischen Literatur zu den Themen Unternehmenskommunikation und
PR. Dazu wurden deutschsprachige Standardwerke der Unternehmenskommunika-
tion auf Wortgruppen und Wortbildungskonstruktionen untersucht. Ziel der Analyse
war es, einen Blick auf die Begrifflichkeit der Disziplin zu werfen, um zu ermitteln,
welche Aspekte sprachlichen Ausdruck finden und welche blinden Flecken im
theoretischen und praktischen Diskurs existieren. Die Tendenz, innerhalb der Bran-
che den vage verwendeten Kommunikationsbegriff auszuweiten und diverse
Aspekte sprachlich anzuhängen, wird ausführlich diskutiert und eingeordnet.
Schlüsselwörter
Kommunikationsbegriff • Unternehmenskommunikation • Public Relations •
Disziplin • Wortgruppen • Kommunikationsleistung
Inhalt
1 Einleitung: Zielsetzung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
2 Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
2.1 Auswertung von Fachliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
2.2 Ergebnis und Deutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
2.3 Die betriebswirtschaftliche Vorstellung von Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
3 Übersicht über die Begriffe der Untersuchung zum Kommunikationsbegriff . . . . . . . . . . . . . 138
3.1 Ermittelte Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
M. Piwinger (*)
Publizist und Unternehmensberater, Wuppertal, Deutschland
E-Mail: Consultant@Piwinger.de
H. Ebert
Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft, Universität Bonn, Bonn,
Deutschland
E-Mail: mail@helmutebert.de
2 Vorgehensweise
Für diesen Beitrag wurden zehn deutschsprachige Standardwerke zum Thema Unter-
nehmenskommunikation nach dem Vorkommen von Wortgruppen („symmetrische
Kommunikation“) und Wortbildungskonstruktionen mit „Kommunikation“ als Grund-
wort („Unternehmenskommunikation“) oder Bestimmungswort („-management“) ge-
sichtet. Soweit in einigen dieser Werke ein Stichwortverzeichnis enthalten war, wurde
darauf zurückgegriffen. Gelegentlich kommen im Fließtext Fachbegriffe vor, die im
Der Begriff von Kommunikation 137
Stichwortverzeichnis nicht aufgeführt werden. In diesem Fall deuten wir die Entschei-
dung so, dass solche Begriffe von den Autoren für weniger relevant gehalten wurden.
Andere Werke wurden Seite für Seite quergelesen. Die Ergebnisse werden im
Folgenden innerhalb bestimmter Kategorien geordnet, dargestellt und kommentiert.
Unberücksichtigt geblieben ist die Häufigkeit des Vorkommens. Da zudem keine
kontextgestützten Bedeutungsanalysen vorgenommen wurden, beanspruchen die
Ergebnisse lediglich den Status von Hypothesen und sollen zum Nachdenken an-
regen.
Es kam uns darauf an, den Bezügen zu Tätigkeitsfeldern, Funktionen, Wirkungen
und Zielen in der Unternehmenskommunikation nachzuspüren, um daraus am Ende
Einblicke in das derzeitige Selbstverständnis von Kommunikation in Wissenschaft
und Praxis zu gewinnen.
Insgesamt haben wir 161 Begriffe gefunden – ein Hinweis darauf, dass es innerhalb
der Branche die Tendenz gibt, ausgehend vom oft vage verwendeten Kommunika-
tionsbegriff immer weiter auszugreifen und immer neue Aspekte unabhängig von
ihrer Relevanz an diesen Begriff „anzuhängen“. Wir deuten das Phänomen wie folgt:
Insofern man sich scheut, das zentrale Problem einer Disziplin zu finden und es
auszubuchstabieren und den Kernbegriff („Kommunikation“) klar aus einer zentra-
len Perspektive zu definieren, verschieben sich immer wieder die Standpunkte und
es kommt theoretisch zu einer Art von Terminologie-Wildwuchs und praktisch zu
Aktionismus und Instrumentalismus. Was die Instrumente taugen, oder ob es nicht
ganz andere Probleme und ganz andere Lösungen gibt, taucht dann als Frage gar
nicht mehr auf.
• Kommunikationsabteilung • Kommunikationsberuf
• Kommunikationsagentur • Kommunikationschef
• Kommunikationsberater
• Kommunikationsfähigkeit
• Kommunikationskompetenz
• Kommunikationspartner
• Kommunikationsträger
• Kommunikationsform • Kommunikationspraxis
• Kommunikationskultur • Kommunikationsqualität
• Kommunikationsklima • Kommunikationsstil
• Kommunikationsmodi • Kommunikationstyp
• Abwärtskommunikation • Nachhaltigkeitskommunikation
• asymmetrische Kommunikation • Netzwerkkommunikation
• asynchrone Kommunikation • operative Kommunikation
• Aufwärtskommunikation • Organisationskommunikation
• betriebswirtschaftliche Kommunikation • Peer Communication
• bidirektionale Kommunikation • persönliche Kommunikation
• Bottom-up-Kommunikation • persuasive Kommunikation
• Change Communication • politische Kommunikation
• Corporate Communication • Pull-Kommunikation
• Dialogkommunikation • Push-Kommunikation
• diskursive Kommunikation • Risk-Communication
(Fortsetzung)
Der Begriff von Kommunikation 139
Beziehung
• Kommunikationsbeziehungen
• Kommunikationskontakt
Ethik
• Kommunikationsethik
• Kommunikationsangebote • Kommunikationskanäle
• Kommunikationsbotschaften • Kommunikationskampagne
• Kommunikationsformate • Kommunikationsmedien
• Kommunikationsinhalte
Instrumentbegriffe (Mittel)
• Kommunikationsinstrumente • Kommunikationsplattformen
• Kommunikationsmaßnahmen • Kommunikationstechniken
• Kommunikationsfachsprache • Kommunikationstechnologien
• Kommunikationsmittel
Rezeption/Eindrücke
• Kommunikationswahrnehmung
Risiken, Hindernisse
• Kommunikationsbarrieren
• Kommunikationsrisiken
Tätigkeitsbegriffe (spezielle)
Messen und kontrollieren
• Kommunikationsanalyse • Kommunikationseffizienz
• Kommunikationsaudit • Kommunikationsevaluation
• Kommunikationscontrolling • Kommunikationskennzahlen
• Kommunikations-Due-Diligence • Kommunikationsvariable
• Kommunikationsdiagnostik • Kommunikationszufriedenheit
Verfahren
Tätigkeitsbegriffe (allgemeine)
• Kommunikationsaktivitäten • Kommunikationsforschung
• Kommunikationsberatung • Kommunikationstransaktion
• Kommunikationshandlungen • Kommunikationsumsetzung
• Kommunikationspraktiken • Kommunikationsverhalten
• Kommunikationsbedingungen • Kommunikationssituation
• Kommunikationsnetze • Kommunikationsstruktur
• Kommunikationsprinzipien • Kommunikationssystem
• Kommunikationsquelle • Kommunikationstechnologien
• Kommunikationspflicht • Kommunikationswege
• Kommunikationsregeln • Kommunikationswettbewerb
• Kommunikationssignale
Der Begriff von Kommunikation 141
Wirkungen, Effekte
• Kommunikationserfolg • Kommunikationswahrnehmung
• Kommunikationsergebnis • Kommunikationswirkung
• Kommunikationsleistung
Zielbegriffe
• Kommunikationsagenda • Kommunikationsplanung
• Kommunikationsabsicht • Kommunikationspolitik
• Kommunikationskonzepte • Kommunikationsprogramme
• Kommunikationsstrategie • strategische Kommunikation
• Kommunikationsziele
Sonstige
• Kommunikationsarbeit • Kommunikationslandschaft
• Kommunikationsarchitektur • Kommunikationsökonomie
• Kommunikationsfluss • Kommunikationsperspektive
• Kommunikationsforschung • Kommunikationsraum
• Kommunikationskorridore • Kommunikationsumfeld
• Kommunikationskreislauf • Kommunikationsvolumen
• Kommunikationsmarkt • Kommunikationswissenschaft
Die Vielzahl der vorgefundenen Begriffe und Wortverbindungen kann als Zeichen
für die fehlende Klarheit und Bedeutungszumessung von Kommunikation im
operativen Geschäft gedeutet werden – alles ist Kommunikation. Es hat nach
der vorliegenden Studie den Anschein, als handle es sich bei Kommunikation
um „ein unbestimmtes Etwas mit einer ganz bestimmten Wirkung“ – und ein jeder
fühlt sich aufgerufen, seine eigene Sicht darauf darzulegen in dem Sinne „Man
kann nicht nicht kommunizieren“. Ein Satz, der – auch wenn er von einem
berufenen Kommunikationswissenschaftler – aber eben aus therapeutischer Pers-
pektive stammt, so eingängig wie erklärungsbedürftig ist. Die Aussage „Man kann
nicht nicht kommunizieren“, ist eben nur dann korrekt, wann man auch nicht-
intentionales Verhalten als Kommunikation ansieht. Damit gilt aber exakt, was wir
oben gesagt haben: Wenn alles Kommunikation ist, ist Kommunikation nichts.
Und auf dieser Basis lässt sich keine Unternehmenskommunikation als Theorie
zweckrationalen Handelns gründen.
Die Wortlisten zeigen ferner, dass die Schwerpunkte in den Kategorien „Instru-
mente“, „Wirkungen“, „Maßnahmen“ und „Messen“ liegen. Zielbegriffe, Wirkungs-
begriffe, Intentionsbegriffe bleiben abstrakt. Die Kategorie „Art und Weise“ belegt,
dass eine unüberschaubare Vielfalt an Termini verwendet wird. Man erfährt wenig
über Rezeptionsmuster, über Muster des Stakeholderverhaltens, über typische Kom-
munikationssituationen, Informationsnetzwerke; man erfährt kaum etwas über
konkrete Kommunikationsbedarfe. Im Rahmen des Stakeholdermodells der Kommu-
nikation macht übrigens die Unterscheidung zwischen interner und externer Kommu-
nikation keinen Sinn. Und über die Zeitdimension von Kommunikation, über den
Unterschied zwischen Situation und Prozess erfährt man ebenfalls wenig, was man
auch daran erkennt, dass beispielsweise die Analyse konkreter Gespräche und
Besprechungen im Rahmen von Visions- oder Strategie-Entwicklung nicht Gegen-
stand der Unternehmenskommunikation zu sein scheint. Hier treten dann Coaching-
und gesprächsanalytische Ansätze auf den Plan. Also muss sich die Unternehmens-
kommunikation klarer positionieren.
Der Begriff von Kommunikation 143
Wie wird Kommunikation wahrgenommen? Wie hoch ist ihr Risiko? Welche Wir-
kungen werden mit Kommunikation erzielt? Und schließlich: Wie werden Ergeb-
nisse und Erfolge (aber auch die Kosten und eventuell Verluste) gemessen und im
Rechnungswesen erfasst?
144 M. Piwinger und H. Ebert
5.3.2 Prüfverfahren
Überhaupt hinkt die Forschung und Praxis in vielen Fällen hinter den anspruchsvol-
len Begriffsbestimmungen hinterher. Es gibt aber auch Signale von fachübergreif-
enden Lösungsansätzen, z. B. mit dem Internationalen Controller Verein. Woran es
u. a. im Einzelnen noch fehlt, sind klare Formate bezüglich eines Kommunikations-
Audits und, in der Sache naheliegend, einer klar strukturierten Due Diligence mit
entsprechenden Prüfkriterien.
Wirkungszusammenhänge, insbesondere bestehende und mögliche Interdepen-
denzen zwischen finanziellen und nichtfinanziellen, immateriellen Vermögenswer-
ten, werden inzwischen in der externen Rechnungslegung durch die geltenden
Rechnungslegungsstandards und EG-Richtlinien eingefordert und dürften dem Feld
Kommunikation helfen, seinem Stellenwert innerhalb des Unternehmens weiterhin
zu verbessern.
Das führt am Ende auch zu der Frage der „Kommunikationsbedingungen“, über
die es recht unterschiedliche Auffassungen und Zustandsbeschreibungen gibt. Es ist
fast banal, zu sagen, eins hängt mit dem anderen zusammen. Um einen Schritt
weiterzukommen, benötigen wir nicht nur möglichst einheitliche Leistungskennzah-
len, sondern die Disziplin muss reflexiv und philosophisch-geisteswissenschaftlich
werden, will sie nicht nur über Kommunikation reden wie ein Blinder über Farbe
oder wie angebliche Vorstandsrhetorik-Analysten nur über Formen nicht aber über
Bedeutungen.
wird – in der zutreffenden Annahme einer beispielsweise mehr oder weniger hand-
werklichen Kampagne – in der Regel weniger bezahlt als für eine Leistungserbrin-
gung. Wenn es aber eine Kommunikationsleistung ist, dann sollte sie auch unter
diesem Rubrum abgerechnet werden. Speziell in dieser Kategorie wird ersichtlich,
wie manche Wörter Leistungsabwertung oder Leistungserhöhung zum Ausdruck
bringen können.
5.5.3 Kommunikationsethik
Hingegen ist Kommunikationsethik nicht Gegenstand einer Professionalität, sondern
sie signalisiert einen Verhaltensaspekt, der, bei strikter und einheitlicher Befolgung,
im positiven wie negativen Sinne wahrgenommen wird und im Ergebnis prägend für
ein Unternehmen ist. Auch und gerade über diese Wege wird Reputation aufgebaut
und kann dauerhaft als ergebnisprägendes Potenzial wirken. Kommunikation ist
nicht einfach da und wirkt, sondern sie wirkt, weil sie etwas leistet. Anders gesagt:
Wenn A (Unternehmen) B (Stakeholder) informiert, dann hat sie im Erfolgsfall eben
nicht informiert, sondern ein Problem von B gelöst, ist ein Commitment gegenüber
B eingegangen, hat die Wahrnehmung von B verändert oder hat sogar sich selbst und
ihre Sicht auf die Wirklichkeit verändert.
Die vorliegende Studie legt dar, dass wir es im Gebrauch des Wortes „Kommuni-
kation“ tendenziell mit einer Begriffsinflation zu tun haben, die eher verwirrt als
erhellt. Die Autoren haben bei ihrer Untersuchung eine Entdeckung gemacht, die
überrascht: In der Liste der 161 Begriffe fehlt ein ganz entscheidender: nämlich der
der „Kommunikationsleistung“. Dass es zahlreiche bedeutungsverwandte aber nicht
identische Begriffe gibt, die zudem aus heterogenen Theoriebeständen stammen wie
z. B. „Funktion“, „Wert“, „Nutzen“, „Ergebnis“, „Erfolg“ oder „Wirkung“, ändert
nichts bis wenig an dem Umstand, dass das Konzept der „Leistung“ nur eine äußerst
geringe Rolle spielt und entsprechend auch nicht innerhalb betriebswirtschaftlicher
Frames (Wissensrahmen) in seinem Potenzial entfaltet wird.
Dass kommunikative Tätigkeiten im Sinne der Erbringung von klar definierbaren
Leistungen aufgefasst werden können, wird auf der sprachlichen Ausdrucksebene in
der fachlichen Standardliteratur weitgehend vernachlässigt – möglicherweise zum
eigenen Schaden der Profession. Denn was nicht „Leistung“ heißt, ist keine Leistung
und wird auch nicht entsprechend als „Leistung“ bewertet und honoriert. „Kommu-
nikationsmaßnahmen“ bringen kein Geld. Man braucht nur „Leistung“ begrifflich
mit dem Stellvertreterbegriff „Kommunikationsmaßnahme“ oder „Kommunikati-
onsarbeit“ in eins zu setzen, um begreifen zu können, welcher Begriff angemessener
wäre.
In den letzten Jahren können wir zunehmend Initiativen beobachten, die darauf
abzielen, den Leistungsbeitrag von Kommunikation in Wertschöpfungsprozessen zu
verdeutlichen und möglichst quantitativ messbar zu machen. Ohne eine begrifflich
unzweideutige Nomenklatur und ohne eine angemessene Problembeschreibung und
Modellbildung wird das nicht gehen. Wir müssen lernen, ganz bestimmte Formen
von Kommunikation als das zu bezeichnen, was sie sind – eine Leistung, nichts
anderes. Dass dieser Leistungsbegriff selbst in der wissenschaftlichen Literatur nicht
gebräuchlich ist, ist gleichzeitig auch ein Hinweis darauf, dass in dieser Hinsicht
148 M. Piwinger und H. Ebert
noch viel zu „leisten“ ist. Es ist folglich jener Bereich genauer zu vermessen, der
zwischen Kommunikation als unberechenbarem und oft notwendigem Wagnis einer-
seits und Kommunikation als notwendiger Begleithandlung praktischer Tätigkeit
andererseits liegt.
Literatur
Weiterführende Literatur
Annika Schach
Zusammenfassung
Der Beitrag stellt ein integratives Modell für die Produktion und Evaluation von
Texten in der Unternehmenskommunikation vor. Dabei werden die Elemente der
Kommunikationsstrategie, die textlinguistische Auseinandersetzung mit der
Kommunikationssituation, die inhaltsbezogene Themenfindung und Vertextung-
strategie sowie die Formulierungsadäquatheit verknüpft. Der medienwissen-
schaftliche Framing-Ansatz liefert zudem auf der strategischen Ebene eine sinn-
volle interdisziplinäre Perspektive auf die Textproduktion. Das Modell erfasst
somit die Komplexität eines PR-Textes und liefert eine Vorlage für die erfolgrei-
che Redaktion und Bewertung. Ein Text wird dabei verstanden als sprachliche,
intentionale Handlung, die in der PR-Praxis von zentraler Bedeutung ist.
Schlüsselwörter
PR-Text • Textmodell • Kommunikationsziele • Frames • PR-Sprache
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
2 Strategisch Texten als Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
3 Entwurf eines integrativen Textmodells für die Unternehmenskommunikation . . . . . . . . . . . 155
3.1 Strategische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
3.2 Kontextebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
3.3 Inhaltliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
3.4 Textebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
4 Fazit: Anwendungsbereiche in den Public Relations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
A. Schach (*)
University of Applied Sciences and Arts, Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
E-Mail: annika.schach@hs-hannover.de
1 Einleitung
Die kommunikativen Handlungsfelder der Public Relations haben sich nicht zuletzt
durch die Digitalisierung und Fragmentierung von Öffentlichkeit stark erweitert.
Diese Entwicklung lässt sich an der Ausdifferenzierung der relevanten Textsorten
der Public Relations belegen, die sich als Manifestationen sprachlichen Handelns
beschreiben lassen. Im Gegensatz zur marktorientierten Marketingkommunikation
waren Public Relations schon immer mit einer breiteren Bezugsgruppenstruktur
konfrontiert – und mussten sich somit sprachlich anpassen. In einer Kommunikati-
onslandschaft, die immer größere Schnittstellen beispielweise zum System Massen-
medien und zum System Recht aufweist, ist die Anschlussfähigkeit der Public
Relations ein wichtiges Erfolgskriterium. Das Schreiben von Textsorten unterschied-
lichster Funktionen gehört zu den Kernaufgaben in der PR-Praxis, erfolgt jedoch
größtenteils intuitiv und wenig strategisch durchdacht. Die wissenschaftliche Be-
schäftigung mit Public Relations setzt einen starken Fokus auf soziologische und
kommunikationswissenschaftliche Ansätze. Eine sprachwissenschaftliche Ausein-
andersetzung mit dem strategischen Einsatz von Sprache ist aber aus zwei Gründen
unbedingt notwendig:
Der Beitrag stellt im Folgenden den Entwurf eines integrativen Textmodells zur
Systematisierung des Texterstellungs- und Textevaluationsprozess vor – unter Ein-
beziehung von Modellen der Konzeptionslehre, dem medienwissenschaftlichen
Framing-Ansatz und den Kategorien der sprachwissenschaftlichen Textlinguistik.
Das Modell ermöglicht es, Texte so zu justieren, dass sie bestmöglich den definierten
Kommunikationszielen gerecht werden. Es unterteilt den Texterstellungsprozess in
vier Ebenen: die strategische, kontextuelle, inhaltliche und textuelle Ebene.
leitfaden, der konzeptionelle, strukturelle und taktische Planungen für die Kommu-
nikation von Themen und Inhalten für alle internen und externen Plattformen festlegt
(Schach 2014, S. 73). Die wesentlichen Ziele sind eine horizontale und vertikale
Integration zur Schaffung von Synergien in der Produktion und Umsetzung, um so
letztendlich die Effizienz der Kommunikation und Konsistenz von Botschaften zu
erreichen (COPE-Ansatz: Create once, publish everywhere). Betrachtet man den
Begriff „Content“, der in der Praxis häufig unreflektiert und unpräzise für alle Inhalte
verwendet wird, die im Rahmen der internen und externen Kommunikation in
unterschiedlichen medialen, aktionalen und personalen Formaten produziert und
distribuiert werden, so handelt es sich zu einem sehr großen Teil um Texte. Der
Content-Marketing-Trend verlangt demnach nach einer systematischen Beschäfti-
gung mit sprachlichen Handlungen. In der PR-Praxis findet zudem eine Differenzie-
rung der Textsorten statt, die sich anhand der Textfunktionen nachweisen lässt (vgl.
Schach 2015b). Auch hier stellt sich die Frage, welche Textsorte und welche
sprachliche Entfaltung für eine erfolgreiche Kommunikation von strategischen Or-
ganisationsbotschaften hilfreich ist. Der Trend zur Bewegtbild-Kommunikation
erweitert darüber hinaus den Blickwinkel auf eine notwendige Auseinandersetzung
mit medialer und konzeptioneller Schriftlichkeit und Mündlichkeit. Auch an dieser
Stelle lassen sich fundierte textlinguistische Modelle fruchtbar machen. Der Um-
gang mit Sprache und Text in den Public Relations erfordert somit insgesamt
eine strategische Kompetenz auf der einen Seite und eine textliche Kompetenz auf
der anderen Seite. Das Ziel ist es letztendlich, alle vier Ebenen eines Textes (Stra-
tegie, Kontext, Inhalt, Sprache) hinreichend zu berücksichtigen und erfolgreiche
Texte zu verfassen, die das Kommunikationsziel erreichen können. Die Betonung
auf „können“, auf die Hervorhebung der reinen Möglichkeit der Zielerreichung, ist
an dieser Stelle bewusst gewählt. Aus der Kommunikationspraxis weiß man, dass
Texte und insbesondere die Konstruktion von Bedeutungen durch Rezipienten
oftmals nicht mit der intendierten Bedeutung übereinstimmt. Die diskursive Aus-
handlung von Bedeutung durch Rezipienten stellt die Unternehmenskommunikation
vor Herausforderungen, die im Rahmen eines Textproduktionsmodells zwar berück-
sichtigt, aber nicht umfassend gewürdigt werden können. Denn beim Verfassen eines
Textes handelt sich um ein Kommunikat mit einer intendierten Funktion und Lesart
des Produzenten, der aber – und das ist auf der situativen Ebene entscheidend – eine
mögliche Bedeutungskonstruktion durch Rezipienten mitdenken und kritisch hin-
terfragen sollte (siehe Abschn. 3.2.3).
Das Modell bietet die Basis für eine systematische Auseinandersetzung mit Texten
im strategischen Kommunikationsumfeld. Mit den Elementen der Kommunikati-
onsstrategie lässt sich eine sinnvolle Textfunktion eingrenzen. Durch eine Kontext-
analyse kann der richtige Modus und die Textsorte bestimmt werden. Die Wahl der
Themenentfaltung (Vertextungsstrategie) wird dementsprechend angepasst. Am
Schluss wird auf der Text-Ebene die Wahl der sprachlichen Mittel festgelegt. Die
Komplexität eines Textes lässt sich jedoch nur ganzheitlich betrachten, da die
jeweiligen Ebenen und Elemente eng miteinander verknüpft sind. Das Modell bietet
somit eine prototypische Vorlage, deren einzelnen Bausteine in der Produktion und
Analyse oftmals gemeinsam gedacht werden müssen (Abb. 1).
Der strategische Teil zur Lösung einer kommunikativen Problemstellung wird ein-
geleitet durch die Definition von Kommunikationszielen. An dieser Stelle kann
analog der Zielebenen (Wahrnehmung, Wissen, Einstellung, Verhalten) die Text-
funktion festgelegt werden. In der Unternehmenskommunikation sind im Wesent-
lichen die Informations-, Appell-, Kontakt- und Obligationsfunktion relevant. Es
folgen die Bestimmung von Ziel- oder Dialoggruppen, die Positionierung und die
Entwicklung von Kommunikationsinhalten, Botschaften, Sinnbildern und die krea-
tive Leitidee (vgl. Merten 2013; Leipziger 2009; Schmidbauer und Knödler-Bunte
2004). An dieser Stelle bietet der medienwissenschaftliche Framing-Ansatz einen
Anknüpfungspunkt für die Entwicklung von strategischen Frames, also abstrakten,
themenunabhängigen Deutungsmustern. Sie reduzieren Komplexität und wirken auf
die Selektion von neuen Informationen ein (Dahinden 2006, S. 193 f.). In dem
Bereich der Unternehmenskommunikation beschreibt Rademacher (2009, S. 98)
Frames als institutionalisierte Selbstbeschreibung, die eine Interpretationshilfe für
die einzelnen Unternehmensbotschaften bieten.
3.1.1 Kommunikationsziele
Kommunikationsziele werden im Rahmen eines Konzeptionsprozesses zur strategi-
schen Organisationskommunikation entwickelt. Sie sind steuernde Festlegungen,
die aus der Analyse der Ausgangssituation und Problemstellung identifiziert werden
und leiten den strategischen Teil eines Kommunikationskonzeptes ein. Kommuni-
kative Zielsetzungen werden mithin als Scharnier bezeichnet, die die Phase der
Analyse mit der strategischen Phase verbinden. Für das strategische Kommunikati-
onsmanagement sind sie als zentral zu bezeichnen, da sie mit den übergeordneten
strategischen Organisationszielen korrespondieren und die Stoßrichtung der Kom-
munikation bestimmen. Sie sind dabei gleichermaßen eine Vorlage für die Evalua-
tion, das heißt der Erfolgsmessung des strategischen Ansatzes und der Umsetzung in
konkreten Maßnahmen. Daher sollten sie möglichst konkret und messbar formuliert
sein, etwa durch die Angabe von überprüfbaren Kennzahlen. Somit wird festgelegt,
welcher Zustand am Ende erreicht werden soll.
Strategisch texten 157
3.1.2 Bezugsgruppen
Die Ermittlung von Personengruppen, die mit der Kommunikation erreicht werden
sollen, ist eine zentrale Aufgabe des strategischen Kommunikationsmanagements.
