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Silvia Schroer
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oder auch -kommentierungen, die von Männern oder ganzen Männer
gremien gemacht wurden, waren geneigt, solche Vorstellungen auch in
biblische Texte einzutragen, wo sie so nicht stehen. Die Folgen waren und
sind weitreichend, ich erinnere beispielsweise an Tilman Mosers Buch
Gottesvergiftung.2
Als Exegetin ist es mir ein Anliegen, Klischees von «der» patriarcha
len Bibel auszuräumen. Ich beabsichtige aber keineswegs, die biblische
Tradition generell zu verteidigen. Sie hat im Hinblick auf unser Thema
zweifellos ihre Schlagseiten. Das dominante Gottesbild der gesamtbibli
schen Tradition ist mit männlich geprägten Rollen eines Kriegers, Rich
ters und im Neuen Testament auch Vaters getränkt. Das lässt sich nicht
wegdiskutieren. Und dass Gott einen Sohn und nicht eine Tochter für
sein Erlösungswerk ausersehen hat, hatte ebenfalls erhebliche Folgen.
Dennoch liegen für Genderdiskurse und moderne Rollenfragen in den
biblischen Traditionen noch ungehobene Schätze verborgen, wir sollten
sie nicht vorschnell verabschieden. Ich werde dies mit Beispielen begrün
den, möchte aber zuvor in groben Strichen einige wichtige Entwicklun
gen der theologischen Forschung nachzeichnen, damit meine Ausfüh
rungen situiert werden können.3
Eine feministische Beschäftigung mit der Bibel gab es nicht erst in der
zweiten Frauenbewegung, sondern bereits in der ersten Frauenbewegung
um die vorletzte Jahrhundertwende.4 Erst in den 1970er- und 1980er-Jahren
entwickelte sich eine breiter abgestützte theologische Frauenforschung,
innerhalb derer die Bibelwissenschaft eine führende Rolle einnahm. Das
Interesse war anfänglich stark auf biblische Frauengestalten gerichtet. In
den Frauen um Jesus und vielen alttestamentlichen Frauenfiguren fanden
Feministinnen befreiende Aspekte, deckten unter den verkrusteten Aus
legungen Neues auf. Gleichzeitig beanspruchte die Kritik an der andro
zentrischen Auslegung von Genesis 2 – 3 viel Raum. Die Gottesbildfrage
begleitete die feministische Theologie tatsächlich von Anfang an.5 Mit
dem bahnbrechenden Werk In Memory of Her legte Elisabeth Schüssler
Fiorenza 1983 6 dar, mit welchen Fragen und Instrumenten die biblischen
Texte auf den systemischen Androzentrismus der Textverfasser, der Bibel
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übersetzer, der Interpreten und Exegeten untersucht werden müssen.
Innerkirchlich ging sie gegen jede Art von Dogmatismus im Umgang
mit den biblischen Schriften an, theologisch gegen jeden Wissenschafts
positivismus. Schüssler Fiorenza hat nie ein simplifizierendes Männer-
Frauen-Schema in ihre Forschung eingetragen. «Patriarchat» oder «Kyri
archat» beinhalteten in ihrer Hermeneutik immer die hochkomplexen
Verbindungen, die Geschlecht mit sozialem Status, ethnischen, sexuel
len und religiösen Identitäten eingeht. Während die feministische Bibel
forschung sich auf der Basis dieses Instrumentariums und unter Einbe
zug von vielen methodischen Ansätzen verfeinerte, sich den einzelnen
biblischen Schriften und immer mehr grossen Themenstellungen wid
mete, vollzogen sich am gesellschaftlichen Horizont bereits wieder Än
derungen. Die Genderforschung löste – nicht durchwegs, aber doch ten
denziell – die explizit feministische Forschung auch in der Theologie
ab. Dadurch wurden nochmals grössere Zusammenhänge in den Blick
gerückt und wurde die Kommunikationsgemeinde zu diesen Themen
ausgeweitet, während zugleich die Anbindung dieser Forschung an eine
Bewegung, die Frauenbewegung, immer mehr in den Hintergrund geriet.
Der Bezug zu einer Basisbewegung ist bei «queer theology», «womanist
studies» und «postcolonial studies» etwas besser erkennbar geblieben.
Diese, der breiten Öffentlichkeit hierzulande wohl weniger bekannten
Strömungen, greifen stark auf die feministische Exegese und Hermeneu
tik zurück.
Männerforschung ist die jüngste Etappe in diesen Entwicklungen.
Noch einmal verändert sich auch in der Theologie der Blickwinkel. Nach
dem Frauen und Frauenbilder, die dominierenden männlichen und die
wenigen oder fehlenden weiblichen Gottesbilder und der Bezug zwischen
diesen allen diskutiert worden waren, meldeten sich Männer mit dem be
rechtigten, nun nicht mehr universalmenschlichen, sondern partiellen
Anspruch, Männlichkeit, Männerrollen, Männerbilder und Gottesbilder
in eigener Regie und unter neuen Vorzeichen aufzuarbeiten. Wiederum
gaben sich eine (kirchliche) Basis, «Männer im Aufbruch», und die exe
getische Wissenschaft gegenseitig Impulse und Antworten.7 Die Bezeich
nungen für Männerforschung im Bereich der Theologie sind verschieden,
z. B. im angelsächsischen Raum «(critical) men’s studies in religion» oder
«the study of men, masculinities and religion».8 Die betreffende Literatur
ist in den knapp 20 Jahren, seit in der Bibelwissenschaft ein solcher An
satz überhaupt formuliert wurde, nicht uferlos, aber sie wächst.9
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2. Fokus Gottesbild: Wie männlich ist der biblische Gott ?
Gott sprach: Lasst uns den Erdling machen nach unserem Bild, ähnlich wie uns.
Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, die Vögel des Himmels, über das Vieh,
über die ganze Erde und das kleine Getier, das auf der Erde wimmelt.
