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Bettina

Hauenschild

Die Sprache der Pflanzen und ihre Heilwirkung


© der deutschen Ausgabe 2017 by Irisiana Verlag,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH,
81637 München

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des Verlags ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage 2017

Projektleitung: Nikola Hirmer

Lektorat: Ulrike Kretschmer

Herstellung: Claudia Scheike

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

Korrektorat: Susanne Schneider, München

Umschlaggestaltung und Konzeption: Geviert – Büro für


Kommunikationsdesign München
Bildnachweis: Alle Bilder in diesem Buch stammen von Bettina
Hauenschild mit Ausnahme des Schwarzdorn-Fotos (Nr. 86):
iStock, Mantonature

ISBN 978-3-641-19225-9
V001
Inhalt
Dank

ERSTER TEIL

Faszinierende Welt der Pflanzen


Altes Wissen weitergeben
Loslassen heißt annehmen
Mit altem Wissen aufgewachsen
Eine gute Intuition verlangt viel Wissen
Wie reagieren wir auf die Natur?
Wie reagiert die Natur auf uns?
Was macht das Grün mit uns?
Intelligenz und Kommunikation der Pflanzen
Neophyten sind Neuankömmlinge
»Un«-Kraut – eine Schimäre
Geschenke am Wegesrand
Wo sammeln wir?
Was ist die Signatur?
Wirkstoffe – wie und warum wirkt etwas?
Unbewusste Verbundenheit mit der Natur
Ein Blick in den Garten verrät viel über Körper und Psyche
Was wir selbst tun können
Mit der Natur kommunizieren
Auf überliefertes Wissen setzen
Wie finden Sie »Ihre« zwölf Heilkräuter?
Schulmedizin, Naturheilkunde oder Heilkunst?

ZWEITER TEIL

Der Steinkreis – das Jahresrad der Kelten und Germanen


Die Sprache der Natur lernen
Die alten Völker – unsere Wurzeln
Welten und Anderswelten
In Märchen und Mythen nach den Ursprüngen suchen
Fünf Phasen der Zerstörung
Rückbesinnung auf die Kräfte der Natur
Pflanzen im Porträt
Praktische Anwendungen: von A wie Auszug bis T wie Tinktur
Alles ist beseelt, heilig und belebt
Erwachen – Februar bis April
Pralles Leben – Mai bis Juli
Ernte – August bis Oktober
Rückzug – November bis Januar

Literatur

Bildteil
Dank
Dank an Britta für die Gespräche im Watt und in München über
Struktur und das Schreiben, an Kathrin und Almuth von
»O’Pflanzt is«, dem wunderbaren Gemeinschaftsgarten in
München, an Heike und Konrad vom Ökologischen
Bildungszentrum und an alle Kursteilnehmer. Ebenfalls Dank an
Dr. Georg Winter, den Gründer des »Hauses der Zukunft« in
Hamburg und dem Goethe-Institut Bogotá für die Unterstützung
der Reise nach Kolumbien, die alles ins Rollen brachte und noch
weitere Früchte tragen wird. Danke auch an Tilman von
Artemisia, der nun schon in der Anderswelt ist und der sehr fehlt.
Danke an alle Patienten und Leser meines Blogs
krautundueben.net sowie an meine geduldige und großartige
Familie.

Danke, Otto.

Hinweise:

Bitte beachten Sie, dass es sich bei diesem Buch nicht um


ein Pflanzenbestimmungsbuch handelt. Unbestreitbar haben
Pflanzen Wirkungen – auf den menschlichen Organismus
aber nicht immer positive, es gibt auch giftige Pflanzen.
Wenn Sie in der Natur Pflanzen sammeln, sollten Sie
unbedingt ein Pflanzenbestimmungsbuch zur Hand haben,
um giftige Gewächse von Pflanzen mit Heilwirkungen
unterscheiden zu können.

Am Ende des Buchs finden Sie einen Farbtafelteil mit


Abbildungen der beschriebenen Pflanzen.
ERSTER TEIL
»Dem Fröhlichen ist jedes Unkraut eine Blume, dem Griesgram
jede Blume ein Unkraut.«

Sprichwort
Faszinierende Welt der Pflanzen
Der Naturheilkundige Sebastian Kneipp sagte: »Gesundheit erhält
man nicht im Handel, sondern durch den Lebenswandel.« Immer
mehr Menschen entdecken ihr Interesse für Pflanzen. Pflanzen
versorgen uns mit Sauerstoff, sie sind unsere Nahrung und unser
Lebensraum, unsere Medizin und Therapie. Sie haben sich in
vielfältigster Weise in unsere Dienste gestellt.

Zwei Träume verbinden den Menschen seit jeher mit den


Pflanzen: zum einen, sie zu kultivieren, und zum anderen, die
Natur wieder in einen »Ursprungszustand« zurückzuführen.

Es ist an der Zeit anzuerkennen, dass wir nicht über den Pflanzen
stehen, sondern von ihnen vollkommen abhängig sind. Wir sind
eins mit der Natur, wir können uns nicht von ihr abkoppeln und
synthetisch existieren, nicht auf Dauer jedenfalls; das geht nur im
Kino oder in virtuellen Welten.

Wenn wir die Ressourcen allerdings weiterhin so aufbrauchen wie


bisher, werden wir verschwinden. Die Natur aber wird bleiben. Es
ist also in unserem eigenen Interesse, mehr zu verstehen,
behutsamer vorzugehen und bescheidener zu leben, im Einklang
mit den uralten und ewig geltenden Gesetzen.

Altes Wissen weitergeben

Die Gesetze der Natur sind das eine Thema, mit dem sich dieses
Buch beschäftigt. Das andere ist der Ursprung des Kräuterwissens,
der Umgang mit den Heilkräften der Pflanzen, die alten Rezepte,
die so hilfreich sein können. Damit das alte Wissen am Leben
bleibt, muss es weitergegeben werden. Dabei kann man schnell
entdecken, wie leicht es geht, sich selbst zu helfen und die Mittel
auszuprobieren.

Wenn man erlebt hat, wie eine Wunde verschwindet, die man mit
selbst hergestellter Calendulasalbe behandelt hat, und wie
Entzündungen mithilfe der Basisharzsalbe heilen, macht das sehr
glücklich! Und es ist gar nicht so schwer, denn oft sagen einem
die Pflanzen selbst, wie sie helfen, wenn man sie genau
beobachtet.

Viele aus der Generation unserer Großeltern haben sich noch


selbst geholfen, heute greifen wir meist lieber zu gekaufter
Medizin. Dabei gibt es immer mehr Menschen, die sich bemühen,
die Scherben des verlorenen Wissens wieder zusammenzufügen
und durch den Austausch mit anderen Traditionen und neuartigen
Methoden wirkungsvoll zu ergänzen.

Loslassen heißt annehmen

Vor einigen Jahren hatte ich eine schwere Lungenentzündung. Die


Wochen vergingen, die Schmerzen, die Schwäche, das Fieber und
der schlimme Husten blieben, und ich wusste, dass ich etwas
Entscheidendes in meinem Leben verändern musste, um wieder
auf die Beine zu kommen. Nur was, das war mir nicht klar.

Ich bin Schauspielerin und habe lange an großen Theatern


gespielt, das war sehr schön. Aber mit jedem Kind, das ich bekam
– drei wunderbare Mädchen –, wurde es schwieriger, das Haus zu
den absurdesten Zeiten zu verlassen. Und nie zu wissen, wann ich
wieder daheim sein würde und ob ich den Kindergeburtstag würde
wie geplant feiern können oder meine Zeit womöglich doch
wieder wartend und untätig auf einer Probebühne würde
verbringen müssen.

Ich lag also da und grübelte, was mir die Kraft geben könnte,
wieder gesund zu werden. An einem strahlend schönen, sonnigen,
schneebedeckten 2. Februar (Mariä Lichtmess) verließ ich zum
ersten Mal auf wackeligen Beinen das Haus und ging in den Park
bei mir um die Ecke. Ich lief in den Wald und sog die klare Luft
ein.

Die Lösung findet sich im Problem, heißt es. Das Problem war die
Krankheit, und die Frage war, wie ich sie wieder loswerden
könnte. Ich hatte viele Nächte große Angst gehabt und fühlte mich
irgendwie durchlässig – ich hatte einfach keine Kraft mehr und
war dadurch sehr offen.

Ich lief lange, und langsam wurde mir etwas klar. Ich hatte in
meinem Leben schon vieles ausprobiert, mit mehr oder weniger
großem Eifer: Schauspielschule, Studium, Job, dann das
Engagement an den Münchner Kammerspielen, Film und
Fernsehen, die Zusammenarbeit mit großen Künstlern.

Der Wille war damals sehr groß gewesen, und immer, wenn es
schwierig geworden war, hieß meine Strategie Ärmel
hochkrempeln, Energieeinsatz erhöhen und kühn durchstarten!
Das hatte sich eine ganze Zeit lang gut bewährt, ich habe es weit
gebracht in dieser Welt der Bühne. Aber es war zu viel. Das sagte
mir mein Körper jetzt. Und ich war nicht mehr bereit, ihn zu
ignorieren. Ich trat innerlich einen Schritt zurück und sah mir an,
was passierte, wenn ich die Idee losließ, unbedingt etwas
Kreatives machen zu müssen, wenn ich etwas anderes tat, etwas,
das nichts mit dieser Kunstwelt zu tun hat.
Loslassen heißt annehmen, hat einmal ein kluger Mensch zu mir
gesagt. Ich habe mich von der Idee befreit, Kunst und Theater
müssten das Zentrum meines beruflichen Lebens darstellen. Es ist
wahrscheinlich kein Zufall, dass mir dieser Gedanke draußen im
Wald kam. Wer mir das eingeflüstert hat, weiß ich nicht, aber ich
konnte etwas wahrnehmen, das ich so vorher noch nie
wahrgenommen hatte.

Auf einmal wusste ich, was ich machen wollte, es war wie ein
Geschenk: Ich wollte lernen, gesund zu werden, wollte zurück an
eine Schule und erfahren, wie der Körper, wie Gesundheit
»funktioniert«. Meinen Körper und mich selbst kennenlernen, das
wollte ich; ich wollte ihn nicht weiter ausbeuten, bis nichts mehr
übrig blieb als Schmerz und Defekt! Und nebenbei, so dachte ich,
könnte ich mir vielleicht etwas aneignen, das auch anderen hilft,
meiner Familie beispielsweise. Eventuell ließe sich sogar ein
neues Betätigungsfeld finden, irgendwann.

Mit meinem Vater, einem Arzt, diskutierte ich, ob ich mich für
ein Studium an der Uni einschreiben sollte. Aber er sagte: »Dich
interessiert die Schulmedizin doch sowieso nicht, dich interessiert
vielmehr alles andere!« Das stimmte, also schrieb ich mich an
einer Heilpraktikerschule ein, absolvierte eine Ausbildung und sah
mir verschiedene Disziplinen an, die man dort lernen kann.

Und ich ging wieder hinaus in den Wald, an den Fluss und über
die Wiesen. Machte eine weitere Ausbildung in Phytotherapie,
Pflanzenheilkunde. Ich merkte, wie die Versenkung in die
Pflanzenwelt mir neue Kraft gab. Wie ich langsam anfing, mich in
dieser Welt zu Hause zu fühlen, Wurzeln zu schlagen, die ich
vorher nie gespürt, aber immer vermisst hatte. Ich wollte mehr
und mehr wissen. Wozu ist welche Pflanze gut? Was kann ich mit
ihr machen? Und wie war das alles früher?

Mit altem Wissen aufgewachsen

Meine Großeltern waren Bauern in Ostpreußen, von ihnen habe


ich schon als Kind viel über den Umgang mit Pflanzen mit auf den
Weg bekommen. Mein Opa lebte mir vor, wie man sich mit
einfachen Mitteln selbst helfen kann: Er baute Bänke für uns und
Ställe für unsere Hamster, Kaninchen und Meerschweinchen.
Meine Oma pflegte den Garten und pflanzte neben Gemüse
Dahlien und Tagetes. Allerdings waren sie von den modernen
»Errungenschaften« begeistert und setzten ohne Bedenken Gift
und Dünger ein, um bessere Erträge und weniger »Schädlinge« zu
haben. Vor dem Krieg hatte man in ihrer Heimat solche
Möglichkeiten noch nicht gehabt. Kunstdünger und
Insektenvernichtungsmittel gibt es in dem Maße, das wir kennen,
erst seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Es waren ursprünglich
meist die Reste der Bombenproduktion, mit denen sich viel Geld
verdienen ließ. Das, was nicht mehr massenhaft auf den Köpfen
der Menschen landete, landete nun auf den Feldern.
Eine gute Intuition verlangt viel
Wissen
Das Bedürfnis nach Naturheilmitteln wächst.
Zivilisationskrankheiten und Autoimmunerkrankungen nehmen
zu, gegen sie gibt es in der Schulmedizin nur begrenzt
Medikamente, ganz zu schweigen von Heilmethoden. Wer es
wagt, den Blick zu heben, seinen Horizont zu erweitern und
andere Wege auszuprobieren, kann eigentlich nur gewinnen!
Sicher gehen manche alternative Therapien unter Umständen zu
weit, und es ist grundsätzlich immer angeraten, sich den
ärztlichen Rat eines Schulmediziners einzuholen.

Es ist oft schwer, sich zu entscheiden, welchen Weg man


einschlagen und wem man sich und sein Leiden anvertrauen soll.
Mit diesem Buch möchte ich Mut machen, Verantwortung zu
übernehmen, ein Bauchgefühl zu entwickeln und mehr darauf zu
vertrauen, dass der Weg richtig ist, den die Nase anzeigt! Denn
die Nase zeigt immer den Weg des Herzens an. Das ist gemeint,
wenn es heißt, »den richtigen Riecher« zu haben oder »der Nase
nach« zu gehen. Lassen Sie sich von Ihrer Nase leiten, von dem,
was sich richtig anfühlt.

Trauen Sie sich, Dinge zu hinterfragen, auch wenn es dabei um


handfeste gesundheitliche Probleme wie eine
Schilddrüsenunterfunktion geht. Sollen Sie sich – wie ungefähr
ein Viertel aller Frauen in Deutschland – darauf einlassen, Ihr
Leben lang Schilddrüsenhormone zu nehmen, oder gibt es
vielleicht Alternativen zu dieser schulmedizinischen Behandlung?
Natürlich ist es wichtig, Entscheidungen dieser Art nicht im
Alleingang zu treffen, doch es ist bereits der erste Schritt in
Richtung Eigenverantwortung, solche Fragen überhaupt
zuzulassen.

Meist liegen diesen konkreten Fragen allgemeinere zugrunde,


etwa die Frage danach, was Ihre wirklichen Bedürfnisse sind. Was
stärkt Sie, und was ist schlecht für Sie? Vor Jahren war ich bei
einem Arzt, der mich fragte, wie ich regeneriere, was mir Kraft
gibt, wie ich auftanke. Ich sah ihn verständnislos an und wusste
wirklich nicht, was er damit meinen könnte! Kurz darauf
erkrankte ich an der Lungenentzündung und hatte gründlich Zeit,
darüber nachzudenken.

Wir wissen so wenig über die Dinge, die gut für uns sind, und
manchmal sind wir übervorsichtig bei Pflanzen, die uns helfen
können. Wer traut sich denn noch, Brennnesseln oder Löwenzahn
zu pflücken und zu essen? Alles, was nicht gekauft werden kann,
sondern umsonst im eigenen Garten oder vor der Haustür wächst,
wird misstrauisch beäugt. Wir sind verunsichert. Es scheint nichts
wert zu sein, es könnte mit Abgasen oder dem gefürchteten
Fuchsbandwurm verunreinigt sein. Lieber überlassen wir dem
Handel auf dem Markt, im Geschäft oder in der Apotheke die
Verantwortung dafür, dass das Kraut oder das Gemüse uns schon
nicht schadet. Wie viel wichtiger und bekömmlicher wäre es zu
wissen, wie, wo und was wir ernten und zubereiten können, um
uns selbst zu helfen, damit – um bei diesem Beispiel zu bleiben –
die Schilddrüse gar nicht erst in einen Mangelzustand gerät. Und
nicht nur zu wissen, sondern auch zu erfahren und zu erspüren,
was uns guttut! Wiederum eine Frage der Intuition.

Sie könnten mit ein paar Pflanzen anfangen, die in der nächsten
Umgebung wachsen, sich über sie informieren, herausfinden, wie
sie heißen und was sich mit ihnen machen lässt, sie riechen,
fühlen, schmecken – und schon sind Sie mittendrin.

Das Beobachten, das Immer-wieder-Hinsehen, das


Kontaktaufnehmen mit unseren Sinnesorganen ist wichtig, um die
Pflanzen kennenzulernen, bis das Wissen nicht nur im Kopf sitzt,
sondern zum »Herzwissen« geworden ist. Dann erweitert sich
nach und nach das Feld, und die Intuition steht auf immer
sichereren Füßen. Nicht zuletzt ist es ein wunderbares Gefühl,
eine Pflanze mit allen Sinnen wahrzunehmen.
Wie reagieren wir auf die Natur?
Paracelsus sagte: »Gesund ist das Natürliche. Wo die Natur im
Menschen unterdrückt, verfälscht oder verbogen wird, da nimmt
die Krankheit ihren Lauf.«

Noch einmal zurück zum Beispiel der Schilddrüse: Die


Schilddrüse ist das Organ der Lebenskraft, die Hormone, die sie
produziert, haben mit Wachstum, Energie und Lebensfreude zu
tun. Welche Auswirkungen kann es haben, wenn wir unser
Potenzial nicht entfalten, weil wir uns anpassen, wenn wir unsere
Interessen nicht vertreten, weil wir sie gar nicht kennen, und wenn
wir unser Leben nicht in die eigene Hand nehmen? Der Körper
arbeitet effizient: Das, was nicht gebraucht wird, wird wieder
abgebaut, wird verstoffwechselt. Übertrieben und verschärft
ausgedrückt heißt das, dass die Schilddrüse verschwinden könnte,
wenn wir den Lebensfunken unterdrücken. Umgekehrt ließe sich
sagen, dass es sich sicher positiv auf die Schilddrüse auswirken
würde, wenn wir uns von belastenden Umständen befreien, über
unser Leben selbst bestimmen und mehr Lebensfreude gewinnen
würden.

Doch dafür brauchen wir Mut und einen Zugang zur Natur in uns,
den wir häufig nicht kennen. Im Wald können wir ihn finden, denn
im Wald begegnen wir uns selbst. Draußen können wir sein, wie
wir sind, wir entschleunigen und entspannen. Wir können
innehalten, lauschen, atmen, schauen, sein.

Es gibt zwei Arten von Aufmerksamkeit: die gerichtete, die wir


anwenden, wenn wir uns anstrengen und lernen. Sie ermüdet,
kostet Kraft. Und es gibt die Faszination, die Versenkung. Diese
zweite Art der Aufmerksamkeit schenkt uns Energie, sie führt uns
zu uns selbst. Wir können sie beispielsweise erfahren, wenn wir
im Wald sind.

Den therapeutischen Wert des Waldes hat natürlich ein Förster


entdeckt, Lucien Chancerel, in den 1920er-Jahren. Silvotherapie
nannte er die Methode, sie wurde zur Prävention und zur
Behandlung von Krankheiten wie Bluthochdruck, Nervosität,
Bronchitis, Stress und Schlaflosigkeit angewendet. Wie sie
funktioniert? Denkbar einfach: durch den bloßen Aufenthalt im
Wald.

Wälder produzieren große Mengen an antibiotischen Stoffen,


Phytonzide genannt. Die Waldluft wird durch die in den
ätherischen Ölen vorhandenen Substanzen gereinigt. Jede Baumart
hat ihre spezifische Wirkrichtung, auch das wurde erforscht. Die
ätherischen Öle der Fichte etwa töten Diphtherie-Erreger ab, die
der Kiefer Tuberkulosebazillen, und die Birke besitzt
tumorhemmende Eigenschaften. Im Sommer wird naturgemäß
mehr produziert, dann duftet es intensiver. In Spanien wurden
Wälder speziell zu therapeutischen Zwecken angepflanzt.

Im Wald beruhigen sich Atem und Herzfrequenz, die Luft ist mit
negativen Sauerstoffionen angereichert, die die
Sauerstoffversorgung des Körpers verbessern. Schon nach kurzer
Zeit sinkt der Adrenalinspiegel deutlich; bei Frauen ist dieser
Effekt noch stärker nachgewiesen als bei Männern, und er hält
auch länger an.

Ein Aufenthalt im Wald reduziert nicht nur die Stresshormone,


sondern hat auch einen positiven Einfluss auf den
Zuckerstoffwechsel, auf das Immunsystem und den Blutdruck. Es
wurde viel geforscht, und herausgekommen ist immer wieder
dasselbe: Schon der bloße Aufenthalt im Wald beeinflusst unseren
Körper und unsere Seele positiv.
Wie reagiert die Natur auf uns?
Jeder kennt das Phänomen des »grünen Daumens«: Es gibt
Menschen, die scheinbar ein besonderes Händchen für Pflanzen
haben. In den 1960er-Jahren gab es in den USA einen Mann,
Cleve Backster, der dieses Phänomen untersucht hat – Cleve
Backster war der Experte für Lügendetektoren, also wahrlich kein
esoterischer oder spiritueller Mensch.

Eines Tages kam er auf die Idee, seine Zimmerpflanze, einen


Drachenbaum, wie er häufig in Büros zu finden ist, an einen
solchen Apparat anzuschließen. Er wollte herausfinden, ob sich
die Pflanze freut, wenn er sie gießt. Aber das tat sie nicht
signifikant. Er probierte noch vieles Weitere mit ihr aus, aber sie
reagierte nicht.

Dann hatte er den Gedanken, er könne sie, statt sie zu verwöhnen,


auch einmal ein bisschen ankokeln. Genau in diesem Moment
schlug der Lügendetektor aus. Wohlgemerkt: Er dachte es nur.
Daraufhin forschte er ohne Unterlass und erlangte später mit
seinen Versuchen auch einige Berühmtheit. Er konnte sogar über
eine große Distanz mit seinen Pflanzen kommunizieren.

Diese Versuche, die Peter Tompkins und Christopher Bird in


ihrem Buch Das geheime Leben der Pflanzen beschreiben, sind
heute zum großen Teil in Vergessenheit geraten. Sie
demonstrieren jedoch anschaulich, dass die Pflanzen uns sehr
deutlich wahrnehmen.

Wenn wir in den Wald gehen, reagieren die Bäume darauf, dass
wir ihn betreten. Messbar mehr Duftstoffe werden ausgeschüttet.
Wir werden von einer Kaskade ätherischer Öle und anderer
feinstofflicher Moleküle empfangen, mithilfe derer die Bäume
untereinander kommunizieren.
Was macht das Grün mit uns?
99,7 Prozent der Biomasse sind pflanzlich, den Rest teilen sich
Mensch und Tier. Wir leben von den Pflanzen, ohne sie gäbe es
uns nicht. Sie hingegen könnten gut auf uns verzichten.

Warum tut es uns so gut, draußen in der Natur zu sein? Abgesehen


von den Duftstoffen, die dem Körper guttun, fühlt sich unsere
Seele in einem grünen Umfeld zu Hause und geborgen. Die grüne
Welt ist uns seit Urzeiten vertraut. Die ältesten Gehirnareale und
unser Unterbewusstsein erkennen die vertraute grüne Umgebung,
wir entstammen dem Wald.

Damit wir uns entspannen können, braucht unser vegetatives


Nervensystem nur wenig: spazieren gehen – nicht rennen, gehen
in Menschengeschwindigkeit – in einer grünen Umgebung ohne
harte, senkrechte Strukturen um uns herum und mit blauem
Himmel über uns. Wenn wir jeden Tag rausgehen würden, wäre
schon viel erreicht und vieles verhindert.

Unsere Vor-Vorfahren sind viel gelaufen, um Nahrung zu finden,


und uns steckt dieser Bewegungsdrang buchstäblich noch in den
Knochen. Doch wir lenken uns ab und unterdrücken diesen Drang.
Wir machen es uns viel zu oft bequem.

Es hat sich gezeigt, dass Patienten im Krankenhaus schneller


gesund werden und weniger Medikamente benötigen, wenn sie ins
Grüne blicken können. Auch Kinder lernen besser und können sich
besser konzentrieren, wenn sie auf Pflanzen sehen, die vor dem
Fenster wachsen. In vielen Kliniken gehört es zur Therapie, jeden
Tag für einige Zeit Gartenarbeit zu verrichten. Die Beschäftigung
mit dem Grün sorgt nicht nur für Bewegung an der frischen Luft,
sie beruhigt auch den Geist und das Gemüt. Die Gedanken
entzerren sich und Belastendes verschwindet, wenn man sich auf
die Beobachtung sowie auf die Pflege der Pflanzen einlässt. Die
Seele kommt zur Ruhe, der Mensch kommt zu sich selbst.
Intelligenz und Kommunikation der
Pflanzen
Neophyten sind Neuankömmlinge

In diesem Buch geht es viel um die alten, heimischen Pflanzen


unserer Breiten, um altes Wissen und um die Rituale der
Menschen, die vor langer Zeit hier lebten. Diese Geschichten
können uns wieder mit unseren Wurzeln verbinden, die Sagen und
Märchen über die Pflanzen sind tief in unserem kollektiven
Unterbewusstsein verankert.

Das Phänomen des sogenannten morphogenetischen Feldes besagt


u. a., dass ein Muster umso stärker ist, je öfter es wiederholt wird.
Wenn also eine bestimmte Pflanze schon unseren Vorfahren
geholfen hat und sie uns aus Geschichten bekannt ist, dann
erwarten wir, dass sie auch bei uns eine bestimmte Wirkung
entfaltet. Und wir werden meist nicht enttäuscht. Die Erwartung
steuert die Wahrnehmung.

Aber Pflanzen bleiben nicht immer am selben Ort. Sie wandern


und breiten sich aus, ohne zu fragen, ob sie bekannt oder
erwünscht sind. Das haben sie schon immer so gemacht. Sie
wissen ohnehin besser, wohin sie gehören und in welches Umfeld
sie passen. Sie wachsen dort, wo sie passende Voraussetzungen
für ihr Gedeihen vorfinden.

Und wenn wir ihnen durch unser manchmal fragwürdiges Tun


Platz schaffen – indem wir roden, mähen, säubern und verdichten
–, breitet sich beispielsweise ein hier ursprünglich fremdes
Springkraut eben aus! Wir aber reagieren mit Befremdung, oft
genug mit Ablehnung auf das Fremde. Viele Imker freuen sich
übrigens über das Springkraut, denn es bietet den Bienen im
Herbst auch dann noch lange Nahrung, wenn es keine anderen
Blüten mehr gibt.

Das Wort »Neophyt« für diese »fremden« Pflanzen kommt von


»néos« (jung, frisch) und »phytón« (Pflanze) und hat mit
Christoph Kolumbus zu tun. In christlichen Urgemeinden war es
der Ausdruck für die Neugetauften, heute steht es für die Pflanzen,
die sich nach 1492 bei uns ausgebreitet haben, bzw. umgekehrt für
unsere Pflanzen, die sich in fernen Ländern ausbreiten. 1492 war
das Jahr, in dem Kolumbus auf den karibischen Inseln landete und
das Zeitalter des weltumspannenden Artenaustauschs begann, den
man auch als Kolumbus-Effekt (»Columbian Exchange«)
bezeichnet.

Doch auch vorher gab es schon die Artenwanderung u. a. durch


Vögel, die auf ihrem Flug Samen mitnahmen und verteilten. Der
Holunder kam vermutlich auf diese Weise schon vor Kolumbus
nach Südamerika, obwohl er dort ursprünglich nicht heimisch war.
Dementsprechend gibt es dort keine Märchen, Sagen und
Geschichten über ihn wie bei uns. Heute ist die Riesenstadt
Bogotá voller Holunder, der mangels Jahreszeiten das ganze Jahr
über gleichzeitig blüht und Früchte trägt. Die Menschen dort
wissen nicht viel mehr über ihn, als dass er bei Erkältung und
Husten hilfreich sein soll. Sie haben keine alten überlieferten
Sagen über ihn wie wir. Trotzdem kann der Holunder so vieles.
Sein Beispiel zeigt uns, dass wir mit mehr Interesse und Neugier
auf die neuen Pflanzen, die Neuankömmlinge, reagieren sollten
statt mit Angst, Abschottung und Ausrottung, weil sie uns fremd
sind und wir keine Geschichten haben, die sich um diese Pflanzen
ranken.
»Un«-Kraut – eine Schimäre

Ähnlich wie den Neophyten verhalten wir uns dem sogenannten


Unkraut gegenüber. »Unkraut nennt man die Pflanzen, deren
Vorzüge noch nicht erkannt wurden«, hat der amerikanische
Philosoph und Schriftsteller Ralph Waldo Emerson einmal gesagt.
Deshalb sollten wir versuchen, die Pflanzen, die sich in unseren
Gärten und Beeten zeigen, kennenzulernen, anstatt sie zu
vernichten.

Damit meine ich nicht, dass man die Rosen beispielsweise nicht
vom überwuchernden Labkraut befreien darf oder einige Kräuter
nicht aus den Gemüsebeeten zupfen sollte. Ich meine die brutale
Ausmerzung jeglicher unerwünschter Pflänzchen aus praktischen
und ästhetischen Gründen.

Natürlich gibt es das in Wirklichkeit gar nicht, ein »Un«-Kraut,


nur in unserer Einbildung. Denn die Pflanzen, die sich ungefragt
in unserer Nähe ausbreiten, erzählen immer etwas über den Boden
oder, wie wir noch sehen werden, über uns. Löwenzahn
beispielsweise holt Kalzium und andere Mineralstoffe aus den
tieferen Erdschichten und zeigt an, dass der Boden überdüngt
wurde. Außerdem ist er eine wunderbare Heilpflanze, die vor
allem mit ihren Bitterstoffen wohltuende Effekte für die Leber
bereithält und eine starke reinigende Kraft besitzt. Und lecker ist
der Löwenzahn obendrein auch noch!
Geschenke am Wegesrand
Wo sammeln wir?

Früher gab es das Hobby, auf Wanderungen eine


Botanisiertrommel mitzunehmen, um später zu Hause die
Pflanzen zu pressen, zu bestimmen und sich ein Herbarium
anzulegen. Das ist aus der Mode gekommen – schade eigentlich.
Das Wissen um Pflanzen war damals sicherlich größer. Heute gibt
es immer wieder einmal eine neue App für das Smartphone, um
Pflanzen zu bestimmen; wirklich Spaß macht das nicht, und die
App, die auch wirklich funktioniert, muss erst noch erfunden
werden. Natürlich sollten wir nicht wie wild alle Pflanzen
ausrupfen, die unseren Weg kreuzen, sondern achtsam sammeln,
damit wir uns die Pflanzen einprägen können.

Wo wir sammeln, kommt auf den Zweck an. Für den Gebrauch als
Heilpflanze sammeln wir natürlich an sauberen, unbelasteten
Plätzen, möglichst weit weg von Straßen, konventionell
bearbeiteten Feldern und Industrie. Oft sind allerdings gerade an
schmutzigen Stellen wahre Schätze zu finden, es gibt sogar
Kräuterführungen an Autobahnraststätten! Die Samen gelangen in
den Reifenprofilen der Laster zu uns.

Auf Schutthalden, an Bahngleisen oder an Straßenrändern herrscht


zudem eine große Vielfalt an sogenannten Ruderalpflanzen, von
lateinisch »rudus« (Schutt, Ruinen); diese Pflanzen wachsen an
Standorten, die vom Menschen geschaffen oder stark von ihm
beeinflusst wurden. Meist ist der Boden dort sehr nährstoffreich
und humusarm. Ruderalpflanzen produzieren viele Samen;
dadurch sind sie in der Lage, gestörte Standorte rasch zu
besiedeln. Typische Beispiele für diese Pflanzen sind Brennnessel,
Nachtkerze und Melden, es gibt jedoch noch viele weitere. Eine
Pause auf einer Raststätte kann für den Pflanzenfreund also sehr
interessant und ergiebig sein!

Was ist die Signatur?

Was zeigt mir die Pflanze? Was ist ihr Wesen? Und auch: Warum
wächst sie bei mir? Was möchte sie mir sagen? Kann ich ihre
Sprache verstehen? Das alles sind spannende Fragen der
Signaturenlehre. Je tiefer wir in diese stille Welt eintauchen, desto
spannender wird es.

Unter Signatur versteht man das Erscheinungsbild der Pflanze,


durch das man Rückschlüsse auf ihr Wesen und ihre Wirksamkeit
ziehen kann. Viele Geister scheiden sich an der Frage nach der
Signatur, denn wissenschaftlich ist sie nicht zu definieren, es gibt
zu große Interpretationsmöglichkeiten.

Der Arzt, Philosoph und Alchemist Paracelsus (1493–1541)


suchte hinter der Erscheinung der Pflanze ihr Wesen, indem er die
Signatur las wie ein Buch der Natur: »Darum, wenn man erfahren
will, was die Natur gezeichnet hat, so muss man es an dem
Zeichen erkennen, welche Tugenden in ihm sind …«

Für Paracelsus gab es drei Quellen des Wissens: »das Hörensagen,


die Erfahrung und die Signatur«. Unter dem Hörensagen verstand
er das Lernen von den Überlieferungen, die uns an Schulen oder in
Büchern begegnen. Die Erfahrung war für ihn »blind«; sie führt,
so Paracelsus, nicht automatisch zur Erkenntnis. Deshalb war die
wertvollste Quelle für ihn das Lesen und Erkennen der Signatur,
wobei man in seinen Schriften vergeblich nach einer eindeutigen
Definition dafür sucht.

In den Pflanzen sind manchmal Organe abgebildet, die großen,


blassblauen Blüten der Wegwarte etwa erinnern an die Iris der
Augen. Das bedeutet allerdings nicht, dass dies auch ein Hinweis
darauf wäre, dass die Wegwarte eine Heilwirkung auf Augen,
insbesondere blaue Augen, hätte. Vielmehr gilt es, die Pflanze als
Ganzes wahrzunehmen, ihre Wuchsorte zu berücksichtigen, sich
in sie hineinzuversetzen, hineinzuschauen, um dann von innen her
verstehen zu können, wie sie wirken kann.

Ein Beispiel dafür, was mit dem Wesen gemeint ist, bietet einmal
mehr der Löwenzahn: Ein Löwenzahnblatt hat eindrucksvolle
Zähne, auf den ersten Blick könnte es so scheinen, als wäre der
Löwenzahn vielleicht gut gegen Karies. Wenn wir aber genauer
hinsehen, erkennen wir, dass der Löwenzahn tief wurzelt und
Stoffe von unten nach oben bringt, wo sie die Qualität des Bodens
verbessern. Er hat eine saftige gelbe Blüte, die später zur leichten,
zarten Pusteblume wird. Er entgiftet den Boden, wie unsere Leber
unseren Körper entgiftet, und wandelt Stoffe um, wie die Leber
beispielsweise aus schweren Fetten die Grundsubstanz für
Hormone bildet. Der Löwenzahn ist eine vielseitige Pflanze,
ausgesprochen regenerationsfähig und mit großer
Entgiftungskraft, wie unsere Leber. Dadurch zeigt er uns, dass er
ein gutes Leber- und Stoffwechselmittel ist.

Wirkstoffe – wie und warum wirkt etwas?

Die Heilwirkung einer Pflanze ist ein Feld, auf dem sich trefflich
streiten lässt. Die Naturwissenschaft unserer Zeit versucht,
einzelne Wirkstoffe zu extrahieren und so deren Wirkung auf den
Menschen messbar und verifizierbar zu machen. Pflanzen
enthalten aber nie nur einen, sondern Dutzende Wirkstoffe und
Begleitstoffe in immer unterschiedlichen Gewichtungen. Es ist
nahezu unmöglich, das Zusammenspiel dieser Wirkstoffe nach
wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Zu allen Zeiten
haben Menschen versucht, die Wirkprinzipien der Heilpflanzen zu
erklären, und sie kamen immer wieder zu unterschiedlichen
Ansätzen.

Wir verwenden ganze Teile der Pflanzen – Blüten, Blätter, Kraut


oder Wurzel –, um sie zu einem Heilmittel zu verarbeiten. Das hat
den Vorteil, dass wir dann auch in den Genuss des ganzen
Spektrums der Pflanze kommen. Mädesüß etwa, das gegen Fieber
und Schmerzen eingenommen werden kann, enthält den Wirkstoff
Salicin, der auch in Aspirin verwendet wird, zudem – und im
Gegensatz zu Aspirin, das die Magenschleimhaut reizen kann –
aber eben auch Schleimstoffe, die den Magen schonen und die
Säure ausgleichen.

Warum nun etwas wirkt, liegt zum Teil sicher daran, dass wir es
erwarten. Es gibt viele Pflanzen, denen die Wissenschaft eine
Heilwirkung abspricht, die aber trotzdem heilsam wirken – das
allgegenwärtige Gänseblümchen beispielsweise kann bei
Arteriosklerose und Hauterkrankungen eingesetzt werden. Einige
Pflanzen haben eine so starke Wirkung, dass sie nur in geringsten
Dosen eingesetzt werden dürfen, sonst vergiften sie uns. Bei ihnen
ist die Wirkung unbestritten.

Mit unseren beschränkten fünf Sinnen können wir die Pflanzen


ohnehin nicht gänzlich erfassen, sie sind uns weit überlegen! Wir
können nur ahnen, was sie alles wahrnehmen. In dem wunderbaren
Buch Die Intelligenz der Pflanzen stellen die Autoren Stefano
Mancuso und Alessandra Viola die Sinne der Pflanzen dar, soweit
sie bis heute erforscht sind – allein sich vorzustellen, zu welchen
Leistungen die Millionen Wurzelspitzen einer einzelnen Pflanze
fähig sind, ist atemberaubend!

Einen sehr schönen Weg, um die Wirkung einer Pflanze zu


erfahren, habe ich von einem Schamanen in Kolumbien erlernt: Er
rät den Menschen, sich zunächst einmal bei den Pflanzen zu
entschuldigen für alles, was wir ihnen angetan haben, ihnen zu
danken für alles, was sie uns geben, und sie einzuschließen in die
Liebe, die wir für das Leben und die Natur empfinden. Dann
können wir sie um den Dienst bitten, den wir uns von ihnen
erhoffen. Die Wirkung würde sich einstellen, sagt er.

Die Anwendungsmöglichkeiten der Heilpflanzen sind enorm


vielfältig, und der Zugang ist von Mensch zu Mensch verschieden.
Er kann sehr einfach und intuitiv sein; so könnte in Ihrem Haus
ein Strauß selbst gepflückter Kräuter hängen. Das sieht hübsch
aus, man kann sich jederzeit einen Tee zubereiten und lernt die
verschiedenen Wirkungen der Kräuter kennen. Und schon ist der
Kontakt hergestellt. Sehr schnell wird man bemerken, was der
Körper braucht. Bei einigen Pflanzen mit breitem Wirkspektrum
scheint es fast so, als könnte man sich deren Heilwirkung
passgenau aussuchen.

Für viele allerdings ist das Wissen um chemisch nachweisbare


Wirkstoffe der gangbarste Weg, sich den Pflanzen zu nähern und
überzeugt zu sein von ihrer Wirksamkeit. Richtig und wichtig ist
es, die starken Wirkungen mancher Pflanzen zu kennen und zu
respektieren. Ginge es bei der Pflanzenheilkunde aber
ausschließlich um die in den Pflanzen enthaltenen Wirkstoffe,
würden beispielsweise homöopathische Mittel keine Wirkung
zeigen, da hier die Ausgangssubstanzen so sehr verdünnt sind,
dass das fertige Mittel keine oder so gut wie keine chemisch
nachweisbaren Wirkstoffe mehr enthält. Dass sie dennoch vielen
Menschen, Tieren und sogar Pflanzen helfen, ist wissenschaftlich
nicht zu erklären. Dennoch möchte ich Ihnen im Folgenden einen
kurzen Überblick über medizinisch wirksame
Pflanzenbestandteile geben. Bei den hier aufgeführten
Wirkstoffgruppen handelt es sich um eine subjektive Auswahl
derer, die mir persönlich am wichtigsten erscheinen. Pflanzen
lassen sich jedoch noch in viele weitere Bestandteile zerlegen.

Ätherische Öle: Der Name kommt vom griechischen Wort


»aither«, was so viel wie »Himmelsluft« bedeutet. Sie
verflüchtigen sich leicht und sind nicht wasserlöslich. Ätherische
Öle geben den Pflanzen ihren charakteristischen Duft. Bis weit
über 100 Einzelsubstanzen wurden im ätherischen Öl einer
einzigen Pflanze identifiziert. Sie werden über
Wasserdampfdestillation gewonnen, über Haut und Schleimhaut
aufgenommen und über die Lunge oder den Darm ausgeschieden.
Ihre Wirkung ist je nach Zusammensetzung sehr unterschiedlich.

Alkaloide: Stark wirksame Substanzen, die auch im getrockneten


Zustand erhalten bleiben. Es sind die »Heilgifte«, die heute meist
synthetisch hergestellt werden und mit größter Sorgfalt dosiert
werden müssen. Meist hemmen oder erregen sie das
Zentralnervensystem, das autonome Nervensystem oder die
Nervenzellen. Zu den Alkaloiden gehören Koffein, Codein,
Nikotin, Morphin, Atropin (aus der Tollkirsche), Coniin
(Schierling), Colchicin (Herbstzeitlose, deren Berührung fatale
Folgen haben kann) und viele mehr.

Bitterstoffe: »Es gibt keine Krankheit, die nicht durch


Bitterstoffe positiv beeinflusst würde«, hat mein
Phytotherapielehrer damals gesagt. Bitterstoffe, lateinisch
»amara«, regen die Tätigkeit der Verdauungsdrüsen (Magen,
Leber, Speichel- und Bauchspeicheldrüse) an. Wenn diese besser
arbeiten, erledigen sich viele gesundheitliche Probleme von
selbst.

Flavonoide: So bezeichnet man die gelben Pflanzenfarbstoffe,


von lateinisch »flavus« für gelb. Sie gehören meist zu der großen
Gruppe der Glykoside (s. u.) und sind in ihrer Wirksamkeit recht
unterschiedlich. Unter anderem hemmen sie Entzündungen
(Goldrute), stabilisieren Gefäße (Weißdorn) oder wirken wie
Hormone (Rotklee).

Gerbstoffe (Tannine): Sie binden Eiweißstoffe und ziehen


Schleimhäute und Gewebe zusammen; dadurch entziehen sie
Keimen den Boden und hemmen Entzündungen. Auf Haut oder
Schleimhaut bildet sich eine Membran, Blutungen werden gestillt,
der Schmerz oder Juckreiz wird abgemildert, neues Gewebe kann
wachsen und die Wunde heilt. Innerlich wirken sie gegen
Durchfall, allerdings kann die Leber Gerbstoffe nicht gut
vertragen. Äußerlich wendet man sie als Sitzbad an.

Glykoside: Der Name kommt vom griechischen Wort »glykos«


für süß und bezeichnet eine große Gruppe Inhaltsstoffe, bei der
jeweils ein Zuckermolekül mit einem »Nicht-Zucker-Anteil«
(Aglykon) verbunden ist. Es gibt viele verschiedene Glykosid-
Gruppierungen. Dazu zählen beispielsweise Blausäure (u. a. in
Bittermandeln und in Steinobstgewächsen enthalten), das Salicin
aus der Weidenrinde, die Saponine (s. u.), die Flavonoide (s. o.),
die wundervoll duftenden Cumarine (im Steinklee, Heu,
Waldmeister, Lavendel), Senföl (im Senf, in Meerrettich und in
der Kapuzinerkresse) und die giftigen Solanine (in
Nachtschattengewächsen). Die Wirkungen der Glykoside sind sehr
unterschiedlich, von herzwirksam, schweißtreibend,
schleimlösend, blutverdünnend, abführend bis tödlich.

Kieselsäure: Unentbehrlich ist sie für Haut, Haare,


Bindegewebe und Nägel. Um diese zu stärken, sollten wir
regelmäßig Pflanzen mit hohem Kieselsäuregehalt zu uns nehmen.
Raublattgewächse (z. B. Borretsch, Beinwell, Lungenkraut),
Schachtelhalm und Hohlzahn enthalten viel Kieselsäure. Tee aus
diesen Pflanzen sollte länger gekocht werden – 15 Minuten –,
damit sich die Salze der Kieselsäure lösen können. Auch Hirse
enthält viel Kieselsäure, man sollte wöchentlich eine
Hirsemahlzeit zu sich nehmen.

Saponine: Von lateinisch »sapo« für Seife; sie gehören zur


Gruppe der Glykoside (s. o.). Als Saponine bezeichnet werden
Stoffe, die die Oberflächenspannung des Wassers herabsetzen. Sie
wirken u. a. schleimlösend (Efeu, Primel), harntreibend
(Goldrute) oder hautreinigend (Seifenkraut). Allgemein
verbessern sie die Aufnahme anderer Wirkstoffe, aber sie sind
nicht ungefährlich, denn sie können die Schleimhäute reizen und
schädigen. Starke Saponine können sogar die roten
Blutkörperchen zum Platzen bringen.

Schleimstoffe: Dabei handelt es sich um meist


kohlenhydrathaltige Stoffe, die im Wasser stark aufquellen und
unsere Schleimhäute bei Verzehr oder bei äußerer Anwendung mit
einem feinen Film überziehen. Dadurch werden die Schleimhäute
geschützt, Verhärtungen werden aufgeweicht, Reizungen
gemildert und Bakterien förmlich erstickt. Schleim kann hilfreich
sein bei Reizhusten (Huflattich), abführend wirken (Flohsamen,
Lein), die Wundheilung fördern (Beinwell), die Haut beruhigen
(Hauswurz), Magenschmerzen lindern (Linde, Malve) und vieles
mehr. Tees werden am besten kalt angesetzt, da Kochen
Schleimstoffe zerstören kann.
Unbewusste Verbundenheit mit der
Natur
Ein Schamane aus Amerika besuchte einmal einen Kongress hier
bei uns in Europa. Nach einem Tag – er hatte sich lange die
Landschaft angesehen – fragte er, warum man ihn eingeladen
habe. Er bekam zur Antwort, man erhoffe sich Hilfe von ihm,
denn bei uns sei das alte Wissen verloren. Er wiederum
antwortete, er habe gesehen, dass noch alles da sei – es gebe noch
alte Bäume, es gebe wilde Tiere in den Bergen. Die solle man
befragen, nicht ihn.

Es ist alles da, wenn wir uns nur trauen, die Scheu zu überwinden,
hinauszugehen und mit der Natur in Kontakt zu treten.

Nicht jeder wird dabei so weit gehen, wie es Peter Tompkins in


einem Versuch in seinem Buch beschreibt: Eine Mitarbeiterin
pflückte zwei der fleischigen Blätter ihrer Steinbrechpflanze. Ein
Blatt sah sie immer wieder an, dem anderen schenkte sie keine
Aufmerksamkeit. Das eine Blatt blieb grün, während das andere
schnell schrumpelig und braun wurde und vertrocknete.

Ein anderer Versuch unserer Tage hat einiges Aufsehen erregt: das
Reis-Experiment von Masaru Emoto. Drei Gläser mit Reis und
Wasser wurden verschlossen, jedes erhielt eine andere
Behandlung. Eines wurde geliebt und gelobt, das zweite
beschimpft und das dritte ignoriert. Die Masse in den Gläsern
entwickelte sich entsprechend der Behandlung; am schlechtesten
erging es dem ignorierten Reis, er verschimmelte am schnellsten.
Etwas besser ging es dem beschimpften Reis, doch nur der Reis
im ersten Glas sah am Ende des Experiments noch gut aus. Emoto
wollte mit diesem Experiment zeigen, dass Wasser Information
tragen kann. Wir erfahren dabei aber auch, dass wir mit dem
Wasser und dem Reis verbunden sind, dass wir mit unseren
Worten und unseren Gedanken etwas auslösen können.
Ein Blick in den Garten verrät viel
über Körper und Psyche
Ich habe schon oft beobachtet, wie Menschen krank wurden, die in
Gärten leben, in denen alles Natürliche einem ästhetischen Diktat
geopfert wird, das keine Unordnung zulässt. Nicht nur, dass es
sich inzwischen herumgesprochen haben dürfte, dass die Gifte,
mit denen radikal »aufgeräumt« wird, in unsere Körper gelangen
und dort großen Schaden anrichten, man raubt sich dadurch auch
den Genuss zu erleben, welche Pflanzen von selbst zu einem
kommen. Das ist so interessant!

