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Centralblatt
fur die gesamte wissenschaftliche Anatomie.
Amtliches Organ der Anatomisclien Gesellschaft.
Herausgegeben von
Prof. Dr. Karl Ton Bardeleben in Jena.
Aufsätze.
Nachdruck verboten.
stets imstande, sich auch aus Schnittserien ein körperliches Bild der
betreffenden räumlichen Verhältnisse vorzustellen, außerdem aber halte
ich gerade die Gegend der Nagezähne bei Rodentien für diese Methode
wenig geeignet aus folgenden Gründen: Die Plattenmodelliermethode
ist selbstverständlich nur dann mit Nutzen anwendbar, wenn die Zahn-
anlagen der Zahnleiste, wie es ja auch gewöhnlich der Fall ist, getrennt
aufsitzen. Im Bereich der Nagezähne ist dieses aber nicht so un-
bedingt der Fall. Durch die enorme Entwickelung der Ig zu Nage-
zähnen —ich halte an dieser Auffassung fest —
sind die Ii so nahe
an diese herangerückt, daß die Anlagen dicht beisammenliegen. Ganz
besonders trifit dieses für Lepus zu hier erschwert der noch vor-
;
handene I3 ein Ausdehnen des Ig auch nach hinten, so daß bei dieser
Form die vordersten rudimentären Ij fernrohrähnlich direkt in die
Anlage der Nagezähne hineingeschoben worden sind. Hier verfehlt
die Plattenmodelliermethode natürlich vollständig ihren Zweck. Denn
körperlich werden die beiden Anlagen einheitlich erscheinen, während
histologisch, wie wir nachher sehen werden, leicht der Nachweis zu
führen ist, daß auch hier zwei getrennte Anlagen vorliegen. Aus
diesem Grunde halte ich auch die Gattung Lepus zur Entscheidung
der strittigen Fragen für wenig geeignet.
Ich bin daher auch bei meinen Untersuchungen von Sciurus aus-
gegangen, welche Form, was das Zahn system anbetrifift, in vielen Be-
ziehungen zweifellos primitiver ist, als die Lagomorphen, wenn sich
die letzteren auch durch die Anwesenheit eines zweiten Schneidezahns
im Oberkiefer (I3 nach meiner Auffassung) und eine größere Anzahl
von Prämolaren als ursprünglicher erweisen.
Die Gründe, die mich nun dazu führten, die im vordersten Teile
beider Kiefer vorhandenen rudimentären Zahnanlagen als die verloren-
gegangenen Ii zu deuten, waren folgende: Erstens liegen diese Anlagen
vor den Nagezähnen, zweitens entspringen beide direkt aus der Schmelz-
leiste, und schließlich entdeckte ich eben im Unterkiefer sowohl bei
Stach führt dann weiter aus, daß die Lage der rudimentären
Zähnchen vor den Nagezähnen, die er übrigens zugibt, nicht gegen
ihre Natur als Vorgänger der letzteren sprechen könne. Seiner An-
sicht nach dürfte das überragende Wachstum der Nagezähne wohl die
Ursache dieser außergewöhnlichen Stellung sein, zumal die Ersatz-
zähne auch normalerweise sich niemals genau lingual neben der ersten
Dentition anzulegen pflegen. Als Beweis hierfür teilt Stach mit, daß
er bei der Durchmusterung von 200 Hundeschädeln des öfteren ähn-
liche Stellungsanomalien während des Zahnersatzprozesses angetroffen
habe, und daß auch bei der Katze, beim Kalbe, Schweine und auch
beim Menschen derartige Unregelmäßigkeiten sehr häufig sind.