Gott schuf den Erdling nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er ihn, männlich
und weiblich schuf er sie.
Wenn die Bilder, die Kopien, männlich und weiblich sind, muss das Ur
bild, von dem im hebräischen Text im Plural gesprochen wird, männliche
und weibliche Züge haben, sonst hat diese Aussage wohl keine Plausi
bilität. Auch die zweite Schöpfungserzählung Israels (Genesis 2,4b –25)
betrachtet, wenngleich ohne Bezug auf die Bild-Abbild-Terminologie,
die Erschaffung des Erdlings erst für erfolgreich abgeschlossen, nachdem
Frau und Mann erschaffen sind.
Was bedeutet das im Hinblick auf die Männlichkeit Gottes ? Wie
männlich ist dieser Gott denn ? Aus dem Zusammenhang von Gene
sis 1 und 2 können wir entnehmen, dass Männlichkeit offenbar komple
mentär zu Weiblichkeit konstruiert wird, und zwar in Genesis 1 um der
Fruchtbarkeit willen, in Genesis 2 um der Vertreibung der Einsamkeit
willen. In Gott, so dürfen wir rückschliessen, scheint jedenfalls nach An
sicht der biblischen Verfasser auch etwas angelegt, das nach einem Gegen
über ruft, um Leben hervorzubringen, um Gemeinschaft zu haben.10
Doch vom Gott Israels wird dann in den biblischen Schriften meistens
als vom einen, einzigen Gott gesprochen, und in dieser Gottesrede über
wiegen die männlich konnotierten Rollen. Sein bedeutungsvoller Name
JHWH ist zwar kein Männer- und kein Frauenname, erst die unheilvolle
Ersetzung des Eigennamens durch den Titel kyrios führte in diese Rich
tung.11 Von diesem JHWH wird aber in Erzählungen und Psalmengebe
ten, die voll sind von Vergleichen und Metaphern so gesprochen, dass
die Geschlechtszuordnung zweifelsfrei ist: JHWH ist ein starker Held,
ein K önig, ein Richter, ein Töpfer, ein Hirt. Der Titel oder die Anrede
«Vater» ist selten, vorwiegend in den späten Teilen des Jesaja-Buches
(63,16; 64,7), b
ezeugt und wird relativiert, da Gott dem Volk Israel auch
wie eine M utter (Jesaja 66,13) erscheinen konnte. Neuere Untersuchun
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gen unterstreichen, dass sich die Männlichkeit des Gottes Israels an den
komplexeren sozialen Rollen festmacht und kaum explizit sexualisiert
wird.12 Primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale spielen in den an
dromorphen Gottesbildern keine Rolle, dieser Gott wird eher bekleidet
(vgl. die Säume seines Gewandes in Jesaja 6,1) als nackt vorgestellt, auch
nicht als sexuell aktiv beschrieben wie manche Götter des Alten Orients
und Ägyptens, z. B. der ugaritische Baal oder ein ägyptischer Atum oder
Min. Man könnte also sagen, dass die Männlichkeit JHWHs sich nicht
in alle Konkretionen hinein «ausbildert». Das Image des Kriegers, Herr
schers, Richters, Ehemanns des Volkes Israel und Vaters impliziert jedoch
hegemoniale Männlichkeit.13 Othmar Keel hat mit seinen Arbeiten die
Zusammenhänge zwischen den altorientalischen Bildern und den bibli
schen Gottesvorstellungen nachgewiesen.14 Wenn Israels Gott das Volk
«mit starker Hand und ausgestrecktem Arm» aus Ägypten führt (Deu
teronomium 4,34; 5,15; Psalm 136,12), so nimmt dieses Bild ein zentrales
Thema der ägyptischen Herrschersymbolik und -ideologie auf, die im
Niederschlagen der Feinde die Idee bündelt, dass der König das Chaos
in Gestalt von historischen wie natürlichen und kosmischen Feinden be
zwingt. Auch in Vorderasien ist diese Ikone bekannt, dort sind allerdings
häufiger Götter in dieser Rolle dargestellt. Die kriegerische Pose des Nie
derschlagens wie auch die triumphierende Pose von Wettergöttern, die
eine Chaosschlange niederstechen, ist praktisch exklusiv männlich. Arte
fakte sind da oft unmissverständlicher als sprachliche Bilder.15
Die Gottesbilder des Alten und mehr noch des Neuen Testaments
sind mehrheitlich männlich konnotiert, aber es gibt Durchbrechungen
mit weiblichen Gottesbildern – sie sind nicht so selten und durchaus
nicht marginal. Der israelitische Monotheismus ist ja, anders als der ägyp
tische eines Pharao Echnaton im 14. Jahrhundert v. Chr., nicht per Dekret
entstanden, sondern quasi organisch herangewachsen.16 Und so blieben
manche Vorstellungen der polytheistischen Welt erhalten bzw. drück
ten sie immer wieder quasi von unten ihr Relief durch. Dazu gehört die
Mütterlichkeit Gottes.17 Neben den Mutterbildern gibt es weitere weib
liche Rollen, in die Gott im Alten Testament schlüpft, z. B. die vielfältigen
Rollen der göttlichen Weisheit in der nachexilischen Zeit, an der einer
seits einige mythologische Eierschalen aus den Kulten von Göttinnen
Ägyptens wie Syriens haften und die andererseits hoch theologische und
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lichen Schriften jedenfalls zu finden.19 Unter Berücksichtigung dieser
verborgenen Seite Gottes muss das Fazit lauten: Den alttestamentlichen
Gottesvorstellungen sind wichtige Charakteristika hegemonialer Männ
lichkeit eingeschrieben, aber nicht ungebrochen. Gott stolpert quasi
selbst über solche Männlichkeit, fällt sich selbst, bisweilen erklärtermas
sen, in seine Männlichkeit. Das geht so weit, dass Gott in Hosea 11,9 dezi
diert von sich, der von Mitgefühl heimgesucht wird und seinen berech
tigten männlichen Zorn nicht walten lassen kann, sagt, er sei «Gott und
kein Mann». Gott distanziert sich von einem typisch männlichen Ver
haltensmuster, das wie auch die Eifersucht von den Weisheitslehrern oft
problematisiert wird, wo es um menschlich-männliches Verhalten geht.