Ich habe in einem alten Haus mit einem Garten gewohnt, der
voller Giersch war. Giersch ist ein schwer zu bekämpfendes
»Unkraut«. In England gibt es unter den Gärtnern nur einen Rat,
wie man Giersch loswerden kann, wenn er sich einmal
breitgemacht hat: »Move!«, also: umziehen! Denn der Giersch ist
angeblich stärker. Aber der Giersch ist die Pflanze, die bei Gicht
heilsam wirkt. Vor uns wohnten alte Leute in dem alten Haus, in
feuchten, kalten Räumen. Sie litten an Rheuma und Gicht. Sie
hätten den Giersch einfach essen sollen, als Suppe oder Salat, in
jeglicher Form. Sie sind ausgezogen und haben uns seufzend auf
das »Problem« aufmerksam gemacht.

Wir haben ihn nicht bekämpft, sondern beobachtet. Innerhalb


eines Jahres war er so gut wie verschwunden! Wir haben ihn nicht
gebraucht. Stattdessen kamen andere Pflanzen wie etwa das
Lungenkraut. Ich hatte in meinem Leben schon öfter
Lungenprobleme gehabt, auch vor der Lungenentzündung.

Wichtig erscheint mir ein anderer Ratschlag von


Pflanzenkundigen, die sagen, dass es sich bewährt, wenn man
etwa zehn Prozent der Fläche unbearbeitet lässt. Damit sich die
Natur zumindest dort entfalten kann und auch Tiere Unterschlupf
finden, die wir mit unserem Tun nur stören.
Was wir selbst tun können
Die Anthropologin Jane Goodall hat einmal gesagt: »Wie konnten
wir jemals glauben, dass es eine gute Idee war, unsere Nahrung
mit Gift zu produzieren!«

Um uns, unseren Kindern und letztlich der Umwelt etwas Gutes zu


tun, ist Verzichten ein guter Weg, etwas zu verändern, andere
Kaufentscheidungen treffen ein weiterer. Den Fleischkonsum
zumindest deutlich zu verringern würde ganz schnell zur Rettung
der Ressourcen beitragen. Wenn es einem Großteil der Menschen
gelänge, nur einmal in der Woche Fleisch zu essen, wäre schon
unwahrscheinlich viel erreicht.

Mit der Natur kommunizieren

Es gibt noch mehr, was wir tun können, auch wenn es klein
scheint: beobachten, was in den Garten kommt, etwa. Der Garten
kommuniziert mit uns, die Pflanzen reagieren, sie warten
regelrecht darauf, dass wir uns ihnen zuwenden.

Wer keinen Garten hat, sollte umso häufiger in die Natur gehen,
beobachten, welche Pflanzen anziehend auf ihn wirken, und sich
mit ihnen beschäftigen. Wenn man sich einen Platz in der Natur
aussucht und ihn dann immer wieder zu allen Jahreszeiten
aufsucht, können die Pflanzen reagieren.

Ein Freund von mir hatte in seinem Garten keine Kamille, es


gelang ihm nicht, sie bei sich anzusiedeln. Erst als seine neue
Freundin bei ihm einzog, wuchs endlich die Kamille, und es
kamen der Steinklee und noch so einige andere Pflanzen, ohne
dass sie sie gepflanzt hatten.
Draußen sollten wir möglichst oft die Schuhe ausziehen, dann
kann der Boden uns besser kennenlernen. Überhaupt sollten wir
viel mehr barfuß gehen, auf dem Boden sitzen, Kontakt mit der
Erde aufnehmen. Nicht nur für die Gesundheit und Kraft der Füße,
sondern auch, weil ein energetischer Austausch stattfindet, den
wir verhindern, wenn wir ständig durch Gummisohlen vom Boden
isoliert sind.

Interessant ist auch die Methode, die Füße am Ende des Tages in
klarem Wasser zu waschen und dieses Wasser an immer dieselbe
Stelle zu schütten. Es ist spannend, im nächsten Jahr nachzusehen,
was dort wächst.

Auf überliefertes Wissen setzen

Auch zu Hause gibt es vieles, das wir tun können: Wildpflanzen


essen und eigene Salben und Tinkturen herstellen, denn immer
mehr der alten Mittel verschwinden vom Markt, weil sie keine
Heilmittelprüfung nachweisen können.

Das Wissen über alte Rezepturen ist nur noch einem immer
kleineren Kreis zugänglich, da die Mittel nicht mehr als »heilend«
beschrieben werden dürfen. Manches darf noch mit dem Hinweis
»Traditionell angewendet bei …« verkauft werden; doch um als
Heilmittel zu gelten und als solches in den Handel zu gelangen,
muss es die Heilmittelprüfung bestehen. Das jedoch ist bei vielen
pflanzlichen Mitteln gar nicht möglich, da jede Zubereitung
ebenso einzigartig ist wie die Pflanze selbst. Kostspielige
standardisierte Blindstudien, wie sie aus gutem Grund für neue
Medikamente erforderlich sind, lassen sich für diese
Zubereitungen nicht bewerkstelligen.
Und so dürfen die überlieferten Heilmittel nicht mehr mit einem
Wirkhinweis versehen werden, und wir können das Wissen
darüber nur noch mündlich weitergeben. Einzelne Wirkstoffe
werden untersucht, und wenn sie sich als wirkungsvoll erweisen,
dürfen wir Heilpraktiker sie häufig nicht mehr verschreiben,
sondern nur noch Ärzte. Eine recht interessante Situation, die
geradezu dazu auffordert, unser Wissen zu verbreiten, damit
Menschen mehr Hilfe zur Selbsthilfe und mehr Möglichkeiten,
eigenverantwortlich zu handeln, bekommen.
Wie finden Sie »Ihre« zwölf
Heilkräuter?
Ein altes Sprichwort aus dem österreichischen Waldviertel besagt,
dass es für jeden Menschen zwölf Kräuter gibt, mit deren Hilfe er
nicht mehr krank werden kann. Die weise Kräuterfrau Maria
Treben (1907–1991) meinte sogar, dass sieben bis neun Kräuter
ausreichen, um jedem Leid zu Leibe zu rücken. Diese zwölf
persönlichen Pflanzen zu finden ist nicht weniger als eine echte
Lebensaufgabe.

In der Praxis stelle ich immer wieder fest, wie unterschiedlich die
Mittel wirken und wie breit das Spektrum ist, für das sie
eingesetzt werden können. Die Mistel ist dafür ein gutes Beispiel:
Von ihr heißt es, sie wirke dort, wo sie gebraucht wird. Sie war die
heiligste Pflanze der Druiden und wurde im Rahmen aufwendiger
Rituale geerntet.

Auf unserer Suche werden wir unser erlangtes Wissen und unsere
Erfahrungen immer wieder wiederholen müssen, um sie zu
überprüfen. Dabei können wir feststellen, dass manche Pflanzen
sehr anziehend auf uns wirken. Wir merken, dass sie uns guttun.
Das ist ein Hinweis, dem wir nachgehen sollten, mit diesen
Pflanzen sollten wir uns näher beschäftigen.

Aber es gibt auch genau das Gegenteil: Bei mir ist es der Baldrian,
den ich nicht ausstehen kann. Schon beim Gedanken an ihn wird
mein Magen flau. Und als ich in einem Kurs letztens damit
arbeitete, war es mir unmöglich, ihn zu schneiden und die Tinktur
zuzubereiten, so heftig war die Reaktion! Das ist der andere
Hinweis darauf, dass die Pflanze wichtig ist. Baldrian gehört ganz
gewiss zu meinen zwölf Heilkräutern. Nur die Dosierung ist mir
noch nicht ganz klar.
Schulmedizin, Naturheilkunde oder
Heilkunst?
Seit der Römerzeit wird Wissen zerteilt, zerkleinert und
spezifiziert. Seit damals wird die Umwelt nicht in ihrer Ganzheit
betrachtet.

Heute scheinen wir in einer Übergangszeit angekommen zu sein,


in der ein Paradigmenwechsel stattfindet. In den Köpfen vieler
Menschen hat bereits ein Umdenken stattgefunden. Das Bedürfnis
der Menschen nach Spiritualität ist groß, und ein Bewusstsein
verbreitet sich, dass alles miteinander verbunden ist.

In der Medizin stehen sich die verschiedenen Methoden


unversöhnlich gegenüber. Dabei müsste es nicht so sein, dass die
Heilmethoden sich gegenseitig ausschließen. Besser wäre es, sie
ergänzten sich.

Mittlerweile gibt es den Begriff der Komplementärmedizin.


Damit ist eine ergänzende oder alternative Medizin gemeint, die
die moderne, wissenschaftlich orientierte Medizin, die
Schulmedizin, unterstützt. An immer mehr Kliniken wird
inzwischen erfolgreich mit beiden Methoden gearbeitet.

Rudolf Steiner sagte: »Es gibt keinen dümmeren Begriff als


›Naturheilkunde‹. Was wäre es denn sonst? Der Mensch ist ein
natürliches Wesen. Nur die Seele ist göttlich.«

Bis heute geht ohnehin fast jedes Heilmittel, ob es nun synthetisch


hergestellt wird oder nicht, auf einen herbo-mineralischen
Ursprung zurück, d. h. auf den uralten Einsatz von Kräutern oder
Mineralien. Man nimmt an, dass 50 bis 65 Prozent der heute
angewendeten Heilpflanzen Relikte aus der Steinzeit sind.

In den folgenden Kapiteln weise ich neben den überlieferten


Anwendungen auch auf zwei recht neue Methoden hin. Zum einen
auf die Bachblüten-Therapie. Sie geht auf den Arzt Edward Bach
(1886–1936) zurück, der sich intensiv mit dem Wesen der
Pflanzen auseinandersetzte und ein eigenes Verfahren entwickelte,
bei dem er Pflanzen in Wasser einlegte und mithilfe von Sonne
Blütenessenzen herstellte. Eine sanfte Methode, die mit der
Energie der Pflanzen an der Ursache der Krankheit ansetzt.

Eine weitere neuere Methode der Pflanzenheilkunde stellt die


Gemmotherapie dar, die Behandlung mit Knospen. Das
Faszinierende an dieser Methode ist, dass hier mit dem
Kostbarsten der Pflanzen gearbeitet wird, dem pflanzlichen
Embryonalgewebe, in dem der komplette Lebensplan der Pflanze
enthalten ist, verpackt in hochwertige Schutzhüllen, die ebenfalls
verarbeitet werden. Bei verschiedenen Pflanzen weise ich deshalb
auf die Gemmopräparate hin, die Gemmomazerate, also die
Kaltauszüge.

Dem Thema Natur und Gesundheit nähert sich jeder auf seine
ganz persönliche Weise. Das macht es so spannend und
interessant. Uns führen die Wege, die wir beschreiten, wenn wir in
die Natur gehen, nicht nur ins Grüne und in den dunklen Wald,
sondern auch in die Tiefen unseres Wesens. Und sie führen uns
zurück zu unseren Wurzeln; zu der Zeit, als das Wissen nicht
erlernt, sondern intuitiv und unmittelbar war, sowie zum Ursprung
unserer Rituale und unserer Feste.
ZWEITER TEIL
»Bäume sind Heiligtümer. Wer ihnen zuzuhören weiß, erfährt die
Wahrheit.«

Hermann Hesse
Der Steinkreis – das Jahresrad der
Kelten und Germanen
Es war für mich ein seltsames Erlebnis, als ich zum ersten Mal
vor einem Steinkreis stand. Er kam mir vor wie ein Spielfeld für
ein Spiel, dessen Regeln ich nicht verstand. Ich stand vor einem
Kreis mit einem Durchmesser von ungefähr fünf Metern, der von
kleinen, kantigen Steinchen bedeckt war. Größere Steine
markierten den Rand des Kreises und teilten ihn in acht Segmente.
In der Mitte wuchs eine mächtige Königskerze. Am Eingang
standen ein kleiner Busch und ein Schild – »Bitte nicht betreten«
–, wie an einer altmodischen Rasenfläche. Meine Arbeit mit den
Pflanzen hatte mich an diesen Ort geführt, den wunderbaren
Kräuterhof Artemisia im Allgäu, wo ganz offen die Hilfe von
»Wesen« erbeten war. Offensichtlich mit großem Erfolg, denn die
Pflanzen gediehen dort alle prächtig und der Hof florierte.

Fasziniert war ich und ein wenig befremdet auch. Was hatte dieses
Symbol mit uns und der Kultur hierzulande zu tun? Unsere Kultur
und unsere Geschichte hatte ich bislang als christlich
wahrgenommen, so bin ich aufgewachsen, und die Symbolik, mit
der ich konfrontiert war, war dominiert von dem Kreuz, an dem
unser Heiland gestorben war. Bei allem Zweifel und mittlerweile
auch Distanz zur Kirche war ich bis dahin nie auf die Idee
gekommen, dass wir nicht unbedingt natürlicherweise zu Christen
geworden waren.

Eine Zeit lang war ich in meiner Jugend sehr aktiv in der
Gemeindearbeit gewesen, mir gefielen der starke politische
Anspruch und das soziale Engagement; das gab mir Sicherheit und
ein Gefühl von Dazugehörigkeit.
Ich hatte schon von mittelalterlichen und keltischen Rollenspielen
gehört, die viele Leute interessierten: Große Gruppen verkleiden
sich und spielen das frühzeitliche Leben und uralte Rituale nach.
Das hatte mich nie besonders angesprochen.

Auch Rituale mit Räucherungen, Meditationen und Schwitzhütten,


von denen andere fasziniert waren, hatte ich in ferne Länder
verortet, mit uns hier hatte das nicht wirklich etwas zu tun.
Exotisch, exaltiert, irgendwie unnatürlich in unseren Breiten. Wir
sind schließlich aufgeklärt, modern, unsere Idole flackern Tag und
Nacht über die Bildschirme.

Die Sprache der Natur lernen

Es war sehr heiß an dem Tag. Die Luft schwirrte. Er zog mich an,
dieser Kreis, ich wollte so gern wissen, was es damit auf sich hat.
Hören, was er zu sagen hat. Lange stand ich dort und konnte nicht
reden, ich konnte meine Fragen nicht stellen, es ging nicht. Ich
wollte es selbst herausfinden. Ich musste es selbst herausfinden.
Also begann ich zu suchen und zu lesen. Immer wieder kehrte ich
an den Platz zurück und fand auch andere, ähnliche Kreise.
Einmal hatte ich Gelegenheit mitzuhelfen, einen neuen Steinkreis
anzulegen. Das Gefühl dabei blieb sonderbar. Es war eine
faszinierende Arbeit, der Kreis auf diesem Gelände wurde auch
sehr schön, aber ein wenig kam ich mir vor wie ein
Zauberlehrling. Ich dachte: Wer weiß, vielleicht rufe ich Wesen
und Kräfte herbei, die dann mit mir machen können, was sie
wollen, denn ich spreche ihre Sprache nicht. Und es gibt auch
niemanden, der übersetzen könnte.

Ich wusste bereits, dass die Natur nicht nur aus lieblichen,
duftenden Kräutern besteht, die hübsch aussehen als Dekoration.
Ich hatte die Kraft der Heilkräuter kennengelernt, die es genau zu
dosieren galt, und konnte mir vorstellen, dass sich hinter
harmlosem, friedlichem Grün auch starke Mächte verbergen
konnten. Mit denen ich nicht gelernt hatte umzugehen.

Denn uns ist mittlerweile das Wissen abhandengekommen, das


Vertrauen in die natürliche Welt und die Geborgenheit in ihr.
Solch ein Steinkreis ist heute ein eher esoterisches Vergnügen für
grenzgängerische Menschen, die nicht recht in die moderne Welt
passen wollen.

Auf den Britischen Inseln allein gibt es immer noch über 900
Steinkreise, zum Teil aus der Bronzezeit. Hinter ihrer
geografischen Verteilung scheint ein System zu stecken, das auf
eine große Verbindung untereinander hindeutet. Die Steinkreise
bilden ein Netzwerk heiliger Orte, an denen es zu bestimmten
Zeiten möglich war, eine tiefe Verständigung mit den Kräften der
Natur zu erlangen. Es ist zwar überall und jederzeit möglich, die
Naturkräfte wahrzunehmen, aber es scheint bestimmte Orte und
Zeiten zu geben, an denen die Tore weiter geöffnet sind als sonst.

Die Bäume haben eine höhere elektrische Aktivität zu den Zeiten,


die wir als Mittsommer oder Sommersonnenwende (21.6.) und
Hochsommerfeste (31.7./1.8.) kennen. Diese »heiligen« Zeiten
haben auch heute immer noch eine Relevanz. »Heilig« meine ich
im Sinne von »heil sein«, das Wort beschreibt die Ganzheit
zwischen Mensch und Natur.

Einst assoziierte man mit jedem Baum eine bestimmte Gottheit,


und die Zeit verlief in Kreisen. Das keltische Wort für Jahr war
dasselbe wie das für Rad, und die Vergangenheit war eins mit der
Zukunft.
Die alten Völker – unsere Wurzeln

Wer war das Volk der Kelten, wer waren die Germanen, diese
rätselhaften Völker, aus deren Zeit die rätselhaften Kreise
stammen und über die wir so wenig wissen?

Als erstes Bild stellt sich ein ungeschlachter, brutaler Haufen


»Barbaren« ein, ohne Kultur, die Menschenopfer darbrachten und
auch sonst bei jeder Gelegenheit drauflosschlugen. Bis die Römer
kamen und ihnen Zivilisation beibrachten. Es ist an der Zeit,
dieses Bild geradezurücken.

Die Kelten und die Germanen sind nicht wirklich voneinander zu


trennen, wenigstens nicht am Anfang. »Kelte« bedeutete »Held«
in der keltischen Sprache. Die Bezeichnung »Germanen« geht auf
Julius Cäsar zurück, der im Jahr 52 v. Chr. den Keltenanführer
Vercingetorix besiegte. Die Kelten waren zwar große Kämpfer,
die sich nackt, inbrünstig und todesverachtend auf den Feind
stürzten, aber in der Kriegsführung waren die Römer ihnen
eindeutig überlegen. Unorganisiert, jeder für sich kämpften die
Kelten und hatten zwar keine Angst, aber auch wenig Chancen.

Aus taktischen Gründen wollte Cäsar eine Unterscheidung


zwischen den keltischen Völkern links und rechts des Rheins
einführen. Als die »echten, originalen, genuinen« (lateinisch
»germani«) Kelten bezeichnete er fortan die Völker östlich des
Rheins. »Teilen und Herrschen«, das war sein Motto. Er ließ sie
als noch wilder und schrecklicher als die Kelten westlich des
Rheins beschreiben und sicherte sich auf diese Weise höhere
Militärausgaben und Rüstungsgelder aus Rom. Die Geschichte der
Unterwerfung und Diffamierung nahm ihren Lauf. Sie hält bis
heute an.
»Ach, du arbeitest mit Kräutern?« – das ist nicht immer nett
gemeint in manchen Kreisen. Die angemalten Lippen der Damen
kräuseln sich, und die Augenbrauen werden sanft und skeptisch
hochgezogen. Wenn wir dann aber ins Gespräch kommen oder
wenn ich in den Kursen von unseren Wurzeln erzähle, ist die
Faszination meist groß und die Menschen sind sehr berührt. In der
Ökologiebewegung, in der Spiritualität, in politischen
Autonomiebestrebungen, in der Frauenbewegung und nicht zuletzt
in der Heilkunde lässt sich ein Paradigmenwechsel beobachten.
Und eine vorsichtige Sehnsucht nach der verloren gegangenen
Einheit mit der Natur ist zu spüren.

Welten und Anderswelten

Unsere feinen Antennen sind zerstört, und die Fähigkeit zur


Hellsichtigkeit ist weitgehend erloschen. Manche Menschen
haben diese Fähigkeit noch und empfinden sie oft als eine
ungeheure Belastung, die sie geheim halten und meist auch lieber
unterdrücken.

Die Verbindung zu anderen Welten ist den meisten Menschen


peinlich und suspekt. Sie gehört in den Bereich des
Nichtwissenschaftlichen, des Nebulösen, sie ist angreifbar und
nicht zu belegen. Spuk, lächerliche Spinnerei, Eso-Kram. Dass das
einst hohe Künste waren, die gelehrt wurden, darf nicht wahr sein,
das ist nicht vorstellbar. Wir haben schließlich noch auf den
Bäumen gehockt, während anderswo schon feinste Künste
ausgeübt wurden! So wird es uns erzählt, das haben wir felsenfest
in unser Bewusstsein verankert.

In Wahrheit waren die Urvölker in unseren Breiten alles andere


als primitiv. Die Ausbildung zum Druiden dauerte dreimal sieben
Jahre im Wald. In den ersten sieben Jahren lernten die Anwärter
Abertausende von Versen auswendig, Barden und Sänger waren
sie dann. Nur das auswendig gelernte Wissen galt etwas, von der
Schriftform hielt man damals wenig, obwohl es eine Schriftform
gab. Orakel, Verwünschungen und Zaubersprüche wurden damit
festgehalten. Der Wald war das Lehrbuch, er war die Schrift, und
ihn zu lesen war die hohe Kunst, die es zu erlernen galt.

Im zweiten Teil der Ausbildung während der nächsten sieben


Jahre lernten sie, zu weissagen und mit den Göttern zu sprechen.
Kein römischer Geschichtsschreiber kam je so nah heran, als dass
er von diesem Teil der Ausbildung etwas berichten konnte.
Weitere sieben Jahre dauerte es noch, bis schließlich die
Ausbildung zum Druiden abgeschlossen war. Sie waren zu
Meistern der Zeit geworden und kannten den Wandel der
Jahreszeiten und den Lauf der Gestirne genau. Als Druiden, also
»Baum-Weise«, konnten sie nun die magische »große Tradition«
ausüben.

Die »kleine Tradition« war das Wissen des einfachen Volks, die
Alltagsbräuche und Gesetze, die jeder beherrschte und beachtete.
Die Anwendung der Heilpflanzen, die Erntezeiten, die Lieder, die
Geschichten, die Feste, all dies wurde mündlich weitergegeben.
Dazu gehörten auch magische Zauberlieder und Sprüche, die sich
zum Teil bis heute erhalten haben. Viele Kinderlieder und -reime
sowie alle unsere Märchen stammen aus dieser Zeit. Sie sind ein
großer Schatz, eine Landkarte für unsere Seelen und ein
Wegweiser in die unsichtbare Anderswelt. Sie sind keltischen
Ursprungs und geben uns einen Einblick in die Magie von damals.

Auf den ersten Blick scheint sonst nicht so viel übrig zu sein, das
uns mit unseren Wurzeln verbindet. Es gibt allerdings doch
Andeutungen, die uns zurückführen könnten.

Ein klarer Hinweis sind die Namen unserer Wochentage: Auch


nach einer so langen christlichen Geschichte benennen wir unsere
Wochentage nach den alten Göttern. Unser Dienstag geht auf den
Gott Tyr zurück, den Gott der Schlachten, den hochmoralischen
Hüter des Rechts. Im Donnerstag steckt Donar oder Thor, der
Vegetationsgott, der über das Wetter bestimmen konnte und die
Menschenwelt beschützte. Und im Freitag verbirgt sich Freya, die
Herrin der Erde, die oberste Göttin der Liebe.

Wenn wir genauer hinsehen, tun sich viele Relikte der Vorzeit auf.
Unsere Gartenzwerge etwa, diese teils entsetzlich kitschigen
Gestalten, tragen die alte keltische Tracht der Schmiedeknappen
mit Zipfelmützen und Bauernkitteln. Sie stellen die knurrigen
Helfer dar, die uns insgeheim unterstützen, solange wir sie bei
guter Laune halten. Alle unsere jahreszeitlichen Feste gehen auf
keltische Traditionen zurück.

In Märchen und Mythen nach den Ursprüngen suchen

Eine außergewöhnlich lange Periode der Unterdrückung und


Diffamierung hat uns von dem spirituellen Leben und der
geistigen Kultur unserer Vorfahren entfremdet. Es ist nach wie
vor dünnes Eis, auf dem wir uns bewegen, wenn wir uns mit
unserer Geschichte befassen. Wir können in die Märchen und
Überlieferungen hineinhorchen, nach den Scherben suchen und die
Fragmente zusammenfügen, damit wir ein Gefühl und ein Bild für
unsere Ursprünge bekommen.

Wer waren wir? Auf einer Reise nach Kolumbien, wo ich mit
einem Vertreter verschiedener indigener Völker sprechen konnte,
habe ich fasziniert feststellen dürfen, wie bei ihm das Wissen
ungebrochen erhalten war und bis hin zu den Anfängen der Zeit
zurückreichte. Wir haben diese Sicherheit, diese Verbindung
nicht, fiel mir auf. Aber wir waren doch auch einst »Indigene«!
Was wissen wir noch, was ist erhalten, was können wir
rekonstruieren, was empfinden wir, wenn wir uns im Wald
aufhalten, der einst unser Lebensraum war, mit dem einige von
uns direkt kommunizieren konnten?

Die Menschen empfanden sich als Teil des großen Netzwerks, das
sie Wyrd nannten. Darunter verstanden sie kein festes Gefüge,
sondern ein großes, flexibles Netz, in dem jede Handlung und
alles, was passierte, Auswirkungen auf das Ganze hatte. Eine
Einteilung in Gut und Böse gab es damals nicht, zumindest nicht
so, wie wir sie kennen. Jede Kraft, die zerstörerisch wirkte,
bewirkte auch etwas Aufbauendes. Und umgekehrt bewirkte eine
schöpferische Kraft gleichzeitig etwas Zersetzendes.

Die Götter traten paarweise auf, sie waren gleichberechtigt, und


beide Hälften vereinten sowohl schaffende als auch zerstörerische
Elemente. Gott und Göttin bedingten einander. Das weibliche
Element kam im Bild des Kessels (Gral) zum Ausdruck, das
männliche im Lichtstrahl (Speer). Die große Göttin war nicht
allein, sie hatte einen Gefährten, der sie liebte und befruchtete,
sodass die Erde immer wieder erneuert wurde und ein neues Kind,
die neue Sonne, das neue Jahr geboren wurde. Je nach Jahreszeit
nahm das Paar eine andere Gestalt an.

Das Weltbild, das Netz, war auf Ausgleich bedacht. In diesem


Sinne wurde den Göttern für eine siegreiche Schlacht oder eine
gute Ernte auch geopfert. Wobei unter Opfer ein Gebet verstanden
wurde, das man mit Geschenken darbrachte. Besonders große
Opfer wurden erbracht, wenn es galt, etwas Schlimmes
abzuwenden, eine Seuche etwa oder einen Krieg. Und dabei muss
es zum Wohl der Gemeinschaft auch zu Menschenopfern
gekommen sein, manche freiwillig. Oft war es gar kein echter
Tod, den jemand sterben musste, sondern ein ritueller. Um etwa
den Übergang vom Kind zum Mann darzustellen, wurde der
Jüngling »geopfert«. Insgesamt gab es die Menschenopfer aber
vermutlich in viel geringerem Maße, als es von den Römern
dargestellt wurde.

Fünf Phasen der Zerstörung

Fünf Phasen, geprägt von Eroberungswillen und Gewalt, haben


uns gründlich von der Kultur der Völker in unseren Breiten
entfernt. Und heute gibt es leider ungute politische
Gruppierungen, die sich als Vertreter des Altertums bezeichnen,
in Wahrheit aber nur nationalsozialistisches Gedankengut
wiederaufleben lassen wollen. Aufklärung tut not.

Unter römischer Herrschaft

Die Römer waren die Ersten, die kamen, um das Volk zu


unterwerfen und die erfolgreiche Landwirtschaft auszubeuten. Für
die Kelten war das Eisen absolut heilig, und sie waren in der
Landwirtschaft weit überlegen, weil sie Pflüge und Eggen
erfunden hatten. Schmiede galten als Magier, weil sie dem Boden
das Eisen entreißen konnten. Heilpflanzen wurden grundsätzlich
ohne Eisen geerntet, weil es die Pflanzengeister vertrieben hätte.
Die Kelten hielten auf den Äckern eine Fruchtfolge ein und
betrieben Kompostierung. Das geerntete Gut wurde in
Vorratsgruben, sogenannten Erdmieten, und Getreidesilos
aufbewahrt. Fleisch wurde gepökelt oder geräuchert, man stellte
auch damals schon Käse her. All das war in den »zivilisierten«
Ländern noch längst nicht so weit fortgeschritten.

Die Römer benutzten ihre Schrift, um die Kelten zu


verunglimpfen und die Unterwerfung voranzutreiben. Eine
Gegendarstellung der keltischen Seite hat es nie gegeben, also
beruht das Bild unserer »barbarischen« Vergangenheit heute
maßgeblich auf den recht einseitigen römischen Schilderungen.
Für gewöhnlich ließen die Römer den Unterworfenen ihre
Religion – die Kelten aber wollten sie »zivilisieren« und aus den
unheimlichen Wäldern holen. Deren Wissen und Kultur waren
ihnen suspekt. Sie verwüsteten ganze Landstriche, um ihre
Überlegenheit und die Machtlosigkeit der keltischen Gottheiten zu
demonstrieren.

Christlicher Missionierungseifer

Nach den Römern kamen dann schon bald die ebenfalls römischen
Christen, die ihre Religion mit allen Mitteln verbreiteten. Die
zweite Phase der Zerstörung setzte ein. Die Menschen sollten sich
nicht länger als Teil der Natur empfinden, sie sollten sie sich
untertan machen. Also wurden die Menschen weiter aus den
Wäldern vertrieben, die heiligen Stätten, die Haine, wurden
systematisch zerstört und neue Heilige wurden eingesetzt. Die
großen alten Linden in den Dörfern wurden gefällt, aus ihrem
Holz wurden Marienstatuen geschnitzt. Der heilige Martin war
einer der Ersten, der im 4. nachchristlichen Jahrhundert mit
größtem Eifer ganze Wälder abholzen ließ, um die heiligen Haine
zu vernichten.

Frauen verloren ihre starke, gleichberechtigte Stellung. Doch das


einfache Volk war oftmals sehr stur und beharrte auf seinen alten
Traditionen. Die Kirche lenkte in vielen Punkten ein. Die
Gebräuche und viele Heilige, die sich nicht verbieten ließen,
wurden nach und nach christlich umgedeutet. Der Gipfel des
christlichen Missionierungseifers waren die Hexenverfolgungen,
die ungefähr 300 Jahre andauerten und bis zu neun Millionen
Menschen das Leben kosteten.

Das Wissen, das sich noch erhalten hatte, musste regelrecht


verschlüsselt werden. Die mächtigen Mythen und Zaubersprüche
wurden zu vergleichsweise harmlosen Märchen und Kinderreimen
umgedichtet. Manche alchemistischen Texte, die Heilmittel
beschreiben, sind deshalb für uns heute so schwer zu verstehen,
weil sie nur für Eingeweihte zu lesen sein sollten, um das Wissen
vor der Kirche zu verstecken und so zu retten.

Der Begriff »Esoterik« stammt aus dieser Zeit und bedeutet so


viel wie »nur einem inneren Kreis zugänglich«. Er hatte
ursprünglich nichts mit dem zu tun, was wir heute unter Esoterik
verstehen, sondern war von starker politischer Bedeutung und
Folge der großen Gefahr.

Nur wenige Jahrhunderte nach der Christianisierung zogen die


mittlerweile Missionierten los, um den Rest der Menschheit zum
Christentum zu bekehren. Sie begingen dabei überall auf der Welt
die gleichen Gräueltaten, die man vorher ihnen angetan hatte.

Aufklärung, Nationalsozialismus und Verdrängung

Das Zeitalter der Aufklärung sorgte danach dafür, dass den


Wissenschaften die Vormacht über Intuition und Hellseherei
eingeräumt wurde. Fortan galt Zauberei als lächerlich. Und auf
seine Weise hat auch der Nationalsozialismus dazu beigetragen,
dass Gedankengut und Wissen unserer Vorfahren wenn nicht in
Vergessenheit, so doch in Verruf gerieten: Er spannte das
sogenannte Germanentum für seine grausamen Zwecke ein,
verfälschte und missbrauchte es und entfernte uns so nur weiter
von unseren Wurzeln.

Schließlich kam die vorerst letzte Phase, die Phase der


Verdrängung, in der wir immer noch feststecken. Mit Runen und
Germanenzauber dürfen wir endgültig nichts mehr zu tun haben.
Ganz wortwörtlich verschließen wir uns den Quellen der
Vergangenheit, indem wir unsere Böden versiegeln und die
Flächen zubetonieren, die eine Verbindung zu heilsamen Energien
darstellen könnten. Und damit auch zu uns selbst.

Rückbesinnung auf die Kräfte der Natur

Was können wir tun, um uns wieder mit den Kräften der Natur zu
verbinden? Die ersten Schritte dahin sind sehr einfach: unsere
Sinne gebrauchen, Wahrnehmungen zulassen, beobachten, keine
Angst haben. Ein wenig aus Büchern über die Pflanzenwelt lernen,
um die Intuition zu schulen. Vor allem aber: hinausgehen,
möglichst ohne elektronische Geräte, in die Stille hineinhorchen
und dann mit den Pflanzen reden. Die Antworten wahrnehmen, die
kommen. Und da wird es schwierig für die meisten: Sie haben
Angst, sich lächerlich zu machen. Aber es muss ja keiner
mitkriegen. Eigentlich ist es verrückter, nicht mit den Pflanzen zu
sprechen.

Wovor wir aber tatsächlich gut aufpassen und wovon wir uns
abgrenzen müssen, sind die Kräfte am rechten Rand der Politik,
die Menschen, die Fremde und Fremdes ablehnen. Die Begriffe,
die mit den Germanen und Kelten zusammenhängen, werden
immer wieder von ihnen missbraucht.

Bei all dem Schrecken, der mit der Christianisierung einherging,


leistete die Kirche dennoch große Dienste, indem sie die Feste
übernahm und umdeutete. Sie blieben dadurch erhalten und
vermitteln uns noch heute ein gutes Bild von den Abläufen des
Jahres unserer Vorfahren. Was uns wieder zum Steinkreis
zurückbringt – dem Symbol für den keltischen Kalender. Den
Kalender der Kelten zu beschreiben kann sehr einfach sein und
sehr kompliziert.

Alles Leben beginnt als kleiner Keim in einem dunklen Leib. So


auch das Jahr. Zur Totenzeit im November stirbt das alte Jahr, und
in der finstersten Zeit entsteht ein neuer Keimling. Im Frühling
erwacht er zum Leben, im Sommer hat er die größte Kraft, im
Herbst wird die Ernte eingebracht und im Winter vergeht das
Leben langsam wieder. Es kehrt zurück in die Anderswelt, wo es
neu geboren wird.

Den keltischen Kalender gibt es übrigens nicht, es gibt je nach


Region unterschiedliche. Diese weisen jedoch eindeutige
Parallelen auf, ohne dass die Menschen damals darüber
miteinander kommuniziert hätten. Sie kommunizierten vielmehr
direkt mit der Natur, vereint durch die Mondphasen und die
Vegetationszeiten. Es gab keine übergeordneten weltlichen
Instanzen, nichts war von Machthabern organisiert, alles war
dezentral. Jedes Dorf hatte seinen Weltenbaum, jede Gegend in
Gestalt eines heiligen Hügels oder eines heiligen Hains seinen
»Nabel der Welt«.

Die Menschen verfolgten den Lauf der Zeit anhand dessen, was
sie in der Natur um sich herum wahrnahmen. Zeit war
grundsätzlich dehnbar, die Druiden beherrschten scheinbar
Techniken, sie anzuhalten oder zu beschleunigen. Wenn ein
Druide im Wald eine Einladung von Elfen annahm, konnte es sein,
dass er am nächsten Morgen wiederkam oder erst eine Generation
später wieder auftauchte.

Der Tag wurde in acht Einheiten eingeteilt, im Winter waren diese


Einheiten entsprechend kürzer als im Sommer, wenn die Tage
länger waren. Dieselbe Einteilung in acht Einheiten findet sich in
jedem Leben und im Jahreskreis.

Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich, ein Blatt Papier und


einen Stift zur Hand zu nehmen und das im Folgenden
Beschriebene mitzuzeichnen. Sie finden eine Abbildung dessen
aber auch auf Seite 53. Zeichnen Sie zunächst einen großen Kreis.
Dieser Kreis des Jahres ist durch ein Kreuz in Viertel geteilt. Das
Kreuz markiert die sogenannten Kardinalpunkte, die der Lauf der
Sonne vorgibt: oben die Sommersonnenwende am 21.6., rechts die
Herbst-Tagundnachtgleiche am 21.9., unten die
Wintersonnenwende am 21.12. und links die Frühlings-
Tagundnachtgleiche am 21.3. Unsere Jahreszeiten sind
dementsprechend eingeteilt.
Dieses erste Kreuz zeigt den Rahmen an. Ein zweites Kreuz
halbiert die vier Bereiche und teilt sie in acht gleich große Teile
auf. Es markiert die variablen Kreuzviertelfeste, die vom Mond
bestimmt und fast noch wichtiger waren als die Sonnenfeste. Sie
fanden meist an dem Vollmond statt, der zwischen den
Sonnenfesten lag. Erst mit der christlichen Umdeutung wurden
feste Daten daraus. Die kleinen Kreise um den 21.6. und 21.12.
herum stellen die Raunächte dar, an denen zweimal im Jahr das
Rad bzw. die Zeit stillstand.

Dieses zweite Kreuz markiert auch den Beginn und das Ende der
Herrschaft eines Götterpaars. Im Laufe eines Jahres gab es vier
Paare: Brigid (Ostara) und der Bär, Belenos und Belisana, Lugus
(Loki) und Annona sowie Samhain und Morrigane. Auch diese
haben in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Namen
und sind jeweils Metamorphosen des großen göttlichen Paars, des
Himmels und der Erde oder der Sonne und der Vegetationsgöttin.

Um die Kreuzvierteltage, die »Hexentage« herum, herrschte eine


Art wirbelndes Chaos, die Menschenwelt wurde heimgesucht von
Jenseitigen, die Grenzen zwischen Menschenwelt und Anderswelt
waren durchlässiger und Ordnung und Gesetz weniger gültig.
Pflanzen im Porträt
In den folgenden Abschnitten begeben wir uns auf eine Reise
durch Zeiten und Räume, auf der wir verschiedene Pflanzen
besuchen. Da sie in der keltischen Geschichte als Partner und
Gottheiten wahrgenommen wurden und um uns ihr Wesen
näherzubringen, beschreibe ich die Pflanzen des Öfteren mit
menschlichen Eigenschaften.

Auch die Wirkweise der Heilstoffe lässt sich gut mithilfe des
Pflanzenwesens nachvollziehen. Es tauchen außerdem die Namen
und Begriffe dieser Heilstoffe auf, wie sie von der heutigen
Wissenschaft verwendet werden. Denn häufig bestätigt die
moderne Forschung die alten Annahmen und kann erklären, wie
und warum eine Pflanze der Gesundheit hilft.

Aus der riesigen Fülle der Pflanzen stelle ich für jeden Monat eine
Auswahl der Gewächse vor, die gerade blühen oder geerntet und
verarbeitet werden können oder über die es etwas für die
Jahreszeit Markantes zu erzählen gibt. Darüber hinaus beschreibe
ich einige ihrer ungezählten Anwendungsmöglichkeiten, die ich
Ihnen im folgenden Abschnitt im Überblick vorstellen möchte.
Dort finden Sie grundsätzliche Hinweise zur Herstellung von
Salben, Tinkturen u. Ä. sowie zur Dosierung. Um das Sammeln in
der Natur zu erleichtern, habe ich typische Wuchsorte verzeichnet.

Dabei nehmen die Bäume den meisten Platz ein, jeweils


mindestens zwei von ihnen bilden das Tor zu jedem Monat. Sie
waren stets unsere stärksten Verbündeten. Ohne die Bäume sind
wir in unserer Kultur nicht vorstellbar; zudem lässt sich so viel
über sie erzählen, dass sie einen gebührenden Raum einnehmen
sollten. Oft endet der Abschnitt über einen Baum mit einem
zusammenfassenden Satz, der als eine Art Meditationsvorschlag
gemeint ist. Nach dem Prinzip der selbsterfüllenden
Prophezeiung, nach dem sich immer das bewahrheitet, was wir
erwarten, ist das Geschenk des Baums gemeint, das er für uns
bereithält.

Praktische Anwendungen: von A wie Auszug bis T wie Tinktur

Ich beschreibe hier nur grundsätzlich, wie Tinkturen, Tees,


Auszüge und dergleichen zubereitet werden. Bei einzelnen
Pflanzenporträts finden sich Abweichungen von den
Grundrezepten. In jedem Fall empfehle ich, Kurse zu besuchen,
bevor man in die Produktion einsteigt. Denn es gibt zu jeder
Pflanze und zu jeder Zubereitung noch viel Praktisches zu
erfahren und zu erlernen!

Viele frische Pflanzen eignen sich zum Verzehr oder zum


sofortigen Gebrauch im Tee (mit heißem Wasser übergießen, d. h.
das Wasser nach dem Kochen einige Minuten abkühlen lassen).
Ein paar Blätter oder Blüten genügen meist. Grundsätzliche
Mengenangaben sind nicht möglich, man findet aber sehr schnell
heraus, wie viel des jeweiligen Krauts bekömmlich ist und gut
schmeckt. Je bitterer und stärker ein Kraut ist, desto weniger wird
in den Tee gegeben. Bei einigen aromatischen Pflanzen kann man
einen Kaltauszug machen, d. h., man gibt einen Stängel, z. B.
Mädesüß oder Minze oder Basilikum, in eine Karaffe Wasser,
etwa einen halben Liter. Das sieht schön aus, und schon nach ein
paar Minuten entfaltet sich der Geschmack. Es ist nicht nötig, das
Kraut wieder zu entfernen; es kann bleiben, bis die Karaffe leer
ist.
Zum Konservieren der Kräuter lässt man sie trocknen: Man
bindet einen Strauß aus ungefähr 10 bis 20 Stängeln und hängt ihn
kopfüber an einen trockenen, warmen, schattigen Ort. Nach etwa
einer Woche, wenn das Kraut getrocknet ist, kann man es
zerschneiden oder zerbröseln und in Gläser oder Papiertüten
abfüllen, die man an einem dunklen, trockenen Ort aufbewahrt.

Für einen Tee vom getrockneten Kraut nimmt man eine Prise, d.
h. so viel, wie man leicht mit Daumen und zwei Fingern fassen
kann, auf etwa 250 Milliliter kochendes Wasser und lässt ihn etwa
10 Minuten ziehen. Das ist das Grundrezept, das nach Geschmack
variiert werden kann. Grammangaben sind schwierig, da jedes
Kraut unterschiedlich viel wiegt.

Badezusatz: Hierfür bereitet man einen starken Tee, gibt also


deutlich mehr als eine Prise des Krauts auf 250 Milliliter, lässt ihn
ziehen und schüttet ihn dann ins Badewasser.

Kompresse: Die einfachste Art, Kompressen herzustellen, ist es,


die abgefilterten Teereste zu nehmen und sie aufzulegen. Mit
einem sauberen Tuch abdecken.

Salbe: Das Grundrezept für Salben ist, Kräuter eine halbe Stunde
auf dem Herd in heißem Öl auszuziehen, dabei nie kochen, und
dann durch ein sauberes Tuch abzufiltern. Anschließend Wachs
hinzugeben und schmelzen lassen. Auf 200 Milliliter Öl (meist
Olivenöl, möglich sind aber auch Sonnenblumen-, Raps-, Distel-
oder Mandelöl) kommen 20 Gramm Wachs. Noch heiß in Tiegel
abfüllen, abkühlen lassen, dann verschließen. Im Kühlschrank
aufbewahren, etwa ein Jahr haltbar.

Tinktur: Alkoholauszüge von frischen Pflanzen werden Urtinktur


genannt. Hierfür nimmt man ein Glas oder eine Flasche mit
weitem Hals mit etwa 200 Milliliter Inhalt, je nachdem, wie viel
man benötigt. Man schneidet das Kraut klein und befüllt das
Gefäß damit etwa zu zwei Dritteln. Grammangaben sind nicht
möglich; es kommt darauf an, dass das Kraut, nachdem man den
Alkohol dazugegeben hat, von Flüssigkeit bedeckt ist.
Grundsätzlich nimmt man hierfür einen Alkohol mit einem
Alkoholgehalt von etwa 40 Volumenprozent (z. B. Grappa).
Wurzeln sind trockener und härter, deshalb brauchen sie einen
höheren Prozentgehalt zwischen 60 und 75 Volumenprozent.

Ganz zarte Pflanzen können in Wein mit entsprechend


niedrigerem Alkoholgehalt eingelegt werden. Auch hierbei richtet
sich die Menge nach der Größe der Flasche, die etwa bis zur
Hälfte mit dem zerkleinerten Kraut befüllt werden sollte. Vier bis
sechs Wochen an einem warmen, schattigen Ort stehen lassen,
gelegentlich schwenken, dann abfiltern und in Tropfflaschen
füllen. Die Ausgangsdosierung bei Urtinkturen ist dreimal drei
Tropfen täglich, die man unter die Zunge träufelt. Es ist auch
möglich, Tinkturen aus getrockneten Pflanzen herzustellen,
gebräuchlicher sind aber die Urtinkturen.

Ölauszug: Von einigen Pflanzen, wie etwa der Calendula oder


dem Johanniskraut, lässt sich ein Ölauszug machen. Man befüllt
eine Flasche mit der zerschnittenen Pflanze und füllt so viel Öl
(Oliven- oder Sonnenblumenöl) auf, dass das Kraut vollständig
bedeckt ist. Mengenangaben sind nicht möglich, die Flasche sollte
mindestens zur Hälfte mit dem locker eingefüllten Kraut gefüllt
sein. Die Flasche verschließen und für vier bis sechs Wochen an
einen warmen Ort stellen, ab und zu schwenken und dann die
Flüssigkeit in eine dunkle Flasche abfiltern. Hält etwa ein Jahr.
Alles ist beseelt, heilig und belebt

Es ist unmöglich, alle Heilpflanzen zu kennen und zu beschreiben.


Ein weiser Schamane bat seine Schüler zum Abschluss ihrer
Lehre, eine Pflanze zu suchen, die keine Heilkraft besitzt. Nach
langem Suchen kehrte schließlich der letzte Schüler zurück; er
war verzweifelt, denn seine Hände waren leer. Dabei hatte er
recht, es gibt keine Pflanze, die nicht irgendeine Auswirkung auf
unseren Körper hat. Deshalb ist diese Auswahl hier subjektiv und
könnte unendlich fortgesetzt werden.

Für jeden der vier Jahresabschnitte habe ich die herrschenden


keltischen Gottheiten beschrieben, ebenso wie die Feste, die
begangen wurden. Die keltische Geistesart, ihre Religiosität,
unterschied sich vollkommen von unserer. Sie war weniger fixiert,
wesentlich ekstatischer und nicht zentralistisch. Es gab kein
Oberhaupt, kein einzig gültiges Wissen, keine einzig wahren
Götter; es wurde alles als beseelt, heilig und belebt angesehen.

Es sind über tausend Götternamen bekannt. Jedes Dorf hatte


seinen heiligen Ort und seine eigenen Götter. Meist fanden die
Feierlichkeiten im Wald auf einer Lichtung statt, im »heiligen
Hain«, denn man huldigte den Göttern nicht in einem Gebäude,
sondern beging die Rituale in den Vollmondnächten unter freiem
Himmel. Alle Übergänge waren fließend, sogar der zur
Anderswelt, dem Toten- und Geisterreich. Den Toten wurde ein
Platz unter den Lebenden eingeräumt, man konnte mit ihnen
kommunizieren.

Die Zeit verlief in Kreisen, nicht linear wie bei uns heute. Das
keltische Jahr beginnt an Halloween, wenn alles stirbt und neu
beginnt. Doch der Kreis ist rund und damit ohne Anfang oder
Ende. So gibt es jederzeit die Möglichkeit einzusteigen. Ich
beginne im frühen Frühjahr, wenn bei uns alles zu neuem Leben
erwacht.

Erwachen – Februar bis April

Am Beginn unseres Jahreskreises, um den 2.2. herum, lag Imbolc,


das Fest der Brigid. Wir kennen den Tag als Mariä Lichtmess. Es
war das Wasserfest: In dieser Zeit erwacht das neue Leben, und
das Wasser in den Bäumen beginnt wieder zu steigen.

