IIJIII
D " •• I ' I • I •••
•• 11111111
.. I
Mit diesen Thesen wollen wir eine Diskus- virulenten und neuen gesellschaftlichen Trä- Rationalismus als Tendenz in der Ge-
sion fortsetzen, die wir in den letzten Num- ger (dem sich emanzipierenden Bürgertum)
mern von ARCH+ in Form vo'n Monographien und ihrer Einbettung in gleichgerichtete Auf-
schichte der Architekturkunst
zu einzelnen Architekten wie Robert Venturi bruchsbewegungen in Literatur und bilden -
Unter "Rationalismus in der Architektur"
oder Aldo Rossi, Oswald Mathias Ungers oder der Kunst zu der noch relativ isolierten Ten-
verstehen wir nicht - im Sinne stilgeschichtli-
Peter D. Eisenman 1) begonnen haben . Die fol- denz eier gegenwärtigen Rationalen Architek-
cher Terminologie - eine bestimmte, zeitlich
genden Thesen versuchen, einen ersten Ansatz tur in Beziehung setzt.
begrenzte Epoche in der Geschichte der Archi-
,.zur Theorie der Rationalen Architektur und Worum es uns geht, ist also zunächst "Spu-
tektur , sondern eine Tendenz, die sich mit un-
ihres Kunst - und Architekturverständnisses zu rensicherung" : die Betrachtung vergessener,
terschiedlichen Akzentuierungen in verschie-
formulieren und einige zentralen Kategorien im Bewußtsein der heutigen Architektengef}e-
denen Epochen der Architekturgeschichte
zu ihrer Kritik anzulegen. Sie sollen so eine ration schon verschwommener Spuren unter
vorfinden läßt.
erste Einführung liefern in eine unter verschie- den neuen Fragestellungen, die die Konfron-
Im Unterschied zu mystischen, subjektiv-
denen Namen die deutsche Diskussion - sei tation des uns mittlerweile so gewohnten
sensualistischen (also "irrationalen") oder vor-
es unter dem oben erwähnten der Rationalen funkt ion al ist ischen Arch itekturverständnisses
dergründig "empirischen" (also "vorrationalen"
Architektur oder unter dem einer populisti- mit dem Architekturkunstverständnis der Ra-
Verständnissen, wie etwa der technisch-öko-
schen Architektur - zunehmend beherrschen- tionalisten aufwirft.
nomische Empirismus/Utilitarismus des "Bau-
de Tendenz, die in einem Satz zusammenge-
Zu fragen ist etwa: haftsfu nktionalismus"unserer Tage)
faßt lautet : Rückbesinnung auf die immanen-
Findet die schon totgesagte oder im schran- Architekturverständnissen beruht das ratio-
ten Probleme der Architektur.
kenlosen Subjektivismus zu versacken drohende nale Konzept - zunächst ungeachtet der wich ·
Parallel dazu versuchen wir, durch zusam- Geschichte der Architektur als einer,Kunst ihre tigen Verzweigungen und Akzentuierungen -
menfassende Thesen, Texte und die Dokumen - Weiterentwicklung und Fortsetzung in der Ra- auf folgender Grundannahme :
tation von Entwürfen einige derjenigen histo- tionalen Architektur? Was bedeutet es, wenn . Die Architektur ist eine autonome Disziplin,
rischen Bezüge darzustellen, auf die sich die sich heute die Rationalisten zum Teil auf genau die bis auf einen mehr oder weniger großen
Rationale Architektur implizit und teilweise die Tendenz in der Architekturgeschichte zu- irrationalen Rest der vernunftgemäßen Erk
auch explizit bezieht. rückführen lassen, von der die Moderne am An- nis, dem begrifflichen oder imaginativen Den-
Viele der zentra len topoi von Architektur- fang dieses Jahrhunderts ihren Ausgang nahm? ken, der wissenschaftlichen Erforschung und
verständnis, Entwurfsmethode und Formen- War der'Tod der Architektur'als eines sozial-kul- Vermittlung zugänglich ist. Architektur ist
sprache, die uns bei Rossi, Aymonino, Ungers turellen Mediums ein Zwischenspiel, ist die Ra- durch sinnliche Wahrnehmung der Natur,
oder Venturi begegnen, haben eine lange und tionale Architektur die Auferstehung der tot- Nachahmung der empirischen äußeren Wirk-
nuancierte Tradition im ästhetischen Rationa- gesagten? Läßt sich bruchlos heute an eine lichkeit oder Entäußerung der empfundenen
lismus als einer wesentlichen Tendenz in der Tradition der Disziplin anknüpfen, die ja nicht inneren Wirklichkeit nicht erschöpfend zu
Geschichte der Architektur. Wir wollen diese grundlos unter bestimmten gesellschaftlichen erklären; vielmehr gibt es Prinzipien, "erste
ideengeschichtlichen Bezüge der Rationalen Bedingungen abgebrochen zu sein schien; welche Begriffe", Ideen, Regeln - mit einem Wort:
Architektur aus zwei Gründen zurückverfolgen: gesellschaftlichen Veränderungen sind es, die einen "rationalen Kern" - der Architektur.
erstens, um die gegenwärtige Tendenz 'imma- gerade jetzt die ersten Knospen eines Architek- Diese Prinzipien, Ideen, Regeln usw. werden
nent' besser verstehen zu können, zweitens, turkunst-Revivals hervortrieben? Ist die Art und entweder durch die rationale, begriffliche
um die Problematik der Rationalen Architek- Weise, wie sich die Rationale Architektur auf Analyse der empirischen Wirklichkeit (quasi
tur unter den gegenwärtigen gesellschaftlich - die Tradition der Disziplin bezieht, ihrer gesell- naturwissenschaftl ich oder mathematisch
kulturellen Bedingungen besser einschätzen schaftlichen Situation adäquat, und wer ist der durch Proportionsstudien) gewonnen, weiter-
zu können - etwa indem man den Rationalis- gesellschaftliche Träger einer so lchen kulturellen entwickelt und überprüft ("material istischer
mus der Aufklärungsarchitektur mit ihrem Erneuerungsbewegung ? Rational ismus"), oder in einem (auf Phantasie
I·
+
11-
••
DIE RATIONALEN UND SUBJEKTIV terIJretationen, wie sie ihm zufolge der prozesses von Architektursprachen und
ÄSTHETISCHEN MOMENTE DER "rationalismo convenzionale" u .a. ver- der Architektur zu charakterisieren, ver-
RATIONALEN ARCHITEKTUR traten, ausschließen, die für die Architek - wenden wir eine differenziertere Termino-
tur forderten, "alle architektonischen Pro- logie: Wir bezeichnen den Bildungsprozeß
zesse aus Prinzipien herzuleiten"7), quasi von Architektursprachen als den Prozeß
Die Rationale Architektur begreife!: um den gesamten Bildungsprozeß von Ar- der Strukturbildung (oder Sprachbildung)
wir mit Aldo Rossi als eine "rational e chitektur einem logischen Kalkül zu unter· und die Architektur als Sprachgebrauch .8 )
Theorie der (Architektur)kunst". Wir be- werfen, aus dem die Architektur nach be-
trachten sie als eine besondere Form des gründbaren Regeln folgt. Gegenüber die- Die Architektur als "Disziplin"
ästhetischen Rationalismus ,unterschei - sem "akademischen" Verständnis von
den aber, um die in dieser Definition Rationalismus führt der hier gebrauchte Seit den frühen sechziger Jahren
eingeschlossenen Bestimmungen von Ar- Begriff des "rationalismo esaltato" eine entwickelt sich diese Tendenz der Ra-
chitektur zu erfassen, zwischen ihren ra - bemerkenswerte Unterscheidung ein . Er tionalen Architektur in der italienischen
tionalen und subjektiv ästhetischen Mo- differenzie rt nämlich zwischen dem B il- Diskussion, vor allem in den Zeitschrif-
menten. dungsprozeß von Architektursprachen ten 'Casabella-continuita' und 'Contro-
und der Architektur (als Resultat dieses spazio' sowie auf Tagungen u.a . in Ve-
Sprachbildung und Sprachgebrauch Prozesses) und behauptet für den Bil- nedig 13 ) und Mailand 14 ). Programma-
dungsprozeß von Architektur einen ratio- tische Schriften waren vor allem "D ie
Für dieses Architekturverständnis hat nalistischen Modus der Struktur- {oder Architektur der Stadt" (Rossi) und
I Sprach)bildung, während er diesen Modus später "Die Bedeutung der Stadt"{Ay-
sich. inzwischen der Name 'Rationale Ar-
" chitektur' eingebürgert. Er geht auf die für das architektonische Produkt insge- monino)15).
XV. Mailänder Triennale 3 ) zurück, wo samt ausschließt bzw. ihn nur soweit be-
Charakteristika dieser Tendenz sind:
sich die zu einem ästhetischen Rationa- trachtet, wie der rational istische Modus
lismus bekennenden Architekten aus ver- der Strukturbildung auch die Arc hitektur 1) die Rückbesinnung auf die Architektur
schiedenen Ländern trafen, u .a. aus mitbestimmt. als einer t ec hnisch-ästhetischen "Diszi-
Italien und den USA und ihre Arbeiten Stattdessen hebt er den Kunstcharak- plin", die sich insbesondere in dem Ver-
unter der Bezeichnung 'Rationale Archi - ter der Architektur hervor, also den im such ausdrückt, die Probleme der Archi-
tektu r' vorstellten 4 ). wesentlichen subjektiven Modus ihrer Bil- tektur mit der Analyse der städtischen
Im H inbl ick auf den Rationalismu sbE!- dungsweise, unter der die Beziehung zwi- Struktur in Beziehung zu setzen und aus
griff besagen diese Bezeichnungen wenig . schen "Struktur" und "Form" und die der Geschic hte der "Di sz iplin" Entwurfs-
Weiter führt jedoch die Charakterisierung subjektvermittelten autonomen Mecha - kriterien z u gewinnen;
von Aldo Rossi 4a ): Er spricht von einem nismen der Formbildung zu ve rstehen 2) die Verlagerung des Interesses von der
"rationalismo esaltato''5) . Dieses Ver ständ- sind. Um diese Unterscheidung zw ischen Auseinandersetzung mit sozialen Fragen
nis von Rationalismus so ll konservative In- den Gegenständen und Modi des Bildungs- und dem Problem gesellschaftlicher Ver-
~~~~-=~------------~------------------------~---------------------- .