Hingegen werden Zornausbrüche und Eifersucht als göttlich-männliche
Verhaltensweisen normalerweise nicht infrage gestellt.
Nach Genesis 1,28 impliziert die Erschaffung von Mann und Frau
Herrschaft über die Tierwelt, aber nicht Herrschaft des Mannes über die
Frau oder seine Nachkommen. Nach Genesis 2 wird der zunächst unge
schlechtliche Erdling Adam durch die Erschaffung der Frau überhaupt
erst zu einem Mann, dankbar, weil er nicht mehr allein sein muss. Dieses
Mannsein hat vorläufig keinerlei hegemoniale Aspekte, die treten erst in
Genesis 3,16 als Folge des «Sündenfalls», dann aber überdeutlich, hinzu:
«Nach Deinem Mann wird Dein Verlangen sein, er aber wird über Dich
herrschen.» In der Idee der Gottebenbildlichkeit ist jedenfalls von den
Schöpfungserzählungen die Zweigeschlechtlichkeit und damit Frucht
barkeit oder die Gemeinschaft, aber nicht die Herrschaft des einen über
das andere Geschlecht verankert.
Im Vergleich mit dem Alten Testament ist das Neue Testament merk
lich ärmer an Gottesbildern. Zwar sind Parabeln und Gleichnisse vom
Reich Gottes durchaus noch durchdrungen von Frauenbildern, der Frau,
die einen Brotteig backt, der Frau, die eine Drachme verliert und wie
derfindet, der hartnäckigen Witwe usw. (Lukas 13,20 f.; 15,8 f.; 18,1 –8). Es
gibt noch feine Hinweise auf weibliche Gottesbilder, z. B. wenn bei der
Taufe Jesu am Jordan (Markus 1,9 ff. und Parallelen) auf der Tonspur eine
Liebeserklärung Gottes zu hören ist, während im Bild eine Taube vom
Himmel herabkommt, die in Syrien, der Levante und Griechenland un
verwechselbar der Begleitvogel von Liebesgöttinnen ist. Aber in den Pa
rabeln der Evangelien wird das Reich Gottes oft mit Bildern von einem
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3. Fokus Männer:
Wie männlich sind die biblischen Männer ?
Gott schuf den Erdling nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er ihn, männlich
und weiblich schuf er sie. (Genesis 1,27).
Ja, Gott schuf den Mann nach seinem Bild. Wenn nun Gott im Alten Tes
tament einerseits in typisch männlichen Rollen beschrieben wird und
andererseits diese Rollen doch nicht im Sinne einer streng sexuellen und
rein männlichen Identität Gottes verabsolutiert wurden, hatten diese Be
schreibungen Auswirkungen auf die Männlichkeit konkreter Männer ?
Wie ist es mit der Männlichkeit der Männer in Israel bestellt ?
Wir könnten es uns einfach machen und feststellen, dass auf weite
Strecken Männlichkeit in den biblischen Texten mit Elementen wie Stär
ke, Gewalt, machtvoller Rede, Männerbündelei und Frauenlosigkeit oder
Dominanz über Frauen bis hin zur Vergewaltigung konstruiert wird. Ein
Mann muss ein gibor sein, so wie auch Gott ein gibor ist (vgl. oben zum
Image des Kriegers).21 Von der Urgeschichte an haben wir hier immer
wieder prächtige Mannsbilder vor uns, den Brudermörder Kain, einen
Mose, Josua, Abimelech, Simson, Bileam, Elija, Saul, David und viele
mehr. Es gibt Nuancierungen, veritable Herkulestypen (wie Simson)
kommen nicht oft vor. Neben die Powertypen treten auch andere Figu
ren wie Noah, der jedenfalls nicht als Draufgänger und Held beschrie
ben werden kann, oder die schillernde Gestalt eines Josef.22 Neben die
Powertypen treten manchmal Powerfrauen, Sara neben den Abraham,
Debora und Jael neben den Barak. Das bleibt nicht folgenlos, und ich
möchte hier die These aufstellen, dass die hegemoniale Männlichkeit der
biblischen Männergestalten fast ausnahmslos einen Knacks hat. In die
Texte ist nicht nur die Männlichkeit, sondern auch deren Brüchigkeit und
Fragwürdigkeit eingeschrieben. Männer stolpern über ihre Männlichkeit,
versagen, beladen sich mit Schuld, machen sich lächerlich. Die Sympathie
der Erzählungen und Gottes ist oft bei den Frauen, die wissen, was zu
tun ist. Was für eine Figur ist dieser Abraham, der aus purer Feigheit und
Selbstsucht seine Frau verleumdet und dem Pharao für seinen Harem
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Kindes verheissen hat, weshalb der Engel ein zweites Mal antreten muss