Die Lichtjungfrau Brigid trat ihre Herrschaft an, die Germanen


kannten sie unter dem Namen Ostara. Sie kehrte nach der langen
Winterzeit verjüngt aus den Tiefen der Erde zurück und erweckte
das Land zu neuem Leben, gemeinsam mit ihrem Partner, dem
Gott in Bärengestalt.

Der Bär verkörperte dem Glauben der Kelten nach die Sonne. Im
Winter verschwand er in seiner Höhle, so wie die Sonne
verschwand, wenn die Tage kürzer wurden. Und wenn die Sonne
im Frühjahr wieder erschien, kehrte auch er aus seiner Höhle
zurück ans Licht. Unter seinem Fell glitzerte sie, später im Jahr
warf er das Fell ab und enthüllte die Sonne in voller Kraft. Das
Märchen Schneeweißchen und Rosenrot erzählt von diesem
Glauben – auch hier sehen die beiden Schwestern ein goldenes
Funkeln unter dem Fell des Bären.

Februar war die Zeit der Perchten, der wilden Geisterschar, die
mit der großen Göttin durchs Land zog und die Menschen närrisch
machte, indem sie von den Köpfen und Körpern Besitz ergriff.
Überall dort, wo die Perchten ihren Fuß hinsetzten, drängten neuer
Saft und neues Leben hervor.
Es war die Zeit des Fastens und der inneren sowie äußeren
Reinigung, die Birke war in dieser Zeit der wichtigste Baum. Ihr
Wasser wurde angezapft und half, den Stoffwechsel wieder in
Schwung zu bringen. Die Zweige wurden zu Besen gebunden, mit
denen die Stuben und Altäre gereinigt wurden. Aber nicht nur
gefastet wurde, es wurde auch gefeiert, wenn auch nicht sehr
üppig, weil der Tisch noch nicht so reich gedeckt werden konnte.

Die Göttin brachte die Säfte zum Fließen und stieg den Menschen
in die Köpfe, sodass sie begannen, zu faseln, wirres Zeug zu reden
und zu treiben. Daher kommt der Name »Fastnacht«. Der Winter
sollte das Fürchten lernen und sich verziehen, das Korn sollte
geweckt werden und zu wachsen beginnen.

Im März, am 17.3., dem Tag der heiligen Gertrud, liegt


traditionell der Beginn der Gartenarbeit. Es heißt: »Die Gertrud
mit dem frommen Sinn, sie ist die erste Gärtnerin.« Unserem
heutigen Kalender gemäß beginnt der Frühling am 21.3. Es ist der
Tag der Frühlings-Tagundnachtgleiche, der erste Kardinalpunkt
unseres Jahreskreises; er war der Höhepunkt der Herrschaft des
Götterpaars.

Im April wachsen die ersten kräftigen, aromatischen Kräuter, die


traditionell zur Neunkräutersuppe verarbeitet wurden. Die Anzahl
der Kräuter war wichtig, denn die Neun war eine heilige Zahl.
Welche Kräuter im Einzelnen verwendet wurden, war weniger
entscheidend – es kam hinein, was gefunden wurde. Beinahe alle
Frühjahrskräuter regen den Stoffwechsel an und bringen neuen
Schwung.
Der Name »Ostern«, das christliche Fest, das in diese Zeit fällt, geht auf
Ostara zurück, Bräuche wie Eiersuchen und Osterhase auf die
Fruchtbarkeitsfeste der Kelten. In der katholischen Kirche werden heute immer
noch an Ostern Kräuterbuschen aus sieben verschiedenen grünen Zweigen
gebunden und geweiht. Zusammen mit den Hasel- und Holunderzweigen, an
denen sie befestigt sind, ergibt sich wiederum die Zahl Neun. Die
Kräuterbuschen werden wie zu alten Zeiten zum Schutz vor bösen Kräften am
Gartentor angebracht. Brigid – oder Ostara – und der Bär herrschen bis zu
ihrer Wandlung zum nächsten Herrscherpaar Anfang Mai.
FEBRUAR

2.2. Mariä Lichtmess, Fastnacht/Fasching/Karneval

BÄUME IM FEBRUAR

Schwarzpappel (Populus nigra)

Heilwirkungen: entwässernd, kräftigend, regt den Stoffwechsel


an, desinfizierend, antibakteriell, entzündungshemmend

Die Schwarzpappel ist ein mächtiger Baum, der gern an


fließenden Gewässern in Flussauen und Sumpfgebieten steht. Es
macht ihr nichts aus, wenn sie ab und zu überschwemmt wird. Ihre
Wurzeln reichen tief ins Erdreich hinein, und so steht sie fest und
entwässert den Boden. Ihre Blätter haben unterschiedliche
Formen: herzförmig, dreieckig oder eiförmig. Ihre Krone ist
mächtig, lässt aber Licht durch. Die Rinde ist tief gefurcht und
heilt bei Verletzungen gut wieder aus. Die Schwarzpappel wächst
schnell, ihr Holz ist recht weich. Es wurde früher gern für
Fußböden und auch für Streichhölzer genutzt. Die flaumigen
Samen wurden als Kissenfüllung verwendet.

Für die Pflanzenheilkunde interessant sind vor allem die klebrigen


Knospen, die viel Harz und ätherische Öle enthalten. Richtig
scharf sind sie! Ab Februar, im frühen Frühjahr, werden sie
geerntet. Man kann damit einen Ölauszug machen: die Knospen z.
B. in Olivenöl einlegen und 6 Wochen ziehen lassen. Dieses
Pappelöl wirkt desinfizierend, antibiotisch und
entzündungshemmend. Den Bienen bieten die Knospen den
Rohstoff für ihre Propolis, die harzartige Masse, mit denen sie das
Innere des Bienenstocks auskleiden.

Eine Knospe oder ein junges Blatt auf dem Boden von
Einmachgläsern wirkt konservierend und verhindert die
Schimmelbildung. In geringer Menge zu Schokoladenmousse oder
-kuchenteig gegeben, ergeben sich interessante und kräftige
Geschmackserlebnisse.

Der Tee aus den Knospen – pro Tasse ca. 1 TL – wirkt wie die
Wurzeln im Boden: entwässernd und kräftigend, und er regt den
Stoffwechsel an.

Hildegard von Bingen hat Saft aus der Rinde gepresst und gern
unter andere Salben gemischt; sie sagte, das erhöhe die
Wirksamkeit der Salben.

Das Gemmomazerat hat einen Bezug zu den Arterien der Beine, es


stärkt sie und verbessert die Durchblutung. Allgemein regt es das
Immunsystem an und wirkt gegen Entzündungen.

Die Schwarzpappel kräftigt den Körper und die Seele, sie kann uns helfen, mit
neuer Energie in neue Richtungen gehen zu können.

• Schwarzpappelsalbe
100 g Schwarzpappelknospen im Mörser anreiben, in 250 ml Olivenöl
einlegen, gut verschlossen 2 Wochen stehen lassen, dabei ab und zu leicht
schütteln. Erhitzen, 15 Minuten rühren, nicht kochen! Knospen abseihen, 45
g Bienenwachs zugeben, abfüllen. Hilft bei Verbrennungen,
Hautausschlägen, Entzündungen. Nicht auf offene Wunden auftragen! Das
Öl kann man auch anderen Salben beimischen.
• Mousse au Chocolat:
200 ml Milch erwärmen, 300 g Zartbitterschokolade darin schmelzen, 1 bis 2
TL Schwarzpappelknospen und das Fleisch einer reifen Avocado
dazugeben. Pürieren, in Gläser füllen und erkalten lassen.

Efeu (Hedera helix)

Heilwirkungen: schleimlösend, auswurffördernd, gegen Husten,


bei Asthma und Keuchhusten

Der Efeu ist eine demütige und kraftvolle Pflanze. Sie wächst am
Boden und aus dem Dunklen hervor an Mauern und Bäumen
hinauf. Efeu ist eine der wenigen Kletterpflanzen oder Lianen, die
wir auf der Nordhalbkugel haben. Langsam wächst er bis in eine
Höhe von 20 Metern und kann Hunderte von Jahren alt werden. Er
erstickt den Baum nicht, an dem er wächst, nimmt ihm aber
natürlich relativ viel Licht.

Beim Efeu finden viele Prozesse anders statt als bei anderen
Pflanzen. Die gelbgrünen Blüten erscheinen im Herbst, die
schwarzen Beeren, die für den Menschen giftig sind, sind dagegen
im Frühjahr reif. Die Blätter wurden früher meist als Viehfutter
verwendet.

Im alten Griechenland wurde den Göttern des Weines und der


Gelage ein Efeukranz aufgesetzt, der in England auch heute noch
die Eingänge vieler Pubs ziert. Zu Weihnachten gehört er dort
dazu wie der Ilex, die Stechpalme: Er verkörpert das weibliche
Element, während der Ilex als das männliche angesehen wird.
Efeublätter, zerstoßen und mit etwas Rosenwasser vermischt,
nahm man im Mittelalter als Mittel gegen Kater ein.
Efeu ist ein Störungszeiger: Er wächst gern an Plätzen, unter
denen sich Wasseradern befinden. Er vermag es, deren negative
Energie zu neutralisieren. Für Menschen bedeuten Orte mit einer
negativen Energie eine Belastung, die die Arbeit oder das
Wohlbefinden erschwert.

Selbst der Humus des Efeus hat die Kraft, einen mit negativer
Energie belasteten Boden umzuwandeln. Pflanzen wie der
Apfelbaum, die sensibel auf Wasseradern reagieren, wachsen oft
besser, wenn sie mit Efeublättern gedüngt werden.

So wie der Efeu die ungünstigen Energien aus dem Boden zieht,
so zieht er den infizierten Schleim aus der Lunge. Die
schleimlösende und auswurffördernde Kraft der Saponine wird bis
heute in pflanzlichen Medikamenten genutzt, die man kaufen
kann. Zudem lösen die Glykoside und Flavonoide Krämpfe bei
Asthma und Keuchhusten.

Der Efeu ist demütig, aber stark. Er bringt Dinge aus dunkelsten Tiefen ans
Licht, er wird als Schmarotzer verkannt, aber in Wahrheit reinigt er still und
leise den Wald. Und verbirgt und schützt, was verborgen gehört, um zu heilen.

KRÄUTER UND ANDERE PFLANZEN IM FEBRUAR

Schlüsselblume (Primula officinalis)

Heilwirkungen: immunstimulierend, hustenlösend

An sonnigen Plätzen auf magerem Rasen oder trockenen Wiesen


und Gebüschen wächst sie bereits, die Schlüsselblume. Sie sollte
die erste frische Heilpflanze sein, die man im Jahr zu sich nimmt,
weil sie die Wirksamkeit der nachfolgenden Pflanzen unterstützt.
Der Sage nach gehörte sie Freya, der großen Göttin, die als
Hausfrau im Sinne von Herrin des Gehöfts gesehen wurde. Sie
hatte die Schlüsselgewalt und mit diesen ersten Blumen im Jahr
schloss sie das Tor auf, damit der Frühling eintreten konnte. Die
Kirche gab später Petrus symbolisch die Schlüsselblumen als
Attribut, mit denen er seither den guten Seelen das Himmelstor
aufsperrt.

Es lassen sich viele Mittel mit der Schlüsselblume herstellen, sie


hat große immunstimulierende und regulierende Eigenschaften,
denn sie enthält Glykoside, Saponine, Gerbstoffe, Flavonoide und
ätherische Öle. Ein sehr wirksames Hustenmittel ist eine Tinktur
aus der Wurzel im Herbst, der im Frühjahr die Blüten hinzugefügt
werden.

Hildegard von Bingen empfahl, einen Strauß Schlüsselblumen zu


sammeln und ihn sich nachts auf das Herz zu binden, damit er das
Herz erwärme. Das soll gegen die Traurigkeit helfen und das Herz
stärken. Wenn ein lieber Mensch die Blumen für den Kranken
pflückt, soll die Wirkung noch stärker sein. Ein sehr charmantes
Mittel, wie ich finde. Allerdings stehen Schlüsselblumen unter
Naturschutz, und wir sollten sie in freier Natur lieber nur
bewundern und nicht pflücken. Im Garten lassen sie sich aber gut
anpflanzen.

Quecke (Agropyron repens)

Heilwirkungen: vitalisierend, hautreinigend, gewebestraffend;


wirksam bei Erkältungen und zur Durchspülung der Nieren

Die Quecke ist ein Süßgras, das schon viele Gärtner zur
Verzweiflung getrieben hat, denn sie wächst auf allen Böden und
ist praktisch unausrottbar. Deswegen ist sie auch sehr unbeliebt,
und es gibt nur Geschichten über den Kampf gegen sie. Die
Grashalme sind unscheinbar, hart und manchmal behaart. Sie
können bis zu 1,5 Meter hoch werden, die Wurzeln breiten sich in
alle Richtungen unkontrollierbar aus.

Wer so selbstbewusst ist wie diese Pflanze, muss doch stärkende


Kräfte in sich bergen! Und in der Tat: Statt sie zu bekämpfen,
sollten wir die frischen Halme im frühen Frühjahr ernten und im
Entsafter entsaften, bevor sie in die Höhe wachsen und zu blühen
beginnen. Jeden Tag 1 TL Queckensaft schenkt neue Energie, die
enthaltene Kieselsäure kräftigt das Gewebe und reinigt die Haut.
Die Wurzel, die geerntet wird, bevor die Halme wachsen, kann
getrocknet oder frisch als Tee getrunken werden. Der Tee wird
traditionell bei Erkältungskrankheiten und zur Durchspülung der
Nieren angewendet. Vorsichtig sollten Menschen mit
eingeschränkter Herz- oder Nierenfunktion sein, für sie könnte die
Quecke zu stark sein.

Bibernelle (Pimpinella saxifraga)

Heilwirkungen: befreit Bronchien von Schleim, regt Appetit und


Verdauung an

Diese Pflanze habe ich schon neben Schneeresten gepflückt. Sie


braucht leichten, nährstoffreichen Boden und viel Sonne und
gehört zu den vielen Doldenblütlern. Da so früh im Jahr aber noch
nicht so viel wächst, ist sie gut zu erkennen. Ihre Blätter sind
gefiedert und gezahnt, immer paarweise sitzen sich acht oder
mehr kleine Blättchen an einem Stängel gegenüber, an der Spitze
thront ein einzelnes Blättchen.

Ich gebe die Bibernelle frisch ins Essen, indem ich sie wie
Petersilie verwende: Ich pflücke die Blätter und zerkleinere sie.
Einen starken Eigengeschmack hat sie nicht, aber durch ihre
Saponine löst sie den Schleim des alten Jahres in den Bronchien,
und ihre Bitterstoffe regen Appetit und Verdauung an. Sie wurde
für manchen Liebeszauber verwendet, damit sich allmählich
Frühlingsgefühle einstellen. Dafür wurde das Pulver ins Essen der
oder des Liebsten gestreut. Zudem sollte die Pflanze gegen die
Pest helfen: »Iss Ehrenpreis und Bibernell, dann stirbst du nicht so
schnell«, hieß es.

Kornelkirsche (Cornus mas)

Heilwirkungen: wirksam bei Magenschleimhautentzündung und


Durchfall

Die Kornelkirsche wächst in Hecken oder als einzelner Baum bis


zu 6 Meter hoch auf jedem Boden, gern in der vollen Sonne. Ihre
schönen gelben Blüten gehören zu den frühesten Blüten des
Jahres. Die Stadt Rom verdankt ihr der Sage nach ihren Sitz, denn
Romulus, ihr Gründer, soll die Grenzen seiner Stadt mit der
Kornelkirsche abgesteckt haben. Früher haben sich die Menschen
auf sie gestürzt und Salben – Wundsalben und Salben gegen
Krampfadern – daraus gekocht.

Die Blüten sind essbar und geben eine schöne Verzierung ab, als
Tee wurden sie bei Magenschleimhautentzündung (Gastritis) und
Durchfall verwendet.
Heute ernten wir meist nur die ovalen Früchte im Spätsommer, aber erst, wenn
sie dunkelrot sind. Dann sind sie genießbar, vorher sind sie zu sauer. Sie
geben eine Heilnahrung ab bei Magen- und Darmentzündung. Mit der Ernte
sollte man nicht warten, bis der erste Frost gekommen ist, denn dann sind die
Früchte ebenfalls ungenießbar. Was nicht frisch verzehrt werden kann, kann
eingefroren oder zu einer sehr leckeren Marmelade eingekocht werden.
MÄRZ

17.3. Beginn der Gartenarbeit, Tag der heiligen Gertrud, 21.3. Frühlings-
Tagundnachtgleiche, Frühlingsanfang

BÄUME IM MÄRZ

Birke (Betula pendula)

Heilwirkung: immunstärkend, stoffwechselanregend; beugt


Erkältungskrankheiten vor; reinigend und entschlackend,
Durchspülung der Harnwege, stärkend für Leber, Gallenblase,
Nieren

Die Birke ist ein Pionierbaum; sie wächst anspruchslos auf allen
Böden und liebt die Sonne, kommt aber auch mit Halbschatten
und Kälte zurecht. Sie vermehrt sich rasch, indem sie
verschwenderisch ihre Samen vom Wind in alle Richtungen
streuen lässt. Sie wächst und vergeht schnell und macht dann
anderen Bäumen Platz. Selten wird sie über 100 Jahre alt. Ihr Holz
ist nicht sehr haltbar, ihre Rinde hingegen schon, sie wurde
vielfach verwendet. Sie diente bis zur Erfindung moderner
Materialien wie Plastik als Behälter jeglicher Art: Eimer, Schuhe
und sogar Töpfe und Kanus wurden aus ihr hergestellt. Die Töpfe
konnten natürlich nicht aufs Feuer gestellt werden; es wurde in
ihnen Suppe gekocht, indem man heiße Steine hineinwarf.

Aus der Birkenrinde wird der Birkenzucker Xylitol gewonnen, der


nicht nur weniger Kalorien als Haushaltszucker enthält, sondern
auch Karies verhindert und sogar von Diabetikern vertragen wird.
Aus dem Reisig werden heute noch Besen hergestellt, die in der
vorchristlichen Zeit nicht nur zum Fegen der Häuser, sondern
auch für rituelle Reinigungen benutzt wurden, um ungünstige
Energien loszuwerden.

Den ganzen Winter über können wir die Knospen der Birke essen.
Drei Stück jeden Tag stärken das Immunsystem und den
Stoffwechsel und beugen so Erkältungskrankheiten vor –
insbesondere dann, wenn wir dazu jeden Tag ein Stück spazieren
gehen.

Unter der Rinde steigt im März das Wasser auf, an warmen Tagen
kann man es fast rauschen hören, wenn man das Ohr an den
Stamm legt. Schon in der Steinzeit zapfte man im Frühling die
Birken an und vergor das gewonnene Birkenwasser zum Stoff für
die wilden Feste. Es vergärt sehr rasch. Als Alkohol wollen wir
ihn heute wohl eher nicht mehr nutzen, deshalb sollten wir den
Saft innerhalb von 2 bis 3 Tagen verbrauchen. Birkensaft enthält
viele Vitalstoffe, die uns mit ihrer reinigenden und
entschlackenden Kraft ins Jahr hineinhelfen.

Statt den Baum anzubohren, ist es möglich, einen etwas


kräftigeren Zweig abzuschneiden und das austretende Wasser
aufzufangen. Noch schonender für den Baum ist es, einen
Kaltauszug aus ein paar Zweigen herzustellen: Dafür einige
frische, junge Zweige abschneiden und über Nacht in Wasser
einlegen. Anschließend abseihen und trinken. Das Birkenwasser
weckt die Lebensgeister und hebt die Stimmung nach dem
dunklen Winter.

Es lässt sich noch so viel mehr aus der Birke gewinnen! Den Tee
aus den jungen Blättern können wir täglich einige Wochen lang
im Frühjahr trinken, um unserem Körper eine Reinigungskur zu
schenken, die noch nicht einmal etwas kostet. Der Tee regt sanft
und ohne Nebenwirkungen – auch Schwangere können ihn trinken
– Leber und Nieren an und spült die unteren Harnwege durch.

Nieren, Gallenblase und Leber freuen sich auch, wenn wir die
frischen Blätter essen oder mit Honig und Kuhmilch bzw. Hafer-,
Dinkel- oder Sojamilch zu einer grünen Baummilch pürieren.

Spülmittel entsteht, wenn wir die Blätter mit Wasser in einem


Beutel verschließen und diesen schütteln; dadurch wird das
Wasser schaumig. Eine Haarspülung können wir herstellen, indem
wir 1 Teil junge Birkentriebe und Kätzchen zerkleinern und mit 3
Teilen Essig 1 Monat ziehen lassen. Danach abseihen und 100 ml
davon mit 1 l Wasser vermischen. Die Spülung ist gut für die
Kopfhaut und lässt die Haare glänzen.

Sehr wirksam ist auch das Deodorant aus Kätzchen, Blättern und
Knospen: 1 Handvoll davon mit 150 ml Wasser pürieren,
abseihen, mit 1 TL Natron vermischen und in eine
Zerstäuberflasche füllen.

Die Birke steht für Neubeginn und Reinigung, sie schenkt dem Körper und der
Seele Lebenskraft, so wie sie den unbesiedelten Boden neu erschließt. Sie ist
der elegante Baum, der für die stärkste Kraft überhaupt steht: die Kraft der
Liebe.

Eberesche (Sorbus aucuparia)


Heilwirkungen: blutreinigend, antirheumatisch, gegen erhöhten
Augeninnendruck, abwehrstärkend

So wie die Birke für den Beginn des Lebens steht, steht die
Eberesche für das Erwachen der inneren Stimme, für die
Inspiration und die Lebendigkeit. Sie wurde von den Kelten als
Quelle des Lebens angesehen.

Die Eberesche, die wir auch als Vogelbeere kennen, gehört zur
Rosenfamilie und hat nichts mit der Esche zu tun, außer dass diese
beiden zu den wenigen Bäumen bei uns gehören, die gefiederte
Blätter besitzen. Sie ist ein eher kleiner Baum, bis zu 15 Meter
groß, der überall in Europa heimisch ist.

Sehr alt wird sie nicht, 80 bis 120 Jahre nur. Sie wächst an
spektakulären Orten höher als alle anderen Laubbäume: auf
Felsvorsprüngen und sogar in den Astgabeln anderer Bäume. Sie
ist anspruchslos, solange sie viel Licht bekommt. Ihre Blätter
lassen viel Licht durch – ein angenehmer Nachbar für die Pflanzen
in ihrer Umgebung. Ihre schönen, weißen Blüten sind den
Holunderblüten sehr ähnlich, der Geruch aber lockt eher
Aasfresser an. Doch der Nektar ist süß, und das wiederum
schätzen die Bienen.

Als Wildobstbaum bietet er Nahrung für die Vögel, wenn im


Herbst die Vogelbeeren weithin sichtbar orangerot leuchten. Wie
viele Früchte sie trägt, hängt davon ab, wie viel Licht sie
bekommt.

Vielfach wird geschrieben, der Name »Eberesche« komme von


Aberesche und bedeute »falsche Esche«; aufgrund der Ähnlichkeit
der roten Früchte mit denen der Eiben könnte er jedoch auch vom
keltischen Namen für Eibe, »Eburos« (Eibenesche), kommen.

Alle Teile der Eberesche wurden in vorchristlichen Zeiten


hochverehrt, das harte Holz wurde bei rituellen Handlungen und
als Talisman verwendet. Selbst die frühen Christen trugen es als
Schutz gegen Zauberei. Auch Spindeln wurden daraus gedrechselt.

An Steinkreisen wurden Ebereschen gepflanzt, weil sie die Seelen


beflügelten. Lebensruten wurden aus ihren Zweigen geschnitten,
womit im Frühjahr zur Tagundnachtgleiche am 21.3. die
Menschen und Tiere geschlagen wurden, um sie zu neuem Leben
zu erwecken. Quickbaum war ein anderer Name für Eberesche,
weil sie erquickt, also belebt und erfrischt.

Die Knospen und jungen Blätter kann man ernten und mit Zucker
verreiben, das verleiht der Masse einen köstlichen Geschmack
nach Mandeln und Marzipan.

Dass Vogelbeeren für den Menschen giftig sind, ist ein


hartnäckiger Aberglaube. Tatsächlich sind sie im Rohzustand
ungenießbar, getrocknet oder gekocht, etwa mit Äpfeln, Birnen
oder Holunderbeeren zu Kompott oder Marmelade verarbeitet,
schmecken sie jedoch sehr gut und besitzen durch den hohen
Vitamin-C-Gehalt sogar eine Heilwirkung. Traditionell werden
die Beeren, die eigentlich kleine Äpfel sind, im Spätherbst nach
dem ersten Frost geerntet – wenn die Vögel noch welche übrig
gelassen haben. Man kann die Beeren aber auch früher pflücken
und einfrieren. Auch durch das Einfrieren verlieren sie die
Giftigkeit.

Ein Tee aus den Früchten, Blüten und Blättern wirkt blutreinigend
und antirheumatisch. Ein beliebtes Sängermittel ist es, zur
Stimmbandpflege 5 bis 8 getrocknete Beeren am Tag zu lutschen.
Eine sehr wohlschmeckende Vogelbeerentinktur soll bei erhöhtem
Augeninnendruck helfen: Dafür 1 Handvoll frische Beeren in
einem Marmeladenglas mit so viel Grappa übergießen, dass die
Früchte gut bedeckt sind, 6 bis 8 Wochen ziehen lassen und
anschließend abseihen. Wie bei den anderen Urtinkturen auch ist
die Dosierung 3-mal 3 Tropfen am Tag, bei Bedarf mehr.

Das Gemmopräparat aus den Knospen soll einen guten Einfluss


auf die Fließeigenschaften des Blutes haben und den Darm- sowie
den Atemtrakt stärken. Allgemein stärkt es die Lebensfreude.

Die Eberesche gibt uns Schutz, sie reinigt Blut, Augen und Seele und befreit
uns von negativen Gedanken – damit wir auf neue Ideen kommen und
Lösungen finden, die bunt, hell und schön sind.

KRÄUTER UND ANDERE PFLANZEN IM MÄRZ

Huflattich (Tussilago farfara)

Heilwirkungen: hustenstillend, gegen Heiserkeit und Erkältung

Der Huflattich wächst als kleine Staude an Wegrändern und in


Steinfugen, in lichten Wäldern und auf Schuttplätzen. Schon der
lateinische Name verrät die Wirkung der Pflanze; übersetzt heißt
er: »Ich vertreibe den Husten und habe mehlige Blätter.«

Seine gelben Blüten sind die ersten, die etwas Farbe ins Frühjahr
bringen. Wir können sie ernten, trocknen und als Tee trinken –
allerdings nicht über viele Wochen, denn der Huflattich enthält
Pyrrolizidinalkaloide, Stoffe, die im Verdacht stehen, die Leber zu
schädigen. Neuesten Forschungen zufolge sind die Alkaloide des
Huflattichs aber weitgehend ungefährlich. Einige Wochen lang
unter andere Kräuter gemischt, helfen die Blüten sehr gut gegen
Heiserkeit, Erkältung und jede Art von Husten. Calendulablüten,
Schafgarbe, Lindenblüten, Salbei und Thymian sind eine gute
Beimischung für diesen Tee.

Die großen Blätter, die erst später wachsen, wenn die Blüten
schon vergangen sind, kann man ebenfalls trocknen. Ich mische
sie ebenfalls gern unter die Teemischung.

Wer mag, kann die getrockneten Blätter zu Zigarren rollen und


rauchen. Das ist einerseits eine Möglichkeit, sich das Rauchen
abzugewöhnen, und andererseits sogar gesund, denn es werden die
Bronchien geweitet, die Schleimhäute regenerieren – einen
Versuch ist es wert! Nichtraucher können die getrockneten Blätter
auch verglimmen lassen und den Dampf einatmen.

Pferde wurden mit Huflattich gefüttert, bevor man sie auf den
Markt führte, um sie zu verkaufen, damit sie feuriger aussahen.

Scharbockskraut (Ranunculus ficaria)

Heilwirkungen: gegen Vitamin-C-Mangel und Skorbut

Die kleine Staudenpflanze wächst im Wald, wo sie sich unter den


noch kahlen Bäumen ausbreitet. »Scharbock« war der alte Name
für Skorbut, die Vitamin-C-Mangel-Krankheit. Und genau
dagegen hilft das Scharbockskraut nach dem zehrenden Winter.
Wir können die etwas scharfen, bitteren Blätter essen, aber nur,
solange das Kraut noch nicht blüht, denn dann nehmen die
Reizstoffe überhand. Die kleinen, fleischigen, rundlichen,
dunkelgrünen Blätter esse ich gerne frisch im Salat, auf einem
Butterbrot oder pur, getrocknet verlieren sie die Schärfe. Die
Blüten mit 8 bis 12 buttergelben, glänzenden Blütenblättern
leuchten gemeinsam mit dem Huflattich als Erste im Jahr. Sobald
die Blätter an den Bäumen wachsen, vergeht das Scharbockskraut
schon wieder.

Brunnenkresse (Nasturtium officinale)

Heilwirkungen: blutreinigend, verdauungs- und


empfängnisfördernd, hilfreich bei Gelbsucht und Fieber

Wie alle Kressearten schmeckt auch die Brunnenkresse scharf und


wirkt belebend. Sie wächst an klaren, fließenden Gewässern. Wir
können sie ernten und sofort frisch essen. Dabei sollten wir
allerdings darauf achten, dass wir nicht unterhalb einer Viehweide
sammeln, denn dort könnten sich Larven des großen Leberegels
tummeln. Wenn Sie sich nicht sicher sind, können Sie die Blätter
vor dem Verzehr blanchieren.

Hildegard von Bingen empfahl die Brunnenkresse gedünstet bei


Gelbsucht und Fieber. Sie galt als die edelste der Kressearten und
als solche war sie auch gern Bestandteil der Neunkräutersuppe
oder der Frankfurter Grünen Soße. Brunnenkresse enthält die
Vitamine A, C, D und vor allem E, aber auch Jod, Kalium, Eisen
und Senföle. Zudem wird ihr eine blutreinigende sowie eine
verdauungs- und empfängnisfördernde Wirkung nachgesagt. Aber
allein schon sie zu sehen in klarem, sauberem, glitzerndem
Wasser erfrischt das Gemüt. In der Volksheilkunde kannte man
ein interessantes Rezept gegen Lungenerkrankungen, bei dem
Brunnenkresse mit Ziegenmilch vermischt und drei Tage
eingegraben wurde.

Veilchen (Viola odorata)

Heilwirkungen: Husten, Kopfschmerzen, hoher Blutdruck werden


gelindert; Narben heilen besser

Veilchen wachsen als kleine Stauden an Waldrändern, Gräben,


Gebüschen und Hecken. Sie waren die Lieblingsblumen meines
Vaters, ihre Blüten erinnern mich bis heute an seine klaren, blauen
Augen. Das Veilchen wächst in meinem Garten seit dem Jahr, in
dem er starb. Ich glaube, dass er sie mir geschickt hat, und bin
ihm dankbar dafür. Wie bei vielen anderen der frühen
Frühlingspflanzen sollen auch beim Veilchen die ersten drei
Blüten, die man isst, besondere Heilkraft haben. Sie sollen das
ganze Jahr vor Krankheit schützen.

Das Veilchen vermittelt Bescheidenheit und Zähigkeit und betört


mit seinem Duft. Odoratin, der Duftstoff, beruhigt und senkt den
Blutdruck, Kalzium stärkt die Knochen und die Vitamine A und C
stärken das Immunsystem. Vielfache Anwendung findet es in der
Küche und als Heilmittel. Die Blüten im Salat oder zum Dessert
sind wunderbar. Legt man sie in Essig ein, erlebt man im wahrsten
Sinne des Wortes ein blaues Wunder. Ist die Farbe ausgezogen,
sollte man den Auszug dunkel aufbewahren. Getrocknet im Tee
wirken Kraut und Blüten der Veilchen gegen Husten,
Kopfschmerzen und Bluthochdruck.

Mein Lieblingsrezept aber ist die Narbensalbe von Hildegard von


Bingen. Sie soll gesagt haben, die Salbe erweiche alles – was sich
mit ihrer Hilfe nicht erweichen lasse, solle in diesem Leben auch
nicht mehr weich werden!
• Veilchensalbe nach Hildegard von Bingen:
20 g frisches, blühendes Veilchenkraut sehr fein zerkleinern und im
Wasserbad in einem Gemisch aus 50 ml Olivenöl und 20 g gereinigtem
Wollfett (Lanolin) aus der Apotheke erwärmen. Durch ein sauberes Tuch
pressen und 7 g verflüssigtes Bienenwachs unterrühren. Die Mischung
etwas abkühlen lassen, 2 bis 4 Tropfen Rosenöl unterrühren, in ein
sauberes Glas füllen. Im Kühlschrank aufbewahrt hält sich die Salbe ca. 1
Jahr. Sie eignet sich zur Hautpflege sowie zur Nachbehandlung bei
Strahlentherapie.
APRIL

Nun wachsen genügend Kräuter für die Neunkräutersuppe, die dem Körper
nach der Winterzeit neue Energie schenkt.

• Neunkräutersuppe (3 bis 4 Personen):


Ein festes Rezept für die Suppe gibt es nicht, es wurden die Kräuter
verwendet, die gerade wuchsen. Das einzige Kraut, das sicher
dazugehörte, ist der Gundermann. Davon werden allerdings nur wenige
Blätter verwendet, sonst schmeckt er zu stark vor. Als weitere Kräuter
kommen Bärlauch, Brennnessel, Knoblauchsrauke, Giersch, Löwenzahn,
Schafgarbe, Gänseblümchen, Spitzwegerich, Sauerampfer, Vogelmiere,
Kresse, Bibernelle, Scharbockskraut, Taubnessel, Birkenblätter,
Wiesenschaumkraut, Rauke, Melde und Labkraut infrage. Auch
Küchenkräuter wie Schnittlauch, Kerbel, Liebstöckel, Salbei oder Dill
können verwendet werden. Neun Kräuter sollten es aber sein, denn die
Neun ist eine heilige Zahl.
Je 1 Handvoll Kräuter – außer Gundermann und Gänseblümchen, davon
nur etwa 9 Blätter bzw. Blüten pro Person – waschen, trocken tupfen und
klein schneiden. 2 fein gehackte Zwiebeln in 2 EL Butter oder Öl anbraten, 2
EL Mehl darüberstäuben und unter Rühren mit 1 l Gemüsebrühe aufgießen.
5 Minuten köcheln lassen. 5 gekochte, klein geschnittene mehligkochende
Kartoffeln, die Kräuter und 200 g Sahne dazugeben, kurz ziehen lassen und
anschließend mit dem Stabmixer pürieren. Mit Salz, Pfeffer und eventuell
Essig abschmecken. Mit Gänseblümchen dekoriert servieren.

BÄUME IM APRIL

Weide (Salix alba)

Heilwirkungen: schmerzlindernd und fiebersenkend; gut bei


Hexenschuss, Gicht, Rheuma

Die Weide steht gern am oder sogar im Wasser, einige Arten


neigen sich dem Wasser zu. Sie fangen das Licht von unten ein
und können so schneller wachsen. Wir kennen die Weide als
Baum der Trauer, dabei ist sie ein äußerst vitaler Baum mit der
größten Fähigkeit zur ständigen Erneuerung!

Weiden sind Flachwurzler, die vom Sturm oder Hochwasser


umgeworfen werden können. Sie schaffen es, in misslichen Lagen
immer neu auszutreiben. Selbst aus im Wasser liegenden
abgebrochenen Stämmen kann die Weide wieder wachsen und
zeigt ihren extremen Lebenswillen.

Es gibt viele Arten, die sich alle gegenseitig befruchten können.


Meist wird die Weide nicht sehr alt, aber sie zählt wie die
Haselnuss oder die Eibe zu den potenziell unsterblichen Bäumen.
Oft geht ein neuer Baum aus einem umgeworfenen viel älteren
hervor.

Ihre ungeheure Regenerationskraft zeigt sich auch darin, dass es


ihr nichts ausmacht, beschnitten zu werden. Im Gegenteil, sie
treibt dann umso stärker wieder aus. Es reicht, eine Rute in den
Boden zu stecken, und die Weide wurzelt, wenn sie genug
Feuchtigkeit erhält.

Im März und April blühen die Kätzchen, sie sind eine begehrte
frühe Bienenweide.

Das Holz der Weide ist weich und nicht sehr haltbar, die Ruten
aber waren bis zur industriellen Revolution ungeheuer wichtig.
Sie wurden vielfältig eingesetzt: für Körbe, Möbel, Krippen und
Zäune. Sogar Särge wurden aus den Ruten geflochten, und auch
Hexenbesen sollen aus ihnen gebunden worden sein.

In der Weidenrinde wurde das Salicin entdeckt, der Stoff, der im


Körper zu Salicylsäure umgebaut wird – wir kennen ihn als
Aspirin. Schon lange nutzten die Menschen die Rinde, um
Hexenschuss, Gicht, Rheuma, allgemeine Schmerzen,
Kopfschmerzen und Fieber zu behandeln. Für den schmerz- und
fiebersenkenden Tee wird 1 EL der getrockneten Rinde abends in
½ l kaltem Wasser angesetzt. Am nächsten Morgen lauwarm
erwärmen und über den Tag verteilt trinken. Da die Rinde die
Magenschleimhaut ziemlich reizen kann, ist sie nicht jedem zu
empfehlen. Andere Pflanzen, z. B. das Mädesüß, enthalten
ebenfalls Salicin, sind aber wesentlich milder.

Hildegard von Bingen hielt wenig von der Weide, ihr war die
Weide schon wegen ihrer großen Fruchtbarkeit grundsätzlich
suspekt. Edward Bach hingegen setzte auf die lebensbejahende
Seite des Baumes und stellte sein Mittel Willow aus der Weide
her. Es soll denjenigen helfen, die sich als Opfer und vom
Schicksal betrogen fühlen, und ihnen einen Weg in ein freies,
selbstbestimmtes Leben zeigen.

Früher galt die Weide als Hexenbaum – möglicherweise weil sie


mit ihren hängenden Zweigen so traurig und ein wenig unheimlich
aussieht und zahlreiche Merkmale einer starken Weiblichkeit
trägt. Früher hieß es, junge Mädchen verschwänden in einer
hohlen Weide und tauchten als fauchende Katzen wieder auf.

Bei unseren germanischen Vorfahren war die Weide ein Toten-


und Gespensterbaum, und es galt als Zeichen der Entehrung und
des Verschmähtseins, wenn man einen Weidenzweig trug.

Die Kirche rehabilitierte die Weide, sie wurde der keuschen Maria
zugesprochen. Die Rinde, die das Fieber kühlt, kühle auch die
Lüste, hieß es; fortan wurden die Zweige mit den Kätzchen als
Palmwedel bei Osterfeierlichkeiten eingesetzt.

Wir können die Weide als Quelle der Lebenskraft ansehen, die uns aufzeigt,
dass es möglich ist, immer wieder aufzustehen und das Leben von Neuem in
die eigenen Hände zu nehmen.

Lärche (Larix decidua)

Heilwirkungen: bei Husten und Erkältungen; gegen Pickel,


Entzündungen und Insektenstiche; als Zugsalbe

Die Lärche gehört zwar zu den Kieferngewächsen, wirft im


Gegensatz zu den anderen Nadelgehölzen im Winter aber ihre
zarten Nadeln ab. Zäh und anpassungsfähig wächst die Lärche auf
allen Böden und unter schwierigen Bedingungen bis ins raue
Hochgebirge hinauf. Solange sie ausreichend Licht bekommt,
machen ihr Hitze, Trockenheit und Kälte nicht viel aus.

Im Alpenraum heißt es, in der Lärche wohnten die Saligen oder


Seeligen, liebevolle, anmutige Wesen, die den Menschen
wohlgesonnen sind. Bis heute können wir unter einer Lärche
Frieden und Freundlichkeit spüren.

Das Holz ist sehr hart und fest und wurde früher außer zum Bauen
und Tischlern auch für Schutzamulette und reinigende
Räucherungen verwendet. Kleine Kügelchen des Harzes kann man
gegen Husten und Erkältungen kauen, es enthält ätherisches Öl
und Harzsäuren, die antiseptisch wirken.
Das Harz, auch Lärchenterpentin genannt, ist ein wichtiger
Bestandteil der Basisharzsalbe, einer Heilsalbe für alles »Rote«:
Pickel, Entzündungen und Insektenstiche. Solange die Haut nicht
verletzt ist, kann man sie gut als Zugsalbe einsetzen. Sie dringt
tief ins Gewebe ein und holt die Erreger heraus.

Die Lärche schützt nicht nur im Winter die Lippen vor Kälte, sie tut uns das
ganze Jahr über etwas Gutes. In ihr wohnen nur freundliche Wesen.

• Basisharzsalbe:
5 Teile Johanniskrautöl oder Olivenöl in einem Emailletopf erwärmen, 5 Teile
Harz einrühren und schmelzen lassen. 1 Teil Bienenwachs in kleinen
Stückchen unterrühren oder in einem anderen Topf schmelzen und bei
ungefähr gleicher Temperatur zur Harzmischung geben. Heiß in Töpfchen
abfüllen, abkühlen lassen, anschließend die Töpfchen verschließen. Die
Salbe ist lange haltbar und kann mit Öl von Thymian oder Myrrhe zur
Lungenheilsalbe ausgebaut werden, mit der man bei Husten die Brust
einreiben kann.

• Lärchensirup:
Die jungen Lärchentriebe mit Zitronenspalten und Zucker etwa 15 Minuten in
Wasser auskochen. Anschließend heiß in Flaschen füllen. Das ergibt einen
frischen, aromatischen Sirup, der Husten und Erkältungen lindert und
einfach gut schmeckt!

KRÄUTER UND ANDERE PFLANZEN IM APRIL

Brennnessel (Urtica dioica)

Heilwirkungen: blutreinigend, entwässernd; bei Eisenmangel;


gegen Gicht und Rheuma

Die Brennnessel wächst in der Nähe der Menschen, sie reinigt den
Boden von zu viel Stickstoff, gerne zusammen mit dem Holunder.
»Wenn die Brennnessel sich nicht so gut zur Wehr setzen könnte,
gäbe es sie gar nicht mehr«, lautet mein Lieblingsspruch zu ihr.
Sie ist überaus kostbar und hat Menschen und Tieren so viel zu
geben!

Als Gemüse wie Spinat gegessen, als Tee getrunken, als Tinktur
eingenommen – in jeder Form tut die Brennnessel den Menschen
gut. Sie ist eine der wenigen Pflanzen, die den Körper mit Eisen
versorgen. Eisen wirkt blutbildend, weswegen die Brennnessel
Schwangere, Stillende und Genesende stärkt.

Wir kennen sie als blutreinigende Pflanze. Sie leitet über die
Nieren Giftstoffe aus, wirkt entwässernd und hilft gegen Gicht
und Rheuma.

Sie kann sich gut abgrenzen und bringt uns mit ihren Brennhaaren
sofort wieder ins Hier und Jetzt, wenn wir ihr unaufmerksam
begegnen! Das Brennen machen sich Menschen mit
Taubheitsgefühlen und Schmerzen in Gelenken zunutze. Sie
schlagen sich mit einem Büschel Brennnesseln auf die betroffenen
Stellen und stimulieren sie. Oft verschwinden die Schmerzen und
das Taubheitsgefühl. Das Gegenmittel gegen das Brennen ist der
Ampfer, der meist in der Nähe der Brennnessel wächst. Wenn sie
zu stark brennt, empfiehlt es sich, ein Ampferblatt auf die
schmerzende Stelle zu reiben.

Im Frühjahr schneidet man für den Tee die obersten Enden der
Brennnessel ab und legt sie zunächst für ein paar Stunden in die
Sonne, um ihre Wirksamkeit zu verstärken. Nicht viele Pflanzen
vertragen dies, aber die Brennnessel fühlt sich ganz anders an,
wenn sie noch einen Tag in der Sonne lag. Es zeigt sich dann ihr
Inneres, das sie so gut beschützt, sie wird ganz weich und
verletzlich. Nicht nur Allergiker sollten viel Brennnesseltee
trinken, er hilft auch dabei, sich nach außen besser abzugrenzen
und innerlich Ruhe zu bewahren.

Es empfiehlt sich, jeden Morgen eine große Tasse davon zu


trinken, solange das Bedürfnis danach besteht, auch die frische
Pflanze kann mit heißem Wasser aufgegossen werden. Nach einer
langen Anwendung kann der Tee austrocknend wirken, man sollte
ihn also nicht länger als einige Wochen hintereinander trinken.
Die Brennnesselbüschel wurden früher in der Küche aufgehängt
und aufbewahrt, dann waren sie immer zur Hand und vertrieben
gleichzeitig die Fliegen.

Ab dem Hochsommer bildet die Brennnessel Früchte, auch Samen


genannt, wahre Powerkügelchen, die nichts kosten und in keinem
Haushalt fehlen sollten. Es gibt männliche und weibliche
Pflanzen. Die männlichen Samen hängen an schmalen Fädchen,
die weiblichen bilden kleine Büschel. Diese Büschel werden
gesammelt. Wenn man vorsichtig vorgeht, kann man sie ohne
Handschuhe abzupfen. Auch sie sollten in der Sonne, am besten
auf einem weißen Tuch liegend, noch einen Tag getrocknet
werden. Dann haben auch die kleinen Tierchen, die sich an ihr satt
essen wollten, die Chance wegzulaufen. Zur allgemeinen Stärkung
und im Krankheitsfall jeden Tag 1 TL der Samen essen, aufs Brot,
ins Müsli oder in anderes Essen gestreut. Die Samen sollen ein
Aphrodisiakum für Männer sein. Frauen helfen sie dabei, die
Willenskraft zu entdecken und Kraft und Zähigkeit zu erfahren.
Aus ihren Fasern wurden noch im Zweiten Weltkrieg besonders
stabile Stoffe gefertigt. Auch im Märchen kommt die Brennnessel
vor: In den Sechs Schwänen muss die Schwester für ihre
verwandelten Brüder Hemden aus Brennnesseln stricken und
schweigen, um sie zu erlösen.

Hirtentäschel (Capsella bursa pastoris)

Heilwirkungen: stillt Blutungen, wirkt blutdruckregulierend; regt


die Darmperistaltik an und befreit die Bronchien

Dieses kleine, zarte Kraut wächst an sonnigen Stellen in jedem


Garten, an vielen Wegen und neben Hecken. Man kann es nicht
verfehlen, wenn man auf die kleinen, herzförmigen Nüsschen
achtet, die am Stängel abstehen. Es wächst fast das ganze Jahr
über, sodass wir den Tee jederzeit aus der frischen Pflanze
zubereiten können. Dafür wird ungefähr eine Pflanze ohne Wurzel
pro Tasse verwendet. Getrocknet verliert das Kraut schon nach
kurzer Zeit seine Wirkung.

Das Kraut mit seinen Gerbstoffen und Histaminen hilft gegen


Blutungen jeder Art. Es reguliert den Blutdruck und wirkt
anregend auf die Darmperistaltik sowie die Funktion der
Bronchien. Die Nüsschen sind umso leckerer, je jünger und grüner
sie sind. Und auch die Blättchen können wir zum Kochen oder in
Salat verwenden. Sie schmecken kohlähnlich. Schon das Kraut in
der Hand zu halten oder es anzuschauen soll helfen, eine Blutung
zu stillen. Auch als Liebesorakel wurde das Hirtentäschel
verwendet: »Ich lieb dich von Herzen, mit Schmerzen, ein wenig,
fast gar nicht« wurde wiederholt, bis alle kleinen Nüsschen
abgepflückt waren.
Löwenzahn (Taraxacum officinale)

Heilwirkungen: stoffwechselfördernd, stärkt die Leber, regt den


Gallenfluss an; unterstützt die Wundheilung; stärkt Haut, Haare
und Knochen

Der Löwenzahn wächst auf stickstoffreichen Böden überall da, wo


er will. Ihn anzupflanzen ist schwierig. Es gibt viele verschiedene
Arten des Löwenzahns, die sich alle untereinander kreuzen.
Wächst er an einem ungünstigen Standort, wandelt er seine
Fortpflanzung um und braucht nicht einmal einen Partner dazu!

Er reinigt den Boden und ist eine der wenigen Pflanzen, die im
Gegensatz zu den meisten Kräutern und Regenwürmern mit der
Überdüngung der Wiesen fertigwerden. Also sollten wir gut
darauf achten, wo wir ihn sammeln!