Somit ist auch die begriffliche Entwicklung und aktuelle Diskussion um Bezie-
hungs- und Stakeholderanalysen ein weites Feld, das an dieser Stelle nicht ausführ-
lich vorgestellt werden kann. Insgesamt stehen sich das aus dem Marketing kom-
mende Zielgruppenkonzept mit der Fokussierung auf bestimmten Merkmalen und
Konzepte der Stakeholder oder Bezugs- bzw. Anspruchsgruppen gegenüber, die
primär die Betroffenheit oder Einflussnahme von Personengruppen auf Organisatio-
nen in den Blick nehmen. Stakeholder sind demnach diejenigen Menschen, die von
Entscheidungen eines Unternehmens betroffen sind oder mit ihrem Handeln selbst
die Aktionen eines Unternehmens beeinflussen können. Sie haben materielle oder
immaterielle Ansprüche, Erwartungen und Interessen. Edward Freeman definierte
bereits 1984 Stakeholder als „group or individual who is affected by or can affect the
achievement of an organization’s objectives.“ (Freeman 1984). Der Stakeholder-
Ansatz konzipiert somit das Unternehmen als Teil eines Interessen- und Anspruchs-
geflechts, in dem Unternehmen nicht nur ihren Kunden und Kapitaleigentümern
(Shareholdern) gegenüber verantwortlich sind, sondern allen Gruppierungen, die
durch Entscheidungen berührt werden. Konsequenterweise sollten Organisationen
daher mit ihren Stakeholdern wechselseitig vorteilhafte Beziehungen pflegen, denn
Stakeholder können den Erfolg der Organisation behindern oder befördern. In die
gleiche Richtung geht das Konzept der Teilöffentlichkeiten, das auf dem Modell der
„publics“ von James Grunig beruht (Grunig und Repper 1992). Damit werden
situative Teilöffentlichkeiten beschrieben, die sich aus bestimmten Personen oder
Strategisch texten 159
3.1.4 Framing
Frames werden als Sinnhorizonte definiert, die bestimmte Informationen und Posi-
tionen hervorheben und andere ausblenden (Matthes 2014, S. 10). In den Kommu-
nikationswissenschaften wurde die Framing-Forschung durch Entman geprägt und
findet seitdem hauptsächlich in der politischen Kommunikationsforschung Verwen-
dung (Matthes 2014, S. 12). Mit dem Begriff „Frames“ werden Deutungsmuster
oder Blickwinkel auf ein Thema beschrieben, die sich in allen Phasen von massen-
medialen Kommunikationsprozessen identifizieren lassen. Sie reduzieren Komple-
xität und leiten die Selektion von neuen Informationen (Dahinden 2006, S. 193 f.;
Entman 1993, S. 53). Auf die Vielfalt der Framing-Ansätze kann an dieser Stelle
nicht eingegangen werden. In Bezug auf die Organisationskommunikation geht es
um die Frage, wie es Unternehmen gelingt, die Inhalte und Botschaften in den
Medien erfolgreich zu platzieren. Den Rezipienten werden Bedeutungsrahmen zu
einem Thema angeboten, die sie auf Basis ihrer eigenen Erfahrungen, ihres sozialen
Umfeld und der angebotenen Medieninhalte konstruieren. Im Framing werden
spezifische Schlagworte, Bilder oder Metaphern und wiederkehrenden Beschreibun-
gen verwendet. Es geht dabei weniger um das „WAS“, sondern vielmehr um das
„WIE“ der Kommunikation oder anders gesagt: nicht um den konkreten Inhalt einer
Botschaft, sondern um die Art und Weise der Präsentation, der Einrahmung. Diese
wirkt sich beispielsweise konkret auf die Anordnung der Worte und Sätze aus.
Schlagworte sorgen bei den Rezipienten dafür, dass die damit einhergehenden
Positionen und Argumente ins Gedächtnis gerufen werden, wie das auch bei stereo-
typen Beschreibungen der Fall ist. Die Relevanz für die Unternehmenskommunika-
tion wurde bereits früh erkannt und von Hallahan beschrieben (1999, S. 224).
Unternehmen können Framing als Strategie einsetzen, um ihren eigenen Frames
auf die öffentliche Agenda zu setzen (Pan und Kosicki 2001; Dahinden 2006, S. 65).
Rademacher (2009, S. 98) beschreibt Frames als institutionalisierte Selbstbeschrei-
Strategisch texten 161
bung, die mal als Frame für Personen (Personal Frames), mal als Frame für Orga-
nisationen alles Art (Organizational Frames), aber natürlich auch bezogen auf
den Spezialfall einzelner Unternehmen (Corporate Frames) existieren. Frames bieten
eine Interpretationshilfe für die einzelnen Botschaften mit dem Ziel, dass diese auf
„einen vorbereiteten Grund“ fallen mögen. (vgl. ebd, S. 98) Eine Erweiterung der
Festlegung von Positionierung, Botschaften, Sinnhorizonte und zusätzlich von Fra-
mes erscheint somit insbesondere für ein systematisches Textproduktionsmodell für
unabdingbar. Am ehesten ist die Verwendung bisher in Ansätzen zum systemati-
schen Schreiben eingebunden (vgl. Stücheli und Perrin 2013). Die Kreation von
PR-Frames in mehreren Schritten haben Zoch und Modella (2006) beschrieben. Die
Nutzbarkeit des Ansatzes für die Analyse von PR-Texten wurde im Rahmen einer
Untersuchung zur Unternehmensgeschichte vorgestellt (Schach 2015a).
3.1.5 Textfunktion
Die Textfunktion ist ein zentraler Begriff in der Textlinguistik. Sie gilt als Basiskri-
terium zur Differenzierung von Textsorten: „Der Terminus Textfunktion bezeichnet
die im Text mit bestimmten konventionell geltenden, d. h. in der Kommunikations-
gemeinschaft verbindlich festgelegten Mitteln ausgedrückte Kommunikationsab-
sicht des Emittenten. Es handelt sich also um die Absicht des Emittenten, die der
Rezipient erkennen soll, sozusagen um die Anweisung (Instruktion) des Emittenten
an den Rezipienten, als was dieser den Text insgesamt auffassen soll“ (Brinker et al.
2014, S. 95). Warum ist nun dieser Baustein im integrativen Textmodell auf der
konzeptionellen Ebene verortet und nicht erst auf der Ebene des Textes? Der Grund
liegt im Anknüpfungspunkt an die strategischen Festlegungen der Kommunikati-
onsziele und Bezugsgruppen. Viele Textlinguisten weisen der Textfunktion die
wichtigste Rolle zu. Dabei wird nach Brinker unterschieden in fünf Textfunktionen:
Appell, Information, Kontakt, Obligation und Deklaration. Indikatoren der Text-
funktion sind bestimmte innertextliche und kontextuelle Mittel, die die Textfunktion
explizit oder implizit anzeigen. In der PR-Praxis spielen die vier erstgenannten eine
zentrale Rolle (vgl. Schach 2015b).
Die Textfunktionen greifen die Kommunikationsziele auf und konkretisieren
sie in textleitende Zuschreibungen, die sprachlich realisiert werden. Das geschieht
nach Sandig durch explizite Kategorisierungen (Textsortenkennzeichnung),
wahrnehmbare, prototypische Textgestalten, interne Textstrukturierungen und For-
mulierungsmuster, sowie durch den Textträger und Situationstyp. Pragmatisch und
exemplarisch gesprochen: Möchte eine Organisation bei ihren Stakeholdern einen
Einstellungswandel erzeugen und hat somit Kommunikationsziele auf der Einstel-
lungsebene formuliert, sollte auch als Textfunktion zentraler Kommunikate eine
Appell-Funktion realisiert werden.
3.2 Kontextebene
Texte sind geprägt durch ihren Kommunikationsbereich (Brinker et al. 2014) bzw.
die Situationalität (Heinemann und Heinemann 2002), denn sie sind immer auf
162 A. Schach
3.2.1 Kommunikationssituation
Der Kommunikationsbereich ist die historische Kategorie in der Textlinguistik. Er ist
geprägt durch Textsorten als Produkte sprachlichen Handelns, wie zum Beispiel
„Wirtschaft“, „Politik“ oder „Massenmedien“ und ist als gesellschaftlicher Bereich
durch verschiedene Handlungs- und Wertemuster determiniert. In neueren Begriffs-
überarbeitungen in der Textlinguistik wird nochmals differenziert zwischen der
Kommunikationsform und dem Handlungsbereich. In ersterem spielen Fragen des
Mediums eine Rolle, in letzterem die gesellschaftlichen Bereiche von Textsorten
(vgl. Brinker et al. 2014, S. 141 f.). Als Überbegriff wurde die Bezeichnung „Kom-
munikationssituation“, die als konstitutiv in der Textproduktion bezeichnet. Konkret
gefragt: Befinden wir uns immer im Handlungsbereich der Wirtschaft, wenn wir
Unternehmenskommunikation betreiben oder grenzen und imitieren Textsorten des
Corporate Publishings nicht vielmehr das massenmediale Umfeld? Sind Textsorten
der Reglementierung, wie beispielsweise Compliance-Richtlinien, nicht stärker mit
dem juristischen Handlungsbereich verwandt? Die Kommunikationssituation wird
in der systemtheoretisch orientierten Textlinguistik als Anknüpfungspunkt an den
Begriff des Systems gesehen, die jeweils der eigenen Systemlogik unterworfen sind.
In der Textproduktion ist die Kommunikationssituation eine zentrale Determinante,
wie ein Text konkret aussehen soll.
Tab. 1 Kommunikationsbedingungen der Nähe und Distanz mit Einfluss auf Medium und Kon-
zeption. Quelle: Eigene Darstellung nach Koch und Oesterreicher 1994, S. 201
Kommunikative Nähe Kommunikative Distanz
Privatheit Öffentlichkeit
Vertrautheit der Kommunikationspartner Fremdheit der Kommunikationspartner
starke emotionale Beteiligung geringe emotionale Beteiligung
Situations- und Handlungseinbindung Situations- und Handlungsentbindung
referenzielle Nähe referenzielle Distanz
raumzeitliche Nähe (face-to-face) raumzeitliche Distanz
kommunikative Kooperation keine kommunikative Kooperation
Dialogizität Monologizität
Spontanität Reflektiertheit
freie Themenentwicklung Themenfixierung
Das Textthema und die Art der Themenentfaltung bilden die Grundlage für die
inhaltliche Textebene. Das Thema und seine Art der Entfaltung sind festzulegende
Größen, die die Vertextungsstrategie beeinflussen. Hier ergibt es Sinn, sich über eine
thematische Struktur in Haupt- und Teilthemen Gedanken zu machen. Die bedeu-
tenden Arten der Themenentfaltung in den Public Relations sind die Deskription, die
Argumentation, Narration und Explikation. Die Art der Themenentfaltung verbindet
die inhaltliche und die sprachliche Ebene. Die Überleitung von WAS-Fragen zu
WIE-Fragen findet an dieser Stelle statt.
hat ein Thema“ (Vater 2001, S. 76). Mit dem übergreifenden Textthema wird in der
Regel die größtmögliche Kurzfassung des Textinhalts bezeichnet. Es ist oftmals auch
verknüpft mit der spezifischen Branche der Organisation und geprägt durch die jeweils
relevanten inhaltlichen Diskurse. In jedem Fall sollte eine Themenplanung in einem
Unternehmen einen starken Bezug zur strategischen Festlegung von Kommunikati-
onszielen, Bezugsgruppen, Positionierung und Botschaften besitzen.
3.4 Textebene
Die sprachliche Ebene, die textinternen Faktoren, nehmen den letzten Bereich des
integrativen Modells ein. Hier geht es um die sprachliche Realisierung der vorab
getroffenen Entscheidungen auf konzeptioneller, funktionaler und thematischer
Ebene – durch das Schreiben auf der Basis von Stilistik, Syntax, Lexik, und sprach-
licher Mittel entsteht ein Text, der die festgelegte Funktion erfüllt.
3.4.1 Stilzüge
Prinzipiell ist Stil immer an den Text gebunden, es gibt ihn nur im Textzusammen-
hang. Sprachliche Mittel können außerhalb des Textes stilistisch nicht eingeordnet
und bewertet werden. Text und Stil bedingen einander. In der Funktionalstilistik wird
Stil als eine sich im Text herausbildende Ganzheit betrachtet. Die drei zentralen
Kategorien sind dabei:
a.) Stilelement (Als kleinste Einheit ist es definiert durch die Mitwirkung am Stil des
gesamten Textes im Sinne der Beziehung von Teil und Ganzem).
b.) Stilganzes (Jedes sprachliche Mittel von Satzzeichen bis zu Textstrukturen
können zum Textganzen beitragen).
c.) Stilzüge (Sie vermitteln zwischen dem Textganzen und den einzelnen Stilele-
menten wie beispielsweise „anschaulich“, „bildhaft“ oder „sachlich“. Damit sind
Charakteristika gemeint, die sich durch den gesamten Text ziehen und ihn
stilistisch prägen).
Stil lässt sich definieren als das „auf paradigmatischer Opposition der Ausdrucks-
verfahren beruhendes, syntagmatisch fassbares, effektives, einheitliches und je aus-
gewähltes und unverwechselbares Merkmal von Sprache in je bestimmten Funkti-
onsbereichen“ (Eroms 2008, S. 39).
Im Grunde geht es immer um eine Abweichung von bestimmten Konventionen
durch sprachliche Mittel, indem nämlich beispielweise die Wortwahl von einem
neutralen Stil abweicht, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Für die Analyse
beschreibt Eroms folgendes Vorgehen: „Wörter, die in allen Funktionalstilen
uneingeschränkt vorkommen können, also einzig durch das System bedingt sind
(folglich zum Deutschen schlechthin gehören), sind stilistisch neutral. Alle Wörter,
Strategisch texten 167
Strategische Ebene
a) Werden durch den Text die definierten Kommunikationsziele sprachlich
realisiert?
b) Berücksichtigt der Text an die Ansprüche und Bedürfnisse von Bezugsgrup-
pen?
c) Werden die Positionierung, die abgeleiteten Botschaften und Sinnbilder der
Organisation im Text vermittelt?
d) Arbeitet der Text mit Frames bzw. Deutungsmustern, die den Rezipienten
einen intendierten Blickwinkel auf das Thema vorschlagen?
e) Ist die aus den Kommunikationszielen abgeleitete Textfunktion sprachlich
umgesetzt worden?
Kontextuelle Ebene
f) Korrespondiert der Text mit den Textsortenensembles der Kommunikation-
situation?
g) Sind Textsorte und Format sinnvoll gewählt und umgesetzt?
h) Wird der gewünschte Rezipient angesprochen?
i) Sind der Modus und mediale Rahmen für das Thema passend?
j) Ist der Text durch kommunikative Nähe oder Distanz geprägt und wurden
Rückschlüsse im Text umgesetzt?
Inhaltliche Ebene
k) Sind die relevanten Themen und Teilthemen in einer sinnvollen thematischen
Struktur komponiert worden?
l) Wird die gewählte Art der Textstrategie dem Thema gerecht?
Textliche Ebene
m) Passt der Stil des Textes zur Organisation, Medium und Rezipienten?
n) Berücksichtigen Syntax und Lexik die festgelegten Textmerkmale der vorhe-
rigen Ebenen?
o) Wurden die sprachlichen Mittel analog der strategischen Ausrichtung sinnvoll
gewählt?
Galt das Schreiben ursprünglich als Begabungstätigkeit und wird bis heute
vielfach intuitiv betrieben, verlangt die strategisch ausgerichtete Organisationskom-
munikation eine systematische Beschäftigung mit den verschiedenen Ebenen eines
Textes. Egal ob schriftlich oder mündlich realisiert, sind Texte kommunikative
Handlungen und nehmen somit einen großen Stellenwert in den Public Relations
ein – diese Textproduktionsprozesse gilt es zu systematisieren.
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Message Design
Der Prozess zur wirkungsvollen Botschaft
einer Organisation
Peter Stücheli-Herlach
Zusammenfassung
Professionelle Public Relations sehen sich heute mit den typischen Herausforderun-
gen der strategischen Organisationskommunikation konfrontiert. Diese rühren maß-
geblich von einer digital vernetzten Öffentlichkeit her, die nicht nur durch orts- und
zeitunabhängige Rezeption, sondern auch durch die permanente Produktion von
Beiträgen durch die Anspruchsgruppen geprägt ist, die verarbeitet werden müssen
(1). Daraus erwächst der Bedarf nach spezifischen Ausrichtungen des PR-Handelns,
mit denen die umfassende Vernetzung einer Organisation gestaltet und gesteuert
werden kann. Im Rahmen einer Praxistheorie und einer daran orientierten Ange-
wandten Linguistik der strategischen Organisationskommunikation erscheint das
Konzept von Diskurshandlungen dafür geeignet, verschiedene Leistungen der Kon-
textualisierung, Formierung und Realisierung von Kommunikationsbeiträgen zu
beschreiben (2). Die strategische Entwicklung und Optimierung solcher Handlungen
für Organisationen kann als Message Design bezeichnet werden. Es handelt sich
typischerweise um kollektive, kreative und iterative Praktiken der PR, die sich zwar
situationsbedingt und vielfältig manifestieren, aber durch übergeordnete Kategorien
erklärbar sind (3). Fallstudien zu Message Design in verschiedenen Organisationen
dokumentieren die Aufgabenstellungen, die solche Prozesse antreiben, ebenso wie
Praktiken, durch die sie erfolgreich bewältigt werden können. Damit tragen sie zur
Orientierung und Verbesserung der professionellen PR-Praxis bei (4).
Schlüsselwörter
Strategische Kommunikation • Organisationskommunikation • Message Design •
Diskurshandlungen • Diskursstrategie • Angewandte Linguistik
Bei diesem Text handelt es sich um eine neue, gründlich überarbeitete und deutlich erweiterte
Fassung des Beitrags des Autors in Perrin und Kleinberger (2017).
P. Stücheli-Herlach (*)
Zürcher Fachhochschule (ZHAW), Winterthur, Schweiz
E-Mail: stue@zhaw.ch
Inhalt
1 Die Herausforderung vernetzter Öffentlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
1.1 Public Relations für die strategische Organisationskommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
1.2 Strategische Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
1.3 Strategiekommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
2 Praxistheorie und Angewandte Linguistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
2.1 Neue Problemstellungen rufen nach Veränderung von Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
2.2 Vernetzungs- und Sprachhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
2.3 Diskurshandlungen und die Dimensionen der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
3 Mit Message Design zu strategischem Diskurshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
3.1 Corporate Messages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
3.2 Message Design in der Organisationspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
4 Message Design im Berufsalltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
4.1 Von der Handlungsgemeinschaft zur Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
4.2 Message Design in Politik und Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
4.3 Message Design in der öffentlichen EU-Diplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
4.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
Der Begriff der Public Relations (PR) bezeichnet, in einem sehr allgemeinen Ver-
ständnis, die Funktion der Legitimation einer Organisation und ihrer Interessen im
Kontext der modernen Öffentlichkeit (Röttger et al. 2011, S. 29). Von einer „Funk-
tion“ zu reden bedeutet, konkrete Phänomene wie Berufsprofile, spezifische Verfah-
ren und Instrumente (Fröhlich et al. 2015) einem gemeinsamen System organisatio-
nalen Handelns zuzuordnen und entsprechende Theorien zu schärfen (Jarren und
Röttger 2009). In der jüngeren Forschungsgeschichte hat sich darüber hinaus ein
nochmals weiter gespannter Begriff dafür etabliert, nämlich derjenige der strategi-
schen Kommunikation (Hallahan et al. 2007; Röttger et al. 2013; Holtzhausen und
Zerfass 2015). Er umfasst alle Aktivitäten, die Organisationen ihren Zielen näher-
bringen, indem sie den öffentlichen Austausch suchen und führen (hier nach Halla-
han 2007; Holtzhausen und Zerfass 2013, 2015, S. 4).
PR wie strategische Kommunikation haben eine zentrale Bezugsgröße, und das ist
die Organisation. In der jüngeren Diskussion ist deshalb zu Recht darauf hingewiesen
worden, dass PR wie strategische Kommunikation von einem Austausch mit dem
Forschungsfeld der Organisationskommunikation profitieren können (Wehmeier et al.
2013; Theis-Berglmair 2013), welches stark angelsächsisch geprägt ist. Der Begriff
„Organisationskommunikation“ (zum Überblick Theis-Berglmair 2003) steht dem-
nach für das Phänomen der Vernetzung von Kommunikationsbeiträgen in Konversa-
tionen und Texten zum Zweck der Strukturbildung, der Leistungserbringung, der
sozialen Integration und der Koordination von Aktivitäten in der modernen Gesell-
schaft (McPhee und Zaug 2009; Szyszka 2009, S. 135; Taylor und van Every 2011).
Message Design 173
Der vorliegende Beitrag berücksichtigt, mit Blick auf den Sprachgebrauch für die
PR, sowohl den Theorierahmen der strategischen Kommunikation wie auch jenen
der Organisationskommunikation. Ersteres, um übergreifende Herausforderungen
im Zuge des Wandels von Gesellschaft und ihrer Medienkommunikation zu identi-
fizieren. Letzteres, um in den organisationalen Handlungskontexten des professio-
nellen Alltags Problemstellungen und Lösungsverfahren analysieren und verstehen
zu können.
Der Wandel der Gesellschaft und ihrer Technologien geht in den letzten Jahrzehnten
in die Richtung einer „Netzwerkgesellschaft“ mit „Netzwerkorganisationen“ (Cas-
tells 2010; auch Baecker 2007, S. 39, 48–55; Stegbauer 2008). Die – nicht immer
trennscharf verwendeten – Begriffe verweisen auf die Tatsache, dass sich soziale
Geflechte in dieser Gesellschaft über eigendynamische Informationsprozesse entwi-
ckeln und sich entsprechend durch Offenheit, Flexibilität, Variabilität und multiple
Perspektiven auszeichnen. So allgemein gefasst, gehört die Netzwerk-Metapher zu
einer theoretischen Perspektive, welche in der permanenten Kommunikation den
eigentlichen Schlüsselprozess einer prinzipiell grenzenlosen „Weltgesellschaft“
erkennt (Luhmann 1998, S. 826–847, besonders S. 842, 846). Unter den Bedingun-
gen dieser Netzwerkgesellschaft und verstärkt durch die Entwicklung ihrer Medien-
technologien bildet sich eine soziale „Mischrealität“ aus digitalen Informationssys-
temen und sozialem Austausch heraus; in ihr sind Ereignisse und Phänomene der
Kommunikation stets „Interfaces“ zu immer wieder neuen möglichen Verknüpfun-
gen mit anderen Ereignissen oder Phänomenen (Krieger und Belliger 2014,
S. 137–140).
Eine solche Netzwerk-Umgebung zeichnet sich durch die Permanenz eines
„doppelten Risikos“ für die Kommunikation aus (Baecker 2008, S. 92): Ungewiss
ist darin einerseits die Möglichkeit der Bestimmung von Knoten, also von Kommu-
nikationsangeboten oder Identitäten, anderseits jene des Herstellens von Verbindun-
gen, also von Antworten oder Beziehungen. Es gibt also keine Option für die
Mitgliedschaft bei einer Organisation oder die Nutzung eines organisationalen
Leistungsangebots ohne jeweils mehrere Alternativen. Und es gibt keine Option
zur Entwicklung eines solchen Angebots ohne jeweils mehrere Alternativen zur
Entwicklung und zum Angebot selber. Entsprechend existieren stets mehrere Mög-
lichkeiten der Wahrnehmung, Bewertung und Bearbeitung der scheinbar gleichen
Problemstellung oder Lösung (Baecker 2007, S. 54).
Das ist eine wichtige Erklärung für die Beobachtung, dass PR und strategische
Kommunikation nicht mehr nur mit rezeptiven Öffentlichkeiten arbeiten müssen,
sondern durch partizipative Öffentlichkeiten dramatisch herausgefordert werden.
Diese prüfen und verwirklichen die jeweiligen Alternativen zu einem Kommunikati-
onsangebot permanent. Denn die Überfülle an Kommunikationsmöglichkeiten bringt
sie in eine fordernde Situation: In dieser fehlt die „Autorität des angeblich Notwen-
digen“ (Baecker 2008, S. 92), so dass das Handeln zu einem spielerisch-kreativen
174 P. Stücheli-Herlach
Prozess der Deutung von Situationen und der situativen Zwecksetzung wird, der
immer experimentell und dadurch reversibel ist (ebda., auch Joas 1992, S. 218–244).
Nicht zufällig sind „Gamen“, „Surfen“, „Chatten“, „Twittern“ oder auch das suchende
„Googeln“ zentrale – und typischerweise spielerisch-experimentelle – Kommuni-
kationsroutinen der Netzwerkgesellschaft.
Hybride Ansprüche, ambige Äußerungen und permanente Medienwechsel im
Zuge von Kommunikationsflüssen und -episoden sind im gesellschaftlichen Netz-
werk also an der Tagesordnung; die Gestaltung von Beziehungen kann entsprechend
nicht dadurch erfolgen, dass Stakeholder, ihre Interessen und ihre Schlüsselmedien
einmalig und eindeutig identifiziert werden könnten. Vielmehr hängt vieles von der
Prozessdynamik bei permanent geforderten Akteuren in ihren verschiedenen Phasen
ab (Holtzhausen und Zerfass 2015, S. 10–13).
Mit welchen Herausforderungen sich das strategische Stakeholder-Management
dadurch konfrontiert sieht, illustriert beispielsweise der Fall eines öffentlichen
Flughafens (Stücheli-Herlach et al. 2015, S. 85–89): Hunderte von Anspruchs-
und Zielgruppen vernetzen sich über Jahre hinweg auf verschiedenen Themenfel-
dern und in verschiedenen formellen und informellen Verfahren; dabei wechseln
eskalierende und deeskalierende Phasen der Beziehungsgestaltung einander ab.
Veränderungen von Ansprüchen und Abläufen sowie Auseinandersetzungen um
kommunikative Verfahren und Rollen prägten diese Phasen weit mehr als grundle-
gende und unveränderbare Interessenskonstellationen.
1.3 Strategiekommunikation
unabhängig von Zeit, Ort und Beziehungsrahmen möglich; er findet in einer Misch-
beziehungsweise „Hyperrealität“ statt, die eigene soziale, aber auch technische, von
Plattform zu Plattform wiederum unterschiedliche Regeln kennt (Schmidt 2012,
S. 22–25). Regelverletzungen können dabei in Shitstorms rasch und aggressiv
adressiert werden (Himmelreich und Einwiller 2015).
Die Schwierigkeiten der Entwicklung einer strategischen „Metakonversation“,
also einer „gemeinsamen Sprache“ der Organisation und ihrer Umwelten liegen auf
der Hand (Robichaud et al. 2004, S. 624–625; Stücheli-Herlach et al. 2012,
S. 27–33; Holtzhausen und Zerfass 2013, S. 81; Rüegg-Stürm und Grand 2015,
S. 94–113). Weil Lösungsangebote wie die „Integrierte Kommunikation“ oder die
„Konzeptionslehre“ dadurch an Orientierungskraft einbüssen (Nothhaft und Weh-
meier 2013, S. 324 f., 320 f.; Nothhaft und Bentele 2015, S. 704 f.), steht die
praktische Relevanz wissenschaftlicher Handlungsempfehlungen in Frage: Ange-
sichts neuer Problemstellungen in den PR muss sich das Wissen über PR und ihren
Sprachgebrauch erweitern und verändern.
Die Forderung an die Wissenschaft, sie solle ein Stück des Terrains „praktischer
Klugheit“ zurückerobern (Wehmeier et al. 2013, S. 16; Nothhaft und Wehmeier 2013,
S. 319), ist daher verständlich. Voraussetzung dafür ist freilich, dass die konstitutive
Vernetzung von PR und strategischer Kommunikation mit den Umwelten der Orga-
nisation theoretisch reflektiert werden kann. Es bietet sich an, dafür den practice turn
in den Sozialwissenschaften zu nutzen (Schatzki 2001; Deppermann et al. 2016). Seine
Grundlage bildet die Einsicht in die Vernetzung jeglichen Tuns mit dem materialen und
sozialen „Plenum“ einer Situation und ihrer Kontexte (Schatzki 2016, S. 32–35).
