Individuums" ein rassenhaftes internationales Recht, aber kein klassen-
haftes Staatsrecht, weil dieses sich auf ein Privatrecht reduziere. Ein offenbarer Widerspruch! Denn wie kann man einen "Begriff" rationali- sieren? Entweder sind "Mystik" und "Romantik" rationale Begriffe und dann nicht rationalisierungsbedürftig. Oder sie sind keine Begriffe und müssen aus der Rechtswissenschaft ausscheiden. Gerade wenn man damit einverstanden ist, daß der Rechtsbegriff "un point fixe au milieu du tour- billon soeial" sein müsse, bleibt die Behauptung unverständlich, daß die Rechtswissenschaft von der Rechtsphilosophie "nicht zu trennen" sei. Verf. gerät eben in die Klemme, die er bei den Gegnern von rechts (Hauriou .und Renard) und von links (Duguit und Lacroix) zu beseitigen sucht: die Verwechslung von wissenschaftlichem Begriff und philosophischem Postulat zwingt ihn zur willkürlichen Reduzierung der Sozialwissenschaft auf die Rechtswissenschaft_ M. Tazerout (La Roche, Yon).
lUarcuse, Herbert, H egels Ontologie und die Grundlegung einer
Theorie der Geschichtlichkeit. Vittorio Klostermann. Frank/urta. M. 1932. (367 S.; RM. 15.-) Marcuses Unternehmen, gerichtet auf den system-tragenden "Seinsent- wurf" Hegels, wird gefördert durch dessen eigene philosophische Vorgeschichte. Seit Diltheys Forschungen und der Nohlschen Ausgabe der theologischen Jugendschriften ist kein Zweifel an der Priorität des Lebensbegriffes bei Hegel als des zugleich einheitlichen und sich entzweienden, daran die. dialektische Umdeutung der Kantischen Subjekt-Objekt-Problematik erst als systematische Ausprägung der philosophischen Grunderfahrung sich anschließt. M. nun sucht diesen Lebensbegriff herauszulösen aus dem Bereich von Faktizität, in welchem er gewonnen ist, und als "Sinn" nicht sowohl des Seienden als von Sein selbst zu erfassen, der als reine Möglichkeit aller Faktizität vorgeordnet, ob auch notwendig auf existierendes Seiendes verwiesen ist. "Der Grundsinn von Sein, der den Ansatz des Seinsbe- griffes bestimmt, ist die ursprüngliche Einhei t der Gegensätze von ,Sub- jektivität' und ,Objektivität' .. _IndemdieseEinheit von Hegel als einigende Einheit gefaßt und als das Geschehen des Seienden selbst begriffen wird, wird die Bewegtheit als Grundcharakter des Seins erkannt" (S. 5); darum Hegel nicht mehr wie üblich auf den bereits verdinglichten, faktischen "Geist" interpretiert, wie er die späten materialen Systemausführungen beherrscht, sondern auf den "vollen Seinsbegriff des Lebens" (S. 7)_ Als dessen "eigentlichstes Sein" wird verstanden "das begreifende Sein: der ,Begriff'" (S. 6); "wissende Bewegtheit". - Das Buch gliedert sich in die ontologische Interpretation von Sein als wissender Bewegtheit und den Fundierungsversuch einer existentialen Theorie der "Geschichtlichkeit". Diese möchte schließlich die Verwandlung der ontologischen Ausgangsfragen Hegels in Deutungen der Faktizität nicht bloß bezeichnen, sondern aus der Problematik der "Phänomenologie" verständlich machen: als "Verwandlung des Lebensbegriffs in den Seinsbegriff des Geistes" und als "Verwandlung der wissenden Bewegtheit in die Bewegtheit des absoluten Wissens". Damit scheint M. von Heideggers publiker Lehrmeinung, die er sonst mit der Strenge des Schülers vertritt, entscheidend abzuweichen: er tendiert vom 410 Besprechungen
"Sinn von Sein" zur Erschließung des Seienden; von Fundamentalontologie
zur Geschichtsphilosophie; von Geschichtlichkeit zur Geschichte. Das macht die Bedeutung des Werkes aus und eröffnet es zugleich der Kritik. Wenn M. so weit geht, nicht sowohl mehr bloß die Möglichkeit des Faktischseins ontologisch auszulegen als vielmehr die Möglichkeit der Auslegung faktischen Seins aus der ontologischen Struktur herzuleiten, wäre konsequent zu er· wägen: warum überhaupt philosophisch die "ontologische" Frage der In· terpretation der realen geschichtlichen Fakten noch vorausgeht, während doch M. den Bruch zwischen Faktizität und Ontologie schließen möchte. Ist die konstitutive "Ganzheit" selber vorfaktische, ontologische Grund· struktur oder weist sie auf historisch bestimmte Faktizität zurück: das gleiche "Subjekt", in dem M. nicht umsonst das "eigentlichste Sein" der Hegelschen Bewegtheit sieht? Dann schlüge die Frage nach dem Hegeischen Sinn von Sein als Möglichkeit um in die nach dem Sinn von Subjektivität als Wirklichkeit. Und hat nicht gerade die "Ganzheit" des Hegeischen Entwurfs als eine des "Systems" dengeschichtlich.faktischen Anspruch absoluter Subjektivität zur Voraussetzung 1 Deutet nicht der Fundierungs. anspruch der neuen Ontologie eben als Anspruch auf "Ganzheit" seinem Wahrheitsgehalt nach zurück auf den Idealismus und damit einen innergeschichtlichen, auf bestimmte Pragmatik bezogenen philosophischen "Standpunkt" ? Theodor Wiesengrund.Adorno (Frankfurt a. M.).
Nltzschke, Helnz, Die Geschicht8philosophie Lorenz flon Steins. Ein
Beitrag zur Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts. R. Oldenbourg. München u. BerUn 1932. (145 S.; RM. 6.-) Die Leipziger Dissertation aus der Freyer-Schule gibt eine systematische Darstellung der Geschichtsphilosophie von Lorenz von Stein, der neben Marx mit Recht der Begründer der deutschen Soziologie genannt wird. Fern einer gegenwärtig verbreiteten Formalsoziologie ist seine Gesellschafts- wissenschaft gleichzeitig universale Geschichtsphilosophie. Dies zeigt deutlich N. in seinem Hauptteil über die materielle Geschichtsphilosophie bei Stein, die nach Troeltschs Schematik im Anschluß an seine formale Geschichtslogik ausführlich behandelt wird. Der Verf. untersucht u. 8. Steins philosophische Anthropologie, seine Philosophie der Arbeit, die historischen Triebkräfte (Geschichte als "Bewegung der Interessen"), die Gesetze der Geschichte, Geschichte und Gesellschaft, Geschichte und Staat. Vor allem die Analyse der Realisierung der geschichtlich-gesellschaftlichen Neuordnung bei Stein beleuchtet sein eigentümliches Schwanken zwischen Realismus und Idealismus. In einem zweiten Teil wird die geistesgeschicht. liche ,Stellung und die innere Entwicklung' Steins untersucht, wofür N. drei tpochen feststellt (bis 1841 Hegel-Einfluß, bis 1851 Einwirkung des positivistischen Westens, schließlich Annäherung an romantisch-konser- vative Denkhaltung). N. führt über Grünfelds bisher beste Analyse von Persönlichkeit und Werk Lorenz von Steins. ein gutes Stück hinaus und gibt eine wertvolle Grundlegung einer geistesgeschichtlichen Biographie. Die gewissenhafte und umsichtige Studie, gewinnt darüber hinaus Bedeutung dadurch, daß