und Vorerfahrung gründenden) schöpferischen änderung auf die immanenten Probleme ziehung zu setzen ." (Aymonino)
Denk- und Erkenntni~prozeß (der selbst nur der "Disziplin", in der angesichts des
zum Teil rational beschrieben werden kann und
Ausmaßes an Stadtzerstörung die Poten- Die "Citta per parti"
eher auf .,intuition" gründet) "erkannt" und
als in sich völlig logisches System, das auf eini- tiale gesucht werden, um mit den Mitteln
gen (axiomatischen) Grunderkenntnissen be- der Arch itektu r in die gesellschaft lichen Unter dieser "städtischen Struktur" be-
ruht, weiterentwickelt, ("idealistischer Ra- Prozesse der Stadtentwicklung wieder ge- greifen Aymonino wie Rossi die "Beziehun-
tionalismus") . staltend eingreifen zu können. gen zwischen der Gebäudetypologie und
Um den Gegenstand unseres Interesses
etwas mehr einzugrenzen, wollen wir e.ine der städtischen Morphologie", die Aymo-
vorläufige grobe Differenzierung der rationa- Fragestellu ngen nino als eine "veränderbare, aber in der
listischen Tendenz in der Architektur vorneh- Zeit konstante Beziehu ng" auffaßt. Im
men: Anhand der Unterscheidung zwischen Rahmen dieses Verständnisses der Stadt
1) Der technisch·ökonomisch-funktionale Ra-
tionalismus, wie er uns bei einigen extrem funk- den Methoden der Sprachbildung und ordnen sie die Architektur ein, von der
tionalistisch argumentierenden Theoretikern des Sprachgebrauchs (Bedeutungsbildung), sie als einem "fatto urbano" (Rossi) oder
des 18 . und 19. Jahrhunderts (Lodoli, teilweise die eine Differenzierung des Bildungspro- einem "fenomeno urbano par exce/lance"
Durand, u.a.l, vor allem aber se it dem Beginn zesses von Architektur in die prozeß- und (Aymonino) ausgehen, das, "ohne mit
des 20 . Jahrhunderts im "Funktionalismus"
produktbezogenen, in die objektivierba- der Stadt übereinzustimmen", gleichwohl
und "Neuen Bauen" begegnet, und der die
Prinzipien und Regeln für die architektonische ren rationalen und nur subjektiv zu er- das "konstitutive Element der Stadt" bil-
Form primär aus außerästhetischen Kriterien sch iießenden ästhetischen Elemente d ie- det 17). Diese Überlegungen zur Architek-
abzuleiten versucht: aus den Nutzungsanfor- ses Architekturverständnisses mitein- tur als einem "fatto urbano" gehen im
derungen, aus dem konstruktiven System und besonderen auf die Versuche von Rossi
schließt, wollen wir uns fragen:
dem Material, aus den produktionstechnischen
Bedingungen der verwendeten Bauelemente, 1) Wie das Verständnis der Sprachbildung zurück , eine " Lesart der Stadt" zu ent-
aus der Rational ität eines ökonomisch opti- und des Sprachgebrauchs von Architektur wickeln, die sich auf zwei Thesen stützt:
mierten Plan ungs- und Produktionsprozesses. im einzelnen zu beurteilen ist und in wei- 1) die Einführung einer von ihm sog.
Diese Spielart des Rationalismus mündet cher Weise diese Verständnisse aufe inander "teoria dei fatti urban;", um die ver-
historisch in einen ökonomischen Empirismus
aufbauen bzw . sich gegenseitig bedingen? schiedensten Aspekte der Stadt und
und Utilitarismus, in dem die Autonomie der
Architektur völlig aufgehoben wird und die 2) In welcher Weise die von der Rationa- hierin eingeschlossen die Architektur
Frage der architektonischen Form nicht mehr len Architektur entwickelten und vorge- durch einen Ausdruck zu charakteri-
durch rationale Kriterien aus dem Bereich der schlagenen Interventionsmethoden die sieren, der die Vielfältigkeit und Ein-
fu nkt ionalen und ökonom isch-tech n ischen "Krise der kapitalistischen Stadt" reflek- heitlichkeit dieser Aspekte im Begriff
Anforderungen zu lösen versucht wird, sondern
tieren und inwieweit sie ideologisch-re- des "fatto" zusammenfaßt und
gänzlich hinter den nicht nur außerästhetischen,
sondern außerarchitektonischen Kriterien einer gressive oder utopisch-progressive Mo- 2) die Einführung eines Verständnisses der
optimierten Funktionshülle (die falls erforder- mente enthalten? Stadt, das die Stadt als "citta per par-
lich mit architektonischen Form-Fragmenten 3) Inwieweit bestimmte methodische Ele- ti" begreift, die sich aus "Stücken und
verkleidet wird) verschwindet. Dieser Rationa- mente der Rationalen Architektur geeig- Teilen" , unter denen die "primären
lismus soll uns hier jedoch höchstens am Ran-
de beschäftigen, soweit er im 18. und 19. Jhd.
net sind, um auf ihnen aufbauend Ent- Elemente, insbesondere die Baudenk-
verflochten mit der zweiten rationalistischen wurfsdidaktiken eines prozeßbezogenen mäler und die "Wohnbereiche" zu ver-
Tendenz auftritt . Entwerfens zu entwickeln, für die wir an stehen sind, zusammensetzt. 18 )
2) Der ästhetische/imaginative Rationalismus, anderer Stelle das Konzept der Lehrbau- Dieses Montageverständnis der "citta
nach dessen Verständnis die Architektur vor
spiele 16) vorgeschlagen haben? Es wird per parti" entwickelt sich aus der Ein-
allem eine Kunst ist, d ie zentrale Frage der
Architektur die Frage der Form (und ihrer mit - sich hierbei im wesentlichen um das Ver- sicht , daß die heutige Stadt "nicht mehr
geteilten Bedeutung) ist, und der beinhaltet, ständnis des Bildungsprozesses von Archi- auf eine einzige Idee zurückzuführen ist",
nach den rationalen Prinzipien vor allem im tektur handeln, in dem wir den Versuch sondern daß sie sich stattdessen aus den
"innerästhetischen (autonomen) Bereich" "versch iedensten Teilen und Stücken"
angelegt sehen, die Strukturen der Sprach-
der Architekturkunst zu suchen.
Dabei finden w ir sowohl idealistische Kon- bildung von Architektur aus sog. kulturel - zusammensetzt, unter denen die "Quartie-
zepte (intuitive Erkenntnis der "ewigen Ideen" len Konstanten der Stadtentwicklung her- re und Distrikte ("Teile"), die sich durch
der Architektur oder ihrer "reinen Gattungs- zuleiten und um den rational istischen Mo- ihre formalen und soziolog ischen Charak-
form" in einem nur teilrationalen Prozeß) als dus dieses Bildungsprozesses. tere unterschieden", und die Monumente
auch materialistische, die die ästhetischen Re-
geln (als Maßordnungen, Proportionsregeln,
("Stücke") zu verstehen sind. In diesem
Kompositionsregeln, Form-Vokabulare , DIE METHODEN DER SPRACHBILDUNG Sinne spricht er auch von der Stadt als
usw.) exakt aus der Analyse der Natur, VON ARCHIT EKTUR einem "Manufakt" oder "Artefakt", um
primitiver Haus-Prototypen oder mittelbar entweder ihren Montagecharakter insge-
aus den auf derartigen rat ionalen Analysen
In den versch iedenen Ansätzen von Aldo samt oder ihren Kunstwerkcharakter zu
basierenden, vergangenen Blütezeiten der
Baukunst zu destillieren versuchen. Rossi oder Oswald M. Ungers, von Carlo betonen.
Im ästhet ischen Rationalismus finden wir Aymonino oder Peter D. Eisenman scheint Angesichts dieses Montageverständnisses
kaum je den Versuch, das architektonische sich eine gemeinsame Methode der Sprach- der Stadt läßt sich in ihr Einheitlichkeit
Kunstwerk gänzlich rational zu erklären: Intui- bildung von Architektur herauszukristalli- nur noch als " Einheit in der (fragmenta -
tion, Phantasie , subjektive künstlerische Potenz
erscheinen in diesem Konzept als unverzicht-
sieren, d ie wir als Entwerfen mit formalen rischen) Mannigfaltigkeit" erkenne[1,
b are Voraussetzungen, um die Prinzipien der Invarianzen bezeichnen wollen . Dieses Ent- oder anders ausgedrückt, nurmehr ein rein
Architektur überhaupt erkennen zu können, wurfsverständnis geht im wesentlichen auf formales Strukturprinzip ausmachen. Auf
und sie nicht bloß reproduktiv-nachahmend, Überlegungen von Aldo Rossi und Carlo der untersten Ebene versucht Rossi dieses
sondern schöpferisch-€rfindend auf das jeweils Aymonino u.a . zurück, die sich bemühen, Formprinzip der 'Einheit in der Mannig-
ge stellte Problem anzuwenden . Die nicht aus-
tauschbare Künstlerpersönlichkeit und das in ·
die Probleme der Architektur "nicht aus faltigkeit' durch die "fatti urbani" zu er-
dividuelle (aber auf "ewige", "allgemeine" der Sicht einer vereinfachenden und immer fassen , indem er d ie verschiedensten Aspek -
Prinzipien zurückführbare) Kunstwerk sind 'progressiven' Gesch ichte der Formen oder te der Stadt, also ihre Struktu r, die Typen,
wesentliche Elemente dieses Architekturver- einer berichtenden Geschichte kultureller ihre Geschichte , aber auch ihr Kollektiv-
ständnisses. Ursprung und geschichtliche Ent -
Bewegungen (zu) interpretier(en) , sondern gedächtnis, als Aspekte einer Einheit ein-
wicklung der Architektur erscheinen als Quelle
der Erkenntnis jener allgemeinen Prinzipien " . die Prob leme der Architektur zu einer führt, unter der er die historische und
der Architektur und als je unterschiedlich er- Analyse der städtischen Struktur in Be- räuml,iche Entwicklung des Stadtkorpus
30
J
begreift; anders ausgedrückt: er führt den mente der Stadt begreift er die "n icht folgreiche Phasen im permanenten Suchprozeß
Stadtkorpus als di~ gesuchte ideelle Ein- mehr weiter reduzierbaren Typen der städ- nach jenen Regeln; oder mit anderen Worten :
tischen Elemente." Darunter versteht er in die Geschichte der Disziplin wird als wichtig-
heit in die Mannigfaltigkeit der städti- ster Lernort begriffen, an dem der Architekt
sch'en Entwicklung ein . Anlehnung an Quatremere de Quincey die das Erkennen und Anwenden der Prinzipien
"Idee eines Elementes", "die bei der Form- der Arch itektur erlernen (einüben) kann .
Die Architektur der "Citta per parti" bildung eine eigene Rolle spielt."21)
"Schließlich können wir sagen, daß der Entwicklungslinien des ästhetischen Ra-
"Die 'Architektur der Stadt' hat in der Typus die Idee der Architektur an sich tionalismus
Tat eine präzise Bedeutung, die vereinfacht ist, das, was ihrem Wesen am nächsten
Die Anfänge eines ästhetischen Rationalis-
gesehen lautet: die Stadt als Architektur kommt. Er ist das, was sich trotz aller mus in der Architektur können wir dort ausma -
zu betrachten he ißt, die Bedeutung wie- Veränderungen dem 'Gefühl und dem Ver- chen, wo ihre ästhetische Dimension, und nicht
derzuerkennen, die den Konstruktionsre- stand' immer als Prinzip der Architektur mehr nur die baupraktische Seite, einer wissen -
geln der Architektur als einer autonomen und der Stadt darstellt".22) schaftlichen Durchdringung zugängl ich wird,
also mit dem Beginn der Architektur als theo -
Disziplin zukommen, einer Disziplin, die Der Typus ist in diesem Sinne eine
riefähiger Disziplin. Was in der Antike auf vor-
gerade nicht in einem abstrakten Sinne "Konstante (der Formbildung)", oder wissenschaftlichem Niveau mit Vitruvs "Decem
autonom sein kann, weil sie gerade in mit dem oben angeführten Begriff eine Libri" begann, wird an der Schwelle zur Neu-
der Stadt das sie selbst konstituierende Invariante. zeit wieder aufgegriffen, und bildet bis zum
Beginn des 19. Jahrhunderts eine ständig sich
.. . Phänomen findet .. ."20).
verstärkende und sich verzweigende Tendenz.
