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«Y
S36610770170010
S36610770170010
Bayer. Staatsbibliothek
/4. eZ. G/Az. 23/aº
4
D. Chriſtian Auguſt Cruſius,
Profeſſoris primarii zu Leipzig, des Hochſtifts Meiſſen
Prälaten und Domherrn, der Academie Decemviri,
der Churſürſtl. Stipendiaten Ephori c.
Änweiſung
vernünftig zuleben, Darinnen
nach Erklärung
der Natur des menſchlichen
Willens
die natürlichen Pflichten und
allgemeinen Klugheitslehren
im richtigen Zuſammenhange vorgetragen
werden. e
Die dritte und vermehrte Auflage.
L EIPZIG,
verlegts Johann Friedrich Gleditſch, 1767
-
15,5 P; Ä
RE 1A
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Vorrede
zur erſten Auflage,
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BOL Lede
zur andern Auflage,
Vor
FH-53-HH-33 52 999999999
S )-Q & HH-HÖ HWÄS
I =ö=FEFS=FSFE=ZSEESBSZE
Ä?
Vorrede
zur dritten Auflage.
Druckfehler.
S. 206. 1. 13. Liebſonſtigkeit 1. Lebhaftigkeit.
- - 1. 25. nach Erklärung add. der
- 772. I. 16. dieſes durch jenes 1. jenes durch dieſes.
===
De
- Die
TEhelematologieoder
Lehrevonden Kräften
und
- Eigenſchaften des menſch
lichen Willens,
- »
E> **************
Das Capitel,
Von dem Endzwecke der Thele
matologie und dem menſchli
chen Willen überhaupt.
&
Ä
handelt glaube, daß hier der rechte Ortſey, dieſe wich:
wird.
tige Materie abzuhandeln. Es iſt zwar be:
kannt, daß viele dieſelbige lieber zur Meta:
phyſic zu rechnen pflegen. Es ſcheinet mir
aber ſolches nicht wohlgethan zu ſeyn, indem
die Metaphyſic alle beſtimmte Schrancken
ohne Zweifel verlieren muß, wenn man in
derſelbigen auch von zufälligen Wahrheiten
handeln darf, von welchen man nicht ver
ſichert iſt, ob ſie nicht in einer andern Welt
anders ſeyn können, und welche man nicht
aus dem nothwendigen Weſen eines Dinges
oder einer Welt überhaupt a priori erkennen
V
kan. Jedoch kan man hierinnen iedwedem
Gelehrten leichtlich ſeine Freyheit laſſen.
§. 2. - -
Was der"
Wille iſt.
Ich verſtehe unter dem Willen die Kraft
eines Geiſtes nach ſeinen Vorſtellungen zu
handeln. Ich meine, der Wille iſt die wir
ckende Urſache, die Vorſtellungen aber ſind
das Modell oder die cauſa exemplaris. Man
handelt aber darnach, wenn man eine vorge:
ſtellte Sache wircklich macht, oder ſich ſolches
zu thun beſtrebet. Durch dieſe Handlung
wird entweder eine Sache allererſt hervorge
bracht, oder ſie wird nur in ein gewiſſes Ver
hältniß gegen uns geſetzet, oder es geſchiehet
beydes zugleich. Auf ſolche Weiſe faſſet mei
Uf
Willen überhaupt. 5
ne Erklärung alles in ſich, was dem Willen,
vermöge des Sprachgebrauchs, zukömmt:
denn das Begehren und Verabſcheuen, in:
gleichen alles daraus herflieſſende Thun und
Laſſen ſchreibet man dem Willen zu. In
allen dieſen Fällen aber iſt es klar, daß eine
Handlung des Geiſtes nach ſeinen Ideen vor:
gehe. Einen Geiſt aber nenne ich hier im Ä
weiten Verſtande eine iedwede Subſtanz, jej
welche Ideen hat, oder, welches bey mirft.
gleichviel iſt, welche dencket. -
- S. 3. -
Willen überhaupt. I3
s Cap. wondºmmenſhchen
gern Bedeutung wird zum Genuſſe auch
noch erfordert, daß man ſich der gewünſch
ten Vereinigung mit dem Objecte deutlich
und mit Ueberlegung bewuſt ſey, welches
-
man den vernünftigen Genuß nennen
kan, und deſſen dannenhero nur die edlern
Ä ÄGeiſter fähig ſind.So ofte derowegen der
je “ formale Endzweck in einer gewiſſen ge:
Ä *wünſchten Vereinigung mit einem Objeete
beſtehet, ſo kan man ſagen, daß der Genuß
der Sache der formale Endzweck der Hand
lung ſey. Es kan aber der formale End
- zweck auch in der Hinwegſchaffung des Ob:
jeetes beſtehen. Dahere beſtehet er alsdenn
nicht in dem Genuſſe der Sache, ob er gleich
die daher vor ihn erwachſenden Folgen zu
genieſſen wünſchet; woraus man ſiehet, daß
der formale Endzweck und der Genuß der
Sache nicht durchgängig einerleyſey. Z. E.
Als der König Ptolemäus Dionyſius den
Pompejus enthaupten ließ, ſo wird niemand
ſagen, daß er den Tod des Pompejus genieſ
ſen wollte; aber die guten Folgen wünſchte
er zu genieſſen, welche vor ſein Land daher,
, wie er glaubte, erwachſen würden.
§ 14. - -
WOillen überhaupt. 23
§ I9.
Ich habe vorhin gedacht, daß ſich ein Es giebt
Geiſt zu Erreichung ſeiner Abſichten Mit-Ä
tel bedienen könne, welche er zu Bewerck-hen, welche
ſtelligung derſelben abrichtet, und zu deren ºd
Gebrauche er durch das Verlangen nach
ſeinem Endzwecke angetrieben wird. Man
muß aber dabey eing Nenck ſeyn, daß es auſ
ſer den Mitteln auch aoch eine andere Art
beywirckender Urſache gebe, welche der wol
lende Geiſt nicht ſelbſt abrichtet, ſondern
welche ſich vermöge der von GOtt gemach
ten Einrichtung der Dinge von ſich ſelbſt
und ohne allererſt abgerichtet zu werden, mit
ſeinen Handlungen verbinden, ja deren
Richtung oder Verhinderung auch wohl
ſeiner Macht gar nicht unterworffen ſeyn
kan. Z. E. Wenn wir geſchwinde gehen,
oder Treppen ſteigen, ſo fängt der Puls an
geſchwinder zu ſchlagen. Dergleichen bey:
wirckende Urſachen, welche ſich ohne Abrich:
tung mit unſern Handlungen verbinden,
können dieſelben entweder befördern oder
verhindern, oder dieſelben gar nichts ange:
hen. Man hat ſich aber zu hüten, daß man -
ſie, im Fall ſie dieſelben befördern helfen,
nicht mit den Mitteln vernwirre. Nemlich
ſie ſind weder Mittel ihrem Urſprunge noch
ihrer Wickſankeit nach, ob man wohl, nach:
dem man dieſelben einmal wahrgenommen,
B 4
-
24 Cap von dem menſchlichen
ſich darnachrichten, und die vortheilhafte
Einrichtung anderer Umſtände nach denen
ſelben zu einem Mittel machen kan.
§ 2o."
Ä Ä. Wenn wir dem allgemeinen Weſen des
Ä Willens ein wenig nachſinnen, ſo laſſen ſich
richtuÄi mancherley Unterſchiede a priori als mög
# Ä lich überſehen, welche GOtt in der Einrich
ns moglichtung des Willens ſeiner Geſchöpfe anbrin
nd. gen kan. Es iſt möglich, daß GOtt den
- Willen endlicher Geiſter alſo einrichtet, daß
dieſelben nicht alle an ſich mögliche Abſich
ten wollen können. Wir ſehen z. E. daß
die eine Art von Vieh lieber verhungert, ehe
ſie das Futter des andern fräſſe, und wir
haben vor vielen Dingen einen unüberwind
lichen Eckel, worzu andere Thiere eine eben
ſo ſtarcke Begierde haben. Ferner kan der
Wille der Geiſter alſo beſchaffen ſeyn, daß
ſie manche Abſichten nothwendig entweder
ſtets oder unter gewiſſen Bedingungen wol
len müſſen. Endlich kan auch die Verfaſ
ſung alſo ſeyn, daß, wenn ein Geiſt dieſes
oder jenes kräftig will, § 8. ſolches nicht an
ders angehet, als daß er zugleich gewiſſe
andere Wirckungen, die zu ſeiner jetzigen
Abſicht nicht mit gehören, verurſachen muß.
Z. E. wenn wir ſcharf nachſinnen, ſo ſehen
wir zugleich die Lebensgeiſter im Gehirne
in eine ſtarcke Bewegung, pflegen auch die
Theile des Geſichtes in eine ganz andere
Sage zu ſetzen. Ja faſt in den meiſten Bege
benhei
z Willen überhaupt. 25
S. 26.
Was ein Was dem Wollen eines Geiſtes gemäß
Ä # er iſt, nennetmaninſoferngut, gleichwie dasje
““ nige, was ihm zuwieder iſt inſofern einUebel
heiſſet. Es beſtehet demnach die Güte der
Dinge ebenſo in dem Verhältniſſe derſelben
gegen einen Willen, damit ſie verglichen
werden, gleichwie die Wahrheit in dem Ver
hältniſſe gegen den Verſtand beruhet.
Wenn wir hingegen dasjenige gut nennen,
was der Vollkommenheit gemäß iſt; ſo iſt
unleugbar, daß ſolches deswegen geſchehe,
weil die vernünftigen Geiſter insgeſamt die
Vollkommenheit an ſich und andern Dins
gen begehren, und wiefern ſie dieſelbige be
gehren; indem ſonſt gar keine Urſache ver
handen wäre, warum man nicht auch das
Unvollkommene gut nennte, ingleichen weil
viele Dinge allererſt deswegen die Vollkoms
menheit der Geiſter befördern, weil ſie ih
men gut ſind, das iſt, weil ſie zu Erfüllung
ihrer Wünſche dienen. Die Vollkommens
heit eines Dinges beſtehetnur in dem Vert
hältniſſe ſeines Zuſtandes gegen die Sums
me der Wirkungen, darzu es geſchickt ſeyn
ſoll, und ie zu mehrern es geſchickt iſt, und
ie geſchickter es darzu iſt, deſto vollkommes
ner iſt es. Daher iſt Güte und Vollkomt
menheit nicht ganz einerley. Der gegebene
Begriff des Guten läßt ſich auch mit leichter
Mühe auf die unter den Weltweiſen bekann
ten Arten des Gutenappliciren. Denn wie
- - - - - ferne
willen überhaupt. 33
ferne nun etwas mit den natürlichen Abſich:
ten GOttes übereinſtimmend befunden wird;
das iſt, wiefern es zu denjenigen Wirkun
gen tüchtig befunden wird, welche GOtt
durch das ihm verliehene Weſen voriezo hat
möglich machen wollen, inſofern iſt es me
taphyfice gut. Wiefern etwas mit dem Worinnen
Ä“
Willen der Geſchöpfe übereinſtimmet, ſo d
heiſſetes phyſice gut. Hat nun das Ge- Ä €
und morali
ſchöpfe ſelbſt einen Willen, ſo wird dasjeni
ge gut vor daſſelbe genennet, was zur Erfül: #
lung deſſelben dienet. Hat es hingegen
ſelbſt keinen Willen, ſo wird doch dasjenige,
was zu der Vollkommenheit deſſelben dienet,
deswegen gut vor daſſelbe genennet, weil die
Vollkommenheit dasjenige iſt, was wir or
dentlicher Weiſe an ihm wünſchen, daher auch
in dieſem Falle klar iſt, daß die Sache gegen
einen Willen der Geſchöpfe gehalten, und
in Abſicht auf dieUebereinſtimmung mit dem
ſelben gut genennet werde. Das mora
liſche Gute aber iſt, was den moraliſchen
Abſichten GOttes, das iſt, denjenigen, welche
er durch die Vernunft und den freyen Wil
len der erſchaffenen Geiſter befördert wiſſen
will, gemäß iſt, oder, welches gleichviel iſt,
was mit ſeinen Geſetzen übereinſtimmet. In
allen dieſen Erempeln iſt offenbar, daß die
Sache allezeit gegen einen Willen gehalten,
und wegen des Verhältniſſes gegen denſel
Wie das
ben gut oder böſe genennet werde. Eben wahre U nd
daraus läßt ſich auch der Unterſchied zwijÄ
E - ſchen
*
34 Cap. I. Von dem menſchlichen
Gute unker
ſchieden iſt. ſchen dem wahren und ſcheinbaren phy
ſicaliſchen Guten leicht abnehmen. Nem:
lich wenn etwas unſerm Wollen zwar vor:
iezo gemäß iſt, nachgehends aber ziehet es
ſolche Folgen nach ſich, wodurch unſerm
Wollen eben ſoviel oder noch mehr zuwieder
gehandelt wird, als die Uebereinſtimmung,
welche die Sache vorher mit unſerm Willen
hatte, austrägt; ſo hat die Sache in der
Thatkeine wahre Uebereinſtimmung mit uns
ſerm Wollen, ob wir es wohl vermeint
haben, indem man ja auf die ganze Sum
me der Uebereinſtimmung und Wiedrigkeit
mit dem Willen Achtung geben muß, wenn
man die Wahrheit des Uebereinkommensbe:
urtheilen will, und demnach iſt die Sache als
denn ein ſcheinbares Gute. Findet man
hingegen, nachdem man die Summe aller mit
dem Willen übereinſtimmenden und ſtreiten
den Wirkungen der Sache ermeſſen, daß die
Uebereinſtimmung auf einer Seite dennoch
gröſſer, als auf der andern der Streitſer; ſo iſt
dieſelbe ein wahres phyſicaliſches Gute,
wenn ſie uns auch gleich eine Zeitlang Be
ſchwerlichkeit und Schmerz verurſachen ſolte.