Es ist nun selbstverständlich richtig, daß das freie Schmelzleisten-
ende resp. die Ersatzzahnanlage nicht immer ganz genau lingual neben
den Milchzahnkeim zu liegen kommen wird sie wird ohne Frage ein-
;
mal vielleicht mehr nach vorn, im anderen Falle mehr nach hinten,
immer aber selbstverständlich im Bereich der zugehörigen Anlage
erster Dentition zu finden sein. Ich gebe auch gern zu, daß unter
gewissen Umständen die Raumverhältnisse hierbei von einer gewissen
Bedeutung sein können. Es ist aber gänzlich verfehlt, zum Vergleiche
Schädel aus der Zeit des Zahn wechseis heranzuziehen. Hier haben
wir ja bereits einigermaßen fertige Verhältnisse, und es ist leicht ein-
zusehen, daß während der Ausstoßung der Milchzähne und während
ihres Ersatzes durch die bleibende Dentition Unregelmäßigkeiten der
Stellung nur zu leicht entstehen können, wenngleich es sich hierbei
wohl weniger um Raummangel, als um eine durch irgendwelche
Hindernisse hervorgerufene Ablenkung aus der normalen Wachstums-
richtung handeln dürfte. Positiver Raummangel kommt wohl bei Tieren
überhaupt nicht vor. Ich hebe dieses besonders hervor, weil Stach
auch in dieser Arbeit wieder auf die schon früher (3) von ihm be-
hauptete weitgehendste Abhängigkeit zwischen den Zahnkeimen einer-
seitsund dem Kieferknochen andererseits zurückkommt, die er sowohl
für gegenseitige Lage der bleibenden Zähne zu ihren Milchvor-
die
gängern während ihres ersten Erscheinens und ihrer späteren Ent-
wickelung und in ihrem Durchbruch, sondern vor allem auch für die
Entstehung der Diphyodontie und für den Verlust des Zahnwechsels bei
den Molaren verantwortlich macht. Ich habe demgegenüber schon damals
erklärt (4), daß ich diese Theorie für durchaus unmöglich halte. Allein
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breitert sie sich und umgibt einen dünnen Dentinring mit weitem
Lumen. Nach 4 Schnitten verschwindet das Zähnchen, während die
Schmelzleiste persistiert. Nach 5 Schnitten verbreitert sich ihr freies
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Fig. 2. Fig. 3.
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Fig. 1
22. —
Die vorderen Rudimentärzähnchen und die Anlage des Nagezahns
im Oberkiefer von Sciurus Brookei.
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zahn. // Lippenfurche. sh\ Schmelzleiste des zweiten rudimentären Zähnchens, fsl
freies Sehmelzleistenende. soNz Schmelzorgan des Nagezahns.
263
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Ende von neuem, und es beginnt die Anlage des Nagezahns sichtbar
zu werden. Ganz ähnliche Bilder finden wir bei sämtHchen Formen
der Sciurinen ; überall steht sowohl das rudimentäre Zähnchen als auch
der Nagezahn dem Mundhöhlenepithel durch die Schmelzleiste
mit
direkt in Verbindung. Eine Ausnahme macht nur das jüngere Stadium
von Spermophilus citillus. Hier liegt das erstere lose im Bindegewebe^
während die glockenförmige Anlage des Nagezahns mit einer breiten
und kompakten Schmelzleiste (Fig. 1 u. 2 meiner damaligen Arbeit)
dem Mundhöhlenepithel aufsitzt. Auch im Unterkiefer von Spermo-
philus leptodactylus sind die Beziehungen der vordersten Zähnchen zur
Schmelzleiste durchaus klar und übersichtlich. Wenige Schnitte, nach-
dem die Schmelzleiste erscheint, erscheint in ihr auch das Zähnchen;
es liegt, umgeben von winzigen Resten des Schmelzorgans, direkt in
derselben (Fig. 29—35). Nach 7 Schnitten ist es verschwunden, und
erst nach 14 Schnitten (Fig. 49) beginnt das Schmelzorgan des Nage-
zahns sichtbar zu werden, das erst nach weiteren 17 Schnitten voll
getroifen wird, genau zusammen mit dem noch später zu besprechenden
zweiten rudimentären Zähnchen (Fig. 66).
267
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denn wie gesagt, hatte ich keine Gelegenheit, Material von diesem Tiere
zu untersuchen."