In dieser einführenden Bemerkung Der Typus als Instrument zur Analyse
zur 'Architektur der Stadt' sind die we- der Stadt
wentl ichen Charakteristika dieses Archi- England: von der Palladio-Rezeption
te l<~ t ' ~ " ,:r - : :;ndnisses zusammengefaßt: Ebenso begreift Carlo Aymonino die zur geometrischen Archite.'(tflt Svr. tax
1) die öetrachtung der Stadt als Archi- Typen als Strukturelemente der Stadt. Sie
tektur: dieses Verständnis der Stadt, aus bilden für ihn die eine Dimension der Der Ausbruch aus den barocken Konven -
städtischen Struktur. Im Gegensatz aber tionen und die Entfaltung der rationalistischen
Architektur zu bestehen oder sich "voll-
Tendenz mit ihrem spezifischen Verhältnis zur
ständig" aus Architektur zusammenzuset- zu Aldo Rossi leitet er den Typus aus der
Geschichte der Architektur setzt sich auf brei-
zen (Aymoninö) soll erlauben, die Analy- Entwicklung der gesellschaftlichen Bedürf- ter Front zuerst in der englischen Palladio-Re-
se der Stadtentwicklung auf den B ildungs- nisse her, wobei er sich insbesondere auf zeption durch. Diese Rezeption des Renais-
prozeß von Architektur zu beziehen; die Phase der bürgerl ichen Architektur des sance-Theoretikers und vermittelt über ihn der
19. Jahrhunderts konzentriert und hier ver- Antike ist selektiv: sie stellt die Komponente
2) die Betrachtung der Stadt als einer
der innerarchitekton ischen Form-Rationali-
Struktur, die sich durch die Beziehu ng folgt, wie sich die Entwicklung der gesell- tät (Variationen geometrischer Grundformen
zwischen der Gebäudetypologie und der schaftl ichen Bedürfnisse bzw. die organi- als reinster Ausdruck autonomer architekto-
städtischen Morphologie charakterisiert: sierten Aktivitäten und die Herausbildung nischer Ideen) in den Vordergrund und ver-
des Konzeptes der Gebäudetypologie der nachlässigt die Komponente barocker Kon-
Damit wird eine strukturale Sichtweise
vention und Metaphorik bei Palladio. Colen
eingeführt, in der die aus der Analyse der' bürgerl ichen Architektur wechselseitig be- Campbell schreibt 1715 in seinem" Vitruvius -
Stadtentwicklung isolierten 'ku Iturellen dingen und präzisieren. Als Charakteristi- Britannicus" als Kommentar zu einem Kirchen-
Konstanten' - oder anders ausgedrückt, ka der Gebäudetypologie der bürgerl ichen entwurf , den er den großen Vorbildern St .
die die Stadtentwicklung konstituieren- Architektur führt er an: Peter in Rom und St. Paul's in London gegen-
"Ich habe versucht, die Gebäudetypo- überstellt:
den Strukturen und die sich in ihnen zu-
"Der Grundriß ist reduziert auf ein Quadrat
sammenfassenden Beziehu ngen zwischen logie als die Lehre von den möglichen und einen Kreis in der Mitte . Dieses sind -
der Gebäudetypologie und der städtischen Verbindungen zwischen den Elementen nach meiner unmaßgeblichen Meinung - die
Morphologie - als die B ildu ngselemente zu definieren, welche zum Ziel hat, die perfektesten Formen . ... Das ganze ist sehr
architektonischen 'Organismen' zu einer zurückhaltend dekoriert, - wie es für die ver-
der Architektur verwendet werden;
schmutzte Luft dieser Stadt am günstigsten
3) die B etrachtu ng des Bi Idu ngsprozesses Klassifikation nach Typen zusammenzu-
ist - und in der Tat in höchstem Maße der
von Architektur als einem autonomen Pro- fassen .. _ Einfachheit der Antike entsprechend ."
zeß und der Architektur überhaupt als Element bezeichnet in diesem Falle einen (Colen Campbell, Vitruvius Britannicus,
Teil einer Gesamtheit, der durch die Analyse London 1715,1.3.)
einer "autonomen Disziplin": damit wird
isoliert werden kann und der - obwohl er sich Mehr als ein halbes Jahrhundert vor Ledou x
der Bildungsprozeß von Architektur auf durch ... Individualität auszeichnet - im all- und Boulhle deutet sich hier ein syntaktisch-ab -
den der Stadt zurückgeführt bzw. aus ihm gemeinen keine Gültigkeit in sich, sondern straktes, innerarchitekton isches Formverständ -
entwickelt. Die 'kulturellen Konstanten nur eine in bezug auf die Gesamtheit besitzt. In nis an, das im Bau und seinen Elementen nicht
der Stadtentwicklung' werden als die der typologischen Definition .. können die Ele- überall anthropomorphe oder animistische
mente entweder stilistisch-formale oder struk- Metaphern und Symbole und eine organische
"Ideen ... und autonomen Prinzipien der tu rell-organisatorische sei n. Einheit sieht, sondern nach dem Vorbild der
Arch itektur" vorgeste Iit. Erstere sind gültig in den Analysen, die die Antike zu "reinen" und "einfachen" Formen
I
Hinter diesem Begründungsversuch von Architektur als ein autonomes Phänomen und kommen will.
~ letztere in denen, welche die Architektur als
Architektur verbirgt sich die Einführung In der Folgezeit können wir in England
ein städtisches Phänomen betrachten .. , eine ganze Reihe von Versuchen zur Entwick-
eines Invariantenbegriffs in die Architek -
Klassifikation bezeichnet einen Akt der lung eines rationalen Vokabulars, einer reinen
tur, der aus der Zurückführung der städ- Abstraktion, um verschiedene Einheiten zu Syntax der Architektur beobachten: James
tischen Morphologie auf ihre Formkon- ordnen .. . und in Gruppen zu systematisieren, Gibbs entwirft zwischen 1720 und 1740 Ge -
stanten folgt und der architektonischen um dadurch die gemeinsamen Merkmale zu bäude aus zylindrischen oder polygonalen
Formbildung zugrundeliegt. gewinnen .. . In diesem besonderen Fall betrifft . Körper, die ohne den Versuch zur Bildung
die Klassifikation nicht die Entwicklung ei - einer "organischen Einheit" miteinander kom -
nes Themas (das Haus, der Tempel, das Thea- biniert und zusammenmontiert werden. Ro -
Der Typus als Invariante der Sprachbil- ter u.a ... .l , sondern die konkreten Beispiele bert Morri s und Vanbrugh sind andere Ver-
dung dieses Themas in einem Zeitraum, der durch treter dieser Tendenz zu Beginn des 18. Jahr-
die Permanenz konstanter Merkmale begrenzt hunderts in England. William Kent's Horse
Eine für die gesamte Theorie der Ratio- ist (das gotische Haus, die Straße des 18. Jahr- Guards in Whitehall (1730) zeigt als erstes
hunderts, die romantischen Gärten u .a.l. Die eine "kubistische Komposition": widersprüch-
nalen Architektur zentrale Ausprägung die-
Klassifikation bildet daher ein (analytisches) liche, nicht harmonisch zusammengefaßte ku-
ses Invariantenbegriffs finden wir im Ty- Ordnungsinstrument für vergleichbare Phäno- bische Baukörper sind zu einem komplizier-
pusbegriff bei Aldo Rossi . Als Strukturele- mene in bezug auf die Beziehung mit der ten Komplex zusammengestellt - ein Muster,
31
das auf die Analyse der antiken Architektur, städtischen Form. deren 'syntaktische Einheiten' formale
die als Komposition aus geometrischen Grund- In diesem Sinne kann die anfängl iche Invarianzen darstellen, d.s. in diesem Fall,
formen und kubischen Massen betrachtet wurde,
Definition weiterentwickelt werden: die wenn wir seine früheren Arbeiten wie die
zurückgeht, und das später von den französ i-
schen Revolution sarchitekten aber auch von Gebäudetvpologie ist die Lehre von den Wohneinheit für das Gallaratese-Quartier
preußisc hen "Klassizisten" wie Gentz, F. Gilly strukturell-organisatorischen künstlichen u.a. betrachten, geometrische Elementar-
und Schinkel ve rwendet wurde. In seinen Elementen (und hierunter sind nicht nur formen wie der Kreis, das Dreieck und
1734 - 36 erschienenen "Lectures" versucht Ro - die Gebäude, sondern auch die Mauern, das Quadrat, die entsprechend dem Ty-
bert Morris, aus dieser entmystifizierten und
rationaleren Theorie ar chitektonischer Form-
die Alleen, die Gärten u.a. zu verstehen, pus als "semantische Einheit" zu Schema-
findung eine Entwurfsmethode abzuleiten : die Bauweise der Stadt), mit dem Ziel, ta ve rknüpft werden, den von uns sog .
Baukörper werden durch vertikale und hori- diese Elemente in be;?ug auf die städti- 'typologischen Reihen' .
zontale Additionen gleicher Kuben erzeugt sche Form einer bestimmten Periode (oder In der Handhabung des Typus setzt
und variiert. Sehr klar legt er in der bereits
was das gleiche bedeutet, in bezug auf sich in Rossis Entwürfen ein Verständnis
1728 erschienen Schrift "Essay in Defence
of Ancient Architecture" offen, wieso die eine besondere städtische Form) zu klassi- du rch, das ihn im Sinne eines Schemas
Antike ihn zu diesem Formvokabular und fizieren ... behandelt: der Typus wird auf die Funk -
der vorgeschlagenen Methode geführt hat: tionen eines ,Modells' reduziert25). das
Die zahlreichen Beiträge zu einer typologi-
die antiken Bauten begriff er als Prototypen , den vorgegebenen historischen Typus als
schen Definition können dann gemäß zwei
in denen er "diese gÜltigen Regeln, diese
perfekten Standard s des Gesetzes von Ver-
Klassifikationen , die unterschiedliche Ziel- 'syntakti sche und semantische Einheit'
setzungen verfolgen , ... zusammengefaßt wer- aufgreift und ihn als 'Modell' nachbildet .
nunft und Natur, das auf Schönheit und
den :
Notwendigkeit basiert", verwirklicht sah . Typus bedeutet dann': den historischen
1) in jene nach formalen Typen (unabhängige
Typologie) mit klassifikatorischen Inhalten TYPus. als Modell nachzubilden.
zum Zwecke einer kritischen Methode der In diesem Widerspruch zwischen dem
Italien: Funktionalistische Doktrin Analyse und de s Vergleichs ästhetischer Phä - begrifflichen Verständnis des Typus und
gegen barocke Konventionen nomene, und seiner Handhabung durch Rossi und - wie
2) in jene nach funktionalen Typen (ange ·
wandte Typologie) mit bewußten Inhalten
wir sehen werden - seiner Schüler bzw.
In Italien erfolgt die Überwindung der ba-
. rocken Konventionen später als in England zum Zwecke einer Analyse der konstitutiven in dem reduzierenden Vorgehen, den hi-
und mit einer anderen Stoßrichtung : durch Phänomene einer Gesamtheit, die unabhän - storischen-Typus als Vorlage nachzubil -
den funktional-rationalistischen Ansatz von gig ist vom Wert system des ästhetischen Ty- den, die genau betrachtet nichts anderes
Carlo Lodoli (gestorben 1761), durch den pus.