§. 27.
Erinnerung. Hingegen wird das Weſen des menſchli
chen Willens dadurch noch nicht zur Gnü
ge erkläret, wenn man nur ſaget, daß er eine
Kraftſey allezeit das Gute zu wollen. Denn
das phyſicaliſche Gute heißt allererſt deswe
gen gut, weil wir es wollen. Das morali
ſche
Willen überhaupt. 3%
§ 32.
Wenn ich meine Meinung weiter erklä-ººmº
ren ſoll, wie es mit dieſer Einwirckung des Ä Ä
Leibes in die Seele zugehen möge, ſo geſtehe dºeibwr
ich zwar ſehr gern, daß es ſich hierinnen nim-“
mermehr zu einer Vollkommenheit bringen
laſſe, nicht allein deswegen, weil wir von der
Natur der Geiſter nur weniges erkennen,
ſondern auch hauptſächlich mit aus dieſey
Urſache, weil uns der Bau der kleineſten
organiſchen Theilgen des Körpersweder be
kannt iſt, noch völlig bekannt werden kan.
Man räume mir unterdeſſen nur den Satz
ein, daß GOtt die Verfaſſung gemacht hat
ben könne, daß eine Seele durch ihr Wollen
§ ihre
-
§ 33.
Des menſchlichen willene 43
§ 33.
Man ſetze ferner, daß eine Seele von ihrem Fortſetzung.
Körper und von der Art und Weiſe, wie ſie in
denſelben jedesmal wirken ſoll, eine angebohr
ne Idee habe, deren ſie ſich aber nicht bewuſt
iſt, auch nicht bewuſt werden kan, weil das
Bewuſtſeyn ganz beſondere Bedingungen
erfordert. Die Einpflanzung einer ſolchen
Idee gehöret mit zu der Möglichkeit eines
Thieres überhaupt, wie in der Weltlehre er:
wieſen werden muß. Wenn man mir das
vorige einräumet, ſo wird folgen, daß wenn
ſich eine Seele nach einer gewiſſen Idee be
weget, ihr diejenigen Subſtanzen, welche
ſie umgeben, ausweichen müſſen, weil alle
endliche Subſtanzen undurchdringlich ſind.
Wenn nun die Subſtanzen, welche die See
le uingeben, eine ſolche Materie ſind, durch
deren Bewegung ſich ferner die Glieder des
Leibes bewegen laſſen, welches durch die me
chaniſche Structur der Glieder gar ſehr er
leichtert und befördert wird, ſo läßt ſich, wie
mich dünckt, von der Akrt und Weiſe, wie das
Wollen den Körper bewegen könne, ſchon
etwas mehr, als gemeiniglich erkläret wird,
begreiffen. Weil die fernere Ausführung
zuſpeciell werden und zu viel Platz erfordern
würde, ſo muß ich es vor dieſesmal hierbey
bewenden laſſen. *
§ 34.
* Mehreres hiervon ſ in der Naturlehre im I Th.
§ 5O2 ?C.
44 Cap. II Von dem Vermögen
§ 34-
Annerkung. Ich kan mir gar leicht vorſtellen, daß
ſich manche hierbey viele Schwierigkeiten -
erdichten werden, welche daher entſpringen,
weil ſie in Beurtheilung der Natur des ein
fachen, immaterialen u. ſ. f. an ſolche Be
griffe gewöhnet ſind, welche ſich mit meiner
Erklärung nicht werden vergleichen laſſen.
Allein gleichwie ich verſichere, daß ich die
Einfachheit und Immaterialität der Geiſter
nicht allein gar nicht leugne, ſondern auch
mit den bündigſten Beweisgründen beſtär
cken könte, wenn hier der Ort darzu wäre:
ſo will ich meine Herren Gegner nur bitten,
daß ſie ſolche Sätze, welche ſich viele Welt
weiſen im Munde zu führen angewöhnet ha
ben, deswegen noch nicht vor demonſtrirte
Wahrheiten halten, ſondern fein beobachten
wollen, wie weit der Beweis reiche, welchen
ſie davon vorbringen. Wenn ſie dieſes
thun, ſo werden ſie bald gewahr werden, daß
meine Meinung denjenigen Begriffen von
der Einfachheit u. ſ. f. welche wircklich er
wieſen werden können, gar nicht entgegen
ſey, gleichwie hingegen nichts daran gelegen
iſt, ob unerwieſene Meinungen mit derſel
ben beſtehen können oder nicht.
§ 35.
Es iſtglaub- Wer in dem bisherigen mit mir einig iſt,
Aich, daß die daß der Wille der Seele die Urſache von
Seele auch
die Türſche den animaliſchen Bewegungen des Leibes
Ä ſey, der wird, wie ich hoffe, auch nicht viel
Schwie
º.
-
Dſ s 43
* Vergl. unten s211. und Metaphyſ. § 281-284.
354
58 Cap. II. von der Sreyheit –
*
- § 43.
# So oft wir etwas frey wollen, ſo ent
des Weeis ſchlieſſen wir uns allezeit zu etwas, darzu
*é"b", eine oder etliche Begierden in uns vorhan
- den ſind, und der formale Endzweck § 13.
beſtehet demnach allezeit in dem Verhält
niſſe, welches eine Sache gegen eine, oder
etliche unſerer Triebe hat. Ich beruffe
mich hierbeh auf die Erfahrung, und es
wird ſelches noch deutlicher erhellen, wenn
ich erſt die Begierden erklärt haben werde.
Man wird z. E. innen werden, daß wir
auch alsdenn nach dem Vollkommenheits
triebe handeln, wen wir etwas bloß deswe:
genthun, um uns ſelbſt oder andere zu ver:
ſichern, daß wir es zu thun vermögen.
Die Freyheit iſt demnach eine Kraft, welche
nur unter unſern vielen Begierden eine
wehlen kan, nach welcher ſie handeln oder
mit welcher ſie ihre Thätigkeit verknüpffen
will. Und hiermit entdecken wir den voll
ſtändigſten Begriff der Freyheit. Es be
ſtehet nemlich die Freyheit in einer inner:
Aichen vollkommenen Thätigkeit des Willeus,
welche vermögend iſt, ihre Wirckſamkeit mit
einem von denenießo erregten Trieben des
Willens zu verknüpfen, oder auch dieſe Ver
knüpfung zu unterlaſſen und unthätig dabey
zu verbleiben, oder auch dieſelbe anſtatt des
vorigen mit einem anderen Triebe zu ver
binden. Es verſtehet ſich leichte, daß die
Freyheit auch ihre Thätigkeit mit depen
wirck
des menſchlichen willens. 9
wirckſamen Begierden in höherm oder gerin:
germ Grade verbinden kan,
4 § 44. --
Weil nun eine Sache deswegen, weil ſie
- - -
Ä.
LINéz
unſerm Wollen gemäß oder zuwieder iſt, im Äen Ä
phyſicaliſchen Verſtande gut oder böſe ge: Ä#
nennet wird, § 26; ſo kan man von einem j
iedweden Wollen, es wircke nun die Frey- wollen.
heit oder ein bloſſer Trieb mit Wahrheit
ſagen, daß man demjenigen was man will,
allezeit eine Güte zuſchreiben, hingegen das-
jenige in ſoweit vor ein Uebel halten müſſe,
was man verabſcheuet. Daß es hingegen
noch nicht hinlänglich ſey, wenn man ſich,
ohne die bisher erklärten Unterſchiede aus
einanderzuſetzen, den Willen als eine Kraft
vorſtellet, das Gute zu begehren und das
Böſe zu verabſcheuen, iſt ſchon oben § 27
erinnert worden. -
- § 4F.
Hiermit efasſ zugleich die Ein: Die Bedin
ſchränckung der Freyheit, ich meine die Be-Ä
dingungen, unter welchen es möglich iſt, ihr eines
daß ſiewircken, und ſich zu etwas entſchlieſÄ
ſen kam. Nemlich es muß ſowohl ein Ob- oet werden.
ject ihrer Handlung, als auch die Art und
Weiſe, wie damit verfahren werden ſoll, im
Verſtande vorgeſtellet werden. Denn die
Freyheit ſoll eine Art des Wollensſeyn, wel
ches allezeit nach Ideen wircket § 2. Fer-
ner müſſen durch die Vorſtellungen des Ver- -
ſtandes eine oder etliche Begierden rege ge
- uwacht
6O Cap.II Von der Freyheit
macht werden, damit ſie eine darunter er:
wehlen kan § 43. Weil ſie ſowohl etwas
thun als laſſen,ingleichen an deſſen ſtatt etwas
anders thun können, §38, welche Wahlaber
mahl die Begriffe davon vorausſetzet, §2;
ſo gehöret zur Möglichkeit eines freyen Wol:
lens ein ſolcher Verſtand, welcher wenigſtens
Thun und Laſſen überhaupt von einander uns
terſcheiden kan. Daher erfordert ſie einen
Geiſt, welcher vernünftig, und des Gebrau
ches ſeiner Vernunft mächtig iſt. Und weil
endlich keine Eigenſchaft eines Weſens den
übrigen zugleich geſetzten Eigenſchaften wie:
derſprechen kan; ſo kan auch das freye Wol
len direéte nichts würcklich machen, was dem
menſchlichen Weſen überhaupt und der we
ſentlichen Beſchaffenheit ſeiner übrigen
Grundeigenſchaften wiederſtreitet. Jngleis
chen kan man, wiefern man ſich etwas ſchon
vorgeſetzet hat, und bey dieſem Vorſatze bleis
bet, daſſelbe durch den freyen Willen nicht
auch zu eben der Zeit nicht wollen, oder das
Beſtreben unterlaſſen, ſondern der Entſchluß
zudemjenigen, was ein Theil oder nothwen
dige Folge des vorhergegangenen und noch
fortdaurenden Entſchluſſes iſt, kanvermöge
des Satzes vom Wiederſpruche nicht auſſen
bleiben.