(Richter 13) ? Was für ein Glück hat der Seher Bileam, dass ihn s eine ge
scheite Eselin vor dem Verderben bewahrt (Numeri 22,22 –35) ? Was für ein
König ist dieser David,23 von dem man wusste, dass er s eine eigene Toch
ter Tamar nicht vor der Vergewaltigung durch ihren Bruder geschützt
hatte (2 Samuel 13) ? Was ist mit Elija, dem Stürmischen und Feurigen, der
von einem Engel wieder aufgepäppelt werden muss (1 Könige 19,1 –8), was
mit Jona (4,8), der in grösstem Selbstmitleid unter einem Strauch liegt
und sich den Tod wünscht ? 24 Wir könnten diese Linien durchziehen bis
ins Neue Testament. Was für ein wankelmütiger Angsthase ist dieser Pe
trus, der Fels der Kirche, doch in vielen Schlüsselsituationen ?25 Es geht
in diesen Geschichten nicht mehrheitlich, aber auch um Fragen der Mo
ral. Zur hegemonialen Männlichkeit gehört Tugendhaftigkeit – und da
staunt man, wie scharf die Texte Doppelmoral entlarven und ihr Urteil
fällen, z. B. über Juda, der von seiner Schwiegertochter Tamar erst öffent
lich blossgestellt werden muss, um die Berechtigung ihres Anliegens an
zuerkennen (Genesis 38), oder gerade auch über David, dem der Mord an
Urija als ein Mittel, um eine begehrenswerte Frau zu erbeuten, nicht zu
gebilligt wird (2 Samuel 11 –12), König hin oder her. Die Propheten mokie
ren sich über Männer, die statt ihre Verantwortung zu übernehmen, «Hel
den im Weinsaufen» (Jesaja 5,22) werden. Das deuteronomische Gesetz will
dem König das Halten von zu vielen Pferden, Frauen und Schätzen ver
bieten (Deuteronomium 17,16 f.). Im Vergleich mit der Ilias, der Odyssee
und anderen antiken Werken ist die Bibel, was ihre Männerbilder betrifft,
erstaunlich. Nicht weil sie Männlichkeit explizit thematisieren oder re
flektieren würde – es gibt in diesen Epochen in Israel anders als beispiels
weise in der hellenistischen und römischen Antike keine dokumentierten
philosophischen Diskurse über das Geschlecht –, sondern weil sie die Ge
brochenheiten, die Risse oft stehen liess. Vor allem in diesen Rissen situie
ren sich die neueren exegetischen «masculinity studies». Es gibt allerdings
auch programmatische Sätze, die aufhorchen lassen. Obwohl ein Mann
ein guter Krieger und der König der beste Krieger sein soll, wird militä
rische Kraft und damit auch kriegerische Männlichkeit in vielen Texten
ganz kritisch bewertet. Das teilweise programmatische Antiheldentum
der Bibel ist uns geläufig. Immer wieder wird dem männlichen Helden
tum Gottes Macht auch als Begrenzung entgegengestellt. Menschliche,
konkret oft männliche Kraft, wird gern als basar «Fleisch», d. h. als etwas
Hinfälliges bezeichnet, auf das man nicht zu fest vertrauen sollte (Jeremia
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17,5.7).26 Gegen die kriegerische Potenz wird als wichtiges Element israeli
tischer Männlichkeit die Torafrömmigkeit und Gerechtigkeit gesetzt, wie
beispielsweise in Psalm 147,10 f. (vgl. ähnliche Aussagen in 1 Samuel 2, 4;
Psalm 33, 16; 52, 3; und Judit 9,7 –11):
Er hat nicht Lust an der Stärke des Rosses, nicht Gefallen an den Schenkeln des Man
nes. JHWH gefallen, die ihn fürchten, die auf seine Güte harren.
Spiegel im Gespräch mit den Texten. Jürgen Ebach hat diesen Prozess ge
nial und mit sehr viel Humor beschrieben und inzwischen an verschie
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denen Textgruppen und Männerfiguren durchexerziert.27 Als Beispiel für
mögliche Ansatzpunkte einer «masculinity study» möchte ich selber hier
nun Hiob herausgreifen. Dieser Mann und der Plot des gleichnamigen
biblischen Buches dürfte in ganz groben Zügen bekannt sein.28
Hiob ist der Inbegriff eines frommen, wohlhabenden Scheichs mit
grossem Besitz und einer grossen Familie. Da im Himmel seine Haut ver
wettet wird, gerät er unverdient in grösstes Elend. Ausser seiner Frau und
seinem eigenen Leben bleibt ihm nichts, alles wird ihm entrissen, auch
seine Gesundheit. Am Ende wird ihm zwar alles ersetzt und das Buch
schliesst für ihn mit einem Happy End, aber der Hiob am Ende des Bu
ches ist nicht derselbe wie der am Anfang.