Im ersten Fall erhalten wir eine Klassifi k a-
als ein Schema für die Verwendung arch i-
die enge Verflechtung des ästhetischen mit
dem funktionalen Rationalismus begründet tion nach formalen Konstanten, wie sie Witt- tektonischer Elementarformen darstellt,
wird - eine Verflechtung, die erst um die kower für die Zentralb auten der Renaissance wird die immanente Tendenz dieses Archi-
Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Radika- vorgeschlagen hat, wo die Reduktion der for- tekturverständnisses zum Eklektizismus
lisierung und Verabsolutierung der technisch- malen Varianten auf eine Basisform oder ein
sichtbar.
ökonomisch-funktionalen Rationalität bei gemeinsames Schema das Resultat eines Ver-
Durand endgültig aufgebrochen wird. gleichs (verschiedener) konkreter Beispiele
Lodoli selbst hat keine Schriften hinter - ist und das I nstrument, um aus dem Vergleich Der Eklektizismus der Rationalen Archi-
lassen, aber seine Theorie kann aus verschie - das Schema selbst zu isolieren, das seinerseits tektur
denen ihn referierenden Abhandrungen re- die Identifizierung der formalen Differenzen
konst ruiert werden. (Andrea Memmo, Ele- erlaubt.
Im zweiten Fall erhalten wir eine Klassifi-
Diese immanente Tendenz zum Eklekti-
menti di Architettura Lodoliana, 1786;
Francesco Algarotti, Saggio sopra I' Archi- zismus wird aber nicht nur ' am Problem
kation nach strukturellen Konstanten, wie sie
tettu ra, 1756 und Lettere sopra l'Architettu- des Typus deutlich. Wir erkennen sie in
Babelon und Gallet für die demeures parisiennes
ra, ,1742-63; Francesco Milizia, Opere com- dem Versuch wieder, mit diesem Typus-
vorgeschlagen haben - sei es als Beschreibung
plete, 1826) der konstitutiven Elemente oder als Lokalisa -
begriff die Architektur aus den kulturel-
"In der Architektur soll nur das gezeigt tion der Typen im Pariser Weichbild - wo die
Konstanz der beschriebenen Phänomene auch
len Konstanten der Stadtentwicklung her-
werden, was eine definite Funktion hat und
sich aus strengster Notwendigkeit ableitet". das Resultat eines Vergleichs konkreter Bei-leiten zu wollen, um sie in dieser Weise
(Algarotti) Mit diesem radikalen Dogma woll - gesellschaftlich zu begründen. Dabei wird
spiele ist, aber darüber hinaus als das I nstru-
te Lodoli jedes nicht-funkt ionale Ornament ment gebraucht wird, um die Dauer der Phäno-sie real iter nu rauf die Invarianten der
aus der Architektur verbannen, und an seine mene nicht nur auf sich selbst, sondern auf städtischen Morphologie zurückgeführt,
Stelle die aus "Notwend igkeit", "Funktion" etwas anderes, nämlich auf die Stadt, zu be-
überspitzt formu Iiert: auf die Geometrie
weisen . Solche Klassifikationen sind daher ein
und ."Natur des Materials" resultierende Form
setzen . Nur aufgrund dieser Kr iterien - und Instrument, das eine Beziehung zwischen ver-ihrer Form-Elemente. Diese Tendenz hat
nicht etwa durch die Suche nach formimma- schiedenen Einheiten zu begründen erlaubt." mittlerweile 'Schule' gemacht: die Um-
nenten Regeln in Geometrie oder antiken Vor- Im Vergleich zum Typusbegriff von AI- kehrung des Verhältnisses zwischen 'Ty-
bildern - glaubte Lodoli eine rat ionale, ver-
do Rossi, der sich, wenn wir der Unter- pus' und 'Modell', zwischen Idee und Ko-
nunftgemäße Architektur entwickeln zu
können . Lodoli allerdings war kein Architekt, scheidung von Aymonino zwi schen forma- pie wiederholt sich im Verhältnis zwischen
so ndern ein reiner Theoretiker, der die deli- len und funktionalen Typen .aufnehmen , "Meistern" und "Schülern". Als Beispiel
k at e Frage , welche Formen und Kompositions- nur auf die formalen Typen konzentriert, sei· hier nur der sich ausbreitende Rossi-
regeln denn nun seinen Forderungen gerecht zeichnet sich dieser Typusbegriff durch sche Architektur"stil" angeführt, der die
w erden könnten , den folgenden Auseinander-
seine historische und analytische Schärfe Architektur des Meisters als "Modell" be-
setzungen der nunmehr in zwei Lager (die
sich auf Vitruv und Palladio berufenden, mehr aus. Die Definition des Typus wird als greift, den es zu kopieren gilt und dessen
oder minder noch in barocken Konventionen "ein Instrument und nicht (als) ein.e Ka- Jünger sich deshalb der jedesmal erneuten
gefangenen "Traditionalisten", und die "funk- tegorie" begriffen: de r Typus ist das Mühe einer typologischen Analyse und
tionalistischen Rigoristen") gespaltenen Prak- "Instrument ... zur Analyse der städti- einer subjektiv begründeten 'Wahl' mei-
tiker überließ.
schen Phänomene."23) nen entziehen zu können .
Diese immanente Tendenz zum Eklek-
Frankreich: der Ursprung der Architek- Der Typus als Schema tizismus äußert sich auch in dem bemer-
I tur als Quelle ihrer Regeln kenswerten Schematismus der Entwürfe
Im Gegensatz zu diesem begrifflichen und Bauten, der z.T. dem Elementarismus
Mit Jaques-Franqois Blondel beginnt der Verständnis des 'Typus' wird er in den der Aufklärungsarchitektur ähnelt,und
Durchbruch des Rationalismus in Frankreich . Bauten von Rossi vornehm Iich als 'syntak- der gleich dieser seine wesentliche Lei -
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts lehrte er
seinen Studenten zwar noch die tradierten
tische und semantische Einheit' behandelt, stung darin findet, so etwas wie 'Prototy-
32
I I
barocken Konventionen, aber formulierte auf
der anderen Seite die Forderung nach Ratio-
nalität als Kriterium der Architektur: ... . die
Logik der Kunst wiederherzustellen, ist wich-
-----'---<Gehu fl d c) Schull.cn n , .c rmd, ... ~GchÖfl dc~ Bauc rn G ril nddJ '>Cn .- 1 -C;chiift de, 1-:"". .111.'0 ~ch:ubrot!_l tig". (Cours d'Architecture, IV)
Kaufmann charakterisiert ihn als .. Traditio-
; nalisten mit Sympathien für die moderne Be -
wegung" (Architecture in the Age of Reason,
S.131)
Den entschiedenen Bruch mit der Konven-
tion, den Säulenordnungen, usw. vollzog ein
anderer: Marc-Antoine Laugier, der nach sei -
nen eigenen Worten angetreten war, .. die Fak -
kel der Vernunft in die Dunkelheit der Grund -
sätze und Regeln zu tragen." Er lehnte es ab ,
in den zu Kanones erstarrten Säulenordnun-
gen die einzige mögliche und höchste Reali -
sierung der Ess,en z der Architektur zu sehen,
die deshalb einfach zu imiti eren sei - wie
die meisten se iner Zeitgenossen dies noch prak -
t : .. t izierten .
Er wollte zur längst vergessenen Quelle die-
ser Kanones zurückgehen, um von dort aus
neue, vernunftgemäße Schlußfolgerungen zu
ziehen. Der Ursprung der Architektur so llte
zur Quelle rationaler Prinzipien und Regeln
der Form werden:
.. In klarem, einprägsamen Stil sucht Laugier
die 'offensichtlichen Grundlagen' wiederzufin-
den, welche die Vorurteile im Laufe der Jahr-
hunderte verfälscht haben. Alles muß von der
ursprünglichen Hütte, von der Vitruv spricht,
abgeleitet werde n: vier Pfosten und ein Dach
mit zwei Schrägen. Der griechische Tempel
( J,t;;,,! kommt daher, jede gute Architektur sol l des-
~!':"f<:' ill.l,~ sen eingedenk se in. Laugier leitet davon ab,
: '{/'mh,/ was erlaubt, und was verboten ist. Alles was
im Hinblick auf die ursprüngliche Str uktur
nicht unerläßlich und gemäß ist, ist überflüs-
sig, unlogisch und muß abgelehnt werden."
(Jean-Cl aude Lemagny, Menschliches Maß-
Maßstab des Universums, in : Revoutions
arc hitektur, Katalog, Baden-Baden 1971,
,
r '
S.17)
Theorien über den Ursprung der Architektur
gab es seit Vitruv, und seine These von der
0",;u,,/ Urhütte, der primitiven und aus der Not-
-",9,1,.;" ~:, .".'0 wendigkeit entsprungenen ersten Behausung
iJ'tjof:r des Menschen war die gängigste und immer
wieder reproduzierte dieser Theorien. Bis-
her war die Ur spr ungstheorie jedoch allen -
~ ."-;Il
>--Ijf!'"
I-;-:i l .,
l ',;, ".i.,. .....
falls ei.ne konstruierte Legitimation für ver-
festigte Konventionen gewesen oder hatte
zusammenhanglos neben den anderen Be-
standteilen einer auf Vitruvs Gliederungs-
c.;.;.. ~.,
schema zurückgreifenden Architekturlehre
gestanden.
Anders bei Laugier: von einem materiali-
stischen Ansatz der Aufklärung, wie er in
den Naturwissenschaften und in der Philo -
sophie praktiziert wurde, kam er zu m ..beau
'p rimitif" der Urhütte, als dem quasinatür-
lichen Prinzip der Architektur, auf dem er de-
ren Regeln rational aufbauen konnte. Mit
diesem Ansatz wird - wie Anthony Vidler
kürzlich ausführl ich entwickelt hat (The Idea
of Type: The Transformation of the Acade-
mic Ideal,1750-1830, in : Üppositions8/77)
- der Begriff des Typus zur zentralen Kate -
gorie der rationalistischen Tendenz.