S. 46.
Ä Damit man ſich hierbey keine unnöthigen
jejWie Schwierigkeiten mache, ſo will ich hiermitſo
Ä -
gleich einen Satz verbinden, welcher an #LUT
des menſchlichen Willens. 61
ſen Ort eigentlich noch nicht gehöret.* Man
kan nemlich aus demjenigen, was bisher ge:
ſagt worden, die Abſicht leichte einſehen, um
welcher willen GOtt den Menſchen die Frey
heit gegeben hat. Sie ſoll nemlich die herr:
ſchende Kraftſeyn, welche die übrigen Kräfte
der Seele, welche ihr unterworfen ſind, res
gieren und ſich ihrer bedienen ſoll; durch wel:
che die Fähigkeiten der Seele in ſolche Fertig
keiten verwandelt werden ſollen, welche man
der wirckenden Subſtanz zurechnen kan; wo?
durch die vielen Begierden einander ſabordi
niret, § 17, und in ein ſolches Syſtema ge: -
bracht werden ſollen, in welchem die von
GOtt abgezielte Vollkommenheit, iedoch
ohne allen Zwang und Nothwendigkeit, iſt.
Wie viel GOtt an einer ſolchen Verfaſſung
der vernünftigen Geſchöpfe gelegen ſey, iſt
daraus abzunehmen, weil er anderer geſtalt
gar keine Welt erſchaffen kan, § 42. Eben Wichtigkeit
deswegen iſt auch der rechte Begrif von Är“
der Freyheit eines von den allerwichtigſten“
Stücken der Philoſophie, weil ſonſten das
ganze Gebäude der menſchlichen Regeln und
Handlungen umgekehret, und der Hauptend
zweck der ganzen Welt umgeworfen wird. **
S 47.
" Man ſehe unten § 236.
* Wiefern die Freyheit das Vermögen iſt, beyſolchen
Dºgen, die noch nicht evident ſind, ſeinürtheiten
und Agiren aufſchieben zu können, wenn auch gleich
auf unſere Sinne und Begierden ein Eindruck da
von gemacht wird, der an ſich ſtarck genug wäre, ei
Men A&Run zu determiniren; ſo iſt ſie auch ohne #
ichk
62 Cap. III von der Freyheit
- - - -
§. 47. -
Ob die
frevet Tha
Diejenigen, welche ſich an den Leibnizi
ten ohne zu ſchen Satz vom zureichenden Grunde ge
reichenden wöhnet haben, werden nicht mit mir zufrie
Ä. *den ſeyn, daß ich die Freyheit des Willens
ſchehen.
auf eine ſolche Art erkläret habe, da die
freyen Thaten, nachdem von ihnen beliebten
Verſtande des Wortes ohne zureichenden
Grund entſtehen müſſen. Allein ich will
nur bitten, daß man den Beweis dieſes Sa-
zes vor ſich nehme, und genauer prüfe, wie
viel eigentlich von dem Satze des ſogenann
ten zureichenden Grundes dadurch erhärtet
werde oder nicht, welches ich in einer beſon
- dern
ſicht auf die Moralität ein wahrer und unſchätzbar
großer Vortheil vor die Menſchen. Denn der
Menſch iſt dadurch in den Stand geſetzt der Noth
wendigkeit unzehliger Irrthämer und Fehler entges
hen zu konnen. Unſere Einſchränkung brachte es un
vermeidlich ſo mit ſich, daß uns nicht alles unmittel
bar ebdent ſern konnte, und doch mußten die Sin
ne, und die Triebe des Willens, ein beſtändiges
und nach feſtſtehenden phyſikaliſchen Regeln einge
richtetes Weſen haben. Dieſes mſſte ben eilrent
- Ä Grade der Lebhaftigkeit der Gedancken und
er Reisung der Triebe einen Aétum in Anſehun
gewiſſer Objectedet rmitiren, wenn gleich noch keſ
ne Kennzeicheil der Wahrheit in den Vorſtellunaen
anzutreffen geweſen waren. Durch die Freyheit
- aber hade! otr es in unſerer Gewalt, den ACtum aufs
zuhalten, mehr nachzudencen und Beweiſe zu pr
fen und zu ſuchen, wenn wir nur den Vorfaß haben
und behalten, nicht anders als nachzureichender
Evidenz handeln u wollen. Daher werden auch bey
Leuten, welche die Freyreif icht zu gebtauchen
pflegen, ihe Handlungen wºckiichthieriſch zu
fahrend, ſchädlich u! w. Ja ſie weden es mehr
als bey denen Therei ſelbſt, welche weiger Ideen
hºben und zu einer gerigen Mannigfaltigkeit der
9ldungen aufgelegt ud. -
des menſchlichen Willens. 63
dern Schrift ausführlich unterſuchet habe *.
Wenn ſie dieſes thun wollen, ſo werden ſie
gar bald gewahr werden, daß ich demjenigen
Theile des Satzes vom zureichenden Grun
de, welcher in der Thaterwieſen werden kan,
" gar nicht zuwieder bin. Hingegen habe ich
zu ihnen das Vertrauen, daß ſie niemanden
zumuthen werden, daß er einen Satz weiter
gelten laſſen ſoll, als er erwieſen werden
kan, indem ſonſt einiedweder alles, was er
wolte, würde erweiſen können. Es iſt nur
ſoviel wahr, daß alles, was entſtehet, aus
einer wirckenden Urſache entſtehe, welche zus
reichende Kraft gehabt, ihm die Wircklich
keit zu geben. Demnach kan auch eine
Thätigkeit entſtehen, wenn nur die Kraft
darzu in der Subſtanz zureichend geweſen,
und keine von den Bedingungen gefehlet
hat, an welche die Möglichkeit zu wircken
gebunden war. Hingegen das iſt ganz un
erwieſen, daß einethätige Subſtanz auch zu
iedweder Thätigkeie völlig determiniret ſeyn
müſſe, ſo daß dieſelbe bey dieſen Umſtänden
nicht auſſen bleiben oder anders geſchehen,
ſondern aus ihren determinirenden Urſachen
VOL?
§ JO.
Wenn die Die vollkommene Freyheit wird auch li
Äbertas indifferentix oder equilibri genen
Ätjnet. Sie findet aber nicht überall, ſon
dern nur alsdenn ſtatt, wenn zwey Objecte
zu den Endzwecken wenigſtens nach unſerer
Einſicht gleichgültig ſind; oder wenn wir
unter zwey Endzwecken, die wir in gleichem
- Grade der Stärcke begehren, uns zu einem
von beyden determiniren ſollen. Weil wir
uns, wie die Erfahrung lehret, in unſern
Urtheilen von der Gleichgültigkeit ſowohl
der Endzwecke als Mittel vielfältig betrü
gen, ſo werden wir in wichtigen Dingen,
das iſt, in ſolchen, welche wir beſtmöglichſt
zu ſuchen uns ſchon ſehr ernſtlich vorgenom
men haben, furchtſam gemacht, die vorhande
nengleichgültig ſcheinenden Mittelfür gleich
gültig zu erkennen, und eines darunter zuer
wehlen, § 45, woraus ein Schwancken und
vielmahl eine rechte Aengſtlichkeit entſtehet.
Alsdenn darf in einer Seeele nur eine gewiſ
/
ſe
des menſchlichen Willens. - 69
ſe Art vom Aberglauben darzukommen, oder
die auf verwirrte Vorſtellungen ſich grün
dende Meinung, daß man auf ſolche Weiſe
an dem etwanzu beſorgenden ungleichen Ause
gange der Sache ohne Schuld ſeyn würde;
ſo wird der freye Wille durch ſeinen eigenen
. vorgefaßten Vorſatz determiniret werden,
§ 45, die Entſcheidung der Sache lieber dem
Looß oder blinden Glücke zu überlaſſen, als
ſelbſt etwas darinnen zu beſtimmen, dadurch
vielleicht der geſuchte Endzweck Schadenlei:
den möchte. -
§ 5 I.
Die unvollkommene Freyheit iſt, wenn Ä der
- § 52, -
Ä. Jedoch laſſe man ſich das Wort nicht et
jºdºwan verführen zu glaubes, als ob eine iedwede
Äine Feyheit überhaupt und al
Älenthalben ein Fehler und Unvollkommenheit
menheit in derjenigen Subſtanßſey, in welcher ſie ſich
beſºndct. Sie iſt es nur alsdenn, wenn da?
durch dem Endzwecke der Freyheit wieder:
ſtritten wird, nemlich wenn man ſich auſſer
Stande
des menſchlichen Willens. 71
Staude befindet, das gute oder das beſſere -
erwehlen zu können, § 46. Hingegen die
guten Endzwecke ſollen wir nicht fahren laſ
ſen. Wir ſollen auch dieſelben dnrch rech:
ten Gebrauch der Freyheit ſo ſtarck machen
und das Gemüthe alſo daran gewöhnen, -
daß wir davon gar nicht oder nicht leicht
mehr abweichen können. Dergleichen be
dingte Nothwendigkeit kan uns hernach eben
ſowohl auf eine wahrhaftig moraliſche Art
zugerechnet werden, als dasjenige, was wir -
§. 65.
Man ſiehet leicht, daß das phlegmatiſche Wenn man
Weſen, welches andere auch ein Tempera. Ä
ment nennen, an ſich eine Unvollkommen: ramentes
heit ſey. Die drey wahren Temperamente Ä
aber ſind getrennte Vollkommenheiten, wel:
che von Rechtswegen alle da ſeyn ſollten.
Wenn ſie nun alle vorhanden ſind, ſo kan
man den Nahmen eines Temperamentes
abermahl gar nicht gebrauchen, ſondern es
v
92 Cap. IV von denjenigen Eigenſch.
iſt alsdenn der Stand der Vollkommenheit,
gleichwie bey dem phlegmatiſchen Weſen
der Stand einer allerſeitigen Unvollkom
menheit vorhanden, daher es z. E, lächerlich
iſt, daß man davon geſchrieben hat, was
Adam vor ein Temperament gehabt habe.
Eben naher kömmt es auch, daß einige nicht
wiſſen, wie ſie daran ſind, wenn ſich an ei:
nigen Leuten gar kein merckliches Tempera
ment hervorthun will, ſondern alle drey
Vollkommenheiten in mittelmäßigem Grade
Die mögli vorhanden ſind. Denn von dergleichen
chen Mi
ſchungen Perſonen muß man eine beſondere Anmer:
der Tempe ckung machen, man kan ſie aber ebenfalls zu
Yanente.
keiner der gewöhnlichen Claſſen rechnen.
Das ſangviniſche und choleriſche, fer
ner des choleriſche und melancholiſche,
ingleichen das ſaugvimiſche und melan
choliſche Temperament können ſich ſowohl
in Anſehung einer einzigen Gemüthskraft,
als in Anſehung der Gemüthsart über
haupt, wenn man die Benennung von dem
größten Theile hernehmen will, verbinden,
woraus denn ſo viel gemiſchte Tempera
mente entſtehen. Hingegen das phlegma
tiſche Weſen kan in Anſehung einer einzi:
gen Gemüthskraft niemahls mit einem
Temperamente zuſammen kommen, weil
man ſich wiederſprechen würde, ob es wohl
der einen Kraft in einer Seele zukommen
kan, ungeachtet ſich an andern Kräften ein
Vorſichtig
keit bey Be
Temperament befindet. Weil es demnach,
- YPLINUI
der Begierden, welche ſelbſt keine 2c,93
wenn man einem ein Temperament zuſchrei der Tempe
- - -
G § 69:
98 Cap. IV Von denjenigen Eigenſch.
- § 69.
Ä“
genſchaft. Wenn man dasjenige erlanget hat, was
4
W
7o. -
§ 71.
Fünfte E. Man wird in der Erfahrung finden, daß
Ä ſich manche Actionen der Geiſter ſehr lange
Äu Zeit fortſetzen, und wer weiß, ob ſie nicht
begehren: Änaufhörlich fortwähren würden, wenn ih
nen nicht von andern wiederſtritten, und ſie
dadurch aufgehoben würden. Dieſes trifft
bey allen denenjenigen Actionen ein, da ein
Niſus, das iſt, ein fortdaurendes Beſtreben
der Seele, auf eines unter ſeinen möglichen
Objecten gerichtet wird. Von den Actio
nen der Freyheit kan es dahero nicht gelten,
weil der freye Wille kein an ſich fortdauren?
des Beſtreben iſt, indem von den freyen Tha
ten nur die Möglichkeit in der Seele beſtän
dig iſt, § 41, wie denn ſolches auch die Er:
fahrung beſtätiget. Z, E. Wenn manWM§ et
/
Änd-
begerden.