Die Hiobfigur steht in der Tradition der leidenden Gerechten ägyp
tischer und mehr noch mesopotamischer Literatur. Sie leiden daran, dass
ihre Frömmigkeit nicht korrespondiert mit Wohlergehen und Glück. Des
halb beginnen sie mit Gott, den Göttern, ihren Freunden oder ihrer eige
nen Seele zu hadern und zu streiten. Nie sind in dieser Literatur Frauen
oder Göttinnen involviert. Da erstaunt es wenig, dass im biblischen Hiob
buch die Frau des Hiob auch nicht im Zentrum, z. B. als eine Figur im
Redenteil, vorkommt. Allerdings ist sie nicht ganz marginal. Sie schlägt
ihm vor: «Segne/fluche Gott und stirb» (Hiob 2,9). Danach fällt sie aus
dem Text, was immer das bedeuten mag, während die spätere, nicht kano
nische Tradition, besonders das Testament Hiobs, sie dann wieder ein
fügte. Hiob befolgt ihren Rat nicht, er verflucht aber sein eigenes Leben
und damit den Schöpfer, der es geschaffen hat. Die Botschaft des Hiob
von Kapitel 3 ist: Wenn es nicht nach meiner Vorstellung läuft, dann ist
alles sinnlos. Das «male bonding» funktioniert im Folgenden bestens,
auch wenn Mann in der Tinte bzw. Asche sitzt. Hiob wird nicht allein
gelassen, seine Freunde kümmern sich um ihn. Er hat wirklich Grund
zu klagen, und es ist bemerkenswert, dass er nicht jammert, sondern sei
ne Klage zunehmend zur Anklage Gottes formiert, den er für den Ur
heber seines Elends hält. Er schwingt, wieder ein Zeichen hegemonialer
Männlichkeit, auch in seinem elenden Zustand grosse Reden, der Kopf ist
nicht betroffen. Die Freunde, zunächst stumm in ihrem Mitleid und Ent
setzen, halten mit ebenso grossen Reden in allen möglichen Variationen
dagegen, dass er letztlich wohl doch selber schuld sein müsse an seiner
Situation. Nachdem seine Frau ihn aufgegeben hat, sieht Hiob sich zu
nehmend auch von seinen Freunden im Stich gelassen, wird wütend auf
sie. Im Wettstreit mit Gott, auf dem Hiob insistiert, steht er dann aller
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dings sehr tapfer, wie ein Krieger gegürtet (38, 3; 40,2), seinen Mann, um
am Ende etwas zu lernen, nämlich dass die Welt nicht nach seinen Ord
nungen, sondern nach Gottes Plan, der in den Gottesreden ausgelegt wird
und nachvollziehbar ist, funktioniert. Das ist eigentlich nicht sehr ermuti
gend für einen, der gerade alles verloren hat. Aber da kommt nun im Text
ganz deutlich und unerwartet eine Antwort Hiobs, die signalisiert, dass
er es verstanden hat, nicht Kapitulation also vor der Übermacht G ottes,
sondern Einsicht, dass auch ein gemachter Mann Teil der Schöpfung ist,
dass er in seinem Elend nicht der Mittelpunkt der Welt ist und Gott ihn
trotzdem ernst nimmt, wie die Rehabilitierung Hiobs in der Rahmen
geschichte zusätzlich beweist. Und nun wird aus dem Streiter Hiob ein
Fürbitter für seine Freunde, die zu seinen Gegnern geworden waren und
die den Zorn Gottes auf sich gezogen hatten (42, 7 – 9). Aus dem, der sei
ne Kinder verlor, wird ein neuer Vater, der sich um seine Töchter und
ihr Erbe sorgt (42, 14 f.). Die bleibende Leerstelle im Buch, und auch hier
gäbe es für eine Männerlektüre noch einiges zu entdecken, ist die Frau
Hiobs, die ihm offenbar wieder Kinder schenkt (42,13). Was muss noch
passieren, damit dem Mann das Leid der Frau in den Blick gerät ?
Dass Jesus ein Mann war, ist tatsächlich weder fraglich noch neben
sächlich. Klar lassen sich aus einem historisch-kulturellen Blickwinkel
Gründe finden oder mindestens vermuten, warum nur ein Mann diese
innerjüdische Bewegung ins Leben rufen und sich mit der römischen
Besatzungsmacht anlegen konnte. Aus heilsgeschichtlicher Perspektive
aber ist die (zufällige) Männlichkeit des Erlösers seiner Menschlichkeit
nachgeordnet, sie sollte keine eigene Bedeutung tragen. Jesu Tod war
entgegen allen Wahrscheinlichkeiten nicht das Aus, sondern der Anfang
einer viel grösseren Bewegung. Die Deutung dieses Todes lässt aus dem
jüdischen Mann Jesus den Christus, den Messias, den Sohn Gottes, den
Erlöser w
erden. Damit aber wird die kontingente Männlichkeit, da sie
aus dem historischen Geschehen nicht substrahiert werden kann, auf die
Ebene der Transzendenz befördert. Das Mannsein des Christus ist nicht
mehr eine Akzidenz, so sehr das auch behauptet werden mag, sondern
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liche Weisheit der biblischen Schriften hat, wurde bald einmal auf «das»
Pneuma und «den» Spiritus enggeführt – das Potenzial für eine Gender
vielfalt in der Gottesrede wurde also ebenfalls praktisch nicht genutzt. All
dies waren und sind Themen feministischer Kritik und der theologischen
Genderforschung. Aber bleiben wir beim irdischen Jesus.
Seit den 1970er-Jahren kam es zu Wiederentdeckungen des «Man
nes» Jesus, so im Buch der Jungianerin Hanna Wolff Jesus der Mann.29
Vielleicht erinnern sich einige auch an Franz Alts Jesus – der erste neue
Mann.30 Die eingeschlagenen Richtungen erwiesen sich aber rasch als
sehr problematisch, versuchten diese Autorinnen und Autoren doch
nicht nur, Jesus als ersten Feministen, als ersten integrierten, ganzheitli
chen Mann zu zeichnen, sondern taten dies mehr oder weniger explizit
auf Kosten des Judentums, indem sie ihn als die (christliche) Ausnah
me einer angeblich patriarchalen jüdischen Umwelt gegenüberstellten.
Daniel Kosch, der als Neutestamentler die Entwicklungen der Jesusfor
schung seit Jahrzehnten genau beobachtet, stellt 2008 ganz unspektakulär
fest, dass zu Jesu Männeridentität nach den Evangelien sehr verschiedene
Aspekte gehörten.31 Tatsächlich gibt es da auch Widersprüchliches. Das
«male bonding» wird durch die Wahl der namentlich bekannten Zwölf
hervorgehoben, andererseits ist die Jesusbewegung ja nicht frauenlos.
Jesus verhält sich gegenüber der Syrophönizierin ziemlich arrogant, ist
aber dann bereit, von ihr zu lernen (Markus 7,24 – 30; Mattäus 15,21 –28),
oder lässt sich von einer Samariterin in ein Gespräch verwickeln (Johan
nes 4) oder von einer blutenden Frau zur Heilung ihrer Tochter überre
den (Markus 5,25 –34 und Parallelen). Kurzum, erstens gibt es keine klare
Kontur «des» jüdischen Mannes im von den Römern besatzten Land,
zweitens war dieser Galiläer in manchem ein typischer Mann seiner
Zeit, in manchem auch nicht, was aber nicht mit seinem Bewusstsein
für Geschlechterfragen, sondern mit seiner Aussteigerrolle zu tun hat
te. Untypisch für das kulturelle Umfeld ist ja die Abkehr vom Famili
enleben, die zu neuen sozialen Rollen führte. In diesem offenen Raum
spielen sich unerwartete, manchmal sogar ungehörige Begegnungen ab.