Laugier gebraucht den Begriff noch nicht;
er ist ihm allzu sehr in der idea li stischen Denk-
trad ition verwurzelt, steht für die 'Id ee des Gött
li chen ' , das 'universelle Gesetz'. Typus als Sym-
.' . 1-- =1
bol für das Götti iche war die Position des Lau-
t .. .' cfi ~ : gier's naturw isse nschaftlichem Verstä ndni s ge -
l ::t nau entgegengesetzten : der salomonische Tem-
pel, Inbegriff göttlicher Ideen und menschli cher
Ratio let ztlich nicht zugänglich, als erstrebens-
Ein "historisches Beispiel" für eine morphologische Reihe: David Gillys Typenentwürfe der Gehöfte wertes Urbild der Architektur; nicht Symbol
des Dorfes Paretz (Mark Brandenburg) . Um dem "synthetischen" Dorf Paretz den Charakter eines der autonomen Prin zipien der Architektur, son -
"gewachsenen" Dorfes zu geben, variiert Gilly die Fassaden, vor allem die Mittelrisalite der Wohn- dern außerarchitektonischer Bedeutungen .
häuser und die Giebelseiten der Wirtschaftsgebäude mit wenigen Formelementen als morphologische
Reihe. (1796 -1803)
33
Vom naturwissenschaftlichen Typusbe- pen' für versch iedene Themen zu ent- Aldo Rossi von der Typologie der Gebäu-
griff zum architektonischen Typus wickeln . In diesem Sinne ist die Wohnein- de sagt, sich im Gegensatz zur Entwick-
heit von Aldo Rossi im Gallaratese-Quar- lung der sozialen Lebensweisen "seit der
tier als ein "Prototyp" in die Diskussion Antike nicht verändert" haben, dann ist
In Frankreich kommen die I mpulse zur Ope- eingegangen und vielleicht auch zu ver- jeder Zweifel an diesem Architekturver-
rationalisierung des Laugier'schen "Ursprungs- stehen. Gehen wir von dieser Einschät- ständnis unberechtigt, der umso berechtig-
Ansatzes" zur Entwicklung der Prinzipien der zung aus, dann können wir sagen , daß die ter ist, wenn sich diese Annahme auf nichts
Architektur vor allem aus den Naturwissen- originäre Leistung der Rationalen Archi- anderes zurückführen läßt als auf eine blo-
schaften. Linnaeus hatte in der Zoologie eine
tektur darin liegt, zu verschiedenen The- ße Behauptung. U.E. trifft letzteres auf die
hierarchische Klassifikation eingeführt, Buffon
postulierte 1753 einen "Prototyp für jede men (Ordnungs)-Schemata vorzuschlagen, Rationale Architektur zu.
Gattung, nach dem jedes Individuum geformt die auf die historischen Konstanten der Vergleichen wir zur Probe dieses Archi-
ist". (Karl Linnaeus, Systema naturae, 1735; Formbildung Bezug nehmen . tekturverständnis mit anderen, wie denen
Georges Comte de Buffon, Histoire Naturelle, von Ungers oder Eisenman, da nn können
general et particul iere, Paris 1749-67)
Der I nvariantenbegriff der Rationa len wir sehen, daß hier die morphologischen
Diese Systeme basierten noch auf äußeren,
"physiognomischen" Merkmalen, und nicht Architektur Archetypen (Ungers) oder die Universalien
auf strukturellen Kriterien. Typus erscheint des Raumes (Eisenman) die Invarianten
hier als eine formale, nicht als eine funktio- Diese immanente Tendenz zum Eklek- bilden, mit denen Ungers z.B. durch Varia-
nale, strukturale, inhaltliche Kategorie. Inso- tizismus beruht u.E. im wesentlichen auf tion Reihen bildet, die sog. "morphologi-
fern geht Blondel über die Reichweite dieser
naturwissenschaftlichen Ansätze hinaus, als
der Einführung eines Invariantenbegriffs schen Reihen", die das wesentliche Instru-
er in Analogie dazu 1771 in seinem "Cours in die Architektur, 'der auf historische ment seines Versuchs darstellen, eine ar-
d'architecture" eine Klassifikation der Ge- Ordnungsmodelle der Architektur und chitektonisches "Vokabular"26) zu ent-
bäudegattungen vorlegt . Er listet die aus Stadt zurückgeht und sowohl den Inhalt wickeln.
neuen gesellschaftlichen Anforderungen re-
des Begründu ngsversuchs wie der Handha- Lusammenfassend können wir sagen,
su ltierenden Bauaufgaben - Theater, Schu-
len, Krankenhäuser, Börsen, Fabriken, Aus- bung dieses Architekturverständnisses bil- daß sich die Rationale Architektur be-
. stellungshallen, Gefängllisse, Schlachthöfe, det. Er beinhaltet: müht:
usw . - auf, und beschreibt diese Gattungen 1) die Zurückführung der städtischen Mor- 1) die Architektur als einen Prozeß der
nicht nur formal nach ihrem "Charakter", phologie auf die Invarianten der Stadtbil- Sprachbildung zu konzipieren,
der die Funktio;' (und darin wurden auch
die kulturellen Konnotationen eingeschlos-
dung, d.s. die Typen im historischen Sin- 2) die Strukturen der Sprachbildung aus
sen) möglichst deutlich lesbar darstellen ne als 'syntaktische und semantische Ein- der Zurückführung der städtischen Morpho-
soll, sondern beschäftigt sich auch mit den heiten' und logie auf ihre kulturellen Konstanten zu
Programmen der Gebäude, mit der räum- 2) die Einführung dieser Invarianten in die gewinnen, die sie als Invarianten der Ar-
lich optimalen Organisation der Nutzungen .
Typus oder Gattung bestimmt Blondel also
Architektur als die Strukturkonstanten der chitektursprache inkorporiert und
doppelt: inhaltlich-funktional und formal- Architektursprache, d.s. die geometrischen 3) den Bildungsprozeß von Architektur als
symbolisch. Elementarformen oder morphologischen einen Prozeß der Modifikationen von
Archetypen u.a., wenn wir an Rossi oder Struktur invarianten bzw. des "architekto-
Ungers denken. nischen Vokabulars" zu konzipieren, in
Die Einführung eines Invariantenbegriffs dem die Funktionen als Anforderungen
Funktionaler und formal-symbolischer in die Architektur berührt u.E. das Kern- an die Form, die die Strukturinvarianten
Typus-Begriff problem dieses Architekturverständnisses. modifizieren, Berücksichtigung finden.
Läßt sich nämlich die Annahme einlösen , Als erste Entwurfsregel der Rationalen
daß die Architektur aus " autonomen Prin- Architektur können wir dann formulieren,
Der Typus als eine artistische Konzeption zipien" folgt, die sich in ihrer Geschichte daß das Entwerfen mit formalen Invarian-
und eine entwurfsmethodische Kategorie ent- zen bedeutet: mit formalen Invarianzen
manifestieren, und die, wie zum Beispiel
w ickelt sich in der zweiter> Hälfte des 18. Jahr-
und durch Modifikation der Invarianten
hunderts also mit zwei verschiedenen Akzen-
tuierungen :-als struktural-funktionaler Typus, (Funktion) die Architektursprache zu bil-
der es erlaubt, Architekturgattungen nach den.
primär funktionalen Kr iterien zu unterscheiden
und .für jede Gattung eine allgemeine , den in-
DIE METHODEN DES SPRACHGE-
haltlichen Anforderungen ideal entsprechende
Ausprägung zu entwickeln, und als formaler BRAUCHS ALS BEDEUTUNGSBILDUNG
Typus, als dem symbolischen Ausdruck einer
nach ihrem Charakter von anderen unterschie- Auf der Ebene des Sprachgebrauchs se-
denen Gebäudegattung . Dieser formale Typus hen wir in den hier behandelten Architek-
konkretisiert sich nicht in einem bei allen
turkonzeptionen von Rossi oder Ungers
Exemplaren einer Gattung wiederkehrenden
Grundrißschema, sondern in architektursprach- u.a. eine Methode sich durchsetzen, die
lichen Zeichen (Symbolen, Metaphern, Ana· wir als Entwerfen mit subjektiven Vorstel-
logien), die weniger die primär funktionalen lungsbildern der Stadt (I magos) bezeich-
Gattungsmerkmale zur Sprache bringen, als
nen wollen. Diese Seite des Entwurfsver-
vielmehr die "ewigen", "göttlichen" Ideen, die
symbolischen Konnotationen, die d ie funktio- ständnisses beinhaltet, die Stadt mit dEln
nalen Gattungsmerkmale transzendieren. Mitteln der Architektur ästhetisch zu re-
Diese beiden Akzentuierungen des Typus- konstru ieren, um auf diese Weise den
Begriffs finden ihre Herleitung und Legitima- Prozeß der Sprachbildung durch den des
tion in den Theorien über den Ursprung der
Architektur . Sie beruhen beide auf der These"
Sprachgebrauchs zu ergänzen, den wir
daß die gesamte Ausdifferenzierung der (funk- als einen Prozeß der subjektiven Bedeu-
tional oder formallsymbolisch aufgefaßten) tungsbildung begreifen.
verschiedenen Gattungen (Charaktere) der Ar- Das kann zum Beispiel heißen: "due
chitektur als ein Prozeß der metaphorischen
citta" (Rossi) oder die vorhandene Stadt
oder imaginativen Nachahmung eines allgemei-
nen Archetypus, einer allen Gattungen gemein- und ihre ästhetische Rekonstruktion nach
samen Wurzel, zu verstehen ist. Das natürliche Modell: Laugiers Urhütte, 1753 subjektiven städtischen Vorstellungen.
34
=
Das Entwerfen mit subjektiven Vorstel- Stadt zu imaginativen Bildern verdich- Funktionaler und vernaculärer Typus
lungsbi Idern tet. Damit wird die Stadt als Gegenstand
der Analyse demontiert, dekomponiert Für den struktura l-funktionalen Typusbegriff
Unter diesen Vorstellu ngsbildern sind und unterteilt und als Gegenstand der ist dieser ArChetypus die primitive Urhütte, in
der die allgemeinsten konstitu ierenden E lemen-
zu verstehen: Vorstellung - die den Entwurf leitet -
te der Architektur - Säule, Wand, Dach -
1) Imagos (Ungers), d.s. Metaphern und montiert und komponiert - sie ist die noch Bestandteile der Natur sind: Baum als
Analogien und "Arch itektur der Stadt" und die " analo- Archetypus der Säule . In dieser Legitimations-
2) die "citta ana loga" (Ro ssi), d.i. die ge Stadt".34) grundlage für den methodischen Gebrauch
Als zweite Entwurfsregel der Rationa- des Typus wird der Zusammenhang mit einer
imaginative Rekonstruktion der Stadt, die
dritten Akzentuierung des Typus-Begriffs
für die Architektur den "Ort der reinen len Architektur können wir dann formu- deutlich: Typus nicht als vernunftgesteuerte,
architekton ischen Werte"30) darstellt. lieren, daß das Entwerfen mit subjekti- bewußt angewendete artistische Konzeption,
Dieses Konzept der Vorstellungsbilder ven Vorstellungsbildern bedeutet: aus sondern al s der aus sich wandelr.den gesell-
geht u.a. auf Überlegungen von Herman der Architektursprache nach Vorstellungs- schaftlichen (funktionalen, technischen und
äthetischen) Anforderungen "von selbst"
Friedmann 31 ) zurück, der mit seinem bildern die Architekturelemente auszu-
sich entwickelnde vernaculäre Typus. Auch
"morphologischen Idealismus" versucht, wählen und zur Architektur zu kombinie- er geht auf die Urhütte, die erste primitive
die Gegenstände der Anschauung über ih- ren. Behausung zurück, und wird von seinen Nut-
re Formen in Beziehung zu setzen, d.h . zern, die zug leich Planer und Produzenten
an verschiedenartigen Gegenständen Struk- DIE PERSPEKTIVEN DER RATIONA- ihrer Behausungen sind, nach den sich aus-
d ifferenzierende n Bedürfnissen und Möglich-
turen zu isolieren, die es erlauben, sie LEN ARCHITEKTUR ALS EINER
keiten weiterentwickelt . Der vernaculäre Typus
über Ähnlichkeitsrelationen in Beziehung ARCHITEKTUR DER VERKLEIDUNG basiert auf einem Konsens, der nicht willkür-
zu setzen. Über die Erkenntnis des "Ähn- lich ist, sondern den praktischen (materiellen)
lichen im Unähnlichen" (Ari stoteles) be- In den vorangegangenen Thesen haben und kulturellen Bedingungen des gesel ls chaft-
wir uns mit der Rationalen Architektur lichen Lebens und Überlebens opt im al ange-
müht sich dieses Konzept, die sinnlich paßt ist. Wo dieser Konsens, diese kollektive
erfahrene Realität zu Vorstellungen zu als einer besonderen Form des ästhet i- Anpassung der Architektur an die gemeinsa -
verdichten. Ungers spricht hier anstatt schen Rationalismus auseinandergesetzt. men Lebensbedingungen nicht mehr möglich
von Vorstellungen von "Imagos" und an- Wir wollen uns nun mit ihrer gesellschaft- ist, weil die fortschreitende gesellschaftliche
lichen Bedeutung beschäftigen und dabei Arbeitsteilung die Einheit von Nutzer und Pro-
statt von sinnlicher Erkenntnis von "Ima-
duzent und von Produzent und Planer zer-
gination" und Carlo Aymonino von zwei Fragen nachgehen:
stört, und weil die widersprüchlichen Interessen
"städtischen Vorstellungen", d ie er gleich- 1) Wie geht die Warenästhetisierung der der gese ll schaft li chen Klassen keinen Konsens
wohl als die "subjektiven Elemente" des Architektur in dieses Architekturverständ- mehr er lauben, und wo aus ökonomischen und
Entwurfsprozesses begreift, deren objek- nis ein und technischen Veränderungen gänzlich neue
tiven Charakter er aber trotzdem betont 2) wie setzen sich die heutigen Arch ::ekten Bauaufgaben entstehen, die nicht aus bereits
vo rhande nen Pri mi ti vformen I Archetypen en t-
wissen möchte. Diese Vo rstellungsbilder mit ihr auseinander? wickelt werden können (wie die kollektiven
können zum Beispiel sein: Bauten der sich emanzipierenden bürgerlichen
1) Metaphern: die Metaphern sollen "ein Die Warenästhetisierung der Architektur K 'as se, die Börsen, Bahnhöfe, Hospitäler , USW .