Die Grundbegierden ſind entweder thie
riſche, welche wir mit andern Thieren ge
mein
-
. Das VI Capitel.
Von denenjenigen allgemeinen
Eigenſchaften der Begierden über
haupt, Es ſelbſt Begierden
ind.
§ 96.
Wº nennen einiedwedes auch ohne Vor: Wie man nu
- ſaß fortdaurendes Beſtreben aufge: Ärf
wiſſe Weiſe nach Ideen zu handeln eine Be- ###
gierde, § 23. Weil wir nun die Weite un- geget
ſerer Begriffe willkührlich, und anders als Ä
die Natur die Objecte derſelben umgränzet Eigenſch
hat, beſtimmen können; ſo können wir auch Ä
Begierden abſtrahiren, welche an ſich keine
durch die Natur ſelbſt unterſchiedene Kräfte
und dennoch wahre Begierden ſind. Wenn
wir dahero auf gewiſſe Umſtände Achtung
geben, welche Theile oder Eigenſchaften al
er Begierden ſind; ſo entſtehet in uns der
Begriff von gewiſſen Generalbegierden, des “
ren Erkenntniß von groſſem Nutzen iſt, ob
ſie gleich keine beſondern Kräfte des Wil
lens, ſondern als allgemeine Eigenſchaften
in allen zugleich gegründet ſind.
- I4 § 97.
136 Cap.VIVon denjenigen Eigenſch.
-
§ 97.
Ä Eine iede Begierde iſt ein Beſtreben ge:
Djer wiſſe Vorſtellungen zur Wircklichkeit zu
Ä“ bringen, §2, 23. Wenn dieſes geſchehen
WÄg ſoll, ſo muß die Idee des verlangten Din
Ä Obe ges im Verſtande lebhaft erhalten werden.
Ce. Demnach macht der deutliche Begriff des
Objectes allezeit einen Theil desjenigen aus,
wornach wir ſtreben, und dannenhero wird
die Begierde dadurch zum Theil erfüllet,
wenn ſolches nicht andere Urſachen wieder:
um verhindern, welches wir gleich hernach
weiter beſtimmen wollen. Folglich begreif
fen alle Begierden zugleich eine Begierde
nach der deutlichen Vorſtellung des
Objectes und eine Neigung ſich daran zu
verguügen in ſich, >
§ 98.
# Ä Eine Begierde könte ferner kein Beſtre
Äben nach einer Sache ſern, wenn ſie nicht -
§ 103.
Aus allen Begierden zugleich folget fer: Die fünfte
ner der Trieb immer in Beſchäftigung.",
zu ſeyn, weil eine iedwede Begierde einejerj
Neigung etwas zu thun iſt. So oft dem Ä
nach nicht andere Urſachen im Wege ſej
hen; ſo iſt es uns unangenehm, wenn unſere
Kräfte müßig ſeyn und zu nichts angewen
det werden ſollen. Die Stärcke dieſes Trie
bes richtet ſich nach der Stärcke der determi
nirten Begierden, als ihrer Urſache. Das
her je lebhaftere Begierden einer hat, deſto
weniger kaner müßig ſeyn, und deſto mehr
nimmt er ſich etwas ſchweres zu thun vor.
Denn inwiefern wir von einer Handlung Der Trieb
noch keine ſonderliche Beſchwerlichkeit em mit ſeiner
pfinden, oder dieſelbe anderer Urſachen Ä“
genießo nicht achten, ſo entſtehet aus eben
dem vorigen Grunde ein Trieb ſeine gan .
\ –
der Grundbegierd. welche ſelbſt2c. 145
wird entweder gar nichts merckliches ver-Älich zu
ſchaffet, oder es geſchiehet zum wenigſten"
dasjenige nicht, was wir wünſchen. Das
her befindet ſich auch an allen menſchlichen
Trieben eine Begierde, daß unſere Hand
lungen nicht vergeblich ſeyn ſollen. -
Daher iſt es z. E. eine höchſt verdrüßliche
Sache, wenn man einen unterrichten ſoll,
welcher nicht Achtung giebt.
§. 1o F.
Was wircklich ſeyn oder werden ſoll, das Die ſieben
muß auch möglich ſeyn. Daher verlangen Ä.
die Begierden eines Geiſtes, der dieſes zu Ä
beurtheilen fähig iſt, nicht nur die Wircklich Ä
keit, ſonder eben deswegen auch die Mög'"
lichkeit ihres Objectes, und wünſchen
dasjenige in ihrer Gewalt zu haben, wodurch
die Erlangung deſſelben möglich wird. Dies
ſe Begierde äuſſert ſich alſo. Wenn wir
ießo nach einer Sache wircklich zu ſtreben
nicht vor gut befinden, ſondern uns daſſelbe
zu anderer Zeit vorbehalten, oder meinen,
daß daſſelbe in unſere Abſichten künftig eins
ſchlagen könne; ſo wollen wir zum wenigſten,
daß uns daſſelbe möglich bleiben, und die
Mittel darzu in unſerer Gewalt ſeyn ſollen.
Aeuſſert ſich hernach eine gute Gelegenheit,
der Sache ſelbſt habhaft zu werden; ſo ver
wandelt ſich dieſer Trieb in eine Begierde,
die gegenwärtige Möglichkeit derſelben ſich
zu Nutze zu machen, § 68. Aus der Ber
gierde nach Möglichkeit hat man z. E. die
- K Ane
-
§ IO6.
T -
ÄGlückſe
Trieb ſtärker iſt, und weil ſie auch ihre Frei- j
heit unterſchiedlich gebrauchen; ſo verſtehe Ä
man daraus, warum verſchiedene Menſchen .
auch ihre Glückſeligkeit immer in andern
und andern Objecten am meiſten zu ſetzen
und zu ſuchen pflegen. Ich will weiter un
ten zeigen, wie aus dem Glückſeligkeitstriebe,
wenn er ſich durch eine Verirrung nur auf
dasjenige Vergnügen richtet, dabey man
ſich ganz oder gröſtentheils bloß leidend ver
halten darf, die Wolluſt entſtehe. Dieſes DasViehſt
e i n es
iſt noch zu erinnern, daß das Vieh keines lückſelig
Glückſeligkeitstriebes fähig ſey, weil es die fettriebes -
-- -
-
- § I O9,
der Grundbegierdwelche ſelbſt:c. 151
§. IO9.
Der moraliſche Geſchunack entſtehet alſo Warum der
aus den Begierden. Die Begierden müſäÄ
ſen ſich in dee Wahl ihrer Objecte nach Ä unter
Urtheilen des Verſtandes richten, welche chieden iſt.
er von der Beſchaffenheit der Sache faltet,
um welcher willen ſie Objecte der Begierden
ſind oder ſeyn können, § 5, 59, 6o. Da
nun die Grade und Richtungen der Begier
den in allen Menſchen unterſchieden ſind,
und da ſich dieſelben in iedwedem beſondern
Falle nach den eben ſo ſehr unterſchiedenen
Begriffen und Urtheilen des Verſtandes
richten müſſen: ſo iſt leichte zu erachten,
daß der moraliſche Geſchmack einer unend:
lichen Mannigfaltigkeit unterworfen ſeyn
müſſe. Beſonders muß die groſſe Menge,
der erzeugten Begierden, welche ſich in den
Gemüthern zu finden pflegen, § 76, 77,
nebſt der mehrern oder wenigern Cultur des
Verſtandes den moraliſchen Geſchmack gar
ſehr verändern. Vieles kömmt alſo auf die
Erziehung und Angewöhnung, auf Lehre
und Unterricht an. Weil aber dennoch Äalt
der moraliſche Geſchmack Hon der willkühr Än
lichen Einrichtung des menſchlichen Gemä: den Men
thes abhanget,
Lob d ſo
T kaner den Menſchen auch rücyllet
4 Ä yék
zum Lobe und Tadel, zur Tugend und zur den,
Schuld, angerechnet werden, und es hat
ſich einer damit ſchlecht verantwortet, wenn
er ſeine Thorheit damit entſhºldigen will,
daß er einmal ein Vergnügen an der Sa
K 4 che
152 Cap.VI Von denjenigen Eigenſch.
che finde, und nichts davor könne, daß dass
jenige, woran andere einen Geſchmack fin
den, ihm nicht eben ſo angenehm ſey, z. E.
manche Leute habrn keinen Geſchmack an
gründlichen Studieren, ſondern ſie vertän
deln an ſtatt deſſen die Zeit mit Hunden,
Vögeln, Pferden, beluſtigenden Büchern
und dergleichen. Allein wenn iemand ge
ſtehet, daß er an demjenigen, was wahr
haftig gut und edel iſt, keinen Geſchmack
findet, ſo thut er hiermit nichts weiter, als
, daß er eine ſehr ſchlechte Verfaſſung ſeines
Gemüthes verräth.
§. I IO.
Wenn der Wenn der moraliſche Geſchmack gut ſeyn
Ä ſoll, ſo mußuns vermöge deſſelben eine Sa
## che nach Proportion ihres wahren Werthes
gut
- K 5 - . Das
Y54 Cap. VII Von den menſchlichen
Das VII Capitel.
Von den menſchlichen Grund
begierden.
§ III,
Der erſte
Gru“dtrieſ,
Ich verſtehe unter den menſchlichen Grund:
nach unſerer * begierden diejenigen, deren Object etwas
eigene Well iſt, welches in einer abſtracten Idee gedacht
kommenheit, werden muß, und welche daherodie menſch:
liche Natur vor den andern Thieren voraus
hat, und dieſen ſetze ich die bloß thieriſchen
Triebe entgegen, §95. Der erſte unter den
menſchlichen Grundtrieben iſt der Trieb
nach unſerer eigenen Vollkommenheit,
oder das Verlangen, unſern Zuſtand in ſei
ner gehörigen Vollkommenheit zu ſehen und
immer vollkommener zu machen. Der Be
riff, welcher im Verſtande zu dieſem Trie
be gehörig iſt, und das Muſter ſeiner Hand
lungen abgiebt, § 92, iſt ein beſtändiges
plus ultra, das iſt, die Jdee der beſtändi
gen Vermchrung unſerer Kräfte und Voll:
kommenheiten,
§ 1 I 2.
Beweis
Ä deſeſ. "m die
Um die Richtigkeit dieſes Grunder
Richtigkeit dieſes Grundtriebes
zu erweiſen haben wir Achtung zu geben,
ob demſelben alle die Kennzeichen zukom
men, welche wir § 93, 94 zu einem Grund
triebe erfordert haben. Daß er nicht an
und vor ſich ſelbſt böſe ſey, braucht keines
Beweiſes. Daß er allgemein ſey, kanman
auch
2 :
Grundbegierden. 17
auch ſicherlich annehmen. Denn wer wür
de ſich wohl nicht in vollkommenere Umſtän
de zu kommen wünſchen? Ferner kan er
auch aus keinen andern hergeleitet werden.
Es ſind nur zwey anſcheinende Möglichkei:
ten, wie dieſer Trieb vielleicht aus andern
erkläret werden könne, wenn man ſich nem
lich vorſtellen wolte, ob er vielleicht ein
Theil von dem Glückſeligkeitstriebeſey, oder
aus ber Eigenliebe entſpringe. Die erſte
aber fällt dadurch hinweg, weil aus dem
Vollkommenheitstriebe allererſt der Grund
herzuholen iſt, warum die Menſchen ihre
Glückſeligkeit in dem Beſitz und Wachsthum
der VollkomReuheit ſuchen, § 1c7. Unter
der Eigenliebe aber kam man nichts anders
verſtehen, als das Vergnügen an ſeinen ei
genen Vollkommenheiten, wiefern uns daſ
ſelbige zu gewiſſen Thaten antreibet. Die
-
ſes Vergnügen aber läßt ſich abermahl nicht
erklären, wenn man nicht ſchon ein Veran
gen nach ſeiner Vollkommenheit vorausſe
zet, § 24. Daß endlich dieſer Teich äuch
eine wirklich einfache Geuſdkraft ſey, iſt
daraus offenbar, weil er ſein Objeet allezeit
um einerley nächſter Urſache willen verlan
get, nemlich deswegen, weil wir dadurch eine
Vermehrung der Vollkommenheit unſers
Zuſtandes zu erlangen gedencken,
« § 1 I 3.