Alles an der Pflanze ist essbar, auch die Stängel mit dem
milchigen Saft. Für eine Reinigungskur für Leber und Gallenblase
wird empfohlen, in der 1. Woche 1 Stängel am Tag, in der 2.
Woche 2 und in der 3. Woche 3 bis 4 zu essen.

Die Blätter ergeben einen bitteren Salat und sind auch gedünstet
noch recht bitter. Knospen und Wurzeln hingegen schmecken
gebraten sehr lecker, auch die Blüten können wir roh oder gekocht
essen. Früher wurde die Wurzel geröstet und gemahlen als Kaffee-
Ersatz verwendet.

Der Löwenzahn regt im Frühjahr Stoffwechsel und Gallenfluss an.


Am stärksten ist hierbei die Wirkung des frisch gepressten Safts
der ganzen Pflanze, solange sie noch nicht zur Pusteblume
geworden ist. Für eine Kur nehmen wir 2 Wochen lang jeden Tag
2 EL frisch gepressten Saft zu uns. Das Zahnfleisch wird fester,
Wunden heilen besser, Haut, Haare und Knochen werden stärker;
der ganze Organismus kommt in Schwung! Der Löwenzahn
enthält seltene Bitterstoffe, Flavonoide und Cumarine. Das Kraut
kann mit dem Mineralstoff Kalium punkten, die Wurzel mit
Schleimstoffen und Inulin. Um die Kraft des Löwenzahns über das
Jahr zu bewahren, koche ich Löwenzahnblütenhonig.

Aus den weggepusteten Samen ließen sich viele Orakel ablesen:


So viele Samen auf dem Blütenboden stehen bleiben, so viele
Jahre sind es noch bis zur Hochzeit oder so viele Jahre wird man
noch leben. Ist der Blütenboden weiß, kommt man in den Himmel,
ist er schwarz, in die Hölle.
• Löwenzahnblütenhonig:
Löwenzahnblüten – ca. 2-mal die Menge, die man mit beiden Händen fassen
kann – waschen. 1 unbehandelte Zitrone in Stücke schneiden, mit den
Löwenzahnblüten in 1 l Wasser geben und langsam zum Köcheln bringen.
Den Topf vom Herd nehmen und über Nacht kühl stellen. Am nächsten
Morgen die Blüten durch ein Sieb gießen, dabei fest auspressen und die
Flüssigkeit auffangen. 1 kg Zucker unter die Flüssigkeit rühren und lange bei
geringer Hitze köcheln lassen. Dabei immer wieder gut umrühren. Sobald
der Sirup eine honigartige Konsistenz hat – was ein paar Stunden dauern
kann –, ist er fertig und kann in Gläser abgefüllt werden. Er hält ungekühlt
etwa 1 Jahr lang und ist wie Honig verwendbar.

Nelkenwurz (Geum urbanum)

Heilwirkungen: beruhigt Haut und Schleimhaut, ist gut für das


Zahnfleisch

Die Nelkenwurz können wir leicht in unserer Nähe finden: Sie


wächst im Halbschatten in Gärten, in lichten Wäldern, an Wegen
und Ufern. Im Frühjahr trägt sie kleine gelbe Blüten und wächst
etwa 30 bis 100 Zentimeter hoch, im Herbst klebt sie mit ihren
kleinen Kletten fest an unserer Kleidung und mag uns gar nicht
verlassen, so lieb hat sie uns. Wie auch die Nelke enthält sie ein
ätherisches Öl, das Eugenol, das in der Zahnheilkunde zur
Desinfektion und zur Schmerzlinderung verwendet wird. Aus ihrer
Wurzel wurde früher ein Ersatzstoff für das damals teure
Nelkengewürz hergestellt.

Der Tee aus dem getrockneten Kraut macht gute Laune, beruhigt
Haut und Schleimhaut und ist gut für das Zahnfleisch sowie die
Darmwände. Hildegard von Bingen, die sich auch in diesen
Dingen auszukennen schien, machte aus der Nelkenwurz einen
Liebestrank: Im April die Wurzeln ausgraben, weil sie dann die
größte Kraft haben, säubern, zerkleinern und 2 Stunden bis zu 3
Tagen in Weißwein legen, je nachdem, wie kräftig er sein soll.
Der Wein »entflammt zur Liebe und erquickt das Herz«, wusste
sie. Für schöne Frühlingsgefühle!

Petersilie (Petroselinum crispum)

Heilwirkungen: hilft bei Blasenerkrankungen und spült die


Harnwege durch; bei Herzbeschwerden und zur Nachbehandlung
eines Infarkts

Dieses Kraut kennt nun jeder, es ist das beliebteste Küchenkraut


bei uns – und auch ein Heilkraut. Wild sollten wir es lieber nicht
sammeln, da es eine giftige Verwandte hat, die Hundspetersilie,
die der glatten Petersilie sehr ähnlich sieht. Doch jeder kann sich
ein Töpfchen im Garten, auf dem Balkon oder am sonnigen
Fenster ziehen und hat das ganze Jahr über frisches Vitamin C.
Als Heilkraut dient der Wurzel- oder Blättertee zur Durchspülung
der Harnwege und hilft bei Blasenerkrankungen. Hierfür setzen
wir 1 TL Wurzel und Kraut in kaltem Wasser an und kochen es
kurz auf. Nach 2 Minuten abseihen, täglich 2 Tassen davon
trinken. Die Wurzel zu essen ist sehr harntreibend, und da sie das
ätherische Öl Apiol enthält, wirkt sie auch sexuell stimulierend.

Mein Lieblingspetersilienmittel ist der Hildegard-von-Bingen-


Herzwein, den ich jedes Jahr koche, sobald ich die erste Petersilie
bekomme, die im Freien gewachsen ist. Ein schönes, beruhigendes
Mittel bei unklaren, nervösen Herzbeschwerden, das schnell wirkt
und zudem die Milz stärkt. Auch bei chronischen Herz-Kreislauf-
Beschwerden und nach einem Infarkt zur Beseitigung der
Restschmerzen kann er eingesetzt werden. Oder nach einer
Anstrengung, einer Reise und zur Begrüßung. Ich verteile ihn auch
gern zu Beginn eines Kurses.

Wer mag, kann sich mit Petersilie waschen, das soll schön
machen.
• Petersilien-Herzwein nach Hildegard von Bingen:
1 l Bio-Rotwein, 10 große Petersilienstängel, 2 EL Essig und 150 bis 200 g
Honig in einen ausreichend großen Topf geben – es kann stark schäumen!
– und 5 Minuten köcheln lassen. Etwas abkühlen lassen und in Flaschen
abfüllen. Hält ca. 1 Jahr auch ohne Kühlschrank. Täglich bis zu 3-mal ein
Likörgläschen davon trinken. Wenn der Herzwein im Kühlschrank
aufbewahrt wird, vor dem Runterschlucken im Mund warm werden lassen.

Bärlauch (Allium ursinum)

Heilwirkungen: reinigt die Gefäße, senkt den Blutdruck,


desinfizierend

Am Bärlauch ist alles essbar! Blätter, Zwiebel und Blüten sollten


am besten frisch gegessen werden. Die Früchte lassen sich wie
Kapern in Essig einlegen. Aber Vorsicht: auf keinen Fall mit dem
giftigen Maiglöckchen oder der ebenfalls giftigen Herbstzeitlose
verwechseln (siehe dazu auch Farbtafelteil)! Je früher wir
sammeln, desto sicherer können wir sein. Bärlauchblätter sind
weich und riechen nach Knoblauch. Der Bärlauch putzt die
Gefäße, senkt den Blutdruck, desinfiziert und hilft dem Körper,
Eisen aufzunehmen. Jeden Tag sollten wir 10 Blätter essen,
solange er wächst!

Der Bär war der Frühlingsbringer der Germanen. Wenn er


erschien, war der Bann des Winters gebrochen, die Erde wurde
wieder fruchtbar.
• Bärlauchpesto:
Eine Schüssel voll Bärlauchblätter waschen, trocken tupfen und sehr fein
schneiden oder mit dem Stabmixer pürieren. Mit Olivenöl (pro Tasse Blätter
ca. 1 EL Öl) vermischen und mit Salz abschmecken, in saubere
Marmeladengläser füllen, oben noch 1 Zentimeter frei lassen und mit einer
Ölschicht bedecken. So bleibt das Pesto auch im Kühlschrank lange frisch,
im Gefrierfach noch länger. Es passt ausgezeichnet zu Nudeln oder
Kartoffelbrei.

Stiefmütterchen (Viola arvensis)

Heilwirkungen: hilft bei Hautunreinheiten und Milchschorf

Auf Äckern, an Wegrändern und auf Wiesen sind sie noch zu


finden, die kleinen, wilden Verwandten derer, die es im
Gartenmarkt zu kaufen gibt. Im Gegensatz zu diesen hat das wilde
Stiefmütterchen mit seinen Saponinen und Gerbstoffen eine
Heilwirkung bei Hautproblemen. Dafür wird das frische, blühende
Kraut gesammelt und getrocknet. Als Tee getrunken oder als
Kompresse aufgelegt, beruhigt und reinigt das Stiefmütterchen
Unreinheiten und Milchschorf. Stillende Mütter können den Tee
sowohl selbst trinken als auch dem Kind im Fläschchen geben;
oder sie streuen ein paar Blüten ins Babybadewasser.

Das Stiefmütterchen verdankt seinen Namen seiner Blütenform:


Die oberen beiden Blütenblätter sind die Mutter, die beiden
seitlich anschließenden sind ihre Töchter, und die Stieftöchter
müssen sich mit dem unteren Blütenblatt begnügen. Man hat es
nicht gern gesehen, wenn ein Kind Stiefmütterchen ins Haus
brachte, denn dadurch würde es eine Stiefmutter anziehen, hieß es.

Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata)

Heilwirkungen: blutreinigend, blutverdünnend und


blutdruckregulierend; hält den Darm gesund

Im Park, im Garten und in Gebüschen wächst die


Knoblauchsrauke. Eine bescheidene Pflanze, die nicht viel
Aufhebens um sich macht, es gibt keine aufregenden Geschichten
über sie. Sie ist einfach da und ersetzt den intensiveren
Knoblauch. Ungefähr 1 größerer Zweig der Knoblauchsrauke
ersetzt ½ Knoblauchzehe. Sie lässt sich gut am Geruch erkennen,
wenn man die herzförmigen, gezahnten, weichen Blätter zerreibt.
Sie hat kleine, weiße Blüten und wird fast 1 Meter groß.

Sie schmeckt nach Knoblauch und wirkt wie er: blutreinigend,


blutverdünnend und blutdruckregulierend. Ernten sollten wir sie,
bevor sie blüht, denn dann schmeckt sie am besten: im Salat, auf
dem Butterbrot oder auch einfach so. Der etwas scharfe
Geschmack kommt von den Senföl-Glykosiden, die Keime und
Pilze aus dem Darm vertreiben. Sie gehört unbedingt in die
Neunkräutersuppe.

Giersch (Aegopodium podagraria)

Heilwirkungen: harntreibend und entsäuernd; hilft gegen Gicht

In England sagt man, es gebe nur ein Mittel gegen Giersch: aus
dem Haus mit dem Garten ausziehen, in dem er wächst, denn er ist
unausrottbar. Hat er einmal im Garten Einzug gehalten, bleibt er
gern; bei dem Versuch, seine Wurzeln aus der Erde zu ziehen,
brechen sie sofort ab, und aus jedem noch so kleinen Wurzelteil
treibt er wieder aus. Man muss seine Ausdauer einfach
bewundern! Es kann helfen, dort, wo man ihn loswerden möchte,
Buschbohnen anzupflanzen. Nach der zweiten Ernte soll er
verschwunden sein. Sein lateinischer Name »Podagraria« bedeutet
so viel wie »Gicht heilend«. In der Tat ist Giersch das beste Mittel
gegen Gicht, da er den Körper dabei unterstützt, Ablagerungen zu
lösen und auszuscheiden. Der Tee wirkt harntreibend und
entsäuernd.

Giersch steckt voller Vitamin C, Kalzium, Magnesium und


Phosphor; im Frühjahr können wir ihn roh, gebraten oder gekocht
verzehren oder trocknen und als Tee trinken. Sehr lecker ist es,
einen Stängel jungen Giersch in eine Karaffe Wasser zu legen und
dieses mit Apfelsaft vermischt als Gierschlimonade zu trinken.
Und selbstverständlich gehört auch er in die Neunkräutersuppe.

Gundermann (Glechoma hederacea)

Heilwirkungen: schleimlösend; gut für Magen und Lunge;


kräftigend und erdend
Der Gundermann ist klein und dem Boden sehr nah. Er kriecht und
rankt im Gras und an den Rändern von Beeten, fast das ganze Jahr
über kann man ihn dort finden. Er hat lilafarbene Blüten und
dunkelgrüne, rundliche Blättchen, die sehr aromatisch riechen.

Für die Neunkräutersuppe gibt es kein festgelegtes Rezept, es


wurden die Kräuter verwendet, die man gerade fand. Das einzige
Kraut, das immer darin war, war der Gundermann: Er ist eines der
heiligsten Kräuter der Germanen gewesen. Die Männer banden
sich Kränze aus ihm und setzten sie sich auf den Kopf, damit sie
bei den wilden Festen nicht völlig die Bodenhaftung verloren. Er
schmeckt sehr stark – etwas erdig, etwas nach Pfefferminze –,
deshalb braucht man für die Suppe nicht viel. Auch als Tee kann
man ihn vorsichtig einsetzen – ein paar wenige Blättchen reichen
auch hier, sonst schmeckt er zu stark hervor: Durch seine
Saponine wirkt er schleimlösend, und seine ätherischen Öle sind
gut für Magen und Lunge. Außerdem spendet er dem Körper
Gerbstoffe, Bitterstoffe, Vitamin C und Kalium. Er verleiht Kraft
und verbindet mit der Erde!

Taubnessel (Lamium album)

Heilwirkungen: bei Frauenleiden, stärkt das Immunsystem; heilt


die Schleimhaut, verbessert den Lymphfluss

Die Taubnessel sieht aus wie die Brennnessel, solange sie noch
nicht weiß, gelb oder rosa blüht. Sie steht auch gern direkt neben
ihr, brennt aber nicht, sondern hat ganz weiche Blätter. Verwandt
mit der Brennnessel ist sie nicht.

Ich habe sie gepresst und verwende sie als Logo für meine Praxis
sowie meinen Blog krautundueben.net, weil ich sie so gern mag.
Als Kind habe ich Stunden damit verbracht, den Nektar aus den
kleinen Blüten herauszusaugen. Scheinbar brauchte ich sie, denn
ich hatte damals Probleme mit der Nasenschleimhaut und
Polypen. Die Taubnessel heilt die Schleimhaut und verbessert den
Lymphfluss. Die größte Wirksamkeit hat die weiße Taubnessel.

Das ganze Kraut mitsamt den Blüten können wir in


Pfannkuchenteig tauchen, in Fett ausbacken und mit Kräuterdip
oder Kompott essen. Das ersetzt jedes Schnitzel!

Die abgezupften Blüten ergeben getrocknet einen


wohlschmeckenden Tee, der das Immunsystem stärkt und bei
Frauenleiden hilft. Auch die ganze Pflanze kann man trocknen und
als Tee trinken. Wenn etwas davon übrig bleibt, kann dieser Tee
auch als Gesichtswasser genutzt werden, das besonders mild
gegen Akne hilft. Wenn wir die Taubnessel mit Schafgarbe
mischen, wird ihre Wirkung noch verstärkt.

Trägt man eine getrocknete Taubnessel bei sich, wird niemand


einem etwas zuleide tun!

Schöllkraut (Chelidonium majus)

Heilwirkungen: gut gegen Warzen; hilft bei Gallenblasen- und


Leberleiden sowie Nervosität und zitternden Händen

Schöllkraut zeigt uns, welche pflanzliche Vielfalt wir auch in


einem städtischen Umfeld vorfinden können. Es hat hübsche,
saftige, gelbe Blüten und wächst an Mauern und Wegen, in Parks
und sogar auf Schuttplätzen.

Den orangegelben Milchsaft, der aus den Stängeln hervorquillt,


wenn man sie abbricht, kann man auf Warzen tröpfeln; manchmal
hat man Glück, und es wirkt.

Schöllkraut ist eine Mohnpflanze und leicht giftig. Deswegen


verwenden wir es nur sparsam in Teemischungen, mit denen wir
Gallenblasen- und Leberleiden lindern wollen, also zusammen mit
Pfefferminze, Brennnessel, Mariendistel, Melisse und ein wenig
Wermut.

Eine andere Anwendung ist das Handbad: 1 Handvoll frisches


Kraut in 1 l Wasser geben, zum Kochen bringen und die Hände
hineintauchen, sobald es handwarm abgekühlt ist. Das beruhigt
die Nerven, und das Zittern der Hände soll dadurch vertrieben
werden.

Schwarze Johannisbeere (Ribes nigrum)

Heilwirkungen: immunstärkend, entzündungshemmend,


antioxidativ, zellschützend, reinigend, entgiftend und sogar
antiallergisch; hilft bei Rheuma, Gicht, Arthrose und
Entzündungen der Atemwege

Die Schwarze Johannisbeere wächst auf gut durchlässigen,


nährstoffreichen Böden und breitet sich aus, wenn ihr ein Platz
gefällt.

Sie hat geradezu sensationell viele Heilwirkungen! Alle Teile der


Pflanze wirken immunstärkend, entzündungshemmend,
antioxidativ, zellschützend, reinigend, entgiftend und sogar
antiallergisch. Hildegard von Bingen war wohl die Erste, die
erkannte, dass die Johannisbeere, wenn man sie mit anderen
Heilpflanzen kombiniert, deren Wirksamkeit erhöht.
Der Saft der Beeren hat mit 170 mg auf 100 g Früchte einen der
höchsten Vitamin-C-Gehalte der heimischen Pflanzen überhaupt;
er wirkt verjüngend, blutreinigend und hält die Gefäße elastisch.
Und das Vitamin C bleibt sogar beim Kochen erhalten. Die
Blätter können getrocknet und zu vitaminreichen und
entschlackenden Tees verarbeitet werden, die in jede
Teemischung passen.

Doch den größten Auftritt hat die Johannisbeere in der


Gemmotherapie, dort ist sie der gefeierte Star. Das
Gemmomazerat enthält das natürliche Kortison, das sich in den
Knospen und jungen Triebspitzen befindet. Es kann
nebenwirkungsfrei weitgehend das Kortison der Schulmedizin
ersetzen. Das Mittel wurde schon vielfach erfolgreich bei
Heuschnupfen, Asthma und Juckreiz eingesetzt, es wirkt
entzündungshemmend bei Rheuma, Gicht, Arthrose sowie
Entzündungen der Atemwege.

Pralles Leben – Mai bis Juli

Bis heute kennen wir den Tanz in den Mai und die
Walpurgisnacht. Der Ursprung dieser Feste liegt bei Beltane, dem
Fruchtbarkeitsfest, das zur Zeit des Maivollmondes stattfand. Es
tanzten die Naturgeister, die Feen und Elfen, die nun alle hellwach
waren.

Der Bär hatte sein Fell abgelegt und zeigte sich als strahlender
Held. Belenos ist einer seiner Namen, der Leuchtende, Strahlende.
Andere Namen sind Bel, Bile oder Baldur. Seine Braut in dieser
Zeit ist die Blumengöttin Belisana. Ihre Wonnezeit beginnt im
Mai. Lustvoll gaben sich auch die Menschen frei und ohne
Schande und Scham der Liebe hin, bis die Kirche dem
rauschhaften Treiben Einhalt gebot.

Geblieben ist uns bis heute in vielen Gegenden der Maibaum, der
festlich geschmückt aufgestellt wird. Der Kranz, in den die Spitze
des Maibaums eingeführt wird, ist ein sexuelles Symbol und ein
Hinweis auf die lustvolle Zeit. Die Menschen gingen »in die
Maien«, in die Natur zu den Haselbüschen und hatten ihre Freude
aneinander. Die Kirche verbot solche Zügellosigkeit, also holten
die Menschen den Baum ins Dorf und feierten da weiter.

Der Mai war Badezeit, Zeit für rituelle Waschungen mit Tau, dem
Wasser, das weder vom Himmel noch aus der Erde stammt. Auch
die Feiernden wurden mit Wasser bespritzt, vermutlich als Regen-
und Fruchtbarkeitszauber.

Im Juni, zur Sommersonnenwende, liegt am 21.6. der


Sommeranfang, der nächsten Kardinalpunkt. Es ist der Höhepunkt
der Herrschaftszeit der Blumengöttin und des leuchtenden
Belenos. Auch um diese Zeit wurde zwölf Tage lang bis in den
Juli hinein gefeiert, denn die Tore zur Anderswelt, zu den Geistern
und Göttern, standen so offen wie zur Zeit der Raunächte nach
Weihnachten.

Die Pflanzengöttin war nun schwanger und mit ihr wohl viele
andere Frauen. Die Natur war voll unreifer, wachsender Früchte,
die ersten Tiere wurden geboren, die Felder wurden gesegnet,
damit das Korn gut wachsen konnte. Die Mittsommerfeste wurden
gefeiert, draußen und mit viel Feuer.

Noch gab es wenig zu ernten, und so war es keine üppige Zeit.


Starke Biere wurden gebraut und teils mit psychoaktiven Kräutern
versetzt. Eine Stärkung und eine mythische Kraftspeise waren die
in Teig ausgebackenen Holunderblüten.

Hellsichtige unter den Feiernden konnten Götter und Wesen


sehen, die mit ihnen feierten, sie konnten mit Tieren sprechen und
so manch anderes Wunder erleben. Wenn sie es jedoch
übertrieben, konnte es durchaus gefährlich werden in dieser
»Johanniszeit« – so wurde diese Zeit genannt, nachdem die Kirche
Johannes an die Stelle von Belenos gesetzt hatte.
Noch heute werden Johanniskräuter gesammelt. Zu ihnen gehören
Johanniskraut, Kamille, Bärlapp, Arnika, Ringelblume, Holunderblüten,
Schafgarbe, Ziest, Eisenkraut, Klette, Kümmel, Königskerze, Gundelrebe,
Blutwurz und andere. Kommendes soll sich im Traum offenbaren, wenn man
neun dieser Kräuter unter das Kopfkissen legt. Bis Anfang August herrschen
die beiden fröhlichen, fruchtbaren Götter, dann vollzieht sich ihre nächste
Wandlung.
MAI

1.5. Fruchtbarkeitsfest Beltane, Walpurgisnacht und Maifeiern, Maibaum

BÄUME IM MAI

Weißdorn (Crataegus laevigata)

Heilwirkungen: wirkt tonisierend und modulierend auf das Herz-


Kreislauf-System; krampflösend; hilft bei Antriebslosigkeit,
Hyperaktivität und Altersflecken

Der Weißdorn wächst auf allen Böden, nicht nur angepflanzt in


Hecken, sondern auch wild in lichten Mischwäldern. Er wird nicht
sehr groß, meist unter 10 Meter, und hat eine knorrige Gestalt. Er
kann 500 Jahre alt werden. Die Wurzeln reichen tief in die Erde
und lassen den Baum langsam, aber ausdauernd wachsen.

Gut erkennbar ist der Weißdorn an den 3- bis 5-lappigen Blättern,


an den spitzen Dornen und im Herbst an den tiefroten Früchten,
die eine Nahrungsquelle für viele Vögel und Kleinsäugetiere
darstellen. Das harte Holz wurde für Haushaltsgeräte, Stiele,
Griffe und Spindeln verwendet, Spazierstöcke aus seinem Holz
helfen bis heute Wanderern, nicht so schnell zu ermüden.

Der Weißdorn war bei Frühlingsfesten und Feiern rund um den 1.


5. immer präsent. Die Blüte des Weißdorns im Mai ist
wunderschön, eine weiße Wolke. Noch heute wird den
Maiköniginnen vielerorts der Weißdorn-Blütenkranz auf den Kopf
gesetzt. Doch wenn man daran riecht, merkt man, warum die
Blüte vor allem solche Insekten anlockt, die gerne Aas fressen:
Sie riecht eindeutig nach Fisch.

Wie der Apfel gehört auch der Weißdorn zur Familie der
Rosengewächse. Stelle ich mir diese Familie vor, tauchen vor
meinem inneren Auge sofort Bilder von Glück, Leichtigkeit,
Frische, Fruchtbarkeit und Unschuld auf. Eine nette Familie, mit
der sich jeder gern befreunden mag. Der Weißdorn hat die
kräftigsten Dornen und ist der wehrhafteste dieser Familie.

In vielen Kulturen galt er als heiliger Baum, zahllose Geschichten


ranken sich um ihn. Oder eigentlich rankt er sich um die
Geschichten. Schneeweißchen und Rosenrot sowie
Dornröschen sind Märchen, in denen es um den Weißdorn geht.
Darin kommt das Motiv von einem magischen Schlaf vor, den der
Weißdorn beschützt. Bei den Kelten und Germanen wurde er als
Schwellenhüter angesehen, der die Höfe und heiligen Haine
beschützte. Oft wächst er noch heute in Hecken, Hagedorn wird er
auch genannt. »Hag« war der Name für die undurchdringliche
Hecke, die den Hof, das kultivierte Land, vor der Wildnis
abschirmte. Die alten weisen Frauen sammelten um die Hecken
ihre Heilpflanzen und wurden Zaunreiterinnen oder
Hagsitzerinnen, Hagazussen genannt. Aus dem Wort wurde das
Wort »Hexe«.

So wie der Weißdorn früher die Höfe und die heiligen Quellen vor
unliebsamen Eindringlingen schützte, so schützt er heute noch das
Heiligste im Menschen: das Herz. Ein Tee aus seinen Blüten,
Blättern und Früchten kann ohne Weiteres über einen langen
Zeitraum hinweg eingenommen werden und wirkt tonisierend und
modulierend auf das ganze Herz-Kreislauf-System. Er enthält
Flavonoide, Amine, Kalium, Kalzium, Phosphor, ätherisches Öl,
Glykoside und Bitterstoffe. Dadurch kann er Krämpfe lösen und
gleicht sowohl Antriebslosigkeit als auch Überaktivität aus,
sodass sich Herz und Nerven beruhigen und stärken können.
Einzig eine Nebenwirkung wird ihm nachgesagt: Er lasse
Altersflecken verschwinden. Wie freundlich von ihm! Das
Gemmopräparat wirkt ähnlich, es soll noch dazu die Gefäßwände
schützen und die Stresstoleranz erhöhen.

Beim Ernten der Blüten und Früchte kann man sein Bewusstsein
trainieren, denn wenn man nicht achtsam vorgeht, bekommt man
sofort die Dornen zu spüren. Streifen Sie Blüten und Blätter
deshalb am besten immer mit einem Handschuh von hinten nach
vorn zur Spitze hin ab.

Die leicht sauren Blätter und die etwas mehligen Beeren geben
Kraft bei einer Wanderung. Für eine Marmelade kocht man die
Beeren etwa 1 Stunde lang und passiert sie dann durch ein grobes
Sieb, um die Kerne zu entfernen.

Wer Schutz sucht, wessen Motor verletzt ist, wer seine Kräfte pflegen und
sammeln will, der suche den Weißdorn, und er wird gestärkt werden.

Linde (Tilia platyphyllos, cordata u. a.)

Heilwirkungen: schweißtreibend und krampflösend;


stimmungsaufhellend und beruhigend; zur Schleimhautpflege

Die Linde ist der größte und schönste Baum von allen, die wir
haben. Das stimmt natürlich so nicht, es gibt noch viele andere
wunderbare Bäume, aber in die Linde kann man sich wirklich
verlieben, so bezaubernd und anmutig ist sie.

Dabei ist sie sehr mächtig, 40 Meter hoch kann sie werden und bis
zu 1000 Jahre alt, vereinzelt noch älter. Stabil steht sie da mit
ihren tiefen Wurzeln, so leicht ist sie nicht umzuwerfen.

Sie gehört zur Familie der Malvengewächse und wie ihre


Verwandten hat sie Eigenschaften und Wirkstoffe, die nach außen
schützen und innen heilen: Schleimstoffe, Gerbstoffe, Flavonoide,
ätherisches Öl, Farnesol und Wachs. Schon an den weichen,
herzförmigen Blättern kann man ihre liebevolle Art erkennen,
auch ihr Name deutet auf die große Sympathie hin, die sie alle
Zeit genoss.

Sie ist noch mehr der deutsche Baum als die Eiche. Fast jedes
Dorf hatte früher seine Linde, unter der gefeiert und Gericht
gehalten wurde. Die Winterlinde ist in ganz Europa bis nach
Sibirien verbreitet, die Sommerlinde bis tief in den Süden. Beide
Arten sind empfindlich gegenüber Luft- und
Bodenverschmutzung. Es sind robustere Mischformen, die in
unseren Parks wachsen und mit der Stadtluft besser
zurechtkommen.

Beliebt ist sie allerdings auch bei Blattläusen, die im Sommer die
Blätter ganz glänzend und klebrig werden lassen. Autos, die unter
Linden parken, kriegen auch etwas von diesem »Himmelstau« ab,
wie die Ausscheidungen auch genannt werden. Die sanften Blätter
wurden gern als Toilettenpapier benutzt.

Steht sie als Einzelbaum auf der Wiese, hat sie eine tief sitzende
Krone und schützt so ihren empfindlichen Stamm vor der Sonne.
Dass in unseren Parks die unteren Äste abgesägt werden, bedeutet
für den Baum Stress, und es lässt sich Jahr für Jahr wieder
beobachten, wie sie sich mit jungen Trieben verhüllen will, um
sich selbst Schatten zu spenden.

Ihr Holz ist weich und lässt sich gut bearbeiten; es wird gern von
Bildhauern und Holzschnitzern genutzt. Aus dem Bast, der unter
der Rinde sitzt, wurden Seile, Matten, Taschen und sogar
Kleidung hergestellt. Dafür pflanzte man die Linden als
»Lindenstühle«, die man regelmäßig in einer bestimmten Form
schnitt, um das Laub und die Rinde ernten zu können. Ihre
Fähigkeit zur Selbstverjüngung zeigt sich darin, dass nach einem
Schnitt viele neue Triebe wachsen. Leider gibt es diese Tradition
seit der Erfindung moderner Materialien nicht mehr.

Die Linde stellt das Sinnbild für ein einvernehmliches Leben in


Gemeinschaften dar, von ihr ist nur Gutes zu erwarten. Sie war der
Göttin Freya geweiht, der Herrin der Erde und Göttin der Liebe.
Später wurde das Ansehen auf Maria übertragen. Gedichte, Lieder,
Gemälde würdigten die Linde, sie regte die Fantasie an und setzte
Kreativität frei. Heute lächeln wir über manche dieser
Vorstellungen und finden sie kitschig. Wie schade.

Als mitfühlende Hüterin des Lebensquells und der Lebenskraft


wurde sie angesehen. Oft befanden sich Linden in der
Nachbarschaft von Drachenhöhlen. Drachen stehen in allen
Kulturen für die ungezügelte Lebensenergie. In der
althochdeutschen Sprache wurden Drachen als Lindwürmer
bezeichnet. Die Geschichte vom Drachentöter Siegfried, der durch
das Lindenblatt auf seiner Schulter vor der Unsterblichkeit
bewahrt wurde, ist ein Beispiel für die Gnade, die von der Linde
ausgeht. Denn die Unsterblichkeit wäre ein unerträgliches Los,
das ihm erspart blieb. Die Linde moduliert hier die starke Energie
und wandelt sie so um, dass sie erträglich ist. Siegfried bleibt ein
Held, aber er darf sterben.

Schon die Germanen versammelten sich unter der Linde, sie bot
ihnen Schutz für Versammlungen, Feste und Gerichtsbarkeiten.
Manches Urteil, das unter ihr gefällt wurde, fiel vermutlich milder
aus, weil im Frühjahr alle von ihrem Duft betört waren. Sie blüht
stark duftend im Mai/Juni, manchmal bis in den Juli hinein.
Bienen und Hummeln umschwärmen sie dann.

Solange sie duften, sollten die Blüten für den Tee geerntet werden,
denn haben sich schon die Früchte gebildet, ist es dafür zu spät.
Die abgeschnittenen Zweige werden kopfüber aufgehängt. Wenn
sie trocken sind, kann man die Blüten und Blätter abstreifen und
in Stoffbeuteln oder luftigen Gefäßen aufbewahren. Der süßliche
Tee wirkt schweißtreibend und krampflösend, die Teereste können
als Kompressen für angestrengte Augen genutzt werden.

Die kleinen Blattknospen zu essen ist ein Erlebnis! Schon 1 bis 2


Knospen zu kauen genügt, und ihre aromatischen Schleimstoffe
umhüllen den Mund- und Rachenraum und hinterlassen ein
angenehmes Aroma. Man kann sich damit gewissermaßen
innerlich eincremen und erfährt die sanfte Kraft der Linde, die
sich pflegend auf die Schleimhäute legt.

Blätter, Knospen und Blüten kann man auch gut frisch in Salat
und Smoothies oder gekocht in Suppen verzehren. Die jungen
Nüsschen sind lecker zu knabbern. Wenn sie reif sind, lässt sich
aus ihnen auch ein hochwertiges Öl pressen.

In der Gemmotherapie ist die Lindenknospe das Kindermittel:


Das Gemmomazerat ist der Seelentröster, wirkt
stimmungsaufhellend und beruhigend auf das Nervensystem,
pflegt die Schleimhaut und regt den Stoffwechsel an. Es hilft beim
Einschlafen und harmonisiert die Seele.

Himmel und Erde berühren sich in der Linde, sie umhüllt uns mit ihrer Sanftheit,
und wir können Ruhe und Heilung in ihrem Schatten finden.

KRÄUTER UND ANDERE PFLANZEN IM MAI

Wermut (Artemisia absinthium)

Heilwirkungen: hilft bei Magen-, Darm- und


Gallenblasenerkrankungen

Wir finden Wermut fast nur ausgewildert oder dort, wo er


angepflanzt wurde. Es heißt, dass er sich mit keiner anderen
Pflanze verträgt außer der Johannisbeere. Das kann ich jedoch
nicht bestätigen: Bei mir wuchs er einige Jahre friedlich im
Kräuterbeet, bis in einem Frühjahr die Schnecken so hungrig
waren, dass sie ihn innerhalb weniger Tage komplett auffraßen.

Wermut wird sehr unterschiedlich beurteilt. Es gibt kaum ein


wirksameres Kraut bei Magen-, Darm- und
Gallenblasenerkrankungen. Aber er enthält Thujon und den
Bitterstoff Absinthin, Stoffe, die zu rauschhaften Zuständen
führen. Absinth wird aus Wermut hergestellt, Vincent van Gogh
schnitt sich im Absinthrausch sein Ohr ab. Heute gibt es Absinth
ohne diese gefährlichen Stoffe.
Langzeittherapien mit Wermut werden nicht empfohlen. Mir hat
der Wermutwein, den ich seit einigen Jahren nach dem Rezept der
Hildegard von Bingen zubereite, immer sehr gutgetan. Und an
einen rauschhaften Zustand kann ich mich nicht erinnern – er hat
mich gestärkt und fröhlich gemacht.

Den Wermutwein bereite ich aus der Pflanze in meinem Garten


mithilfe einer Frischsaftpresse zu. Man nimmt den Wein von Mai
bis Oktober jeden 2. bis 3. Tag nüchtern vor dem Frühstück ein,
jeweils ein kleines Likörglas voll. Den »wichtigsten Meister
gegen alle Erschöpfungen« hat Hildegard von Bingen ihn genannt,
die Melancholie werde vergehen, er kläre die Nieren und das Blut
und beuge so Arteriosklerose vor, stärke das Herz und den Magen
und reinige die Augen! Wermut ist eine der bittersten Pflanzen,
die wir haben. Er wirkt dabei nicht so kühlend wie andere
Bitterpflanzen, sondern besitzt viele ätherische Öle, die wärmend
wirken.
• Wermutwein nach Hildegard von Bingen:
Wermutblätter im Mai oder Juni, möglichst bei zunehmendem Mond, ernten
und 20 bis 30 ml Saft auspressen. Wer keine Frischsaftpresse hat, kann die
Blätter sehr fein schneiden und durch ein Tuch abpressen. 1 l Bio-Weißwein
mit 150 g Honig kurz aufkochen, etwas abkühlen lassen, den Wermutsaft
unterrühren. So viel Saft nehmen, dass »der Wermut den Geschmack des
Weines und des Honigs übertrifft«. Wermut sollte nicht über 68 °C erhitzt
werden. In Flaschen abfüllen, Dosierung s. o..

Frauenmantel (Alchemilla vulgaris)

Heilwirkungen: unterstützt die Wundheilung; hilft bei


Frauenleiden

Der wilde Frauenmantel ist noch häufig auf fetten Wiesen und an
Bachläufen zu finden. Er soll wirkungsvoller sein als der größere
Garten-Frauenmantel.

Ich habe mir einmal die Hornhaut verletzt, als ich mich über eine
Frauenmantelpflanze beugte, um einen Tropfen von einem ihrer
Blätter zu trinken. Den abgeschnittenen, trockenen Stängel hatte
ich dabei übersehen. Das ging wortwörtlich ins Auge. Seitdem
halte ich immer kurz inne, wenn ich eine Pflanze pflücken will,
und frage sie, ob es in Ordnung ist, sie zu pflücken.

Frauenmantel ist so heilsam! Er ist in der Lage, sich wie ein


innerliches Pflaster schützend auf verwundetes Gewebe zu legen.
Seine Gerbstoffe, ätherischen Öle, Bitterstoffe, Harze und Tannine
helfen dabei. Nach Operationen ist es ratsam, einige Wochen lang
täglich Frauenmanteltee zu trinken, damit die inneren
Verletzungen besser heilen. Auch meinem Auge ging es rasch
besser, nachdem ich literweise Frauenmanteltee getrunken habe.
Paracelsus hat einmal gesagt, es gebe keine Wunde, die der
Frauenmantel nicht heilen könne.

Wir sollten den Tee eigentlich alle jedes Jahr ein paar Wochen
lang trinken, er hilft gut bei allen Frauenleiden, auch vorbeugend.
Damit ist er eine Hilfe bei chronischen Unterleibsbeschwerden bis
hin zum unerfüllten Kinderwunsch. In der Schwangerschaft sollte
man ihn erst in den letzten Wochen vor der Geburt trinken, dann
bereitet er das Becken gut vor, und auch in den ersten Wochen
danach, dann hilft er bei der Heilung und stärkt das Gewebe.
Frauenmanteltee schmeckt sehr gut; wir ernten die Pflanze, wenn
sie gerade zu blühen begonnen hat.

In diesem Jahr nehme ich mir vor, die Tautropfen mit einer
Pipette aufzufangen und in einem Fläschchen zu sammeln;
vermischt mit Alkohol sollen sie eine wertvolle Tinktur ergeben.
Die kleinen Tröpfchen, die sich in den Blattkelchen bilden,
schwitzt die Pflanze aus, sie schmecken süß und sollen eine große,
magische Heilwirkung besitzen. In ihnen sollen sich die Baum-
und Blumenelfen waschen, und die Alchemisten nutzten ihn für
allerlei Zaubereien.

Labkraut (Galium verum)

Heilwirkungen: hilft bei Ödemen, schweren Beinen und


geschwollenen Füßen

Das Labkraut ist so zart und fein, dass es sich überall festhalten
kann. Wir finden es auf trockenen Wiesen, an Abhängen und
Waldrändern. Es gibt verschiedene Arten, die auch eine
unterschiedliche Wirkung haben. Das »echte« Labkraut besitzt
viele gelbe, winzig kleine Blüten und duftet nach Honig. Die
Blätter sitzen wie ein kleiner Quirl um den Stängel.

Ich binde aus dem Kraut einen Kranz und lege ihn unter das Bett.
Das wirkt sich positiv auf Schlaf und Träume aus. Wer eine
stärkere Wirkung braucht, kann ein kleines Kissen mit dem
getrockneten Kraut füllen; das riecht gut, und die leicht narkotisch
wirkenden Dämpfe der ätherischen Öle bringen den Schlaf gewiss.

Früher hat man es auch verwoben und als Sieb benutzt. Labkraut
heißt es, weil man die Milch mit dem enthaltenen Labferment zur
Käseherstellung benutzt hat, so wie heute das Labferment aus dem
Kälbermagen verwendet wird. Der englische Chesterkäse wird
immer noch mit dem Labkraut hergestellt.

Das gröbere, größere Klettenlabkraut (Galium aparine) ist ein


gutes Mittel, um den Lymphfluss anzuregen. Ich koche einen Tee
aus dem frischen Kraut, indem ich ihn kalt ansetze, langsam
erwärme und 30 Minuten ziehen lasse. Er hat sich bei Ödemen,
schweren Beinen und geschwollenen Füßen bestens bewährt.
Beide Arten sind kieselsäurereich und enthalten Gerbstoffe,
Zitronensäure und Flavonoide.

Spitz- und Breitwegerich (Plantago lanceolata und


Plantago major)

Heilwirkungen: antibiotisch; wirkt gut gegen Husten; bei


Insektenstichen

Den Wegerich finden wir auf allen Wiesen und Wegen, sein Name
bedeutet »Wegbeherrscher«. Er ist überall für uns da, wenn wir
ihn brauchen.

Ich freue mich immer, dass viele Teilnehmer meiner


Kräuterwanderungen schon wissen, dass der Wegerich ein
wunderbares Pflaster ist, wenn man sich auf einer Wanderung
verletzt hat. Und dass es hilft, ein Blatt zu kauen und es dann auf
einen Insektenstich zu legen.

In ihrer Wirkung sind die beiden Arten Spitz- und Breitwegerich


sehr ähnlich. Trocknen lässt sich der Wegerich schlecht, aber wir
können einen Saft pressen. Wegerich enthält Aucubin, einen Stoff,
der antibiotisch wirkt, gegen Husten hilft und dafür sorgt, dass der
Saft nicht schimmelt. Die kleinen, schwarzen Samen können wir
sammeln und statt Flohsamen oder Leinsamen zur Stärkung der
Verdauung essen. Auch in der Neunkräutersuppe darf der
Wegerich nicht fehlen. Nicht nur die Blätter sind verwendbar, es
ist auch ein Genuss, die Knospen zu braten – sie schmecken nach
Pilzen. Gegen Liebeskummer soll man 5 Tage lang Wegerichtee
trinken, dann soll er verschwunden sein!

Für die Germanen war der Wegerich ein Symbol für


Fruchtbarkeit. Die Indianer nannten den Wegerich »Fuß des
weißen Mannes«, denn er wuchs überall dort, wo der weiße Mann
auftauchte.
• Wegerich-Heilöl:
Ein Glas zu 2/3 mit klein geschnittenen Wegerichblättern füllen und mit
Sonnenblumenöl übergießen. Verschließen und 3 Wochen an ein sonniges
Fenster stellen, gelegentlich schwenken. Abseihen. Das ergibt ein mildes,
gut wirksames Einreibemittel gegen Husten und Bronchitis für Kinder und
Erwachsene.

Rotklee (Trifolium pratense)

Heilwirkungen: blutverdünnend; hilft bei


Wechseljahresbeschwerden und Zysten

Den Rotklee finden wir auf feuchten Wiesen, an Wegrändern und


auch auf Waldlichtungen. Wenn die Brote schon aufgegessen sind
und das Ziel der Wanderung noch immer fern ist, esse ich
Rotklee. Er sättigt und löscht zudem auch noch ein wenig den
Durst. Im Frühsommer ist er besser als im Spätsommer; es ist gut,
den ganzen Frühsommer täglich ein paar Blüten und Blätter des
Rotklees zu naschen.

Rotklee enthält zahlreiche Phytohormone und Cumarine, die das


Blut verdünnen. Das tut jedem gut, aber vor allem brauchen ihn
Frauen in den Wechseljahren und Frauen, die zu Zysten neigen.
Ich esse Rotklee gern frisch oder trockne ihn und gebe ihn in den
Tee.

Der Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl meint, dass das


vierblättrige Kleeblatt die vier Speichen des Jahresrades darstellt
und deshalb als Glückssymbol angesehen wird.
• Rotklee-Hautöl:
1 Handvoll Rotkleeblüten mit Mandel- oder Jojobaöl so übergießen, dass
alle Blüten bedeckt sind, und 2 bis 3 Wochen an einem warmen, aber nicht
so sonnigen Ort ziehen lassen.

Storchschnabel (Geranium robertianum)

Heilwirkungen: entgiftend und entschlackend; bei Kinderwunsch;


gegen Halsschmerzen; gegen Schock und Burn-out

Der Storchschnabel mit seinen kleinen, rosafarbenen Blüten und


dem typischen Geruch, der wirklich etwas unangenehm ist – die
Pflanze wird auch Stinkender Storchschnabel genannt –, ist recht
häufig zu finden. Er wächst in Gärten, an Wiesen und an
Mauerspalten. Er wurzelt kaum, klettert an anderen Pflanzen
empor und reckt sich mit leicht abbrechenden, dünnen
Stängelchen in die Höhe.

Die Storchschnabeltinktur (siehe nächste Seite) und der Tee aus


dem ganzen, frischen oder getrockneten Kraut schmecken
erstaunlich gut. Der Tee mit seinen Gerbstoffen, ätherischen Ölen
und dem Bitterstoff Geranin hilft, Giftstoffe und Schlacken aus
dem Körper auszuschwemmen. Auch Frauen mit Kinderwunsch
sollten reichlich Storchschnabeltee trinken, er war schon oft
hilfreich!
Einen Halswickel mache ich, wenn ich Halsschmerzen habe.
Dafür übergieße ich das frische oder getrocknete Kraut mit wenig
kochendem Wasser, lasse es kurz ziehen und abkühlen und nehme
es dann mit einer alten Stoffwindel auf, die ich mir mitsamt dem
Kraut um den Hals binde. Einen Schal drüber und ab ins Bett!

Seinen wichtigsten Einsatz hat der Storchschnabel bei mir als


Tinktur. Sie ist das Notfallmittel für mich, das ich immer bei mir
trage. Ich setze es bei Überforderung, Schock, traumatischem
Geschehen und sogar bei Burn-out ein.

Storchschnabel soll auch schwermütige Menschen wieder heiter


machen, wenn sie die Pflanze lange genug liebevoll anschauen. Im
Mittelalter lobten die Ärzte das Kraut und nannten es
Gottesgnadenkraut.
• Storchschnabeltinktur:
Das blühende Kraut klein schneiden, eine kleine Flasche zur Hälfte damit
befüllen und mit etwa 40-prozentigem Alkohol, z. B. Grappa, übergießen. 3
bis 4 Wochen an einem warmen, aber nicht zu sonnigen Ort stehen lassen,
anschließend filtern. In anstrengenden Zeiten nehme ich 3-mal 3 Tropfen
täglich davon, manchmal auch mehr. Hilft sofort!

Sauerampfer (Rumex acetosa)

Heilwirkungen: reich an Vitamin C; bringt neuen Schwung

Den Sauerampfer finden wir häufig auf feuchten Wiesen, in


Gebüschen und an Gräben. Als Kinder haben wir ihn gern
gegessen, sauer macht bekanntlich lustig. Ich komme aus einer
Gegend mit vielen feuchten Wiesen, da gab es ihn reichlich.

Er enthält wie sein Verwandter, der Rhabarber, viel Vitamin C


und Oxalsäure, die sich zu Nierensteinen verklumpen kann,
deshalb sollten wir nicht zu viel davon essen. Aber um nach dem
Frühjahr wieder in Schwung zu kommen, können wir ihn eine Zeit
lang verzehren, im Smoothie, in der Suppe oder im Salat.

Hildegard von Bingen hielt nicht viel von ihm, er tauge nur für
das Vieh und nicht für den Menschen. Heute wird in der
Landwirtschaft das Futter aus anderen Ländern importiert, doch es
gab eine Zeit, in der Ampfer als Viehfutter angebaut wurde.