aktue ll es Ereignis in einen figurativen I ' n 18 ./ 19. Jhd.l, muß die artist ische Konzep-
tion des Typus an die Stelle des vernaculären
Ausdruck (transformieren) ... Ungleichhei- Unter der "Warenästhetisierung dei Ar- Typus treten . Dabei wird zur rationalen Legi -
ten durch Imagination vergleichen ... Die- chitektur" begreifen wir : timation dieses artistischen Typus auf die Idee
ser Vergleich geschieht durch einen Sprung,
der verschiedene Fragmente (der Stadt) zu
1) die Teilung des Produktionsprozes""s
von Architektur in die Prozesse der indu-
I
des vernaculären Typus bezug genommen : auf
die Urhütte, die hier strukturelle Metapher,
dort Anfangspunkt eines Evolutionsprozesses
einer (n euen) Einheit zusammenfaßt':,32) striel len Produktion von Waren und der
ist.
2) Analogien: "di e Analogien begrül"den Entwicklung von Verkaufssprachen; Für den formal-symbolischen Typusbegriff
eine Ähnlichkeit oder die Exister" "igel' 2) die Teilung der Architekturprodukte (Typus als charakter istische Form) ist der Tem -
ähn li cher Prinzipien zwischen 7'/liel ig- in Gebrauchswerte und in Gebrauchswert- pel Salomons der Archetypus. In ihm sind d ie
nissen, die ansonsten völlig' "s( _n versprechen und architektonischen Grundelemente nicht von
Notwendigkeiten, Funktionen, physikalischen
sind ."33) 3) die Tei.lung der Architekten in "Pro-
Gesetzen bestimmt, sondern von ihrer Funk-
ktingenieure" und "Designer" a ls Spe- tion als Sprache zu Darstellung/Veranschauli -
Die Vorstellungsbilder als Entwurfs!." ,e listen für Teilfunktionen der Produk- chung von (göttlichen) Ideen. Der Formtypus
rien "on und des Verkaufs. ist das Symbol für eine Idee. Auch dieser Typus
wird in methodischer Hinsicht nicht "wörtlich"
imi tiert, sondern als Prinzip metaphorisch ver-
Im Entwurfsprozeß fungieren diese Vor- Die Architektur als eine Frage der Form
wendet.
ste llungsbilder als Selektionskriterien, mit-
tels derer die (Sprach)elemente ausgewählt Die Rationale Architektur ist das erste
und zum Entwurf kombiniert werden. Architekturverständnis, das in der Theo- Typus und metaphorische Imitation
" Im Hahm~n dieses Architekturverständ- riebildung implizit (und z.T. auch schon
expliz it, wenn wir etwa an Robert Ventu- Quatremere de Quincy unternahm schließ-
nisses setzt sich der Entwurfsprozeß also
li ch d en "lei , uch, den Typusbegriff, der von
aus einem rationalistischen Modus der ri denken) auf die gesellschaftlich \!ol!z:)- seinen Zeitgenossen in so schi llernder Weise
Sprachbildung und einem subjektiven Mo- gene Warenästhetisierung der Architektur zwischen funktionalem und formalem Ver -
dus des Sprachgebrauchs zusammen und reagiert. Angesichts der "Demontage der ständnis, zwischen standardisiertem reprodu -
dementsprechend der Entwurf aus form- Architektur" (um einen anderen Ausdruck zierbaren Modell und individuierender Varia-
tion eines abstrakten Typus bis zur Unkennt-
logisch rationalen und subjektiv immagina- für die Warenästhetisierung zu verwen-
lichkeit einer allgemeinen Regel verwendet
tiven Momenten. Dieses Entwurfsverständ- den), wie sie sich in der "elektrographi- wurde, zu definieren und damit als entwurfs-
nis bezieht sich damit auf die Stadt einer- schen Architektur" Las Vegas' am augen- methodische Kategorie brauchbar zu machen.
seits als Gegenstand der Analyse, indem fälligsten manifestiert, versucht zum Bei- (Art . 'Typ' in : Encyclopedie Methodique,
spiel Robert Venturi se in e Formsprache Architektur, Bd. 3, Paris 1825)
es die Stadt als " städtische Struktur" vor-
Quatremere geht von der rationalistischen
stellt , aus der die Strukturen der Sprach- als bewußte Reflektion auf diese "De- Voraussetzung aus, daß es für d ie Architektur
bildung folgen und andererseits als Ge- montage der Architektur" zu begründen, wie für jede Kunst und jedes Denken ein "ele-
genstand der Vorstellung, indem es die indem er sie als die Möglichkeit der Trenn- mentares Prinzip, eine Art Kern, um den im
35
Laufe der Zeit die Variationen und Entwick- barkeit der architektonischen Elemente und den Ideologien se ines gesellschaftli-
lungsstufen der Formen versammelt sind" begreift. Eine Architektur als Reflektion chen Trägers, des sich emanzipierenden
(gibt . Typus ist Ursprung, präexistenter Keim,
primitiver Urgrund der architektonischen
auf ihre eigenes historisches Ende? Bürgertums, verwobenen "bürgerl ichen
Formen. Scheinbar weniger radikal, aber darum Architektur" - die etwa mit der Archi-
Aus dem metaphorischen Charakter des nicht weniger folgenreich, reagiert die tektur der Aufklärung beginnt, und spä-
Typus versucht Quatremere, methodische Hauptlinie der Rationalen Architektur testens im Neuen Bauen endet -; nach
IHinweise zu entwickeln. Schlüsselbegriff ist
auf die Warenästhetisierung mit einer dem Versuch der Vertreibung ästhet isch-
'dabei die 'Imitat ion': nicht die .. wörtliche"
'Imitation eines Modells, sondern .. geistige Rückwendung auf die immanenten Fra- kultureller Bezüge aus der Architektur und
limitation, Imitation durch Analogie, durch gen der Disziplin (die sie, wie wir gese- ihrer Unterordnung unter technische, öko-
geistige Beziehungen, durch Anwendung von hen haben, mit der Analyse der städt i- nomische und funktionale Optimierungen
Prinzipien, .. . durch Kombinationen .. . Sy- schen Struktur verbunden wissen will), ("Bauwirtschaftsfunktional ismus" nach
steme, etc .... Aus dieser Position wendet er
um auf ihr aufbauend die Architektur 1945) markiert die Rationale Architektur
sich gegen zwei ihm bedrohlich erscheinende
Strömungen: gegen diejenigen Architekten, durch die Entdeckung formaler Invarian- eine neue Etappe, die wir als "Architek-
'die alles ihren subjektiven willkürlichen Ein- zen erneut zu begründen . Diese Konzen- tur der Verkleidung" bezeichnen wollen.
fällen und ihrer Phantasie überlassen, weil tration auf die immanenten Fragen der Sie versucht, die Architektur a ls eine
der Typus nicht meßbar und genau zu de- Disziplin und die Zurückführung der Dis-
finieren ist ( .. Daraus folgt die komplette
Kunst zu rekonstru ieren, aber ihr fehlt
Anarchie sowohl in den Detai Is als auch ziplin auf die Invarianzen der städtischen ein gesellschaftlicher Träger und damit
in der Gesamtform jeder Komposition .") . Morphologie reflektiert in der Theoriebil - der Bezug zu einem aktuellen kulturellen
Und er wendet sich gegen diejenigen, die dung die ,,(gesellschaftlich) erzwungene Kontext. Sie ist eine isolierte (und woh I
aus Mangel an Vorstellungskraft den Typus Reduktion der Architektur .. . zu einer auch elitäre) Tendenz innerhalb einer auf
als Modell nehmen und einfach kopieren.
Typus ist die .. ursprüngliche logische Grund-
Frage der Form" (Manfredo Tafuri) . Da - die Form bescheiden sich beschränkenden
struktur eines Dings" - nicht das komplette mit vollzieht diese Architektengeneration Architektur, die sich mangels eines leben-
Ding selbst. an sich selbst subjektiv (und das zum er- den gesellschaftlichen Trägers der Form-
Zwar betont QuatremEJre den Bezug des sten Mal) den objektiven gesellschaftlichen Fossilien der vergangenen Etappe der bür-
Typus zu den funktionalen und technischen Prozeß der Warenästhetisierung der Archi- gerlichen Architektur bedient - ohne je-
(Material, Konstruktion) Notwendigkeiten,
und will von der Symbolisierung außerarchi-
tektur nach. Anders ausgedrückt: diese doch deren Fortsetzung oder gar deren
tektonischer Ideen als Essenz des Typus nichts Architektengeneration versucht die objek- Überwindung zu sein.
wissen, aber einen formalen Aspekt hat sein tiven gesellschaftlichen Prozesse "zur Spra-
T ypusbegriff dennoch: jede Gebäudegattung che zu bringen", indem sie ihnen eine Die Architektur der Verkleidung
hat eine charakteristische, ..typische" Form,
die Notwendigkeit und Gebrauch darstellt.
Form verleiht.