Handeln besteht demnach aus Tätigkeiten und Aussagen („doings and sayings“), die
sich mit bestimmten Arrangements an sozialen Bedingungen, natürlichen und tech-
nischen Dingen zu Praxis-„Bündeln“ vernetzen, wobei die wechselseitige Deutung
und Prägung konstitutiv ist (ebd. S. 33). Die Durchdringung kommunikativen Han-
delns in der modernen Organisationswelt durch technische Netze und ihre Interakti-
onsformate ist ein durchaus schlagendes Beispiel für die Relevanz dieser Sichtweise
(Krieger und Belliger 2014).
Im Lichte dieses turns erscheinen PR und strategische Kommunikation als Bündel
spezifischer Praktiken, welche eingebettet in Arrangements von organisationalen wie
medialen Netzwerken vollzogen werden. Dabei ist der sprachliche Ausdruck für sie
kennzeichnend (Westwood und Linstead 2001; Heracleous 2006; Taylor und van
Every 2011; Cooren 2015): Sprachgebrauch alleine ergibt zwar nicht schon die
gesamten Praxisbündel der Organisation – ohne den Gebrauch von Sprache könnten
sich diese organisationalen Praxisbündel aber gar nicht entwickeln (Hillebrandt 2014,
S. 58–61; Deppermann et al. 2016, S. 3–11, 12–13).
Die Aufmerksamkeit für die Vernetzung sprachlicher Akte in Praxisbündeln von
Organisationen, ihrer PR und strategischen Kommunikation ist das bevorzugte
Arbeitsgebiet der Angewandten Linguistik: Sie erforscht nicht nur sprachliche
Message Design 177
Vorgaben beispielsweise sind wohl eine Illusion. Dies insofern, als diese Vorgaben
aus unterschiedlichen Perspektiven situativ unterschiedlich gedeutet werden können
(Stücheli-Herlach et al. 2012). Eine konkrete Situation kann Themen relevant
erscheinen lassen, welche in der Unternehmenspolitik nicht vorkommen: Kunden-
reklamationen wegen angeblich „unwichtiger Details“ sind ein Beispiel dafür.
Es bedarf folglich eines eigentlichen „Themenmanagements“ der Organisation
(Huck-Sandhu 2014, S. 653–655).
Anderseits bedingen sich Kontexte, Formen und Realisierungen von Diskurs-
handlungen jeweils wechselseitig. So führen komplexe Kontexte zu differenzierten
Formkonstrukten, welche wiederum in sehr einfachen, aber gereihten Schritten
realisiert werden; scheinbar „einfache“ Aussagen müssen im Prozess der Kommu-
nikation durch Ambiguierung oder Distanzierung abgesichert werden (Berger 1997,
S. 234–237), um kommunikative Beziehungen zu entwickeln und stabil zu halten.
Kundenreklamationen können beispielsweise je nach Situation defensiv-kon-
sensorientiert oder offensiv-ablehnend bearbeitet werden – beides lässt sich auch
bei klaren „Strategien“ aber nicht im einmaligen Austausch leisten, sondern bedarf
komplexer textlicher und gesprächsweiser Austauschprozesse.
Strategien für Messages sind deshalb einerseits emergent und damit vorausset-
zungsreich, anderseits vielfältig und veränderbar. Ein erfolgreiches Corporate Mes-
saging ist entsprechend ohne den „Kollaps“ lebensweltlicher Aussageroutinen nicht
zu haben (Moffitt 1999, S. 143). Mit anderen Worten: Die strategische „Explikation“
von „Intentionen“ organisationaler Beiträge zur öffentlichen Kommunikation
kommt nie „von alleine“ oder „wie von selbst“ zu Stande, sondern muss durch
differenzierte situative Praktiken gefördert und gewährleistet werden. Sie ist etwas
hochgradig „Artifizielles“ in dem Sinne, dass ein Ziel (beispielsweise in Form der
Unternehmenspolitik) zwar vorgegeben, dessen Erreichen aber unsicher ist und der
Weg dazu immer erst situativ entwickelt werden muss. Die Notwendigkeit, etwas
„Artifizielles“ zu schaffen, führt zu einem tentativen Vorgehen im Sinne des Ent-
wurfs einer Diskurshandlung, die erwünscht und situativ realisierbar, aber jeweils
noch nicht realisiert und in ihrer konkreten Gestalt noch zu bestimmen ist (Simon
1996, S. 111–134). Nicht eindeutiges Entscheiden anhand klarer Kriterien ist des-
halb der Weg praktischer Problemlösung. Vielmehr gehört ein Bewerten und Prio-
risieren, ein Ausprobieren neuer Möglichkeiten und ein Revidieren erster Versuche
zu solchen entwerferischen Praktiken, die allgemein als Praktiken des Designs
bezeichnet werden (ebd., S. 137–138).
ter von und die differenzierten Entwicklungspraktiken für strategische Narrative der
PR herauszustreichen, wählen wir den Begriff Message Design (wie bspw. auch in
Moffitt 2004 oder in Hallahan 2007, S. 11; im Überblick Stücheli-Herlach und
Perrin 2013, S. 25–34).
Message Design bedeutet die Kontextualisierung, Formierung und Realisierung
von Diskurshandlungen, welche die Intentionen einer Organisation in vernetzten
kommunikativen Öffentlichkeiten explizieren (Stücheli-Herlach 2017; Stücheli-Her-
lach et al. 2017 im Druck). Entsprechende Praktiken können nicht als selbstverständ-
lich, sie müssen vielmehr als artifiziell und veränderbar beschrieben werden: Es handelt
sich um kollektive, iterative, projektive und reflexive Praktiken der Sinnkreation
(Simon 1996, S. 11–138; Krippendorff 2006; Grand 2012, S. 168). Wie Message
Design professionell praktiziert wird und wie es verbessert werden kann, wird nun zu
einer Schlüsselfrage der anwendungsorientierten Forschung zur „Sprache in der PR“.
Da es hier um die Beschreibung und Analyse von Praktiken geht, von denen ver-
mutet werden kann, dass sie sich spezifisch aus den jüngsten Entwicklungen der
vernetzten Öffentlichkeit ergeben haben, muss die Message Design-Forschung
als induktive Praxisforschung angelegt sein. Dafür bietet sich der Rahmen der
transdisziplinären Aktionsforschung an: Sie entwickelt sich in wechselseitigen Pro-
zessen des Beobachtens, Experimentierens und Lernens zwischen Praktizierenden
und Forschenden und erzeugt Theorien über situierte Praktiken kommunikativer
Problemlösung von mittlerer Reichweite (Perrin 2012). Im Wesentlichen folgt sie
dabei den Grundsätzen einer grounded theory im Sinne der empirisch theoriebilden-
den Kommunikationsforschung (Krotz 2005). Nach diesen Prinzipien erarbeitet sind
die nachfolgend auszugsweise präsentierten Fallstudien zu organisationalem Mes-
sage Design. Sie beleuchten diese artifizielle Praxis moderner Organisationskom-
munikation jeweils aus unterschiedlicher Perspektive.
Bei der ersten Studie handelt es sich um eine Studie zu mehreren Fällen strategischer
Kommunikationspraxis. Zum einen geht es um Message Design im politischen
Kontext: Hierzu liegt je ein problemzentriert-offenes Interview mit einem Vertreter
einer parteilichen Kleinorganisation und einem solchen einer behördlichen Groß-
organisation vor. Zum anderen sind es zwei Interviews des gleichen Typs mit Ver-
lagslektoren (also aus dem kulturellen Kontext), welche wiederum aus einer kleinen
sowie einer – für die Verhältnisse der Branche – größeren Verlagsorganisation
stammen. Für diese beiden Fallstudien zeichnen verschiedene Mitarbeitende und
Message Design 181
Abb. 1 Spezifika der untersuchten Fälle in der Message Design-Studie zu politischen und kultu-
rellen Organisationen
182 P. Stücheli-Herlach
Hinsichtlich der Formierung sind in den Fällen Praktiken des Inszenierens am augen-
fälligsten. Diese Praktiken zielen je nachdem auf das Steuern von Aufmerksamkeit,
von Rezeption oder finalem sozialen Erfolg durch die strategische Kommunikation.
Dazu gehören (in der Reihenfolge der Sättigung der Codes) die Erzeugung erfolgs-
entscheidender Anschlusshandlungen wie das Kaufen oder das politische Stimmen
(„Wenn die Frage kommt, wer soll das kaufen, dann muss man eine Schiene finden bei
der eine klare Ansprache da ist“, Lektorin), die Animation der Leser durch Reizung,
Bindung, Faszination, Ermutigung oder Erheiterung („. . . ideal ist immer, wenn man
den Bürger auf einer emotionalen Ebene ansprechen kann“, Parteisekretär) und
schließlich das Erklären und Verdeutlichen von Inhalten („. . . was allerdings aus-
schlaggebend ist, ist dass diese Erklärung, diese Erläuterung, dann irgendwie auch
verstanden wird . . .“, behördlicher Redakteur).
Hinsichtlich der Realisierung genießen Praktiken der Spezifizierung einen ver-
gleichsweise hohen Stellenwert. Sie reichen von der Spezifikation inhaltlicher zu
jener sprachlich-formulierungstechnischer Aspekte, so das Essentialisieren („ein
Kurztext soll ein ganzes Buch auf den Punkt bringen . . .“, Lektorin), das Materia-
lisieren („eigentlich das Ganze auf eine Hauptaussage herunterbrechen können“,
Parteisekretär) oder das Differenzieren (wenn beispielsweise im Kommunikations-
projekt betr. ein wichtiges Argument bilanziert wird, dass „Testimonials darüber..
fehlen“, Präventionssprogramm).
Insgesamt zeigte diese multiple Fallstudie, dass sich die empirische professionelle
Praxis durchaus unter den Aspekten strategischen Diskurshandelns und seiner Bün-
delung zu Praktiken des Message Design verstehen lässt – selbst wenn einzelne
Codierungs- oder Kategorisierungsentscheide vorläufig oder gar umstritten sein
sollten. Und sie zeigte, dass die professionelle Praxis durchaus über explizites wie
implizites Wissen über Notwendigkeit sowie Art und Weise eines zielführenden
„strategizings“ verfügt.
Eine weitere Fallstudie zum Thema entstand im Rahmen eines Projekts der Delega-
tion der Europäischen Union für die Schweiz (nachfolgend EEAS-CH genannt). Ziel
dieses Projektes war es, die Kommunikationsarbeit der 28 Botschaften von EU-
Mitgliedsländern in der Schweiz zu verbessern und Erkenntnisse über Message
Design zu gewinnen. Es rührte von einer Abschlussarbeit unter Leitung des Verfas-
sers in einem berufsbegleitenden Weiterbildungslehrgang zu politischer Kommuni-
kation her. Deren Autor war schon in dieser Zeit Informationsbeauftragter der
EEAS-CH und Leiter des Projekts (Libiszewski 2012).
Die umfangreiche Dokumentation zur teilnehmenden Beobachtung des Projekts
wurde im Rahmen einer weiteren studentischen Abschlussarbeit durch ein narratives
Experteninterview mit dem Projekleiter ergänzt (Wullschleger 2015). Im Zuge eines
dokumentarisch-interpretativen Verfahrens wurden „Kristallisationsmomente“ stra-
tegischen Diskurshandelns in diesem Projekt identifiziert und ausgewertet, um einen
Beitrag an eine grounded theory der Praxisform Message Design zu leisten
184 P. Stücheli-Herlach
Abb. 3 Phasen, Aktivitäten, Performanzen und Praktiken von Message Design am Beispiel der
EEAS-CH
(Hillebrandt 2014, S. 46 f.; auch Krotz 2005, S. 179–185; Vogd 2009, S. 41–43,
53–63).
Das Projekt verlief über drei Phasen, die sich aus den Foki diskursiven Handelns
ergeben (s. Abb. 3). Die Aktivitäten in den drei Phasen und ihre Wirkungen bündeln
sich zu ineinander verschränkten strategischen Praktiken, die – anhand von Äuße-
rungen des Projektsleiters in vivo kategorisiert – als „Integration“, „Verdichtung“
und „Umsetzung“ einer Corporate Message der EU in der Schweiz bezeichnet
werden können.
"The EU is a community of 28 sovereign individual states who share basic values. They
We have decided to pool their our sovereignty in selected areas so solve achieve common
problems objectives jointly."
4.4 Fazit
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Sprache und Text in der Medienarbeit
Cathrin Christoph
Zusammenfassung
Medienarbeit funktioniert zum Großteil über Sprache. Insofern spielt sie für deren
Gelingen eine entscheidende Rolle. Die Textsorten der Medienarbeit erfüllen
zwei Aufgaben: Zum einen dienen sie der Legitimation der Organisationsfunk-
tion. Zum anderen müssen sie im journalistischen System anschlussfähig sein.
Sonst erzielen sie keine Veröffentlichungen. Medienarbeit erfüllt dann ihren
Zweck besonders gut, wenn die Texte auf allen Ebenen diesen beiden Anforde-
rungen gerecht werden. Das umfasst die Funktion, das Thema, die Art der The-
menentfaltung und den Textsortenstil. In der Praxis werden die Texte der
Medienarbeit aber häufig als zu werblich empfunden. Die Herausforderung ist es
also, beim Texten insbesondere die journalistische Perspektive „mitzudenken“.
Schlüsselwörter
Medienarbeit • Pressearbeit • Texte • Sprache • PR • Werbesprache • Medien-
sprache • Textsorte Pressemitteilung
Inhalt
1 Einleitung: Was ist Medienarbeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
2 Medienarbeit als Mittler zwischen Organisation und Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
2.1 Werbesprache in der Medienarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
2.2 Mediensprache in der Medienarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
2.3 Texte in der Medienarbeit: das Beste aus beiden Welten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
3 Anschlusskommunikation: die Veröffentlichung in den Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
C. Christoph (*)
Cathrin Christoph Kommunikation, Hamburg, Deutschland
E-Mail: cc@christoph-kommunikation.de
Die Schwierigkeit, den Begriff „Public Relations“ zu definieren, ist in der Wissen-
schaft genau wie unter Praktikern weithin bekannt. Nicht selten behelfen sich die
Akteure damit, zu sagen, was PR nicht ist. (Fröhlich 2015, S. 109 f.) Diejenige
Disziplin, die überall und zweifelsfrei zur PR gerechnet wird, ist die Medienarbeit.
Der Begriff soll hier als – zeitgemäßeres – Synonym zur „Pressearbeit“ verwendet
werden. Medienarbeit bezeichnet laut „Handbuch der Public Relations“ „alle
PR-Aktivitäten, die auf die Gewinnung von Akzeptanz- und Multiplikationsleistun-
gen des Journalismus ausgerichtet sind; [. . .] Ziel aller derartigen PR-Aktivitäten ist
die Weiterverbreitung von Kern- oder Schlüsselaussagen mit der vonseiten der PR
vorgeschlagenen wertenden Ausrichtung“. (Fröhlich et al. 2015, S. 1141) Szyszka
und Christoph gelangen zur Definition von Medienarbeit als „eine Subfunktion des
Kommunikationsmanagements, die sich mit Media Relations (Journalismus) aus-
einandersetzt, um eine Organisation [. . .] derart in der allgemeinen öffentlichen
Kommunikation und Meinungsbildung zu positionieren, dass Organisationsziele
erreicht werden können“. (2015, S. 799 f.)1 Medienarbeit umfasst also alle strate-
gisch geplanten Aktivitäten einer Organisation, die darauf abzielen, die journalisti-
sche Berichterstattung im Sinne der Organisation zu beeinflussen. Diese Aktivitäten
können schriftlich oder mündlich stattfinden und aus Sprache, Bildern oder Filmen
bestehen.
Medienarbeit ist das Herzstück der PR, weil sie für „nahezu alle Public-
Relations-Systeme eine herausragende Bedeutung besitzt“. (Hoffjann 2007,
S. 127) Fröhlich et al. fassen sie als „zentralen Teil der PR-Arbeit“ auf. (2015,
S. 1141) Einen entsprechenden Stellenwert räumen ihr Praktiker in der täglichen
Arbeit ein: Tätigkeiten der Medienarbeit nahmen zumindest 2009 in den
Unternehmen mehr Raum ein als zum Beispiel die Unternehmens-Website
und Online-PR. (Szyszka et al. 2009, S. 122 f.) Auch wenn mittlerweile die
Onlinekommunikation aufgeholt haben dürfte, bleibt Medienarbeit ohne Zwei-
fel auch in Zukunft eine der wichtigsten – wenn nicht: die wichtigste – Aufgabe
der PR.
Alltägliches Instrument der Medienarbeit ist die Sprache. Ob Telefonat, E-Mail,
Pressemitteilung, Statement oder Themen-Exposé: Immer sind es sprachliche Hand-
lungen, die über Erfolg und Misserfolg von Medienarbeit entscheiden. Dabei bewegt
sich die Sprache – wie die Medienarbeit insgesamt – ständig im Spannungsfeld
zwischen dem Journalismus und dem System der Absender-Organisation. Sie muss
das Kunststück vollbringen, beiden Systemen gerecht zu werden, um ihre Ziele zu
erreichen.
1
Eine umfangreiche Auseinandersetzung mit den bestehenden Definitionen von Presse- und Medi-
enarbeit findet sich bei Szyszka und Christoph 2015, S. 798 ff.
Sprache und Text in der Medienarbeit 193
Absender-
Organisation / Medienarbeit Journalismus
Muttersystem
1. in der Textfunktion,
2. in der Themenauswahl,
3. in der Art der Themenentfaltung und schließlich
4. im Textsortenstil.
Der Name sagt es bereits: Medienarbeit ist Arbeit mit und für die Medien, wobei hier –
per Definition (siehe Abschn. 1) – nur die journalistischen Medien gemeint sind. Damit
die Kommunikationsangebote der Medienarbeit im System „Journalismus“ anschluss-
fähig sind, müssen sie mit dem Code dieses Systems operieren (siehe Abschn. 3). Texte
der Medienarbeit können dann als Programme der strukturellen Kopplung mit dem
Journalismus dienen. (Hoffjann 2007, S. 144–181; Christoph 2009, S. 162–168) Die
Voraussetzung hierfür ist, dass Funktion, Thema, Art der Themenentfaltung sowie der
Stil passen und dem Empfängermedium gerecht werden. Dafür ist es notwendig, die
Perspektive zu verändern: weg von den Interessen der Absender-Organisation und hin
zu den Anforderungen des journalistischen Systems: „Medienarbeit [. . .] muss häufig
kritische Journalisten davon überzeugen, dass eine Information [. . .] interessant genug
wäre, um sie zu verbreiten. Wer das erreichen will, darf nicht wie ein Werber oder
Verkaufsförderer denken und handeln, sondern muss die Sicht- und Arbeitsweise der
Journalisten verinnerlichen.“ (Schulz-Bruhdoel und Fürstenau 2010, S. 29)
Journalistische Texte gelten laut Burger und Luginbühl überall als „Zentrum des
Mediums“. (2014, S. 93) Sie liegen in den unterschiedlichsten Formen vor:
geschrieben, gesprochen, mit Bild- und Bewegtbildmaterial, subjektiv oder neutral,
für die Verwendung im Print, Radio, TV oder online. Insofern kann es nicht die eine
Mediensprache geben, die charakteristisch für alle journalistischen Texte ist. Und
auch für die Medienarbeit sind grundsätzlich „alle Darstellungsformen denkbar, die
[. . .] von den Medien selbst eingesetzt werden“. (Schulz-Bruhdoel und Fürstenau
2010, S. 270) Woran können sich also die Verfasser halten, wenn sie für die
Medienarbeit texten? Idealerweise orientieren sich Texte für die Medienarbeit genau
an dem Medium, auf das sie abzielen – diese „Maßarbeit“ findet zum Beispiel statt,
wenn Pressestellen Texte exklusiv für ein Medium verfassen. Deshalb muss gute
196 C. Christoph
Medienarbeit „sehr viel journalistisches Know-how beweisen [und] setzt eine prä-
zise Kenntnis der Arbeit in den Redaktionen voraus“. (Schulz-Bruhdoel und Fürs-
tenau 2010, S. 34)
Das am häufigsten eingesetzte Instrument der Medienarbeit ist allerdings die
Pressemitteilung im Nachrichtenstil. (Burger und Luginbühl 2014, S. 202–203)
Generell spielen Texte „strikt informativen Charakters eine Hauptrolle“ in der
Medienarbeit. (Ebd., S. 270) Auch innerhalb des journalistischen Systems haben
Nachrichten einen besonderen Stellenwert. Arnold bezeichnet sie als den „Schlüssel
zu aller weiteren Information“. (2016, S. 11) Deshalb stehen die Nachrichtentexts-
orten im Fokus der nachfolgenden Ausführungen.
Die klassischen Nachrichtentextsorten „Meldung“ und „Bericht“ zählen zu den
informationsbetonten Texten (Burger und Luginbühl 2014, S. 225) – sie verfolgen
also eine Informationsfunktion. Genauso ordnen sie auch Brinker et al. textlinguis-
tisch ein. (2014, S. 107) Als rein informative Texte sind die Nachrichtentextsorten
der Objektivität verpflichtet. Es gilt der Grundsatz: „Die Fakten müssen stimmen.“
(von La Roche 2013, S. 134). Auch Texte der Medienarbeit informieren, um den
Anforderungen des journalistischen Systems zu entsprechen und eine Chance auf
Veröffentlichung zu haben. Entsprechend stellen Ebert und Konerding fest, dass zum
Beispiel Pressemitteilungen primär als Informationsmedium begriffen werden, aber
ihr Ziel über das reine Informieren hinausgehe. Denn die Absender haben ein
Interesse daran, „die öffentliche Meinungsbildung aktiv zu beeinflussen“. (Ebert
und Konerding 2003, S. 1) Die Texte erfüllen also eine doppelte Textfunktion,
indem sie informieren und gleichzeitig auch appellieren (siehe Abschn. 2.1). Inso-
fern widerlegen Texte der Medienarbeit die These, dass pro Text immer eine
Funktion dominiert. (Brinker et al. 2014, S. 123) Vielmehr ist Adamzik zuzustim-
men, die ein Nebeneinander von Textfunktionen für denkbar hält. (2000, S. 100)
Elementar wichtig für das Gelingen von Medienarbeit ist die Wahl des Themas.
Denn das Thema ist das wichtigste Auswahlkriterium im journalistischen Entschei-
dungsprozess. (Christoph 2009, S. 174–181) Dabei sind für journalistische Medien
Themen umso relevanter, je mehr Nachrichtenwert sie haben. Der Nachrichtenwert
wird wiederum durch das Vorhandensein von Nachrichtenfaktoren bestimmt. (Maier
et al. 2010, S. 18) „Je stärker einzelne Nachrichtenfaktoren zutreffen und je mehr
Nachrichtenfaktoren bei einem Ereignis gegeben sind, desto höher ist der Nachrich-
tenwert. Und je höher der Nachrichtenwert, desto höher sind die Publikationswahr-
scheinlichkeit und der einem Thema eingeräumte Platz.“ (Mast 2012, S. 81) Die
Gewichtung der einzelnen Faktoren ist je nach Medium unterschiedlich. Für Nach-
richtenredaktionen haben nach einer Studie von Ruhrmann und Göbbel die Nach-
richtenfaktoren Reichweite, deutsche Beteiligung, negative Folgen, Überraschung,
Kontroverse und positive Folgen die höchste Wichtigkeit. Weitere Nachrichtenfak-
toren sind beispielsweise Prominenz, räumliche Nähe zu Deutschland, Personalisie-
rung, Etablierung von Themen, Visualität, das Vorhandensein von Bildern
und Erotik. (Ruhrmann und Göbbel 2007, S. 41 f.) Dem Thema als wichtigstem
Auswahlkriterium im journalistischen Entscheidungsprozess muss beim Texten für
die Medienarbeit ein besonderes Augenmerk gelten: Texte, die zur Veröffentlichung
in den Medien ausgewählt werden sollen, müssen über Nachrichtenwert verfügen.
Sprache und Text in der Medienarbeit 197
Denn: „Im Alltag ist Öffentlichkeitsarbeit gerade dann besonders erfolgreich, wenn
sich ihre Informationspolitik und die von ihr inszenierten Ereignisse an den herr-
schenden Nachrichtenwerten orientieren.“ (Mast 2012, S. 517) Ist dies nicht der
Fall, sind die Kommunikationsangebote im journalistischen System nicht anschluss-
fähig. Und: Die Texte müssen den Nachrichtenwert auf den ersten Blick sichtbar
machen. Das passiert zum Beispiel durch gute Überschriften und im Vorspann. Hier
ist die Sprache maßgeblich für den Erfolg der PR.
In der Art der Themenentfaltung sind journalistische Nachrichtentextsorten typi-
scherweise deskriptiv. Brinker et al. ordnen beispielsweise Nachrichten und Berichte
in die Gruppe a) der deskriptiven Textsorten ein. Diese umfasst Text, deren Thema
„einen einmaligen Vorgang, ein historisches Ereignis bezeichnet“. (2014, S. 60)
Deskriptive Textsorten zeichnen sich dadurch aus, dass „ein Thema in seinen
Komponenten (Teilthemen) dargestellt und in Raum und Zeit eingeordnet [wird].
Die wichtigsten thematischen Kategorien sind also Spezifizierung (Aufgliederung)
und Situierung (Einordnung)“. (Brinker et al. 2014, S. 60) Texte der Medienarbeit
folgen ebenfalls diesem Aufbau. Sie ordnen ein Thema räumlich und zeitlich ein und
schildern es in seinen Teilthemen. Pressemitteilungen beispielsweise übernehmen
den typischen Aufbau von Nachrichtentextsorten, indem sie Überschrift, Vorspann
und Hauptteil haben und die wichtigsten Informationen – den Nachrichtenwert – an
den Anfang stellen. Außerdem verwenden sie Zwischenüberschriften und Zitate als
weitere nachrichtentypische Bausteine. (Christoph 2009, S. 103) Entsprechend kon-
statiert Hack, dass die thematische Entfaltung von Pressemitteilungen „hauptsäch-
lich deskriptiver Natur“ sei. (Hack 1996, S. 21)
Der Stil von Nachrichtentextsorten ist sachlich. Denn Journalisten „richten ihre
Arbeit nach der Objektivitätsnorm aus“. (Mast 2012, S. 77) Dies liegt in der Natur
ihrer publizistischen Aufgabe, die sie „fair, nach bestem Wissen und Gewissen,
unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen“ wahr-
nehmen sollen. (von la Roche 2013, S. 192) Deshalb ist bei der Ausgestaltung einer
Nachricht „zu beachten, dass schmückende und ergänzende Fakten eine nicht gerecht-
fertigte Tendenz in die Nachricht bringen können“. (von La Roche 2013, S. 140)
Der Stil der Nachrichtentextsorten ist außerdem durch bestimmte sprachliche
Standards gekennzeichnet. Hierzu gehört es beispielsweise
Darüber hinaus gilt für Nachrichtentextsorten das Gebot der Verständlichkeit. Diese
muss „in Einklang gebracht werden mit der Exaktheit des Inhalts“. (Weischenberg 1990,
198 C. Christoph
Die Abschn. 2.1 und 2.2 haben gezeigt, dass die Sprache in der Medienarbeit viel
leisten muss, um
Auf der Ebene der Textfunktion sind die Texte der Medienarbeit gleichzeitig
appellativ und informativ. Die Themenauswahl muss sowohl die partikularen Interes-
sen des Absenders wahren als auch Nachrichtenwert bieten. Die Art der Themenent-
faltung ist einerseits argumentativ im Sinne des Absenders, andererseits imitiert sie
durch die deskriptive Themenentfaltung die Nachrichtentextsorten. Auf der Ebene des
Textsortenstils schließlich weisen Texte der Medienarbeit sowohl werbesprachliche als
auch mediensprachliche Elemente auf. Auf diese Weise dienen sie der Funktion des
Absender-Systems und sind gleichzeitig im journalistischen System anschlussfähig
(Abb. 2).