Waldmeister (Galium odoratum)

Heilwirkungen: blutverdünnend, hilft bei Krämpfen; beruhigend,


macht fröhlich

Der Waldmeister liebt schattige Buchenwälder, da ist er häufig zu


finden. Ich habe ein paar Pflänzchen mitgebracht und bei mir im
Garten und im Park um die Ecke angepflanzt; es scheint ihm zu
gefallen, er breitet sich aus. Was wäre der Mai ohne den
Waldmeister, der so betörend duftet und so lecker schmeckt! Er
entfaltet sein Aroma erst, wenn er verwelkt ist, also legen wir ihn
eine Zeit lang in den Schatten, bis er schlapp wird und seinen Duft
verströmt. Dann kann er verwendet werden, er kann aber auch
richtig getrocknet werden. Waldmeister enthält Cumarine, die das
Blut verdünnen. Trinken wir eine Tasse Waldmeistertee, vergehen
krampfartige Schmerzen; nehmen wir aber zu viel davon zu uns,
kann er Kopfschmerzen verursachen. Er macht fröhlich und
beruhigt, oft ist er in Schlafteemischungen oder in Kräuterkissen
enthalten. Um mir den Geschmack über das Jahr zu bewahren,
koche ich einen Sirup aus der Pflanze.
• Waldmeistersirup:
15 bis 20 Waldmeisterstängel kopfüber aufhängen und trocknen. Sind
bereits Blüten vorhanden, muss er sehr gut durchtrocknen; bei jungen
Stängeln, die noch nicht geblüht haben, ist das nicht nötig. Die Stängel mit
etwa 200 ml heißem Wasser übergießen, 15 Minuten ziehen lassen, dann
das Kraut entfernen. 1 l Wasser mit 750 g Zucker vermischen, aufkochen
und so lange weiterkochen lassen, bis die Masse weniger und etwas
zähflüssig geworden ist. Vom Herd nehmen, Waldmeistertee und Saft von 3
großen Zitronen dazugießen. In Flaschen abfüllen. Der Sirup hält etwa ein
halbes Jahr, wird aber meist schon vorher getrunken.

In Häusern, in denen griesgrämige Menschen lebten, streute man


Waldmeister auf die Zimmerböden, stopfte ihn in Matratzen und
verteilte kleine, getrocknete Sträußchen der Pflanze in den
Schränken; so würden Herzlichkeit und gute Stimmung im Haus
einziehen.

Melisse (Melissa officinalis)

Heilwirkungen: bei Krämpfen, Migräne,


Einschlafschwierigkeiten, Depressionen, Ängsten, Reizdarm;
blutreinigend und -verdünnend; hilft bei Krampfadern

Melisse finden wir nicht wild, sie wächst aber gut im Garten und
sogar im Topf in der Wohnung. So können wir sie das ganze Jahr
über ernten. Wenn man die jungen Triebe recht kurz abschneidet,
treibt die Pflanze immer wieder aus. Sobald sie blüht, verliert sie
ihren köstlichen Geschmack. Citral, Citronella, Linalool,
Geraniol, Gerbstoffe, Harz und Kalium sind ihre wichtigsten
Inhaltsstoffe.

Die Melisse beruhigt in allen Lebenslagen, heißt es. Für


Paracelsus war sie ein Lebenselixier, und tatsächlich ist ihre
Wirkung nicht zu überschätzen: bei Krampfgeschehen, Migräne,
Einschlafschwierigkeiten, Depressionen, Ängsten und Reizdarm.
Da sie zudem noch das Blut verdünnt und reinigt, ist sie auch ein
Hilfsmittel gegen Krampfadern.

Natürlich kann man sie nicht nur als Tee zu sich nehmen, sondern
auch in ihr baden, um die Wirkung zu vergrößern. Zum Trocknen
ist es ratsam, die Blätter von den Stängeln zu zupfen; da so die
ätherischen Öle in ihnen erhalten bleiben und nicht in den Stängel
wandern, schmecken die Blätter aromatischer.

Wenn man einen Kranz aus Melisse trägt, so wird man von den
Bienen nicht gestochen. Getrocknete Melisse zu räuchern soll
helfen, wenn man um Liebe, Schutz und Heilung bittet. Wir
kennen bis heute den Melissengeist, die Alchemisten brauten aus
der Melisse ein Lebenselixier, man schrieb ihr ungeheuer
belebende Kräfte zu.
Der Mai ist auch die Zeit, um den Fichtenwipfelsirup herzustellen. Das Rezept
dafür finden Sie auf Seite 192 im Abschnitt Dezember, wenn die Fichte
besprochen wird.
JUNI

21.6. Sommersonnenwende, Sommeranfang; zwölf Tage und Nächte steht das


Jahresrad still

BÄUME IM JUNI

Holunder (Sambucus nigra)

Heilwirkungen: beruhigend, schweißtreibend; stärkt das


Immunsystem; fiebersenkend

Der Holunder wächst wild in alten Hecken, rund um Höfe und an


Wiesenrändern. Er sucht die Nähe zum Menschen und vermag es,
oft gemeinsam mit der Brennnessel, belastete, zu stickstoffreiche
Böden wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

In unseren Breiten ist der Holunder der heiligste Baum, an ihm ist
alles heilsam, ähnlich wie bei der Linde. Der Name »Holunder«
geht auf »holun tar« zurück, den altdeutschen Ausdruck für
»Baum der Holla«.

Am bekanntesten unter den vielen Märchen und Geschichten über


den Holunder ist Frau Holle. Frau Holle ist die Wächterin über
die Lebenden und die Toten; wenn wir ihr begegnen, bekommen
wir ein neues Leben und den gerechten Lohn für unsere Taten –
wobei mit dem Lohn gemeint ist, dass wir die Konsequenzen
unserer Handlungen erfahren. Sie richtet nicht über uns, wir
richten uns selbst.

Der Holunder hat weiße Blüten und schwarze Beeren, er verbindet


Weiß und Schwarz, Himmel und Erde, Leben und Tod. Die Bauern
haben vor ihm den Hut gezogen; wenn sie ihn doch einmal
schneiden mussten, versprachen sie ihm zum Ausgleich die
eigenen Knochen.

In meinem Garten wachsen viele Holundersträucher, sie haben


sich selbst vermehrt. Alle drei Meter etwa stehen sie rund um das
Grundstück. Zwei von ihnen stehen vor meinem Fenster, neben
dem ich schreibe, und oft suche ich bei ihnen Ruhe und Rat. Die
Kinder dekorieren sie manchmal, unter ihnen stehen kleine
Figuren. Es heißt, der Holunder ziehe uns hinab in die Anderswelt,
deshalb sollte man nicht unter ihm schlafen.

Eine ganze Apotheke bietet der Holunder. Bast und Rinde wollen
wir heute jedoch nicht mehr als Brech- und Abführmittel nutzen,
als Mittel zur innerlichen Reinigung, denn die Wirkung ist zu
stark.

Aus den Blättern und Blüten kann man einen beruhigenden und
schweißtreibenden Tee herstellen, der das Immunsystem stärkt
und Fieber senkt. Einen Sirup kann man aus den Blüten ebenfalls
gewinnen. Kinder lieben diesen Sirup, sie können nichts Besseres
für ihre Atemwege und ihr Immunsystem tun.

Sehr lecker sind die in Pfannkuchenteig getauchten und in Fett


ausgebackenen Blüten. Sie stellten bei den
Sommersonnenwendfeiern die traditionelle magische Speise dar
und gaben den Frauen die Kraft, hoch über das Feuer zu springen.
Man glaubte, je höher sie sprangen, desto höher wüchse das Korn.

Im Herbst kann man die Beeren ernten. Man sollte sie nicht roh
essen, erst gekocht verlieren sie ihre leichte Giftwirkung. Sie
enthalten Rutin, ätherische Öle, Gerbstoffe, Flavonoide, Cholin,
Vitamin C und Mineralien. Für den Saft werden sie gekocht oder
im Dampftopf entsaftet. Dann sind sie unschlagbar in ihrer
vorbeugenden, blutaufbauenden, hustenstillenden und
sauerstoffversorgenden Wirkung und heiß mit Honig getrunken,
sind sie ein unverzichtbarer Begleiter im Winter.

Der Holunder schützt noch immer die Lebenden, auch wenn wir nicht mehr
unsere Krankheiten symbolisch mit einem roten Faden an ihn binden, damit sie
hinabfahren und im Kochtopf von Teufels Großmutter landen. So haben es die
alten Heiler vor langer Zeit getan.

• Hollersirup:
Die Blüten über Nacht mit viel Zucker, Wasser und Zitronenscheiben sowie
Weinsteinsäure im Kühlschrank ziehen lassen. Am nächsten Tag abseihen,
den Sirup aufkochen und möglichst heiß in Flaschen füllen. Bei den Mengen
können Sie erfinderisch sein, z. B. 7 große Dolden, 1 kg Zucker, 3 l Wasser,
3 Zitronen und 3 EL Weinsteinsäure nehmen. Auf jeden Fall sollten die
Holunderblüten immer mit Wasser bedeckt sein.

Ulme (Ulmus glabra, Ulmus minor u. v. m.)

Heilwirkungen: hilft bei Gicht und bei Hautleiden

Ulmen sind große Bäume, 40 Meter hoch können sie werden. Es


gibt ungeheuer viele Formen und Arten, in Ostengland allein 50
verschiedene, da sich die Arten untereinander kreuzen können.

Die Blätter sind asymmetrisch und haben meist einen gesägten


Rand. Ober- und Unterseite sind unterschiedlich behaart. Die
Krone ist unregelmäßig, das Laub dicht. Eindrucksvoll ist auch
der borkige Stamm, der von tiefen Furchen durchzogen ist, wie
eine Wunde, die immer wieder aufplatzt und nicht heilen kann.

Gern wächst die Ulme an feuchten Standorten. Lange Zeit war sie
der vorherrschende Baum in den Auenwäldern Mitteleuropas. In
Frankreich war sie der heilige Baum, unter dem Recht gesprochen
wurde. Ihr Holz, das auch Rüster oder Elfenholz genannt wird, ist
außerordentlich begehrt und wunderschön, allerdings arbeitet es
stark und neigt zum Reißen. Auffallend häufig wurde es für Dinge
des Transports verwendet, etwa für Wagenräder, Wasserleitungen
und im Schiffsbau. In England werden aus Ulmenholz traditionell
Särge hergestellt, auch heute noch.

Der Sud der Ulmenrinde fand als beruhigendes und


desinfizierendes Hautmittel Verwendung. Da die Ulmen aber so
selten geworden sind, sollten wir auf andere Mittel zurückgreifen
und die Bäume in Ruhe lassen. Die Samen können wir ernten,
wenn wir sie finden; sie eignen sich zum Essen und sind geröstet
sehr lecker, auch geben sie ein kostbares Öl. Essbar sind zudem
die Knospen, die Kätzchen, die Fruchtansätze und die jungen
Blätter, die verdauungsfördernd wirken sollen. Sie enthalten
Gerbstoffe, Schleimstoffe, Bitterstoffe und Kalium.

Hildegard von Bingen empfahl, sich bei Gichtschmerzen am


Ulmenfeuer zu wärmen. Edward Bach entwickelte sein Elm-
Mittel für Menschen, die in bestimmten Situationen eine
Entscheidungshilfe benötigen. Es soll helfen, innere Ruhe und
Stärke zu mobilisieren. Wer den Eindruck hat, seinen Aufgaben
nicht mehr gewachsen zu sein, dem vermag das Mittel neue Wege
aufzuzeigen, damit das Anstehende nicht mehr überfordert und in
die Depression führt.

Leider findet man alte Ulmen nur noch selten, denn die Ulmen
sind vom Aussterben bedroht. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts
rottet ein Pilz, der von einem Käfer übertragen wird, vor allem die
großen, alten Ulmen aus. Inzwischen weiß man, dass der Pilz
selbst krank ist, und versucht mit allen Mitteln der modernen
Forschung, dem Ulmensterben beizukommen. Den
Wissenschaftlern ist es ein großes Rätsel; sie züchten
Hybridformen und manipulieren den Pilz, recht vergeblich, denn
das Sterben geht weiter. Der Erreger breitet sich nun auch in
Kanada, Asien und Neuseeland aus. Interessanterweise richtet er
bei den Himalaya-Ulmen keine Schäden an. Das Ulmensterben
könnte uns einen wichtigen Hinweis geben, denn der Baum wird
als Vermittler zwischen den Welten angesehen. Neben dem
Einsatz in der Forschung könnten wir einfach mit der Ulme reden,
bevor es zu spät ist! Vielleicht ist ihr Rückzug, ihr Sterben
aufzuhalten, wenn wir uns wieder darauf besinnen zu
kommunizieren, wenn wir unser Schweigen überwinden. Und
wenn wir umkehren und uns zurückziehen aus den letzten
Winkeln der Natur.

Der Himalaya-Ulme kann der Verursacher des Ulmensterbens nichts anhaben.


Dies ist vielleicht ein Hinweis darauf, dass dort anders mit den Pflanzenwesen
umgegangen wird.

KRÄUTER UND ANDERE PFLANZEN IM JUNI

Johanniskraut (Hypericum perforatum)


Heilwirkungen: hilft bei Depressionen und depressiven
Verstimmungen sowie bei Ängsten und Schmerzen; gegen
Narben, Neuralgien und Neurodermitis

Das Johanniskraut wächst immer noch recht häufig an


Waldrändern, auf Brachflächen und in Parks. Es ist die stärkste
Sonnenpflanze, die wir haben.

Dem Teufel soll der Sage nach ihre starke, heilende Wirkung
missfallen haben, und so soll er mit einer Nadel versucht haben,
die Pflanze zu zerstören. Auf diese Weise hat man sich die kleinen
Löcher erklärt, die in den Blättern sichtbar sind, wenn man sie
gegen das Licht hält. Heute weiß man, dass das die Öldrüsen sind.

Man nennt Johanniskraut auch Hartheu, denn es wächst zart


empor und erstarrt dann. Trinkt man Tee aus dem getrockneten
Kraut, sollen die inneren Bilder, die die Seele belasten, ebenso
aufsteigen und erstarren, sodass man sie betrachten und sich von
ihnen befreien kann. Von alters her ist das Johanniskraut ein
magisches Mittel, um Dämonen und Phantasmen zu vertreiben.
Heute ist kaum eine Pflanze so gut erforscht wie das
Johanniskraut, es wird hoch dosiert bei leichten Depressionen
eingesetzt. Man hat u. a. Hypericin, Phytosterin, ätherische Öle,
Rutin und Quercetin als Wirk- und Inhaltsstoffe definiert, um die
Wirkung der Pflanze zu erfassen. Es gibt große Abhandlungen
darüber, wie sie wirkt.

Ich drücke es lieber so aus: Johanniskraut schenkt der Seele


Sonne. Die Pflanze bündelt die Kraft der Sonne und gibt sie
wieder an uns ab. Man setzt sie ein, um in Zeiten des Wandels
neue Perspektiven zu gewinnen. Übertragungsvorgänge im Gehirn
werden verbessert, Blockierungen gelöst. Sie macht den
Menschen empfindlicher und aufnahmebereiter für das Licht, das
ihn umgibt. Es wird heller, empfindsamer, auf der Haut und in der
Seele. Die Nervenkraft wird gestärkt.

Sie hat zudem eine stark entgiftende Wirkung auf den


Organismus, Fremdstoffe werden erkannt und ausgeschieden.
Deswegen wirken bei gleichzeitiger Einnahme mit Johanniskraut
die Antibabypille und andere Medikamente oft nicht: Sie werden
als Giftstoffe ausgeleitet.

Im Sommer ist es meine tägliche Übung, die frischen Blüten


vorsichtig abzupflücken und in eine mit Olivenöl gefüllte Flasche
zu stecken. Die beste Zeit für die Ernte ist um den 23. 6. (Johanni)
herum bis in den August hinein. Jeden Tag ernte ich ein paar
Hände voll. Je mehr Blüten ich vorsichtig abzupfe, desto mehr
wachsen nach. Man muss etwas aufpassen, denn direkt neben den
Blüten sind die nächsten Knospen. Mein Daumennagel ist zu
dieser Zeit immer ganz schwarz, denn das Johanniskraut färbt
stark. Mit der Zeit wird das Öl tiefrot, nach sechs Wochen am
sonnigsten Fenster des Hauses ist es gebrauchsfertig. Es wird
Rotöl genannt.

Viele Tage hintereinander die frischen Blüten zu ernten ist etwas


aufwendig. Es gibt andere Methoden, die besagen, dass man die
ganzen oberen, weichen Teile der Pflanze nehmen kann, wenn sie
blüht, also Blüten, Knospen und Blätter. Man zerkleinert sie und
setzt sie in Olivenöl an. Das geht wesentlich schneller, das Öl ist
dann auch nach etwa 6 Wochen fertig. Es riecht ganz ähnlich wie
das nach meinem Rezept zubereitete Öl, hat aber nicht dessen
tiefroten Farbton, es ist bräunlicher.
Johanniskrautöl hilft äußerlich angewendet bei Verbrennungen
und Sonnenbrand. Die Haut sollte wegen der Steigerung der
Lichtempfindlichkeit hinterher vor Licht geschützt werden!
Zudem hat sich das Öl als Massagemittel bei Verspannungen
bewährt. Auch Narben, Neuralgien und Neurodermitis kann man
damit behandeln. Innerlich angewendet – 3-mal täglich 1 TL –
hilft es bei Gastritis und Reizmagen.

Der Tee der getrockneten Pflanze stärkt die Nerven und hilft
gegen Ängste und Schmerzen. Auch bei Kindern, die Bettnässer
sind, hat es sich bewährt. Legt man getrocknetes Johanniskraut in
Weißwein ein, ergibt sich ein schöner Schlummertrunk, den man
abends vor dem Schlafengehen zu sich nehmen kann.

Lungenkraut (Pulmonaria officinalis)

Heilwirkungen: stärkt die Lunge; hilft bei Kehlkopfentzündung


und Bronchitis

»Officinalis« heißen alle Heilpflanzen, die schon auf eine lange


Tradition zurückblicken können. Das Lungenkraut finden wir noch
an schattigen Stellen in Mischwäldern und in Gebüschen. Ich
freue mich, dass es sich bei mir angesiedelt hat. Es kam in meinen
Garten und vermehrte sich rasch, als ich mich mit einer
Lungenentzündung herumplagen musste.

Das Lungenkraut blüht sehr früh im Jahr und ist eine gute
Bienennahrung, der Honig schmeckt sehr lecker. Die Bienen
wissen, dass der Nektar nur in den rosafarbenen Blüten zu finden
ist. Wenn sie ihn geerntet haben, färben sich die Blüten blau! Es
gibt aber auch Arten mit blauen oder roten Blüten, die sich nach
der Bestäubung nicht verfärben. Die Blätter sind weiß gefleckt
und recht stachelig – Sie sollten bei der Ernte also immer äußerst
vorsichtig vorgehen. Die Blüten und die frischen Blätter können
wir essen oder frisch oder auch getrocknet als Tee verwenden.
Lungenkraut enthält Kieselsäure, die die Elastizität des
Lungengewebes stärkt, das Gewebe festigt und somit die
Widerstandskraft der Lunge erhöht.

In Bayern gibt es ein Rezept gegen Kehlkopfentzündung und


Bronchitis mit dem Lungenkraut: 1 EL möglichst frisches
Lungenkraut (notfalls getrocknetes, dann nur ½ EL) in ½ l Bier
erhitzen, bis es fast kocht, abkühlen lassen, schluckweise trinken.
Prost und gute Besserung!

In manchen Gegenden wird das Lungenkraut auch Hirschkohl


genannt. Der Hirsch gilt in der Tradition als das heilkundige Tier
des Waldes. Im Frühjahr lässt sich beobachten, dass er gezielt
Blätter und Blüten des Lungenkrauts frisst.

Herzgespann (Leonurus cardiaca)

Heilwirkungen: hilft bei nervösen Herzbeschwerden und gegen


Wechseljahrsbeschwerden, wirkt modulierend auf die Schilddrüse

Herzgespann wächst recht gern in der Nähe der Menschen. Weil


es so selten geworden ist, ist es mittlerweile geschützt.
Gelegentlich ist es noch auf Schuttplätzen, auf trockenen Weiden
und in verlassenen Gärten zu finden. Wer kann, sollte es anbauen.

Das Herzgespann hat mich immer sehr herausgefordert, weil ich


es so leicht mit dem Wolfstrapp verwechselte. Zum Glück werden
die beiden Kräuter ähnlich eingesetzt. Seit ich weiß, dass das
Herzgespann auch Löwenschwanz heißt, erkenne ich es, denn die
Blätter sehen wirklich aus wie ein zerzauster Löwenschwanz. Das
Herzgespann hilft bei allen nervösen Herzbeschwerden und bei
leichter Schilddrüsenüberfunktion. Gerbstoffe, Bitterstoffe
(Leonurin), Alkaloide (Betonicin und Turicin) sowie Flavonoide
sind die Wirkstoffe. Wir alle können es gebrauchen in diesen
unruhigen, anstrengenden Zeiten. Den heißen Tee verwende ich
manchmal als Badezusatz, das ist beruhigend und soll bei
Wechseljahrsbeschwerden helfen. Den kalten Tee benutze ich als
Mundspülung, um den Zahnschmelz zu härten.

Um Herzeleid und Herzklopfen zu lindern, trugen die Menschen


Blätter vom Herzgespann als Amulett um den Hals.

Thymian (Thymus vulgaris)

Heilwirkungen: desinfizierend, schleimlösend, auswurffördernd,


entzündungshemmend; gegen Husten

In unseren Breiten wächst der Thymian nur gelegentlich wild, im


Garten gedeiht er recht gut. Wild wächst der mit ihm verwandte
Quendel, der eine ähnliche Wirkung hat, aber nicht ganz so
aromatisch ist.

Thymian wirkt desinfizierend, schleimlösend, auswurffördernd


und entzündungshemmend, als Hustentee ist er sehr bekannt.
Thymian gehört wie Quendel zu den »Bettstrohkräutern«,
duftende Kräuter, die man den gebärenden Frauen ins Bett legte,
um die Geburt zu erleichtern. In der Stillzeit tranken Frauen Tee
aus diesen Kräutern, die beruhigen, Kraft spenden und
desinfizieren. Thymian enthält Thymol, das für manche Menschen
zu stark ist. Milder schmeckt der Quendel.
Aus Thymian und Salbei stelle ich eine Husten- und
Erkältungstinktur her. Kurz nach der Einnahme wird einem ganz
warm – dann weiß man, dass die Tinktur wirkt.
• Thymian-Salbei-Tinktur:
Beide Kräuter frisch klein schneiden und zu gleichen Teilen bis etwa zur
Hälfte in eine durchsichtige Flasche füllen. Mit 40-prozentigem Alkohol
aufgießen, an einen warmen, nicht zu sonnigen Ort stellen und 4 bis 6
Wochen stehen lassen. Ab und zu die Flasche schütteln. Die Tinktur mithilfe
eines Filters in eine dunkle Tropfflasche umfüllen. Bei Bedarf 3-mal 3
Tropfen täglich einnehmen, zur Erkältungsvorbeugung auch mehr.

Salbei (Salvia officinalis)

Heilwirkungen: sehr umfassend; entzündungshemmend,


keimtötend, hormonmodulierend, schweißhemmend,
magenstärkend, milchsekretionshemmend, wundheilend,
magenstärkend

Wild wächst diese Salbeiart eher im Mittelmeerraum, angebaut


im Garten gedeiht sie aber auch bei uns sehr üppig. Nach der
Blüte sollte man die Pflanze stutzen, dann treibt sie wieder kräftig
aus.

»Warum muss jemand, der Salbei im Garten hat, überhaupt


sterben?«, sagte einmal einer meiner Lehrer, denn Salbei ist eine
sehr umfassend wirksame Heilpflanze. Ihr Name leitet sich vom
lateinischen »salvare« (heilen) und »salvere« (gesund sein) ab. Ich
stelle aus ihr zusammen mit Thymian gern eine Tinktur her (siehe
vorige Seite).

Ein Blatt Salbei jeden Tag frisch und roh gegessen stärkt das
Zahnfleisch und desinfiziert den Mundraum. Stillende Mütter
sollten Salbeitee nicht trinken, da er den Milchfluss stoppt. Zum
Abstillen jedoch ist er eine Wohltat; auch lindert er
Schweißausbrüche und ähnliche Beschwerden in den
Wechseljahren. Gurgeln hilft gegen Halsentzündung und sorgt für
feste Zähne.

Im Sommer bereite ich gern Kartoffelsalat mit gerösteten


Salbeiblättern und Zwiebeln zu oder »Salbeimäuschen«; für
Letztere einzelne Salbeiblätter in Pfannkuchenteig tauchen und in
Fett ausbacken. Neben der Thymian-Salbei-Tinktur bereite ich
noch eine Tinktur nur aus den frischen Salbeiblättern zu, die ich
nicht nur innerlich gegen Halsentzündung einnehme, sondern vor
allem äußerlich zur Wunddesinfektion einsetze. Auf frischen
Wunden brennt sie ein wenig, aber sie wirkt wunderbar. Auch
Pilzinfektionen habe ich damit erfolgreich behandelt, und in
Fußbädern hilft der Salbei zudem auch gegen
Nagelbettentzündungen und sogar gegen Warzen.

Der Salbei war und ist eine Zauberpflanze, und ich kann mir ein
Leben ohne ihn nur schwer vorstellen!

Mutterkraut (Tanacetum parthenium/Chrysanthemum


parthenium)

Heilwirkungen: schmerzstillend, entkrampfend

Mutterkraut ist eine Gartenpflanze, wild kommt es nur


gelegentlich vor. Es heißen einige Kräuter Mutterkraut; dasjenige,
von dem ich spreche, ist eine Chrysanthemenart und hat einen
unverwechselbaren Geruch. Ätherische Öle und Kampfer gehören
zu den Inhaltsstoffen. Es sieht der Kamille sehr ähnlich, wird aber
größer als sie und hat andere Blätter.
Mutterkraut ist meine Lieblingspflanze gegen Migräne, unter der
ich früher sehr gelitten habe. Das Kraut hilft,
Kopfschmerzattacken sogar vorzubeugen. Wer regelmäßig dazu
neigt, sollte den Versuch wagen, 1 bis 2 Wochen lang täglich ein
paar Tassen Mutterkrauttee – 2 EL Mutterkraut frisch oder
getrocknet auf eine große Kanne Wasser – zu trinken oder 1 Blatt
frisch oder getrocknet und pulverisiert zu essen. Aber auch im
Akutfall hilft der Tee. Neueste Untersuchungen aus England
bestätigen, was Kräuterkundige schon lange wussten: Die glatte
Muskulatur wird durch das Mutterkraut entkrampft. Zeit, dass es
wiederentdeckt wird!

Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)

Heilwirkungen: entkrampfend, wundheilend

Die kleine, unscheinbare Pflanze, die sich noch vielerorts auf


Wiesen und an Wegrändern finden lässt, hat lange Ausläufer und
windet sich in alle Ecken des Gartens. Sie besitzt gefiederte und
gezahnte Blätter sowie gelbe Blüten mit fünf Blütenblättern, an
denen man sie erkennen kann. Außerdem erkennt man sie daran,
dass sich das Blatt kurze Zeit, nachdem wir es abpflücken,
zusammenrollt. Es scheint sich zusammenzukrampfen, wie wir es
tun, wenn wir Bauchschmerzen haben. Diese Beobachtung führte
dazu, dass es allgemein als Krampfkraut eingesetzt wurde. Wir
pflücken das blühende Kraut, das frisch oder getrocknet als Tee
getrunken werden kann.

Kneipp erkannte, dass sich die darin enthaltenen krampflösenden


Stoffe noch besser lösen, wenn das Kraut in Milch gekocht wird,
und setzte es erfolgreich gegen Fieberkrämpfe ein. Hierfür 2
gehäufte TL in ¼ l Milch 15 Minuten sieden lassen. 3 Tassen
täglich davon trinken, bei Krämpfen stündlich ein paar EL davon
einnehmen.

Viele Traditionen und Legenden ranken sich um das Kraut, es


ziehe z. B. Elfen und kleine Wesen an, die sich auf den Blättchen
zum Tanzen treffen sollen. Es ist lohnenswert, das Kraut bei sich
zu tragen, denn dann geht einem nie das Geld aus, heißt es. Und
wer es bei einer Gerichtsverhandlung im Schuh trägt, würde den
Prozess gewinnen.

Klatschmohn (Papaver rhoeas)

Heilwirkungen: schlaffördernd, beruhigend, juckreizmildernd

An Wiesenrändern war er früher häufig zu finden, inzwischen ist


Klatschmohn eher selten geworden. Weil er es nicht mag, wenn
der Boden bearbeitet oder auch nur erschüttert wird, wächst er am
ehesten auf offenen, unbearbeiteten Böden. Mit dem Schlafmohn
(Papaver somniferum), dessen Anbau tabu ist, hat der
Klatschmohn nichts gemein, sein Milchsaft enthält keine
Opiumalkaloide.

Seine Samen haben eine beruhigende, schlaffördernde Wirkung.


Sie enthalten Linolsäure, fettes Öl und das Alkaloid Rhoeadin.
Hildegard von Bingen empfahl, gegen Juckreiz täglich 1 bis 3 EL
rohe Mohnsamen zu essen. Meiner Oma half der Mohn sehr gut,
als sie schon sehr alt und bettlägerig war und unter Juckreiz litt.

Ich liebe Mohnkuchen! Wenn ich ihn backe, besteht er fast nur
aus der Füllung, auf Kuchenteig kann ich gern verzichten.
Mohnkuchen gehörten früher zur Verlobungsfeier: Je mehr Körner
verarbeitet wurden, desto größer würde die Liebe wachsen, sagte
man.

Die knallroten Blütenblätter esse ich gern roh im Salat, getrocknet


verlieren sie die Farbe ein wenig und als Tee sind sie nicht gut zu
verwenden.

Lavendel (Lavandula officinalis)

Heilwirkungen: schlaffördernd, entspannend,


konzentrationsfördernd, desinfizierend

Der Lavendel ist eine Pflanze des Mittelmeerraums, die bei uns
nur kultiviert vorkommt. Er gedeiht gut, wenn er jedes Jahr nach
der Blüte zurückgeschnitten wird.

In das Rotöl aus Johanniskraut gebe ich manchmal ein paar


getrocknete Lavendelblüten; das Öl riecht dann sehr angenehm
und die Wirkung soll noch beruhigender sein. Lavendel kommt in
vielen schlaffördernden Teemischungen vor – ich persönlich
schätze ihn sehr, weil ich Baldrian, der ebenfalls schlaffördernd
wirkt, nicht gut vertrage.

Vom Lavendel können wir viel über Pflanzenheilkunde erfahren,


denn er wirkt sowohl wach machend und konzentrationsfördernd
als auch entspannend und schlaffördernd, je nachdem, wann wir
ihn einnehmen. Er weckt gewissermaßen das Potenzial, das gerade
angebracht ist. Ein Bad in Lavendelduft treibt Menschen mit
niedrigem Blutdruck an und beruhigt überreizte Menschen. Dafür
1 Handvoll Blüten mit 1 l kochendem Wasser übergießen und
noch einmal kurz aufkochen lassen. 10 Minuten ziehen lassen,
dann dem Badewasser zugeben. So lange baden, wie es angenehm
ist.
Lavendel ist die Pflanze der romantischen Liebe. Früher achteten
die Frauen sehr darauf, dass sie von den Männern gepflanzt
wurde, denn es hieß auch, dass sie die Unkeuschheit vertreibt. In
den Häusern wurde großzügig Lavendel verteilt, in den Schränken,
auf den geputzten Böden, nicht nur, damit es gut riecht, sondern
auch, weil der Duft Ungeziefer vertreibt. So half er auch gegen die
Pest.

Jungfer im Grünen (Nigella damascena)

Heilwirkungen: hautpflegend, leberstärkend, immunstärkend,


abführend

Die wunderschöne, genügsame Gartenpflanze ist die kleine


Schwester der Schwarzkümmelpflanze Nigella sativa aus heißen,
südlichen Ländern. Vor einiger Zeit wurde Schwarzkümmelöl bei
uns als Heilöl wiederentdeckt. Es wird äußerlich bei
Hautproblemen verwendet und soll innerlich eingenommen
vorbeugend gegen Allergien und Zeckenbefall wirken. Das Öl
rückt immer mehr ins Zentrum des Interesses, Studien belegen die
große Wirksamkeit.

Die Jungfer im Grünen besitzt ebenfalls schwarze Samen, die sehr


ähnlich schmecken wie der Schwarzkümmel, aber weniger
wirksam sein sollen. Ich benutze sie mehr als Gewürz, weniger als
Heilpflanze. Traditionell wurde sie bei Leberleiden und gegen
Verstopfung sowie Blähungen eingesetzt. In Ägypten, der Heimat
des großen Bruders Schwarzkümmel, heißt es, dass der
Schwarzkümmel jede Krankheit heilen könne, außer den Tod.

Erdbeere (Fragraria vesca)


Heilwirkungen: blut-, nieren- und harnleiterreinigend,
desinfizierend, hilft gegen Durchfall

Die Walderdbeere wächst noch immer häufig in Mischwäldern,


bei mir im Garten hat sie sich ebenfalls überall ausgebreitet. Sie
ist wirksamer als ihre kultivierte Schwester mit den großen
Früchten.

Sie gehört zu den Rosengewächsen, ihre Früchte sind


Scheinfrüchte und die kleinen Samen darauf sind Nüsschen. Ein
paar getrocknete Blätter verleihen jeder Teemischung einen
frischen Geschmack; traditionell wurden sie bei Durchfall
eingesetzt, auch eine blut-, nieren- und harnleiterreinigende Kraft
wurde ihnen nachgesagt. Die Gerbstoffe, die Flavonoide und die
Salicylsäure desinfizieren und sorgen für die Heilwirkung,
zusätzlich stecken die Früchte voller Vitamin C und
Mineralstoffe. Wer eine Erdbeerallergie hat, sollte auf den Tee
natürlich besser verzichten.
Hildegard von Bingen mochte die Erdbeeren gar nicht – weil sie so nah an der
Erde wachsen, seien sie der Fäulnis zu nah. Sie zählte sie zu den
»Küchengiften«.
JULI

BÄUME IM JULI

Esche (Fraxinus excelsior)

Heilwirkungen: desinfizierend, blutreinigend, wassertreibend und


abführend, ausleitend, belebend

Die Esche ist ein großer, mächtiger Baum, sie ist die Majestät der
Wälder und wird bis zu 40 Meter hoch. Ihre Wurzeln reichen tief
in die Erde, ihre Krone lässt viel Licht durch, das zeigt ihr
freundliches, sonniges, geselliges Wesen. Viele andere Pflanzen
fühlen sich neben ihr wohl, ihr Laub ergibt einen nahrhaften
Humus.

300 Jahre alt kann sie werden, dann ist ihr Stamm, der anfangs
noch glatt, hellgrün oder grau ist, längst schwarzgrau und
aufgerissen. Sie wächst überall in Europa und hat es gern feucht –
nicht nur unter der Erde, sondern auch in der Luft –, weshalb sie
sich in England, Schottland und Irland besonders wohlfühlt.

Erkennen können wir sie im Sommer leicht an den unpaarig


gefiederten Blättern und im Winter an ihren einmaligen
schwarzen Knospen, die ein wenig an Spielzeughelme erinnern.
Neben ihr und der Eberesche gibt es nicht viele heimische Bäume
mit gefiederten Blättern.

Ihr kerzengerader Stamm kann bis zu 1 Meter dick werden, und


ihr Holz ist begehrt, weil es stabil und doch leicht ist und nicht
splittert. Früher wurden Speere, Pfeile und Werkzeuggriffe daraus
gefertigt, heute außer Möbeln auch Sportgeräte wie Rodelschlitten
und immer noch Werkzeuggriffe.

Sieht man die Eiche als den König unserer Wälder an, dann ist die
Esche der Kaiser, noch größer und mächtiger. Und dabei ist sie
fürsorglich, zäh, stark und biegsam, ausdauernd und schnell
wachsend. Die Esche vereint viele positive Eigenschaften.

Heilsame Kräfte stecken in ihr, die zu allen Zeiten genutzt


wurden. Ihre Rinde ist sehr gut als Erste Hilfe zu gebrauchen,
wenn man sich bei einer Wanderung eine offene Wunde
zugezogen hat: Sie wirkt desinfizierend. Gerbstoffe, Rutin,
Quercetin, Flavonoide, Cumarine, Bitterstoffe und Harz enthält
sie, die Liste ihrer Inhaltsstoffe ist lang. Ihre Blätter kann man in
den Schuh legen, um die Füße zu erfrischen und weiterwandern zu
können. Die jungen, etwas klebrigen Blätter kann man auch essen.
Blätter, Rinde und Früchte wirken als Tee blutreinigend,
wassertreibend und abführend.

Die Anwendung der Knospen in der Gemmotherapie ist sehr


umfassend: Ausleitung, Regulierung des Purin- und des
Fettstoffwechsels, Stärkung der Nerven. Auf der seelischen Ebene
wirkt sie fantasieanregend und belebend – eine gute Hilfe für
Menschen, die erkennen, dass sie sich oft als passive Opfer
fühlen. Das Gemmopräparat aus den Samen soll noch eine
spezielle Wirkung für Männer bereithalten: die Libido steigern
sowie männlicher Sterilität und Impotenz entgegenwirken.

In den Mythen der Völker kam so ein mächtiger Baum natürlich


häufig vor. Männliche und weibliche Aspekte spiegeln sich in den
Geschichten über die Esche wider. Die weiblichen sind mit
Wasser assoziiert und betonen Fürsorglichkeit, Ausdauer und
Duldsamkeit. Rund um Geburt, Heilung und Schutz drehen sich
die Bräuche, und man sah sie als dem jungen Leben förderlich an.
So wurde lange Zeit neugeborenen Kindern Eschensaft gegeben,
grüne Eschenzweige wurden auf das Feuer im Geburtszimmer
gelegt. Die männliche Seite wird durch Odins Speer aus
Eschenholz repräsentiert; sie zeigt die Zielgerichtetheit und
Stärke sowie die Strahlen der Sonne an.

In England wurde Feuer für rituelle Handlungen erzeugt, indem


die Menschen eine Schale aus Erlenholz mit einem Stößel aus
Eschenholz so lange traktierten, bis Funken flogen.

Wir können in vielen Büchern lesen, dass Yggdrasil, der


Weltenbaum, eine Esche gewesen sein soll. Vieles spricht
allerdings dafür, dass es sich dabei wohl eher um die Eibe
gehandelt haben muss. Das Dunkle der Eibe wurde vom Licht und
der Macht der Esche in der Wahrnehmung der Menschen
überstrahlt, die sich lieber an der Helligkeit und Stärke der Esche
orientieren wollten. Aber jedes Dorf hatte schließlich seinen
eigenen Weltenbaum – vielleicht war es in einem Dorf eine Esche
und im anderen eine Eibe.

Die Esche gibt uns Kraft, wenn wir uns auf sie einlassen und in ihrem Schatten
träumen. Sie kann uns helfen, unsere Seele zu reinigen. Das Spiel des Lichts
unter ihrem Dach regt die Fantasie an und lässt in uns aufmunternde Bilder
entstehen. Die Individualität wird gefördert und lässt uns empfinden: Wir sind
die Schöpfer unserer Realität!
Eiche (Quercus robur)

Heilwirkungen: zusammenziehend, kräftigend, nährend,


blutstillend, stopfend

Die imposante Eiche wird als Häuptlingsbaum angesehen. Sie hat


eine so mächtige Wurzel, als hätte ein Gott seinen riesigen Speer
tief in die Erde gerammt. Häufig wächst sie über Wasseradern und
zieht mehr Blitze an als andere Bäume.

Sie kann bis zu 1000 Jahre alt werden und gehört zur Familie der
Fagaceae, der Buchengewächse. Buchen brauchen genau unser
gemäßigtes, feuchtes Festlandklima und gedeihen hier besonders
gut. Da Eichen jedoch weit weniger spezielle Ansprüche an Klima
und Boden stellen als Buchen, sind sie auch in England
weitverbreitet. Eichen sind wesentlich robuster als Buchen, nur
trockene Kälte vertragen Eichen nicht so gut, ansonsten scheinen
sie Herausforderungen zu mögen und Wind und Wetter zu trotzen.

Ihr festes, dauerhaftes Holz wird überall geschätzt; die Eiche ist
so widerstandsfähig, dass sie sogar Waldbrände überstehen kann.
Ihr Wuchs zeigt ihren Kampf mit den Elementen an: Äste und
Stamm verlaufen oft nicht gerade, sondern bilden ein
Zickzackmuster. Es zieht sie bald hierhin, bald in die andere
Richtung. Auch die gebuchteten Blätter zeugen von
widerstrebenden Kräften zwischen Ausdehnung und Kontraktion.

Sie hat ein höchst gastfreundliches und beschützendes Wesen – im


Gegensatz zu den Buchen, die kaum Licht durchlassen und wenig
Leben in ihrem Schatten dulden. Von der Eiche leben etwa 500
Spinnen- und Insektenarten, u. a. die Gallwespen.

Ihre Früchte, die Eicheln, sind ein äußerst nahrhaftes Futter und
verlocken ihre Helfer, die Eichhörnchen und Eichelhäher, dazu,
sich zu bedienen. Die Tiere vergraben die Vorräte und verteilen so
die Samen. Mit ihren unscheinbaren Blüten wollen sie hingegen
niemanden anlocken – die Bestäubung überlassen sie dem Wind.

Bei allen Völkern hat die Eiche eine ähnlich große Bedeutung und
steht für den König der Bäume. Häufig war sie der Richtbaum,
unter dem der Herrscher thronte und Urteile fällte; sie
kennzeichnete die sogenannten Thingstätten der Germanen, an
denen Versammlungen stattfanden und Recht gesprochen wurde.
Misteln, die auf ihr wachsen, galten den Kelten als die
hochwertigsten Allheiler, die sie mit goldenen Sicheln ernteten.
Wobei die Druiden, die »Baum-Weisen« oder »Eichen-Weisen«,
sorgfältig darauf achteten, dass die Misteln nicht mit der Erde in
Berührung kamen, damit sie nicht verunreinigt wurden.

Der keltische Name für Eiche, Duir, bedeutet auch Tor. Ihr Holz
wurde aber nicht nur dafür verwendet, um Türen und Schwellen zu
zimmern; der Baum stand auch im übertragenen Sinne für einen
Übergang und symbolisierte den Eintritt ins Erwachsenenalter –
so wie die Birke die Geburt und die Eibe den Übergang in andere
Welten verkörperten. Es drängen sich die Aspekte der Härte,
Größe, Kraft und Festigkeit in den Vordergrund. Englands
gewaltige Flotte wurde aus Eiche gezimmert, ebenso wie
Eisenbahnschwellen, Kriegsgeräte, Keulen oder Möbel. Dabei hat
sie noch ganz andere Qualitäten und repräsentiert Verantwortung,
Treue, Geselligkeit, Schutz und Nahrung für ihre Umwelt. Siegern
wurde als Zeichen der Überlegenheit der Eichenkranz verliehen.
Lange hielt sich in unseren Breiten die Tradition des Julscheits,
das häufig aus Eichenholz bestand. Um Weihnachten herum, zu
»Mittwinter«, wurde es verbrannt, und die Kohle und Asche des
Scheits wurde als starkes Heilmittel aufbewahrt.
In der Heilkunde wird vor allem ihre Gerbsäure genutzt; Blätter
und Rinde besitzen eine zusammenziehende, entwässernde,
antiseptische und fiebersenkende Wirkung. Ein Bad in einem
Eichenrindenauszug heilt entzündete Hautstellen und hilft bei
Hämorrhoiden.

Die Eicheln sind durchaus auch für Menschen essbar, nicht nur in
Notzeiten. Man muss sie schälen, klein schneiden und einige Tage
lang immer wieder mit frischem Wasser wässern, bis das Wasser
klar bleibt. Dann kann man sie trocknen und mahlen und anderem
Mehl untermischen oder rösten und als Kaffee trinken.

Bach entwickelte aus der unscheinbaren Blüte ein Mittel für


Kämpfer, die die Kraft verlässt oder die sich und andere
überfordern. Das Mittel Oak kann sie lehren, mehr Verantwortung
für die eigene Kraft und für andere zu übernehmen.

Denn das macht den König in uns aus: stark sein, Schwache beschützen und
unterstützen, fest in der Tiefe wurzeln und allen Widrigkeiten trotzen. Das zeigt
uns dieser Baum.

KRÄUTER UND ANDERE PFLANZEN IM JULI

Schafgarbe (Achillea millefolium)

Heilwirkungen: entzündungshemmend, anregend,


menstruationsregulierend, antiseptisch, wundheilungsfördernd,
krampflösend
Die Schafgarbe finden wir zum Glück immer noch häufig auf
Wiesen sowie an Wald- und Feldrändern. Nur in feuchten,
sumpfigen Gebieten sucht man sie meist vergeblich: Sie zieht
trockene, magere Standorte vor.

Meine Mutter musste als Kind für die Soldaten an der Front
Schafgarbe sammeln – eine der letzten Maßnahmen am Ende des
längst verlorenen Krieges. Die Schafgarbe ist ein »Kriegerkraut«,
schon der lateinische Name weist uns darauf hin. Ihre stark
gefiederten Blätter wurden von den Indianern auch
Frauenaugenbrauen genannt und erinnern an das Geflecht der
Adern in unserem Körper; dort befindet sich auch ihr
Hauptwirkungsbereich. Die Schafgarbe heilt tiefe Verletzungen
bis zur dritten Blutebene, also bis zu den tiefer gelegenen,
größeren Blutgefäßen. Sie heilt Stich- und Schnittwunden, und die
Einnahme einer Tinktur nach einer Operation unterstützt den
Heilungsprozess.

Wenn ich mich im Garten verletzt habe, reinige ich die Wunde
und behandle sie mit meiner selbst hergestellten Schafgarbensalbe
(siehe nächste Seite). So entzünden sich die Wunden nicht und
heilen schnell wieder zu.

Für den Tee ernten wir das blühende Kraut und hängen es
kopfüber schattig und luftig auf, bis es getrocknet ist. Der Tee
wirkt ungefähr so wie Kamillentee, er hilft also bei allen Magen-
und Darmproblemen. Aber das Wirkspektrum geht noch darüber
hinaus, auch bei Menstruationsschmerzen und anderen
Krampfzuständen, z. B. Migräne, wirkt er beruhigend und
krampflösend. Proazulene, Campher, Flavonoide, Bitterstoffe,
Thujon, Cineol und Eukalyptol sind die Wirkstoffe der
Schafgarbe. Am Abend trinke ich allerdings keinen
Schafgarbentee mehr, denn er regt den Kreislauf etwas an.
Eigentlich sollte die Schafgarbe in keiner Teemischung fehlen,
denn sie gilt als Allheilmittel!
• Schafgarbensalbe:
1 Handvoll frische Schafgarbenstängel mit Blüten etwas zerkleinern, in so
viel Olivenöl erwärmen, dass das Kraut gut bedeckt ist, und 20 bis 30
Minuten bei niedriger Temperatur ziehen lassen, dabei gelegentlich
umrühren. Empfehlenswert ist es, das Öl erkalten und eine Nacht stehen zu
lassen. Am nächsten Tag abfiltern, wieder erwärmen und pro 100 ml Salbe
je 10 g Bienenwachs hinzufügen, in einen Salbentopf gießen. Vor dem
Verschließen gut auskühlen lassen, damit sich kein Kondenswasser am
Deckel bildet, sonst könnte die Salbe schimmeln. Im Kühlschrank hält sie
sich etwa 1 Jahr.

Beifuß (Artemisia vulgaris)

Heilwirkungen: appetitanregend, verdauungsfördernd, generell


stimulierend

Der sehr aromatische Beifuß wächst an Bahndämmen, unter


Stadtbäumen und auf Wiesen. Er ist häufig zu finden und gut am
würzigen, süßlichen Geruch zu erkennen.

Für manche ist der Beifuß die »Mutter aller Heilkräuter«, für
manche nur ein Gewürz für den Gänsebraten. Ob wir uns nun
einen Gürtel aus ihm flechten und nackt um das Sonnenwendfeuer
tanzen, nur bekleidet mit ihm und einem Kranz aus Gundermann,
wie es unsere Vorfahren getan haben, das bleibt jedem selbst
überlassen. Der Beifuß genoss ein hohes Ansehen, er wurde bei
den Räucherungen in den Raunächten verwendet, um böse Mächte
zu vertreiben.
Bei meiner Oma durfte er im Haushalt nie fehlen. Sie kochte am
liebsten fettes Fleisch, und der Beifuß half, ihr Essen zu verdauen.
Ich verwende ihn gern im Kräutersalz (s. u.). Der Tee ist etwas
bitter, aber er tut einem verstimmten Magen gut. Sparsam
dosieren, oft ist die Prise, also die Menge, die man mit drei
Fingern fassen kann, schon zu viel. Ausprobieren und nur kurz
ziehen lassen. Eigentlich müsste es heißen, bitter macht lustig,
denn die Bitterstoffe beleben, regen die Drüsentätigkeit an und
unterstützen die Verdauung.
• Beifuß-Kräutersalz:
Zu gleichen Teilen sehr fein geschnittenen frischen Beifuß, Thymian und
Rosmarin mit 3 Teilen Salz verreiben, trocknen lassen und in einem dunklen
Gefäß aufbewahren. Passt sehr gut zu fetten Speisen. Der Anteil der
Kräuter kann durchaus auch höher sein.