Der Architekt soll diese typische, den Notwen- In der Rationalen Architektur sehen 'Architektur der Verkleidung' soll die
digkeiten entsprechende Form als Richtschnur wir aber auch eine Antwort auf die Wa- oben unter dem Stichwort Warenästheti-
für seine metaphorische I mitation nehmen, renästhetisierung der Architektur insge- sierung der Architektur zusammengefaß-
und nicht für alle Gebäudegattungen dieselben samt. Diese Antwort erkennen wir in der ten gesellschaftlichen Prozesse in einem
Formen, Kompositionsregeln und Säulenord-
Entwicklung von Ästhetiken der Archi- architekturtheoretischen Begriff erfassen,
nungen gebrauchen.
tektursprache, mit der sie auf Basis der nämlich :
Reduktion von Architektur auf ein blo- 1) die Auflösung der traditionellen Form-
Struktural-funktionaler Typusbegriff bei ßes Sprachphänomen die Warenästhetisie- Inhalt-Beziehung in der Produktion von
Durand rung insgesamt zu beantworten versucht. Architektur in gesellschaftlich gesonderte
Mit dieser Reduktion der ästhetischen Verh ältnisse und
Am Beginn des 19 . Jahrhunderts steht mit Möglichkeiten der Architektur auf ein 2) die Ver selbständigung der arch itekto-
der Theorie- und Methodenentwicklung Durands bloßes Sprachphänomen hofft die heutige nischen Formproduktion (oder komple-
das Zurückdrängen des formal-symbolischen Ty- Architektengeneration den "Tod der 'Ar- mentär der Produktion architektonischer
pus-Begriffs zugunsten eines nicht mehr auf der
chitektur" (von dem Tafuri spricht, um Inhalte und Bedeutungen) als eines dieser
Urhütten-Theorie, sondern auf wissenschaftli-
chen Untersuchungen von Funktion und Kon- die immer auswegloser werdende Situa- gesonderten Verhältnisse. Das kann zum
strukt ion basierenden struktural -funktionalen tion der gegenwärtigen Architektur zu Beispiel die Behandlung der Form als
Typus-Verständnisses. Damit gewinnt gleich- charakterisieren) durch die "Auferstehung ei ner 'rein' ästhetischen Frage bedeuten
zeitig die Tendenz des technisch-funktionalen
der Toten" zu überwinden, wobei mit der oder die des Inh altes als einem Gegen-
Rationalismus gegenüber der des ästhetischen
Rationalismus an Bedeutung. Durand's Theo- "Auferstehung der Toten" die der Archi - stand besonderer Verwissenschaftlichung
rie und Entwurfsmethode markieren einen tekten gemeint ist, die sich den "theore- von Architektur , wie es z.B. in der Nut-
Wendepunkt, von dem aus die Rationale Ten- tischen und praktischen Korpus der Ar- zungsforschung geschieht, oder auch die
denz in den Funktionalismus des 20 . Jahrhun- chitektur" (Aldo Rossi) als ihren nun- Unterwerfung der Form unter primär öko-
derts mündet - frei lich erst nach einer langen
Phase, in der die Verselbständigung von Funk- mehrigen Kunstleib aneignen wollen, um nomische Interessen, wobei die Form
t ion und Konstruktion gegenüber der Form dadurch den "Tod der Architektur" zu rücksichtslos, das heißt ohne Berücksich-
I (wobei nur erstere noch rationalen Prinzipien überleben. tigung ihrer inhaltlichen Bezüge, unter
unterworfen war! einen irrationalen Eklekti- dem Gesichtspunkt der Verkaufbarkeit
zismus ermöglichte . Der Entwicklungsstrang
des ästhet ischen Rationalismus war damit
Die Architektur nach dem "Tod der Ar- der Produkte betrachtet wird, sie also
unterbrochen, und taucht erst als Nebenlinie chitektur" vornehmlich als Mittel der werbenden'
im Neuen Bauen wieder auf. Überredung zur Verkaufsförderu ng e inge-
Ausgangspunkt waren wiederum Entwick- Im Gegensatz zu eher pauschalisieren- setzt wird.
lungen in den Naturwissenschaften: Das
den Einschätzungen der Rationalen Archi- Die Demontage des Zusammenhangs
zoologische Klassifikationssystem von Cuvier
(1795-1800) basierte nicht mehr auf forma- tektur, die sie nur in Verbindung mit dem von "Form" und "Inhalt" wird nun zum
len, physiognomischen Merkmalen, sondern konstatierten "Tod der Architektur" (Man· eigentlichen Thema der Architektur, die
auf grundlegend unterschiedlichen Typen fredo Tafuri) diskutieren, betrachten wir sich gegenwärtig mit zwei sich scheinbar
von anatomischen Strukturen . Gleichzeitig sie als eine historische Übergangsform in ausschi ießenden Perspektiven entwickelt,
war in der Kristallographie und der darstel-
der Geschichte der Architektur. Nach der nämlich:
lenden Geometrie ein Instrumentarium ent-
wickelt worden, mit dem die Bildungsgesetze Etappe der sozial und vor allem auch kul- 1) als Warenästhetik der Verkaufssprachen,
räumlicher Formen exakt beschrieben und turell eng mit dem materiellen Schicksal zu d~r wir die verschiedenen Techniken
der werbenden Überredung rechnen und Formbegriffs bezweckt: aus Grundelementen und Verknüpfungsregeln
1) die der Architektur gesellschaftlich ent- neue, vollständig rationale Formen erzeugt
die wir in der "elektrographischen Archi-
werden konnten.
tektur" von Las Vegas verwirklicht se- zogenen Inhalte durch die Form zurück- "Durand unterteilte die Architektur,
hen und zugewinnen und oder besser, baute sie auf, aus Kombinationen
2) als Ästhetik "autonomer" Architektur- 2) die Auflösung der traditionellen Form- nicht weiter reduzierbarer Grundelemente.
sprachen, zu denen wir u.a. die Rationa- Inhalt-Beziehung in gesonderte gesell- Diese Elemente-Wände, Säulen, Öffnungen
- mußten zu Zwischeneinheiten - Torbägen,
le Architektur zählen. schaftliche Verhältnisse ihrer Produktion
Treppenanlagen, Hallen, USW. - kombiniert
In beiden Fällen handelt es sich um durch den autonomen Formbegriff wie- werden und diese wiederum wurden zu kom-
Ästhetiken der Sprache, deren semanti- der rückgängig zu machen. pletten Ensembles, die wiederum Städte bil-
sche und syntaktische Aspekte gegenüber Im Rahmen dieses Architekturverständ- deten, zusammengesetzt. Die ganze Opera -
den pragmatischen (Bedeutungen, Inhal- nisses kehren die gesellschaftlichen Inhalte tion wurde durch die dreidimensionale Geo-
metrie gesteuert - auf einem Raster-Papier,
te) verselbständigt werden. Bei Robert von Architektur als Gegenstände der Form
das entsprechend der kleinsten vorkommen-
Venturi lassen sich bereits die ersten bzw. als Momente einer Formdialektik wie- den Einheit dimensioniert war." (A. Vidler,
Berührungspunkte zwischen diesen unter- der, die der Form erlauben sollen, was a.a.O., S. 107/8) Mit Hilfe seiner geome-
schiedlichen Entwicklungslinien der Ar- der Architektur als Ganzes nicht mehr trischen Grundformen und des dreidimen -
möglich ist, nämlich gesellschaftliche In- sionalen Rasters konnte Durand für jede
ch itektu r .feststellen. funktionale Anforderung ein abstraktes
Rationale Architektur verstehen wir halte (Gebrauchsweisen, Bedeutungen etc. typologisches Diagramm vorschlagen.
in diesem Sinne als eine 'Architektur der als Ausdruck der gesellschaftlichen Träger Ähnlich der späteren funktionalistischen
Verkleidung', die bestimmt ist durch: von Architektur) zur Sprache zu bringen. Doktrin betrachtete Durand Wirtschaftlich-
keit und Bequemlichkeit als Quellen der
1) die Entwicklung des Produktionspro-
Schönheit. Er war damit der Wegbereiter
zesses von architekton ischen Formen zu Progressive und regressive Momente der
eines technisch-ökonomischen Typusbegriffs,:
einem gesonderten gesellschaftlichen Ver- Rationalen Architektur Typus als der experimentell optimierte und
hältnis, das auf der "Autonomie der perfektionierte Prototyp, der als standardi-
Form" beruht und In diesem Formverständnis der Rationa- siertes Industrieprodukt beliebig oft und
len Architektur liegen sowohl die emanzi- in gleichbleibender Perfektion reproduziert
2) die Form - Inhalt - Beziehungen als
werden kann.
Beziehungen einer Formdialektik, die den patorischen als auch regressiven Potentiale Als "Typus" und "konstituierende Prin -
Inhalt nur noch als einen Gegenstand der dieses Architekturverständnisses. Emanzi- zipien" der Architektur wurden die konstruk-
Form auffaßt. patorisch erscheint uns der Anspruch, die tiven und funktionalen Lösungen der gestell-
Architektur wieder als ein ästhetisches Me- ten Anforderungen aufgefaßt; die äußere
Form war vom I nhalt befreit, akzidentiell,
Die Autonomie der Form dium zu betrachten, um wenigstens mit- an Geschmack und Situation anpaßbar.
tels der Form und symbolisch einen An- Die Funktionalisten des 20. Jahrhunderts
Die "Autonomie der Form" oder an- spruch einzulösen, den die Architektur versuchten, diese Einheiten von Form und
ders ausgedrückt, das Beharren auf der Ar- realiter nicht mehr erfüllen kann, oder Inhalt zu rekonstruieren und scheiterten an
der inzwischen gesellschaftlich durchgesetz -
chitektur als einer 'autonomen' Disziplin wenn, dann nur noch im Widerspruch
ten Entziehung des Inhalts aus der Kompe-
bildet die Basisannahme dieses Architek- gegen die Entwicklung der Produktions- tenz des Architekten - womit er aus einer
turverständnisses. Sie ist die ax iomatische verhältnisse. rein technisch-funktionalen Rationalität
Basis all der Versuche von Aldo Rossi oder Im Unterschied aber zu früheren Kunst- auch keine konsistenten Prinzipien für die
verständnissen von Architektur ist dieser Frage der Form mehr gewinnen konnte .
