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Nachdruck verboten.
Bemerkungen über Monimostylie und Strei)tostyIie.
Einige berichtigende Bemerkungen zu der Versluys-
schen Arbeit: „ S trep tos tylie bei Dinosauriern etc.",
Zoolog. Jahrbücher, 30. Band, 1910.

Von Hugo Fuchs, Straßburg i. E.

In einem vor einiger Zeit im Anatomischen Anzeiger erschienenen i)


Aufsatze über die Schläfengegend am Schädel der Quadrupeden bin ich
unter anderem auch auf die Frage der monimostylen und streptostylen
Schädelformen eingegangen und habe die gegenseitigen Beziehungen
beider Formen dargestellt, und zwar so, wie sie nach meiner Ansicht
dem Gange der phylogenetischen Entwicklung entsprechen: indem ich
mich im wesentlichen auf die Landwirbeltiere beschränkte, leitete ich
die streptostyle Form von der monimostylen ab.
Meine Ausführungen und Ansichten haben kürzlich von Versluts,
in der oben genannten Arbeit, teilweise eine Kritik erfahren, nämlich
in ablehnendem und ungünstigem Sinne. Diese Kritik kann ich im all-
gemeinen nicht als richtig anerkennen, und zwar deswegen nicht, weil
sie größtenteils gegen Dinge gerichtet ist, die ich gar nicht behauptet,
bezw. von denen ich gar nicht gesprochen habe, demnach auf mißver-
standener und unrichtiger Auffassung meiner Ausführungen und An-
sichten beruht und so geeignet ist, auch bei anderen Forschern eine
irrige Auffassung hervorzurufen. Ich sehe mich deshalb genötigt, hier
auf die Sache einzugehen.
Ich schicke eine summarische Uebersicht über Inhalt und Ziel der
beiderseitigen Arbeiten, soweit hier in Betracht kommend, voraus.
Ich habe in meinem (einen Vortrag darstellenden) Aufsatze, der in
der Hauptsache, bezüglich des in Rede stehenden Punktes sogar aus-
schließlich als vorläufige Mitteilung gedacht war (weshalb ich im all-
gemeinen auf nähere literarische Nachweise verzichten zu können glaubte),
ausdrücklich folgendes hervorgehoben: 1) daß die ursprüngliche (von
Stannius herrührende) Fassung der Begriffe „Monimostylie" und „Strepto-
stylie" sich nur auf das Quadratbein der Landwirbeltiere bezieht, Moni-
mostylie den unbeweglichen, Streptostylie den beweglichen Zustand
desselben bezeichnend (und zwar so, daß der bewegliche Zustand in
der Hauptsache mit einer gelenkigen Verbindung des Quadratbeines
am Schädel, insbesondere am Squamosum, in Zusammenhang gebracht
wird , der unbewegliche dementsprechend mit einer ungelenkigen) ;

2) daß ich die beiden Begriffe nur in ihrem ursprünglichen Sinne an-
wenden wolle. Ich tat dies, um Mißverständnissen vorzubeugen: weil

1) Anat. Anz., 35. Bd., 1909.


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ich erkannte, daß etwaige andere Formen der Beweglichkeit und Un-
beweglichkeit am Schädel nur nach entsprechender Erweiterung unter
diesen Begriffen eingereiht werden könnten, dies aber stets eine Quelle
für gegenseitige Mißverständnisse sein müßte, deshalb trat ich für die
ursprüngliche Fassung, d. h. Begriffsbeschränkung, ein, und suchte nun
festzustellen, wie weit und wie, im Rahmen dieser bestimmten Grenze,
die Fragen zu beantworten seien: 1) Welches ist in der Reihe der Quadru-
peden der primäre Zustand Monimostylie oder Streptostylie ? Und 2) nach-
:

dem ich die Monimostylie als solchen erkannt, welches sind die Be-
dingungen ,
unter denen aus dieser bei den betreffenden Gruppen
Streptostylie hervorgeht? —
Dabei nahm ich also, wie gesagt, die Be-
griffe nur im alten, ursprünglichen, nur auf das Quadratbein, seine un-
gelenkige oder gelenkige Verbindung mit dem Schädel sich beziehenden
Sinne des Stannius, und dieses kann, glaube ich, nach meiner ganzen
Darstellung nicht gut jemanden zweifelhaft sein. Von irgendwelchen
etwa möglichen anderen Bewegungsarten am Schädel und deren even-
tuellem Zusammenhange mit dem monimostylen oder streptostylen Zu-
stande im SxANNiusschen Sinne habe ich, mit Absicht und aus bestimmten
Gründen, völlig abgesehen und nirgends etwas darauf Bezügliches gesagt
oder sagen wollen.
Versluys geht bei seinen Betrachtungen von ganz anderer Grund-
lage aus: die ursprüngliche Fassung der Begriffe „Monimostylie" und
„Streptostylie" ist ihm zu eng; ihm erscheint als „das Wesentliche, auch
in phylogenetischer Beziehung, nicht die Beweglichkeit der Quadrat-
beine, sondern überhaupt, ob im Schädel Verschiebungen und Be-
wegungen verschiedener Abschnitte gegeneinander stattfinden können
oder nicht". Schädel, an denen solche Bewegungen irgendwelcher
Art stattfinden, nennt Veksluys kinetisch, die anderen akinetisch. Es
leuchtet ohne weiteres ein, daß kinetisch im VERSLUYSschen Sinne und
streptostjd im STANNiusschen Sinne nicht identische Begriffe sind, wenn
selbstverständlich auch ein streptostyler Schädel stets kinetisch ist.
Aber nicht jeder kinetische Schädel ist streptostyl. Das gleiche gilt
für akinetisch und monimostyl; jeder akinetische Schädel ist natürlich
monimostyl, aber nicht jeder monimostyle Schädel akinetisch. Ein
Schädel kann z. B. im VERSLUYsschen Sinne kinetisch und gleichzeitig
im STANNiusschen Sinne monimostyl sein.
Die kinetischen Schädel scheidet Versluys in 2 Haupttypen: 1) den
metakinetischen Typus, bei dem die Biegungslinie, also die Bewegungs-
achse, zwischen Parietale und Supraoccipitale liegt, und 2) den meso-
kinetischen, bei dem die Biegungslinie, wie bei den Vögeln, weiter vorn
liegt. Der metakinetische Zustand ist der ursprüngliche, der meso-
kinetische aus ihm abzuleiten. Amphikinetische Schädel sind solche
Uebergangsformen zwischen den beiden Zuständen, an denen die beiden
Biegungslinien gleichzeitig vorhanden sind.
Aus diesem summarisch gehaltenen Ueberblicke geht die Ver-
schiedenheit der beiderseitigen Ausgangspunkte wohl genügend hervor:
bei mir strenge Beschränkung und Begrenzung der Begriffe Monimostylie
und Streptostylie im alten SxANNiusschen, auf die ungelenkige oder
gelenkige Befestigung des Quadratbeins am Schädel sich beziehenden
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Sinne, bei Versluys Erweiterung und Verknüpfung mit anderen Be-