Weinraute (Ruta graveolens)

Heilwirkungen: augenstärkend, verdauungsfördernd,


durchblutungsfördernd, stimmungsaufhellend

Die Weinraute ist eine Mittelmeerpflanze, deshalb können wir sie


bei uns nicht verwildert antreffen, aber im Garten wächst sie gut.
Der Versuch, sie statt Buchs als Begrenzung für Beete
anzupflanzen, lohnt sich.

Ihr starkes Aroma zeigt ihre Verwandtschaft mit Zitronen und


Orangen an. Hübsch sieht sie aus mit ihren gelben Blüten und
mattgrünen Blättchen, die runden Fingerchen ähneln. In südlichen
Ländern ist die Weinraute ein beliebtes Küchenkraut; der
Geschmack ist sehr würzig, also sparsam verwenden! Sie enthält
Gerbstoffe, Furanocumarine, Alkaloide, Rutin, Harz und
Bitterstoffe. Schwangere sollten die Weinraute meiden, denn sie
kann durch ihre durchblutungsfördernde Eigenschaft eine
Fehlgeburt einleiten. Ich nasche täglich 1 bis 2 der Blätter: Das
macht fröhlich, beugt Wechseljahrsbeschwerden vor und kräftigt
und entspannt die Augen.

Eines der allerbesten Augenmittel überhaupt ist die


Weinrautentinktur. Die Raute stärkt nicht nur die Sicht nach
außen, sondern soll auch hellsichtig machen, das innere Auge
öffnen und Kinder vor bösen Geistern schützen, wenn man es
ihnen in die Wiege legt.
• Weinrautentinktur:
Das blühende Kraut klein schneiden, eine kleine Flasche zu einem Viertel
damit füllen und mit 40-prozentigem Alkohol aufgießen. 14 Tage stehen
lassen, abgießen. Täglich 3-mal 3 Tropfen über 3 Wochen einnehmen.

Minze (Mentha)

Heilwirkungen: entstaut die Gallenblase, desinfiziert, kühlt,


lindert Übelkeit und Magenschmerzen

Von der Minze gibt es viele verschiedene Arten, alle verbreiten


sich sehr rasch und ausdauernd. Es gibt wilde Arten und
kultivierte, der frische Geschmack der Blätter ist bei allen
ähnlich.

Meine Oma sagte über die schnell wachsende Minze, dass sie »in
die Küche hineinwachsen will«. Dagegen hilft nur eins: ernten!
Und trocknen und verbrauchen.

Pfefferminztee ist der beliebteste Kräutertee hierzulande, aber


welch einen Unterschied macht es, ihn aus selbst angepflanzter
Minze herzustellen! Und was die Minze alles kann, ist erstaunlich.
Es heißt, wer alle Wirkungen der Minze kennt, der weiß auch, wie
viele Fische im Ozean schwimmen. Sie räumt u. a. den Magen
auf; Hildegard von Bingen empfahl, im Sommer jeden Tag ein
paar frische Blättchen zu essen, damit der Magen gesund bleibt
und die Verdauung gut funktioniert.

Außerdem desinfiziert und kühlt die Minze, sie löst Krämpfe und
lindert Schmerzen. Wer Probleme mit der Gallenblase hat, sollte
unbedingt Pfefferminze zu sich nehmen, denn sie entstaut den
Gallenfluss. Die Blätter ernte und trockne ich, bevor die Pflanze
blüht. Sie entfaltet ihre Wirkung durch ihre Inhaltsstoffe wie
Gerbstoffe, Menthol, ätherische Öle und Flavonoide.

Odermennig (Agrimonia eupatoria)

Heilwirkungen: schleimhautpflegend, schmerzstillend,


immunstimulierend

Den Odermennig findet man heutzutage eher selten, aber an


sonnigen Waldrändern und auf trockenen Wiesen gibt es ihn noch.
Er hat gefiederte Blätter, die vielen kleinen, gelben Blüten sind
ährenförmig angeordnet.

Einst war der Odermennig sehr hoch angesehen, und in der Tat ist
er ein Vielheiler. Sängerkraut wird er auch genannt, aber er pflegt
nicht nur angestrengte Stimmbänder, sondern alle Schleimhäute
im Körper. Eigentlich ist es nur eine einzige Schleimhaut, die uns
auskleidet. Deshalb wirkt ein Kraut, das die Schleimhaut pflegt,
an vielen Stellen. Darm, Magen, Nasennebenhöhlen – alles reinigt
der Odermennig.
Wir ernten ihn, wenn er blüht, hängen das Sträußchen kopfüber
und trocknen es im Schatten. Der Tee schmeckt ausgesprochen
gut.

Wie gesagt war er ein hoch angesehenes Kraut, das Heil aller
Schäden oder König aller Heilkräuter genannt wurde. In den
trockenen Gegenden der deutschen Mittelgebirge findet man ihn
häufiger als an feuchten, saftigen Wiesen im Süden oder Norden.
Männer gruben ihn mit goldenen Werkzeugen aus, um sich die
Liebe einer Frau zu verschaffen.

Klette (Arctium lappa)

Heilwirkungen: blutreinigend, aktiviert Leber, Gallenblase und


Nieren, entgiftend

Auf Schuttplätzen, an Mauern, auf Dämmen und an Bachufern ist


diese Pflanze zu finden. Die Große und die Kleine Klette (Arctium
minus) sind in ihrer Wirkung gleich, sie reinigen beide das Blut.

Wir kennen sie in erster Linie, weil sie im Herbst die runden
Kletten tragen, die an allem kleben bleiben und das Vorbild für
den Klettverschluss waren, ohne die heute keine Kinderkleidung
mehr auskommt.

Blätter und Wurzel werden zu unterschiedlichen Zwecken


verarbeitet. Am besten schmeckt der Tee aus den jungen Blättern.
Er aktiviert Leber, Gallenblase und Nieren und reinigt das Blut.
Wer mit chemischen Ausdünstungen von Lösungsmitteln belastet
ist oder Antibiotika nehmen musste, kann sich damit von den
Giften reinigen. Die Wurzel kann man essen; sie enthält Inulin,
das Diabetikern helfen kann, ihren Blutzuckerspiegel zu
regulieren. Unterstützend wirkt die Klettentinktur, für die Blätter
und Wurzel zu gleichen Teilen zerkleinert und zerstoßen und mit
der doppelten Menge 40-prozentigem Alkohol aufgegossen
werden. In die Wärme stellen und täglich schütteln, nach 14
Tagen abfiltern. 3-mal 3 Tropfen am Tag einnehmen, um die
reinigende Wirkung zu unterstützen.

Die jungen Blätter schmecken auch gut als Spinat, und eine
richtige Delikatesse, die nussig schmeckt, ist das Klettenmark aus
dem Inneren der Stängel. Man kratzt es heraus und gibt es ins
Essen.

Unsere Vorfahren haben sich die Wurzel als Amulett umgehängt,


wenn sie Augenleiden hatten, und bei heftigen Krämpfen legten
sie sich die Pflanze unter das Bett.

Kamille (Matricaria chamomilla)

Heilwirkungen: beruhigend, wundheilend, schmerzlindernd,


entzündungshemmend, antiseptisch

Die Kamille anzupflanzen ist gar nicht so einfach. Sie mag es,
wenn die Erde bewegt oder umgegraben wird, dann fühlt sie sich
wohl. Sie wächst auch gern auf Wegen, es scheint ihr nichts
auszumachen, wenn sie ein paar Tritte abbekommt.

Um die echte Kamille zu erkennen und von ähnlichen Pflanzen zu


unterscheiden, pflückt man eine reife Blüte, von der die
Blütenblätter schon herabfallen, und öffnet sie. Ist der
Blütenboden hohl, haben wir es mit der wirkungsvollen Kamille
zu tun.
Kamillentee ist nach dem Pfefferminztee der zweithäufigste Tee
bei uns. Er ist meist der erste Tee für Babys, denn er tut sowohl
Kindern als auch jungen Müttern gut. Der lateinische Name
»Matricaria« kommt von Matrix, Gebärmutter. Die Kamille
unterstützt die Heilung nicht nur im Wochenbett, sie kann auch in
der Schwangerschaft getrunken werden. Sie beruhigt Nerven,
Magen und Darm. Das ätherische Öl Azulen, das aus ihr
gewonnen wird, ist blau, es macht Bakterien und Viren
unschädlich.

Für die Germanen galt sie als Sinnbild von Kraft, gepaart mit
Bescheidenheit. Junge Mädchen sollten sich vor ihr verneigen,
wenn sie an ihr vorbeigingen.

Wegwarte (Cichorium intybus)

Heilwirkungen: verdauungsfördernd, appetitanregend,


blutbildend; beugt Eisenmangel vor

An Weg- oder Straßenrändern und auf Wiesen habe ich sie schon
gesehen, sie bevorzugt sonnige und trockene Standorte. Auch sie
hat den Weg in meinen Garten gefunden; wie habe ich mich
gefreut, als mich eines Morgens die erste blaue Blüte ansah! Die
Blüten sehen aus wie Kinder-Kulleraugen, unschuldig und leicht
herausfordernd. Wer unter Blutarmut leidet, sollte täglich ein paar
Blüten essen, denn sie stecken voller Eisen.

Sie heißt Wegwarte, weil der Sage nach ein verlassenes Mädchen
am Wegesrand wartete und wartete, bis der Geliebte doch noch
kam. Wir kennen ihre Wurzel, aus der der Kinderkaffee
hergestellt wird, der Zichorienkaffee.
Ein Tee aus Wurzeln und Blättern schmeckt sehr bitter und hilft
dank der Bitterstoffe bei Leber-, Gallenblasen- und
Stoffwechselproblemen. Zudem vertreibt er die Traurigkeit.

Kleine Braunelle (Prunella vulgaris)

Heilwirkungen: antibiotisch, antiviral, blutdrucksenkend

Auf fetten, feuchten Wiesen wächst sie. Sie ist eine der Pflanzen,
die den Menschen in die Städte folgt. Sie heißt auf Englisch »self-
heal«, also Selbstheilung, und war das Mittel, mit dem die
Menschen bis in die Neuzeit die Diphtherie bekämpft haben.

Und doch ist sie so klein und unscheinbar. Auf meinem Rasen
blüht sie im Hochsommer und breitet sich immer weiter aus. Sie
wird 10 bis 20 Zentimeter hoch, ihre Blüten sind lilafarben –
bestimmt haben Sie sie schon einmal gesehen! Ich sammle die
Pflanze, wenn sie blüht, und bereite mir einen Tee aus dem
blühenden Kraut zu, wenn der Hals kratzt. Die Blüten sind essbar,
Tee und Blüten haben keinen starken Eigengeschmack. Die Kleine
Braunelle enthält Lignine, die sich als wirkungsvoll gegen
Herpesviren erwiesen haben. Auch Triterpene, Gerbstoffe,
Rosmarinsäure sowie die Vitamine B, C und K machen sie als
Heilpflanze so wertvoll.
• Braunellen-Hautsalbe:
1 Handvoll frische Braunellenstängel mit Blüten etwas zerkleinern, in
Olivenöl – so viel Öl nehmen, dass das Kraut immer gut bedeckt ist –
erwärmen und 20 bis 30 Minuten bei niedriger Temperatur ziehen lassen,
dabei gelegentlich umrühren. Abfiltern und pro 100 ml Salbe je 10 g
Bienenwachs hinzufügen. Schmelzen lassen und in einen Tiegel gießen.
Vor dem Verschließen gut auskühlen lassen, damit sich kein
Kondenswasser am Deckel bildet, sonst könnte die Salbe schimmeln. Im
Kühlschrank hält sie sich etwa 1 Jahr, verwendet wird sie bei viralen
Infektionen der Haut wie etwa einer Herpesinfektion.

Ehrenpreis (Veronica officinalis)

Heilwirkungen: hautreinigend, cholesterinsenkend, harn- und


schweißtreibend

Magerwiesen und Feldwege, das sind die Plätze, an denen wir den
Ehrenpreis finden können. Eine inzwischen fast vergessene
Heilpflanze, sehr klein und unscheinbar, mit blauen Blüten. Ihr
lateinischer Name bedeutet so viel wie die »einzig wahre« (»vera
unica«) Heilpflanze, und als solche galt sie auch lange Zeit.

Der Tee soll den Kopf nach einem Tag am Computer entlasten.
Außerdem regt er die Milchbildung an und hilft bei zu hohen
Cholesterinwerten. Mit dem übrig gebliebenen Sud können wir
uns einreiben: Er hilft bei vielen Hautunreinheiten, etwa bei Akne
und anderen Ausschlägen. Gerbstoffe, Saponine, ätherisches Öl
und noch einige weitere Stoffe, die heilsam für die Haut sind,
wurden in ihr gefunden. Gemeinsam mit der Bibernelle wurde
Ehrenpreistee getrunken, um vor der Pest geschützt zu sein. Auch
soll der Tee helfen, wenn man von dunklen Vorahnungen geplagt
wird. In den Sagen kommt der verletzte Hirsch vor, der die blauen
Blümchen fraß, und sofort schlossen sich seine Wunden.

Hohlzahn (Galeopsis tetrahit)

Heilwirkungen: schleimlösend, bronchienstärkend,


zusammenziehend
Der Hohlzahn wächst reichlich auf kalkarmen Böden, in
Steinbrüchen sowie in der Nähe von Brachen und Schuttplätzen.
Es hat gedauert, bis ich den Hohlzahn erkennen konnte, und
immer noch kommt mir die Pflanze sehr stur und eigen vor. Im
Herbst versuche ich manchmal, den Hohlzahn abzureißen, wenn er
verblüht ist. Mit den bloßen Händen geht das fast nicht, denn das
Gerüst aus Kieselsäure macht ihn widerstandsfähig, und der
Blütenboden ist sehr stachelig.

Für den Tee ernte ich die blühende Pflanze und hänge sie zum
Trocknen auf. Ich lasse den Tee 10 Minuten lang köcheln, damit
sich die Kieselsäure und die Mineralien lösen. Dann hilft er
wunderbar gegen langwierigen Husten, er stärkt das
Lungengewebe und regt die Blutbildung an. 3 Wochen lang sollte
man ihn trinken, mindestens 3 Tassen am Tag. Da sich Haut und
Haare immer über Kieselsäure freuen, trinke ich den Tee auch
ohne Husten gern.

Der Hohlzahn wurde lange Zeit als wahre Wunderdroge


angepriesen und hat dadurch Erwartungen geweckt, die er nicht
erfüllen konnte. Aber als Hustenmittel, vor allem bei langwierigen
Krankheiten, ist er wunderbar.

Königskerze (Verbascum densiflorum)

Heilwirkungen: hustenlindernd, nervenstärkend, krampflösend,


auswurffördernd, schweißtreibend, entzündungshemmend

Mitten in der Stadt, an einer stark befahrenen Kreuzung, wuchs


auf meinem täglichen Weg ein Prachtexemplar dieser
eindrucksvollen, großen Pflanze. Normalerweise fühlt sie sich auf
Brachflächen und an steinigen Abhängen in der vollen Sonne
wohl. Die bis zu 2 Meter große Pflanze mit den vielen kleinen,
gelben Blüten steht wie eine Fackel da, sie leuchtet und blickt
majestätisch in die Ferne.

Es gibt unzählige Anwendungen für die Königskerze. Die Blüten


mit ihren Schleimstoffen sind gut für die Atemwege, die Blätter
mit der Kieselsäure für das Bindegewebe und die Wurzel für die
Nerven.

Die Blüten ernte ich und trockne sie vorsichtig auf einem Stück
Küchenpapier, sie werden schnell schlecht. Wenn ich sie frisch
esse, entferne ich vorher die behaarten Staubblätter, sonst kratzt
es im Hals. Die Blüten stecken voller Saponine und Flavonoide.
Um einen Tee zuzubereiten, setze ich ein paar Prisen der Blüten in
kaltem Wasser an, das ich nur vorsichtig kurz erwärme und nicht
koche, sonst werden die Schleimstoffe zerstört. Der Tee hat sich
besonders bei trockenem, lang anhaltendem Reizhusten und
Asthma bewährt. Gurgeln hilft bei Heiserkeit. In Öl eingelegt,
sind die Blüten ein Mittel gegen Ohrenentzündungen.

Die haarigen Blätter ernte ich sogar unter dem Schnee und
benutze sie als Suppengemüse. Als Auflage auf Ödeme haben sie
sich ebenfalls bewährt, das Gewebswasser kann besser abfließen.
Dafür ein paar Blätter abkochen, frische hinzufügen und mit
einem Wickel auf der betreffenden Stelle befestigen.

Die Tinktur aus der Wurzel der einjährigen Pflanze – bevor der
große Stängel wächst – ist ein Akutmittel gegen
Nervenschmerzen. Dafür die Wurzel waschen, zerkleinern, in 55-
prozentigem Alkohol ansetzen und 3 bis 4 Wochen ziehen lassen.
Dann abfiltern und 3-mal 3 Tropfen einnehmen, bis die
Schmerzen nachlassen. Bei starken Schmerzen kann man auch
höher dosieren und stündlich bis zu 10 Tropfen einnehmen.

Die großen Blütenstängel wurden als Fackeln und als Zepter


genutzt. Im Mondenschein sollen die Elfen um sie herum
Ringeltänze aufführen.

Eisenkraut (Verbena officinalis)

Heilwirkungen: Stärkung für Haut und Schleimhaut,


schleimlösend; große magische Kräfte werden ihm nachgesagt

Eisenkraut ist ein kleines, etwas widerborstiges, dünnes Kraut mit


hellen, bläulichen Blüten. Es wächst unscheinbar auf Parkplätzen,
verdichteten Lehmböden und an Hecken, Mauern sowie auf
Ödland.

Es lohnt sich, danach Ausschau zu halten: Es ist das Kraut der


Kräuter und war allzeit sehr beliebt, denn es sollte Liebeskraft
verleihen. Und tatsächlich weiß man heute, dass es die Produktion
des Hormons Oxytocin fördert. Das »Bindungs- und
Kuschelhormon« festigt Beziehungen und regt die Milchbildung
an. Während der Schwangerschaft sollte man es nicht trinken,
denn es leitet die Geburt ein. Getrocknet und als Tee getrunken
hilft es, zähe Verschleimungen aus der Lunge zu befördern.

Was ich aber besonders toll finde: Es ist ein »Diplomatenkraut«,


d. h., man kann es während Verhandlungen auf den Tisch stellen
oder in der Hosentasche tragen, und es wird helfen, sie erfolgreich
zu führen. Ich habe es ausprobiert – es funktioniert! Kinder sollen
besser lernen können, wenn sie es bei sich tragen, und vor Unheil
geschützt sein. Verbena bedeutet »Altarsteinfeger«. Die Druiden
säuberten mit der Pflanze ihre Altäre und Opferplätze.
Steinklee (Melilotus officinalis)

Heilwirkungen: blutverdünnend, gefäßstärkend, beruhigend

Gelegentlich sehe ich den Steinklee an unbearbeiteten


Wiesenrändern stehen, bei mir im Garten will er sich leider nicht
ansiedeln. An Bahndämmen, auf Kiesplätzen und auf trockenen,
steinigen Böden wächst er bisweilen üppig. Die recht große
Pflanze besitzt viele kleine Ästchen, an denen die duftenden
gelben Blüten hängen.

Er ist zart und stabil zugleich und riecht unbeschreiblich gut nach
Sommer und Heu. Ich schneide die blühenden Stängel ab, hänge
sie kopfüber im Büschel auf und trockne sie; nach kurzer Zeit
erfüllt ihr Duft das ganze Haus.

Steinklee, in kleine Säckchen gefüllt und in den Schrank gehängt,


ergibt einen guten Mottenschutz! Man kann das Säckchen auch
mit ins Bett nehmen, um besser einschlafen zu können. Wer ein
Geschwür oder Furunkel hat, sollte es mit heißem Wasser
übergießen und so heiß wie möglich darauflegen.

Der Stoff, der den Steinklee so wirksam macht, heißt Cumarin, er


ist auch im Waldmeister vorhanden. Cumarin verflüssigt das Blut,
verbessert den venösen Rückfluss des Blutes und stärkt die
Gefäße. Das hilft gegen Krampfadern und Besenreiser. Ich wende
auch gern die Salbe an (s. u.). Menschen, die Medikamente zur
Blutverdünnung einnehmen, sollten weder Salbe noch Tee
anwenden, da die Wirkung zu stark sein könnte.

Früher, als unsere Vorfahren noch hauptsächlich zu Fuß unterwegs


waren, steckten sich die Menschen Steinklee in die Schuhe, damit
die Reise erfolgreich würde und sie heil zurückkämen. Außerdem
verlieh es den Schuhen einen guten Geruch.
• Steinklee-Venensalbe:
100 g Schweineschmalz, Ghee oder Sheabutter erhitzen und 1 Handvoll
getrocknete Steinkleeblüten darin bei schwacher Hitze 20 Minuten ziehen
lassen, anschließend abseihen. 10 g Bienenwachs in der heißen Mischung
schmelzen und 1 TL pulverisierte Eichenrinde untermischen. In Tiegel füllen
und beim Erkalten immer wieder schwenken, damit sich die Eichenrinde
nicht unten absetzt. Die Salbe hilft bei entzündeten Venen, bei Krampfadern
und Besenreisern sowie als Akutmittel bei Hämorrhoiden. Nicht über einen
längeren Zeitraum anwenden und gar nicht anwenden, wenn
blutverdünnende Medikamente eingenommen werden müssen!

Ernte – August bis Oktober

Am Vollmond im August endete die Herrschaft der beiden


milden, fröhlichen Götter. Man feierte nun Lughnasadh, das
Feuerfest, das im Jahreskreis dem Wasserfest im Februar genau
gegenüberliegt.

Der Gott zeigte sich nun als feuriger, leuchtender Lugus; seine
Gefährtin in dieser Zeit war die Kornmutter, die satte Ernährerin
aller, die Matrone mit dem Füllhorn. In manchen Gegenden ist ihr
Name Annona, anderswo heißt sie Rosmerta, aber sie hat noch
viele weitere Namen. Die Zeit der beiden ist die Erntezeit und
beginnt mit dem Schnittmonat August. Lugus gilt als der Meister
aller Künste, der die Pflanzen zur Vollendung führt. Das Obst und
das Getreide werden reif, die Pflanzen tragen Samen und beginnen
zu verblühen. Vorher aber haben die Heilkräuter ihre größte Kraft,
die Hitze reduziert das wässrige Grün und intensiviert die
ätherischen Öle sowie andere heilsame Stoffe.

Die Kirche übernahm Lughnasadh, nannte den Tag Petri


Kettenfeier und legte ihn auf den 1. August fest. Die Zeit für das
Kräutersammeln hieß fortan »Frauendreißiger«: An Mariä
Himmelfahrt (15.8.), dem Kräuterweihtag, werden in der
katholischen Kirche die Kräuter geweiht. Danach kann man sich
noch 30 Tage lang mit den Heilkräutern für das nächste Jahr
eindecken.

Im September wurde zur Herbst-Tagundnachtgleiche am 21.9. der


Sonnenuntergang des Jahres eingeläutet, für uns ist es der Tag des
Herbstanfangs. Dem heiligen Michael (29.9.) weihte die Kirche
den Tag, ab dem die Arbeiten im Haus begannen. »Der Michel
zündt’s Licht an«, hieß es. Von nun an bis Mariä Lichtmess
Anfang Februar arbeiteten die Menschen in den Häusern mit
künstlichem Licht, die Frauen sponnen und webten, die Männer
werkelten.

Die Ernte war eingebracht, die Vorräte aufgefüllt, der Blot-Monat


war gekommen, der Monat der sakralen Opfer- und Schlachtfeste,
die auch als Welterhaltungsfeste gefeiert wurden. Die Tiere, die
man nicht den Winter über ernähren konnte, wurden geopfert.
Man glaubte, dass durch das Opfer die Weltordnung
aufrechterhalten bliebe.

Die Menschen arbeiteten hart und aßen üppig, um sich für den
Winter zu stärken. Bis heute feiern wir die großen Volksfeste in
dieser Zeit.
Das Jahr neigt sich seinem Ende zu, seine Kraft geht zurück in die Erde, so
wie die Pflanzenkraft sich in die Wurzel zurückzieht. Nach dem 23.9. erntet
man bis auf wenige Ausnahmen wie z. B. den Beifuß nur noch die Wurzeln der
Pflanzen.
AUGUST

1.8. Lughnasadh, das keltische Hochsommerfest und Beginn der Erntefeste,


15.8. Kräuterweihtag

BÄUME IM AUGUST

Espe (Populus tremula)

Heilwirkungen: schmerzstillend, harntreibend, desinfizierend

Die Espe wird auch Zitterpappel genannt. Sie ist ein fröhlicher,
freundlicher Lichtbaum, wächst schnell und sprüht vor
Lebenskraft; das Rascheln ihrer Blätter verbreitete in
vorchristlichen Zeiten Zuversicht.

Anspruchslos, was den Boden angeht, wächst sie bis in große


Höhen hinauf. Sie besiedelt gern Schutt- und Brachflächen und
vermehrt sich üppig, nicht nur durch die fliegenden Samen,
sondern auch durch Wurzelausschläge, sodass Baumgruppen
entstehen.

Ihre Rinde ist glatt und graugrün oder graugelb. Die Espe wird
nicht sehr alt, nur etwa 100 Jahre, für einen Baum ist das ein
jugendliches Alter. Wer so viel gibt, verbraucht seine Kräfte eben
auch enorm. Bei ihr muss alles etwas schneller gehen: Die
Kätzchen werden vor dem Laubaustritt verweht, das Holz wächst
so rasch, dass es von weicher Beschaffenheit ist und leicht
splittert.

Ihr Erkennungszeichen sind die rundlichen, gezahnten Blätter mit


zwei unterschiedlichen Seiten – oben grün und unten weiß –, die
an langen Stielen hängen. Die Stiele wiederum sind seitlich
abgeflacht und sehr elastisch.

Dadurch braucht es nicht viel Wind, und die Blätter drehen sich
und winken und glitzern und plappern im Sonnenlicht. Das gab ihr
den Namen »Zitterpappel« und den Ruf, vor Jesus zu erbeben,
weil sie sich versündigt hatte, als sie sich voller Stolz nicht vor
ihm verbeugte. In Wahrheit dient es ihrer Entwicklung: Sie gibt
auf diese Weise viel Wasser ab und kann mehr Nährstoffe aus
dem Boden aufnehmen und noch schneller wachsen.

Im Rascheln dieses Zauberbaums meinte man, Botschaften der


Götter zu hören. In Griechenland trug Herakles auf seiner Reise in
die Unterwelt einen Espenkranz auf dem Haupt: Er vertraute
darauf, dass sie ihn aus ihr zurückführen würde.

Die Bedeutung der Espe in vorchristlicher Zeit muss gewaltig


gewesen sein, denn die Anstrengungen der Missionare waren groß,
die Menschen von ihrer Gefährlichkeit zu überzeugen. Schließlich
war sie das Zeichen dafür, dass es eine Rückkehr aus dem
Totenreich gab, und das war nun einmal einzig Jesus Christus
vorbehalten. Die Kelten bevorzugten ihr Holz für ihre Schilde,
vermutlich nicht wegen der Stabilität, sondern wegen der
Zuversicht, die es ihnen gab.

Hildegard von Bingen vertraute ihr, sie empfahl die Pappelsalbe


aus den Knospen (Rezept siehe Schwarzpappel) gegen Rheuma,
Verbrennungen und Hämorrhoiden. Die Rinde solle man trocknen
und zu einem Tee gegen Schmerzen und Fieber aufbrühen. Wir
wissen heute, wie sinnvoll das ist, denn die Espe gehört zu den
Weidengewächsen; deren Rinde enthält Salicin, die Vorstufe des
Aspirin.

Grundsätzlich lässt sich die Espe so wie die anderen Pappeln,


Schwarzpappel oder Balsampappel, für die Heilkunde verwenden,
die Knospen sind ähnlich harzreich. Es lässt sich aus ihnen ein
scharfer Tee zubereiten gegen alle Krankheiten, die mit dem
Wasser in Verbindung stehen: Blasenleiden, Rheuma und Gicht.

In der modernen Phytotherapie verwendet man Auszüge aus den


Knospen, Blättern und Sprösslingen auch bei
Prostataerkrankungen, chronischer Dünndarmentzündung und zur
Leberstärkung.

Edward Bach inspirierten die Blüten zur Herstellung seines


Mittels Aspen für dünnhäutige, übersensible Menschen, denen die
Espe helfen kann, mit ihren diffusen Ängsten umzugehen. Ihr
fröhliches Plappern und Glitzern hilft durch dunkelste Zeiten und
zeigt mit einem Lächeln, wie leicht es sein kann, sich mit höheren
Kräften zu verbinden.

Denn in jeder Angst steckt die Gelegenheit zu wachsen, wenn wir uns dazu
entschließen können, mutig zu sein und sie zu überwinden.

Buche (Fagus sylvatica)

Heilwirkungen: kühlend, zusammenziehend, beruhigend

Wegen ihres rötlichen Holzes werden die Buchen auch Rotbuchen


genannt – Buchen mit roten Blättern heißen Blutbuchen.
Rotbuchen sind die in Mitteleuropa vorherrschenden Laubbäume.
Sie sind sehr sensibel und anspruchsvoll und auf das richtige Maß
an Feuchtigkeit und Temperatur angewiesen. Unser Klima mit
recht viel Regen und moderaten Sommern und Wintern behagt ihr.
Nirgendwo sonst gefällt es ihr so gut, und so hat sie sich
einigermaßen rücksichtslos ausgebreitet, solange man sie ließ –
rücksichtslos insofern, als dass es in Buchenwäldern für andere
Pflanzen relativ wenig Licht gibt. Riesig stehen die Buchen da und
lassen wenig bis keine Sonnenstrahlen durch. Nur im Frühling,
bevor das Laub den Wald überschattet, gibt es ein paar zarte
Blümchen auf dem rötlichen Grund, Buschwindröschen, Veilchen
und Schlüsselblumen. Später gelingt es höchstens noch dem
Waldmeister, in ihrem Schatten zu wachsen.

Die Rinde ist glatt, zart, dünn, gespannt. Wehe, es gelangt


plötzlich zu viel Sonne an sie heran! Damit kommt sie nicht gut
zurecht und leidet sehr. Auch starke Temperaturschwankungen
machen ihr zu schaffen. Die Buche ist gern allein oder mit
ihresgleichen zusammen in dichten Familiengruppen. Die
»Kinder« werden zwar klein gehalten und bekommen wenig Licht,
werden unterirdisch über die Wurzeln aber mit Nährstoffen
versorgt. Wo wenige Pflanzen wachsen, gibt es auch wenige Tiere.
Seltsam leer und lautlos erscheint der Buchenwald, und man ist
ergriffen von der Majestät der Baumriesen. Für die gotischen
Kathedralen waren Buchenwälder das Vorbild.

Das Holz ist schwer und brennt nur bei hoher Temperatur, es ist
mangels Harz oder Gerbsäure verglichen mit Eichenholz weit
weniger haltbar. Buchen können 250 bis 300 Jahre alt werden,
manche erreichen auch ein Alter von 500 Jahren. Sie können
große Mengen an Früchten, die Bucheckern, erzeugen, wobei es
von Jahr zu Jahr starke Schwankungen gibt. Früher trieb man in
diesen ertragreichen »Mastjahren« die Schweine zum Fressen in
den Wald.

Erhitzte Gemüter und heiße Köpfe finden unter einer Buche


Erfrischung und Abkühlung, auch ist es schwierig, sich bei einem
Spaziergang im Buchenwald zu streiten. Rinde, Holz, Blätter,
Früchte, alles hat eine kühlende Heilwirkung, zusammenziehend,
entzündungshemmend und desinfizierend. Gerbstoffe, Oxalsäure,
fettes Öl, Glykoside, Saponine, Kalzium – die Liste der
Inhaltsstoffe ist lang, variiert aber nach Standort. Die Blätter sind
für Mensch und Tier gut essbar, die zarten, frischen
Frühlingsblätter sind leicht säuerlich und schmecken gut in Salat
oder Suppe, getrocknet kann man sie als kühlenden,
entzündungshemmenden Tee trinken. Lecker sind die geschälten
Bucheckern, wenn sie geröstet werden. Gepresst ergeben sie ein
hochwertiges, heute nahezu vergessenes Öl, das sich auch gut zum
Braten eignet.

Die Buchenasche wurde früher in Pasten eingerührt und zur


Behandlung von Geschwüren eingesetzt. Aus ihr wurde die
wertvolle Pottasche hergestellt, die als Düngemittel, zum
Seifensieden, als Bleichmittel und in der Glasmacherei
Verwendung fand. Seifenlauge entsteht, wenn man die Asche in
warmes Wasser einrührt, über Nacht stehen lässt und am Morgen
abseiht.

In der Überlieferung spielt die Buche eine große Rolle. Die


Druiden ritzten ihre Runen in Buchenstäbe und warfen mit ihnen
Orakel. Die ersten Schriften wurden auf Buchenrinde und -tafeln
verfasst, bis heute ritzen Verliebte gern ihre Namen in die glatte
Rinde der Buchenstämme. Und die Buche hütet und bewahrt ihr
Wissen.
Die gewisse Abschottung, gepaart mit Stärke und Größe, brachte Edward
Bach darauf, aus der Buche das Mittel Beech für Menschen zu gewinnen, die
sich in einer Burg aus Vorurteilen, Arroganz und Intoleranz isoliert haben. Es
soll ihr Potenzial wecken und sie zu mitfühlenden Erwachsenen machen.

KRÄUTER UND ANDERE PFLANZEN IM AUGUST

Rosmarin (Rosmarinus officinalis)

Heilwirkungen: kreislaufunterstützend, nervenstärkend, anregend,


krampflösend, erwärmend

Rosmarin überwintert bei uns nur an sehr geschützten Stellen und


ist in der Natur nicht zu finden. Er ist ein Meister der Leichtigkeit,
er begeistert, er ist ein Sonnenkraut. Wärme und Licht speichert er
und gibt sie auch wieder ab.

Wo der Rosmarin im Garten gut gedeiht, führt die Frau im Haus


das Regiment, hieß es mancherorts, als der Rosmarin noch recht
neu war in unseren Gärten. Was dazu geführt haben soll, dass
Männer ihn mitunter mutwillig zerstörten. Er kam zu uns, weil er
in den Klostergärten angepflanzt wurde.

Rosmarin stimuliert den Geist und das Nervensystem, er wärmt,


belebt und verbessert die Hirndurchblutung. Auch Hände und
Füße werden warm. Als Sonnenkraut ist er gut für das Herz, er
reguliert den Blutdruck und lässt Schwindelgefühle verschwinden.
Indem er die Gefäße »putzt«, beugt er Arteriosklerose vor. Die
Verdauung regt er ebenfalls an – und wie so häufig bei anregenden
Kräutern wird davon abgeraten, ihn in der Schwangerschaft zu
sich zu nehmen. Täglich 1 Messerspitze pulverisierten Rosmarin
soll man bei Lebererkrankungen essen, um die Darmfunktion zu
verbessern und die Gallenwege zu entkrampfen. Rosmarin enthält
viel ätherisches Öl, Cineol, Borneol, Campher, Rosmarinsäure und
Flavonoide.

Es heißt: Was der Lavendel für die Seele, ist der Rosmarin für den
Geist. Im alten Griechenland flochten sich Schüler und Studenten
Rosmarinzweige ins Haar, um besser lernen zu können. Studenten
haben vor wenigen Jahren einen Versuch gemacht, der bestätigt,
dass der Rosmarin die Konzentration fördert: Bei einer Prüfung
wurde in einem Raum vorher mit Rosmarin geräuchert, in einem
anderen nicht. Die Ergebnisse der Prüfung sprachen eindeutig für
den Rosmarin!

Die schönste Geschichte des Rosmarins ist für mich die, dass er
gegen Liebeskummer hilft. Das sollte ausprobieren, wen es
erwischt hat! Es gibt doch so wenig Hilfreiches in solch einer
Situation. Er tröstet das erstarrte Herz und bringt es wieder in
Bewegung. Er wird niemanden zurückholen können, aber
zumindest wird es wieder warm ums Herz, man fühlt sich dadurch
vielleicht etwas weniger ungeliebt. Auch in der Zeit der
Wechseljahre soll er Frauen helfen, eine neue Perspektive
aufzubauen und neue Wege zu finden. Als Tee getrunken soll er
für jeden ein Geheimnis bereithalten, der eines lüften will.

Dost (Origanum vulgare)

Heilwirkungen: krampflösend, entblähend, antiseptisch,


stoffwechselanregend, reinigend
Auf kalkigen, kieshaltigen Böden wächst er gern, der Dost oder
Oregano, er braucht viel Sonne. Der lateinische Name zeigt die
Verwandtschaft zum Majoran (Origanum majorana) an, den wir
auch als Gewürz kennen. Er enthält ätherisches Öl, Gerbstoffe,
Bitterstoffe und Flavonoide.

Der Tee hilft gegen vielerlei Krämpfe, seien es durch die


Menstruation hervorgerufene, seien es Magen-Darm-Beschwerden
oder auch Asthma. Gegen Asthma kann man den Tee noch
zusätzlich inhalieren. Die Tinktur wirkt ebenfalls sehr gut bei
krampfartigen Schmerzen: Mit dem blühenden Kraut eine kleine
Flasche zur Hälfte füllen, mit 38-prozentigem Alkohol
übergießen, 3 bis 4 Wochen ziehen lassen, abseihen. Täglich 3-
mal 3 Tropfen einnehmen, bei Bedarf auch öfter. Bei vielen
Frauen wirkt die Tinktur selbst bei starken
Menstruationsschmerzen sofort.

»Dost« ist ein altes Wort für Strauß und beschreibt die schöne
Blüte. Wohlgemuth wurde er auch genannt, weil er so fröhlich
macht. In Räucherungen ist er beliebt wegen seiner reinigenden
Kraft.

Bohnenkraut (Satureja hortensis/Satureja montana)

Heilwirkungen: magenstärkend, verdauungsstärkend,


herzstärkend, stimmungsaufhellend, ein Kraut zum Verlieben

Das Bohnenkraut ist eine klassische Gartenpflanze, die in der


Natur nur sehr selten zu finden ist. Es macht Bohnen und schwere
Speisen verträglicher, hat aber noch andere, bezaubernde
Wirkungen.
Zu Hildegard von Bingens Zeiten nannte man es auch
Pfefferkraut; sie mischte es mit Salbei und Kümmel und wendete
es bei Gliederzittern an. Heute können wir es als
Bohnenkrautmischpulver kaufen, es erweist große Dienste bei der
Parkinson-Erkrankung.

Im Vollbad erfrischt und desinfiziert es durch seinen hohen Anteil


an ätherischem Öl die Haut, als Dampfbad angewendet hilft
Bohnenkraut bei fettiger, unreiner Haut. Meine
Lieblingsanwendung ist eher magisch: Bohnenkraut ist ein
Liebeskraut, es wirkt anregend und war Bestandteil vieler
Liebestränke. Es wirkt. Und wer regelmäßig Bohnenkraut isst und
dazu noch den Tee trinkt, kann hellsichtig werden, heißt es.

Sonnenhut (Echinacea angustifolia)

Heilwirkungen: stärkt das Immunsystem gegen Erkältungen,


wirkt entzündungshemmend und aktivierend

In der Natur ist der Sonnenhut selten zu finden, im Garten wächst


er hingegen gut. Wenn die Pflanze in voller Blüte steht, können
wir die schönen, rosafarbenen Blüten ernten. Im Winter gebe ich
gern eine getrocknete Blüte in den Tee, wenn ich eine Erkältung
kommen spüre. Vor einiger Zeit war Echinacin das
Erkältungsmittel, im Moment ist es etwas aus der Mode
gekommen. Er enthält Echinacosid sowie Cichoriensäure und
weitere Stoffe, die das Immunsystem pflegen. Menschen mit einer
Allergie gegen Korbblütler sollten den Sonnenhut meiden. Um
seine Immunabwehr zu steigern, kann man es mit einer
Sonnenhut-Teekur probieren: 1 Woche lang 2 Stunden nach jeder
Mahlzeit 1 Tasse Tee trinken (morgens ½ l aus 2 bis 3 Blüten
zubereiten). Nach der Woche 1 Woche Pause machen und dann
wieder beginnen. Mindestens 2 Monate fortführen.

Der Sonnenhut kam aus Amerika zu uns; für die Indianer spielte
er immer eine große Rolle, vor allem bei der Geburt. Die Frauen
suchten gern Plätze auf, an denen viel Sonnenhut wuchs, um ihr
Kind zur Welt zu bringen. Toten wurde Sonnenhut mit ins Grab
gegeben, um ihnen den Übergang in die Geisterwelt zu
erleichtern.

Die Ausscheidung giftiger Stoffe soll schon angeregt werden,


wenn man nur ein kleines Stückchen der Wurzel im Mund behält
und darauf herumkaut. Dabei nur den Saft schlucken, die Reste
ausspucken.

Mädesüß (Filipendula ulmaria)

Heilwirkungen: schmerzlindernd, fiebersenkend, schweißtreibend,


harntreibend

Das Mädesüß wächst auf feuchten Wiesen und an Ufern von


Bächen, Teichen und Flüssen. Es ist ein Doldenblütler, aber die
Dolde ist nicht flach wie z. B. bei der Schafgarbe, sie türmt sich
bei ihm auf wie Zuckerwatte.

Es gehört zu den süß schmeckenden Pflanzen. Mich erinnert sein


Duft an Mandeln und Vanille, ich trinke deshalb auch gern einen
Kaltauszug, d. h., ich stelle einen Stängel in eine Glaskaraffe mit
Wasser. Ich will aber nicht verschweigen, dass es viele Menschen
gibt, denen Geruch und Geschmack der Pflanze gar nicht behagen.

Ebenso wie die Weidenrinde enthält auch Mädesüß Salicin. Das


Aspirin verdankt ihm sogar den Namen, denn Spierstrauch oder
Spiraeae heißt es auch. Der deutsche Name »Mädesüß« kommt
daher, dass man früher den Met mit ihm gesüßt hat. So war die
Kopfschmerztablette gewissermaßen gleich mit in den Alkohol
eingebaut!

Das blühende Kraut kann getrocknet und als Tee gegen Fieber und
Schmerzen getrunken werden. Wegen der darin enthaltenen Gerb-
und Schleimstoffe wirkt Mädesüß nicht so aggressiv auf den
Magen wie die Weide oder Aspirin und wird besser vertragen.

Liebstöckel (Levisticum officinale)

Heilwirkungen: hormonsteigernd, harntreibend, magenstärkend

Der Liebstöckel wächst vereinzelt in der Natur, er gehört zur


großen Familie der Doldenblütler. Wegen der
Verwechslungsgefahr mit giftigen Doppelgängern wie etwa dem
Schierling, der Hundspetersilie oder dem Riesenkerbel sollte er
besser im Garten geerntet oder auf dem Markt gekauft werden.

Seinen Geruch wird jeder wiedererkennen, wenn er ihn einmal in


der Nase hatte: Liebstöckel riecht nach Maggi, er wird auch
Maggikraut genannt. In der Gewürzsoße ist allerdings nichts mehr
von ihm enthalten.

Der Liebstöckel ist aufgrund seiner potenzsteigernden Wirkung


wie auch der verwandte Sellerie eine »Männerpflanze«; bei
Prostatabeschwerden wird er ebenfalls eingesetzt. Traditionell
wurde er in Liebestränken verarbeitet, und seine Inhaltsstoffe (u.
a. Ligustilid, Terpineol, Isovaleriansäure) sorgen wirklich für eine
bessere Durchblutung und Stärkung der Unterleibsorgane.
Als Arznei wird die Wurzel verwendet, die pulverisiert gegen
Schmerzen wirken soll. Getrocknete Wurzeln und Blätter werden
als Tee zur Durchspülungstherapie bei Harnwegsinfekten und
gegen Bauch- sowie Kopfschmerzen eingesetzt.

Früher trocknete man auch die hohlen Stängel und benutzte sie als
Strohhalme – Kinder mit Mandelentzündung ließ man so eine
Tasse heiße Milch schlürfen.

Ringelblume (Calendula officinalis)

Heilwirkungen: wundheilend, antiseptisch,


menstruationsregulierend, erweichend

Gelegentlich findet man die Ringelblume ausgewildert, aber sie


war schon von jeher eine Gartenpflanze. Ihre gelben und
orangefarbenen Blüten sind sehr dekorativ. Weil die Pflanze fast
das ganze Jahr über blüht, heißt sie nach dem Kalender:
Calendula. Bricht man eine Blüte ab, so verschließen sich die
abgebrochenen Stellen sofort wieder. So überzieht sie auch
Wunden mit einer heilsamen Schicht, unter der sich Bakterien
nicht vermehren können. Aus diesem Grund können wir
Calendulasalbe sogar auf offene Wunden aufbringen. Ein
Paradebeispiel der Signaturenlehre.

Je mehr wir ernten, desto länger und eifriger blüht die


Ringelblume. Die getrockneten Blüten eignen sich als Tee. Gibt
man jeden Tag eine frische oder getrocknete Blüte ins Essen, wird
man im Winter nicht krank! Ihre Bitterstoffe, Saponine,
Glykoside, Flavonoide, Triterpene und das Calendulin verleihen
der Pflanze die Heilwirkung.
Haben sich ihre Blüten bis um 7 Uhr morgens nicht geöffnet, ist
mit Regen zu rechnen. Scheint die Sonne, so folgen sie ihrem Lauf
wie die Sonnenblumen.

Männer sollten, wenn sie sich bei den Frauen beliebt machen
wollen, heimlich immer ein Stück Wurzel bei sich tragen, das in
ein violettes Tuch gewickelt sein sollte. Vielleicht hilft das ja
heute auch noch …
• Calendulasalbe:
So viele frische Calendulablüten zerpflücken und in 100 ml Olivenöl oder
100 g anderes Fett – Sheabutter, Schmalz oder Ghee – hineingeben, dass
sie vollständig bedeckt sind. 20 Minuten bei geringer Hitze auf dem Herd
ziehen lassen, gelegentlich umrühren. Nicht kochen! Anschließend
abseihen. Intensiver wird die Salbe, wenn man den Vorgang mit neuen
Blüten wiederholt. In das warme Öl 10 g Bienenwachs einrühren und
schmelzen lassen. Die Salbe in Tiegel füllen. Die Tiegel erst nach dem
Erkalten der Salbe verschließen, sonst bildet sich Kondenswasser und die
Salbe wird ranzig. Im Kühlschrank aufbewahren. So ist die Salbe
mindestens 1 Jahr haltbar.

Weidenröschen (Epilobium parviflorum)

Heilwirkungen: entzündungshemmend, wassertreibend

Das Weidenröschen ist häufig zu finden, es gibt viele Arten, die


sich alle untereinander kreuzen. Am wirkungsvollsten und
bekanntesten ist das kleinblütige, dessen rosafarbene Blüten unter
1 Zentimeter groß sind. Das Weidenröschen ist ein bis zu 60
Zentimeter großes, zartes Kraut, niedlich wie eine Puppenpflanze.
Das blühende Kraut wird geerntet, getrocknet und als Tee
getrunken. Es ist ein starkes »Männerkraut«: Es wird
unterstützend bei Prostatakrebs eingesetzt. Um es gar nicht erst so
weit kommen zu lassen, können Männer es vorbeugend
einnehmen, wenn sich die Prostata vergrößert hat. Gerbstoffe,
Sitosterol, Flavonoide, Myricedin, Schleimstoffe und Gallussäure
sind nur ein paar der wirksamen Stoffe des Weidenröschens.
Gegen Blasenleiden und Nierenprobleme hilft es auch Frauen.

Es gilt auch als Blitz abwehrende Pflanze, und man band es sich
um den Hals, wenn man von Zahnschmerzen geplagt wurde.