Carlo Aymonino, von Oswald M. Ungers
oder Peter D. Eisenman, die sich bemüh- Kunstanspruch nunmehr rein autoreflexiv
hen, die Sprachbildung von Architektur bloß noch mit der Verarbeitung des trau-
durch einen rationalistischen Modus zu rigen Schicksals der Architektur als Dis-
begründen. Diese Autonomie der Form ziplin beschäftigt. Das beweist u.a. der
konkretisiert sich: Versuch von Robert Venturi, eine Archi-
1) in der Einführung von formalen Inva - tektursprache auf der Möglichkeit der
rianzen in der Architektur und Trennbarkeit ihrer Elemente aufzubauen,
2) in der Betrachtung der Funktion als um in dieser Form die reale Demontage
eine Anforderung (unter anderen) an die der Architektur zu thematisieren und
Form. als ästhetisches Montageprinzip in die
Im Rahmen dieses Architekturverständ- Architektur einzuführen.
nisses fungieren dann die Invarianten und Die Aneignung des historischen Erbes
die Inhalte (Funktion) der Form als Kon- der bürgerlichen Architektur, auf die die
stanten und intervenierende Variablen der Auseinandersetzung mit der Geschichte
Sprachbildung von Architektur. Die Sprach- der Architektur im Kern hinausläuft,
bildu ng selbst ist als ein Prozeß der "Mo- wird aber solange folgenlos bleiben, wie
difikationen" von Invarianten vorzustellen. sie gegen die abstrakte Behauptung vom
Dabei sind unter den Modifikationen die "Tod der Architektur" die nicht weniger
formalen Operationen zu begreifen, in de- abstrakte von der Autonomie der Diszi- Das symbolische Modell: Der salomonische Tem-
nen sich die funktionalen Anforderungen plin stellt. Unseres Erachtens läßt sich pel. Anomymes Blatt der Freimaurer, ca. 1774
37
Als regressiv sehen wir dagegen das die- der emphatische Rationalismus von Boullee Entwerfens (Konfliktentwurf) ,
sen Kunstanspruch stützende Kunstver- u.a. von einem Vertrauen ausgeht, das das b) Didaktiken des Entwurfs, d.i. die Pro-
Syste m erhellt, ohne ihm äußerlich zu sein. blemformulierung und Problemauflösung .
ständnis an. Wir meinen die ausschließli - Es gibt daher einerseits die größte Auto- In der Sprache der Architektur durch ver-
che Konzentration auf die Subjektivität nomie des Systems, die Klarheit der Gedan- schiedene Formen der Kommentierung
des Entwerfenden und die vorrangige ken und andererseits die autobiographische (Medienkombination) und
Orientierung an der Form, die schon mit Singularität der Erfahrungen. Und natür- d) Didaktiken des Sprachgebrauchs, d.i.
lich ist diese Beziehung besonders kom- die Konstituierung und Auflösung der
der Entwurfshaltung und dem Formver-
plex in der Architektur ". Realitätsebenen von Architektur .
ständnis alle Fragen ausschließen, die nicht Ich glaube heute, daß das authentische Vgl. Lehrbauspiele. Architektur als politi -
die singulären Probleme des Entwerfen- Problem der Architektur in der Bildung die- sches Medium, in: 30 ARCH+; Lehrbau-
den und der Form betreffen. Dam it wol- ses logischen Systems liegt, eines Systems, spiele Haaren - ein Werkbericht, in :
len wir nicht den Subjektivismus und das in sich gültig und unabh ängig von den 33 ARCH+; Entwurfskompendium I,
Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Lehrstuhl Planungstheorie, 1978; Fuhr-
Formal ismus der Rationa len Architektur wissenschaftlichen Verstä ndnis von Archi- mann, Mailandt, Reiß-Schmidt, Weicken,
unnötig denunzieren. Ganz im Gegenteil. tektur und der Kunst, von Differenzen, die Planerische Strategien zur Erhaltung und
Trotzdem sehen wir in ihnen die Gefahr, vom konventionellen Rationalismus geleug- Verbesserung innerstädtischer Mischge-
daß das, was an emanzipatorischen Po- net, während sie vom emphatischen Ratio- biete, Diplomarbeit am Lehrstuhl Pla -
tentialen in diesem Architekturverständ- nalismus akzentuiert werden ". nungstheorie.
In diesem Sinne werde ich von einem 17) Carlo Aymonino. II Significato della Citta,
nis enthalten ist, aufgrund der Singulari - emphatischen, emotionalen und metapho- a.a.O. S. 145 ff.
tät und der Struktur seines Begründungs- rischen Rationalismus sprechen. Es bleibt 18) Aldo Rossi, L'Architettura della Citta,
versuchs in einer bloßen Verkleidung der jedenfalls, daß einzig ein authentischer Ra- a.a .O., S. 57 ff.
gesellschaftlichen Verhältnisse stecken- tional ismus - als Entwicklung einer Logik 20) Aldo Rossi, L'Architettura della Citta,
der Architektur - die alten funktionalisti- a.a.O., S.3.
bleibt, die der gesellschaftlichen Tenden z
schen Fehler und die neuen Fabeln von der 21) Ebenda, S. 32.
zur Restaurierung bürgerl icher Lebensver- Architektur als einer interdisziplinären 22) Ebenda .
hä Itn isse die Sprache der Restauration Disziplin über winden kann, denn die Archi- 23) Carlo Aymonino , Lo Studio dei Fenome-
leiht. tektu r wurde immer durch einen - prak- ni urbani, in: La Citta di Padova, Officina .
tisch und theoretisch - gut definierten Edizioni, 1972, S. 23ff.
Korpus gebildet, der durch die komposi- 25) Die Bestimmung des Modellbegriffs von
Nicolaus Kuhnert, Stephan Reiß-Schmidt torischen, typologischen und distributi- Rossi folgt derjenigen von Quatremere dE
ven Probleme des Studiums der Stadt u.a. Quincey. Quincey spr icht von dem Mo-
konstituiert wurde. Dieser Korpus der Ar- dell a ls "ein(em) Objekt, das so, wie es
chitektur umfaßt all die gedachten, gezeich - ist, wiedergegeben.werden muß". Im Ge-
neten oder konstruierten Werke, von de- gensatz zum Typus ist es "eine zu (imi-
nen wir Kenntnis haben ". tierende) und zu kopierende ". Sache ."
Es ist dieser Korpus der Architektur, der in : Aldo Rossi, L'Architettura della Citta,
Einige Anmerkungen mußten aus Gründen der in seinen allgemeinsten Formen die rationa- S.31.
Kürzung entfallen. listische Haltung in bezug auf die Architek- 26) Vgl . Entwurfskonpendium I. Aus dem
1) Vgl. die Monographien zu den Architek- tur und ihren Bildungsprozeß bestimmt und Chaos der Stadt Lernen? Die Formprinzi-
ten Robert Venturi, Aldo Rossi, Oswald das Vertrauen in die Möglichkeit einer Leh - pien der Architektur Oswald M . Ungers,
M. Ungers und Peter D. Eisenman in 33, re begründet, d aß die Welt der' Formen eben- in: 35 ARCH+, S. 46/47.
34 und 35 ARCH+, 1977. so logisch und präzise zu bestimmen ist wie 30) Bei der "citta analoga geht es "um die
3) Vgl. den Katalog der "Internationalen jeder andere Aspekt des architektonischen theoretischen Fragen des Entwurfs: das
Architekturausstellung der Xv. Mailänder Phänomen s " . meint den kompositorischen Vorgang, der
Triennale" , Architettura Razionale, hrsg . 7) Ebenda . sich auf einige fundamentale Faktoren
vo n E. Bonfanti, R. Bonicalzi, A. Rossi, 8) Sprachbildung und Sprac hgebrauch unter- stützt und ihnen im Rahmen eines analo-
M . Scolari, D. '/itali, Franco Angeli Edito- scheiden wir entsprechend der Saussure- gen Systems andere hinzufügt. Um dieses
ri, 1973 . sehen Terminologie: 1) Sprache (langue): Konzept zu illustrieren, habe ich einige
4) Vgl. Aldo Rossi, Einleitung zu E .L. "das Sprachsystem, ". das (seinem) Wesen Beobachtungen über Canalettos Ansicht
Boullee, in: Etienne Louis Boullee, Archi- nach sozial und vom I ndividuum unabhän- von Venedig gemacht ." wo der palladia-
tettura. Saggio sull'Arte, Marsilio Editori, gig ist" und das das ,:Wörterbuch' der nische Entwurf für die Rialtobrücke, die
Padova, 1967. Zeichen und Regeln bildet" . 2) Sprachge- Basilika und der Palazzo Chiericati anein-
4a) Zur Rationalen Architektur rechnen sich brauch (parole): " ". die aktuell konkrete ander angenähert und so dargestellt sind,
Carlo Aymonino, Girogio Grassi, Aldo Rede, der das Sprachsystem zugrundeliegt." als wenn das Bild eine von Canaletto
Rossi, Massimo Scolari, um nur die pro non - aus: Theodor Lewandowski , Linguisti sc hes beobachtete städtische Situation wieder-
ziertesten Vertreter der 'italienischen Rich- Wörterbuch, Langue, Parole ; Universitäts- geben würde. Die drei palladianischen
tung' dieses Architekturverständnisses an- taschenbücher , Quelle und Meyer, Heidel- Monumente, von denen nur eines ein Ent -
zusprechen, die Gebrüder Krier, Josef berg, 1975. wurf geblieben ist, konstituieren so ein
Paul Kleihues, Oswald M. Ungers, Peter 13) Istituto universitario di Architettura di analoges Venedig, dessen Struktur (forma-
D. Eisenman, Charles Gwathmey, Michael Venezia; Rapporti tra la morfologia urba- zione) durch bestimmte Elemente und
Graves, John Hejduk, Richard Meier u .a. na e la tipologia edilizia, Editrice Cluva durch das Erbe der Geschichte der Archi-
Vgl. Architettura Razionale , a.a .O ., ver- Venezia 1966; dieser Tagungsbericht ent- tektur wie der Stadt gebildet wird. Die
schiedene Nummern der Zeitschriften ar- hält u.a. Beiträge von Carlo Aymonino, geographische Umstellung der Monumen -
chithese, Controspazio, Oppositions, die Fabbri und Aldo Rossi. te zu einem Entwurf konstituiert eine
Dortmunder Architekturhefte, insbeson- 14) Facolta di Architettura dei Politecnico di Stadt, die wir kennen, obwohl sie nur
dere die Nummern 2 und 3 . Milano, Gruppo di recerca diretto da Aldo den Ort der reinen architektonischen Wer-
5) De r Begriff "rationalismo esaltato" läßt Rossi : L' Analisi urbana e la progettazione te wiedergibt " . Eine 'Collage' der palladia-
sich in etwa mit emphatischem Rationa- architettonica, clup , Milano 1974, u .a. mit nischen Architekturen, die eine neue
lismu s übersetzen. Als Bestimmungen des Beiträgen von Franeo Apra, Giorgio Grassi Stadt bilden und die durch diesen Bil-
emphatischen Rationalismus führt Aldo und Aldo Rossi. dungsprozeß sich selbst konstituieren."
Rossi an: ,,'" in der Realität konstituiert 15) Carlo Aymonino, II Significato della Citta, Aldo Rossi, L'Architettura della ragione
der logische Bildungsprozeß von Architek- Laterza, 1'976, S. 18. corr,e architettura di tendenzo , in: Scritti
tur die Disziplin - in einem gegensätzli- 16) Mit prozeßbezogenem Entwerfen beziehen scelti sull' architettura e la Citta, S. 370.
ehen Sinne aber zu jenem der antiken und wir uns auf verschiedene Versuche, wie 31) Vgl. Entwurfskompendium I . Aus dem
modernen funktionalistischen Traktate - wir sie u.a . mit dem Konzept der Lehrbau- Chaos der Stadt lernen? Die Formprin-
den theoretischen und praktischen Korpus spiele vorgeschlagen haben. Mit den Lehr- zipien der Architektur Oswald M . Ungers,
der Architektur, ohne sich mit den Resul- bauspielen haben wir versucht, Entwurfs- in: 35 ARCH+, S. 46/47 .
taten der Architektur zu identifizieren . didaktiken zu entwickeln, die umfassen: 32) Ebenda.
Sicherlich fordert der 'konventionelle Ra- a) Didaktiken des Entwerfens, d.i. die Kon - 33) Ebenda.
tionalismus' alle architekton ischen Pro- stituierung und Auflösung ~iner relativen 34) Vgl. dazu Carlo Aymonino, II Significato
zesse aus Prinzipien herzuleiten, während Autonomie des Entwurfs im Prozeß des della Citta, a.a.O., S. 18 ff.
38