Da die Texte der Medienarbeit innerhalb der Absender-Organisationen produziert
werden, führen sie deren Code automatisch mit. Sie enthalten immer einen Appell,
2
Zum Hamburger Verständlichkeitsmodell siehe: Langer et al. 2015, S. 19–28.
Sprache und Text in der Medienarbeit 199
1. Legitimation der
2. Anschlussfähigkeit im
Textlinguistische Ebene Organisationsfunktion /
journalistischen System
Absender-Organisation
• Textfunktion • Appell • Information
• Thema • Partikulare Interessen • Nachrichtenwert
• Themenentfaltung • Argumentation • Deskription
• Stil • Werbesprache • Journalistische Standards
Abb. 2 Doppelte Codierung von Texten in der Medienarbeit. Quelle: eigene Darstellung
sie behandeln Themen, die dem Absender gerecht werden, sie liefern grundsätzlich
Argumente für den Absender und sie werten diejenigen Inhalte semantisch auf, die
den Interessen des Absenders nützen. Denn die Absicht, das „Verhalten [. . .] oder
Einstellungen beim Empfänger entsprechender Botschaften zu verändern, ist für PR –
wie für Werbung und Propaganda – wesensimmanent und intentional“. (Fröhlich
2015, S. 110) Insofern ist die Sprache der Medienarbeit zwangsweise persuasiv. Wäre
sie das nicht, würde sie ihren Zweck verfehlen. Dies ist der Grund, warum Texte der
Medienarbeit von Journalisten so häufig als „verkappte Werbung“ wahrgenommen
werden. (siehe Abschn. 2.1)
In der Praxis besteht die Schwierigkeit meist darin, Texte zu produzieren, die
auch dem journalistischen System gerecht werden und bei denen sich die beiden
Pole die Waage halten, zwischen denen sich die Medienarbeit bewegt. Insofern ist
Texten für die PR eine anspruchsvolle Aufgabe und häufig ein schwieriger Spagat
zwischen dem, was der Absender gern über sich lesen möchte und dem, was
journalistischen Maßstäben gerecht wird.
Es kann davon ausgegangen werden, dass etwa die Hälfte der redaktionellen
Berichterstattung in Deutschland auf Medienarbeit zurückgeht. Doch nur etwa
20 Prozent aller PR-Angebote werden von den Medien tatsächlich für die redaktio-
nelle Berichterstattung verwendet. (Christoph 2009, S. 170 und S. 174 f.)
Wenn PR-Texte in den Medien veröffentlicht werden, findet ein Textsortenwech-
sel statt. Sie werden dann zu Kommunikationsangeboten des journalistischen Sys-
tems. Sofern die Texte zuvor bearbeitet werden, überwiegt als Revisionsart die
Elimination: Lang stellt fest, dass schon die Nachrichtenagenturen Pressemitteilungen
im Schnitt um 45,74 Prozent kürzen und die Zeitungen noch einmal den Textumfang
reduzieren. (Lang 1980, S. 136 f.) Substitutionen, Permutationen, Additionen und
Transformationen kommen deutlich seltener vor. (Christoph 2009, S. 188)
Bei der Bearbeitung der Texte wird der Empfänger zum Produzenten. Die
Revision ist also „weder ein ausschließlich produktiver noch ein ausschließlich
rezeptiver, sondern ein rezeptiv-produktiver Prozeß“. (Biere 1993, S. 58) Dieser
Prozess von Informationsauswahl, Bearbeitung und Veröffentlichung stellt die
200 C. Christoph
als die klassische Werbung. (Rolke und Dost 2010, Management Summary) Denn
Werbung profitiert nicht vom Fürsprecherprinzip, sondern wird von den Rezipienten
als Selbstdarstellung einer Organisation wahrgenommen.
In dem Fürsprecherprinzip liegt auch ein Vorteil der Medienarbeit gegenüber
anderen PR-Instrumenten – wie Corporate Publishing oder Onlinekommunikation.
Deshalb wird die Medienarbeit ihre zentrale Rolle innerhalb der PR solange behal-
ten, wie journalistische Medien als glaubwürdige Absender wahrgenommen werden.
4 Fazit
Medienarbeit ist das Herzstück der PR und dient per Definition der Selbstdarstellung
partikularer Interessen. Deshalb ist es nicht nur legitim, sondern unbedingt notwen-
dig, dass sie in ihren Texten appelliert, argumentiert und wertet. Journalisten, die der
PR dies zum Vorwurf machen, verkennen die Tatsachen.
Wer Medienarbeit allerdings als „Werbung, die nichts kostet“ auffasst, springt
auch zu kurz und wird damit keinen Erfolg haben. Denn Medienarbeit nimmt – im
Gegensatz zur Werbung – auch die Perspektive der Journalisten ein und macht ihnen
Sprache und Text in der Medienarbeit 201
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Sprachliche Merkmale der
Krisenkommunikation mit Schwerpunkt
Social Media
Michael Roither
Zusammenfassung
Der Beitrag spannt den Bogen von Merkmalen einer Krise in und durch Social
Media über die Krisenkommunikation in Social Media bis hin zu Befunden zur
Sprache in der Social-Media-Krisenkommunikation. Sprach- und kommunikati-
onswissenschaftliche Erkenntnisse und Modelle werden miteinander verknüpft
und bilden eine Grundlage für künftige Analysen und Auseinandersetzungen mit
dem zentralen Aspekt Sprache in der Krisenkommunikation mit Schwerpunkt
Social Media.
Schlüsselwörter
Krisenkommunikation • Social Media • Sprache • Krise • Semiotik
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
2 Krisen in und durch Social Media . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
3 Krisenkommunikation in Social Media . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
4 Befunde zur Sprache in der Social-Media-Krisenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
1 Einleitung
M. Roither (*)
Department Informationstechnologie und Informationsmanagement, Fachhochschule Burgenland,
Eisenstadt, Österreich
E-Mail: michael.roither@fh-burgenland.at
Kennzeichen von Krisen sind das meist überraschende Auftreten, die Dynamik
und damit einhergehenden Prozesse, der dadurch entstehende Zeitdruck, die Infor-
mationsknappheit, die durch die Krise entstehenden Emotionen, die durch die
Emotionalität häufig entstehende Selbstverstärkung der Krise und die damit einher-
gehende zugespitzte Aufmerksamkeit der Medien und anderer relevanter Stakehol-
der (Lies 2015, S. 249).
Hauptursachen für Krisen sind nach Lies (2015, S. 251; in dieser Reihenfolge)
vor allem Probleme mit Protestgruppen/Aktivisten, Produktionsausfälle, die Liefer-
schwierigkeiten verursachen, öffentlichkeitswirksame Betriebsunfälle, Auseinan-
dersetzungen mit der Belegschaft, Gerüchte, schwere persönliche Verfehlungen
und Produktmängel. Weniger relevant sind die Auslöser Finanzkrise, Sabotage,
Terrorismus, oder drohende Übernahmen. Lies bezieht sich bei der Aufstellung auf
die Studie „Krisenprävention in Deutschland“ von 12Cylinders Corporate Strategies
(2003) für die 300 Unternehmen, 243 behördliche Institutionen und 228 Verbände
befragt wurden.
Auch wenn Social Media im Regelfall heute bei sämtlichen der genannten
Krisenereignisse zum kommunikativen Brandbeschleuniger werden, sind besonders
die Probleme mit Protestgruppen/Aktivisten in Richtung Krisenkommunikation
Sprachliche Merkmale der Krisenkommunikation mit Schwerpunkt Social Media 205
beachtenswert: Gruppen können sich eben dort besonders leicht mobilisieren und
mittlerweile bereits klassische Phänomene wie Shitstorms starten. Ebenso können
die Aktivisten besonders seit der Entstehung der Sozialen Medien in eben diesen
Druck auf die Unternehmen oder Organisationen ausüben und dadurch eine Krise
entweder verstärken, verlängern oder gar erst erzeugen. Klar wird somit auch, dass
Social Media nicht nur Lösungsorte für Krisen sind, sondern die meisten Krisen
überhaupt erst im kommunikativen Raum, oftmals via Social Media, entstehen (Lies
2015, S. 254).
Krisen sind nach Hearit und Courtright (2003, S. 205) terminologische Kreatio-
nen (oder: soziale Konstruktionen – nach Schwarz und Löffelholz 2014, S. 1305),
die von Menschen konzipiert werden, und sie werden daher auch terminologisch
verwaltet und gelöst. Anstatt eine Komponente zu sein, stellt die Kommunikation
entsprechend die Quintessenz des Krisenmanagements dar. „Damit ist Krisenkom-
munikation ein Aushandlungsprozess im Kontext von als bedrohlich und disruptiv
wahrgenommenen Situationen, denen Beobachter intuitiv oder strategisch Krisen-
status zuschreiben“ (Schwarz und Löffelholz 2014, S. 1306).
Ganz ähnlich argumentieren Höbel und Hofmann (2014, S. 53–71) und fügen
Lies’ Bild einige Facetten hinzu: In den Sozialen Medien kommt es zu einer
Vermischung von „subjektiven Meinungen“ und „Fachkompetenz“, die es zu unter-
scheiden und auf die es jeweils sprachlich adäquat zu reagieren gilt. Es ist zentral,
dass die Social-Media-Kanäle auch in krisenfreien Zeiten permanent bespielt wer-
den, um eine Community und Vertrauen aufzubauen und einen Kanal zu haben,
dessen Benutzung Usus ist, der im Krisenfall nicht erst etabliert werden muss.
MitarbeiterInnen werden dort bewusst zu Sprechern des Unternehmens und auch
im Krisenfall gerne als Ansprechpartner oder Quelle verwendet, hier gilt es diese
mittels Social Media Guidelines vorzubereiten und im Krisenfall auch noch mal
dahingehend zu informieren. Transparenz was den Absender betrifft wird auch von
Höbel und Hofmann empfohlen. Der Absender soll möglichst seinen Namen nen-
nen, denn nur so ist eine Kommunikation zwischen Menschen „auf Augenhöhe“
möglich.
Dazu sollten Monitoringsysteme, welche die Meinungen und Reaktionen einfan-
gen bzw. messen sollen, verstärkt hinsichtlich der qualitativen Auswertung genutzt
werden, um Stimmungen exakter einfangen zu können und noch sensibler sein zu
können, auch hinsichtlich entstehender Krisenherde. „Kommunikative Krisen im
Netz entstehen meist dort, wo es keiner mitbekommt: in irgendeinem kleinen Blog
oder in einem winzigen Kommentar. Entscheidend ist die Vernetzungsdynamik:
Findet die einzelne Meinung eine Verbindung zu einem virulenten Krisenthema,
zu skandalbereiten Medien Meinungsplattformen und zu einer empörungsbereiten
Öffentlichkeit?“ (Höbel und Hofmann 2014, S. 70). Wordings sollten also nicht nur
im Krisenfall genauestens hinterfragt und einer mit einer unternehmensinternen
Wording-Checkliste abgeglichen werden. Denn auch Aussagen, die nicht im Zuge
der Krise getätigt wurden, können dann auftauchen und interpretiert werden, oder
gar selbst zum Auslöser werden, wenn sie unbedacht eingesetzt werden. „Veröffent-
lichen Sie nur das, was Sie auch jederzeit persönlich sagen würden und was Sie auch
‚gedruckt‘ von sich lesen wollen“, empfehlen Höbel und Hofmann (2014, S. 76).
Krisenkommunikation hat dabei zusätzlich einen verstärkt symbolischen Charak-
ter – leider wird dieser Aspekt entweder nicht immer wichtig genug eingeschätzt,
oder bewusst oder unbewusst nicht beachtet. Beispiel Kit Kat/Nestlé vs. Greenpeace:
Nestlé hat Beiträge im Zuge des Shitstorms auf der Fansite einfach gelöscht – auch
das ist eine Botschaft, in diesem Fall eine, die die Kritik und den Ärger der
Stakeholder noch verschärft (Höbel und Hofmann 2014, S. 64). Ein anderes Beispiel
dafür ist der frühere BP-CEO Tony Hayward im Zuge des sogenannten „BP Oil
Spills“ im Golf von Mexiko: „Der CEO hatte sich nicht nur während die Krise noch
andauerte und die Betroffenen gegen die Folgen der Ölpest kämpften im Freizeitlook
auf seiner Segelyacht ablichten lassen. Er hat obendrein in Fernsehkameras gesprochen,
er wolle sein Leben zurückhaben. Angesichts von mehr als 20 toten Ölarbeitern eine
zynische Sprachentgleisung“ (Höbel und Hofmann 2014, S. 67). Kommunikation
im Internet muss ganz im Gegenteil „frei von Arroganz ‚Überheblichkeit‘ und
‚Marketing-Sprech‘ sein. (. . .). Die Argumente und Probleme des Kritikers anhören,
einen Positionswechsel durchzuführen und sich die Situation aus seinen Augen
anzusehen, ist der erste erfolgreiche Schritt, um die richtige Tonalität und Ansprache
208 M. Roither
zu finden“ (Höbel und Hofmann 2014, S. 75). Dann verlaufen sich potenzielle
Krisen oftmals im Sand, Beispiel ING-DiBa: Die Direktbank hatte einen Werbespot
mit Basketballer Dirk Nowitzki gedreht, in dem dieser eine Scheibe Wurst verspeist.
Daraufhin kam es zum Shitstorm von Vegetarierern und Veganern. ING-DiBa
reagierte mit folgenden Worten: „Wir als ING-DiBa appellieren an Sie, unterschied-
liche Meinungen mit größtmöglichem Respekt zu behandeln.“ Dies änderte die
Diskussion, denn die Veganer und Vegetarierer wurden in Folge für ihr intolerantes
Verhalten von der Community gerügt, am Ende entwickelte sich alles zu einer „Ist es
erlaubt, Fleisch zu essen?“-Diskussion und die ING-DiBa war kein Diskussions-
thema mehr. „Die Bank hatte völlig richtig gehandelt. Sie hatte sich weder tot gestellt
noch das Issue zusätzlich aufgebauscht. Streng genommen hat sie von der Diskus-
sion sogar profitiert: der Werbespot war in aller Munde“ (Höbel und Hofmann 2014,
S. 70).
Ein weiteres Studienergebnis fügt obige Aspekten eine interessante Komponente
hinzu: Das Medium ist wichtiger als die Botschaft, und diese sollte knapp und
informationsorientiert sein. So können die Ergebnisse einer Studie zusammengefasst
werden, die die Wahrnehmung einer fiktiven Krise von Daimler-Benz, bei der zehn
Menschen getötet wurden untersuchte und die Reaktionen auf Blogartikel und
Twittermeldungen mit der auf Zeitungsmeldungen verglich. Die Befragten mussten
unterschiedliche Reaktionen von Mercedes-Benz bewerten (Entschuldigung des
Unternehmens, Sympathiebekundung und Mitgefühl, reine Informationsbereit-
stellung). Das Experiment untersuchte die Auswirkungen der Krisenkommu-
nikationsstrategie und des Mediums auf organisatorische Reputation, sekundäre
Krisenkommunikation und sekundäre Krisenreaktionen. Die Ergebnisse zeigten,
dass das Medium wichtiger als die Botschaft ist: Für alle drei abhängigen Maß-
nahmen – Reputation, sekundäre Krisenkommunikation und Reaktionen – traten die
Haupteffekte des Mediums auf, während die Botschaft lediglich einen bedeutenden
Haupteffekt auf sekundäre Krisenreaktionen hatte. Im Gegensatz zu früheren Befun-
den führte die Informationsstrategie zu weniger negativen Krisenreaktionen als die
Strategien der Entschuldigung oder Sympathie. Darüber hinaus führte die Krisen-
kommunikation über Twitter zu weniger negativen Krisenreaktionen (und mehr
Bereitschaft, Infos zu teilen) als Blogs und Zeitungsartikel – über letztere wurde
am meisten gesprochen, obwohl sie per definitionem am wenigsten „viral“ sind.
Subsumiert kann bei Interpretation des Ergebnisses im Bereich Twitter davon
ausgegangen werden, dass sprachlich sachliche, informationsorientierte, knappe,
aber permanente Krisenkommunikation im Social Web tendenziell positiv rezipiert
wird (Schultz et al. 2011, S. 14–15).
„In der Krise gilt: Etwas sagen müssen Sie. Wie Sie es sagen, ist entscheidend“
(Puttenat 2009, S. 54).
Sprachliche Merkmale der Krisenkommunikation mit Schwerpunkt Social Media 209
Frandsen und Johansen (2007, S. 93–96) empfehlen für das „Wie“ von Entschul-
digungen folgende Dinge – die gut auf die generelle Krisenkommunikation umleg-
bar sind: Sie sollen wahrhaftig, aufrichtig, freiwillig, rechtzeitig sein, alle Stakehol-
der adressieren und in einem geeigneten Kontext durchgeführt werden. Es sollten
entsprechend alle notwendigen Informationen enthalten sein, und nicht weitere
relevante Informationen verschwiegen, beschönigt oder „reframt“ werden. Die Ent-
schuldigung muss deutlich kommuniziert werden, auf allen von den aufweisen: Sie
zeigt ausdrücklich das Unrecht an, legt die Informationen zur Verfehlung umfassend
offen, übernimmt vollständige Verantwortung, bedauert, identifiziert sich mit den
Stakeholdern, bittet um Vergebung, sucht Versöhnung und bietet eine Erklärung, die
die berechtigten Erwartungen erfüllt, ergänzt durch eine entsprechende Korrektur-
maßnahme und angemessene Entschädigung. Sprachliche Grauzonen sind nicht nur –
aber vor allem – bei der Entschuldigung völlig zu unterlassen.
Die in Krisen zu all diesen sprachlichen Aktivitäten auf verschiedenen Eskalati-
onsstufen benötigten Informationen können in drei Kategorien bzw. Funktionen
eingeteilt werden: „1) instruction information, 2) adjusting information, and 3)
internalizing information, also referred to as reputation-management information“
(Rachfał 2013, S. 41). Die Informationen gilt es in Sprache zu kleiden, wobei es in
dieser nach Jakobson (1960) sechs konstitutive Faktoren und jeweilige Funktionen
gibt, die sie bestimmen (siehe auch Pelz 1996, S. 29–30; Kocsány 2010, S. 30–31)
(Abb. 1):
• Sender: Er hat eine expressive, emotive Funktion. Der Sender teilt sich durch
Sprache mit, drückt sich aus, bewusst oder unbewusst. Im Falle der Krisenkom-
munikation in Social Media ist diese Funktion mit enormer Kraft ausgestattet
Sprachliche Merkmale der Krisenkommunikation mit Schwerpunkt Social Media 211
worden: Im Alltag verflüchtigt sich das Gesagte leicht – im Web vermischen sich,
wie Social-Web-Pionier und Blogger Sascha Lobo es in Vorträgen und Interviews
immer wieder definiert, die Spontanität und saloppe Ausdrucksweise mit der
Schriftsprache und der Speicherung aller Aussagen. Transparenz, Flapsigkeit
und Haltbarkeit können in ihrer Verbindung enorme Kraft entfalten, Stichwort:
„Shitstorm“.
• Kontext: Dieser hat eine referenzielle Funktion. Sprache bezieht sich auf Gegen-
stände und Sachverhalte, hat ein Thema, einen Kontext. In der Krise löst sich die
Sprache meist vom diesbezüglich Faktischen ab, bewegt sich hin zum Emotionalen.
• Mitteilung: Diese besitzt eine poetische Funktion. Es ist die Funktion der Spra-
che, die in ihrer formalen Erscheinung zu einer Art besonderer Information wird.
Sie nutzt Konnotationen und schafft dadurch Mehrdeutigkeit. Diese ist insbeson-
dere im Krisenfall problematisch, angestrebt muss von den betroffenen Akteur-
Innen Eindeutigkeit werden, um die Spielräume für Fehlinterpretationen mög-
lichst einzudämmen.
• Kontakt: Dieser hat eine phatische Funktion, die Funktion des Kontakthaltens,
oder auch das Herstellen, Verlängern oder Unterbrechen eines sprachlichen
Kontaktes. Eine zentrale Rolle spielt hier der Kanal, das Kontaktmedium, dessen
Funktionalität geprüft wird. Wie Studienergebnisse zeigen, spielt der Kanal, das
Medium, eine entscheidende Rolle – ist teils wichtiger als die Botschaft selbst
(siehe Experiment fiktive Daimler-Benz-Krise – Schultz et al. 2011, S. 14–15).
• Kode: Dieser hat eine metasprachliche Funktion, die Funktion der Sprache über
Sprache zu reden – Sprache als Metasprache für alle anderen Informations- und
Vermittlungssysteme, aber zugleich auch als Metasprache für sich selbst. Dieser
Faktor betont unter anderem insgesamt die Bedeutung der Sprache als Träger von
Information und Kommunikation, insbesondere im zugespitzten Krisenfall.
• Empfänger: Diesem kommt eine konative, appellative Funktion zu. Der Sender
versucht, den Empfänger zu beeinflussen, die Sprache dient einem Appell, zum
Beispiel einer Bitte oder einem Wunsch. Gezielte Appelle wie die Bitte um
Entschuldigung sind im Krisenfall entscheidend für den positiven Fortgang der
Krisenkommunikation und -bewältigung (siehe dazu die sprachliche Gestaltung
von Entschuldigungen, Bedauern und Dementi – Steinke 2014, S. 207–222;
Frandsen und Johansen 2007, S. 93–96).
• Die Wahl der Zeit hat Auswirkungen: Die herkömmlichen Erzählzeiten sind
Vergangenheit, Präsens, Zukunft. Wenn nur im Präsens gesprochen wird, wird
jeglicher Bezug zu vergangenen Ereignissen vermieden oder gekappt. Dadurch
kann in der Krisenkommunikation Distanz zu in der Vergangenheit liegenden,
problematischen Ereignissen hergestellt, sprachlich also eine Abgrenzung erzielt
212 M. Roither
Kontext
Mitteilung
Sender Empfänger
Kontakt
Kode
• Eine bedachte Wortwahl, denn gerade in Krisen werden häufig „Unwörter des
Jahres“ geboren, die sich über die sozialen Medien extrem schnell verbreiten und
dann zu Schmähbegriffen werden.
• Vorsicht bei der Wortwahl, diese kann rechtliche Konsequenzen haben: Dies gilt
es stets zu beachten und im Zweifelsfall weniger zu kommunizieren, vorbereitete
Statements zu veröffentlichen und Kernbotschaften wiederholen.
• Einsatz von Sprachbildern: Diese sind auch in der Krisenkommunikation zu
verwenden, denn sie verleihen den Worten eine weitere Dimension und emotio-
nalisieren positiv.
Syntaktik Pragmatik
(Form/Zuordnung) (Appell/Wirkung)
Krisensituation
5 Fazit
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Text und Bild in der
Unternehmenskommunikation
Linguistische Perspektiven auf multimodale
Zeichensysteme
Annika Schach
Zusammenfassung
Der Beitrag beschäftigt sich mit Text und Bild in der Unternehmenskommunika-
tion. Ein allgemein akzeptiertes Modell zur Analyse von Sprach- und Bild-
Kontexten existiert bisher nicht. Die linguistische Perspektive auf multimodale
Kommunikation bietet Beschreibungskategorien, die zur Analyse beider Zei-
chensysteme nutzbar sind. Der Beitrag schlägt ein übergreifendes Modell für
die Beschäftigung mit intentionalen Text-Bild-Flächen vor, das die spezifische
Logik von Sprache und Bild aber auch das Kommunikat in seiner Gesamtheit
betrachtet. Das analytische Vorgehen wird exemplarisch an einer Social-Media-
Textsorte vorgestellt.
Schlüsselwörter
Visuelle Unternehmenskommunikation • Pictoral turn • PR-Bild • Multimedial •
Linguistik
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
2 Text und Bild in den Public Relations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
2.1 Der „Iconic Turn“ in der PR-Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
2.2 Der Schlüssel zum Erfolg: Multimodale Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
3 Multimodale Text-Bild-Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
3.1 Die Wahrnehmung eines Zeichenzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
3.2 Kategorisierung von Bildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
4 Linguistische Perspektiven auf Text und Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
4.1 Forschungsansätze für multimodale Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
4.2 Textlinguistische Kategorien für Text-Bild-Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
A. Schach (*)
University of Applied Sciences and Arts, Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
E-Mail: annika.schach@hs-hannover.de
1 Einleitung
Die immer stärkere Relevanz einer Beschäftigung mit Bildern in der Unternehmens-
kommunikation hat mehrere Gründe, die zunächst in der Digitalisierung der Kom-
munikation und der Differenzierung der Kanäle liegen. Die sozialen Netzwerke, die
für die direkte Kommunikation mit Zielgruppen eine enorme Bedeutung erlangt
haben, funktionieren hauptsächlich visuell. In den letzten Jahren haben diejenigen
Netzwerke einen besonderen Zulauf, in denen die Bereitstellung von statischen und
bewegten Bildern im Mittelpunkt steht. Ein Beispiel ist der Erfolg der Plattformen
Instagram und Snapchat, besonders bei jungen Rezipienten. Der zentrale Dreh- und
Angelpunkt ist hierbei die visuelle Darstellung in Form von Fotos oder Videos,
welche die eigentliche Botschaft ausdrückt. Der Text begleitet die Darstellung. Viele
der sozialen Netzwerke mit visuellen Schwerpunkt werden zudem hauptsächlich mit
mobilen Endgeräten genutzt, was die Rezeption von längeren Texten erschwert und
die visuelle Ausrichtung nochmals unterstützt. Die Bevorzugung von visuellen
Inhalten durch junge Rezipientengruppen wird in der Praxis durch den provokanten
Satz „Words are so Generation Y“ auf den Punkt gebracht, der aus einem Artikel der
New York Times Redakteurin Katherine Rosman aus dem Jahr 2014 stammt. Darin
wird Bezug genommen auf die Ansprüche der sogenannten „Generation Z“ der nach
1995 Geborenen, die mit visueller Kommunikation im Internet groß geworden ist.
Sie sind es gewohnt, zur Beschreibung ihrer Gefühle, Erinnerungen und Gedanken
kaum Worte, sondern stattdessen Fotos nutzen. (Sammer und Heppel 2015, S. 20)
Auch die Geschwindigkeit spielt eine große Rolle: Nach Kroeber-Riehl sind Bilder
schnelle Schüsse ins Gehirn, da ein Bild mittlerer Komplexität nur eine bis zwei
Sekunden für eine Aufnahme benötigt. (Kroeber-Riel 1993, S. 53)
222 A. Schach
Die zunehmende Bilderdominanz hat nicht nur in der Werbung, sondern auch in
der PR in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. (vgl. Herbst 2015,
S. 101) Auch in der klassischen Medienarbeit steigt die Bedeutung von Bildern
stetig an. Die Deutsche Presseagentur veröffentlicht beispielsweise täglich etwa
3000 Bilder und bis zu 100 Videos. Bis zu 77 Prozent der Journalisten lässt sich
durch relevante Pressebilder eher zu einer Veröffentlichung überzeugen, was eine
Untersuchung von 10.000 Pressemitteilungen durch den Pressedienst PRNewswire
ergab. (Sammer und Heppel 2015, S. 31) Das Bild wird oftmals wichtiger als das
Wort für eine erfolgreiche Medienarbeit. Die Corporate Webseiten vieler Unterneh-
men weisen heute eine magazinartige, stark visuelle anstatt eine textlastige Aufma-
chung auf. (Schach 2015, S. 156) Die Teilhabe am Fluss der visuellen Kommuni-
kation ist ein wichtiger Erfolgsfaktor in der Zukunft. Visuelle Elemente sollten
parallel und gleichwertig zum Text die Informationsträger und Ausdruck visueller
Narration sein. (Sammer und Heppel 2015, S. 28)
3 Multimodale Text-Bild-Flächen
Bild und Schrift gehen aus ähnlichen Ursprüngen hervor, denn historisch gesehen
haben Menschen gelernt, Sinn durch wiedererkennbare Formen zu kommunizieren.