Wolfstrapp (Lycopus europaeus)

Heilwirkungen: schilddrüsenwirksam, beruhigend, stärkend

Ursprünglich kommt Wolfstrapp aus Süd- und Osteuropa, man


findet ihn aber gelegentlich auch bei uns ausgewildert in der Nähe
von Gewässern. Er ist relativ leicht mit dem Herzgespann zu
verwechseln – allerdings ist der Wolfstrapp kleiner (unter 1
Meter), und die Blätter sind regelmäßiger und feiner gezahnt. Sie
sehen mit etwas Fantasie aus wie ein Wolfsfuß, daher der Name.
Die Blüten sitzen ebenso im Quirl um den Stängel herum wie
beim Herzgespann und weisen feine rote Striche auf.

Angewendet werden die beiden Kräuter ganz ähnlich. Das


Herzgespann wirkt in erster Linie auf das Herz, der Wolfstrapp
hat vor allem eine ausgleichende Wirkung auf die Schilddrüse und
dadurch auch auf das Herz. Wie wichtig diese Pflanze für uns ist,
zeigt sich an der hohen Zahl der Schilddrüsenpatienten
heutzutage! Da die Anwendung erst nach längerer Zeit wirkt,
sollte eigentlich jeder gelegentlich eine Wolfstrapp-Teekur
machen: morgens und abends je 1 Tasse, 2 Wochen pausieren und
im nächsten Monat wieder beginnen.
Ich ernte das blühende Kraut, hänge es in Büscheln zum Trocknen
auf und zerkleinere es erst unmittelbar vor dem Gebrauch, sonst
gehen zu viele der Heilstoffe (Gerbstoffe, das Glykosid Lycopin,
Phenolsäuren, Flavonoide, Zink) verloren. Abends getrunken,
bringt der Tee Ruhe, morgens besänftigt er Herzklopfen und
Nervosität. Frauen sollten ihn in der zweiten Zyklushälfte trinken,
dann hilft er gegen das prämenstruelle Syndrom. Auch in den
Wechseljahren bringt er Erleichterung. Mit dem Tee zu gurgeln
härtet den Zahnschmelz.

Wer kann, sollte Wolfstrapp einpflanzen, denn mit seinen


interessanten Blättern sieht er obendrein auch noch schön aus.

Pflanzen, die Tiernamen tragen, haben meist etwas mit der Kraft
des Tiers zu tun. Der Wolfstrapp wächst im großen »Rudel«, ganz
so, wie der Wolf lebt. Der Wolf galt den Germanen als großer
Lehrer, der ihnen das Leben und die Geheimnisse der Natur
zeigte.

Goldrute (Solidago virgaurea/Solidago canadensis)

Heilwirkungen: wassertreibend, wundheilend, generell anregend,


entzündungshemmend

Häufiger als die kleinere, europäische Gewöhnliche Goldrute


(Solidago virgaurea) findet man inzwischen die größere
Kanadische Goldrute (Solidago canadensis). Beide sollen
ähnlich wirkungsvoll sein.

Die Goldrute kam von selbst in meinen Garten, und ich danke ihr
dafür, denn sie gefällt mir mit ihren langen Stängeln und gelben
Blüten. Sie riecht angenehm, ist ein Bienenfutter und schmeckt als
Tee.

Die Goldrute ist die Nierenpflanze Nummer eins, sie heilt


Harnwegserkrankungen, ohne das Nierengewebe zu reizen.
Saponine, Gerbsäure, Bitterstoffe, Phenylglykoside, Dipertene,
Flavonoide und Kaffeesäurederivate sind ihre wirksamen Stoffe.
Für eine Therapie gegen Nieren- und Blasensteine sowie Nieren-
und Blasenentzündungen ist es wichtig, viel Goldrutentee zu
trinken, richtig viel. Jeden Tag mehr als 1 l, aus 2 bis 3 EL
frischem oder getrocknetem Kraut über mehrere Wochen hinweg.
Denn wenn die Nieren gut arbeiten, werden wasserlösliche
Giftstoffe ausgeleitet. Auf diese Weise reinigt der Goldrutentee
den Körper von Umweltgiften, er lindert Allergien und entsäuert
den Stoffwechsel. Das reduziert auch Gicht- und
Rheumaschmerzen in den Gelenken.

Eine positive Nebenwirkung der Goldrutenkur besteht darin, dass


die Seele leichter wird und das Vertrauen wachsen kann; Goldrute
soll Menschen helfen, die Angst vor zu engen Bindungen haben.

Mithilfe der Goldrute ließen sich Schätze finden, glaubten die


Menschen, als sie auch noch dachten, diese würden von Zwergen
und Gnomen bewacht.

Heckenrose (Rosa canina)

Heilwirkungen: entspannt, beruhigt den Magen, hilft gegen PMS,


das Pulver wird gegen Arthritis und Arthrose eingesetzt

Ich bin in Norddeutschland geboren, dort findet man Heckenrosen


vor allem in der Nähe der Küsten überall an Waldrändern, in
Gebüschen und in Hecken. Der warme, liebliche Geruch ist eine
Kindheitserinnerung an sonnige Sommertage an der See. Diese
Heckenrose wird auch Kartoffelrose genannt. Ihre Hagebutten
sind größer und fleischiger als die der anderen Heckenrosen.

»Hundsrose« oder »Heckenrose« ist der Sammelbegriff für


verschiedene Wildrosenarten, die sehr formenreich sind. Alle
Heckenrosenblüten sind eine Delikatesse: Man kann sie in Salaten
verzehren oder pürieren und in Joghurt rühren. Sogar Marmelade
wird aus ihnen gekocht. Frische Blüten kann man auch in 60 °C
warmes Wasser geben und als Tee trinken; man sollte dabei auch
die Tropfen trinken, die am Deckel der Teekanne hängen bleiben,
denn da ist besonders viel ätherisches Öl enthalten. Der Tee hilft
bei Magenkrämpfen und prämenstruellem Syndrom.

Hagebutten, die Früchte der Heckenrose, sind vielseitig


verwendbar. Beliebt ist die Marmelade, die voller Vitamin C
steckt. Hagebutten enthalten 800 mg Vitamin C auf 100 g Früchte
und damit etwa ebenso viel wie Sanddorn. Zudem enthalten sie
Vitamin A, Vitamin B1, Vitamin B2, Vitamin E und Vitamin K
sowie Mineralstoffe und Fruchtsäuren.

Nicht so bekannt ist, dass das Hagebuttenpulver eine große Hilfe


bei Arthrose- und Arthritisschmerzen darstellt und die
Beweglichkeit der Gelenke verbessert. Das Pulver kann man
kaufen und über einen langen Zeitraum einnehmen, täglich 1 bis 2
EL im Essen.
In vielen Legenden und alten Geschichten kommt die Heckenrose vor, oft geht
es dabei um Liebe und Leid und Übergang. Auf den Scheiterhaufen, auf denen
die Verstorbenen verbrannt wurden, mischten die Germanen Hundsrosenholz
bei, als Begleitung und zum Schutz der Seelen. In hellen Mondnächten haben
die Germaninnen dem Heckenrosenstrauch ihre geheimsten Wünsche
anvertraut.
SEPTEMBER

21.9. Herbst-Tagundnachtgleiche, Herbstanfang

BÄUME IM SEPTEMBER

Ahorn (Acer pseudoplatanus/Acer campestre)

Heilwirkungen: kühlend, wundheilend, abschwellend; Ahornsirup


unterstützt die Wirkung von Antibiotika

Ahorn kann bis zur Baumgrenze hinauf wachsen, bei uns also bis
auf Höhen von etwa 1600 Meter, und er kann bis zu 500 Jahre alt
werden. Es gibt rund 200 verschiedene Ahornarten, die häufigsten
bei uns sind der bis zu 40 Meter große, imposante Berg- und der
etwas kleinere Feldahorn.

Gut erkennbar ist er an seinen handförmigen Blättern, die in


unterschiedlichen Größen und Formen wachsen; manche werden
20 Zentimeter breit und lang. Das Laub färbt sich im Herbst
wunderschön in allen Rot- und Gelbtönen, es verwittert leicht und
bildet einen guten Kompost. Die Früchte, die sich aus einem Paar
geflügelter Samennüsschen zusammensetzen, haben wir uns als
Kinder auf die Nase gesetzt.

Das Holz ist sehr begehrt und unersetzlich für den


Instrumentenbau, weil es auch sehr dünn geschnitten noch
ausgesprochen stabil ist. Auch Türschwellen fertigte man
bevorzugt aus seinem Holz, weil der Ahorn Ruhe, Harmonie und
Freude symbolisiert. Diese Energie wollten die Menschen gern im
Haus haben.
Der Baum ist sehr standfest und saftreich. Ahorn wurde lange als
Speiselaubbaum für Tier und Mensch genutzt. Die jungen Blätter
eignen sich sehr gut für Salate, und in Essig eingelegt, kann man
darin Reis oder andere Füllungen einwickeln.

Das bekannteste Erzeugnis des Ahorns ist sein Sirup, der vor
allem in Kanada aus dem dort wachsenden Zuckerahorn gewonnen
wird. Vom Zuckerahorn reichen etwa 40 Liter Baumwasser, das
eingekocht wird, zur Herstellung von 1 Liter Sirup. Auch unser
Bergahorn gibt einiges her, allerdings braucht man etwa 100 Liter
Baumwasser für einen Liter ähnlich süßen Sirup. Der Sirup gilt als
sehr gesund: Es gibt Studien, die besagen, dass ein Antibiotikum
besser wirkt, wenn man zusätzlich Ahornsirup zu sich nimmt.

Rinde und Blätter wirken kühlend, wundheilend und abschwellend


für Gelenke, Insektenstiche und entzündete Augen. Hildegard von
Bingen nutzte den Ahorn gegen Gicht und Fieber, sie empfahl bei
Fieber ein tägliches Bad, dem ein Sud aus abgekochten Blättern
und Zweigen beigefügt wurde. Hinterher solle man ausgepressten
Ahornrindensaft trinken. Bei einfachem Fieber riet sie, zerdrückte
Blätter in die Socken zu legen. Gichtschmerzen sollten gelindert
werden, wenn man erwärmtes Ahornholz auf die schmerzenden
Stellen auflegte.

In der Gemmotherapie werden den Ahornknospen entschlackende,


blutzuckersenkende und antibakterielle Eigenschaften
zugeschrieben. Die Haut soll er regenerieren, die Leber
harmonisieren. Auch Gefäßverkalkungen, Verhärtungen,
Verschlackungen und Steinbildungen wirkt er entgegen.

Der Ahorn in seiner weichen, umhüllenden Kraft strahlt Ruhe, Verlässlichkeit


und Schutz aus, wir werden mit positiver Energie aufgeladen, wenn wir in
seiner Nähe sind. So kann er dabei helfen, dass Menschen gegenüber allzu
starken Reizen gelassener werden. Der Kopf wird gekühlt, das Denken klarer
und der Geist kann sich ausdehnen, wenn wir bereit sind, die Energie des
Ahornbaums zu empfangen.

Eibe (Taxus baccata)

Heilwirkungen: wird eingesetzt in der Krebstherapie

Die Eibe ist die älteste in Europa heimische Baumart, der Urbaum
Europas. Sie ist immergrün, dicht verzweigt, nicht groß, von
kugeligem, unregelmäßigem Wuchs, sie kommt heute rund um
den Globus auf allen Kontinenten vor. Sie ist vermutlich der
Weltenbaum Yggdrasil, nicht die Esche, wie vielfach zu lesen ist.
Der Weltenbaum wurde als langlebige, »immergrüne Nadelesche«
mit roten Früchten beschrieben; daraus schließt Fred Hageneder in
seinem Buch Der Geist der Bäume, dass es sich um die Eibe
gehandelt haben muss. Zumal es Darstellungen des Weltenbaums
auf Tonscherben gibt, die stark Eibenzweigen ähneln.

Sie wächst sehr langsam, ihr Holz ist hart. Es war lange
wissenschaftlich umstritten, ob es mehrere Arten gibt;
mittlerweile hat man sich darauf geeinigt, dass es tatsächlich nur
eine einzige Art ist. Ebenso hat man sich darauf geeinigt, dass die
Eibe zu den Koniferen gehört, obwohl sie dann eigentlich Zapfen
statt roter Beeren haben müsste. Schließlich änderte man die
Definition für Koniferen.

Eibennadeln sind weich, sie haben keinen Geruch, und alles an der
Eibe ist giftig. Es sind Alkaloide aus der Gruppe der Taxine
enthalten, bis auf den roten Fruchtmantel, der einen giftigen Kern
umschließt. Allerdings müsste man einige dieser Kerne essen, um
zu sterben. Das Giftigste an der Eibe sind die Nadeln; das ist fatal
für Pferde, die sie gern essen. Rehen bekommen sie gut.

Vieles an dieser Pflanze ist ungewöhnlich. So ist sie ein


Schattenbaum und braucht sehr wenig Sonne. Sie produziert kein
Harz und pflanzt sich auf drei Arten fort: durch Wurzelableger,
durch Astsenker und durch die Samen, die die Vögel gern
verteilen, denn die rote Fruchthülle ist sehr lecker.

Überhaupt strotzt die Eibe vor Vitalität; weil es in England noch


verhältnismäßig viele Eiben gibt, ist dort im Frühjahr die
Konzentration von Eibenpollen in der Luft ungeheuer hoch.

Wird sie beschnitten oder beschädigt, treibt sie unverdrossen


wieder aus. Ganz alte Eiben sterben nach etwa 500 Jahren langsam
von innen ab: Der dicke Stamm wird von einem Pilz akribisch
zersetzt, das Gewebe wird aber gleich wieder recycelt, und es
entstehen daraus Luftwurzeln, die nach und nach den Stamm
ersetzen. Irgendwann entsteht daraus ein Ring, und nach vielen
Tausend Jahren kann so aus einer einzigen Eibe ein ganzer Hain
werden, eine magische Lichtung im Wald. Es gibt gewissermaßen
keinen biologischen Grund für eine Eibe zu sterben: Das alte
Gewebe stirbt nicht ab, es wird stets an Ort und Stelle in ein neues
umgewandelt! Sie, die so ein finsteres Image hat, weil die meisten
ihrer Teile giftig sind und der Baum am häufigsten auf Friedhöfen
zu finden ist, steht für das ewige Leben.

Es ist schwierig, das Alter einer Eibe zu bestimmen, da sie sich


immer wieder komplett erneuert. Die Eiben, die in der Nähe von
Stonehenge wachsen, könnten älter sein als die Steine! In der
Türkei gibt es eine Eibe mit einem Stammumfang von 9 Metern.
Man schätzt, dass sie über 3100 Jahre alt ist. Und die
Eibenfossilien, die man gefunden hat, unterscheiden sich
genetisch nicht von den heutigen Eiben.

Ihr langsamer Wuchs macht das Holz so stabil, weswegen sie


nicht nur für Ritualgegenstände und von den Wikingern gar für
Nägel für den Schiffsbau, sondern auch zur Herstellung von
Waffen genutzt wurde. Ötzi, die Gletschermumie aus der späten
Jungsteinzeit, trug einen Eibenholzbogen, der länger war als er
selbst. Fred Hageneder beschreibt, wie in England dieses
Potenzial wiederentdeckt und so der Langbogen lange Zeit die
tödlichste Waffe wurde, die das Land schließlich zur Weltmacht
aufsteigen ließ. Jeder gesunde Mann brauchte einen Bogen und
musste an jedem freien Tag üben. Dafür brauchte man viel
Eibenholz, sodass bald der Import vom europäischen Festland
begann.

Große, alte Eiben waren in ganz Europa in kürzester Zeit


geschlagen, vor allem die aus dem Voralpenraum. Man verkaufte
die Baumbestände nach England und pflanzte keine Eiben wieder
an, weil sich das nicht gelohnt hätte – wie gesagt wachsen die
Bäume sehr langsam. 1568 gab es in ganz Bayern keine
schlagfähige Eibe mehr, viele der kleineren Eiben wurde gerodet,
um dem Vieh Platz zu machen. Heute finden wir wirklich alte
Eiben nur auf Friedhöfen in England und vereinzelt in der Türkei.
Weil sie so selten geworden sind und es nur sehr wenige wirklich
alte Eiben gibt, stehen sie bei uns unter Naturschutz.

In jüngster Zeit machte sich die Eibe in der Krebstherapie einen


Namen wegen des Stoffes Taxol, der aus der Rinde gewonnen
wird – und wieder beutete man sie gnadenlos aus. In Indien fielen
den wissenschaftlichen Versuchen in den 1990er-Jahren 90
Prozent der gesamten Eibenbestände zum Opfer.

Doch wo auch immer sie wächst, hat sie die größte spirituelle
Bedeutung. Irland ist die Eibeninsel, auf der selbst die
christlichen Missionare viele der heiligen Bäume achteten.

In Spuren verwendete man die Eibe als Herztonikum, als


Magenmedizin und gegen rheumatische Beschwerden. Allerdings
muss vor einem Eigenversuch dringend gewarnt werden, hier soll
es mehr um die spirituelle Bedeutung der Eiben gehen. Eiben
wurden in der Nähe von Steinkreisen gepflanzt, viele christliche
Friedhöfe wurden auf wesentlich älteren Kultstätten angelegt, und
Eiben mit einem Stammesumfang von mehr als 6,5 Metern sind
fast immer älter als die Kirche, neben der sie stehen.

Die Eibe führt uns die Einheit von Leben und Tod vor. Sie ist in
gewisser Weise nicht Teil dieser Welt, sondern kann vielmehr für
alles stehen, das unsere Welt umgibt. Für sie ist die Zeit
aufgehoben. Das könnte uns trösten.

Wenn wir uns mit der Eibe auseinandersetzen, müssen wir stark sein, bereit,
uns und alles, an dem wir hängen, hinzugeben, loszulassen, denn wir
begegnen unserem Tod. Und können dafür schon im Leben in die Ewigkeit
blicken.

KRÄUTER UND ANDERE PFLANZEN IM SEPTEMBER

Augentrost (Euphrasia officinalis)


Heilwirkungen: hilft sanft bei allen Augenproblemen, stärkt die
Schleimhäute und die Leber

Vor allem in den Bergen kann man die alte Heilpflanze


Augentrost finden, auf mageren Wiesen. Das Ansiedeln im Garten
ist schwierig.

Die Bauern fürchten die Pflanze: Sie gilt als »Heu- oder
Milchdieb«, und tatsächlich raubt sie den anderen Wiesenpflanzen
die Nährstoffe. Sie ist ein sogenannter Halbschmarotzer, saugt
also die Wurzeln anderer Pflanzen an. So sorgt sie dafür, dass das
Gras nicht hoch wachsen kann und sie selbst genügend Licht
bekommt.

Da ich Probleme mit den Augen habe, liebe ich den Augentrost
sehr. Er enthält Iridoid-Glykoside und Gerbstoffe sowie
Bitterstoffe. Augentrosttee aus dem frischen oder getrockneten
Kraut wirkt bei Augenschwäche, Bindehautentzündung und
Gerstenkorn. Ich nehme ihn gern als Tinktur ein, täglich 3-mal 3
Tropfen, wenn meine Augen angestrengt oder gereizt sind. Der
Augentrostwein soll sogar Fehlsichtigkeit beheben: 1 bis 2 EL
frisches Kraut in ½ l Weißwein 3 bis 4 Wochen ziehen lassen,
dann abfiltern. 1 Likörgläschen davon am Abend entspannt die
Augen und gibt ihnen zurück, was sie am Tag an Kraft verloren
haben. Für eine Spülung gibt man dem Tee ein paar Körnchen
Salz bei, um ihn dem Salzgehalt der Tränen anzugleichen, und
badet darin die Augen. Es gibt in der Apotheke spezielle
Augenbadewannen – eine Wohltat bei Gerstenkorn,
Bindehautentzündung etc. Bei Gerstenkorn tut zudem eine
Auflage mit einem in Augentrosttee getränkten Lappen gut. Die
liebliche kleine Pflanze hat einen fröhlichen Namen: Euphrasia
bedeutet Frohsinn, Wohlbefinden.
Alant (Inula helenium)

Heilwirkungen: auswurffördernd, schleimlösend, antiseptisch

Der Alant ist meist nur in Gärten zu finden, wild wächst er selten.
Unübersehbar, mächtig steht die große Pflanze da, bis zu 2,5
Meter groß mit gelben Blüten, die weithin leuchten. Sie erinnern
an Löwenzahnblüten, und die riesigen Blätter sehen sehr schön
aus, wenn man sie trocknet. Alles an ihr strahlt Schönheit und
Stärke aus.

Geerntet wird die Wurzel der Pflanze im Herbst: Sie ist essbar
und enthält den süßen Stoff Inulin, der von Diabetikern gut als
Süßungsmittel vertragen wird. Helenin, Harz, Azulen und die
ätherischen Öle der Wurzel wirken in Hustenteemischungen, sie
lösen die Sekrete. Dafür wird die harte Wurzel ausgegraben,
gewaschen, zerkleinert, getrocknet und mit anderen Kräutern wie
Spitzwegerich, Schlüsselblumenwurzel, Thymian oder Quendel zu
einem Tee gemischt.

Helenium heißt der Alant, weil er der Sage nach den Tränen der
schönen Helena entsprungen sein soll.

Mariendistel (Silybum marianum)

Heilwirkungen: das Lebermittel Nummer eins, schützt das


Lebergewebe, galletreibend, krampflösend, blutdrucksteigernd

Ursprünglich war sie in Südosteuropa heimisch, bei uns findet


man die Mariendistel ab und zu auf sandigen Böschungen oder
zwischen Geröll. Wenn man dort eine Handvoll Samen verstreut,
siedelt sie sich häufig an.
Die große, schöne Distel besitzt lilafarbene Blüten und weiß
gefleckte Blätter. Ihren Namen verdankt sie der Legende nach der
Heiligen Jungfrau Maria. Sie soll beim Stillen ein paar Tropfen
Milch verloren haben, die auf die Blätter einer Distel – der
Mariendistel – gefallen sind. Und wirklich kann man weiße
Punkte auf ihren Blättern erkennen. Sie gilt als die wichtigste
Leberpflanze und wird bei allen Lebererkrankungen eingesetzt.
Silymarin heißt der Wirkstoff der Mariendistel, der der Leber
hilft, sich zu regenerieren, und dadurch ist die Mariendistel das
einzige Mittel gegen eine Knollenblätterpilzvergiftung.

An der Mariendistel ist prinzipiell alles essbar, für eine Leberkur


aber nehmen wir die Samen. Da sie sehr mühsam zu ernten sind,
kauft man sie besser im Kräuterhandel. Ein paar Wochen im Jahr
jeden Tag 1 EL geschrotete Mariendistelsamen ins Essen geben,
und die Leber, die glücklicherweise sehr regenerationsfähig ist,
kann sich erholen.

Die Mariendistel gehört allerdings nicht an Orte der Geselligkeit,


denn wo sie ist, kann unter den Gästen Streit ausbrechen!

Nachtkerze (Oenothera biennis)

Heilwirkungen: Nervennahrung, hilft gegen trockene Haut und


Hautkrankheiten, entzündungshemmend

Die Nachtkerze kam aus Amerika zu uns, inzwischen ist sie bei
uns heimisch und weitverbreitet. Sie wird auch
Eisenbahnerlaterne genannt, weil sie häufig an Bahndämmen
wächst.

Mein Vater hat sie sehr gemocht, sie war eine der wenigen
Pflanzen, die in unseren Garten Einzug halten durften, ohne dass
sie gepflanzt worden waren. Er war fasziniert von den gelben
Blüten, die sich am Abend öffnen, einen betörenden Duft
verströmen, viele Nachtfalter anlocken und am nächsten Morgen
verwelken.

Essbar sind die Blüten, Blätter und Wurzeln. Letztere werden


beim Kochen rötlich, deshalb heißen sie auch »Schinkenwurz« –
in ihnen soll mehr Kraft stecken als in zwei Zentnern
Ochsenfleisch. Auch die geschroteten Samen können gegessen
werden, sie enthalten ein wertvolles Öl. Sie selbst zu ernten und
das Öl zu pressen ist aufwendig; kaufen ist zwar nicht ganz billig,
lohnt sich aber, denn die Anwendungsmöglichkeiten sind
vielfältig. Äußerlich angewendet ist das Öl unverzichtbar bei
Neurodermitis, innerlich eingenommen zeigt es seine beruhigende
Wirkung auf das Nervensystem. Hyperaktivität, Stress jeglicher
Art, auch die überschießende Abwehrreaktion des Körpers, die
sich in Form von Allergien und Asthma zeigt, sind Symptome, die
für die Einnahme von Nachtkerzenöl sprechen. Es wird auch in
Kapselform angeboten.

Wilde Karde (Dipsacus fullonum)

Heilwirkungen: antiviral, hilft gegen Borreliose, schweißtreibend,


immunstimulierend

Oft sehe ich große Bestände der Wilden Karde neben einer
Landstraße oder auf brachliegenden Feldern. Die großen,
zweijährigen Pflanzen mit den borstigen Blütenköpfen und dem
typischen lilafarbenen Blütenring sind unübersehbar.

Die Karde ist das Mittel gegen die Borreliose. Es gibt immer
mehr Fälle von Borreliose, weil es immer mehr Zecken gibt, die
sie übertragen. In unseren Wäldern leben eigentlich viel zu viele
Rehe und Hirsche. Der Wald könnte nur ein Reh oder einen Hirsch
pro Quadratkilometer vertragen, wenn er in der Lage bleiben soll,
sich zu regenerieren. Es gibt aber schätzungsweise die 50-fache
Menge dieser Tiere. Und auf jedem Reh oder Hirsch tummeln sich
im Laufe seines Lebens mehrere Hunderttausend Zecken. Die
Zecken landen vermehrt auf Menschen und sind zunehmend mit
Erregern belastet.

Viele Borrelioseerkrankungen bleiben unerkannt, weil der


Nachweis schwierig ist. Außerdem ist sie die »Krankheit der 1000
Gesichter«, es gibt keine Leitsymptome. Auf der anderen Seite
gibt es aber leider kaum ein Symptom, hinter dem sich nicht
Borreliose verbergen kann. Umso schöner ist es, dass wir mit der
Karde ein Mittel haben, das sich schon sehr oft als hilfreich
erwiesen hat.

Die Karde wirkt insgesamt stimulierend auf das Immunsystem,


sie ist also ein Mittel für den Herbst, um gut und gestärkt durch
den Winter zu kommen. Wir ernten die Wurzel der einjährigen
Pflanze, die noch nicht hochgewachsen ist und geblüht hat,
säubern sie, schneiden sie klein und befüllen ein Glas etwa zur
Hälfte damit. Übergossen wird mit einem mindestens 50- bis 60-
prozentigen Alkohol. An einem warmen Ort 3 bis 4 Wochen
ziehen lassen, gelegentlich schwenken. Dann ist die Tinktur
tiefschwarz und kann abgefiltert werden. Die Dosierung ist
individuell verschieden; am besten fangen Sie mit täglich 3-mal 3
Tropfen an und steigern die Dosis bei Bedarf bis hin zu 3-mal 1
EL.

Zur Borreliosebehandlung gehört als zweites Standbein noch


Wärme dazu: Es wird empfohlen, 2-mal in der Woche in die
Sauna zu gehen, damit die Erreger zerstört werden. Nicht
empfehlenswert bei Bluthochdruck.

Auch gegen Herpesviren hilft die Wilde Karde mit ihren


Inhaltsstoffen – Iridoide, Saponine, Kaffeesäurederivate und das
Glykosid Skabiosid. Aus der getrockneten Wurzel kann man einen
bitteren, schweißtreibenden Tee zubereiten, der das
Abwehrsystem unterstützt.

Aus den stacheligen Blütenständen wurden früher Kämme


gefertigt, mit denen man die Schafwolle kämmte, damit sie
gesponnen werden konnte. Kardieren hieß dieser Vorgang.
In dem Becken, das sich an den zusammengewachsenen Blattbasen befindet,
sammelt sich Wasser; das Becken wurde auch Venusbecken genannt, weil
man glaubte, dass das Wasser besonders schön mache.
OKTOBER

Blot-Monat, Volksfeste

BÄUME IM OKTOBER

Erle (Alnus glutinosa)

Heilwirkungen: desinfizierend, zusammenziehend, fiebersenkend,


schleimhautpflegend

Die Erle wächst in Auenwäldern, oft an unzugänglichen, nebligen


Orten, im Wasser stehend. Sie gehört zu den Birkengewächsen; es
gibt mehrere Arten, die sich zwar im Aussehen, nicht aber in der
Anwendung unterscheiden.

Dass sich so unheimliche Sagen und Geschichten um sie ranken,


liegt sicherlich an ihrem Wuchsort und ihrer Erscheinung. Sie
liebt Feuchtigkeit und hat kein Problem mit stehenden Gewässern.
Venedig steht größtenteils immer noch auf jahrhundertealtem
Erlenholz.

Sie wächst gern allein und wird groß mit ihrer schrundigen Rinde
und ihren knorrigen Ästen, die an lange Hexenarme erinnern. Ihre
Wurzeln reichen tief in die Erde, sie steht fest und verbessert den
Boden, indem sie Nährstoffe aus der Tiefe nach oben holt. Ihre
Blätter werden gut mit Stickstoff versorgt, was sich an der
schwarzgrauen Verfärbung im Herbst zeigt. Mit ihrem Laub und
ihrer Krone, die viel Licht durchlässt, lockt sie zahlreiche Kräuter,
Pflanzen und Tiere an, sodass sie von Leben umgeben ist. Wird
sie verletzt und dringt ihr Saft an die Luft, verfärbt er sich rot, was
ihren weiblichen und etwas unheimlichen Charakter noch
unterstreicht.

In den alten Geschichten verkörpert die Erle die Kraft des


Urweiblichen, die durchaus nicht nur schöpferisch, sondern auch
zerstörerisch wirken kann. Als ihr Gegenstück galt die Esche, die
vornehmlich für das männliche Prinzip stand. Unsere Vorfahren
entzündeten Feuer in einem Erlengefäß, das sie mit einem Stößel
aus Eschenholz so lange bearbeiteten, bis Funken sprühten.

Überliefert ist die mittelalterliche Sage Wolfdietrich, die um 1221


aufgeschrieben wurde, vermutlich aber viel älter ist. Hier
erscheint eine schrundige, wilde Waldfrau, die »Erlenfrau«, auch
raue Ilse genannt, bedroht Wolfdietrich und zwingt ihn, sie zu
»minnen«, also zu lieben. Dreimal muss sie ihn teils übel
traktieren, bis er schließlich nachgibt, sich seinem Schicksal fügt
und ihr folgt. Sein Handeln wird belohnt, denn in ihrem Reich
verwandelt sie sich in eine Traumfrau, die Sigeminne, die ihren
wahren Kern nun enthüllt.

Wir kennen den »Erlkönig« von Goethe, bei dem vermutlich ein
Übersetzungsfehler vorliegt: Sein Erlkönig beruht auf dem
dänischen Ellerkonge, was auf Deutsch Elfenkönig heißt.
Dennoch: Der sagenhafte und unheimliche Zug der Erlen passt gut
in diese Ballade.

Hauptsächlich verwendete man die Erlen zum Färben und Gerben.


Das Holz konnte nur für Brückenpfeiler verwendet werden. Es ist
gut haltbar, solange es im Wasser steht, trocken ist es den
Holzwürmern eine begehrte Nahrung. Holzkohle stellte man auch
aus dem Holz her.
Die klebrigen Triebe hängte man früher in den Häusern als
Fliegenfänger auf, das verlieh ihr auch den lateinischen Namen
»glutinosa« (klebrig).

Die zusammenziehende und desinfizierende Wirkung der Rinde


und der Blätter dient der Nutzung als Gurgelmittel bei
Erkrankungen der Mundschleimhaut: Dafür 2 TL getrocknete
Blätter und Rinde 5 Minuten in einer Tasse Wasser kochen.
Dieselbe Mischung kann man auch als Umschlag auf eitrige
Wunden oder Ausschläge geben. Hildegard von Bingen empfahl,
Pflaster aus Erlenblättern auf Geschwüre zu legen.

In der Erlenrinde findet sich fiebersenkendes Chinin. Knospen und


junge Blätter ergänzen einen Smoothie wunderbar, aus den jungen
Blättern lässt sich mit Öl, Knoblauch, gehackten Nüssen,
Zitronensaft und Salz ein köstliches, tiefdunkles Pesto zubereiten.

In der Gemmotherapie steht ihre heilende Kraft für die


Schleimhäute im Vordergrund. Das Mittel wirkt nicht nur auf die
Atmungsorgane, sondern auch auf den Verdauungstrakt, die
Harnwege und den Genitaltrakt. Auf den arteriellen Teil des
Blutkreislaufs übt es eine stärkende Heilkraft aus, es schützt die
Gefäßwände und verbessert die Blutversorgung im Gehirn. Somit
ist die Erle auch ein gutes Altersmittel und hilft auf der seelischen
Ebene, den Überblick zu bewahren.

Die Erle ist die blutende Heilerin, die bemüht ist, die Schwere zu nehmen und
Frische und Leichtigkeit ins Leben zu bringen.
Apfel (Malus domestica)

Heilwirkungen: unterstützt den Darm und den Stoffwechsel,


beruhigt, entgiftet

Der Apfelbaum gehört zu den Rosengewächsen und ist der älteste


kultivierte Baum, den wir haben. Ursprünglich kommt er aus
Kasachstan und China; wahrscheinlich fand er den Weg zu uns
über die Seidenstraße, auf jeden Fall wuchs er hier schon um
Christi Geburt. Es gibt etwa 300000 verschiedene Sorten rund um
die Welt.

Der Apfelbaum ist ein eher kleiner Baum, der sich an energetisch
positiven Plätzen besonders wohlfühlt und dort reiche Ernte
bringt. Die Blüten sind essbar, den Knospen wird eine alles
versöhnende Kraft zugeschrieben. Hildegard von Bingen empfahl,
die Knospen in Öl einzulegen und sich damit den Kopf zu
massieren, wenn man Kopfschmerzen hat.

Es gibt unzählige Rezepte zur Nutzung des Apfels, seine


zahlreichen gesundheitsfördernden Wirkungen lassen sich in dem
englischen Sprichwort »An apple a day keeps the doctor away« –
ein Apfel am Tag macht den Arzt überflüssig – zusammenfassen.
Er galt immer als ein Geschenk des Lebens und der ewigen
Jugend. Fruchtsäuren, Fruchtzucker, Gerbstoffe, die Vitamine A,
B1, B6, C und E sowie Phosphorsäure machen ihn so wirksam.

Gebacken oder gebraten wirken Äpfel grundsätzlich


verdauungsfördernd, roh gerieben helfen die Pektine gegen
Durchfall. Apfelschalentee stimuliert Blase und Nieren und
entspannt die Nerven. Ungesüßter Apfelsaft entgiftet die Leber,
regt die Nierentätigkeit an und hilft so gegen Rheuma und Gicht.
In der Normandie, wo viel Apfelsaft getrunken wird, gibt es
wenige Nierensteine, denn auch die werden vom Saft abgebaut.

Im Mythos aller Völker, die den Apfelbaum kultivieren, spielt der


Apfel eine große Rolle, wobei die Symbolik alle Lebensbereiche
umfasst. Oft steht dabei ein Entscheidungsprozess im Mittelpunkt.
Die Geschichte vom Sündenfall können wir in diesem
Zusammenhang aber gleich wieder vergessen, da ursprünglich
nicht von einem Apfel, sondern nur von einer Frucht die Rede
war. Dennoch galt für die Kirche lange Zeit: »Malum ex malo«,
alles Böse kommt vom Apfel – zu groß war die sinnliche
Bedeutung dieser Frucht.

Ich komme aus dem Alten Land vor den Toren Hamburgs, einem
riesigen Obstanbaugebiet, und habe mir mein erstes Taschengeld
mit Apfelpflücken verdient. Deshalb fühle ich mich dem Apfel
sehr verbunden.

Der blühende Apfelbaum steht als Symbol für die reine, liebende
Göttin, so anmutig, dass sich Einhörner gern unter ihm
versammelt haben sollen. Die Fee Morgana brachte den
sterbenden König Artus der Sage nach auf die Insel Avalon, die
»Apfelinsel«, wo er wieder gesund wurde und bis heute leben soll.
Bei den Germanen war der Apfel Freya geweiht, der wichtigsten
Göttin.

In den nordischen Sagen hütet die Göttin Iduna die goldenen


Äpfel, die den Göttern und den Helden ihre Unsterblichkeit
verleihen. Als einmal ein Riese die Äpfel stahl, wurden alle Götter
alt und grau.

Schneewittchens Apfel, der Reichsapfel, Zankafel, Holzapfel,


Athenes Apfel, ewig könnte man die Geschichten weiterführen.
Jemandem einen Apfel zuwerfen bedeutete früher, ihn zum
Liebesspiel einzuladen! Vielleicht waren wir als Jugendliche
deshalb so erpicht darauf, bei der Ernte mitzuhelfen?

Die Anwendung des Gemmopräparates soll die Keimdrüsen bei


Frauen und Männern anregen. Es soll sich ausgleichend auf das
Nervensystem auswirken und Stoffwechsel sowie Blut- und
Lymphfluss verbessern. Menschen, die das Gefühl haben, ständig
die falsche Wahl getroffen zu haben, soll es dabei helfen, sich mit
der Vergangenheit zu versöhnen. Und Edward Bach empfahl sein
Mittel Crab Apple verzweifelten Perfektionisten, die sich
innerlich oder äußerlich beschmutzt fühlen, damit sie ein
entspanntes Gefühl für Ordnung und Reinheit bekommen.

Dafür steht der Apfel nämlich auch: Nur etwas, das schön im Sinne von
geläutert, glänzend und rein ist, kann in die Ewigkeit und Unsterblichkeit
eingehen.

Quitte (Cydonia oblonga)

Heilwirkungen: entzündungshemmend, hautpflegend,


zusammenziehend, regt die Harnsäureausscheidung an

Zum Oktober gehört noch ein anderer naher Verwandter des


Apfelbaums: der Quittenbaum; deshalb werden in diesem Monat
drei Bäume vorgestellt.

Im Garten meiner Nachbarin wächst ein großer Quittenbaum, und


spätestens wenn ein großer Korb Quitten vor meiner Haustür
steht, weiß ich, dass der Herbst gekommen ist. Ihr Baum trägt
reichlich Früchte, und sie ist froh, dass ich mich so sehr darüber
freue, wenn sie mir welche abgibt.

Die Quitte gehört wie der Apfel zu den Rosengewächsen, die


Früchte betören mit ihrer Schönheit und ihrem Duft. Hildegard
von Bingen empfahl jedem Gesunden, im Herbst eine Quittenkur
zu machen, vor allem aber den Gicht- und Rheumapatienten, denn
die Quitte regt die Harnsäureausscheidung an. Sogar in der
Tumortherapie hilft die Quitte über die vermehrte
Harnproduktion, krebsauslösende Gifte auszuscheiden. Durch den
hohen Gehalt an Gerbstoff (Tannin) schmeckt sie besser, wenn sie
gekocht wurde. Schleimstoffe, Fruchtsäuren, Amygdalin, Pektin
und Vitamine sowie Mineralstoffe sind die weiteren Wirkstoffe
der Quitte.

Die Kerne sollte man nicht wegwerfen, denn sie sind ebenfalls
sehr wertvoll. Entweder kann man sie lutschen, wenn man
Halsweh hat, oder man übergießt 1 TL Kerne mit 1 Tasse
lauwarmem Wasser, lässt sie eine gute Stunde stehen, bis die
Kerne eine schleimige Konsistenz bekommen haben, seiht dann ab
und trinkt das Ganze. Das hilft bei Halsweh, Bronchitis sowie
Magen- und Darmentzündungen. Die gelartige Masse eignet sich
auch wunderbar als Beruhigungs- und Feuchtigkeitsmaske für die
Haut.

Für die Griechen war die Quitte als Liebes- und Lebensfrucht die
Lieblingsspeise der Götter. In unseren Breiten war es Tradition,
dass eine schwangere Frau oft von der Quitte essen sollte, um
sinnreiche und geschickte Kinder zur Welt zu bringen.
Die Quitte betört uns nicht nur mit ihrem Duft und ihrer Schönheit, der
Quittenbaum sei auch schlau, sagte Hildegard von Bingen. Wir können im
Herbst gar nicht genug von ihm bekommen, um uns innerlich und äußerlich zu
pflegen. Schon die alten Götter wussten das zu schätzen.

• Quittensaft:
Den Flaum von den Früchten abwischen, die Früchte waschen, vom
Kerngehäuse befreien und in der Küchenmaschine zerkleinern. Die Kerne
aufbewahren (s. o.)! Die Fruchtstücke in reichlich Wasser kochen; nach 1
Stunde verfärbt sich das Wasser gelb, nach 1 ¼ Stunde orange und später
rötlich. Abseihen und den Saft mit Zucker zu Sirup einkochen oder für
Quittengelee abkühlen lassen. Aus dem Fruchtfleisch mache ich
Quittenbrot, indem ich es mit annähernd der gleichen Menge Zucker mische,
einkoche, auf ein Backblech streiche und über Nacht im Ofen bei etwa 80
°C trocknen lasse.

KRÄUTER UND ANDERE PFLANZEN IM OKTOBER

Waldengelwurz (Angelica sylvestris)

Heilwirkungen: immunstärkend, verdauungsfördernd,


stimmungsaufhellend, erwärmend

Die Waldengelwurz findet man in Auenwäldern und auf


schattigen, feuchten Wiesen. Sie gehört zu den Doldenblütlern,
die sich alle so sehr ähneln, also gut aufpassen bei der Ernte!
Recht einfach zu identifizieren ist sie an ihrem Geruch, der gut
und würzig duftet. Der giftige Schierling und der Riesenkerbel
riechen schlecht, modrig und nach Mäuseurin.
Die Waldengelwurz hat eine nahe Verwandte, die Engelwurz, die
bis zu 3 Meter hoch werden kann – eine Majestät, es ist ein
Erlebnis, wenn man zum ersten Mal vor ihr steht. Ich habe sie
bislang nur in Kräutergärten angetroffen. Beide werden ähnlich
angewendet.

Die Waldengelwurz ist kleiner, bescheidener, wir verwenden ihre


Wurzeln zu Heilzwecken und bereiten daraus eine Tinktur:
Wurzeln waschen, zerkleinern, 3 bis 4 Wochen oder länger in
mindestens 60-prozentigem Alkohol ziehen lassen, gelegentlich
schwenken, abfiltern. Die Tinktur stärkt die Abwehr und die
Verdauung und befreit nicht nur die Nasennebenhöhlen, sondern
auch den Kopf und die Seele. 3-mal 3 Tropfen, bei Bedarf mehr.
Ätherische Öle, Bitterstoffe, Cumarine, Gerbstoffe und Harze sind
ihre wirksamen Inhaltsstoffe.

Die Engelwurz ist eine Lichtpflanze, die uns erleuchten kann, und
eine Wohltat für Menschen, die so leicht frieren wie ich. Im
Herbst zerkleinere ich eine Wurzel, koche sie ab und gebe sie ins
Badewasser. Himmlische Wärme, die lange anhält!

Angelica heißt die Engelhafte, ihre Schutzkraft und ihr


Sympathiezauber glichen dem des Eisenkrautes: Wer von ihr ein
kleines Stückchen bei sich trug, wurde von jedermann geliebt und
verehrt. Ein Amulett um den Hals oder ein kleines Sträußchen
hilft gegen Lampenfieber.

Meisterwurz (Imperatoria ostruthium)

Heilwirkungen: entgiftend nach Lebensmittel- oder


Alkoholvergiftung, aufbauend, beruhigend, schmerzstillend,
blutdrucksenkend, cholesterinsenkend
Die Meisterwurz findet man gelegentlich in den Alpen, gern
wächst sie in größeren Gruppen. Sie ist sehr schön, ihre Blätter
erinnern an nach oben geöffnete Hände, ihre weißen Blüten an
eine Wunderkerze. Auch sie ist ein Doldenblütler, also nur ernten,
wenn man ganz sicher ist. Besser ist es, sie im Garten anzubauen
oder in einem Park zu pflanzen.

»Wurzel aller Wurzeln« wurde sie im 18. Jahrhundert genannt.


Sie galt als ein Allheilmittel, besonders als Magen-, Leber- und
Gallenblasenmittel, aber auch als Mittel gegen Krebs. Sie enthält
u. a. Terpene, Cumarinderivate, Fette und Harze. Die
Meisterwurztinktur (Rezept siehe Engelwurztinktur, vorige Seite)
wird bis heute vielfach eingesetzt: bei Asthma, zu hohem
Cholesterinspiegel, vorbeugend gegen Heuschnupfen, bei
Erkältungen und vielem mehr – immer wenn es darum geht, den
Körper so zu kräftigen, dass er sich von seinen Beschwerden
befreien kann.

Für mich ist sie auf jeden Fall ein Allheilmittel, sie gehört
definitiv zu »meinen« zwölf Heilkräutern. Die Tinktur nehme ich
immer, wenn ich mich so richtig zerschlagen fühle, wenn mein
Magen schwach ist, mir übel ist oder ich mir den Magen
verdorben habe. Sie richtet mich zuverlässig wieder auf, sie gibt
mir Kraft. Dem großen Heilkundigen Paracelsus war diese
Königin der Bergpflanzen auch sehr wichtig, denn er trug stets ein
Amulett der Meisterwurz bei sich »gegen Schlaganfall und gegen
die Pest«.

Baldrian (Valeriana officinalis)

Heilwirkungen: beruhigt, schlaffördernd, aber auch kräftigend


und konzentrationsfördernd

Der Baldrian wächst an Ufern und auf feuchten Waldwiesen sowie


in Gebüschen. Er ist ebenfalls ein Doldenblütler, doch sind seine
Blüten zartrosafarben und der Duft ist eindeutig, sodass die
Verwechslungsgefahr bei ihm nicht sehr groß ist.

Schon wenn ich an ihn denke, sträuben sich bei mir die
Nackenhaare, und ich spüre meinen Magen rebellieren, so groß ist
meine Abneigung gegen ihn! Ich reagiere so stark auf ihn wie
sonst auf keine andere Pflanze, er muss eine große Heilkraft für
mich besitzen.

Jeder kennt seine Wirkung: Er beruhigt, man kann fast gar nicht
zu viel von ihm einnehmen. Bei zu geringer Einnahme, heißt es,
wirke er paradox, d. h. gegensätzlich, dann sind wir eher
aufgekratzt. Zudem wirkt er entkrampfend und fördert die
Gelassenheit, sodass man schneller in den Schlaf gleiten kann.
Müde macht er eigentlich nicht, im Gegenteil, er fördert die
Konzentration. Seine Wirkstoffe sind Valepotriate, Gerbstoffe,
Glykoside, Alkaloide und ätherisches Öl.

Der Tee aus der Wurzel wird kalt angesetzt: 2 TL getrocknete,


zerkleinerte Wurzel auf 1 Tasse Wasser geben, 12 Stunden stehen
lassen, leicht erwärmen. Oder 1 TL Wurzel in zunächst kaltem
Wasser zum Sieden bringen und nach 10 Minuten trinken. Die
Wurzeltinktur wird wie bei der Engelwurz beschrieben in einem
40- bis 50-prozentigen Alkohol angesetzt. Gern kann, wer will und
es braucht, 30 Tropfen zur Beruhigung einnehmen.

Baldur, dem lichten, hellen Gott der Germanen, verdankt der


Baldrian seinen Namen. So wie der Gott hilft er allen, die seine
Hilfe brauchen. Elfen und Wassernymphen sollen im
Mondenschein um ihn herum tanzen. Aber er hat auch diese Seite:
Henker kauten ein Stück Baldrian vor einer Hinrichtung, damit
der Baldrian ihr Herz verhärtete. Nun ja, ich mag ihn nicht so
sonderlich, bislang.

Beinwell (Symphytum officinale)

Heilwirkungen: knochen- und gewebeheilend, gegen blaue


Flecken, schmerzlindernd, harnsäureauflösend

In feuchten Gebüschen, an Ufern und Gräben findet man ihn


häufig. An den großen, rauen Blättern und den glockenförmigen
lilafarbenen Blüten – manchmal sind sie auch weiß – kann man
ihn erkennen.

Beinwellsalbe (s. u.) verwende ich für alles »Blaue«: blaue


Flecken, Quetschungen, Zerrungen. Immer wenn innerlich
Strukturen – also Knochen, Bänder, Gefäße, Knorpel oder
Muskelfasern – beschädigt wurden, heilt der Beinwell.

Sein Name bedeutet so viel wie »Knochen zusammenwachsen


lassen«: »Bein« ist das alte Wort für Knochen, »wellen« oder
»wallen« für zusammenwachsen. Beinwell enthält Allantoin,
das Wundsekrete auflöst und verflüssigt, und Kieselsäure, die die
Kallusbildung fördert, damit das Gewebe wieder
zusammenwachsen kann.