. Was inſonderheit die Allgemeinheit die av-ich
Erelen,
vey
ſes Triebes anlanget, ſo will ich hierbey eine
E - Ers
156 Cap.VII Von den menſchlichen
Beurthe- Erläuterung hinzuſetzen, welche nicht nur
Ä. bey dieſem, ſondern auch bey allen übrigen
j- Grundtrieben zu mercken iſt. Es kan ei
achten ſind nem vorkommen, als ob manche Leute ſo
niederträchtig wären, daß ihnen an dem
Wachsthum ihrer Vollkommenheit nichtsge:
legenſey. Allein man wird dieſes zu behaup
ten aufhören, wenn man erweget, I) daß die
Grundbegierden nicht alle in iedwedem Ge
müthe einerley Grad der Stärcke beſitzen,
2) daß die Wirckung der einen Begierde
durch die Wirckung der übrigen ſehr einge:
> ſchränckt, unterdrückt und verhindert werden
- könne, 3) daß die Begierden, weil ſie eine
Art des Wollens ſind, ſich nach dem Ur
theile des Verſtandes richten müſſen, §2.
Daher ſie durch das Urtheil deſſelben bald
auf dieſes bald auf jenes Object, in welchem
das verlangte Weſen befindlich zu ſeyn
ſcheinet, gerichtet werden. Es kömmt da
her viel auf den Gebrauch und die Cultur
des Verſtandes, auf die Erziehung und An
gewöhnung an, deswegen ſich auch ein Trieb
von ſeinem wahren Object gar verirren, und
aus Selbſtbetrug auf bloſſe Scheingüter
verfallen kan. Es iſt daher nicht zu ver:
wundern, wenn die Menſchen ihre Vollkom:
menheit immer in andern Dingen, und öf
ters in den niederträchtigſten Sachen ſuchen,
ingleichen wenn ſie auch ihre erkannte Voll
kommenheit in unterſchiedenem Grade der
- Heftigkeit begehren.
S 114
Grundbegierden. 157
§ I 14. /
Um nun die mannigfaltigen Wirckun: Wie vieler
gen des Vollkommenheitstriebes einzuſehen, ĺ
muß man bedencken, daß zwar überhaupt eigieb.
eine Sache dadurch allezeit vollkommener
wird, wenn ſie zu mehrern Thätigkeiten und
Wirckungen tüchtig, und alſo die Summe
derjenigen Dinge vermehret wird, welche
durch ſie möglich ſind. Denn die Vollkommen:
heit überhaupt beſtehet in nichts anders als
in der Vergleichung des Zuſtandes einer
Sache mit der Summe derjenigen Thätig:
keiten und Wirckungen, welche durch dieſelbe
möglich ſind, und wie dieſe zunimmt, ſo wird
auch die Vollkommenheit wachſen, welches ei:
ne Materie iſt, die in die Ontologie gehöret.
Inſonderheit aber muß man die Vollkom
menheit eines Dinges aus demjenigen Be
griffe ermeſſen, welchen man von dem We
ſen deſſelben hat. Denn man könte gar --
- § I 21.
Weil es endlich zur Vollkommenheit ein. Das Ver
mehrers beyträgt, eine Sache ganz zu ha: # ein
ben, als nur einen Teil davon zu beſitzen;Ä"
ſo bringet der Vollkommenheitstrieb auch
das Verlangen mit ſich, ſein Object und
den Genuß deſſelbigen ganz zu haben.
Dieſe Begierde verdienet viel Aufmerckſam
keit, weil dieſelbe, wenn ſie aus der Art
ſchlägt, zu den gröſten Thorheiten Anlaß zu
geben pfleget, indem man vielfältig Leute
antrifft, welche einen anſehnlichen Theilei
ner gewünſchten Sache, welchen ſie gar wohl
hätten gebrauchen können, dennoch bloß des:
wegen eigenſinnig verachten und fahren laſ?
ſen, weil ſie nicht den ganzen geſuchten End
zweck in ſeiner höchſten Vollkommenheit auf
einmahl haben können. Z. E. Einige ver
abſäumen das ganze Collegium, weil ſie
den Anfang nicht gehöret haben, ungeachtet
ſie keine Gelegenheit haben, es anderswo zu
hören. Man hat oft bloß deswegen keine
L 4 Luſt
168 Cap. VII Von den menſchlichen
Luſt ſich eines Buches zu bedienen, weil man
nicht die beſte Ausgabe davon beſitzet.
- § 122. -
Ä Ll
deſ- Es würde unnöthig ſeyn, ſowohl die Gü
te als die Allgemeinheit dieſes Triebes zuer
weiſen. Denn es iſt ſogleich offenbar, daß
derſelbe die Materie zu den edelſten Tugen
den darreiche. Und derjenige müſte ſich in
der That ſelbſt vergeſſen haben, welcher
leugnen wolte, daß ihm das vollkommenere
nicht beſſer gefiele, obgleich andere Abſicht
ten und Begierden ihn vielmahls hindern,
daß er nicht wircklich darnach ſtrebet,§ 1 13:
Da uns auch das Vollkommenere ſchon um
ſein ſelbſt willen, und ohne Abſicht auf uns
ſern eigenen Rußen gefällt, ſo erkennetman
auch daraus, daß dieſer Trieb einen beſon
den Grund habe, und aus dem Verlangen
- - - - nach
- Grundbegierden. ... º 169
nach unſerer eigenen Vollkommenheit nicht
entſtehen könne. Es würdevergeblichſeyn, EinEinwurf
wenn iemand einwenden wolte, wir ſuchten Än"
die Vollkommenheit an andern Dingen des “
wegen, weil ſie uns Vergnügen verurſache,
wodurch ſie denn auch zu Vermehrung der - -
§ I 24.
Mannigfal- Weil wir demnach mit demjenigen, wot
„Felsen rinnen wir Vollkommenheit wahrnehmen,
Gjdtrie- in Vereinigung zu treten wünſchen, ſo ent
be*. - ſteht daher das Verlangen das Vollkom
mene zu ſehen und es zu betrachten,
weil ſolches theils ſchon eine Art der Verei:
nigung iſt, nemlich die Vereinigung der
- Idee mit unſerm Verſtande, theils aber
- auch einen Grund der Möglichkeit einer fer:
nern Vereinigung abgiebt. Ferner nimmt
daher auch das Verlangen vollkomme
ne Objecte, ein iedwedes nach ſeiner Art
zu beſitzen, zu gebrauchen und zuges
nieſſen, ſeinen Urſprung. Es giebtzweyer
ley Vollkommenheiten an den Dingen, nem
lich ideale, wenn wir gewiſſe Ordnung und
Regeln daran warnehmen, und reale, wenn
ſie an ſich eine Kraftund Werth haben, und
Nutzen nach ſich ziehen. Durch die idealen
Vollkommenheiten, werden daher bloß ge
wiſſe Gedancken in demjenigen möglich, wel
cher ſie betrachtet, durch die realen aber
werden auch ohne Abſicht auf unſere Ge
dancken gewiſſe andere Wirckungen möglich.
Das Verlangen nach der Vereinigung mit
dem Vollkommenen vergnüget ſich an allen
beyden. Indem es ſich nun auf die idea
- len Vollkommenheiten richtet, ſo entſtehet
daraus das Vergnügen an Schönheit,
Schmuck
Grundbegierden. 17
Schmuck und Zierrath, an Gemählden,
Gebäuden, Gärten, Muſic, Poeſie, Be
redſamkeit u. ſ. f. In den letzten Erem:
peln wircken gemeiniglich beyde Vollkom:
menheitstriebe zuſammen, § 1 17. Nem:
lich weil ſie uns und andern gefallen, ſo rech
nen wir ihren Beſitz mit zur Vollkommen:
heit unſeres Zuſtandes.
§ 12 J.
Unter allen Begierden, welche aus die: Wie daraus
ſem Grundtriebe abſtammen, iſt keine ſo Ä
merckwürdig als der Trieb der morali- ſchen Liebe
ſchen Liebe, welcher dahere noch beſonders*
erwogen zu werden verdienet. In weiten Unterſchie
Verſtandenennetman ein iedwedes BegehÄ
ren einer Sache Liebe, gleichwie die Ver: Wortes fie
abſcheuung derſelben Haß. Unter der Liebe“
in engerm Verſtande aber, oder unter der Erſter Be
wahren moraliſchen Liebe, verſtehet man #
eine ſolche Neigung die Endzwecke eines be.
andern als ſeine eigene anzuſehen, ſich ihm
gefällig zu machen, und ſich an dem Wohl
ſeyn deſſelben zu vergnügen, welche von
demjenigen unterſchieden iſt, was man aus
Furcht oder um eines geſuchten Nutzens
willen thut. Es kan demnach die moralis B Ä
ſche Liebe in nichts anders beſtehen, als in Ä“
einem ſolchen Zuſtande, da man den Wil
len des andern zu ſeinem Endzwecke macht
ohne Abſicht auf ſich ſelbſt, ich meine ohne
daß man ſich nach denſelben richtet, um ei» - - - -
§ 131. - -
§ 134.
Da derGe- Es wird daher nicht nöthig ſeyn, beſon
Äders zu erweiſen, daß der Gewiſſenstrieb ein
rer und gn- von dem vorigen unterſchiedener Grundtrieb
**** ſey, da das Object deſſelben von dem Objecte
- aller andern Triebe ſo ſehr unterſchieden iſt.
Eben ſo überflüßig würde es ſeyn, die Güte
deſſelben beweiſen zu wollen, indem ja von
ſich ſelbſt klar iſt, daß ohne die Uebereinſtim:
mung mit dem göttlichen Geſetze nichts gut
ſeyn kan. Denn es fiele nicht nur die mora:
liſche Güte hinweg, ſondern weil GOtt die
Uebertretung des Geſetzes ſtraffen müßte,
ſo wäre auch keine wahre phyſicaliſche Güte
verhanden, § 26. -
- S I 35.
Ä“ Die Allgemeinheit des Gewiſſenstriebes
trieb“güge- aber bedarf eines beſondern Beweiſes, weil
Ä ſ" es wegen der vielfältigen Verhinderung und
Unterdrückung deſſelben, § 1 13, das Anſe
hen gewinnen kan, als ob derſelbe in vielen
Erſter Be- Leuten
weis, lichkeit fehle. Wenn man
der göttlichen erſtlich
Geſetze die Wirck
vorausſezet,
welche wir weiter unten darthun wollen;
*.
ſo wird man leichte einen Grund a priori
einſehen, warum es einen angebohrnen Ge
- wiſſens
Grundbegierden. I8%
Grundbegierden. 187
allen Völckern jederzeit gewöhnlich geweſen,
erläutern es inſonderheit, daß denen Men:
ſchen die Empfindung eines Rechtes und
Unrechtes und eines Unterſchiedes zwiſchen
moraliſchem Guten und Böſen natürlich ſeyn
muß, und zwar dergeſtalt, daß zu dem -
Guten eine göttliche Verbindlichkeit einge- -
Daß wir ei- Wenn nun aber ein Trieb in uns iſt, ein
Ägöttliches
ne Idee von Geſetz zu“
erkennen, und demſelben
- -
S I43.
J komme nunmehro auf die genauere
Erklärung der thieriſchen Grund
triebe
Grundtrieben. 201
triebe oder Begierden, das iſt dererjenigen, Grundtrie
welche wir mit andern Thieren gemein ha-Ä Ä“
ben, und welche nur auf die Endzwecke der man davon
thieriſchen Natur, nemlich auf ihre Bewe-""
gung, Ernährung, Fortpflanzung und den
unmittelbar ſinnlichen Genuß der körper
lichen Güter gehen, § 95. Es läßt ſich
weder die Anzahl derſelben, noch ihr näch- -
- § 146.