wegungst'ormen am Schädel überhaupt.
Ich habe nun den Eindruck, daß Versluys diese Verschiedenheit
nicht immer genügend beachtet und dadurch hier und da eine schiefe
Auffassung meiner Ansichten gewonnen hat, um diese dann, sie mir
als meine Auffassung supponierend, als irrig zu bekämpfen.
Ich gehe nun auf die Einwände von Versluys gegen verschiedene
Punkte meiner Darstellung näher ein.
1) p. 194, Fußnote 2 rügt Versluys, daß ich in meinem Vortrage
die (von Nitsch, Bradley und ihm angegebene) Möglichkeit einer Ver-
schiebung des Pterygoids der Lacertilier in kaudooraler und orokaudaler
Richtung und eine damit zusammenhängende Emporhebung des Ober-
kiefers nicht anerkannte. Versluys fragt: „Wie ist Fuchs dazu ge-
kommen, die Richtigkeit der Beobachtungen von Nitsch, Bradley und
mir in Abrede zu stellen? Hat Fuchs hier nicht über Streptostylie,
d. i. über das bewegliche Quadratbein der Eidechsen, geschrieben, ohne
die damit zusammenhängenden Bewegungen anderer Schädelknochen
genauer zu studieren und ohne von der einschlägigen Literatur ge-
nügend Kenntnis zu nehmen?"
Darauf habe ich folgendes zu erwidern.
Gewiß bin ich nicht auf Bewegungen anderer Schädelknochen ein-
gegangen. Das geschah aber mit Absicht. Ich wollte mich ja aus-
schließlich mit der Monimostylie und Streptostylie im SxANNiusschen
Sinne beschäftigen, um festzustellen, welches von beiden der Ausgangs-
zustand sei, und dann, welches die nächstliegenden, also unmittelbaren
Vorbedingungen seien, deren Erfüllung das Hervorgehen der Streptostylie
im SxANNiusschen Sinne aus der Monimostylie im gleichen Sinne er-
möglichte. Ob diesem Prozeß Bewegungen anderer Schädelknochen (so
wie sie Versluys jetzt näher beschreibt) vorausgingen und also mit
der Monimostylie nach Stannius vergesellschaftet und als weitere ent-
ferntere Vorbedingungen der Streptostylie anzusehen seien, darauf bin
ich nicht weiter eingegangen, eben weil ich zunächst nur feststellen
wollte, welcher der beiden in Rede stehenden Zustände SxANNiusscher
Fassung primär, welcher sekundär sei. Und dies wollte ich deshalb
feststellen, weil ich den Eindruck hatte, daß in dieser Frage keine
einheitliche Auffassung herrsche ; und weil ich weiter den Eindruck
hatte, daß diese Uneinigkeit vielfach durch unpräzise Verwendung der
Begriffe Monimostylie und Streptostylie veranlaßt sei, deshalb trat ich
für die strenge Beschränkung dieser Begriffe auf den ursprünglichen
Sinn ein und verfuhr nun selbst danach.
Des weiteren habe ich doch nicht die Richtigkeit der Beobachtungen
von Nitsch, Bradley und Versluys „in Abrede gestellt". Ich bin
nur aus dem oben angegebenen Grunde nicht darauf eingegangen.
Allerdings habe ich in meinem Aufsatze eine der VERSLUvsschen An-
sicht entgegenstehende Meinung ausgesprochen. Das geschah aber
nicht grundlos. Ich habe nämlich jahrelang Eidechsen (Lacerta
agilis) in Gefangenschaft gehalten und gepflegt, dabei in allen Lebens-
lagen genau beobachtet. Besonders achtete ich stets auch auf die
Kiefergelenksgegend und alle damit zusammenhängenden Fragen. Ich
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habe mich nun, trotz aller darauf verwendeten Mühe, nie mit Sicher-
heit überzeugen können, daß im Leben, z. B. beim Fressen, wirklich
eine Hebungdes Oberkiefers stattfand. Auch an Spiritusmaterial er-
zielte ich das gewünschte Resultat.
nicht Daher meine ablehnende
Stellungnahme in meinem Aufsatze.
Nun will ich aber folgendes ohne weiteres einräumen. Beobachtungen
an lebenden Zauneidechsen, die mir bei meinem Urteile die Hauptsache
waren, sind, wegen der Kleinheit der Verhältnisse, nicht leicht und des-
halb vielleicht unzureichend. Ich erkläre deshalb freimütig: Wenn
durch die Beobachtungen der genannten Autoren die Möglichkeit einer
Hebung des Oberkiefers bei Eidechsen und einer damit zusammen-
hängenden Verschiebung des Pterygoids in kaudooraler und orokaudaler
Richtung einwandsfrei erwiesen ist, so ist es selbstverständlich, daß
ich in dieser Hinsicht meinen Zweifel fallen lasse.
2) Auf p. 200 und 201 (Fußnote) behauptet Versluys, ich hätte die
Meinung Gtaupps, daß im Basipterygoidgelenke von Hatteria ein primi-
tives Gelenk vorliege, zurückgewiesen.
Das ist nicht richtig. Ich habe dies nicht getan ich habe nur i)
;

die Ansicht Gaupps, Hatteria sei früher eine streptostyle Form ge-
wesen, bekämpft; dabei faßte ich den Begriff Streptostylie selbstver-
ständlich wieder im ursprünglichen Sinne, und dies um so mehr, als
mir aus dem Wortlaute der GAUPPSchen Darstellung hervorzugehen
schien, daß auch Gaupp dabei an Streptostylie im gleichen Sinne ge-
dacht habe. Ich habe also mit den betreffenden Ausführungen nur be-
streiten wollen, daß Hatteria jemals eine streptostyle Form im Stannius-
schen Sinne gewesen sei. Und daran halte ich durchaus fest.
Ich habe dabei allerdings auch vom Basipterygoidgelenke ge-
sprochen aber doch nur in dem Sinne, daß die Anwesenheit desselben
:

bei Hatteria nicht bewiese, daß dieses Tier früher einmal eine strepto-
style Form (im STANXiusschen Sinne) gewesen sei. Ich glaube nicht,
daß man den Sinn meiner diesbezüglichen Ausführungen anders ver-
stehen kann.
Ueber das Basipterygoidgelenk im allgemeinen habe ich über-
haupt nicht gesprochen, daher auch nicht über die Frage, ob es eine
primitive, alte Einrichtung sei oder nicht ich habe demnach weder
;

das eine noch das andere behauptet noch geleugnet : ich bin auf diese
allgemeine Frage gar nicht eingegangen.
Ich habe nur ganz speziell vom Basipterygoidgelenk der Hatteria
gesprochen, indem ich es als „Vorstufe eines in Ausbildung begriffenen
Gelenkes" bezeichnete. Und aus diesem speziellen, nur auf Hatteria
bezogenen Urteile schließt Vehsluys, ich sei der Ansicht, daß das
Basipterj'^goidgelenk überhaupt kein primitives Gelenk sei und nicht
schon früher als bei Hatteria bestanden habe. Dieser Schluß ist aber,
nach meiner ganzen Darstellung, ungerechtfertigt.
Ob' das Gelenk bei Hatteria wirklich nicht erst ,.in Ausbildung
begriffen sei", so wie ich diesen Ausdruck verstanden habe, darüber
später. — Was aber den VERSLUvsschen Schluß auf meine Ansicht

1) p. 156 — 158 meines Aufsatzes.


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über das Basipterygoidgelenk im allgemeinen betrifft, so ist er weder


berechtigt noch richtig.
Zunächst habe ich, wie gesagt, über das Gelenk im allgemeinen
gar nicht gesprochen und auch kein Urteil abgegeben. Ferner aber
liegt in dem speziellen Urteile über die Verhältnisse bei Hatteria, daß
nämlich hier das Gelenk erst ,,in Ausbildung begriffen" sei, doch nicht
zugleich die Behauptung, daß dieses Gelenk nicht eine alte, primitive
Einrichtung und phylogenetisch nicht auch schon (in gleich unvoll-
kommenem oder auch bereits vollkommenerem Zustande) bei noch
primitiveren Reptilien und sogar schon bei Amphibien bestanden habe
(was auch mir bekannt ist). Mit der Bezeichnung „Vorstufe" und „erst
in Ausbildung begriffen" sollte nur gesagt sein, daß nach meiner An-
sicht das Gelenk bei Hatteria und ihren unmittelbaren Vorfahren nie
in Form eines vollentwickelten, also vollwertigen typischen
Gelenkes bestanden habe, sondern nur in wenig entwickelter, unvoll-
kommener Form; daß es also ein Gelenk auf unvollkommener Stufe,
d. h. eine „Vorstufe", war und ist. Das verträgt sich aber doch mit
der Auffassung, daß dieses Gelenk phylogenetisch bereits früher, bei
tiefer stehenden Formen vorhanden war, was ich nie geleugnet habe;
ja sogar mit der Auffassung, daß es eine primitive, d. h. ursprüngliche
Einrichtung sei, welch letzteres ich allerdings, angesichts der Tatsache,
daß es bei Stegocephalen noch nicht gefunden ward, zwar nicht so ohne
weiteres behaupten möchte, jedenfalls in meinem Aufsatze aber auch
nicht bestritten habe.
Es ist doch klar, daß das Gelenk, als es zum ersten Male auftrat,
zunächst nur ganz unvollkommen sein konnte, in morphologischer und
funktioneller Hinsicht; d. h. es war eine „Vorstufe", war „in Ausbildung
begriffen". Und auf solch unvollkommener Stufe sollte es nach meiner
Ansicht bei Hatteria stehen geblieben sein. Das wollte ich mit den
von Versluys mißverstandenen Worten sagen.
Und für diese Ansicht habe ich Gründe. Versluys sagt, das Ge-
lenk sei schon beim Embryo von Hatteria gut entwickelt, und beruft
sich auf eine Abbildung von Howes und Swinnerton. Ich finde aber
an meinen Hatteriaserien folgendes. Bei 4 cm langen Embryonen ist
ein Gelenk überhaupt noch nicht da und erst der Meniscus in Entwick-
lung begriffen. Bei 6 cm langen Embryonen ist der Beginn einer ersten
winzigen Spur einer Gelenkspalte (in 2 Schnitten von 8, die auf den
Meniscusknorpel kommen) zu sehen. Bei einem 10 11 cm langen —
ausgeschlüpften jungen Tiere ist die Gelenkspalte weiter entwickelt ;