Beide Zeichensysteme entstammen der symbolischen Kommunikation. Schon
wegen der gemeinsamen gestalteten Grundlage, der Sichtbarkeit in der Fläche,
Text und Bild in der Unternehmenskommunikation 223
können sie nebeneinanderstehen und auch ineinander übergehen. Bilder und Text
unterscheiden sich jedoch in wesentlichen Merkmalen, nämlich in Art, Mittel und
Zweck der Repräsentation. Wenn Texte eher für das Mitteilen und die Anregung zum
Denken zum Einsatz kommen, stehen Bilder für das Zeigen und Schauen. Bilder
wirken ikonisch: Sie bilden etwas ab oder stellen etwas vor. (Schmitz 2011, S. 31)
Die Wahrnehmung von Schrift und Bild unterscheidet sich grundsätzlich: Bilder
werden vom Ganzen zu den Teilen erblickt. Demgegenüber werden geschriebene
Texte sukzessiv von Teilen ausgehend zu einem Ganzen hin erlesen. Das Auge tastet
sich in linear von Zeichen zu Zeichen, um aus dem Einzelnen nach und nach einen
ganzen Sinn zu erschließen. Diese grundsätzliche Aneignungsweise von Text be-
zieht sich aber prototypisch auf den Schrifttext im Printformat. Untersuchungen
zur digitalen Rezeption am Computerbildschirm oder mobilen Endgerät zeigen eine
weitaus weniger lineare Aneignung. Bilder wurden bereits als visuelle Konfigura-
tionen (Doelker 2002, S. 187), statisch-zweidimensionale Seherlebnisse (Schuck-
Wersig 1993, S. 32) bzw. als Aufzeichnungen realer oder fiktiver Gegenstände
(Kroeber-Riel 1993, S. 35) definiert. Sie beruhen auf einer Ähnlichkeitsbeziehung
zwischen Figur und Bedeutung, wie Pörksen konstatiert:
„Visuelle Zeichen bedeuten aufgrund von Entsprechung, die Form selbst vermittelt hier die
Vorstellung“ (Pörksen 1997, S. 153)
• Das Involvement und die Einstellung, mit der an ein Bild herangegangen wird,
verändern;
• die Aufmerksamkeit auf ein Bild, einen Bildausschnitt oder ein einzelnes Detail
lenken;
• die gedankliche Verarbeitung und Speicherung des Bildes beeinflussen. (Kroeber-
Riehl 1993, S. 178)
Werden die Gedanken der Empfänger durch sprachliche Hinweise bereits vor der
Wahrnehmung des Bildes in eine den Bildinhalt betreffende Richtung gelenkt, so
wird die Aufnahme und Verarbeitung des Bildes erleichtert (Priming-Effekt). Davon
zu unterscheiden sind Wirkungen, die durch den unmittelbaren Zusammenhang von
Bild und Sprache eintreten, zum Beispiel durch die sprachlichen Bezeichnungen des
Bildmotivs. Das Involvement bei der Bildbetrachtung kann dadurch verstärkt werden,
224 A. Schach
dass man durch sprachliche Zusätze besondere Interessen der Zielgruppe anspricht.
Die wichtigste Aufgabe der Sprache besteht laut Kroeber-Riehl darin, die vorhan-
dene Mehrdeutigkeit der Bilder für den Empfänger einzuschränken, also die Inter-
pretation des Bildes zu präzisieren. (Kroeber-Riel 1993, S. 182)
Bei einem zum Bild passenden Text spricht man auch von einem „Rahmen“
(Frame), der den Bildinhalt zur Geltung bringt. Zugleich kann der Text die Verbin-
dung zur Botschaft verdeutlichen oder sogar herstellen. Pressebilder beispielsweise
bieten dem Leser einen visuellen Frame an, vor dessen Hintergrund er die textuellen
Informationen rezipieren und der seine Interpretation, Einordnung und Bewertung
modellieren kann. (Müller und Geise 2015, S. 263) Wie läuft der Wahrnehmungs-
prozess von Text-Bild-Kombinationen ab? Laut Stöckl (2011, S. 53) vollzieht sich
dieser Ablauf in vier Schritten: Noch bevor sich der Betrachter mit Bildbedeutungen
befasst, stellt er Vermutungen darüber an, welchem Zweck ein Bild dient oder
welche Funktionen es erfüllen soll (Kontext- und Situationserkennung). Bei der
Wahrnehmung visueller Formen und deren Integration zu bedeutungsvollen Zeichen
registriert der Betrachter die Komplexität des Bildes und seine ästhetischen Qualitä-
ten (Gestalterkennung und -integration). Der Bildinhalt selbst resultiert aus zwei
Beobachtungen: Was wird wie dargestellt und in welchem Kontext oder welcher
Situation werden die Objekte gezeigt? Dabei kategorisiert der Betrachter das Bild
nach seiner medial-technischen Beschaffenheit (z. B. Foto) und der Abbildungs-
praktik (Sachverhaltserkennung). Im vierten Schritt folgt die Sprache-Bild-Verknüp-
fung:
Multimodales Textverstehen ist demnach ein äußerst komplexer Prozess, der vor
dem Hintergrund der ständigen Verfügbarkeit von Text-Bild-Verknüpfungen im di-
gitalen Alltag eine enorme rezeptive Leistung darstellt.
der mit ihnen bewusst jemandem etwas mitteilen will. Die Relation eines Symp-
toms zu dem von ihm Bezeichneten ist die Natürlichkeit. Für die Unternehmens-
kommunikation spielen Symptome keine Rolle.
2. Ikonische Zeichen: Sie sind „echte“ Zeichen, weil sie von einem Zeichenbenutzer
als Kommunikationsmittel benutzt werden und sich an einen Adressaten richten.
Das Verhältnis zwischen Ikon und Gemeintem beruht auf Ähnlichkeit. Zu ikoni-
schen Zeichen zählen demnach viele Piktogramme und Verkehrszeichen. Ikone
sind oft (aber nicht immer) sprach- und kulturunabhängig verständlich.
3. Konventionalisierte Zeichen: Sie sind bewusst und intentional verwendete Kom-
munikationsmittel, die sich zu dem Gemeinten arbiträr und abstrakt verhalten.
Die Beziehung zwischen dieser Art von Zeichen und Bezeichnetem ist konven-
tionell von einer Gemeinschaft von Zeichenbenutzern festgelegt. Nur bei kon-
ventionalisierten Zeichen spricht man von Bedeutung. Keller spricht bei dieser
Zeichenklasse von Symbol. Die Relation eines Symbols zu dem von ihm
Bezeichneten ist die Arbitrarität. Die Beziehung zwischen dem Signifikant und
dem Signifikat beruht auf menschlicher Konvention und Vereinbarung statt auf
einer naturgegebenen Gesetzmäßigkeit. Symbolen fehlt die logische Verknüp-
fung zwischen Zeichen und Bedeutung. Das korrekte Interpretieren muss der
Rezipient zuvor gelernt haben. Exemplarisch ist das rote Kreuz ein Symbol,
welches wir mit der Bedeutung „Hilfe“ verbinden.
1. Redundanz: Sie liegt vor, wenn Bilder textergänzend verwendet werden. Die
zweifache Kodierung kann die Information intensivieren oder aber als dekorative
Funktion vom Inhalt des Textes wegführen.
2. Dominanz: Man unterscheidet zwischen Bild- und Textdominanz.
3. Komplementarität: Sie liegt vor, wenn kein Teil ohne den anderen in sich
vergleichbar ist, wenn beide sich in ihrem medienspezifischen Potential ergänzen.
Während bei einem Bild ein kontinuierlicher Zeichenfluss konstitutiv ist, besteht
Sprache aus diskreten, distinktiven Einzelzeichen. Bilder sind räumlich konfiguriert,
Sprache hingegen durch lineare Einheiten, also syntagmatisch. Bilder zeigen in der
Regel merkmalsreiche Objekte und senden vorwiegend emotionale Appelle. Mit
Sprache hingegen sind alle Illokutionen und Sprachakte möglich. Handlungen und
Ereignisse werden in der Zeit vermittelt. Bilder bieten dem Rezipienten ein Bedeu-
tungspotential, das durch einen entsprechenden Kontext aktiviert und erschlossen
werden muss. Solche Kontexte können Begleittexte sein, aber auch Genre-Wissen
sowie Erfahrung mit dem dargestellten Weltausschnitt. (Stöckl 2011, S. 49)
Schmitz verwendet für Text-Bild-Kombinationen den Begriff der Sehflächen, die
definiert sind als Flächen, auf denen Texte und Bilder in geplantem Layout gemein-
same Bedeutungseinheiten bilden. Der Begriff entstammt ursprünglich der Litera-
turwissenschaft und bezieht sich auf den Aspekt, dass schon rein schriftlicher Text
auf den ersten Blick in seiner visuellen Präsentation samt Seitenlayout und Schrift-
bild als Gestalt erfasst wird. Er wird meist nicht linear, sondern holistisch wahrge-
nommen, wie man es von Bildern gewohnt ist. (Schmitz 2011, S. 28) In diesem
Beitrag wird von Text-Bild-Fläche gesprochen. Der Begriff der Sehfläche erscheint,
wenn auch historisch angelehnt, problematisch, da er die Rezeptionssituation
(das Sehen) präzisiert, die Zeichensysteme jedoch nicht konkretisiert.
Stöckl schlägt drei Beschreibungsaspekte vor, um Sprache-Bild-Bezüge als Kom-
munikationsangebot zu typologisieren (Stöckl 2011, S. 56 f.):
1. Räumlich-syntaktische Muster
Zwei Typen sind grundsätzlich zu unterscheiden: Entweder folgt Sprache auf das
Bild oder umgekehrt (linearisiertes Muster) oder sie sind räumlich-grafisch ineinan-
der integriert (simultanes Muster). Folgt die Sprache dem Bild kann sich das
Bedeutungspotenzial des Bildes zunächst mit all seinen Anmutungsdimensionen
und seinem konnotativen Reichtum recht frei entfalten. Umgekehrt gilt: Der Rezi-
pient wird das Bild ganz gezielt lesen, um es zu bestimmten Elementen des Texts in
Beziehung zu setzen. In einem alternierenden Muster schließlich wechselt sich
Sprache und Bild ab, der eine Kode kann den anderen ersetzen, ihn punktuell
erläutern und semantisch erweitern.
2. Informationsbezogene Muster
der eine Kode den anderen erklärt, spezifiziert oder illustriert, ohne grundlegend
neue Wissensbestände oder Bedeutungskomplexe hinzuzufügen, erweitert bei einer
Extension ein Kode den anderen um dort nicht enthaltene, fremde und zusätzliche
Informationen und Inhalte. Elaborierte Sprache-Bild-Verknüpfungen lassen sich
zumindest tendenziell danach unterteilen, welche Zeichenmodalität dominant ist
und durch die jeweils andere illustriert bzw. erläutert wird. Bei Extensionen lassen
sich weitere Klassifikationen vornehmen, z. B. Gleichheit oder Ähnlichkeit, Gegen-
sätzlichkeit oder Komplementarität.
3. Rhetorisch-semantische Muster
In der Fachsprache der angewandten Kommunikation ist die Rede von der Sprache
des Bildes oder der Bildsprache auf der einen und vom „Schriftbild“ auf der anderen
Seite. Eine linguistische Herangehensweise erscheint somit rein begrifflich betrach-
tet, naheliegend. Die Grundfragen, die im Zentrum der Aufmerksamkeit für eine
Beschäftigung mit Sprache-Bild-Kombinationen in der PR liegen, könnten sein:
1. Welche semiotischen und kommunikativen Eigenschaften haben das Bild und der
Text als Elemente komplexer Kommunikate?
2. Wie unterscheiden sich Sprache und Bild grundsätzlich und nach welchen Mus-
tern geschieht ihre Verknüpfung?
3. Welche Typen von Bildern werden eingesetzt und was unterscheidet diese von-
einander?
Wissenschaftlich betrachtet sind Bilder problematische Objekte. Sie sind nicht klar
einer Disziplin zuzuordnen. Mit Bildern beschäftigt sich historisch gesehen die
Kunstgeschichte oder Kunstwissenschaft, aber auch die Philosophie, Semiotik,
Psychologie und Kommunikationswissenschaft müssen genannt werden; um nur
einige ausgewählte Perspektiven. In der semiotischen Tradition spricht man von
Bildgrammatik, Bildsemantik oder Bildpragmatik als Teildisziplinen einer Bildwis-
senschaft, die Strukturen, Inhalte und Funktionen von Bildern systematisch analysierbar
228 A. Schach
machen möchte. (Klemm und Stöckl 2011, S. 8) Der Begriff Bildlinguistik wurde
von Diekmannshenke et al. (2011, S. 9) geprägt und in einem Herausgeberband
systematisch aufgearbeitet. Die Bildlinguistik als Teildisziplin der Sprachwissen-
schaft befasst sich demnach mit dem Zusammenwirken von Text und Bild in
konkreten Kommunikationszusammenhängen. Statt pauschalisierende Aussagen
über Bilder zu erhalten, liegt das Erkenntnisinteresse bei konkreten Bildtypen und
deren kommunikativer Verwendung in fest umrissenen Situationen und Gebrauchs-
domänen. In der Regel sind Bilder nicht isoliert im Einsatz, sondern mit anderen
Zeichenmodalitäten in Gesamttexten verknüpft. Jedoch funktionieren Bilder in
vielerlei Hinsicht anders als Sprache, „weil beide Zeichensysteme strukturell,
semantisch und pragmatisch verschieden sind, werden sie in Texten und kommuni-
kativen Ereignissen kombiniert und ergänzen sich in ihrer Darstellungs- und Aus-
druckskraft.“ (Klemm und Stöckl 2011, S. 9) Linguistische Konzepte, Modelle und
Methoden sollen für die Beforschung des vorwiegend in massenmediale Texte
integrierten Bildes nutzbar gemacht werden. Das Ziel ist eine Multimodalitätslingu-
istik, die aber bisher noch keine etablierten präzisen Beschreibungskategorien
besitzt. (Klemm und Stöckl 2011, S. 15)
Die Text- und Diskurslinguistik liefert ein breites Kategorienspektrum in Bezug
auf die Merkmale von Texten (Kohärenz, Kohäsion, Textmuster etc.), auf die
Analyseebenen (Funktionalität, Situationalität, Thematizität und Formulierungsadä-
quatheit) sowie Ansätze zur Betrachtung der Bezüge, wie die Intertextualität. Auch
die Semantik, Pragmatik und Rhetorik liefern Begrifflichkeiten und Konzepte, die
sich auf die Forschung von sprachlicher Kommunikation anwenden lassen. Als
Aufgabe der Bildwissenschaften bezeichnen Klemm und Stöckl es, dieses Wissen
und die konstitutiven Regeln explizit zu machen, das Musterhafte hinter diesen
Zeichenverwendungen zu erkennen und für verschiedene Zielgruppen in Wissen-
schaft und Praxis fruchtbar zu machen. (Klemm und Stöckl 2011, S. 10) Eine
Theorie der multimodalen Kommunikation müsste so allgemein formuliert sein,
dass sie für alle Modi gleichermaßen gültig ist. Zudem müssen partikuläre Perspek-
tiven der kleinsten bedeutungstragenden Einheiten des Kommunikationsbeitrags
enthalten sein. Es gilt auch zu klären, ob es eine „semantische Multiplikation“ gibt,
dass der Gesamtsinn eines Kommunikats mehr ist als die Summe der Bedeutung
einzelner Elemente. (Bucher 2011, S. 127)
Ein Analysemodell für die Beschreibung der Dimensionen von Text-Bild-Flächen muss
zum einen den Text-Bild-Zusammenhang als holistisches Kommunikationsangebot
Text und Bild in der Unternehmenskommunikation 231
in den Blick nehmen und zum anderen die Andersartigkeit von Text und Bild
berücksichtigen. Aus der linguistischen Textanalyse kommend werden hier die vier
Beschreibungsdimensionen von Texten Funktionalität, Kontext, Themenentfaltung/
Inhalt und Form herangezogen und für die Nutzbarkeit bei Text-Bild-Flächen
differenziert. Dabei lassen sich einige Ebenen stärker ganzheitlich betrachten, wie
beispielsweise der Kommunikationskontext, in dem Text und Bild ja gemeinsam
verortet werden, andere Ebenen müssen stärker differenziert werden. Die Tab. 2
zeigt das Mehrdimensionenmodell für die Analyse von multimodalen Kommunika-
ten in der intentionalen Kommunikation.
Die Funktionalität ist das bedeutendste Merkmal von Text-Bild-Flächen und
nimmt in dem Modell eine übergeordnete Position ein. Hier lassen sich die fünf
Textfunktionen auf Text-Bild-Flächen übertragen. Die Textfunktionen können je-
weils explizit, aber auch implizit realisiert sein, was aus der Gesamtanalyse heraus
zu beurteilen ist. Die Unterscheidung zwischen Sprechakt und Bildakt wurde hier
vermerkt, um die Möglichkeit der getrennten Betrachtung von Text und Bild zu
berücksichtigen und gegebenenfalls eine Dominanzbeziehung hinsichtlich der Funk-
tionalität zu ermitteln.
Die zweite Ebene des Modells, der Kontext, umfasst die klassischen Merkmale
der Situationalität, die einen entscheidenden Einfluss auf das Kommunikat ausüben.
Neben der Kommunikationssituation zwischen Textproduzent und Textrezipient
spielt der kommunikative Kanal und die kommunikative Nähe oder Distanz eine
große Rolle bei der Einordnung der Text-Bild-Fläche. Eine Bestimmung der multi-
modalen Relation ist an dieser Stelle wichtig, um den semantischen Zusammenhang
zwischen Text und Bild zu ermitteln. Das Ergebnis der Analyse ist eine Beschreibung
232 A. Schach
Tab. 2 Dimensionen für die Analyse von intentionalen Text-Bild-Flächen. Quelle: eigene
Darstellung
TEXT BILD
FUNKTIONALITÄT
Dominante Text-Bild-Funktion (Sprech-/Bildakt)
Information Appell Dialog Obligation Deklaration
KONTEXT
Textsorte vs. Zeichenklasse
Textproduzent / Textrezipient
Kommunikativer Kanal
Kommunikative Nähe vs. Distanz
Rezeptionskontext (künstlerisch, kommerziell etc.)
Multimodale Relation
Redundanz Dominanz Komplementarität
THEMENENTFALTUNG / INHALT
Thema
Teilthemen Text Teilthemen Bild
Art der Themenentfaltung
Deskription Narration Argumentation Explikation
Ikonografie -Ebenen
Ikonologische
Vor-ikonografische A. A. Ikonologische I.
FORM
Kohärenz Text und Bild
Räumlich-syntaktisches Muster
Informationsbezogenes Muster
Rhetorisch-semantisches Muster
Sprachliche Merkmale Text- Design Platzierung
Lexeme Typografie Salience
Syntax, Tempus Layout Framing
spez. Formulierungen Farbe
welchen Beitrag Text und Bild leisten. Die Entfaltung des Themas kann bei einem
Text in verschiedenen Vertextungsstrategien geschehen, wie beispielsweise narrativ,
deskriptiv etc. Diese Ausprägungen lassen sich nur schwer auf ein statisches Bild in
der Text-Bild-Fläche übertragen.
An dieser Stelle lassen sich jedoch die drei Analyseschritte der ikonografischen
Analyse nutzen, um die Semantik des Bildes in unterschiedlichen Bedeutungsebe-
nen zu erfassen. Die vor-ikonische Beschreibung konzentriert sich zunächst auf die
Erfassung des „primären oder natürlichen Sujets“, also der neutralen Beschreibung
des Bildmotivs durch möglichst wenig Interpretation. Der folgende ikonografische
Analyseschritt erfasst Themen oder Konzepte, mit denen bestimmte Motive verbun-
den sind. Hier können auch textliche Elemente in die Analyse einbezogen werden.
Die ikonologische Interpretation hat das Ziel, die intrinsische Bedeutung des Bild-
motivs zu entschlüsseln. (Müller 2011, S. 33 ff.) Ziel ist es, die Besonderheiten des
Bildes mit allen Bedeutungsebenen im Detail zu erfassen. (Grittmann und Lobinger
2011, S. 167)
Die vierte Ebene umfasst den Analyseschritt, der sich auf die Form, Gestaltung
bzw. die Formulierungsspezifika des Textes bezieht. Zunächst kann anhand einer
Betrachtung der Kohärenzbeziehungen zwischen Text und Bild ein formaler Zusam-
menhang überprüft werden. Übergreifend eignen sich die Identifizierung des räum-
lich-syntaktischen, informationsbezogenen und rhetorisch-semantischen Musters
nach Stöckl (2011) für eine übergreifende Einordnung der Text-Bild-Fläche (vgl.
Abschn. 3.2). In Folgenden kann aufgrund der Andersartigkeit von Text und Bild
detailliert auf die Gestaltungs- und sprachlichen Merkmale einer jeden Zeichenform
eingegangen werden. Auch die visuelle Gestaltungskomposition des Textes findet
hier Berücksichtigung, sollte die Text-Bild-Fläche eine spezifische Typografie,
Farbgestaltung oder Layout besitzen. Die Erkenntnisse aus der Analyse des Kon-
textes, der Thematizität und der Form fließen in die abschließende Einordnung der
Text-Bild-Fläche hinsichtlich ihrer Funktionalität ein. Eine besondere Betrachtung
der Merkmale mehrerer Text-Bild-Flächen kann auch zu einer Einschätzung führen,
ob man von einem konventionell geltenden Muster einer Sprachgemeinschaft spre-
chen kann und eine Typisierung der Untersuchungsexemplare zu einer Text-Bild-
Sorte sinnvoll erscheint.
werden können. Instagram ist besonders bei jungen Nutzern beliebt und zählt über
300 Millionen aktive Nutzer. Dementsprechend nutzen viele Unternehmen diesen
Kanal, um Unternehmensbotschaften zu kommunizieren. Der visuelle Schwerpunkt
führt dazu, dass immer ein Bild gepostet werden muss; ein Kommentar zu dem Bild
und der Einsatz von sogenannten Hashtags (markierte Schlagwörter) sind zusätzlich
möglich und werden in der Regel verknüpft. Ein Unternehmensprofil unterscheidet
sich nicht von einem privaten Account. Kommerzielle Profile sind in der Regel
öffentlich zugänglich und können von Nutzern abonniert werden. Das hat die Folge,
dass die Nutzer alle neuen Veröffentlichungen automatisch angezeigt bekommen.
Der Corporate Account der Deutschen Bahn hat etwa 28.800 Abonnenten (Stand:
September 2016). Aspekte der Layoutgestaltung fallen bei diesem Kanal komplett
weg, da die Beiträge immer demselben Aufbau folgen: Bild, Kommentar, Hashtags.
Abb. 1 zeigt einen typischen Beitrag aus dem Unternehmensprofil der Deutschen
Bahn:
Quelle: Instagram Account „Deutsche Bahn“ (Foto: Bartlomiej Banaszak),
https://instagram.com/p/BEeFOQmpJzt/. Zugegriffen am 21.04.2016
Kontext
Die Kommunikationssituation ist geprägt von einer kommunikativen Distanz, wenn-
gleich der Nutzer sein Interesse an den Inhalten durch ein Abonnement signalisiert.
Die Rezeption findet zeitlich und räumlich getrennt statt, ist von Fremdheit und
Öffentlichkeit geprägt. Informationen zur Nutzerzielgruppe liegen dem Unternehmen
kaum vor. Für eine kommunikative Nähe spricht hingegen die Dialogizität, die durch
die Möglichkeit der Kommentierung und Zustimmung gegeben ist. Ob man bei einem
solchen Text von einer Textsorte sprechen kann, ist nicht hinreichend textlinguistisch
untersucht. Jedoch handelt es sich bei dem sogenannten Posting in Verbindung mit den
Hashtags um einen konventionalisierten Text, der von den Kommunikationsteilneh-
mern als Social-Media-Beitrag zu erkennen ist. Das Bild auf dieser Text-Bild-Fläche
kann von seiner Form keiner klassischen Werbebildkategorie zugeordnet werden und
würde in der Praxis am ehesten den Kriterien eines Schaubildes entsprechen, das
abstrakte Inhalte bildlich konkretisiert. Es ist nicht markenspezifisch gekennzeichnet,
wenngleich es sich bei der Abbildung eindeutig um ein Transportmittel der Deutschen
Bahn handelt. In Bezug auf die semantische Zeichenklasse kann man von einem
intentional verwendeten Kommunikationsmittel mit symbolischem Charakter ausge-
hen, da in Teilen implizierte Bedeutungen integriert sind, die auf der Interpretation des
Rezipienten beruhen. Dazu wird im Laufe der Bildanalyse noch detaillierter einge-
gangen. Die multimodale Relation von Text und Bild in diesem Beispiel ist weder von
einer Bild- noch von einer Textdominanz bestimmt. Beide Teile der Text-Bild-Fläche
ergänzen sich vielmehr in ihrem medienspezifischen Potential, was für das Kriterium
der Komplementarität spricht. Jedoch wäre der Text ohne Bild in seinen Inhalten und
Botschaften zu verstehen, das Bild allein kann diese Botschaften nicht übermitteln.
Somit kann man von einer redundanten Bildverwendung sprechen, was für den
Medienkanal überraschend erscheinen mag, da die Bildplattform von der Logik her
die visuellen Elemente in den Mittelpunkt des Beitrags stellt. Hauptbotschaftsträger in
diesem Beispiel ist der Text.