Jesus setzt Frauen ins Recht, wo Männer Recht zu haben meinen (Mar
kus 14,3 – 9; Johannes 8,1 –11), oder begibt sich in die Rolle des niedrigsten
Dieners anstatt sich von seinen Jüngern bedienen zu lassen (Johannes
13,1 – 20). Seine Nähe zum Lieblingsjünger im Johannesevangelium wird
zwar nicht als erotische Liebe qualifiziert, aber sie öffnet Vorstellungs
räume. Die Männlichkeit des Jesus, den die Evangelien zeichnen, konsti
©
tuiert sich nicht in der Rolle des Paterfamilias, nicht in realer, weltlicher
Macht über a ndere, nicht in der v ollen Selbstkontrolle, aber eben doch
in beanspruchter Vollmacht, in der Macht des Wundertäters, in macht
vollen Worten und Reden, im Bestehen von Versuchungen und in star
ken Männerbündnissen, dies alles meistens im öffentlichen Raum. Das
schmähliche Ende am Kreuz allerdings zerschlägt auch die Männlich
keit dieses Mannes. Erbärmlicher könnte ein Männertod ja kaum aus
sehen. Nur dass die nachfolgende Erfahrung, dass der Gekreuzigte lebt,
aus dem Symbol der Erniedrigung ein Symbol der Erhöhung und Herr
schaft, wenn auch nicht innerweltlicher, werden lässt. Märtyrertode gab
es natürlich auch schon früher. In der Umbewertung eines solchen Tods
passiert auch etwas mit der Männlichkeit. Christliche andreia,32 die auch
von Frauen gesucht wird, ist heroisch, richtet sich aber auf neue Werte,
z. B. Gewaltverzicht, Feindesliebe aus.33
Gegenüber einer «hegemonialen Männlichkeit» legt, wie mein Kolle
ge Moisés Mayordomo feststellt, auch der Apostel Paulus einige interes
sante Aspekte von Kontinuität und Diskontinuität an den Tag, insbeson
dere in der Korintherkorrespondenz.34 Einerseits entzieht er sich nach
dem 2. Korintherbrief den Konkurrenzmechanismen öffentlicher Rede
und Modellen von männlicher Härte. Andererseits verwirft er nach dem
1. Korintherbrief «weibliche», langhaarige Männer und jegliche Übertre
tung der symbolischen Geschlechterdarstellung. Er stellt die aktive Rolle
des Mannes nicht infrage, qualifiziert diese allerdings in zwei Richtun
gen: Ein christlicher Mann gehört in seiner körperlichen Existenz zu
Christus. Er ist ferner moralisch dazu verpflichtet, seine Liebe gegen
über anderen durch Verzicht auf Aspekte seiner männlichen Autonomie
auszudrücken. Die wichtigste Form der Kontrolle ist daher die Selbst
kontrolle. Für Martin Leutzsch ist die Reduktion der Möglichkeiten, kul
turell konforme Männlichkeit zu inszenieren, typisch für das gesamte
ältere Christentum.35
5. Fazit
Die Frage «Schuf Gott den Mann nach seinem Bild ?» bejahe ich als Exe
getin mit derselben Überzeugung wie die Frage «Schuf Gott die Frau
nach seinem Bild ?». Mann, Frau und Gott werden aber in der Wechsel
wirkung dieser Ähnlichkeit in der biblischen Tradition nicht völlig f ixiert
©
auf bestimmte Geschlechterstereotype. Männer, sagt Jürgen Ebach, kom
men in der Bibel als gebrochene und widersprüchliche Figuren in den
Blick. «Wann ist ein Mann ein Mann ? Jedenfalls nicht, wenn er solche
Zerrissenheiten für unmännlich hält oder meint, es gäbe nur die Rolle
des Machos und des Softies oder gar nur die des getretenen Wurms und
des göttlichen Helden. Der Mann Josef erscheint in der Bibel in vielen
Rollen. Und er ist lernfähig.» 36
Weil der Mann Bild Gottes ist, aber nicht nur er, und weil Gott zwar
im Bild eines Mannes vorgestellt wird, aber nicht nur und auch nicht in
sexueller Engführung, bietet uns die biblische Tradition in der S umme,
wenn auch nicht in allen Einzelheiten ein genderkritisches Erbe zur
Männlichkeit des Mannes und Gottes. Die aufarbeitende, analysierende,
dekonstruierende Perspektive steht sicherlich in vielen der hier erwähn
ten Exegesen stark im Vordergrund. Mit Geduld und im Wissen darum,
dass biblische Texte, wenn wir mit ihnen ringen, ungeahntes, konstruk
tives und aufbauendes Potenzial freisetzen, ist dieser Weg weiterzugehen.
Anmerkungen
1 Mary Daly, Beyond God the Father. Toward a Philosophy of Women’s Liberation, Boston
1973, 19.
2 Tilman Moser, Gottesvergiftung, Frankfurt a. M. 1976.
3 Es ist völlig unmöglich, in diesem Beitrag auch nur einen Bruchteil der wichtigsten femi
nistisch-theologischen Literatur zu erwähnen. Die Verweise beschränken sich daher auf
Angaben, die als Belege unverzichtbar sind.