Die zusätzliche Einnahme der Wurzeltinktur unterstützt die


Wirksamkeit. Für sie grabe ich ab Ende September die Wurzeln
aus, säubere sie, schneide sie klein und setze sie in 60-
prozentigem Alkohol an. Beinwell enthält die gefürchteten
Pyrrolizidinalkaloide, weshalb vor einer innerlichen Anwendung
gewarnt wird. Allerdings muss man schon sehr viel Tinktur
trinken, um in einen gefährlichen Bereich zu geraten. Die
täglichen 3-mal 3 Tropfen, die empfohlen werden, um eine
Knochen-, Bänder- oder Schleimbeutelheilung zu unterstützen,
sind ungefährlich.

Ebenfalls unbedenklich ist es, ab und zu einen Salat aus den


frischen Blättern zu essen oder sie zu kochen. Die Pflanze ist eine
der wenigen, die Vitamin B12 enthalten, den Stoff, der ansonsten
nur in tierischen Produkten wie Fleisch, Milch und Eiern
vorkommt. Für Vegetarier oder Veganer ist es also sehr zu
empfehlen, in Maßen Beinwellblätter zu verzehren. Dem Beinwell
wurden große magische Kräfte zugesprochen: Wenn sich jemand
etwas gebrochen hatte, grub man eine Wurzel aus, brach sie in
zwei Stücke, bandagierte sie und stellte sie in die Ecke. Das sollte
dem Kranken bei der Genesung helfen. Frauen, die ihre
Jungfräulichkeit wiedererlangen wollten, badeten in einem Sud
aus Beinwell.
• Beinwellsalbe:
250 g frische Beinwellwurzeln vorsichtig waschen, damit die schwarze
Wurzelhaut erhalten bleibt. Trocken tupfen und klein schneiden oder
raspeln. 35 g Lanolin (gereinigtes Wollfett, in Bio-Qualität) langsam
erwärmen und schmelzen, dann 250 ml Olivenöl unterrühren. Die
zerkleinerten Wurzeln dazugeben und 20 bis 30 Minuten unter ständigem
Rühren ziehen lassen. Unbedingt darauf achten, dass die Hitze nicht zu
groß wird, nicht kochen! Die Masse durch ein Tuch abfiltern und
auspressen, 10 bis 15 g Bienenwachs sowie ½ TL Lärchenharz schmelzen
und unter die Masse rühren. In Gläser abfüllen. Kühl und dunkel lagern, im
Kühlschrank hält sich die Salbe etwa 2 Jahre. Nicht auf offene Wunden
auftragen.
Hauhechel (Ononis spinosa)

Heilwirkungen: harntreibend, blutreinigend, steinbrechend

Die Dornige Hauhechel, wie sie auch heißt, wächst überall in


Europa, auf Brachland, auf sonnigen, trockenen Wiesen sowie an
Feld- und Wegrändern. Hübsche rosafarbene Schmetterlingsblüten
zieren sie. »Weiberkrieg« wird sie auch genannt, denn früher, als
die Frauen noch lange Röcke trugen, blieb so mancher Rock an
der Hauhechel hängen und wurde zerfetzt, was wohl zu
Wutausbrüchen führte.

Für eine Teekur, um Harn- und Nierengrieß auszuleiten, wird im


Herbst die Wurzel ausgegraben, gesäubert und zerkleinert. Im
Ofen bei 75 °C trocknen lassen. Täglich 2 TL Wurzelstücke mit
250 ml heißem, aber nicht kochendem Wasser übergießen und 30
Minuten ziehen lassen, abseihen, trinken. Das Wasser darf nicht
zu heiß sein, sonst gehen die Wirkstoffe verloren. Flavonoide,
Ononin, Triterpene und ätherische Öle steigern den Harnfluss. Die
Kur sollte nicht länger als 2 Wochen dauern, nach einer Pause von
2 Wochen kann erneut eine Kur durchgeführt werden. Hauhechel
soll auch gegen Herpesviren helfen.

Die Hauhechel galt als Symbol für die Hindernisse, die sich
manchmal in den Weg stellen, und sie hilft uns über sie hinweg.

Rückzug – November bis Januar

Am Totenfest Samhain, zum Novembervollmond, starb das alte


Jahr, und ein neues wurde geboren. Das Fest lag im Jahreskreis
dem Fruchtbarkeitsfest im Mai genau gegenüber. Das Jahr ging zu
Ende, ein neuer Jahreszyklus begann.
Wir kennen Allerheiligen (1.11.) und den Abend davor,
Halloween. Auch diese Feste haben einen uralten Ursprung. Die
Geister und Seelen der Verstorbenen hatten Gelegenheit, die
Weltlichen zu besuchen; man stellte ihnen Essen und Trinken hin,
um sie freundlich zu stimmen. Tat man das nicht, so konnten sie
recht unangenehm werden. Ursprünglich schnitzten die Menschen
Gesichter und Fratzen in ausgehöhlte Rüben, heute nehmen wir
Kürbisse dafür. Sie stellten Lichter hinein, um den Verstorbenen
den Weg zu zeigen.

Nun waren alle Kräuter tabu. Draußen tummelten sich die Pucks
und Kobolde zwischen den Pflanzen, die man in Ruhe ließ. Man
glaubte, dass die Kräuter wegen dieser tobenden Wesen krank
machen würden. Nur die Mistel, diese Pflanze zwischen Himmel
und Erde, wurde noch geschnitten. Die Menschen zogen sich in
die Häuser zurück.

Das Götterpaar machte eine weitere Metamorphose durch. Der


feurige Loki oder Lugus wurde zum Totengott Samhain (auch
Samain), einem Schlächter und Jäger, der sogleich die
Vegetationsgöttin erjagte und ins Totenreich verschleppte. Von
dort aus herrschte sie als schwarze Göttin Morrigane mit ihm
zusammen. Sie bewachte nicht nur die Seelen der toten Tiere und
der Menschen, sondern auch die Samenkörner und die Tiere, die
Winterschlaf halten.

Der Bär, der die Kraft der Sonne repräsentierte, ging in die Höhle,
er verschwand wie Morrigane und tauchte erst in drei Monaten um
Mariä Lichtmess wieder auf, wenn die Sonne erneut an Stärke
gewann.

Am 21.12., unserem Winteranfang, in der dunkelsten Nacht des


Jahres, gebar die Göttin tief unten in der Erde das neue Licht: Das
Sonnenkind wurde wiedergeboren. Die Menschen zündeten
Lichter in den Häusern an und schmückten das Haus mit
immergrünen Zweigen, den »Wintermaien«. Tanne, Ilex, Mistel
und Efeu gehörten dazu.

Während der nächsten zwölf Nächte, der Raunächte, stand das


Jahresrad still und die Tore zur Anderswelt weit offen. Alle Räder
der Menschenwelt wie Spinn- und Wagenräder wurden ebenfalls
angehalten.

Es war eine gute Zeit zum Orakeln, die weltlichen Gesetze waren
außer Kraft gesetzt. Unter dem Mistelzweig dürfen sich noch
immer Paare küssen, die sonst nicht oder noch nicht
zusammengehören. Die Häuser wurden mit duftenden Kräutern
wie Beifuß, Wacholder und Harzen geräuchert, um sie von Altem
zu reinigen und frische Energie hereinzuholen.

Der magische Eingang war der Kamin, durch den in vielen


Ländern heute noch die Geschenke kommen. Vermutlich geht der
Weihnachtsmann auf die Schamanen zurück, die in dieser Zeit
ihre magischen Reisen mithilfe von Fliegenpilzen in die Häuser
der Menschen unternahmen.

Am 6. 1. gingen die Tore wieder zu, und ein kräftiger, gütiger


Eber mit goldenen Borsten, Gullinborsti, schob das Jahresrad
wieder an. Wir verschenken zum Jahresende auch heute noch die
Symbole aus dieser Zeit: Glücksschwein, Fliegenpilz,
Schornsteinfeger und vierblättriges Kleeblatt, eine Darstellung
des Jahresrads.
Samhain und die schwarze Göttin verloren im Januar langsam ihre Macht. Das
Götterpaar tauchte im Februar wieder aus der Dunkelheit auf, verwandelt in die
weiße Brigid und den Bären.
NOVEMBER

1.11. Samhain, keltisches Neujahr

BÄUME IM NOVEMBER

Schwarzdorn/Schlehe (Prunus spinosa)

Heilwirkungen: blutreinigend, mildes Abführmittel für Kinder,


stoffwechselanregend

Der Schwarzdorn ist eines der ältesten bekannten Obstgehölze und


die Urform der Pflaume, man findet ihn an Waldrändern im
Unterholz und in Hecken. Er passt gut in den Monat November,
den Monat, in dem das Jahr nach alter keltischer Tradition zu
Ende geht, stirbt und wiedergeboren wird, weil er Dunkel und Hell
gleichzeitig in sich birgt. Im Frühjahr taucht er sich in ein weißes
Blütenmeer, im Herbst bringt er blauschwarze Früchte hervor, die
Schlehen, denen er seinen Namen verdankt. »Sleha« ist das
indogermanische Wort für bläulich.

Idealerweise werden die Früchte erst nach den ersten Frösten


geerntet, dann verlieren sie etwas von ihrer Bitterkeit. Seine
vielen langen und kräftigen Dornen machen ihn zu einem
Schutzbaum für kleine Vögel.

Er macht es uns nicht leicht, die Früchte zu ernten ist nicht


wirklich ein Spaß. Und wenn man sie hat, empfiehlt es sich
geschmacklich auch nicht, sie sofort zu essen, sie müssen
weiterverarbeitet werden. Den großen Kern herauszubekommen
ist ebenfalls nicht einfach. Aber die Mühe lohnt sich, denn
Schlehenmarmelade, -saft oder -sirup sind lecker, wenn man sie
genügend süßt.

Die einfachste Möglichkeit, die Schwarzdornfrüchte zu


verarbeiten, ist der Schlehengeist, für den man die ganzen Früchte
mit Zucker in Rum oder Schnaps einlegt.

In ihrer Wirkung sind die Schlehen stark: Sie reinigen das Blut,
wirken abführend und klären die Haut. Dafür eignet sich auch ein
Tee aus den im frühen Frühjahr geernteten Blüten, den wir
zusammen mit anderen Kräutern trinken können. Sie können in
jede Hausteemischung gegeben oder einzeln getrunken werden,
sie sind ein mildes Abführmittel für Kinder. Ihre Inhaltsstoffe
sind Vitamin C, Mineralstoffe, Gerbstoffe, Flavonoide, Farbstoffe
und Glykoside.

Wir können vom Schwarzdorn lernen, Grenzen einzuhalten. Er zeigt uns


unsere dunkle Seite und hilft, uns zu reinigen, damit wir vor uns wieder so
blütenweiß dastehen können wie er im frühen Frühling.

Wacholder (Juniperus communis)

Heilwirkungen: nierenanregend, desinfizierend, gegen


Sodbrennen, durchblutungs- und stoffwechselfördernd

Der Wacholder wächst auf allen Böden und in allen Formen, mal
als Busch, mal als schlanker Baum. Er wird selten über 10 Meter
hoch und hat tiefe Wurzeln. Er ist mit seiner enormen Lebenskraft
der auf der Nordhalbkugel am weitesten verbreitete Baum und
spielte hier bei allen Naturvölkern eine große Rolle. Seine Nadeln
sind starr und stechend, was die Ernte seiner Früchte erschwert. Er
braucht direktes Licht und steht gern allein. Der Name kommt aus
dem Althochdeutschen und bedeutet »wacher Baum«. Als Kind
habe ich mich oft vor ihm gegruselt, wenn wir in der Heide
spazieren gingen und er im Nebel plötzlich vor uns auftauchte.
Wie ein großer Geist sah er aus.

In alten Zeiten war der Wacholder ein besonders heiliger Baum,


um den sich viele Geschichten rankten. Die Bauern zogen vor dem
Holunder den Hut und vor dem Wacholder beugten sie die Knie.
Mein Opa wusste noch davon.

Im Plattdeutschen ist sein Name »Machandelbaum«, das


gleichnamige Märchen der Brüder Grimm erzählt von der Kraft
dieser Pflanze. Wacholderrauch beschützt und begleitet die Seelen
auf ihrem Weg in die Anderswelt, wenn der Körper stirbt. Die
Seelen steigen dann als Kiebitze aus dem Baum in die Lüfte. In
dem Märchen geht es brutal zu, der Sohn wird zerstückelt und
gegessen. Die Knochen werden unter den Machandelbaum gelegt,
der sich darauf rüttelt und schüttelt; Rauch steigt auf, und ein
Kiebitz fliegt davon. Dabei wandelt sich aber nicht der Körper,
sondern die Seele – sie muss viel durchmachen, um zu heilen, und
der Wacholder hilft ihr dabei.

Am 1. 11., zu Samhain, wurden die Wacholderzweige verbrannt,


die man am 1. 5., an Beltane über den Türstock gehängt hatte,
damit keine bösen Geister Eintritt ins Haus bekamen.

Unsere Urahnen haben schon in der Bronzezeit die sterblichen


Überreste auf einem Scheiterhaufen aus reinigendem und
duftendem Wacholder verbrannt. Sterbehäuser wurden mit
Wacholder ausgeräuchert, und bis heute ist bei den Räucherungen
in den Raunächten immer Wacholder mit dabei.

Nicht nur das Holz hat diese Wärme und Kraft, sie steckt auch in
den Beeren, die eigentlich kleine Zapfen sind. Sie sind zunächst
grün, im zweiten Jahr hellblau und schließlich im dritten Jahr reif
und dunkelblau. Alle drei Entwicklungsstadien der Frucht hängen
nebeneinander.

Am besten ernten kann man die Früchte, indem man den Zweig
beklopft, wodurch dann vor allem die dunkelsten, ältesten Beeren
abfallen; oder man hängt einen Stoffbeutel über den Zweig und
streift die Früchte vorsichtig ab. Jeden Tag eine der reifen,
dunklen Beeren zu essen beugt aufgrund der harntreibenden und
wärmenden Wirkung Erkältungen vor. Man sagt, der Wacholder
stärke das Nierenfeuer, d. h., er wärmt und belebt die Nieren.

Die Beeren können aber noch viel mehr: Sie desinfizieren, regen
den Stoffwechsel an und fördern die Durchblutung. Außerdem
helfen sie bei Sodbrennen und bei entzündlichen
Darmerkrankungen. Harz, ätherisches Öl, Juniperin, Pektin und
Wachs sind einige ihrer wirksamen Inhaltsstoffe.

Wem der Geschmack zu extrem ist, der kann auch einen


Kaltauszug trinken: 2 TL Wacholderbeeren auf 2 Gläser Wasser
geben, 8 Stunden ziehen lassen und über den Tag verteilt trinken.
Weitere Anwendungsgebiete für den Wacholder sind Rheuma,
Gicht, Husten, Asthma, Hauterkrankungen und Ödeme.

Wer starke Nieren hat, kann eine Wacholderkur ausprobieren: Es


geht los mit 3 Beeren am Tag, dann wird jeden Tag 1 mehr
gegessen, bis zu 15 Stück, und danach jeden Tag 1 weniger, bis
man wieder bei 3 Stück angelangt ist. Besonders gut tut diese Kur
im Herbst, als Stärkung und Anregung für die Nieren und bei
Neigung zu Blasenentzündungen. Aber auch hier gilt es, achtsam
zu sein und den Körper gut zu beobachten, damit die Nieren nicht
überreizt werden.

Der Wacholder hält uns wach, er klärt, er wärmt, er hilft uns und unserer Seele
auf unserem Weg.

KRÄUTER UND ANDERE PFLANZEN IM NOVEMBER

Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus)

Heilwirkungen: entzündungshemmend, natürliches Antibiotikum,


appetitanregend

In der Natur können wir die Kapuzinerkresse kaum finden, sie ist
eine typische Gartenpflanze, die gern hochrankt. Ursprünglich
wuchs sie in Peru. Ihre gelben und orangefarbenen Blüten sehen
nicht nur wunderschön aus, sie können noch viel mehr.

Sie enthalten Senföle, die sich im Körper durch den Verzehr in die
antibiotisch wirkenden Stoffe verwandeln und durch den Atem
und den Harn ausgeschieden werden.

In einigen Fertigpräparaten gegen Harnwegs- und


Atemwegsinfekte ist sie deswegen vorhanden und sie vermag
mehr Bakterien zu vernichten als ein Antibiotikum. Ohne dabei
die Darmflora zu zerstören, die wird im Gegenteil durch die
Einnahme gestärkt. Oft wird sie gemeinsam mit dem Meerrettich
verarbeitet, der ähnlich wirkt.

Wenn ich mich ernsthaft krank fühle, nehme ich Kapuzinerkresse


und Meerrettich zu mir. Infektionen der Atemwege,
Nebenhöhlenentzündungen, Bronchitis, aber auch entzündliche
Erkrankungen der Harnwege und Blasenentzündungen können
damit behandelt werden. Das Anwendungsspektrum der
Kapuzinerkresse ist riesig.

Leider können wir Kapuzinerkresse nicht trocknen, denn dadurch


verliert sie ihre Kraft. Einen Presssaft aus den Blättern kann man
hingegen herstellen; davon täglich 3-mal 1 TL einnehmen, aber
vorsichtig sein, wenn man einen gereizten Magen hat.

Sie blüht lange, manchmal bis in den November hinein. Und die
ganze Zeit über sollten wir ihre Blüten und jungen Blätter essen,
beispielsweise als Beigabe in den Salat oder als essbare Garnitur.
Immer in kleinen Mengen, damit stärken wir unsere
Widerstandskraft.

Im November können wir immer noch ihre Samen ernten, die eine
längere Haltbarkeit haben. Wir können sie in Essig einlegen und
essen, dann unterstützen sie den Winter über unsere
Abwehrkräfte. Ich kann nicht an ihr vorbeigehen, ohne ein paar
frische Blüten zu naschen, und genieße ihre aromatische Schärfe
sehr.

Die Kirche mochte die Kapuzinerkresse nicht sehr, obwohl sie


nach dem Kapuzinerorden benannt ist. Man vermutete, dass der
Samen zur Unkeuschheit verleitete. Was wahrscheinlich daran
lag, dass man deutlich weniger Alkohol verträgt, wenn man
Kapuzinerkresse isst, und schneller seine Hemmungen verliert.

Meerrettich (Armoracia rusticana)

Heilwirkungen: antibiotisch, blutdrucksenkend,


stoffwechselfördernd, wirkt Blähungen entgegen

Der Meerrettich ist mit dem Radieschen und den Rüben verwandt,
er ist aus Südrussland zu uns gewandert und kommt in freier
Natur selten vor.

Er hat eine ähnliche antibiotische Wirkung wie die


Kapuzinerkresse, oft werden sie zusammen in Fertigpräparaten
angeboten. Außerdem übt Meerrettich einen regulierenden
Einfluss vor allem auf einen zu hohen Blutdruck aus. Kinder unter
6 Jahren sollten ihn noch nicht essen, aber ihnen ist er vermutlich
ohnehin zu scharf. Die Pflanze enthält als wirksame Stoffe Senföl,
Glucosinolate, Asparagin, Arginin und brennbares ätherisches Öl.

Ich kaufe mir die Meerrettichwurzel und schneide sie in 0,5


Zentimeter dicke Scheiben, die ich je nach Dicke der Wurzel
eventuell noch viertele, dann lege ich sie in den Backofen und
trockne sie bei ca. 75 °C etwa 30 Minuten lang. Durch das
Trocknen verliert sie die Schärfe, nicht aber ihre Wirksamkeit. So
habe ich einen Vorrat an selbst gemachtem Antibiotikum. Bei
Bedarf esse ich 3- bis 5-mal am Tag so ein Stückchen zum Essen
dazu. Schon oft war er sehr hilfreich.
Ebenso angeraten soll es sein, ein Stückchen Meerrettich in der Geldbörse zu
tragen, wenn man sich vor Hexen und bissigen Hunden schützen will.
Außerdem soll dann der Geldbeutel nie leer werden.
DEZEMBER

21.12. Wintersonnenwende, Winteranfang, Beginn der Raunächte

BÄUME IM DEZEMBER

Fichte (Picea abies) und Tanne (Abies alba)

Heilwirkungen: gegen Husten und Erkältungen,


durchblutungsfördernd, schleimlösend

Die beiden Verwandten aus der Familie der Kieferngewächse


gehören zu den größten europäischen Bäumen; über 60 Meter
können sie groß werden und um die 600 Jahre alt.

»Willst du den Wald vernichten, so pflanze nichts als Fichten«,


lautet eine alte Försterweisheit. Genau das ist es aber, was um uns
herum geschieht, denn es werden die Fichten in großer Zahl
angepflanzt. Weil sie so unkompliziert sind, sind sie nach wie vor
Wirtschaftsfaktor Nummer eins für die Waldwirtschaft.

Doch die Monokultur ist natürlich alles andere als förderlich für
die Gesundheit des Waldes, die durch eine Vielfalt gegeben wäre.
Alte Bäume können die jungen über die Wurzeln ernähren und
»erziehen«, Krankheiten können sich nicht so leicht ausbreiten.

Fichten vertragen Kälte und Trockenheit gut, nur die Hitze macht
ihnen zu schaffen. Tannen sind weniger robust, sie reagieren sehr
empfindlich auf Luftverschmutzung. Sie gehören zu den vom
Waldsterben am meisten betroffenen Bäumen.
Entwicklungsbiologisch betrachtet, sind Nadelbäume viel älter als
Laubbäume und sie sind perfekt an ein Leben im Gebirge
angepasst. Tanne und Fichte gehören beide in die Berge, die
großen Monokulturen im Flachland bedeuten für sie Stress.
Fichten wachsen bis hinauf zur Baumgrenze.

Unterscheiden kann man Fichten und Tannen am einfachsten so:


Bei den Fichten hängen die Zapfen, bei den Tannen stehen sie
meist aufrecht wie Kerzen. Die Nadeln der Fichten sind eher
vierkantig, die der Tanne flacher; Letztere weisen an der
Unterseite zwei weißliche Streifen auf. Von ihrer Heilwirkung
sind die beiden nahezu identisch. Im Vordergrund stehen dabei die
ätherischen Öle, aber sie weist auch Ameisensäure, Terpentinöl,
Vitamin C und andere Stoffe auf.

Ein Bad mit 1 Handvoll abgekochter Fichten- oder Tannennadeln


eignet sich als Erkältungsbad. Aus den Winternadeln, die harziger
und fester sind als die im Sommer, kann man einen Auszug mit
siedendem Wasser herstellen und durch dieses Getränk den
Körper mit Vitamin C versorgen. Mein Lieblingsrezept ist der
Tannen- oder Fichtenwipfelsirup, der im Frühjahr zubereitet wird,
wenn die jungen Triebe gewachsen sind. Die frischen Triebe kann
man gut essen, sie schmecken erstaunlich nach Zitrone. Der
Fichtenspiritus ist zum Einreiben bei rheumatischen Schmerzen
geeignet: In einer weithalsigen Flasche 1 Handvoll frische
Fichtentriebe mit so viel 60- bis 70-prozentigem Alkohol
übergießen, dass sie gut mit Flüssigkeit bedeckt sind. Nach 3 bis 4
Wochen abseihen und in dunkle Flaschen füllen. Kräuter wie
Thymian, Brennnessel oder Salbeiblätter, die man der Mischung
beigibt, verstärken den durchblutungsfördernden Effekt. Ihre
Bedeutung als Weihnachtsbaum haben Tanne und Fichte in
unserem Kulturkreis bekommen, nachdem kein Geringerer als der
junge Student Johann Wolfgang von Goethe Weihnachten 1765
bei Bekannten in Leipzig einen kleinen, geschmückten Baum
entdeckte und darüber berichtete. So ganz war die Tradition, sich
in der dunklen Jahreszeit grüne Zweige, die »Wintermaien« und
damit auch stellvertretend den heiligen Hain ins Haus zu holen,
noch nicht ausgestorben. Obwohl die Kirche dagegen war,
verbreitete sich überall die Mode, zum Christfest eine Tanne ins
Haus zu stellen und mit uralten heidnischen Symbolen zu
schmücken: mit Äpfeln (Fruchtbarkeit) und Nüssen (Weisheit).
Schließlich übernahm die Kirche bekanntermaßen den Brauch.
Und wir haben die Bäume, die nicht nur schön aussehen, sondern
auch die Luft reinigen, in unseren Wohnzimmern. Wenn nur nicht
diese katastrophalen Anbaumethoden wären! Ein paar
abgeschnittene Zweige würden schon ausreichen oder etwas Harz,
das man in kochendes Wasser werfen kann, damit sich die
ätherischen Öle verteilen können.

Der Weihnachtsmann ist der Gott Odin mit seinem langen Bart,
der in der Mitte des Winters zu allen Zeiten in seinem weiten
Mantel durch das Land reiste und die Menschen besuchte, zu
denen er durch die Schornsteine kam.

»Guten Morgen, Frau Fichte, hier bring ich dir die Gichte«, sagte ein
Rheumakranker, wenn er dem Baum seine Schmerzen übertragen wollte. Die
Fichte wirkt, sie ist da für uns im Winter, in der dunklen, vegetationsarmen Zeit.
Die Menschen haben sie alle Zeit zu schätzen gewusst; sie konnten sie gar
nicht nah genug bei sich haben und genossen es, ihre tiefe Stille, ihren Frieden,
ihre Dauerhaftigkeit mit allen Poren einzuatmen.
• Fichtenwipfelsirup:
Dafür brauchen wir viele Fichtenspitzen, die »Wipfel«, etwa die gleiche
Menge Zucker und ein großes Weckglas. Am besten eignen sich die kleinen
Fichtenspitzen, die geerntet werden, wenn sie im Frühjahr gerade das
braune Hütchen verloren haben. Wichtig ist, die geernteten Wipfel sofort zu
verarbeiten. In das Glas zunächst eine 1 bis 1,5 Zentimeter hohe Schicht
Zucker füllen, dann eine ebenso hohe Schicht Wipfel. So oft wiederholen,
bis das Glas fast voll ist. Mit Zucker abschließen, damit die Wipfel ganz
bedeckt sind.
Das Glas an das sonnigste Fenster im Haus stellen. Nach ein paar Wochen
schwimmen dünne Nadeln auf einem dickflüssigen, aromatischen Sirup. Die
Nadeln können leicht entfernt werden, der Sirup wird im Kühlschrank
aufbewahrt. Nun kann der Husten kommen – dann 1 TL Sirup langsam
lutschen. Im Tee oder im Habermus als Honigersatz bringt der Sirup den
Wald in die Küche!

Mispel (Mespilus germanica)

Heilwirkungen: gut verträgliches Vitamin C, sanft abführend,


darmreinigend, aufbauend

Heutzutage ist die Mispel selten geworden in den Obstgärten;


schon vor 2000 Jahren ist sie in unseren Breiten angebaut worden
und auch im Mittelalter war sie ein beliebter Obstbaum. Es gibt
wild wachsende Mispelarten, die im Gegensatz zu den kultivierten
Arten oft Dornen haben. Die Mispel gehört zur schönen Familie
der Rosengewächse, besonders schön ist die Blüte im
Frühsommer.

Eigentlich sind die unscheinbaren Früchte schon im September


reif, sie schmecken aber erst nach den ersten Frösten gut. Die
kleinen, bräunlichen, apfelähnlichen Früchte haben einen mehlig-
fruchtigen Geschmack. Die Haut und die Kerne sollten
ausgespuckt werden. Eine wunderbare Vitaminbombe im späten
Herbst – von allen Früchten ist sie eine mit dem höchsten
Vitamin-C-Gehalt.

Hildegard von Bingen empfahl sowohl Gesunden als auch


Kranken, davon zu essen, denn die Mispel lasse »das Fleisch
wachsen und reinige das Blut«. Die Früchte werden von Patienten
mit besonders empfindlichem Magen gut vertragen und eignen
sich als Aufbaukost bei langer Krankheit. Weil der in den
Mispelfrüchten enthaltene Schleim sanft den Darm reinigt, hat
sich die Mispel gut bei der Behandlung von Neurodermitis
bewährt.

Wir vergessen oft die alten Helfer. Die Mispel ist ein
wunderschöner kleiner Baum, der uns selbst in der kalten
Jahreszeit noch etwas Wunderbares zu geben vermag.

KRÄUTER UND ANDERE PFLANZEN IM DEZEMBER

Mistel (Viscum album)

Heilwirkungen: blutdrucksenkend, blutzuckersenkend,


immunstärkend, krampflösend, begleitend bei einer Krebstherapie

Die Mistel wächst auf Laub- und Nadelbäumen. Sie ist ein
Halbschmarotzer, denn sie lebt von dem Baum, auf dem sie
wächst, ist aber im Gegensatz zu Vollschmarotzern fähig, selbst
Fotosynthese zu betreiben. Sie zeigt Störzonen an und schützt den
Baum eigentlich vor schädlichen Auswirkungen. In Gegenden, in
denen Misteln auffallend häufig vorkommen, ist auch die
Krebsrate besonders hoch.
Die Pflanze gehört zu den ältesten bekannten Heilmitteln. Sie
wurde von den Druiden mit einer goldenen Sichel geschnitten und
in Tüchern aufgefangen, damit sie nicht die Erde berühren und
energetisch verunreinigt werden konnte. Sie galt als ein
Allheilmittel, weil man von ihr annahm, dass sie »weiß, was als
Erstes zu tun ist«. Sie beginnt dort zu helfen, wo es nötig ist,
erweicht Verhärtungen und wirkt ausgleichend. Meist beginnt ihre
Wirkung an der Wirbelsäule, also dort, wo die Nerven
entspringen. Hier setzt sie an, und die Sensiblen unter uns können
vielleicht spüren, wie die Wirbelsäule reagiert: ein aufsteigendes
Kribbeln, das bis zur Schädeldecke reicht. Sie entspannt den
verkrampften Magen und beruhigt das zu schnell schlagende Herz.
Viele wirksame Inhaltsstoffe hat man in der Mistel gefunden,
angeführt wird die Liste von Alkaloiden.

Heute wird ihre positive Wirkung bei der Begleitung von


Krebstherapien geschätzt. Sie macht die Therapie besser
verträglich, indem sie das Allgemeinbefinden verbessert und das
Immunsystem stärkt.

In der anthroposophischen Medizin wird zwischen den


Wirtspflanzen, auf denen die Mistel wächst, unterschieden: Die
wertvollsten Misteln wachsen auf Eichen und Apfelbäumen,
abgeraten wird für einen Selbstversuch von Misteln, die auf
Ahorn, Linde, Walnuss, Pappel oder Robinie wachsen.

Für den Tee werden nur die getrockneten Blätter verwendet, sie
dürfen nicht gekocht oder überbrüht werden. Am besten setzen Sie
den Tee am Abend kalt an und trinken ihn am nächsten Tag nur
leicht erwärmt, dann lösen sich keine Giftstoffe. Hinsichtlich der
Dosierung sollte jeder ausprobieren, wie stark er es mag und was
angenehm ist. Dünn schmeckt der Tee ganz weich, schmeichelnd,
geradezu lieblich, stärker gebraut kommen dann auch die
Bitterstoffe zum Vorschein. Diese sollen entschlackend wirken,
vor allem seelisch entschlackend, heißt es. Auch saure und später
süße Komponenten sind mit dabei. Die sauren besitzen
zusammenziehende Kräfte, sie helfen, dass die Gefühle nie außer
Kontrolle geraten; die Süße bringt uns auf neue, lebensbejahende
Ideen. So haben wir mit nur einer Pflanze einen Tee, der von
Rückenschmerzen über Krebs und Erkältung bis hin zu
Liebeskummer alles unterstützend behandeln kann.

Gänseblümchen (Bellis perennis)

Heilwirkungen: blutreinigend, schleimlösend, erweichend

»Welche Blume kann man das ganze Jahr über finden?«, lautet
eine Rätselfrage. Es ist das Gänseblümchen, das in jeder
Jahreszeit wächst. Selbst im Winter finde ich es an bestimmten
geschützten Stellen.

Die drei ersten, die man im Jahr findet, soll man essen, ohne die
Hände zu Hilfe zu nehmen, dann bleibt man das ganze Jahr über
fieberfrei und von Magenschmerzen verschont.

Die Knospen lege ich in Essig ein und esse sie wie Kapern. Die
frischen Blüten sind eine schöne Dekoration und
Nahrungsergänzung; allzu viele sollte man aber nicht davon essen,
sonst könnten die enthaltenen Saponine zu stark reizen.

Diese Tinktur in 40-prozentigem Alkohol stelle ich lieber aus den


getrockneten Blüten her, sie ist dann wesentlich intensiver. Sie
wirkt blutreinigend und hilft bei Arteriosklerose und vor allem bei
Hautproblemen. Auch als Tee gegen Gicht, Husten und
Magenschmerzen kann das Gänseblümchen – Blüte und Kraut –
getrocknet oder frisch getrunken werden. Wegen des hohen
Gerbstoffgehaltes kann der Tee stuhlverhärtend wirken.

Habermus:

Ein wichtiges Rezept, das gut zum Winter passt, weil es so schön
wärmt, ist das Habermus. Ich esse es das ganze Jahr über und
ergänze es mit zur Jahreszeit passenden Kräutern oder
entsprechendem Obst.
• Habermus:
Bei dem wärmenden Frühstück, das Hildegard von Bingen so unerlässlich
fand, handelt es sich um Dinkelschrot, der zusammen mit Bertram, Galgant
und Zimt in Wasser gekocht wird. Geriebener Apfel und Datteln können das
Gericht ergänzen.
Dinkel ist das wichtigste Getreide in der Hildegard-Ernährung, sie spricht
von den »17 Vorteilen des Dinkels«. Er erwärmt, schenkt dem Körper
Energie und ist wasserlöslich. Dadurch transportiert er die nötigen Stoffe in
alle Körperzellen hinein – Fingernägel etwa wachsen viel besser und
verlieren die weißen Stellen – und transportiert Stoffwechselabfallprodukte
ab. Er stärkt die Nerven und macht fröhlich, sagt sie. Deshalb gibt es dazu
auch einen ebenfalls wunderbar bitteren Dinkelkaffee. Ich verwende das
gefriergetrocknete Pulver, den frisch aufzubrühenden vertrage ich nicht so
gut.
Der mit dem Ingwer verwandte Galgant ist recht scharf. Er weitet die kleinen
Gefäße und fördert so die Durchblutung. Bertram, so Hildegard von Bingen,
die Wurzel einer kamillenähnlichen Pflanze aus dem Mittelmeerraum,
»reinigt die Säfte« und sorgt für eine gute Verdauung sowie einen klaren
Verstand. Man bekommt ihn als gemahlenes Pulver in Apotheken oder im
Kräuterhandel. Der Zimt schließlich erwärmt den Körper und stärkt die
Widerstandskräfte.
Pro Portion ca. 2 EL geschroteten Dinkel in 1 Tasse Wasser aufkochen, je
1 Messerspitze Galgant, Bertram und Zimt dazugeben. Nach Belieben 1
geriebenen Apfel und 3 bis 4 klein geschnittene Datteln bzw. Aroniabeeren,
Rosinen oder andere Trockenfrüchte hinzufügen. 10 Minuten bei niedriger
Temperatur ziehen lassen und nach Geschmack süßen.
JANUAR

6.1. das Jahresrad wird wieder angeschoben

BÄUME IM JANUAR

Hasel (Corylus avellana)

Heilwirkungen: schweißtreibend, anregend, fiebersenkend,


gefäßverengend

Die Hasel ist ein fröhlicher Strauch, der das Licht und die Wärme
liebt. Das Alter eines Haselstrauchs ist schwer zu schätzen: Zwar
sterben die Stämme nach 30 bis 40 Jahren ab, werden aber von
jungen Trieben ersetzt, sodass der Strauch insgesamt immer jung
aussieht, obwohl er schon Hunderte von Jahren alt sein kann.

Der Haselstrauch gehörte seit je in den Bauerngarten und wächst


bis heute in der Nähe der Menschen. Nicht jeder allerdings kann
seine Anwesenheit schätzen, denn viele reagieren allergisch auf
die Pollen, mit denen er schon im tiefsten Winter seine Umgebung
überschüttet. Die Nüsse waren schon immer ein nahrhaftes und
gut zu lagerndes Nahrungsmittel, sie sind reich an Fett, Eiweiß,
Kalzium und Kalium sowie den Vitaminen B1, B2 und E.

Auch als Heilpflanze spielte die Hasel eine große Rolle, ihre
Blätter und Rinde besitzen als Tee oder Umschlag eine
zusammenziehende, gefäßverengende, blutstillende und
fiebersenkende Kraft. Die Kätzchen kann man als Tee zu sich
nehmen, wenn man abnehmen will; sie wirken erwärmend, sorgen
für eine größere Fettverbrennung und stabilisieren den Kreislauf.
Die Zweige oder Ruten wurden früher vielfach genutzt: Mit der
»Lebensrute« versetzte man dem Vieh und auch jungen Frauen zur
Wintersonnenwende oder zu Ostern einen kleinen Hieb, damit sie
nach dem Winter aufwachten, gesund blieben und fruchtbar
wurden. Die Hirten schnitzten sich ihren Hirtenstab aus einem
Haselnusszweig, weil in ihm Zauberkräfte wohnten. Bis heute
bestehen Wünschelruten aus einem Haselnusszweig; dieser
Brauch reicht bis zu den Anfängen der Zeit zurück und ist eines
der wenigen Beispiele dafür, dass das alte Wissen bis heute
lebendig ist. Die Thingplätze der Germanen wurden von weißen,
abgezogenen Haselstäben umzäunt – die weißen Fahnen, die man
zum Zeichen der Kapitulation schwingt, haben sich wohl daraus
entwickelt.

Der starke Pollenflug deutet darauf hin, welche Fruchtbarkeit in


der Hasel steckt. Es heißt, unter der Hasel seien unendlich viele
uneheliche Kinder gezeugt worden – »in die Hasel gehen« war
lange Zeit ein Synonym für außerehelichen Sex. Hildegard von
Bingen war der Haselstrauch dementsprechend suspekt. Er sei ein
»Sinnbild der Wollust und zu Heilzwecken kaum tauglich«. Die
Kirche konnte den Menschen die beliebte Hasel jedoch nicht
verbieten und erklärte schließlich, Maria habe sich unter einem
Haselstrauch vor einer Schlange in Sicherheit gebracht und die
Heilige Familie habe auf ihrer Flucht dort Schutz vor einem
Gewitter gefunden. Und so war die Hasel rehabilitiert.

Viele Märchen und Geschichten, die mit Weisheit und


Gerechtigkeit zu tun haben, ranken sich um die Hasel. Das
berühmteste ist wohl das Märchen vom Aschenputtel und dem
Haselstrauch auf dem Grab ihrer Mutter.

In der Gemmotherapie werden die Knospen verarbeitet. Sie sorgen


für Gewebselastizität und gelten als ideales Mittel gegen
Übersäuerung. Aber man kann die Knospen auch gut einfach so
essen!

Es heißt, dass wir unter einem Haselstrauch Frische und Klarheit gewinnen
und leicht Kontakt zu unserem inneren Kind finden können. Die Hasel wird
immer mit uns lächeln.

Kiefer (Pinus sylvestris)

Heilwirkungen: schleimlösend, durchblutungsfördernd,


beruhigend, entspannend

Die Kiefer ist ein zäher und anspruchsloser Baum, den die
Extreme reizen; im Gebirge wächst sie in großer Höhe, wo kein
anderer Baum gedeihen kann. Trockene, nährstoffarme Böden
oder Sumpfgebiete, Hitze, nichts scheint ihr etwas anhaben zu
können, solange sie viel Licht bekommt. Deshalb ist sie neben der
Fichte auch der am häufigsten angebaute Baum in Europa. Sie
kann bis zu 300 Jahre alt werden und ist ein Spätentwickler: Erst
nach rund 30 Jahren wird sie geschlechtsreif und trägt Zapfen.

Ihr Holz verwendete man gern. Man tauchte es in Pech oder Harz,
um es anschließend als Kienspan und Kerzenersatz zu nutzen. Die
Sprossen und Nadeln helfen ebenso wie die der meisten anderen
Nadelgehölze bei Husten und Verschleimung und regen die
Durchblutung an.

Ein Kiefernbad kann man leicht selbst herstellen: In einem 3 bis 4


Liter Wasser fassenden Topf frische oder getrocknete
Kiefernspitzen in nicht zu knapper Menge 10 Minuten auskochen
und anschließend inhalieren oder ins Badewasser geben. Die
ätherischen Öle duften herrlich; sie entspannen und helfen Lunge,
Haut und Nerven.

Aus den Knospen lässt sich ein Tee zubereiten – 2 TL auf 250 ml
Wasser, 10 Minuten ziehen lassen –, die frischen, zarten Triebe
sind essbar.

Es gibt auch eine Bachblütenmischung aus der Kiefer namens


Pine; sie wird traditionell all den Menschen empfohlen, die
vermehrt zu Selbstvorwürfen, Schuldgefühlen und allgemein zu
Mutlosigkeit neigen.

Der Baum lebt dort, wo kein anderer Baum leben kann, wir
können von ihm Festigkeit, Unerschrockenheit, Mut und Stärke
lernen. Wenn wir in einem Kiefernwald spazieren gehen, atmen
wir seinen Duft ein, in dem Stoffe nachgewiesen wurden, die
gegen den Tbc-Erreger helfen.

So wie die Kiefer aufrecht und stark dasteht, ist sie ein Bild für Vertrauen,
Klärung und Entspannung.

KRÄUTER UND ANDERE PFLANZEN IM JANUAR

Vogelmiere (Stellaria media)

Heilwirkungen: stoffwechselanregend, entschlackend


Unter einer dicken Schneedecke habe ich sie schon gefunden, die
kleinen weißen Sterne mit meist zehn Blütenblättern. Die oberen
10 Zentimeter der Pflanze – Blüten und Blätter – können wir
ernten und essen; sie schmecken knackig-nussig, regen den
Stoffwechsel an und enthalten jede Menge Vitamin A und C sowie
Kalium, Kieselsäure, Zink, Magnesium, Phosphor und Kupfer.

Ein Tee aus dem frischen Kraut reinigt den Körper, löst Schleim
aus der Lunge und hilft beim Abnehmen. Hierfür ruhig etwas
mehr als die übliche Prise nehmen, 1 Handvoll auf 500 ml heißes
Wasser, 5 Minuten ziehen lassen für eine Tagesportion.

Unverwüstlich und äußerst vermehrungsfreudig ist sie, 10000 bis


20000 Samen pro Generation und Pflanze bringt sie hervor. So
viel Lebenskraft können wir uns mit der Vogelmiere einverleiben.
Warum gehen wir oft so achtlos an solchen Geschenken vorbei?
Erst Sebastian Kneipp entdeckte die Vogelmiere als Heilpflanze
und verwendete sie häufig, vor allem als beruhigendes und
schleimlösendes Hustenmittel.

Hauswurz (Sempervivum tectorum)

Heilwirkungen: kühlend, schmerzstillend, erfrischend, anregend,


hautpflegend

Jeder Haushalt sollte eine Hauswurz haben, denn sie wirkt als
Blitzableiter und zieht gute Energie an. Ich habe allerdings
gelernt, dass das nur funktioniert, wenn man sie nicht kauft,
sondern sich schenken lässt – oder noch besser: sie mitgehen lässt.

Ich kenne eine Stelle in einer Schrebergartenkolonie, an der die


Hauswurz bis auf den Weg neben dem Garten wächst. Schon so
manchen Ableger habe ich mir erlaubt, mitzunehmen und zu
verschenken. Besonders viel Pflege oder Aufmerksamkeit
verlangt die Pflanze nicht, sie wächst sogar auf dem Dach.

Die fleischigen Blätter werden ähnlich angewendet wie Aloe vera,


also als Hautmittel bei Verbrennungen. Besonders wirksam ist ein
Brei aus den zerquetschten Blättern bei Gürtelrose und Psoriasis.
Sie enthalten u. a. Gerbstoffe, Schleimstoffe, Apfelsäure,
Bitterstoffe und Ameisensäure. Traditionell werden die Blätter
auch als Aphrodisiakum angewendet. Männer sollten sie in ihr
Getränk geben, wenn ihnen »die geschlechtliche Begierde fehlt«,
wusste Hildegard von Bingen. Verdorrt die Hauswurz, so wird
sich im Haus alles ändern.

Der Steinkreis ist einmal umrundet. Er hat sich als ein Kompass
erwiesen, der veranschaulicht, wo im Jahreslauf wir uns gerade
befinden. Er gibt noch viele weitere Hinweise: auf die
Himmelsrichtungen, auf die Planeten, auf bestimmte Abläufe des
Lebens und der Ernte. Zuallererst aber verbindet er uns mit
unserer Erde, aus der wir kommen und zu der wir wieder werden.
Um dann erneut aus ihr hervorzugehen.

Und jetzt: Buch zuklappen, rausgehen, die Nase im Wind.


Literatur
Arvay, Clemens G.: Der Biophilia-Effekt. edition a, Wien 2015.
Berger, Markus: Unkraut – Heilkraut. Es stellt sich ein, wenn man es braucht.
Neue Erde Verlag, Saarbrücken 2014.
Ganz, Chrischta und Hutter, Louis: Gemmotherapie. AT Verlag, Aarau und
München 2015.
Grahofer, Eunike: Die Leissinger Oma. Freya Verlag, Linz 2014.
Hageneder, Fred: Der Geist der Bäume. Neue Erde Verlag, Saarbrücken 1999.
Hirsch, Siegrid und Grünberger, Felix: Die Kräuter in meinem Garten. Freya
Verlag, Linz 2015.
Kalbermatten, Roger: Wesen und Signatur der Heilpflanzen. AT Verlag, Aarau
und München 2013.
Mancuso, Stefano und Viola, Alessandra: Die Intelligenz der Pflanzen. Verlag
Antje Kunstmann, München 2015.
Nedoma, Gabriela: Knospen und die lebendige Kraft der Bäume. Freya Verlag,
Linz 2014.
Scheffer, Mechthild und Storl, Wolf-Dieter: Die Seelenpflanzen des Edward
Bach. Aurum Verlag, Bielefeld 2012.
Storl, Wolf-Dieter: Die alte Göttin und ihre Pflanzen. Kailash Verlag, München
2014.
Storl, Wolf-Dieter: Pflanzen der Kelten. AT Verlag, Aarau und München 2000.
Storl, Wolf-Dieter: Wandernde Pflanzen. AT Verlag, Aarau und München 2012.
Strehlow, Wighart: Die Heilkunst der Hildegard von Bingen. Weltbild Verlag,
Augsburg 2005.
Tompkins, Peter und Bird, Christopher: Das geheime Leben der Pflanzen.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1977.
Wood, Matthew: Die Weisheit der Pflanzen. AT Verlag, Aarau und München
2012.
Bildteil
Schwarzpappel
Efeu
Schlüsselblume
Quecke
Bibernelle
Kornelkirsche
Birke
Eberesche
Huflattich
Scharbockskraut
Brunnenkresse
Veilchen
Weide
Lärche
Hirtentäschel
Nelkenwurz
Bärlauch
Stiefmütterchen
Knoblauchsrauke
Giersch
Gundermann
Taubnessel
Schöllkraut
Schwarze Johannisbeere
Weißdorn
Linde
Wermut
Frauenmantel
Labkraut
Spitzwegerich
Rotklee
Storchschnabel
Sauerampfer
Waldmeister
Melisse
Holunder
Ulme
Johanniskraut
Lungenkraut
Herzgespann
Mutterkraut
Gänsefingerkraut
Klatschmohn
Lavendel
Jungfer im Grünen
Esche
Eiche
Schafgarbe
Beifuß
Weinraute
Odermennig
Klette
Kamille
Wegwarte
Kleine Braunelle
Ehrenpreis
Hohlzahn
Königskerze
Eisenkraut
Steinklee
Espe
Buche
Dost
Sonnenhut
Mädesüß
Liebstöckel
Ringelblume
Weidenröschen
Wolfstrapp
Goldrute
Heckenrose
Ahorn
Eibe
Augentrost
Alant
Mariendistel
Nachtkerze
Wilde Karde
Erle
Quitte
Waldengelwurz
Meisterwurz
Baldrian
Beinwell
Hauhechel
Schwarzdorn/Schlehe
Wacholder
Kapuzinerkresse
Fichte
Mispel
Mistel
Gänseblümchen
Hasel
Kiefer
Vogelmiere
Hauswurz

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