Text und Bild in der Unternehmenskommunikation 235
Abb. 1 Social-Media-
Posting im Instragram-Kanal
der Deutschen Bahn AG
Themenentfaltung/Inhalt
Wie lassen sich das Thema und die Teilthemen beschreiben, bzw. wie werden diese
durch Text und Bild entfaltet? Die dominanten Themen dieses Social-Media-Pos-
tings sind explizit das Erreichen der Klimaziele durch die Deutsche Bahn, implizit
das Umweltengagement des Konzerns. Das Thema wird im Text argumentativ
entfaltet und zeigt folgende Struktur:
Die Argumentation startet mit einer Behauptung, dass das Unternehmen Umwelt-
vorreiter werden möchte. Diese selbstgegebene Rolle wird durch vier Argumente
gestützt, die nicht nur die bisherigen Leistungen beschreibt, sondern in Argument
2 auch den dynamischen Willen des Unternehmens belegt, dass an der Rolle
weitergearbeitet wird, obwohl die Ziele bereits vor Frist erreicht wurden. Dies stützt
die Eingangsbehauptung zusätzlich. Die Argumentation setzt somit auf eine Dar-
stellung der bereits erreichten und der selbst gesteckten Ziele, um die Umweltvor-
reiterrolle als Hauptthema des Posts zu unterstützen. Als Teilthemen sind hier die
jeweiligen Argumente anzuführen, die verkürzt auf Umweltkennzahlen, CO2-Em-
missionen und den Mix mit erneuerbaren Energien sowie auch den verminderten
Verkehrslärm lauten. Dementsprechend kann man von vier Teilthemen sprechen.
Der Text endet nicht mit einer klassischen Konklusion, wie es für die argumentative
Themenentfaltung typisch ist, sondern setzt mit dem Verweis auf weitere Informa-
tionen einen Schlusspunkt der Argumentationskette. Wie verhält es sich mit dem
Bild in dem Beitrag? Entsprechend der ikonologischen Analyse muss man das Bild
zunächst als fotografische Abbildung eines ICE-Zugs der Deutschen Bahn beschrei-
ben, der durch eine ländliche Landschaft (Rapsfeld im Vordergrund, Wiese und
Bäume im Hintergrund) fährt. Auf der Abbildung befinden sich insgesamt 11 Wind-
räder. Die Anmutung des Bildes ist frühlingshaft, was durch das blühende Rapsfeld
und einen wolkenlosen, blauen Himmel unterstrichen wird. Wenn man dem ikono-
grafischen Analyseschritt folgend die Themen oder Konzepte des Bildes in den
Blick nimmt, zeigt sich die Symbolik des Bildes, die auch in einem direkten Bezug
zum Text steht. Die Windräder auf dem Bild, die eindeutig intentional eingesetzt
wurden, unterstützen das Argument der Nutzung von erneuerbaren Energien. Der
ICE-Zug hat zwar keinen logischen Zusammenhang zu den Windanlagen auf dem
Bild, durch die Nähe der Abbildung wird jedoch eine semantische Verknüpfung
hergestellt. Die Umgebung des Zuges ist sehr natürlich, die Verkehrssituation zeigt,
wie harmonisch bzw. umweltverträglich sich das Transportmittel in der Kultur-
Landschaft bewegt. Dies wird symbolisiert durch das blühende Rapsfeld im Vorder-
grund. Der Bezug zum Argument der CO2-Emmissionssenkung und zur Lärmsenkung
wird hergestellt. Geht man noch einen Schritt weiter, könnte man als zusätzliche, eher
holistische Bedeutungsebene des Bildes die Botschaft „Die Bahn ist ein umwelt-
freundliches Transportmittel“ herauslesen, was durch den Gesamteindruck des Bil-
des implizit realisiert wurde. Diese übergeordnete Botschaft stützt somit die Haupt-
aussage des Textes, dass die Deutsche Bahn Umweltvorreiter wird. Die spezifische
semantische Logik und Wirkweise des Bildes kann somit die Glaubwürdigkeit der
Behauptung unterstützen, ggf. auch als zusätzlicher Aspekt eines Gesamtthemas in
der Text-Bild-Fläche eingebunden werden.
Text und Bild in der Unternehmenskommunikation 237
Form
Der Beitrag ist als eine kohärente Text-Bild-Verbindung zu typisieren. Es bestehen
eindeutige inhaltliche Zusammenhänge der zeichenspezifischen Elemente, die hier
jedoch nicht aufgrund der intentionalen, sondern durch die vorgegebene Anordnung
erzielt werden. Es besteht eine semantische Verknüpfung von Bild und Text durch
zeichenübergreifende Verweise. Die Formulierungen des Texts nehmen gezielt auf
das Bild Bezug, bzw. das Bild greift Inhalte des Textes auf.
Der sprachliche Stil des Textbeitrags ist für ein Social-Media-Posting untypisch
sachlich gehalten. Es wird zwar aus der „Wir-Perspektive“ geschrieben, der Rezipi-
ent jedoch nicht direkt adressiert. Eine Anregung zum Dialog findet nicht statt. Die
Sätze sind von einer adäquaten Länge, von der Wortwahl her jedoch wenig dem
onlinetypischen, eher umgangssprachlichen Stil angepasst. Der Text beginnt mit
einem starken Begriff, dem „Umweltvorreiter“, arbeitet jedoch im Verlaufe des
Textes mit Begriffen, die eher einem Berichtsstil entlehnt sind, wie beispielsweise
„vorfristig“, „spezifischen“, „formulierten Ziele“. Der Text ist sachlich-neutral for-
muliert, wertende Nominalkonstruktionen oder Adjektive werden kaum eingesetzt.
Social-Media-Texte sind medial schriftlich realisiert, oft jedoch von einer konzep-
tionellen Mündlichkeit geprägt. Das ist hier nicht der Fall. Die Darstellung der
Argumente erfolgt faktenbasiert und deskriptiv, eine emotionale sprachliche Bedeu-
tungszuschreibung ist nicht realisiert. An dieser Stelle setzt der Beitrag auf die
spezifische Wirkweise des Bildes, die dem Rezipienten implizit vermittelt, was die
sachlich formulierten Leistungen bzw. Ziele des Unternehmens bewirken, nämlich
eine intakte Natur, die auf dem Bild zum Ausdruck kommt.
Welche Muster lassen sich in Bezug auf die Relation von Text und Bild festhal-
ten? Der Beitrag zeigt ein linearisiertes Muster, in dem das Bild auf den Text folgt.
Die Anordnung vom Bild (das zuerst wahrgenommen wird) und Text (der unter dem
Bild zu finden ist) lässt in der Rezeptionssituation jedoch zunächst das Bild wirken.
Inwiefern ein alternierendes Muster in der Rezeption vorliegt, dass sich also Sprache
und Bild abwechseln, könnte durch Rezeptionsuntersuchungen wie eine Blickver-
laufsanalyse geklärt werden. Das informationsbezogene Muster basiert in diesem
Beispiel auf Elaboration. Der eine Kode spezifiziert den anderen ohne grundlegend
neue Wissensbestände oder Bedeutungskomplexe hinzuzufügen, der Zeichenkode
Text ist in diesem elaborierten Text-Bild-Gefüge als dominant zu bezeichnen. Wie
bereits beschrieben, liegt in diesem Beitrag ein komplexes rhetorisch-semantisches
Muster vor, dem man eine Ursache-Wirkung-Beziehung zuordnen kann. Während
der Text die Ursachen sachlich erläutert, fokussiert das Bild durch seine Anmutung
die Wirkungen der Bemühungen des Konzerns für eine bessere Umwelt. Eine
Analyse der Platzierung ist in diesem Beispiel überflüssig, da es keinen Raum für
intentionale Anordnungen im Medienkanal gibt.
Funktionalität
Wie ist abschließend die Funktion der Text-Bild-Fläche zu bewerten? Text und Bild
haben übergreifend Züge einer Informations- und Appellfuntion. Für die Informati-
onsfunktion sprechen das übergreifende Textthema, der sachlich-neutrale Vertex-
tungsstil und die Dichte an inhaltlichen Fakten im Text. Die argumentative Art der
238 A. Schach
Themenentfaltung deutet auf einen Appellcharakter des Textes, der durch die seman-
tische Verknüpfung des Bildes gestärkt wird. Das Unternehmen möchte dem Rezipi-
enten ein dezidiert benanntes Selbstbild als Umweltvorreiter kommunizieren, mit dem
Ziel die Einstellung zur Bahn als umweltfreundlichem Transportmittel zu festigen oder
zu verändern. Dieser appellative Charakter der Text-Bild-Fläche wird insbesondere
durch die symbolischen Bedeutungselemente des Bildes unterstützt. Dabei bilden Text
und Bild ein kohärentes Kommunikat mit wechselseitigen Verweisen. Die spezifische
Logik des Bildes als intuitives, eher freies Zeichensystem trägt zur appellativen
Funktion bei, indem die Ursache (Text) mit individueller Wirkung (Bild) eine Verbin-
dung eingeht. Die Sprache konkretisiert die Lesart des Bildes, während das Bild die
gedankliche Verarbeitung und Speicherung der Botschaft durch implizite Appelle
beeinflusst. Insgesamt ist somit die Appell-Funktion als dominant zu bewerten,
wenngleich sie im Text-Bild-Zusammenhang implizit realisiert ist.
6 Fazit
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Die Rolle der Sprache in der Innovations-
und Change-Kommunikation
Helmut Ebert
Zusammenfassung
Der Beitrag plädiert dafür, die Rolle der Sprache in der Change- und Innovati-
onskommunikation linguistisch zu untersuchen und das Potenzial insbesondere
der Frame- und Diskurssemantik für die wirkungsvolle Gestaltung von Innova-
tions- und Change-Prozessen zu nutzen bzw. gezielt weiterzuentwickeln.
Schlüsselwörter
Change • Innovation • Kognition • Sprache • Ambiguierung • Desambiguierung •
Perspektivieren • Framing • Produktentwicklung • Leitbildentwicklung
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
2 Rolle der Linguistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
2.1 Sprache, Semantik und Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
2.2 Schwächen bisheriger Beschreibungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
2.3 Paradigmenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
3 Die kognitive Leistung der Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
3.1 Perspektivierung von Informationsinhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
3.2 Ambiguierung und Desambiguierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
3.3 Framing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
3.4 Fallbeispiel Innovation: Honda Civic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
3.5 Fallbeispiel Change: Stadtverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
H. Ebert (*)
Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft, Universität Bonn, Bonn,
Deutschland
E-Mail: helmut.ebert@uni-bonn.de
1 Einleitung
durch neues Wissen ersetzt oder verändert werden kann. Diese späte Hinwendung
der Linguistik zum Wissen (vgl. Hundt und Biadala 2015, S. IX–XV) hat damit zu
tun, dass lange Zeit die Linguistik sich nur zuständig sah für die Beschreibung des
Sprachwissens und das Weltwissen aus der Betrachtung ausklammerte. Erst mit der
Framesemantik (vgl. Busse 2012) setzte sich die Einsicht durch, dass Sprach- und
Weltwissen nicht zu trennen sind. Entsprechend lautete die Frage nicht mehr „Was
für eine Bedeutung hat ein Wort?“ sondern „Was muss man wissen, um ein Wort zu
verstehen?“. Auf diese Weise wurde verstanden, dass der Ort der Bedeutung nicht
das Wort sein konnte, sondern Bedeutungen werden interaktiv in Äußerungszusam-
menhängen hervorgebracht. Dann wird auch nachvollziehbar, dass Verständigung
gerade nicht einen geteilten Zeichenvorrat zur Voraussetzung hat, wie es das Sender-
Empfänger-Modell der Kommunikation propagiert. Sondern es ist umgekehrt: inso-
weit wir riskieren, auch nicht verstanden zu werden, und insofern wir uns auf die
Vagheit der Sprache einlassen und mit Überschussbedeutungen rechnen, entsteht in
dem Maße ein geteilter Zeichenvorrat, in dem wir erfolgreich interagieren.
Dass die Linguistik das herausfordernde Feld der Veränderungs- und Innovati-
onskommunikation brachliegen ließ, hat auch damit zu tun, dass man annahm, die
Sachverhalte und Dinge (der Außenwelt) seien unproblematisch und gegeben oder
faktisch. Problematisch sei nur das Sprechen über die Sachverhalte und Dinge. Dass
Sprache immer deutend auf Wirklichkeit zugreift und neue Wirklichkeiten schafft,
kam nicht in den Blick. Vermutlich auch deshalb nicht, weil die sog. Abbildtheorie
der Sprache sehr wirkungsmächtig war und ist. Nach dieser Theorie soll Sprache
Wirklichkeit abbilden. Diese Theorie ist längst widerlegt. Würde Sprache Wirklich-
keit abbilden, liefe das auf nichts anderes als eine symbolische Verdoppelung der
Wirklichkeit hinaus. Aber die Verdoppelung der „Welt“ ist nicht das, worum es beim
Sprechen und erst recht nicht in Innovations- und Change-Prozessen geht. Gleich-
wohl war es für die Linguistik nicht einfach, sich von einem Verständnis von
Sprache als Wirklichkeitsabbild zu lösen und sich einem Verständnis von Sprache
zu nähern, wonach Sprache Wirklichkeit nicht abbildet, sondern schafft bzw. kon-
struiert. Die späte Hinwendung der Linguistik zur (Sprachgebrauchs-)Semantik als
interaktiv hervorgebrachtes Ergebnis von Schlussfolgerungen und Kontextualisie-
rungen hatte auch mit der Dominanz des informationstechnischen Kommunikati-
onsmodells von Shannon und Weaver (1949) auch in der Linguistik zu tun, deren
Kommunikationstheorie von Kay (2005, S. 134) für den „Niedergang der Semantik“
steht. Hinzu kommt, dass von allen Kommunikationsmodellen das Sender-Emp-
fänger-Modell „die deutlichsten Spuren in Managementtheorie und -praxis hinter-
lassen. Dies vor allem deshalb, weil es sich gut in das herkömmliche objektivistisch-
funktionalistische Management-Leitbild einfügt“ (Stahl und Menz 2014, S. 23), das
bestimmt wird von einem Denken in Maschinen-Bildern („Stellschrauben“, „Han-
deln auf Knopfdruck“ u. a.). Die Idee der Kommunikation als Übertragung von
Nachrichten hat dazu beigetragen, die für Innovations- und Change-Prozesse zen-
tralen semantischen Faktoren zu verschütten. Damit solche Prozesse kommunikativ
gelingen, dürfen Prozesse der Sinn-Konstruktion („planend“) und Sinn-Konstitution
(„sich entwickelnd“) nicht dem Zufall überlassen bleiben. Und es kommt darauf an,
Sprachwissen und Erfahrungswissen in ihrem Wechselbezug zu verstehen, was
244 H. Ebert
mittels der Frame- und Diskurssemantik möglich geworden ist (vgl. Ziem 2005).
Das Ausgreifen ins Ungewisse kennzeichnet die Change-Kommunikation und die
(genetische) Innovationskommunikation. Im ersten Fall geht es um die Veränderung
eines organisationalen Zustandes, d. h. den Übergang von Situation A zu Situation B
(Change-Kommunikation). Im zweiten Fall geht es um das Hervorbringen neuer
Ideen (genetische Innovationskommunikation).
Die Rolle der Sprache bei der Entstehung von Innovationen ist empirisch so gut wie
noch nicht erforscht und daher Gegenstand eines aktuellen und vom Autor mitent-
wickelten Forschungsprojektes. Erste Ansätze, Gespräche unter dem Aspekt der
Wissensvermittlung und Wissensgenese zu untersuchen, existieren im Bereich der
angewandten Gesprächsforschung (vgl. Dausendschön-Gay et al. 2010; Depper-
mann et al. 2010; Deppermann 2015). Allerdings sind die zentralen semantischen
Prozesse, die dabei ablaufen, bislang empirisch noch nicht untersucht worden. Wir
verfügen jedoch über wertvolle Erkenntnisse der Sozialwissenschaften. Lester und
Piore (2004) haben aus qualitativen Interviews mit Entwicklern (Ingenieure und
Designer) und Kunden nachgewiesen, dass die bislang favorisierte Methode der
Ingenieure, nämlich das analytische Problemlöseverfahren, nicht funktionieren
kann, weil es beim Innovieren nicht die eine vor ab bestimmbare Problemlösung
gibt. Bei einem solchen analytischen Verfahren spielt die Sprache als Instrument der
kollektiven Wissensschaffung eher eine untergeordnete Rolle. Es wird zudem weit-
hin unterstellt, dass das diesbezügliche Sprechen und die Verständigung mit Fach-
kollegen anderer Disziplinen unproblematisch sei, was in der Praxis nicht der Fall
ist. Entscheidend ist jedoch für unsere Überlegungen, dass wir es beim Innovieren
und Verändern mit offenen Problemen zu tun haben, bei denen die Lösung nicht
vorhersehbar ist. Deshalb ist der kommunikative Austausch von Wissen und Per-
spektiven vor dem Hintergrund unterschiedlicher Verstehenskontexte wichtig. Les-
ter und Piore (2004) haben herausgefunden, dass nicht das analytische Problemlö-
sungsverfahren zu erfolgreichen Innovationen führt, sondern das interpretative
Verfahren. Dieses Verfahren wird von den beiden Sozialwissenschaftlern analog zu
einem Partygespräch bzw. zur Konversation modelliert. Dieses Partygespräch-
Modell ist wesentlich besser geeignet, um neues Wissen hervorzubringen, weil
Konversationen durch sprachliche Vagheit (Ambiguität) angetrieben werden. Wie
genau man sich solche Gespräche und den Sprachgebrauch vorzustellen hat, darüber
sagen Lester und Piore (2004) wenig. Aber die Effekte und Phasen werden gut
beschrieben. Über die Effekte heißt es: „..the design team persisted with the fourth
door [i. e. die vierte Tür für einen Mini-Van, eine Idee, die von Marktforschern
verworfen worden war], believing in this case that they knew more about their
customer’s requirements than did the customers themselves. In effect they were
saying to the customers, „You don’t really know what features you need on this
vehicle; just tell us what you want to do with it, how you want to use it, and we’ll tell
you what you need“. Their confidence stemmed from their thorough understanding
Die Rolle der Sprache in der Innovations- und Change-Kommunikation 245
of the background, concerns, and interests of users. Many members of the design
team were themselves living the live of the typical minivan user (the team included
some soccer moms), and they knew how often they had been inconvenienced by the
current configuration. It was the rich contextual understanding that led the designers
to interpret what the customers were saying as a need (of which the customers
themselves were unaware) for the fourth door“ (Lester und Priore 2004, S. 83 f.).
Über die Phasen eines Innovationsgespräches heißt es: „The lessons of the cocktail
party can be summarized in a series of distinct but closely related roles for the
manager: Step One: choose the guests, Step Two: initiate the conversation, Step
Three: keep the conversation going, Step Four: refresh the conversation with new
ideas“ (Lester und Priore 2004, S. 57 f.). Lester und Piore (2004) betonen, dass im
Verlauf solcher Konversationen eine neue Sprache entsteht, und dass sich im Verlauf
der Konversation neue Bedeutungen entwickeln. Man kann sich das Entstehen einer
neuen Sprache im Paradigma der interkulturellen Kommunikation so vorstellen:
Wenn der Wille zum offenen Austausch vorhanden ist, und wenn wertschätzende
Kommunikation und ein hohes Maß an Empathie gegeben sind, dann resultiert aus
dem Gespräch zwischen Angehörigen verschiedener Professionen bzw. aus Gesprä-
chen zwischen Menschen mit verschiedenen Wissens- und Erfahrungshintergründen
(Kunde – Experte, Mann – Frau, Ingenieur – Marketingleiter etc.) ein Drittes als
etwas, das genauso vorher weder in der einen noch in der anderen „Kultur“ vorhan-
den war. Dieses Dritte steht für das, was zwischen den Angehörigen verschiedener
Kulturen neu zum Vorschein kommt: neue Bedeutungen, neue Gesprächsroutinen,
neue Interaktionsstile etc. Vor diesem Hintergrund muss man sich vor dem Missver-
ständnis hüten, den Begriff der interkulturellen Kommunikation lediglich als eine
Form der Kommunikation zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen zu ver-
stehen. Wesentlich angemessener ist es, interkulturelle Kommunikation als die
Summe derjenigen sprachlichen Ausdrücke und Strategien zu verstehen, die als
gemeinsamer neuer Bestand aus der Kommunikation resultieren.
Für die Beschreibung der Sprache in der Change-Kommunikation können wir
uns auf Wagner und Guse (2015) stützen, handelt es sich hierbei doch um den
unseres Wissens linguistisch profiliertesten Beitrag zum Thema, wenngleich auch
hier die eigentlichen Signifikationsprozesse und die Entstehung von neuen Bedeu-
tungen nicht unter die Lupe genommen werden. Mit Recht warnen Wagner und Guse
(2015, S. 184) aber davor, den Einfluss der Sprache auf das Gelingen von Change-
Projekten zu unterschätzen: „Das ist fahrlässig, wenn man bedenkt, dass Sprache als
Grundlage der schriftlichen und verbalen Kommunikation die Entscheidungsfin-
dung und den Transfer von Wissen in Organisationen positiv beeinflusst.“ Die
„sprachliche Auseinandersetzung in Form von Diskussionen, Diskursen, Meetings
oder Flurgesprächen prägt die Entwicklung eines Change-Vorhabens auf beträcht-
liche Weise“ (ebd.). Sprache wird von Wagner und Guse (2015) im Gesamtzusam-
menhang der Herausforderungen von Change-Projekten gesehen. Dabei geht es um
den Umgang mit Ängsten und Widerstand, um das Erarbeiten eines gemeinsamen
Verständnisses der Situation, um die angemessene Vermittlung von Botschaften des
Managements an die Mitarbeiter, um den Aufbau von Vertrauen, um die Festlegung
von Kommunikator-Rollen und vieles mehr. Die Bedeutung der Sprache in der
246 H. Ebert
2.3 Paradigmenwechsel
Ein Sprachmodell der Change- und Innovationskommunikation muss die oben ge-
nannten Probleme lösen. Dann können die Stärken linguistischer Ansätze noch
deutlicher herausgearbeitet und in konkrete Handlungsempfehlungen überführt wer-
den. Im Folgenden seien diese Stärken kurz beschrieben: (i) In Gesprächen und
Diskursen entwickeln sich neue Bedeutungen. Mit neuen Bedeutungen kommen
neue Wirklichkeiten zum Vorschein. (ii) Natürliche Sprachen sind auf semantische
Ambiguität angelegt, um funktionieren zu können. Ambiguität ermöglicht flexibles
Agieren in wechselnden Situationen und sichert die Anschlussfähigkeit der Kom-
munikation von Personen mit unterschiedlichen Wissenshintergründen. (iii) Sprach-
liche Ambiguität und Ambiguitätstoleranz sind die Quellen, aus der neue inhaltliche
Impulse und Perspektiven hervorgehen, die das Wahrnehmen und Denken öffnen.
(iv) Barrieren für neue Bedeutungen sind Gewohnheiten (ritualisierte Formen der
Kommunikation) und konventionelle Bedeutungen, die den Blick für das anders
Gesagtes oder Gemeinte verstellen können. Barrieren sind ferner die fachsprachli-
chen Bedeutungen, die das Entstehen einer gemeinsamen Sprache z. B. zwischen
Experten unterschiedlicher Profession verhindern. Eine weitere Barriere ist der
sachlich-abstrakte Sprach- und Textsortenstil, der nur den Verstand anspricht, aber
nicht das Gefühl und das innere Erleben. (v) Sprache prägt die Identität von
Individuen und von Gruppen. Weil Veränderung und Erneuerung oft als Bedrohung
der Identität erlebt wird, kann es zu kognitiven und sozialen Blockaden kommen.
Deshalb ist Sprache zugleich als Instrument des Coachings zu gebrauchen, um
solche Blockaden aufzubrechen. (vi) Nicht nur der Sprachgebrauch kann mit Blick
auf gelingende Change- und Innovationskommunikation verbessert werden, auch die
Sprache als Zeichensystem ist der bewussten Entwicklung zugängig. Entsprechend
sind die vorhandenen Ausdruckspotenziale mit Behutsamkeit weiterzuentwickeln
bzw. zu pflegen und bewusst zu machen. So spricht viel dafür, dass die der deutschen
Die Rolle der Sprache in der Innovations- und Change-Kommunikation 247
Die Leitfrage lautet: Wie gelingt es, mittels Sprache neues Wissen zu erzeugen?
Teilfragen sind: Wie verhalten sich alte zu neuen Wissensbeständen? Wie werden
Wissensbestände im Sprachverstehen modifiziert und adaptiert?
1
Vgl. Bruce Duncan (Prof. für deutsche Sprache, Dartmouth College, USA): „Warum die deutsche
Sprache so viele großartige Wörter besitzt“, in: Sprachnachrichten Nr. 71.3, 2016, S. 9.
248 H. Ebert
Sachverhalte“ (Hundt und Biadala 2015, S. XI). Die Suche nach konsensfähigem
Wissen erfolgt durch den Abgleich der Perspektiven. Durch Perspektivierung wer-
den die Wahrnehmungsmöglichkeiten zwar eingeschränkt, andererseits „gewinnen
sie dadurch aber auch an Konkretheit, weil die Reduktion von Wahrnehmungs-
möglichkeiten zugleich eine Konzentration des Blicks auf bestimmte Wahrneh-
mungsinhalte ermöglicht“ (ebd., S. 369). Köller (2004) unterscheidet drei grundle-
gende Perspektivierungsverfahren von Wissen zu Konzepten und Sachverhalten, die
sich selbstverständlich nicht gegenseitig ausschließen: die begriffliche Perspektivie-
rung in Form von Definitionen, die metaphorische Perspektivierung mittels Sprach-
bilder, die ausgehend vom bekannten Wissen die jeweils zu verstehenden Zielkon-
zepte ansteuern, und die narrative Perspektivierung: z. B. mythische Erzählungen
(Baum der Erkenntnis, Platons Höhlengleichnis).
Die Tragweite der Perspektivierung sehen wir am Beispiel des Konzeptes „Schlüs-
sel“. Aus Sicht der Mechanik haben Schlüssel die Funktion, Türen zu öffnen und zu
schließen. Eine ganze Industrie lebt(e) von der Herstellung mechanischer Schlüssel-
systeme. Sobald man aber die Perspektive wechselt und abstrahierend einen Schlüssel
als ‚Identifizierungsfunktion für Zugangsuchende Personen“ definiert, erkennt man
schnell, dass sich mechanische Schlüssel durch Chipkarten und andere Identifizie-
rungsmethoden (Irisscanner) ersetzen lassen. Viele Hersteller mechanischer Schlüssel
waren aus unterschiedlichen Gründen blind für diesen Perspektivenwechsel (vgl.
Kerka und Kriegesmann 2008). Als Beispiel für eine metaphorische Perspektivierung
verweisen wir auf die Entwicklung des Honda Civic, bei der am Beginn des Innova-
tionsprozesses folgende Suchrichtung vorgegeben wurde: ein Auto als „tall boy“
(s. u.). Als Beispiel für die narrative Perspektivierung von Sachverhalten seien Träume
(Traum vom Fliegen), Diskurse („Industrie 4.0“) oder Visionen genannt (vgl. die
Wikipedia-Vision: Stell Dir eine Welt vor, in der jeder einzelne Mensch freien Anteil
an der Gesamtheit des Wissens hat. Ein angemessener Gebrauch der Sprache ermög-
licht also den multiperspektivischen Zugriff auf neue Konzepte und Sachverhalte. Auf
diese Weise wird der Ausgriff in das Ungewisse strukturiert und dem blinden Zufall
entzogen. Sprache sichert zudem durch Perspektivenabgleich das konsensfähige
Wissen bezüglich einer Sachverhaltsdarstellung.
