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Nachdruck verboten.
Bemerkungen über Monimostylie und Strei)tostyIie.
Einige berichtigende Bemerkungen zu der Versluys-
schen Arbeit: „ S trep tos tylie bei Dinosauriern etc.",
Zoolog. Jahrbücher, 30. Band, 1910.
2) daß ich die beiden Begriffe nur in ihrem ursprünglichen Sinne an-
wenden wolle. Ich tat dies, um Mißverständnissen vorzubeugen: weil
ich erkannte, daß etwaige andere Formen der Beweglichkeit und Un-
beweglichkeit am Schädel nur nach entsprechender Erweiterung unter
diesen Begriffen eingereiht werden könnten, dies aber stets eine Quelle
für gegenseitige Mißverständnisse sein müßte, deshalb trat ich für die
ursprüngliche Fassung, d. h. Begriffsbeschränkung, ein, und suchte nun
festzustellen, wie weit und wie, im Rahmen dieser bestimmten Grenze,
die Fragen zu beantworten seien: 1) Welches ist in der Reihe der Quadru-
peden der primäre Zustand Monimostylie oder Streptostylie ? Und 2) nach-
:
dem ich die Monimostylie als solchen erkannt, welches sind die Be-
dingungen ,
unter denen aus dieser bei den betreffenden Gruppen
Streptostylie hervorgeht? —
Dabei nahm ich also, wie gesagt, die Be-
griffe nur im alten, ursprünglichen, nur auf das Quadratbein, seine un-
gelenkige oder gelenkige Verbindung mit dem Schädel sich beziehenden
Sinne des Stannius, und dieses kann, glaube ich, nach meiner ganzen
Darstellung nicht gut jemanden zweifelhaft sein. Von irgendwelchen
etwa möglichen anderen Bewegungsarten am Schädel und deren even-
tuellem Zusammenhange mit dem monimostylen oder streptostylen Zu-
stande im SxANNiusschen Sinne habe ich, mit Absicht und aus bestimmten
Gründen, völlig abgesehen und nirgends etwas darauf Bezügliches gesagt
oder sagen wollen.
Versluys geht bei seinen Betrachtungen von ganz anderer Grund-
lage aus: die ursprüngliche Fassung der Begriffe „Monimostylie" und
„Streptostylie" ist ihm zu eng; ihm erscheint als „das Wesentliche, auch
in phylogenetischer Beziehung, nicht die Beweglichkeit der Quadrat-
beine, sondern überhaupt, ob im Schädel Verschiebungen und Be-
wegungen verschiedener Abschnitte gegeneinander stattfinden können
oder nicht". Schädel, an denen solche Bewegungen irgendwelcher
Art stattfinden, nennt Veksluys kinetisch, die anderen akinetisch. Es
leuchtet ohne weiteres ein, daß kinetisch im VERSLUYSschen Sinne und
streptostjd im STANNiusschen Sinne nicht identische Begriffe sind, wenn
selbstverständlich auch ein streptostyler Schädel stets kinetisch ist.
Aber nicht jeder kinetische Schädel ist streptostyl. Das gleiche gilt
für akinetisch und monimostyl; jeder akinetische Schädel ist natürlich
monimostyl, aber nicht jeder monimostyle Schädel akinetisch. Ein
Schädel kann z. B. im VERSLUYsschen Sinne kinetisch und gleichzeitig
im STANNiusschen Sinne monimostyl sein.
Die kinetischen Schädel scheidet Versluys in 2 Haupttypen: 1) den
metakinetischen Typus, bei dem die Biegungslinie, also die Bewegungs-
achse, zwischen Parietale und Supraoccipitale liegt, und 2) den meso-
kinetischen, bei dem die Biegungslinie, wie bei den Vögeln, weiter vorn
liegt. Der metakinetische Zustand ist der ursprüngliche, der meso-
kinetische aus ihm abzuleiten. Amphikinetische Schädel sind solche
Uebergangsformen zwischen den beiden Zuständen, an denen die beiden
Biegungslinien gleichzeitig vorhanden sind.
Aus diesem summarisch gehaltenen Ueberblicke geht die Ver-
schiedenheit der beiderseitigen Ausgangspunkte wohl genügend hervor:
bei mir strenge Beschränkung und Begrenzung der Begriffe Monimostylie
und Streptostylie im alten SxANNiusschen, auf die ungelenkige oder
gelenkige Befestigung des Quadratbeins am Schädel sich beziehenden
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habe mich nun, trotz aller darauf verwendeten Mühe, nie mit Sicher-
heit überzeugen können, daß im Leben, z. B. beim Fressen, wirklich
eine Hebungdes Oberkiefers stattfand. Auch an Spiritusmaterial er-
zielte ich das gewünschte Resultat.
nicht Daher meine ablehnende
Stellungnahme in meinem Aufsatze.
Nun will ich aber folgendes ohne weiteres einräumen. Beobachtungen
an lebenden Zauneidechsen, die mir bei meinem Urteile die Hauptsache
waren, sind, wegen der Kleinheit der Verhältnisse, nicht leicht und des-
halb vielleicht unzureichend. Ich erkläre deshalb freimütig: Wenn
durch die Beobachtungen der genannten Autoren die Möglichkeit einer
Hebung des Oberkiefers bei Eidechsen und einer damit zusammen-
hängenden Verschiebung des Pterygoids in kaudooraler und orokaudaler
Richtung einwandsfrei erwiesen ist, so ist es selbstverständlich, daß
ich in dieser Hinsicht meinen Zweifel fallen lasse.