4 Die Frauenrechtlerin Elizabeth Cady Stanton, die sich in den Vereinigten Staaten für die
Abschaffung der Sklaverei einsetzte, brachte in den Jahren 1895 und 1898 mit einigen
wenigen Koautorinnen und einer Übersetzerin zusammen die Woman’s Bible heraus. Als
Juristin und Verteidigerin der Aufklärung hatte sie immer wieder die Erfahrung gemacht,
dass biblische Texte benutzt wurden, um Frauen zum Schweigen zu verurteilen und ihre
Unterordnung unter männliche Vormundschaft zu legitimieren. Die Woman’s Bible ist in
Europa fast gar nicht rezipiert worden, es waren lange Zeit nur einzelne Frauen, die sich
der Bibel mit kritischen, in einigen Fällen auch wissenschaftlichen Fragen zuwandten. Vgl.
das Jubiläumsheft der Zeitschrift Bibel und Kirche «100 Jahre Woman’s Bible»: Bibel und
Kirche 50, 1995. Weniger bekannt als Elizabeth Cady Stanton ist die Jüdin Grace Aguilar,
die schon ein halbes Jahrhundert früher, 1845, ein dreibändiges Werk The Women of Israel
veröffentlichte; vgl. dazu beispielsweise Nancy Calvert-Koyzis / Heather E. Weir (ed.), Stran
gely Familiar. Protofeminist Interpretations of Patriarchal Biblical Texts, Atlanta 2009.
©
6 Deutsche Übersetzung: Elisabeth Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis. Eine feminis
tisch-theologische Rekonstruktion der christlichen Ursprünge, Mainz 1988. Die emeritier
te Inhaberin des Krister-Stendhal-Lehrstuhls an der Harvard Divinity School publiziert bis
heute regelmässig Monografien zu Themen der feministischen Bibelauslegung, Theologie,
Rhetorik und Politik.
7 Eine der frühesten Publikationen, die die Verankerung des Themas in der (kirchlichen)
Männerarbeit erkennen lassen, ist das Büchlein von Dieter Bauer /Angelika Meissner (Hg.),
Männer weinen heimlich. Geschichten aus dem Alten Testament, Stuttgart 1993; vgl. in
jüngerer Zeit Reiner Knieling /Andreas Ruffing (Hg.), Männerspezifische Bibelauslegung,
Göttingen 2012.
8 Vgl. beispielsweise die Themennummer «Jesus Traditions and Masculinities in World
Christianity» der Zeitschrift für Mission und Ökumene Exchange 42, 2013.
9 Besonders grundlegend sind die Publikationen von David J. Clines, David the Man. The
Construction of Masculinity in the Hebrew Bible, in: ders., Interested Parties. The Ideology
of Writers and Readers of the Hebrew Bibel (JSOT.S 205), Sheffield 1995, 212 –243; sowie
Marie-Theres Wacker, Wann ist der Mann ein Mann ? Oder: Geschlechterdisput vom Para
dies her, in: dies. /Stefanie Rieger-Goertz (Hg.), Mannsbilder. Kritische Männerforschung
und Theologische Frauenforschung im Gespräch (Theologische Frauenforschung in Euro
pa 21), Münster 2006, 93 –114; vgl. auch das Themenheft «Männer. Biblische Perspekti
ven»: Bibel und Kirche 63/3, 2008.
10 Vgl. Othmar Keel /Silvia Schroer, Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorienta
lischer Religionen, Freiburg i. Ü. /Göttingen, 2 2008, bes. 147–154, 177–181.
11 In der hebräischen Bibel wird der Gottesname JHWH etwa 6800 Mal genannt. Er bedeutet
ursprünglich wohl in Bezug auf eine Sturmgottheit «Er weht», wurde dann aber verstan
den im Sinn von «Er ist da, er ist wirksam». Die Kritik an der Ersetzung des Eigennamens
durch ho kyrios (und von daher dann in den deutschen Bibelübersetzungen «der Herr»)
begleitet die feministische Theologie. Die Bibel in gerechter Sprache (hg. von Ulrike Bail et
al., Gütersloh 42011) hat dem stereotypen «Herr» Alternativen entgegengesetzt.
12 Gerlinde Baumann, Das göttliche Geschlecht. JHWHs Körper und die Gender-Frage, in:
Hedwig-Jahnow-Forschungsprojekt (Hg.), Körperkonzepte im Ersten Testament. Aspekte
einer feministischen Anthropologie, Stuttgart et al. 2003, 220 –250; dies., Die «Männlich
keit» JHWHs. Ein Neuansatz im Deutungsrahmen altorientalischer Gottesvorstellungen,
in: Frank Crüsemann et al. (Hg.), Dem Tod nicht glauben. Sozialgeschichte der Bibel (FS
L. Schottroff), Gütersloh 2004, 197–213; Andreas Wagner, Gottes Körper. Zur alttestament
lichen Vorstellung der Menschengestaltigkeit Gottes, Gütersloh 2010.
13 Mit anderen Theologinnen beziehe ich mich damit auf Robert W. Connell, Der gemachte
Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten, Opladen 32006.
14 Vgl. Othmar Keel , Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament.
Am Beispiel der Psalmen, Göttingen 51996, bes. 270 –285.
15 Vgl. zum Chaoskampf Keel/Schroer, Schöpfung (Anm. 10), bes. 123 –133.
16 Vgl. das für die äusserst rege Monotheismusforschung der letzten drei Jahrzehnte beson
ders wegweisende Buch von Othmar Keel/Christoph Uehlinger, Göttinnen, Götter und
Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund
bislang unerschlossener ikonographischer Quellen, Freiburg i. Br. et al., 52001.