Auſſerdem giebt es noch eine Gattung von
dem natürlichen Beſtreben der Thiere au
gewiſſe determinirte Weiſe in ihren Kör ſj Bedin
per zu wircken, welche nicht beſtändig fort.”
wäh
/
294 Cap. VIII Von den thieriſchen
währet, ſondern an gewiſſe Bedingun
gen verknüpft iſt, und welche ſich deswe:
gen nicht eher, auch nicht weiter, äuſſern -
kan, als die erforderte Bedingung gegen
wärtig iſt. Die Möglichkeit ſolcher Kräf
te erhellet aus demjenigen, was § 2o, 32
erwieſen worden, die Erfahrung aber beſtä
Ädie tiget die Gewißheit derſelben. Die Be
Ä“, dingung kan entweder eine gewiſſe Em
pfindung ſeyn, bey deren Gegenwart der
Trieb rege und wirckſam wird, als wiez. E.
eine gewiſſe Empfindung im Magen das
Kind veranlaſſet, die Bruſt zu ſuchen, und
die Gliedmaſſen ſeines Mundes und Halſes
alſo zu gebrauchen, daß es die Milch in ſich
ziehet; oder die Entſtehung einer andern
Action kan die Bedingung davon ſeyn, weil
nemlich jene nicht anders unternommen
werden kan, als alſo, daß dieſe zugleich
geſchehe, §2o. Auf ſolche Weiſe ſind mit
den Affecten gewiſſe Wirckungen verknüpft,
dadurch der Zuſtand des Körpers geändert
wird, § 35, 87.
- § 147.
Unterſchied So vielerley Arten von Thieren es giebt,
Ä"ſovielmahl ſind auch die Triebe auf gewiſ
denen Thie-ſe Weiſe in und durch ihren Körper zu wir
" cken unterſchieden, davon dieſes der Grund
iſt, weil ein thieriſcher Körper anders als
der andere beſchaffen, und auch ein Thier
von GOtt ſelbſt zu andern Verrichtungen
Äde als das andere beſtimmet iſt. Aus der
gleichen
Grundtrieben. 205
Grundtrieben. 2 II
-
Grundbegierden. 213 -
§ I 52.
Ich kan hierbey nicht umhin, diejenigeWarum wir
Erinnerung, welche ich ſchon mehrmahlenÄo.
gemacht habe, nochmahlsanzuhängen, daßeete, der
man ſich nemlich nicht etwan eine SchwieÄt
rigkeit daraus mache, daß wir uns des näch-bewu wer
ſten Objectes unſerer thieriſchen Begierden,""
nemlich derjenigen Idee, damit ſie zu thun
haben, nicht deutlich bewuſt werden. Wenn
man keinen wichtigern Einwurff wieder un
ſere Meinung aufzubringen weiß, ſo ſind
wir ganz ſicher. Es iſt darauf ſchon zur
Gnüge geantwortet worden. Das Bewuſt
ſeyn hat ſeine beſondern Bedingungen, wel- -
Äthik
oder
-*
-- *----
-
---„*
---
- -- -
-
-f--
--
-
---
-
BE===ººg
Das I Capitel.
Von der Tugend überhaupt
undſen,
denen dahingehörige Ägrif
wie auch von den moraliſchen
Wiſſenſchaften überhaupt.
- § IFF. «
§ 1 7. -
Tugend überhaupt. 22 -
§ 1 8. s
Nun iſt dasjenige, was die Menſchen Ä Ä
zuerſt auf die Nothwendigkeit der Moral, Ä
oder einer Anweiſung vernünftig zu leben Ä
zu führen pfleget, allerdings nichts anders, Ärſt
als das Verlangen nach ihrer Glückſelig. die
keit. Denn da ſie dieſelbe allerſeits begehÄ
ren und ſuchen, und gleichwohl die Erfah: Moral.
rung lehret, daß nicht ein iedweder Weg
zu derſelben führe, ſondern viele Menſchen
ſich in der Beſtimmung der Zwecke, die ſie
als die Theile ihrer Glückſeligkeit anſehen,
und in der Wahl der Mittel darzu, erbärm
lich betrügen; ſo erhellet daraus unſtreitig
die Nothwendigkeit, Regeln zu ſuchen, wie
man ſo gut und ſo ſicher als möglich zu ei
nem wahren und dauerhaften Wohlſeynge
langen könne. Demnach iſt unſtreitig, daß
in der Anweiſung vernünftig zu leben die
Mittel der Glückſeligkeit unterſuchet und -
§ 159.
Wenn man aber auch gleich unterdeſſen Hierdurch
den Begriff von der Moral anfangs alſo ÄÄf
beſtimmet, daß ſie die Wiſſenſchaft der Re- die ünterſu
geln ſeyn ſoll, welche den Weg zur menſch Ä -
-*
225 Cap. I Von der
deren Wirk-lichen Glückſeligkeit zeigen; ſo werden wir
Ä 9“ doch eben dadurch theils auf die Nothwen
digkeit der Unterſuchung, ob göttliche Ge
ſetze ſind, theils auf die Wircklichkeit derſel
ben geführer. Denn wenn es göttliche Ge
ſetze gäbe; ſo hätte GOtt einen moraliſchen
Gehorſam ſeiner vernünftigen Geſchöpfe zur
Abſicht, und er verlangte, daß es dieſelbigen
zu ihrem höchſten Endzwecke machen ſolten,
GOtt zu ſuchen und ſeinen Willen zu thun,
und hätte beſchloſſen, daß ſie unter dieſer
Bedingung zur Glückſeligkeit gelangen ſol
ten. Dieſe beyden Stücke ſind allezeit un
zertrennlich. Wenn göttliche Geſetze mög
lich ſind; ſo muß auch hiermit als möglich
zugegeben werden, daß GOttes Hauptab
ſicht iſt, daß wir ihn moraliſch wehlen, und
ihm gehorchen ſollen. Und wenn dieſelben
wircklich vorhanden ſind; ſo iſt auch gewiß,
daß GOtt frey zu unſerm höchſten Gutege
wehlet ſeyn, und ihm gehorchet wiſſen will.
Geſetzt derowegen, es wären göttliche Ge
ſetze; ſo würden wir unſerer Glückſeligkeit
verluſtig werden, wenn wir uns darum nicht
bekümmert, und dahero denſelben nicht ge
mäß gelebet hätten. Folglich müſſen wir
uns darum bekümmern. Hiernächſt aber,
wenn wir den Mitteln unſerer Glückſeligkeit
ſelbſt nachſinnen, und deswegen das Weſen
und die Vollkommenheit der menſchlichen
Natur unterſuchen; ſo entdecken wir das
durch zugleich unumſtößliche Beweisgrün
- de,
Tugendüberhaupt, 227
-
230 Cap. I Von der
Wenn ich dahero ſage, die Tugendſey eine
Uebereinſtimmung des moraliſchen Zuſtan
des eines Geiſtes mit dem göttlichen Geſetze;
ſo meine ich, es ſoll alles, was nur irgend
auf eine Art von unſerm ſreyen Willen ab
hanget, und entweder davon unmittelbar ge-
wircket wird, oder eine Folge ſeiner Thaten
iſt, oder demſelben hätte unterwerffen wer:
den können, mit dem göttlichen Geſetze über
einſtimmen,
- § 162.
Was eine Nunmehro kam ich die beyden Arten der
Ä Pflichten und Verbindlichkeiten, davon §
likt der 1ſo geſagt worden, zeigen. Nemlich das:
Äjenige, worauf ich die moraliſche Nothwen
eijdigkeit eines Thuns oder Laſſens gründet,
Ä' ich meine, woher ſie verſtanden werden ſoll,
bindlichkeit wird entweder nur in gewiſſen ſchon vorher
ift. von uns begehtten Endzwecken geſucht; da
wir denn nur auf die der menſchlichen Natur
nach der Thelematologie weſentlichen End
zwecke zu ſehen haben, welche man anderer
geſtalt nicht würde erreichen können; ſo
will ich die Pflicht, welche, und wiefern, ſie
. . . ſich
das Verhältniſ einer moraliſchen Handlung gegen
die Endzwecke und Regeln, woraus ihre Güte beur
thctet werden ſoll, mithin aegen die Geſetze, oder
gegen die Endzwecke der Klugheit, die Moralität
enennet wird: ſo gebe man im Sprachgebrauch
chtung, was jedesmal gemeynt iſt, ob die Eriſtent
der Moralität, da man etwas ſur überhaupt als eine
moraliſche Handlung anſehet, z. E. die Verſtellung,
oder die Art der Meralität, da etwas Ugieic) als
Tugend oder Laſter, Klugheit oder Thorheit, ange
ſehrn wird, z. E. bey dem Begriff der Lügen.
-
Tugend überhaupt. 23 I
Tugend überhaupt. 23
die Unmöglichkeit eintbeilen. Demnach
wird es auch zweyerley Gründe geben, nem
lich Gründe der phyſicaliſchen Mög
lichkeit und UVircklichkeit, und auch
Gründe der moraliſchen. Weil es nun
zweyerley Verbindlichkeit giebt, § 162; ſo
iſt ein moraliſcher Grund entweder ein
Grund der Tugend, oder ein Grund
der Klugheit. Ein moraliſcher Grund
der Klugheit, daraus man die Wirck
lichkeit einer Sache erweiſet, iſt, welcher
uns die nothwendige Verbindung derſelben
mit unſern Endzwecken vorſtellet. Ein mos -
7.
§ 16. -
«Ä' Ä Es iſt nöthig, daß ich hier den Begriff
Öberherr iſt von dem göttlichen Geſetze noch weiter aus:
führe, wiewohl die Erklärung davon ſchon
§ 132, 133 gegeben worden. Ein Ges
ſetz iſt ein allgemeiner Wille eines mäch:
tigern, welcher nicht wiederum einen an:
dern nächtigern über ſich hat, wodurch de
nen ihm unterworfenen eine Schuldigkeit
etwas zu thun oder zu laſſen aufgeleget wird,
welche aus dem Willen deſſelben entſpringet.
Derſelbe mächtigere, welcher das Geſetzgie
bet, wird ein Oberherr genennet. Jcher
fordere deswegen allezeit eine Art von Allge:
meinheit in dem Geſetze, damit es von eine
zelnen Befehlen unterſchieden ſey. Es ge:
ſchieht aber ſolches nur, um den Begriff
ganz genau zu beſtimmen. Denn in Abr
ſicht auf die Verbindlichkeit gegen den Wil
len GOttes iſt es einerſey, er mag ein allge
meiner
Tugend überhaupt. 239
meiner Wille, oder ein beſonderer Befehl -
ſeyu, nur daß wir in der Philoſophie von
dem letztern nichts wiſſen. Wenn man den
Willen ſeines Oberherrn aus Schuldigkeit. Was Ge
beobachtet; ſo heißt ſolches Gehorſam.""
Nun gründet ſich alle Schuldigkeit auf die >
Dependenz. Denn da dieſelbe dasjenige
Verhältniß ſeyn ſoll, welches eine morali
ſche Rothwendigkeit mit ſich bringet, ein
Geſetz, wiefern es ein Geſetz iſt, wenn wir
auch unſern eigenen Nutzen und Schaden
nicht mitrechnen wollten, dennoch zu voll
bringen, vermöge des erſten Begriffes; ſo
bleibt nichts anders übrig, als daß ſie die
Vorſtellung der Dependenß iſt, welche in
uns eben dadurch wirckſam gemacht wird,
daß ſie uns zum Gehorſam antreiben kan,
weil ein Grundtrieb in uns iſt, derſelben ge:
mäß zu handeln, § 133. Demnach iſt ein Fernere Er
Geſetz ein allgemeiner Wille eines indepen-Ä.“
denten Oberherrn, worinnen beſtimmet wird, 4.
§ 167.