Zu diesen Auslassungenmöchte auch ich mir einige Worte der
Kritik erlauben : Aus ihnen muß der
nicht orientierte Leser ohne Frage
entnehmen, daß meine Feststellungen demnach doch wohl nur Phan-
tasiegebilde gewesen sein werden. Demgegenüber möchte ich noch-
mals sehr kategorisch erklären, daß diese Zähnchen in der Tat vor-
handen sind, sowohl bei Sciurus Brookei als auch bei Spermophilus.
Es ist eine eigenartige Zumutung, eine Epithelperle für ein verkalktes
Zähnchen zu halten. Wenn daher Stach sie bei dem einen Stadium
von Sciurus vulgaris, das er untersuchte, nicht gefunden hat, so hätte
er sich nur noch weitere Altersstufen dieser Form, er hätte sich aus-
reichendes Material von Spermophilus besorgen sollen, dann wäre er
wohl zu anderen Resultaten gekommen, erst dann wäre er aber auch
berechtigt gewesen, ein Befund in diesem oder
Urteil über den
jenem Sinne abzugeben. Auch ich habe diese Zähnchen übrigens
außer bei Sciurus Brookei und bei Spermophilus leptodactylus
weder bei Lepus noch bei einem anderen Nager gefunden. Warum
dieses aber sehr befremdend und wenig wahrscheinlich ist, leuchtet
mir nicht ein. Sind doch auch sonst wesentliche Unterschiede zwischen
Duplicidentata und Simplicidentata vorhanden, während bei den spe-
zialisiertesten Formen der letzteren derartige altertümliche Remi-
niszenzen gewiß nicht zu erwarten sind.
In Fig. 65—70 ist das Zähnchen und seine Beziehungen zu den
Nagezähnen dargestellt.
Ich habe dieselben in meiner ersten Arbeit als die Milchvorgänger
der Nagezähne gedeutet, hauptsächlich deswegen, weil sie labial von
diesen liegen.
Stach macht gegen diese Deutung folgende Einwände: erstens,
daß diese Dentinreste hinter der Anlage des großen Nagezahns auf-
treten. Diesen Einwand kann ich nicht anerkennen. Bei Spermo-
philus liegt das Zähnchen genau neben dem Nagezahn und nur
bei Sciurus Brookei ein wenig hinter ihm. Aber dieses ist nur ganz
cum grano salis zu verstehen, selbstverständlich befindet es sich
vollständig in seinem Bereich, und wie ich schon früher auseinander-
gesetzt habe, ist es ein ganz gewöhnlicher Befund, daß die Ersatz-
zahnanlage bald ein wenig nach vorn, bald mehr nach hinten anzu-
treffen ist, immer aber, wohlverstanden, im Zusammenhang mit dem
zugehörigen Milchzahnkeim. Zweitens, meint Stach, hätten wir hier
mit der überaus befremdenden und bisher noch nirgends beobachteten
Erscheinung zu tun, daß die Anlage des bleibenden Zahnes schon in
270
ist. Sollte dieses in der Tat der Fall sein, dann wäre hierdurch die
Natur der Zähnchen ohne weiteres entschieden. Bei der Winzigkeit
des betreffenden Gebildes läßt sich aber
ein definitives Urteil kaum fällen.
Literatur.
1) Stach, J., Die Ontogenie der Schneidezähne bei Lepus cuniculus L.
Beitrag zur Frage über die Stammesgeschichte der Nagetiere. Ex-
trait du Bulletin de l'Academie des Sciences de Cracovie, April
1910.
2) Adloff, p., Zur Entwickelungsgeschichte des Nagetiergebisses.
Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft, Bd. 22, N. F. 25, 1898.
3) Stach, Johannes, Ueber die Entstehung des Ersatzgebisses und der
Backenzähne bei den Säugetieren. Extrait du Bulletin de l'Academie
des Sciences de Cracovie, June 1904.
4) Adloff, Dr. P., Zur Entwickelung des Säugetiergebisses. Anat.
Anz., Bd. 26, 1905.