Mit sprachlicher Ambiguität ist gemeint, dass sprachliche Ausdrücke vom Wort über
den Satz bis zum Text vage sein können. Dem Entwicklerteam des Honda Civic war
mit Absicht die ambige Suchformel „man maximum – machine minimum“ vorgegeben
worden. Auch war explizit performativ der Wille betont worden, ausgetretene Pfade zu
verlassen: „Let’s gamble!“ war des Motto des Innovationsprojektes (vgl. Liebert 2003).
Sich bewusst mehrdeutig oder vage ausdrücken, nennt man Ambiguierung von Infor-
mation. Vage Information vereindeutigen, heißt Desambiguieren. Beide Begriffe sind
gerade für die Change- und Innovationskommunikation wichtig und nicht linguistisch
vorgebildeten Führungskräften wenig vertraut (vgl. Stahl und Menz 2014, S. 15).
In Change- und Innovationskontexten geht es um den konstruktiven Umgang mit
Die Rolle der Sprache in der Innovations- und Change-Kommunikation 249
3.3 Framing
Ein Frame ist eine Vorstellung über einen bestimmten Wirklichkeitsausschnitt. Diese
Vorstellung beeinflusst das (strategische) Handeln, Verhalten und Verstehen. Die
Wirklichkeitsvorstellung ist geordnet, weshalb wir auch von mentalen Strukturen
oder Wissensrahmen sprechen, die unser Wissen über ein Thema auf eine bestimmte
Weise strukturieren. Als Skript kann ein Frame Wissen über eine Handlungsabfolge
abbilden, wie z. B. den typischen Verlauf eines Restaurantbesuchs. Als mentales
Modell kann ein Frame ein Konzept abbilden, wie z. B. die Vorstellung über Autos,
Raketen oder Kindergeburtstage. Frames bestehen aus den Strukturelementen Slot,
250 H. Ebert
Filler und Defaultwerte und der Menge ihrer Beziehungen zueinander: (1) Slots sind
konzeptuelle Leerstellen, die mittels sinnvoll zu stellenden Fragen identifiziert
werden können, (2) Fillers sind Füllelemente dieser Slots, die den in der Datenbasis
enthaltenen Informationseinheiten entsprechen, (3) Default-Werte sind die in einem
Kollektiv vorausgesetzten und prototypisch erwartbaren Füllelemente der Slots.
Default-Werte werden deshalb in Kommunikationsprozessen immer schon unter-
stellt und müssen nicht eigens expliziert werden. Der Frame AUTO enthält z. B. den
Slot „Wodurch wird das Auto angetrieben?“ Füllelemente können dann sein:
Benzinantrieb, Dieselantrieb, Hybridantrieb. Für die meisten Menschen dürfte der-
zeit der Default- oder Standardwert noch „Benzin- bzw. Dieselmotor“ lauten. Die
Zukunft wird zeigen, ob sich der Defaultwert ändert oder nicht: Elektroantrieb,
Wasserstoffantrieb. Überhaupt zeigt der Diskurs über die Antriebsart und das fah
rerlose Auto, wie sich unsere Vorstellungen über das Auto ändern. Ob sich mentale
Modelle des Mainstreamdiskurses („Elektroantrieb“) oder Modelle von Nischen-
diskursen („Wasserstoffantrieb“) durchsetzen, ist nicht nur eine Frage der Technik,
sondern auch eine Frage von Macht und Interesse. Die Wissenselemente von Frames
sind keine absoluten Elemente, sondern sie sind immer an die Perspektive (s. o.), das
Interesse oder die Ziele eines Individuums oder eines Kollektivs gebunden bzw. auf
die gewünschte Perspektivenübernahme durch einen Leser hin berechnet. Daher ist
die oft gehörte Empfehlung, Innovationsmanager sollten beispielsweise auch Mes-
sen besuchen, die mit ihrem Fachgebiet gerade nichts zu tun haben, sinnvoll, um ihr
vorhandenes Wissen neu zu strukturieren. Individuelle Frames repräsentieren indi-
viduelle Erfahrungen, kollektive Frames repräsentieren die Erfahrungen von
Gruppen, die sich zu einer (partiell) gemeinsamen Sehweise verfestigen. Eine
zentrale Grundannahme der Frame-Theorie besagt, dass Bedeutungen von Wörtern
und Sätzen nur als Wissen von Sprechern existieren. Insofern alles Sprechen not-
wendig elliptisch ist und insofern alles Sprechen ein Versuch ist, innere Handlungen
der Angesprochenen zu steuern, erweisen sich alle verwendeten sprachlichen Mittel
und Verfahrensweisen als eine Informationsbasis für Schlussfolgerungen von Le-
sern/Hörern. Derjenige, der andere überzeugen oder überreden will, muss also seine
Kommunikation so gestalten, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass seine Leser/
Hörer die vom Sprecher gewünschten Schlüsse ziehen. Dabei besteht eine weitere
Herausforderung für den Sprecher darin, die Verstehenskontexte des Lesers zu
antizipieren und das Gesagte auf diese hin zu berechnen. Der Nutzen des bewussten
Umgangs mit den eigenen mentalen Strukturen besteht darin, dass man Konzepte
semantisch auseinandernehmen und neu zusammenbauen kann. So hat z. B. der
Physiker Stephen Hawking ein innovatives Konzept von Raketen entwickelt, mit
dessen Hilfe die bisher unmögliche Reise zum Sternensystem Alpha Centauri statt
mit herkömmlicher Technologie in 20.000 Jahren nun in 20 Jahren möglich werden
könnte.2 Die Grundidee besteht darin, sich eine Rakete briefmarkenklein aber mit
einem riesigen Photonensegel ausgestattet zu denken, weil dieses Konzept von
2
http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/stephen-hawking-und-juri-milner-wollen-sonde-zu-
alpha-centauri-schicken-a-1086903.html.
Die Rolle der Sprache in der Innovations- und Change-Kommunikation 251
Rakete keinen eigenen Antrieb vorsieht. Aus diesem Grund soll das Photonensegel
von der Erde oder dem erdnahen Weltall aus mit Photonen beschossen werden, um
die Mini-Rakete bzw. Mini-Rakete zu beschleunigen, und zwar auf ein Fünftel der
Lichtgeschwindigkeit. Ein weiterer Nutzen des gezielten Umgangs mit Frames
besteht darin, dass in multiprofessionellen Teams die Standardwerte von Frames
metakommunikativ ins Bewusstsein gerückt werden können. Denn in der Regel
unterstellen Sprecher einander wechselseitig, über dieselben Standardwerte zu ver-
fügen, weshalb dieses Hintergrundwissen zwar oft eine Quelle von Missverständnis-
sen ist aber selten explizit thematisiert wird. Für die Vermittlung oder Diffusion von
neuen Ideen spielt das Framing ebenfalls eine große Rolle (vgl. Wagner und Guse
2015, S. 196). Die Wahl der Frames beeinflusst entscheidend das schlussfolgernde
Verstehen. Turner (1991) hat in seinem Beitrag über die Entwicklung einer Sicher-
heitskultur in der chemischen Industrie darauf hingewiesen, dass Organisationen
dazu tendieren, eine bestimmte Sicht der Dinge zu favorisieren: „All organisations
foster their own way of lookin at the world, their own way of talking about ist, and
their own favoured arguments [. . .] It is helpful to managers and to operators who
would like to follow company policy, in safety as in other matters, if they have
arguments to hand to justify their intentions. Making information and arguments
available, to show the sense in being concerned about damage and injury, will help
them when faced with a need to explain their actions or their attitudes. For example,
such arguments could concern quality, effectiveness and its wider cost implications,
company image, and the workers’ and managers’ sense of self-worth in the job. Also,
since protecting others from harm is an issue which has many moral implications,
arguments in the moral sphere should not be neglected“ (Turner 1991, S. 242).
Am Beispiel der Neuentwicklung des Honda Civic hat Liebert (2003, S. 88–90)
gestützt auf die Ausführungen in Nonaka und Takeuchi (1997) gezeigt, wie durch
das Zusammenspiel von Perspektivierung, Ambiguierung und Framing durch Meta-
phern neues Wissen erzeugt wurde. Die Unternehmensführung von Honda wollte
ihren Honda Civic neugestalten und stieß diesen Prozess an mit dem Motto „Let’s
Gamble!“ Damit war nicht nur die Frage „Welchen neuen PKW-Typ wollen wir
herstellen?“ gestellt, sondern die Risikometapher machte deutlich, dass man eine
besonders gewagte Antwort erwartete. Die Frage kann also umformuliert werden:
„Welchen PKW-Typ können wir herstellen, wenn wir etwas ganz Neues wagen?“ In
der zweiten Phase des Projektes prägte der Projektleiter Hiroo Watanabe eine Sinn-
formel als Umriss der Zielvorstellung: „Autoevolution“. Hier kommt sprachliche
Ambiguität ins Spiel, denn der Bedeutungsüberschuss von „Autoevolution“ schaffte
einen Raum möglicher Interpretationen, der zur Gewinnung neuen Wissens genutzt
wurde. Die metaphorische Übertragung der Evolutionsvorstellung von Lebewesen
auf Technik führte zu dem Verständnis, „dass sich das Auto mit der Evolution des
Menschen mitentwickeln und sich so dem Menschen anpasst und nicht umgekehrt“
(Liebert 2003, S. 89). Durch Transformation der Metapher und Einschränkung
252 H. Ebert
Frame „Irren ist menschlich“: „Wir sind nicht der liebe Gott, wir sind nur Menschen.
Man gibt sein Bestes, ist aber kein Roboter. Wir brauchen eine Fehlerkultur“.
Frame „menschenfreundliche Arbeitsplätze“: „Hier sollten die Mitarbeiter auch so
untergebracht werden, dass sie sich wie Menschen fühlen können. In vielen
Bereichen sind die Büroeinrichtungen – speziell auch die Bildschirmarbeitsplätze
– ein voller Witz“.
Frame „Menschlichkeit“: „Vertrauen schenken. Spaß ist nicht unwichtig. Sich selbst
sollte man nicht allzu ernst nehmen. Freude an der Arbeit ist ganz wichtig“.
Die Rolle der Sprache in der Innovations- und Change-Kommunikation 253
Frame „Mitarbeiter als Ressource“: „Ressource Mensch, der Mensch als Kapital!
Die Unterschiedlichkeit der Menschen ist eine Chance! Den Leitsatz finde ich
etwas hölzern. Der Ausdruck „Laden“ ist zu gewollt locker. Vorschlag stattdes-
sen: Hinter jedem Produkt, jeder Leistung stehen Menschen?“
Frame „Gleichheit“: „Wir sind alle gleich! „Mensch“ heißt nicht Berufsrolle oder
Funktion. Menschlichkeit und menschliche Organisation, nicht Behörde!“
Frame „Leistungsumfang“: „Laden steht für ein kleines Geschäft. Ein Laden hat
viele Produkte. Es gibt viele Angebote unserer Verwaltung: Kultur, Sicherheit etc.
Nicht immer ist alles vorhanden. Wo Sachen verkauft werden, gibt es aber auch
Ladenhüter. Was sind denn unsere Ladenhüter?“
Frame „Beziehung zum Kunden“: „Beim Laden hat man noch Kontakt, anders als im
anonymen Supermarkt. Ein Laden muss sich weiterentwickeln, um von den Kun-
den angenommen zu werden. Service! Wir müssen die Bürger ernst nehmen“.
Frame „Rechtsform“: „Soll das heißen, dass Privatisierungen anstehen und wir als
Mitarbeiter sind die Ware, die verkauft wird?“
4 Fazit
Die Rolle der Sprache in der Change- und Innovationskommunikation hat eine
dekonstruierende und eine konstruierende Funktion. Dekonstruierend, weil Gegen-
stände und Sachverhalte, die in die unhinterfragte Vertrautheit des Habitualisierten
und Stereotypisierten entschwunden waren, sprachlich-diskursiv auch wieder ins
Bewusstsein gerückt werden können. Konstruierend, weil alternative Benennungen,
die als sachlich angemessen und möglich erscheinen, einen Ausweg aus der Ge-
schlossenheit des Gewohnten eröffnen, das sich als unzulänglich erweist und einer
254 H. Ebert
Neubestimmung bedarf. Soll ein bekannter Sachverhalt im Licht eines neuen Ver-
ständnisses erscheinen, so sind alternative Benennungen mit der Qualität von
Arbeitshypothesen ein probates Mittel für exploratives und interpretatives Problem-
lösen. Wie gezeigt werden konnte, sind Ambiguierung/Desambiguierung und Perspek-
tivierungen hierfür ein zentrales sprachlich-geistiges Werkzeug, um neue Wirklich-
keiten zu erfassen. Erweisen sich spezifische Benennungsversuche als konsensfähig
und gestalterisch fruchtbar, so gibt dies Anlass zur Einführung eines neuen Systems
(„Feldes“) von kohärenten Benennungen und Aussagen, die den angestrebten und
erwünschten Zielzustand beschreiben und anhand von Differenzierungen und Ergän-
zungen dieser Beschreibungen zunehmend konkretisieren. Zugleich damit ergibt sich
ein zugehöriges von allen betroffenen Akteuren akzeptiertes und affirmiertes
Befindlichkeits-, Wahrnehmungs- und Handlungsprogramm. Auf der Grundlage dieser
Resultate resultiert schließlich ganz natürlich die Formulierung der Leitbild-
konstitutiven Aussagen, die so einen starken Verbindlichkeitscharakter für alle Betei-
ligten erhalten. Genau das ist gemeint, wenn wir betonen, dass erfolgreiche soziale
Neuerungen und Veränderungen nicht befohlen werden können, sondern dass sie von
innen heraus gemeinsam entwickelt und bejaht werden müssen.
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Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Sprache
in den Public Relations
Martha Kuhnhenn
Zusammenfassung
Für den Erfolg von Public Relations ist eine glaubwürdige Kommunikation
essenziell: Erst sie ermöglicht Vertrauen zwischen der relevanten Organisation
und ihren Stakeholdern. Insbesondere in der Online-Kommunikation dienen
verbale und audiovisuelle Ressourcen als Träger von potenziellen Anzeichen
von Glaub- und Vertrauenswürdigkeit. In der Forschungsliteratur existieren ver-
schiedene Ansätze, die Faktoren von Glaubwürdigkeit und Vertrauen identifizie-
ren. Am Beispiel des Internetauftritts des Deutschen Roten Kreuzes Kreisverband
Ostvorpommer-Greifswald e. V. diskutiert der Beitrag sowohl das Potenzial
verschiedener Modi zur Generierung von Glaub- und Vertrauenswürdigkeit als
auch die unterschiedlichen Faktoren für deren Konstitution.
Schlüsselwörter
Glaubwürdigkeit • Vertrauen • Public Relations • Online-Kommunikation •
Reputation
Inhalt
1 Einleitung: Glaubwürdigkeit und Vertrauen in den Public Relations – Relevanz und
Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
2 Sprachliche Merkmale und Faktoren zur Stärkung von Glaubwürdigkeit und
Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
3 Fallbeispiel: Deutsche Rote Kreuz Kreisverband Ostvorpommern-Greifswald e. V. . . . . . . 262
4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
M. Kuhnhenn (*)
Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft, Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald,
Greifswald, Deutschland
E-Mail: martha.kuhnhenn@uni-greifswald.de
Die Relevanz von Sprache wird in den Wirtschaftswissenschaften unter dem Schlag-
wort des linguistic turn zunehmend erkannt (vgl. Stahl und Menz 2014, S. 2). Ebert
(2015, S. 482) ist zuzustimmen, dass sich „Vertrauen nicht herstellen lässt, sondern
[. . .] sich als Folge von organisationalen und interaktionalen Veränderungen ein-
stellt.“ Gleichwohl wird vorliegend angenommen, dass solche Veränderungen zu
wesentlichen Teilen auf den kommunikativen Akten von Institutionen und Organi-
sationen basieren. Der Beitrag rückt daher verbale, und auch audiovisuelle Mittel der
potenziellen Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskonstitution in den Mittelpunkt.
Aktuelle Studien in dem hier relevanten Feld fokussieren dabei vor allem den
Aufbau von Glaubwürdigkeit und Vertrauen in Unternehmenskommunikation. Hu-
big (vgl. 2014, S. 364) etwa skizziert theoretische Überlegungen und hebt Praxis-
aspekte für die Vertrauensförderung hervor. Dazu zählt er beispielsweise direkte,
verständnisvolle Kommunikation in Form des Dialogs, Offenheit und Transparenz,
die Übermittlung von Sicherheitssignalen. Ähnlich konzentrieren sich Bentele und
Seidenglanz (vgl. 2015) auf Leitgedanken und Aspekte grundsätzlicher Art für die
Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskonstitution in den Public Relations; beispielhaft
260 M. Kuhnhenn
schen Roten Kreuz verwendet.2 Der Slogan ist vor allem auch wegen der emulierten
Handschrift ein Eyecatcher. Inhaltlich kann die Aussage „Aus Liebe zum Men-
schen“ als Begründung für die Arbeit des Kreisverbands gelesen werden. Der Slogan
liest sich wie die Antwort auf die (imaginäre) Fragen: „Warum gibt es den Kreis-
verband?“ oder „Warum arbeitet der Kreisverband?“. Das Substantiv „Liebe“ ist
nicht nur als Hochwertwort zu verstehen und positiv denotiert, sondern es es
verweist auch auf einen humanen Akteur; denn in der Regel sind es Menschen,
die zur Liebe fähig sind. Somit erfährt der Kreisverband eine Personifizierung.
Zusammenfassend finden sich im Slogan einige Merkmale, die den Aufbau von
Glaubwürdigkeit und Vertrauen stärken. Die Personifizierung kann die Sympathie
gegenüber den Komunikator stärken, dies gilt auch für die emulierte Handschrift und
das Substantiv „Liebe“ sowie die damit verbundene implizite Begründung, dass der
Kreisverband aus Liebe zum Menschen arbeitet. Sympathie und Interesse am Partner
sind somit die Faktoren, die beim Blick auf die Homepage als erste aktiviert werden,
um beim Stakeholder Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu schaffen (Abb. 1).
Unter den Reitern steht ein rekursiver Link zur Homepage des Kreisverbands,
daneben befindet sich ein weiterer Slogan des Verbands: „Helfen, Retten, Pflegen,
Bilden.“ Diese substantivierten Adjektive bilden das Spektrum der Dienstleistungen
des DRK ab und finden sich in den weiteren Texten auf der selben Seite wieder
(Abb. 2):
1
http://wb.drk-intern.de/brief_41.html. Zugegriffen am 18.03.2017.
2
https://www.aus-liebe-zum-menschen.at/. Zugegriffen am 18.03.2017.
264 M. Kuhnhenn
Auf der linken Seite werden auf einem grau hinterlegten Balken abermals die
substantivierten Adjektive „Helfen, Retten, Pflegen, Bilden“. Darunter werden die
Besucher der Seite direkt angesprochen: „Werte Gäste [. . .]“. Sodann heißt es, dass die
Gäste auf der Internetseite die Möglichkeit haben, sich über das „breite Leistungs-
pektrum“ zu informieren. Mit diesem kurzen Text markiert der Kreisverband seine
Kompetenz. Zwar nennt er keine konkreten fachlichen oder sachlichen Kompetenzen,
aber zumindest werden grobe Bereiche genannt (Pflege, Rettung, Bildung). Da der
Kreisverband davon ausgehen kann, dass das DRK den meisten Besuchern der
Internetseite bekannt sein dürfte, erscheint es plausibel, dass diese Schlagwörter
ausreichen, um beim Leser die Assoziationen der Kompetenzbereiche vom DRK zu
wecken. Zudem ist unter dem Text ein Video eingestellt, welches weitere Informatio-
nen zu den Kompetenzen des DRK erwarten lässt (zum Video siehe unten).
Rechts neben diesem Text ist ein weiterer Textblock platziert. Dessen Überschrift
wiederholt den bereits bekannten Slogan „Aus Liebe zum Menschen“. Sodann
wiederholt sich der vierschrittige Slogan „Helfen, Retten, Pflegen, Bilden“, welche
als „Grundpfeiler unserer Dienstleistungen“ vorgestellt werden. Das Substantiv
„Grundpfeiler“ weckt Assoziationen zu einem Haus. Somit wird beim Rezipienten
möglicherweise folgende Metaphorik evoziert: Das DRK gleicht einem soliden
Haus, welches auf vier Grundpfeilern steht. Die bis dato noch nicht ausgeführten
Substantive („Helfen [. . .]“) erfahren nun eine Konkretisierung, so wird expliziert,
dass der Kreisverband unter anderem einen Rettungsdienst, einen Pflegedienst,
Kindertagesstätten, Familien- und Seniorenarbeit, Katastrophenschutz, eine Wasser-
wacht, das Jugendrotkreuz und eine Rettungshundestaffel betreibt. Dergestalt stellt
der Kreisverband konkret, ohne nebensächliche Details und damit nachvollziehbar
Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Sprache in den Public Relations 265
seine Dienstleistungen dar. An dieser Stelle markiert er vor allem seine Kompetenz
und dies auf verständliche Art und Weise.
Auffällig ist weiterhin die Verwendung von zahlreichen Personalpronomen.
Direkt unter dem Textblock findet sich ein expliziter Appell an den Leser: „Auch
Sie können aktiv mitwirken!“, links daneben befindet sich ein stilisiertes rotes Kreuz
mit der Aufschrift „Jetzt Mitglied werden“. Der Klick darauf führt zur Unterseite
„Fördermitgliedschaft“. Ganz rechts, neben den Textblöcken, sind weitere Kästen
angeordnet, die zur Mitarbeit aufrufen. Die Überschriften arbeiten mit Personalpro-
nomen, um den Leser einzubinden: „Ihre DRK-Nummer“ spricht den Leser an und
betont die Serviceleistung. Das darunter gefasste Statement „Ich will helfen“ impli-
ziert die Perspektive des Lesers. Mit diesem Statement schafft der Kreisverband
abermals sprachlich eine Nähe zum Leser, was potenziell die Sympathie des Lesers
gegenüber der Organisation zu verstärken vermag.
Auf der Homepage ist ein Video eingebettet. Ohne dass das Video gestartet wird,
ist bereits dessen Titel sichtbar: „Deutsches Rotes Kreuz: Wir in Vorpommern.“ Der
Titel verortet den Kreisverband explizit in seiner Region, was abermals eine Nähe –
und womöglich auch ein Interesse an – zu den lokalen Stakeholdern kommuniziert.
Mit Reinmuth und Schäfer lässt sich damit vermuten, dass bereits die Vorschau des
Videos die Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Organisation stärkt.
Zudem bietet es neben den sonst primär verbalen Informationen und Symptomen
der Glaub- und Vertrauenswürdigkeit eine neue modale Qualität, nämlich audiovi-
suelle Eindrücke. Diese zusätzlichen Modalitäten haben das Potenzial weitere Trans-
parenz zu schaffen. In dem Video äußern verschiedene Stakeholder ein- bis zwei-
seitige Statements, die, so kann aus dem Kontext geschlossen werden, auf den DRK
referieren. Als eine Art Collage werden verschiedene Szenen, in denen das Deutsche
Rote Kreuz Ostvorpommern e. V. aktiv ist sowie O-Töne von Bürgern, gezeigt. Der
Imagefilm arbeitet vor allem mit visuellen Eindrücken, so wird dem Zuschauer
anhand der diversen Szenen bewusst, in welchen Bereichen, das DRK aktiv ist
(Betreiber von Kindergärten, Rettungswägen, Blutspende, Rettungsschwimmer,
„Gulaschkanone“). Der gesprochene Text, und damit der verbal vermittelte Inhalt,
beschränkt sich auf wenige O-Töne. Die erste Sprecherin ist ein Mädchen, welches
vermutlich einen Kindergarten besucht, der in Trägerschaft des Kreisverbands steht
(Abb. 3). Letzteres wird nicht explizit vermittelt, ist aber aus dem Kontext schließ-
bar. Das Mädchen wiederholt den bereits bekannten Slogan „Aus Liebe zum Men-
schen.“, dies ist auch die erste verbale Aussage in dem Video. Der bereits bekannte
Slogan wird damit multimodal vermittelt: textlich und audio-visuell. Er wird somit
fast zu einem Mantra, dem sich der Rezipient nicht entziehen kann. Bezüglich des
Aufbaus von Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind zwei Lesarten möglich: Zum
einen kann sich die Wiederholung positiv auf die Glaubwürdigkeit einer Aussage
auswirken. Diese Wirkung entspräche dem „Truth-Effekt“: „[. . .] if people are told
something often enough, they’ll believe it.“ (Hasher et al. 1977, S. 112; Koch und
Zerback 2011). Ebenso ist aber auch denkbar, dass die mehrfache Wiederholung
dem Rezipienten negativ auffällt, und als zu markante Eigenwerbung interpretiert
wird. Womöglich erscheint die Aussage auch als platte Floskel, die den Aufbau von
Vertrauen und Glaubwürdigkeit gefährdet (vgl. Reinmuth 2009, S. 140).
266 M. Kuhnhenn
O-Ton: „Aus Liebe zum Menschen“ Ähnlich ambigue ist die folgende Aussage zu
interpretieren (Abb. 4). In dieser äußert sich eine Frau, die aufgrund des Kontextes
(Marktplatz) und ihrer alltäglichen Kleidung als Passantin und vermeintlich zufällig
Befragte, nicht aber als Vertreterin des Kreisverbands, charakterisiert werden kann.
O-Ton: „Hat ein ehrliches Image“ Die Passantin sagt aus, dass das DRK ein
„ehrliches Image“ habe. Im besten Falle akzeptiert der Rezipient diese Aussage, da
sie von einer oberflächlich betrachtet neutralen Person geäußert wird. Gleichsam
kann die explizite Charakterisierung des Kreisverbands als „ehrlich“ auch negativ
für die Zuschreibung von Glaubwürdigkeit sein. Reinmuth (vgl. 2009, S. 140) stellt
fest, dass die offenkundige Betonung der eigenen Glaubwürdigkeit den Kommuni-
kationspartner womöglich misstrauisch macht, da sich dieser fragt, warum sich der
Kommunikator als glaubwürdig darstellen muss (Im Sinne der Fragen: „Warum
betont jemand seine Ehrlichkeit? Hat er oder sie etwas zu verbergen?“).
Als letzte Szene aus dem Video soll das Statement eines offensichtlich aktiv
Engagierten aus dem Kreisverband näher beleuchtet werden (Abb. 5). Es handelt
sich hierbei um einen Mann, der ein T-Shirt mit dem Logo des DRK trägt und der in
der offenen Wagentür eines, vermutlich, Rettungswagens steht. Dank der genannten
Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Sprache in den Public Relations 267
Requisiten ist der Mann als Vertreter des DRK identifizierbar, seine Aussage
bestätigt dies. Er äußert das Statement: „Wir sind immer da, wenn andere Hilfe
brauchen.“
O-Ton: „Wir sind immer da, wenn andere Hilfe brauchen“ Mit dem Personalpro-
nomen „wir“ stellt sich der Sprecher als Vertreter des Kreisverbands dar und
vermittelt zudem den Eindruck, dass der Verband eine solidarische Gruppe ist. Der
Eindruck von Solidarität entsteht zum einen dadurch, dass der Sprecher seine
Aussage scheinbar für den gesamten Kreisverband tätigt, er differenziert keine
spezifische Untergruppe. Zudem vermittelt die Aussage, dass das DRK „immer“
da ist, wenn dessen Hilfe verlangt wird, einen Grad an Verbindlichkeit und Solida-
rität. Freilich kann der Allquantor „immer“ auch negativ als Übergeneralisierung
verstanden werden, was die Glaubwürdigkeit des Kreisverbands zu mindern vermag.