genau kann ich aber, wegen des Erhaltungszustandes, die Einzel-


heiten nicht prüfen. Jedenfalls entwickelt sich das Gelenk während
der Embryonalzeit progressiv und macht keine Reduktion durch. Da
nun beim fertigen und erwachsenen Tiere jedenfalls kein vollentwickeltes
Gelenk vorliegt, so schloß ich aus alledem, daß das Gelenk bei
Hatteria von jeher auf einer unvollkommenen Stufe, d. h. im Zustande
einer „Vorstufe", stehen geblieben sei. Ueber das phylogenetische Alter
oder den Charakter des Gelenkes als einer primitiven oder nicht primi-
tiven Einrichtung sollte damit nichts gesagt sein und konnte meines
Erachtens auch nichts aus meiner Darstellung herausgelesen werden.
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Am Schlüsse seiner polemischen Fußnote schreibt Veksluys: „und


nach Fuchs sollte sich das Gelenk bei Sphenodon gebildet haben, ohne
daß schon Bewegungen im Schädel möglich waren". Ich möchte wissen,
wo das in meinem Aufsatze steht, wo die Worte, die zu solchem An-
griffe berechtigen. Ich habe mit keinem Worte über die Entstehung
dieses Gelenkes gesprochen. Ich habe nur gesagt, daß Hatteria keine
streptostyle Form im Sinne des Stannius gewesen sei ; habe also bloß
gesagt, daß keine Bewegungen des Quadratbeines im Sinne der
STANNiusschen Streptostylie bestanden hätten. Ueber andere Bewegungen
im Schädel, ob solche früher einmal bestanden oder nicht, und über
die Entstehung des Basipterygoidgelenkes und was diese veranlaßt hätte,
darüber habe ich überhaupt nicht gesprochen und auch kein Urteil ab-
gegeben auf diesen Punkt bin ich überhaupt nicht eingegangen, weil
;