Hieraus ſiehet man zugleich, daß die ##*
Begriffe eines Geſetzes und Geſetzgebers ſich Ägji
auf die bürgerlichen Geſetze nicht anders als Ä #
nur unter gewiſſer Bedingung appliciren laſ Älchen
ſen. Ein weltlicher Geſetzgeber iſt nur ſo: Ä aps
fern independent, wiefern die Beſorgung j
der öffentlichen Angelegenheiten eines Landes
ſeinem Gutbefinden völlig überlaſſen iſt, als
ſo daß er darinnen keinen andern weltlichen
Richter über ſich erkennet, ob er gleich von
GOtt dependiret. Die weltlichen Geſetze * -
§ 168.
na da.
ehöret, die
Ich habe nun zuvörderſt die Wircklich
ircklich keit göttlicher Geſetze in demjenigen Ver
keit natürli ſtande, welchen ich angenommen, und
cher ħ 133, 165 aus dem Sprachgebrauch er:
zu erwei
wieſen habe, darzuthun. Es gehöret dar:
zu dreyerley, 1) daß man erkenne, daß ein
independenter GOtt ſey, 2) daß die Mens
ſchen von ihm dependiren, 3) daß er etwas
von ihnen in Abſicht auf dieſe Dependenz
und um derſelben willen gethan oder gelaſ
ſen wiſſen wolle, und dieſen Willen in der
Natur kund gethan habe. Denn wenn
die Eriſtenz des Geſetzgebers ſeine Richtig
keit hat; wenn die vorgegebene Dependenß
eine wahre iſt, damit das Geſetz, wenn ei:
nes iſt, eine Verbindlichkeit haben kan;
und wenn er auch etwas um der Depen:
denz willen beobachtet wiſſen will, und die
ſen Willen in der Natur kund gethan hat:
ſo iſt keine gegründete Möglichkeit mehr
übrig, wie man die Wircklichkeit göttlicher
- - natüv
*
Q 2 § I69.
244 Cap. I Von der
§ 169.
Erſter Be- Man kan die Gewißheit göttlicher natür
Ä &# licher Geſetze erſtlich a poſteriori aus dem
- ÄGewiſſenºebe erweiſen, § I 36, welcher
Äauch zugleich den Innhalt derſelben anzei
ſind. get, § 135. Denn da alle andere Grund
triebe ein exiſtirendes Object haben, ſo wird
es auch dieſer haben. Ja er muß es ha
ben, weil ihn ſonſt GOtt der Seele vers
geblich anerſchaffen hätte, weil er nur die
Menſchen zu quälen diente, und weil man
ihn ſeiner Natur nach vor nichts als vor ei
ne Sprache GOttes durch die Natur an
nehmen kan. Zur Erläuterung ſehe ich noch
dieſes hinzu, daß man auch gleich bey Kin
dern, ſobald ſich der Verſtand in ihnen
hervorthut, wahrnimmt, daß ſie andern
bey gewiſſen Umſtänden eine wirckliche mo
raliſche Schuld beymeſſen, daraus der an
gebohrne Trieb erhellet, moraliſche Schuld,
und mithin auch ſolche Verbindlichkeiten zu
erkennen, aus deren Uebertretung ſie ent
ſtehen kan. Denn das wird niemand ſa
gen, daß ſie durch eigenes Nachſinnen zu
einem ſo ſchweren Begriffe gelanget wären.
Aus der Angewöhnung kan man es auch
nicht herleiten, theils weil es ſich gleich vom
Anfange, und vor einem mercklichen Unter
richte noch äuſſert, theils weil man auch kei
nen Grund der Allgemeinheit dieſer Eigen:
ſchaft ſahe, und man auch die Kinder zu
nichts angewöhnen kan, als was ſchon mit
gewiſ?
Tugend überhaupt. 245
. . . - § I 8 I.
Der andere Weg, zur Wiſſenſchaft der Ä
- göttlichen natürlichen Geſetze durch die Vergrund des
nunft zu gelangen, § 178, iſt der Weg der Ä.
deutlichen Erkenntniſ , da man die deutliche
Pflichten aus der Natur der göttlichen und Ääfe
menſchlichen weſentlichen Voilkonumenheit
durch deutliche und bündige Schlüſſe herei:
tet, indem man zeiget, daß etwas dem Be
griffe der Vollkommenheit GOttes, oder ei:
R 2 . . ns *
26O - Cap. I Von der
nes Dinges überhaupt, an ſich gemäß oder
zuwieder ſey, oder daß die Abſichten GOt
tes, welche er bey den Dingen in der Welt
gehabt hat, ſonſt gar nicht, oder nicht ſicher
erreichet, und beſonders die weſentlichen
menſchlichen Grundtriebe der Seele nicht
anders geſättiget werden können. Ich rede
mit gutem Bedacht nur von den menſchli
chen Grundtrieben. Denn weil der Menſch,
wie im folgenden Capitel beſonders ausge
führet werden ſoll, nur in ſofern ein letzter
Zweck GOttes in der Welt iſt, wiefern er
ein vernünftiges Geſchöpfe iſt; ſo ſind die
thieriſchen Begierden, wiefern es nicht an:
dere Gründe erfordern, hieher nicht zurech
nen, weil ſie der vernünftigen Natur zufäl:
lig ſind. Die Abſichten GOttes aber, wel
che er bey einer Sache gehabt hat, findet
man, wenn man Achtung giebt, worzu ſie
ihrem Weſen nach geſchickt iſt, und alles
mit einander wohl vergleichet.
S I 82.
Ä Es giebt zweyerley Regeln der Voll:
Äskommenheit. Einige flieſſen aus dem
Äſchlechterdings nothwendigen Weſen der
Ät Dinge, andere aber aus der zufälligen Ein
Ä“ richtung dieſer Welt. Wenn wir daher
aus der Natur der Vollkommenheit die
Pflichten beſtimmen wollen, ſo haben wir
dieſen Unterſcheid wohl zu bemercken. Nem
lich manchmahl liegt der Grund der Pflich
ten darinnen, weil dieſelben zur menſchlichen
Sicher:
Tugend überhaupt. 26 I
§ 186.
Wodurch ei-
ne ſonſt er-
Man kanaber eine Sache nur überhaupt
-
W
Tugend überhaupt. 267
§ 2C4.
Damit aber der Umfang einer einzigen Einteilun
Wiſſenſchaft nicht allzu groß würde, ſo hat Ä
es der Gebrauch eingeführet, daſſelbe davon che Mºral
abzuſondern, und nach den drey Hauptgat-Ä
tungen der Pflichten, welche darinnen vor der Natur
kommen, läſſet es ſich ganz beqvem in dreyÄ
Wiſſenſchaften zertheilen, welcher Einthei und die
lung ich iezo folgen werde. Nemlich die °
natürliche Moraltheologie handelt von
den unmittelbaren Pflichten gegen GOtt,
das Recht der Matur im engern Ver:
ſtande, von den Pflichten und Befugniſſen
- Der
284 Cap. I Von der
der Menſchen gegen andere Menſchen, und
die Ethik von den Pflichten, welche unmit
telbar die tugendhafte Einrichtung unſers
eigenen Gemüthes und Zuſtandes betreffen,
welche mangemeiniglich Pflichten gegen ſich
ſelbſt nennet; wiewohl ſich meines Erach
tens wieder die Richtigkeit dieſer Benen
nung noch viel erhebliches mit Grunde ein
wenden lieſſe, welches ich aber, weil es einen
Wortſtreit betrifft, nicht weiter treiben will.
Es giebt zwar auch noch andere Pflichten,
welche die Vernunft erkennet, nemlich die
Pflichten in Anſehung der unvernünftigen
und lebloſen Geſchöpfe. Da ſie aber aus dem
allgemeinenGrundgeſetze der Tugend,§ 174,
ſich leicht verſtehen, und ſich in den andern
Wiſſenſchaften füglich mit einbringen laſ:
ſen; ſo hat man nicht nöthig, daraus ei:
nen beſondern Theil des natürlichen Rech
# # tes zu machen. Da unterdeſſen die in der
Ä Ethik zu erklärenden Pflichten nicht allein
wird, natürliche Pflichten, ſondern zugleich dies
jenige Vorbereitung des Gemüthes zu den
übrigen Tugenden ſind, wodurch die Er:
füllung derſelben allererſt möglich werden
muß; ſo iſt es der natürlichen Ordnung
gemäß, daß von denſelbigen zuerſt gehan
delt werde.
§ 2oº.
Ä. Eine von den Ethiſchen Pflichten iſt,
lehre iſt und wie im folgenden gezeiget werden wird,
"auf die Verbindlichkeit zur Klugheit, § "E
Cs
Tugend überhaupt. 28%
Das II Capitel.
Von dem Endzwecke des
menſchlichen Lebens,
§ 207.
Wir ſollen nunmehro in der Ethik, § 204,
zeigen, wie wir den Zuſtand unſerer
Ä Seele tugendhaft, § 174, das iſt, den Re
geln der weſentlichen Vollkommenheit ge
mäß,
- des menſchlichen Lebens. 287
mäß, einrichten ſollen. Weil nun dieſes
nirgends anders woher, als aus der Natur
der Vollkommenheit überhaupt, und aus den
determinirten Abſichten GOttes, dazu wir
erſchaffen ſind,geurtheilet werden kan,§ 181;
ſo haben wir zuförderſt von dem Endzwecke
des menſchlichen Lebens zu handeln.
§ 2O8.
Der Endzweck der Welt, wiefern ſie Welches der
die Menſchen angehet, iſt dieſer, daß ſie Ät.
durch ihre gemeinſchaftliche freye Be- lichen Le
mühungen die Tugend in ihren See-"."
len bilden, ausüben und ſtärcken, § 175,
und hiernächſt die Erlaubniß haben
ſollen, der Tugend unbeſchadet, § 186,
die Güter der Welt zu ihrer Zufrieden
heit und Vergnügen zu genieſſen, wor
auf ſie in ein anderes unaufhörliches Le
ben verſetzt werden ſollen, in welchem
die Tugendhaften vollkommen glückſe
lig gemacht, die Ungehorſamen aber be
ſtraft werden ſollen, und in welchemſo
wohl die Beſtrafungen als Belohnun
gen nach Proportion der Tugend oder
Untugend eingerichtet werden ſollen.
Dieſen Hauptſatz will ich nunmehro durch
gehen, und von Stück zu Stück beweiſen.
§ 2O9.»
Daß erſtlich die Welt um eines End Beweis a
zwecks willen von GOtt erſchaffen ſey, Ät
erhellet a poſteriori aus dem Regelmäßi um eines
gen, welches ſowohl in den einzeln Theilen Ä
der ſchaffen iſt. -
288 Cap. II Von dem Endzwecke
derſelben, als in der Betrachtung des Gan
zen allenthalben hervorleuchtet. Man wird
zwar einwenden, daß auch vieles in der
Welt ganz unordentlich und unregelmäßig
zu ſeyn ſcheinet. Allein ich antworte, daß
dieſes nur daher komme, weil wir nicht das
Ganze in ſeinem Zuſammenhange überſe
hen. Es läßt ſich zwar auch aus einem
Theile des Ganzen eine Ordnung verſtehen,
nemlich diejenige, welche darinnen befind:
lich iſt. Hingegen wenn man von der Unt
ordnung zuverläßig urtheilen will, ſo muß
man das Ganze hinlänglich überſehen, und
die Abſichten deſſelben wiſſen, weil es jaſeyn
kan, daß etwas in den Theilen eine Unord:
nung zu ſeyn ſcheinet, was doch mit zu dem
Endzwecke des Ganzen gehöret, oder we
nigſtens damit beſtehen kan. Die wahre
Unordnung findet ſich nur in demjenigen
Zuſtande der Welt, welcher den freyen Tha
ten der Geſchöpfe unterworfen iſt, und
darinnen alſo ohne GOttes Schuld Ver
derbniß hat angerichtet werden können.
Beweis a A priori aber iſt daraus klar, daß die Welt
Priºr von GOtt um eines Endzwecks willen er
ſchaffen ſeyn müſſe, weil er das vollkom
Wie der menſte und weiſeſte Weſen iſt. Da nun
Ä das Verlangen der Vollkommenheit und
beſchaffen die Güte die einzigen beyden letzten ſubje
" ctiviſchenrEndzweckes 13, 15, in GOtt ſind,
wie in der natürlichen Gottesgelahrheit zu
erweiſen iſt; ſo erhellet auch ſogleich, daß
- der
des menſchlichen Lebens. 289
der Endzweck der Welt alſo beſchaffen ſeyn
muß, wie es dieſen göttlichen Eigenſchaften
genmäß ſey.
§ 2 IO.