17 Schon in der Sintfluterzählung ist das widersprüchliche Verhalten JHWHs, der vernich
tet und dann schwört, nie wieder zu vernichten, auffällig (Genesis 6,7; 8,21). Zwischen
Zorn und Gerechtigkeitssinn auf der einen und Mitgefühl und Nachsicht auf der ande
ren S eite schwankt der Gott Israels öfter, beispielsweise in Hosea 11. Der in der Nase und
©
ihrem Schnauben verortete Zorn ist ein Affekt, der im Alten Testament konsequent männ
lich gegendert wird. Mitgefühl, rachamim, ist ein Affekt, der in einem weiblichen Organ,
dem Uterus, ræchæm, verankert wird. Die Mutterschössigkeit und Barmherzigkeit Gottes
gehört zu seinen wichtigsten Attributen. Sie verhindert immer wieder, dass Gott Israel
verlässt. Israel ist nach Jesaja 46,3 f. vom Mutterleib an «getragen», wobei der Zusammen
hang sehr darauf hindeutet, dass dieser Mutterleib Gottes Mutterleib sein könnte. So hat
es Hieronymus in seiner Vulgata verstanden, so verstanden es Luther und Calvin. Vgl. zu
diesen in der feministischen Exegese und Theologie anhaltend diskutierten Gottesbildern
Silvia S chroer / Thomas Staubli, Die Körpersymbolik der Bibel, Darmstadt 22005; Othmar
Keel /Silvia Schroer, Eva – Mutter alles Lebendigen. Frauen- und Göttinnenidole aus dem
Alten Orient, Freiburg i. Ü. 32010; und besonders Magdalene Frettlöh, Gott Gewicht ge
ben. Bausteine einer geschlechtergerechten Gotteslehre, Neukirchen-Vluyn 22009.
18 Vgl. beispielsweise Silvia Schroer, Die Weisheit hat ihr Haus gebaut. Studien zur Gestalt
der Sophia in den biblischen Schriften, Mainz 1996; inzwischen gibt es eine Fülle von
Monografien zur personifizierten Weisheit.
19 Vgl. Othmar Keel, Gott weiblich. Eine verborgene Seite des biblischen Gottes, Freiburg
i. Ü. 2008.
20 In diesem Vaterbild mögen fürsorgliche Aspekte besonders stark sein, das ändert jedoch
nichts daran, dass mit diesem Titel auf eine kulturell, sozial und juristisch verankerte
Vaterrolle, die Institution des Paterfamilias, rekurriert wird. In der Bibelwissenschaft geis
tern immer wieder alte, apologetische Erklärungen der jesuanischen Anrede Gottes mit
«Abba» umher, die aus dem «Vater» ein kindliches «Papa» machen wollen. Neuere Unter
suchungen haben definitiv gezeigt, dass das aramäische «Abba» dem griechischen patēr
«Vater» äquivalent ist, so Georg Schelbert, ABBA Vater. Der literarische Befund vom Alt
aramäischen bis zu den späten Midrasch- und Haggada-Werken in Auseinandersetzung mit
den Thesen von Joachim Jeremias (NTOA 81), Göttingen 2011.
21 Die hebräische Wurzel gbr (gæbær «junger Mann», gibor «Held») impliziert die männliche
Überlegenheit und Körperkraft, sie verbindet Mannsein, Manneskraft und Heldenhaftig
keit aufs Engste.
22 Vgl. Jürgen Ebach, Wann ist ein Mann ein Mann ? Beobachtungen und Überlegungen zur
Josefsfigur in Gen 37– 50: Bibel und Kirche 63, 2008, 132 –137.
23 Vgl. Clines, David the Man (Anm. 9).
24 Vgl. zu Elija den luziden Beitrag von Jürgen Ebach, Elija – Ein biblisches Mannsbild,
in: Wacker/ Rieger-Goertz (Hg.), Mannsbilder, 65 – 91; und zur Auseinandersetzung der
Propheten Israels und ihrer Interpreten mit Männlichkeit David J. Clines, He-Prophets:
Masculinity as a Problem for the Hebrew Prophets and Their Interpreters, in: Alistair G.
Hunter / Philip R. Davies (ed.), Sense and Sensitivity (FS R . Carroll; JSOT.S 348), Sheffield
2002, 311– 328.
25 Vgl. Angelika Strotmann, Der markinische Petrus im Kontext des antiken Männlichkeits
konzepts. Ein Charakter in Entwicklung: Bibel und Kirche 63, 2008, 156 –161.
26 Schroer/Staubli, Die Körpersymbolik der Bibel, 137 ff. (Anm. 17).
27 Vgl. oben Anm. 22 und 24.
28 Vgl. Christl Maier / Silvia Schroer, Das Buch Ijob. Anfragen an das Buch vom leidenden
Gerechten, in: Luise Schottroff / Marie-Theres Wacker (Hg.): Kompendium Feministische
Bibelauslegung, Gütersloh 1998, 192 –207.
29 Hanna Wolff, Jesus der Mann. Die Gestalt Jesu in tiefenpsychologischer Sicht, Stuttgart
1975.
©
Bibel und Kirche 63, 2008, 162 –165.
32 Vgl. Peter-Ben Smit, Making Men – Weakness, Justification, and Andreia in Romans 5:6:
lectio difficilior 1/2012 (http://www.lectio.unibe.ch/12_1/smit_Masculinity_Rom_5.html).
33 Die Diskussionen sind weit vielfältiger, kontext- und kulturbedingter, als hier nachgezeich
net werden kann; vgl. beispielsweise Stephen D. Moore / Janice Chapel Anderson, New Tes
tament Masculinities, Atlanta 2003; Adriaan S. van Klinken / Peter-Ben Smit, Introduction.
Jesus Traditions and Maculinities in World Christianity: Exchange 42, 2013, 1 –15.
34 Moisés Mayordomo, Construction of Masculinity in Antiquity and Early Christianity:
lectio difficilior 2 /2006 (http://www.lectio.unibe.ch/06_2/marin_construction.htm); ders.,
Paulus und die Korinther im Netz antiker Männlichkeit: Bibel und Kirche 63, 2008,
149 –155.
35 Martin Leutzsch, Konstruktionen von Männlichkeit im Urchristentum, in: Crüsemann
et al. (Hg.), Dem Tod nicht glauben (Anm. 12), 600 – 618.
36 Ebach, Wann ist ein Mann (Anm. 22), 137.