nicht im Rahmen meiner durch die gewählte Begriffsbeschränkung be-


grenzten Untersuchung gelegen. Im übrigen hätte Versluys mir die
primitive morphologische Erkenntnis, daß Gelenke nur unter dem Ein-
flüsse von Bewegungen entstehen können, schon zutrauen dürfen; auch
wenn ich nicht davon sprach.
3) Auf p. 235 bespricht Versluys meine Ansicht über die Ent-
stehung der Streptostylie der Vögel und sagt, es gehöre mehr dazu als
die von mir geforderte Einschränkung des Zusammenhanges von Squa-
mosum und Quadratum und Lockerung der postorbitalen Spange ;es
gehöre vor allem dazu noch eine bewegliche Verbindung von Pterygoid
und Hirnschädel in einem Basipterygoidgelenke. Nun ich denke: auch
ich habe in meinem Aufsatze diese Bedingung genannt, wenn ich auch
auf die bei den einzelnen Formen in diesen Verhältnissen bestehenden
Verschiedenheiten (1 oder 2 Gelenke auf jeder Seite) nicht näher ein-
gegangen bin. Und wenn dann Versluys fortfährt: Diese Verbindung
in Basipterygoidgelenken „kann hier aber nicht als Neubildung gedeutet
werden, wie es Fuchs tun muß, da er bei Sphenodon auch erst höchstens
ein in Neubildung begriffenes Basipterygoidgelenk annimmt," so glaube
ich, nach dem was ich soeben über Hatteria gesagt habe, behaupten zu
dürfen, daß Versltys zu solchen Schlüssen nicht berechtigt war. Auch
habe ich nie von „Neubildung" bei Hatteria gesprochen. Im übrigen
vergißt auch hier Versluys, ebenso wie in seiner Fußnote auf p. 207
und 208 über Anchisaurus, daß ich nur von Streptostylie im STANNius-
schen Sinne gesprochen und nach deren unmittelbaren Vorbeding-
ungen geforscht habe, und nicht nach anderen, etwa damit zusammen-
hängenden Bewegungen im Schädel überhaupt.
4) Auf p. 239 und 240 (Fußnote) wendet sich Vebsluys gegen
diO; einige Male auch von mir gebrauchte Bezeichnung „Gelenk" für
die Biegungsstelle im Schädeldache der Vögel. Versluys hat insofern
recht, als hier in der Tat kein richtiges Gelenk vorliegt. Aber ich
glaube, das hat auch keiner, der den Vogelschädel kennt, behaupten
wollen, auch wenn er die beanstandete Bezeichnung verwertete. Daß
auch ich nicht dabei an ein typisches Gelenk dachte, geht daraus her-
vor, daß ich das erste Mal von einer „Art gelenkiger Verbindung"
sprach. Wenn ich dann weiterhin das Wort „Gelenk" benutzte, so
geschah es nur um der Kürze des Ausdrucks willen.
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Weiter sagt dann Versluys, ich hätte augegeben, daß die Durch-
biegung „an der Verbindung von Praemaxillare und Frontale" liege;
tritt dann dagegen auf, weil es sich immer um Durchbiegung in den
Knochen, ohne Beziehungen zu den Grenzen derselben, handele, wie
schon NiTscH richtig angegeben.
Daß es sich um Durchbiegungen einer Knochenplatte, ohne nähere
Beziehungen zu den Knochengrenzen, handelt, ist zweifellos richtig, ist
aber auch mir bekannt und sollte nicht von mir bestritten werden. Das
geht auch aus dem Texte meiner Darstellung hervor, indem ich (auf
p. 162, Zeile 17 und 18 von oben) von einer Biegsamkeit der Nasalia
spreche, und etwas weiter unten sage, daß die transversale Bewegungs-
achse durch das hintere obere Ende des Praemaxillare geht. Und wenn
ich an anderer Stelle sagte, die Bewegung finde „auf dem Dorsum
cranii zwischen Praemaxillare und Frontale um eine transversale Achse"
statt, so sollte damit nicht ausgesprochen sein, daß die Biegungslinie
der Naht zwischen den Knochen entspräche, wie es Versluys aufzu-
fassen scheint; das wäre schon nach Lage der Dinge deshalb unmög-
lich, weil, wenigstens bei vielen Vögeln, so z. B. bei Phasianus und
Syrnium aluco, welche ich speziell für die vorliegende Frage seinerzeit
genau untersuchte, die in Betracht kommenden Knochen derart in
sagittaler Richtung miteinander verbunden, gleichsam gegeneinander
eingekeilt sind, daß eine transversale Biegungslinie unmöglich mit den
Nahtgrenzen zusammenfallen kann. Ich habe mich auch hier der
inkriminierten Ausdrucksweise nur der Kürze halber bedient, weil ich
die fraglichen Verhältnisse als so allgemein bekannt voraussetzte,
wenigstens bei den Osteologen, daß ich nicht annahm, man würde hinter
dem kurzen, allerdings, wie ich gerne zugebe, nicht präzisen Ausdrucke
eine falsche Ansicht vermuten. Ich habe also bei meiner Darstellung
nicht, wie Versluys annimmt, an die Nahtverbindung von Frontale und
Praemaxillare gedacht; das geht auch daraus hervor, daß ich nie von
einer Durchbiegung „an der Verbindung von Praemaxillare und Frontale"
sprach, wie Versluys angibt; ich habe stets nur das obere Ende des
Praemaxillare und das vordere Ende des Frontale, d. h. ganze Ab-
schnitte dieser Knochen, und dazu noch die Nasalia im Auge gehabt.
Wie diese zusammen die Durchbiegungslinie bilden, darauf bin ich nicht
näher eingegangen, schon deshalb nicht, weil ich hier mancherlei Vai'ia-
tionen bei den einzelnen Gruppen vorfand und ich es nicht als meine
augenblickliche Aufgabe betrachtete, diese näher zu schildern.
Ich hoffe mit dieser Berichtigung weiteren Mißverständnissen vor-
zubeugen und so der Sache einen Dienst zu erweisen.

Abgeschlossen am 16. August 1910.

Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena.

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