Während die vorherigen Statements vor allem die Ebene der Sympathie und die
Nähe zu den Stakeholdern markiert haben, tangiert der Vertreter des Kreisverbands
mit seinem Auftreten und seiner Aussage stärker die Ebene der Kompetenz. Zwar
führt er seine sachliche Kompetenz nicht aus, aber anhand der Kleidung und des
Rettungsfahrzeugs lassen sich seine Fähigkeiten in diesem Kontext erahnen. Die
Aussage, „immer da zu sein, wenn andere Hilfe brauchen“, lässt ihn gleichsam
nahbar (weil hilfsbereit) und kompetent erscheinen. Da er als Vertreter des DRK
erkennbar ist, können diese Attribuierungen von ihm auf den Kreisverband projiziert
werden.
4 Fazit
Eine glaubwürdige Kommunikation ist für den Aufbau von Vertrauen im Kontext
von Public Relations unerlässlich. Verbale wie auch nonverbale Ressourcen stehen
dabei als Träger von Anzeichen für die Glaub- und Vertrauenswürdigkeit des
Kommunikators zur Verfügung. Die sprachliche Analyse ist für die Betrachtung
der Konstituierung sowie der Aufrechterhaltung von Glaubwürdigkeit und Vertrauen
268 M. Kuhnhenn
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Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Sprache in den Public Relations 269
Zusammenfassung
Die Evaluation strategischer Kommunikation bewertet in der Regel, inwieweit
die intentionale Einflussnahme auf Stakeholder im Organisationsumfeld gelingt.
Der Kommunikationsprozess selbst als emergente, soziale Interaktion bleibt
meist unbeachtet. In diesem Beitrag soll die linguistische Gesprächsanalyse als
Evaluationsinstrument der Interaktion in einer Bürgerveranstaltung im Rahmen des
Stromnetzausbaues vorgestellt und hinsichtlich ihrer Eignung bewertet werden.
Schlüsselwörter
Bürgerbeteiligung • Gesprächsanalyse • PR-Evaluation • Soziale Interaktion •
Strategische Kommunikation
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
2 Strategische Kommunikation und Evaluation zwischen Intention und Emergenz . . . . . . . . 273
3 Die Gesprächsanalyse: Ziele, Annahmen, Vorgehensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
4 Öffentlichkeitsbeteiligung beim Stromnetzausbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
5 Exemplarische Analyseperspektiven einer Informationsveranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
5.1 Interaktionale Spezifika der Veranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
5.2 „Gesundheitliche Schäden“: Die Formulierung und Bearbeitung einer
Publikumsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
5.3 Weitere Analyseperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
6 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
1 Einleitung
1
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text an Stellen, an denen die weibliche und
männliche Form gemeint ist, nur die männliche Form verwendet.
Intention und Emergenz 273
Format verfolgen. Abschließend wird überprüft, welche Konsequenzen aus der Ge-
sprächsanalyse gezogen werden können und inwieweit sie sich als Evaluationsinstru-
ment der PR insbesondere in Bezug auf das Beschreiben sozialer Interaktion eignet.
vorgestellten normativen Modelle sich vor allem mit der Intention hinter strategi-
scher Kommunikation und ihrer Umsetzung befassen, tragen konstituierende
Modelle zur Untersuchung der Emergenz strategischer Kommunikation aus einem
Kommunikationsprozess heraus bei. Emergenz beschreibt hier strategisches Han-
deln, das nach einem festen Muster abläuft und zunächst unbeabsichtigt aus einem
Prozess heraus entsteht (Mintzberg und Waters 1985, S. 258–259). Da strategische
Kommunikation eine Wechselbeziehung zwischen Intention und Emergenz darstellt,
sollte ihr Verständnis idealerweise sowohl normative als auch konstitutive Elemente
enthalten.
Die Erforschung von Emergenz kann zum Verständnis der Reflexionsleistung
von Akteuren und ihrer Anpassung an Kommunikationsprozesse beitragen: Inwie-
fern nehmen Akteure Diskrepanzen zwischen intendierter und tatsächlich stattfin-
dender Kommunikation wahr und inwiefern passen sie ihr Handeln an? Die Frage
nach der Responsivität findet in der PR-Forschung jedoch kaum Beachtung. Diese
konzentriert sich eher auf die Untersuchung externer Kontextsteuerung, also die
intendierte Beeinflussung des Organisationsumfeldes (vgl. Hoffjann 2009). Dabei
liegen zahlreiche theoretische Überlegungen vor, die diese Doppelrolle der PR
bestärken: das „engineering of consent“ (Bernays 1955); die PR-Rolle im
Stakeholder-Ansatz, bei der die Organisation Plattform für die Aushandlung der
Interessen von Anspruchsgruppen ist (vgl. Karmasin 2015); die „architecture of
listening“ in der Organisation (Macnamara 2015), um besser mit komplexen, wider-
sprüchlichen, unsicheren und instabilen Organisationsumfeldern umgehen zu kön-
nen. „Während Unternehmenskommunikation beziehungsorientierter wird, entwi-
ckelt sich Kommunikationssteuerung zu einem Response-Management, das eine
fortlaufende Anpassung der Ziele und Maßnahmen an die Meinungen und Erwar-
tungen der Stakeholder erforderlich macht“ (Rolke und Sass 2016, S. 6). Damit
rückt die Untersuchung emergenter Kommunikation als Interaktion, also der Bezie-
hung zwischen Organisationen und dem organisationalen Umfeld, in den Fokus der
Evaluation von PR. Findet sich dies in der Evaluationspraxis wieder?
Seit rund 40 Jahren ist eine wissenschaftliche Beschäftigung mit PR-Evaluation
erkennbar (vgl. Volk 2016). Stets wird PR-Evaluation im Kontext planerischer
PR-Strategie verortet, wie die Genese von PR-Evaluationsmodellen deutlich macht.
Auch wenn dynamische Kreislaufmodelle über Feedbackschleifen organisationales
Lernen andeuten, fragen Studien zur Evaluationspraxis in ihren Items meist nur nach
Methoden der Evaluation wie Befragungen oder Inhaltsanalysen, die geeignet sind,
Veränderungen im Sinne der Organisation bei den Bezugsgruppen zu erkennen,
z. B. Wissen, Einstellungen und Verhalten der Stakeholder (z. B. Zerfaß et al. 2017).
Evaluationen in die eigene Organisation hinein im Hinblick darauf, wie sich dort
Akteure im Sinne organisationaler Selbststeuerung verändert haben, finden sich
kaum. Dies gilt auch für die Medienresonanzanalyse als Beobachtung der sozialen
Interaktion der beteiligten Akteure durch die Medien sowie das Monitoring der
Interaktion in sozialen Medien. Selbst im auf Verständigung angelegten Konzept
von Burkart, in dem gleichberechtigte Akteure mittels besserem Argument in einem
herrschaftsfreien Diskurs um die beste Lösung ringen, ermittelt die Evaluation in
ihren Fragestellungen lediglich die Einflussnahme auf die betroffenen Stakeholder
Intention und Emergenz 275
Die Spannbreite der Bürgerbeteiligung reicht von der Information über die
Konsultation bis hin zur partnerschaftlichen Kooperation (vgl. Nanz und Fritsche
2012, S. 23–24). Informationen zu den Projekten sind durch Bekanntmachung,
Auslegung von Unterlagen und Informationsveranstaltungen der Planer zu artikulie-
ren. Auf dieser Grundlage werden dazu bei Konsultationen die Meinungen der
Bürger sowie Träger öffentlicher Belange eingeholt, durch Stellungnahmen, Befra-
gungen oder Bürgerversammlungen. Ob und in welchem Umfang die gewonnenen
Informationen Eingang in die Planung finden, obliegt meist den Entscheidungsträ-
gern. Bei Kooperationen „auf Augenhöhe“ werden Interessen und Argumente
ausgetauscht und Positionen zu Kompromissen verhandelt.
Als Anforderungen an die Beteiligungsverfahren lassen sich vier Gerechtig-
keitsdimensionen identifizieren: die distributive, prozedurale, informationale und
interpersonale Gerechtigkeit (vgl. Fuhrberg et al. 2016). Die distributive, d. h.
Verteilungs- oder Ergebnisgerechtigkeit, beurteilt, ob die Risiken des Netzausbaus,
wie z. B. der Wertverlust von Immobilien, die Beeinträchtigung des Landschafts-
bildes sowie gesundheitliche Beeinträchtigung durch elektromagnetische Strahlung,
im Vergleich zu anderen Bürgern gerecht verteilt sind. Werden Risiken sachlich
relativiert, Vorteile der verträglichsten Trassenführung deutlich gemacht und ggf.
Kompensationen angeboten, wird das Projekt gerechter empfunden. Die prozedu-
rale Gerechtigkeit als Prozess- oder Verfahrensgerechtigkeit hängt von der wahrge-
nommenen Teilhabe im Planungs- und Entscheidungsprozess ab. Transparente Rah-
menbedingungen, eine formelle und informelle Prozessstruktur mit definiertem
Mandat, ein einheitliches Vorgehen sowie Beteiligungsmöglichkeiten bei räumlich
wie zeitlich zugänglichen Informationsanageboten sind im Sinne eines Erwartungs-
managements zu kommunizieren. Als gerecht wahrgenommene Planungsprozesse
steigern ebenfalls die Akzeptanz.
Die Quantität und Qualität der Informationen für Betroffene beschreibt die
informationale Gerechtigkeit. Dem Bürgerwunsch nach leicht zugänglichen, akku-
raten und vor allem inhaltlich gleichbleibenden Informationen kann durch rechtzei-
tige, anschaulich verständliche, konsistente, ehrliche, selbstkritische, angemessene
sowie zielgruppenspezifische Informationen in unterschiedlichen Medien entspro-
chen werden. Veranstaltungen sollten Bedenken und Verbesserungsvorschläge auf-
greifen, mit einfacher Sprache ohne unnötigen Fachjargon sowie mit Bildern,
Grafiken oder Karten die Sachverhalte den jeweiligen Bezugsgruppen verständlich
machen. Nutzen und Risiken sind dabei offen anzusprechen. Es sollte dabei Eini-
gung über den Wahrheitsgehalt von Behauptungen und Erklärungen wie z. B. über
technische Fakten (was), über die Funktion und Zielsetzungen der handelnden
Akteure (wer) sowie über die Legitimität der Interessen (warum) erzielt werden.
Eng verknüpft mit der informationalen ist die interpersonale Gerechtigkeit.
Betroffene Bürger wünschen sich mit gleichbleibenden Ansprechpartnern einen
würdevollen, freundlichen und respektvollen Umgang auf Augenhöhe, in dem Nöte,
Sorgen und Befürchtungen aufgegriffen werden, Verständnis und Unterstützung
gezeigt sowie empathisch kommuniziert wird. Unangemessene Bemerkungen und
Kommentare, voreingenommene, gönnerhafte Kommunikation von oben herab schla-
gen dagegen negativ zu Buche. Bürger beurteilen die interpersonale Gerechtigkeit
Intention und Emergenz 279
2
Als Material dient eine gut zweistündige Aufzeichnung der Informationsveranstaltung, die auf der
Video-Plattform Youtube zum Zeitpunkt der Analyse bereits seit über zweieinhalb Jahren veröffent-
licht gewesen ist. Der letzte Zugriff zum Zwecke dieser Auswertung erfolgte am 16. Februar 2017.
Die Teilnehmer werden zu Beginn der Aufzeichnung auf die Aufnahme hörbar hingewiesen. Trotz
der öffentlichen, uneingeschränkten Zugänglichkeit der Aufzeichnung anonymisieren wir in den
folgenden Transkriptausschnitten Personen-, Firmen und Ortsnamen, um der Identifizierung der
Personen vorzubeugen. Das Transkript ist ein Basistranskript, das den Notationsregeln von Selting
et al. (2009) folgt. Eine Liste der in den Beispielen verwendeten Transkriptionszeichen findet sich
am Ende dieses Beitrags.
Intention und Emergenz 281
Als Beteiligte und Sprecher bezeichnen wir im vorliegenden Beispiel alle Perso-
nen im Raum, denen im Rahmen des formalen Ablaufs der Veranstaltung unter-
schiedlich stark regulierte Beteiligungsmöglichkeiten zugewiesen werden. Sie
wechseln in ihren Sprecher- und Hörerrollen während der Veranstaltung fortwährend
(vgl. Goffman 1979): der Moderator, das Podium und das Publikum, das Fragen an
das Podium stellen darf.
946 MD ja mein name ist VORNAME NAME als bürgerin dieser stadt unter
947 MD berücksichtigung auch der (-) könn = sie mich nich verstehen
948 MD also mein name ist VORNAME NAME als bürgerin dieser stadt unter
949 MD berücksichtigung der hohen bevölkerungsdichte und der von ihnen herr
950 MD NAME in den folien dargestellten doch relativ geringen abständen von
951 MD zum teil nur zweihundert metern zur geschlossenen wohnbebauung
952 MD möcht = ich sie jetzt als ÄRztin fragen welche geSUNDheitlichen
schäden wir
953 MD hier zu erwarten haben ich denke da (zum) einen emissionen mit poten-
ziellen
954 MD ( ) welche mit welchen äh welchem TUmorrisiko müssen wir
955 MD rechnen welches risiko besch (.) risiko besteht für schWANgere frauen und
282 C. Schwägerl et al.
MD stellt sich als bürgerin dieser stadt (Zeile 948) vor, in 952 als ÄRZtin und in
959 als WISSENschaftlerin. Typisch für Kommunikation ist, dass Sprecher ihre
sozialen Identitäten anzeigen und bearbeiten, wie Deppermann (2008, S. 9) unter
Bezug auf die „Ebenen der Interaktionskonstitution“ von Kallmeyer (1985, S. 85)
schreibt. Weitere Ebenen der Interaktionskonstitution, etwa Sachverhaltsdarstellun-
gen, stehen in Bezug zueinander (vgl. Deppermann 2008, S. 10): So wird in der
Betrachtung von ÄRZtin als einer verbalisierten Anzeige von „Identität“ ein inhalt-
licher Anschluss zu den geSUNDheitlichen schäden (952) hergestellt, die MD
anspricht. Nimmt man als allgemein verfügbaren Wissensstand an, dass eine Ärztin
einem Heilauftrag und den gesundheitlichen Interessen von Menschen verpflichtet
ist, wird dieses Interesse an der Vermeidung gesundheitlicher Risiken plausibel und
eine Sinnrelation zwischen bürgerin, ÄRZtin, WISSENschaftlerin etabliert. Diese
Risiken spezifiziert MD in den Zeilen von 954 bis 958 unter Verwendung fach-
sprachlicher Termini und mit Bezug auf Schwangere, erwartete Kinder sowie Per-
sonen mit Vorerkrankungen und Zustand nach operativen Eingriffen.
Der Beitrag von MD impliziert die Vorannahme, dass die emissionen (953) mit
gesundheitlichen Risiken für die Bewohner verbunden sind. In den Zeilen 959 bis
965 präzisiert sie ihre Erwartungen an die fachliche Grundlage der angeforderten
Bearbeitung der Frage. Zu diesen Anforderungen gehören die namentliche Nennung
von Studien, die in begutachteten wissenschaftlichen Zeitschriften („Peer Review“)
publiziert wurden. Die Sprecherin instantiiert mit nicht von der (.) industrie gespon-
sert selbstverständlich wissenschaftlich fundiert peer reviewed in ORdentlichen
wissenschaftlichen journals (960–961) zwei Kategorien von studien („Industrie
gesponsert“ vs. „ordentliche Journals“). MD formuliert den Anspruch, Bezugnah-
men auf nicht von der (.) industrie gesponsert selbstverständlich in der Bearbeitung
der Frage zu unterlassen.
MD drückt ihre Bearbeitungsanforderungen in diesen Kategorien aus, aktuali-
siert aber keine konkreten wissenschaftlichen Qualitätskriterien von Studien. Im
engeren Sinne beinhaltet wissenschaftlich fundiert peer reviewed in ORdentlichen
Intention und Emergenz 283
1008 CG gut jetz (-) genau geben sie einmal nach vorne ich würd vorschlagen
dass wir
1009 CG sozusagen immer drEI fragen sammelnne antwortrunde machen sozusagen
1010 CG sonst wird = es zu unübersichtlich; ja?
1011 CG also = die erste frage war nach den gesundheitlichen auswirkungen
dann nach
1012 CG dem frage ausschluss braunkohlegebiet eigentumsfragen enteignung ja?
OS geht also auf die Kategorien von MD (siehe Abschn. 5.2.1) nicht direkt ein,
sondern antwortet mit einer Formulierung, die nur implizit ein Verständnis über
wissenschaftliche Qualitätskriterien von Studien darlegt. Beide Sprecher präzisieren
nicht exakt, was sie einander verdeutlichen wollen (vgl. Abschn. 5.2.1). Ein Hinweis
darauf, ob die Folgeerwartung von OS verstanden wurde, findet sich in der Rekon-
textualisierung von OS. Im vorliegenden Fall legt OS sein Verständnis dieser Folge-
erwartung nur implizit offen mit = natürlich nicht in die richtung dass es KEIne
gefAhren gibt. Wendet man auf = natürlich die Lesart „selbstverständlich“ an,
würde OS mit = natürlich sein Verständnis für die Aussagekraft der Studien auf-
zeigen, auf die er sich beruft. Die von MD formulierte Anforderung, konkret Studien
Intention und Emergenz 285
Die Rückfrage könnte in Bezug auf die Sinnrelation zu verstehen sein, die MD in ihrer
Explikationsanforderung („Bürgerin, Ärztin, Wissenschaftlerin“, siehe Abschn. 5.2.1)
etabliert hat. OS verneint deutlich und prosodisch markiert; „angestellt bei FIRMA“
zeigt generisch, also ohne Angabe seiner Fachlichkeit oder Berufs- und Statusbezeich-
nung, eine Zugehörigkeit (zu „Firma“ und „Genehmigungsabteilung“) an. Diese
Anzeige von Zugehörigkeit legitimiert subjektiv seine vorangegangene Aktivität, hier:
die Bearbeitung einer Explikationsanforderung. Sie entspricht jedoch nicht der von MD
vorgängig instantiierten Sinnrelation zwischen „Bürgerin, Ärztin, Wissenschaftlerin“.
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung, auch bedingt durch die sequenzielle Bearbeitung
der Fragen der anderen Publikumsteilnehmer, wird kein Bezug mehr darauf genommen,
ob OS vor dem Hintergrund seiner angezeigten Zugehörigkeit eine für MD und das
Publikum den Explikationsanforderungen entsprochen hat.
OS grenzt sich fachlich ab: von den FACHleuten (1093), die dafür sorgen dass äh
diese grenzwerte entstehen die diese ganze studien bewerten analysieren einordnen
und dann davon ableiten welchen schutz (.)der bevölkerung (.) man braucht
(1093–1096). OS rückt damit seine Rolle eines, nach Goffman (1979) Principal
ins Licht, der die Erkenntnisse dieser FACHleute lediglich referiert, nicht aber
eigene, originäre Positionen formuliert:
286 C. Schwägerl et al.
„Sometimes one has in mind that a principal [Hervorhebung im Original] (in the legalistic
sense) is involved, that is, someone whose position is established by the words that are
spoken, someone whose beliefs have been told, someone who has committed himself to
what the words say“ (Goffman 1979, S. 17).
• Die Rolle des Publikums, das sich im Wahrnehmungsraum des Sprechers befindet
und auf die Äußerungen des Sprechers reagiert. Publikumsreaktionen können
etwa Beifall oder schmähende Zwischenrufe sein. Welche interaktionale Bedeu-
tung haben sie für weitere Folgebeiträge? Mit welchen Mitteln äußern Sprecher
und Publikum etwa Empörung, wie werden Äußerungen von Empörung in
nachfolgenden Äußerungen bearbeitet?
• Die Mittel, mit denen die Sprecher kenntlich machen, dass sie den gesamten
Wahrnehmungsraum (Podium und Publikum) in ihren Äußerungen berücksichti-
gen. In Abschn. 5.2.1 etwa sichert MD in Zeile 947 mit der Frage könn = sie
mich nich verstehen, ob alle Personen im Publikum im Wahrnehmungsraum ihres
Beitrags sind. Im vorliegenden Material zeigt sich, dass die Sprecher neben einer
solchen metakommunikativ angelegten Frage an das Publikum mithilfe von Kör-
perbewegungen (etwa die Zuwendung durch Drehbewegungen vom Podium zum
Publikum sowie das Aufstehen im Raum) ihre Beitragsformulierungen nicht nur an
das Podium adressieren, sondern die komplette räumliche Reichweite ihrer Äuße-
rungen berücksichtigen. Wie nutzen die Sprecher also den kommunikativen Raum?
• Die Ermittlung von Äußerungsteilen vorangehender Sprecher, auf die aktuelle
Sprecher Bezug nehmen. Aktualisieren sie zum Beispiel einzelne Wörter, Kom-
posita oder ganze Satzteile, die von vorangehenden Sprecher verwendet wurden?
Wie wird in nachfolgenden Beiträgen im Laufe der Veranstaltung über deren
Bedeutung verhandelt?
• In der Beispielanalyse wurden multimodale Aspekte der Kommunikation und
deren Wechselwirkungen nicht berücksichtigt. Welche Rolle spielen etwa Kör-
perzuwendung, Gestik, Mimik für den Interaktionsverlauf, wie werden sie von
den Sprechern eingesetzt, wie reagieren die Adressaten darauf, welche für den
Interaktionsverlauf relevanten Folgen resultieren aus nonverbalen Mitteln?
Intention und Emergenz 287
6 Resümee
Neben der Frage, wie sich Akteure an der Kommunikation beteiligen und wie sie
interagieren, zeigt die Gesprächsanalyse auch, worüber kommuniziert wird und
welche gemeinsamen Bedeutungen entstehen. Beim analysierten Beispiel der Infor-
mationsveranstaltung geht es um gesundheitliche Risiken, die bei Risikokommuni-
kation insgesamt und speziell beim Stromnetzausbau eine wichtige Rolle spielen
(vgl. Henseling et al. 2016, S. 40). Entscheidend ist jedoch, dass sich Bürger und
Organisationsvertreter nicht auf eine Bedeutung dieser Risiken einigen konnten.
Von Bürgerseite wurden mögliche Schäden und Unsicherheiten aufgezeigt, während
von Organisationsseite Schäden relativiert und Sicherheit vermittelt wurden.
Beide Bedeutungsgehalte scheinen voneinander unbeeinflusst parallel zu existieren.
Dies widerspricht dem Wesen einer Dialogveranstaltung und hinterfragt die nor-
mativen Ziele der Akzeptanzförderung und prozeduralen Gerechtigkeit (siehe.
Abschn. 4).
Insgesamt wird die hohe Bedeutung der Gesprächsanalyse für die Evaluation
strategischer Kommunikation deutlich. Die Gesprächsanalyse zeigt emergente Kom-
munikationsprozesse auf, hinterfragt normative Kommunikationsziele und regt die
Reflexion der Akteure bzgl. ihrer Intentionen an. Besonders wertvoll erscheint die
Gesprächsanalyse in Kombination mit Befragungen und Interviews. Durch Befragun-
gen und Interviews können Intentionen der Akteure hinter den emergenten Kommu-
nikationsprozessen und die Auswirkungen der Kommunikationsprozesse auf die
Intentionen der Akteure untersucht werden. Gleichzeitig können die Erforschung
von Intentionen und Emergenz als gegenseitige Interpretationsgrundlage und Trian-
gulationsmöglichkeit dienen.
Beispiele für eine gegenseitige Befruchtung liefern ethnografische Studien von
Risikokommunikation auf Informationsveranstaltungen, die sowohl Intentionen als
auch Emergenz untersuchen (z. B. Boholm 2015; Mumford und Gray 2009). In
beiden Fällen treten, wie auch beim gegenwärtig analysierten Beispiel, Konflikte
zwischen Vorhabenträgern und Bürgern auf, die von fehlendem gegenseitigen Bezug
gekennzeichnet sind: „These consultative meetings thus can be described as basi-
cally two sets of monologues, separated by a coffee break“ (Boholm 2015, S. 123).
Der Grund hierfür liege an Gruppendynamiken und unterschiedlichen Einflussmög-
lichkeiten. Während Projektverantwortliche die Gruppe der Einflussreichen darstell-
ten, die ihren Einfluss mit rationalen Argumenten und der Darstellung eigener
Fähigkeit legitimierten, bildeten betroffene Bürger die Gruppe der Einflussarmen,
die sich gegen die als äußerliche Gefahren und schwer einschätzbar wahrgenommen
Projekte samt ihrer Verantwortlichen emotional solidarisierten. In diesen Fällen
scheint die emergente Kommunikation eher eine Machtaushandlung als einen ratio-
nalen Diskurs abzubilden. Somit bietet die Gesprächsanalyse emergenter Kommu-
nikationsprozesse auch einen ersten Zugang zur kritischen Untersuchung der Macht-
aushandlung und -ausübung. Sie unterstützt nicht nur Organisationen in ihrer
strategischen Kommunikation, sondern bietet unterschiedlichen gesellschaftlichen
Akteuren die Gelegenheit, Machtprozesse zu hinterfragen und sich effektiver ein-
zubringen. Dadurch verhilft die Gesprächsanalyse strategischer Kommunikation zu
einer von engen wirtschaftlichen Interessen unabhängigen Positionierung und zu
einer besseren gesellschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Stellung.
Intention und Emergenz 289
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Corporate Language
Sprache vor dem Hintergrund der Corporate Identity
Sina Schneider
Zusammenfassung
Organisationen suchen Möglichkeiten sich von Wettbewerbern abzuheben und in
ihrer Kommunikation wiedererkennbar zu sein. Dabei fokussieren sie sich vor
allem auf die visuelle Gestaltung und vernachlässigen das wichtigste Kommuni-
kationsmittel überhaupt: die Sprache. Eine Corporate Language als organisations-
typischer Sprachstil gründet auf der Corporate Identity der Organisation, ist
wiedererkennbar und berücksichtigt gleichzeitig Textsortennormen sowie Erwar-
tungen von Anspruchsgruppen.
Schlüsselwörter
Corporate Language • Corporate Identity • Organisationstypischer Sprachstil •
Sprache in der Organisationskommunikation • Corporate-Language-Modell
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
2 Grundlagen einer Corporate Language . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
2.1 Bedeutung der Corporate Identity für die Corporate Language . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
2.2 Inhalte einer Corporate Language . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
3 Balancierendes Corporate-Language-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
3.1 Grundmodell einer Corporate Language . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
3.2 Modellbausteine einer Corporate Language . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
3.3 Einflussfaktoren auf eine Corporate Language – diskursbezogene Faktoren . . . . . . . . 301
3.4 Einflussfaktoren auf eine Corporate Language – sozialbezogene Faktoren . . . . . . . . . 303
4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
S. Schneider (*)
University of Applied Sciences and Arts, Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
1 Einleitung