2) Auf p. 200 und 201 (Fußnote) behauptet Versluys, ich hätte die
Meinung Gtaupps, daß im Basipterygoidgelenke von Hatteria ein primi-
tives Gelenk vorliege, zurückgewiesen.
Das ist nicht richtig. Ich habe dies nicht getan ich habe nur i)
;
die Ansicht Gaupps, Hatteria sei früher eine streptostyle Form ge-
wesen, bekämpft; dabei faßte ich den Begriff Streptostylie selbstver-
ständlich wieder im ursprünglichen Sinne, und dies um so mehr, als
mir aus dem Wortlaute der GAUPPSchen Darstellung hervorzugehen
schien, daß auch Gaupp dabei an Streptostylie im gleichen Sinne ge-
dacht habe. Ich habe also mit den betreffenden Ausführungen nur be-
streiten wollen, daß Hatteria jemals eine streptostyle Form im Stannius-
schen Sinne gewesen sei. Und daran halte ich durchaus fest.
Ich habe dabei allerdings auch vom Basipterygoidgelenke ge-
sprochen aber doch nur in dem Sinne, daß die Anwesenheit desselben
:
bei Hatteria nicht bewiese, daß dieses Tier früher einmal eine strepto-
style Form (im STANXiusschen Sinne) gewesen sei. Ich glaube nicht,
daß man den Sinn meiner diesbezüglichen Ausführungen anders ver-
stehen kann.
Ueber das Basipterygoidgelenk im allgemeinen habe ich über-
haupt nicht gesprochen, daher auch nicht über die Frage, ob es eine
primitive, alte Einrichtung sei oder nicht ich habe demnach weder
;
das eine noch das andere behauptet noch geleugnet : ich bin auf diese
allgemeine Frage gar nicht eingegangen.
Ich habe nur ganz speziell vom Basipterygoidgelenk der Hatteria
gesprochen, indem ich es als „Vorstufe eines in Ausbildung begriffenen
Gelenkes" bezeichnete. Und aus diesem speziellen, nur auf Hatteria
bezogenen Urteile schließt Vehsluys, ich sei der Ansicht, daß das
Basipterj'^goidgelenk überhaupt kein primitives Gelenk sei und nicht
schon früher als bei Hatteria bestanden habe. Dieser Schluß ist aber,
nach meiner ganzen Darstellung, ungerechtfertigt.
Ob' das Gelenk bei Hatteria wirklich nicht erst ,.in Ausbildung
begriffen sei", so wie ich diesen Ausdruck verstanden habe, darüber
später. — Was aber den VERSLUvsschen Schluß auf meine Ansicht
Weiter sagt dann Versluys, ich hätte augegeben, daß die Durch-
biegung „an der Verbindung von Praemaxillare und Frontale" liege;
tritt dann dagegen auf, weil es sich immer um Durchbiegung in den
Knochen, ohne Beziehungen zu den Grenzen derselben, handele, wie
schon NiTscH richtig angegeben.
Daß es sich um Durchbiegungen einer Knochenplatte, ohne nähere
Beziehungen zu den Knochengrenzen, handelt, ist zweifellos richtig, ist
aber auch mir bekannt und sollte nicht von mir bestritten werden. Das
geht auch aus dem Texte meiner Darstellung hervor, indem ich (auf
p. 162, Zeile 17 und 18 von oben) von einer Biegsamkeit der Nasalia
spreche, und etwas weiter unten sage, daß die transversale Bewegungs-
achse durch das hintere obere Ende des Praemaxillare geht. Und wenn
ich an anderer Stelle sagte, die Bewegung finde „auf dem Dorsum
cranii zwischen Praemaxillare und Frontale um eine transversale Achse"
statt, so sollte damit nicht ausgesprochen sein, daß die Biegungslinie
der Naht zwischen den Knochen entspräche, wie es Versluys aufzu-
fassen scheint; das wäre schon nach Lage der Dinge deshalb unmög-
lich, weil, wenigstens bei vielen Vögeln, so z. B. bei Phasianus und
Syrnium aluco, welche ich speziell für die vorliegende Frage seinerzeit
genau untersuchte, die in Betracht kommenden Knochen derart in
sagittaler Richtung miteinander verbunden, gleichsam gegeneinander
eingekeilt sind, daß eine transversale Biegungslinie unmöglich mit den
Nahtgrenzen zusammenfallen kann. Ich habe mich auch hier der
inkriminierten Ausdrucksweise nur der Kürze halber bedient, weil ich
die fraglichen Verhältnisse als so allgemein bekannt voraussetzte,
wenigstens bei den Osteologen, daß ich nicht annahm, man würde hinter
dem kurzen, allerdings, wie ich gerne zugebe, nicht präzisen Ausdrucke
eine falsche Ansicht vermuten. Ich habe also bei meiner Darstellung
nicht, wie Versluys annimmt, an die Nahtverbindung von Frontale und
Praemaxillare gedacht; das geht auch daraus hervor, daß ich nie von
einer Durchbiegung „an der Verbindung von Praemaxillare und Frontale"
sprach, wie Versluys angibt; ich habe stets nur das obere Ende des
Praemaxillare und das vordere Ende des Frontale, d. h. ganze Ab-
schnitte dieser Knochen, und dazu noch die Nasalia im Auge gehabt.
Wie diese zusammen die Durchbiegungslinie bilden, darauf bin ich nicht
näher eingegangen, schon deshalb nicht, weil ich hier mancherlei Vai'ia-
tionen bei den einzelnen Gruppen vorfand und ich es nicht als meine
augenblickliche Aufgabe betrachtete, diese näher zu schildern.
Ich hoffe mit dieser Berichtigung weiteren Mißverständnissen vor-
zubeugen und so der Sache einen Dienst zu erweisen.