Wir fragen nun ferner nach den letz Daß die
ten objectiviſchen Endzwecken GOt: Menſche n
lezte objectis
tes, § 13. Dieſelben müſſen alſo beſchaf hiſche End
fen ſeyn, daß ſie die Welt erkennen und Ä
ſind.
genieſſen können, weil ſonſt ſo viele Güter, tes
welche genoſſen zu werden fähig ſind, um -
u4 Das
312 C.III Von den Pflicht. in Abſicht
Das III Capitel.
Von der tugendhaften Einrich
tung des Gemüthes und übrigen
Zuſtandes in unmittelbarer Abſicht auf
Den dºrº des menſchlichen
ebens,
§ 224.
Endzweck
dieſes Capis eil die Tugend der Hauptzweck unſeres
tels, zeitlichen Lebens iſt, ſo iſt es ein Theil
dieſes Hauptzweckes, daß wir unſern eigenen
Zuſtand ſo einrichten, wie es der Vollkom:
menheit unſers Weſens gemäß iſt, § 174,
welches wir nun weiter auszuführen haben,
Was aber der Vollkommenheit unſeres We:
ſens gemäß iſt, davon müſſen wir aus der
Betrachtung unſerer Eigenſchaften und
Kräfte urtheilen.
§ 22%.
Die Pflicht, Unſere Seele befindet ſich mit einem Körz
den Stand
der Vereini per, und durch denſelben mit der Welt ver
Ä mit einiget. Durch dieſen gelanget ſie zu deut
em Körper
zu erhalten lichen Begriffen, und ſowol zu der Empfin
Und wohlan dung der auſſer ihr und in ihr befindlichen
Uyenden,
Dinge, als auch des annehmlichen in der
Welt. Sooft ſie, wenigſtens mit Bewuſt
ſeyn, wircket, ſo muß ſie zugleich in den Kör
per wircken, §2o: und ſo oft in die zur Em
pfindung beſtimmte Werckzeuge deſſelben auf
gewiſſe Weiſe gewircket wird, ſo wird auch
der Zuſtand der Seele ſelbſt geändert, Ä
. ve:
auf dem Hauptzweck des Lebens. 313
bekömmt Empfindungen, ſie wird in ihren
innerlichen Thätigkeiten dadurch gefördert
oder gehindert, ja ſiekan bloß durch den Kör
per zuallen vernünftigen Thaten ungeſchickt
gemacht werden. Da alſo die Möglichkeit
von dem ganzen göttlichen Endzwecke des
menſchlichen Lebens in der Welt von der
Vereinigung mit dem Körper und von dem
Zuſtande deſſelben abhanget; ſo iſt es uns
ſerer weſentlichen Vollkommenheit gemäß,
und alſo eine Pflicht, daß wir durch den
ZKörper ſo lange als möglich mit der
Welt verknüpft bleiben, und den Stand
dieſer Verknüpfung zu Erlangung gu
ter Eigenſchaften der Seele und zu Auss
übung der Tugend anwenden ſollen.
Hingegen iſt es ein ungegründetes Gedich- -
te, daß viele unter den Alten den Körper
vor ein bloſſes Gefängniß der Seele ausge:
geben haben.
§ 226.
Man kan ſich die Meinung, daß der Ä
Körper ein Gefängniß der Seele ſey, aufj
zweyerley Art vorſtellen: entweder alſo, Seele ſev.
daß die Seelen, ehe ſie in den Körper ge:
kommen, geſündiget haben, und zur Stra
fe darein verſchloſſen worden; oder nur als
ſo, daß wenigſtens die Seele ihrem bloſſen
Weſen nach, und ohne daß ſie allererſt von
GOtt in eine andere Verknüpfung von Din
gen geſeht werde, dennoch auſſer dem Kör
per vollkommener als in demſelben ſeyn
- U 5 müſſe
314 Cap. III Von den Pflicht in Abſicht
müſſe. Daß nun überhaupt der Körper kein
Gefängniß der Seele, ſondern ein weſent
licher Theil des Menſchen ſey, welcher der
Seele zu ihrer gröſſern Vollkommenheit get
geben iſt, erhellet aus folgenden Gründen.
Erſtlich hat die Seele eine anerſchaffene Idee
von ihrem Körper, § 144; woraus manſie
het, daß dieſelbe von dem Schöpfer ſelbſt
durch die Einrichtung ihres Weſens zur Ver
einigung mit ihm beſtimmt ſey. Zum an
dern lehret die Erfahrung nebſt denen dar:
aufgebaueten Schlüſſen, daß die Seele ver:
möge ihres Weſens Nutzen von dem Körper
habe, und ſich in demſelbem an dem vor ſie
bequemſten Orte befinde. Denn da wir
durch den Körper Empfindungen bekommen,
und zwar Empfindungen von groſſer Man
nigfaltigkeit; ſo iſt augenſcheinlich, daßge
wiſſe Bewegungen der Seele, § 32, 33, wel
che nicht anders als vermittelſt des Körpers
gegen ſie verurſacht werden können, vermöge
der von GOtt gemachten Einrichtung ihres
Weſens zur Bedingung gemacht worden,
unter welcher die der Möglichkeit nach ſchon
in ihr verborgen liegenden Begriffe von ge
wiſſen Dingen gebildet werden, oder zur Leb
haftigkeit gelangen können, deren ſie alſo nas
türlicher Weiſe, wenn ſie auſſer dem Körper
iſt, entbehren muß. Ferner kanman aus der
Erfahrung beniercken, daß wenn die flüßige
Materie der Nerven, welche das nächſte
Werckzeug der Empfindungen und aller Thäs
tig"
auf den Hauptzweck des Lebens. 31%
tigkeiten unſerer Seele iſt, allzuſehr gedrän
get und gepreſſet iſt, oder wenn eine gröbere
Materie an deren Stelle tritt, oder ſich das
mit vermiſchet, daß, ſage ich, alsdenn das
Bewuſtſeyn und die davon abhangenden
vernünftigen Thaten hinwegfallen. Dieſes
wird man auf keine andere Art erklären kön
nen, als wenn man ſaget, daß dadurch ge
wiſſe Bewegungen der Subſtanz der Seele,
welche von GOtt dazu beſtimmt worden, daß
ſie unter deren Bedingung mit Bewuſtſeyn
wircken kan, verhindert werden. Nemlich
weil die Bewegungskraft der Seele ſehr
ſchwach iſt, indem ſie ſonſt keines Körpers,
welcher ihre Bewegung durch mechaniſche
Vortheile erleichtert und modiſcirt, nöthig
hätte; ſo wird ihre Bewegung, durch eine
iedwede andere Materie, welche weniger als
die ſogenannten Lebensgeiſter beweglich iſt,
verhindert, wodurch aber auch zugleich ihre
mit Bewuſtſeyn anzuſtellenden vernünftigen
Thaten unmöglich gemacht werden. Da es
nun höchſtwahrſcheinlich iſt, daß die auſſer
uns befindlichen Materien alleſamt weniger
beweglich ſind, als die gnugſam ſubtiliſirten
Lebensgeiſter; ſo iſt die Seele, wenn ſie ſich
in einem geſunden Körper befindet, an den
bequemſten Ort geſtellet, wo ſie am beſten un
gehindert wircken kan. Dieſes alles wird
natürlicher Weiſe hinwegfallen, weun ſie ſich
auſſer ihrem Körper befindet, und ſie wird
entweder in gänzliche Finſterniß, oder gar in
- einen
316 Cap. III Von den Pflicht, in Abſicht
einen ſehr unangenehmen Zuſtand, verfallen
müſſen.* Noch weiterlehret drittens die Ers
fahrung, daß wir durch den Körper die Welt
zu bewohnen und zu genieſſen fähig ſind. Es
ſind auch thieriſche Grundtriebe da, § 149:
woraus man abermahl ſiehet, daß der Kör
per ein ſolcher weſentlicher Theil gewiſſer
vernünftigen Einwohner der Welt ſey, oh
ne welchen ſie diejenigen letzten objectiviſchen
Zwecke GOttes, § 13, in der Welt nicht ſeyn
könten, welche ſie wircklich ſind, §21o. Noch
weiter läßt ſich viertens aus der überaus
künſtlichen Bildung menſchlicher Körper,
und der zur Ernährung derſelben eben ſo
künſtlich abgerichteten Maſchinen, nicht an
ders ſchlieſſen, als daß dergleichen Körper
ſelbſt zu den Endzwecken GOttes in dieſer
Welt mit gehören, welche einen weſentlis
chen Theil der Vollkommenheit derſelben
ausmachen ſollen. Der menſchliche Körper
trägt auch gleich in ſeiner Bildung das Bild
der Herrſchaft über den Erdboden an ſich.
Endlich überſiehet man a priori, daß in ei
ner Welt ſowol Geiſter mit Körpern, als
ohne dieſelben'möglich ſind, und einen guten
Endzweck haben können. Da wir nun a
poſteriori ſolche Geiſter in der Welt antrefs
fen, welche mit Körpern verſehen ſind; wor
aus wolten wir denn ſchlieſſen, daß nicht bey
deweſentliche Theile ſolcher Subſtanzen vers
möge einer ausdrücklichen Einrichtung GOt
teß
* Vergl. Metaphyſ. § 475.
auf den Hauptzweck des Lebens. 317
tes zuſammen und zur Vollkommenheit der
Welt gehörten? Wieder die erſte Meinung,
da man ſich eingebildet hat, daß die Seelen
zur Strafe wegen vorher begangener Sün
den in die Körper verſperret wären, dienet
noch ferner dieſes, daß wer geſtraft wird,
wiſſen müſſe, daß und warum er geſtrafet
werde. Da wir uns nun keines auſſerdem
Körper gehabten Lebens bewuſt ſind; ſo iſt
es ungereimt zu ſagen, daß wir zur Strafe
in den Körper eingeſchloſſen worden. Hin
gegen das häufige Elend, welches der Leib
denen Menſchen zu verurſachen pfleget, kan
nicht beweiſen, daß der Leib ſeiner urſprüng
lichen Einrichtung nach darzu beſtimmet ges
weſen, ſolches, als eine Strafe, zu veranlaſs
ſen. Denn wenigſtens iſt unleugbar, daß
dieſes Elend eben ſo leichte von einer Ver
ſchlimmerung des menſchlichen Zuſtandes,
und von einer Abweichung deſſelben von ſeis
ner urſprünglichen Vollkommenheit herkoms
men könte, wie im folgenden mit mehrern
erhellen wird.
§ 227.
Wir müſſen demnach unſer Leben, Die Pflicht,
ſº lange als möglich, zu erhalten ſinÄ*
chen, und es dahero weder ohne Noth in
Gefahr ſetzen, noch gewaltſamer oder auf
andere Weiſe abkürzen. Denn ſonſt bei
fördern wir den weſentlichen Endzweck uns
ſerer Natur nicht ſo gut als möglich. Ein
ieder Augenblick des zeitlichen Lebens iſt von
unend
318 Cap. III Von den Pflicht. in Abſicht
unendlichem Werthe. Denn die Anwen
dung deſſelben hat einen unaufhörlichen Ein
fluß in unſere Glückſeligkeit, § 189, 19o,
und ſetzet uns in den Stand der Mög:
lichkeit, einen höhern Grad der Belohnung
unaufhörlich zu beſitzen, § 191. Man ſtelle
ſich den Vorzug deſſelben ſo geringe vor als
man will, ſo wird doch, weil die Theile deſ
ſelben ſeiner Unaufhörlichkeit wegen unend
lich fortwachſen, auch das gröſte zeitliche
Gut, wenn man ſich daſſelbe in Gedancken
durch Theile von eben der Gröſſe vorſtellet,
durch Vergleichung mit jenem allen Werth
Ä verlieren.
Der Weil man nun auch in einem elen
Ä“ den Leben doch noch Tugend ausüben kan;
laubl. ſo gilt dieſer Beweis von demſelben ebenſo:
wol, als von einem glücklichen und bequer
men Leben: daher man in keinem Falle einen
Selbſtmord erlauben kan. Ich nenne aber
einen Selbſtmord eine That, wodurch man
ſichtödtet, und wobey man die Abſicht hat,
ſich ums Leben zu bringen, ohne daß es an:
derweitige Pflichten erfordern, das Leben ietzo
zu wagen und aufzuopfern.
§ 228.
Ä Aus eben dem Grunde müſſen wir ferner
ein guten unſern ZRörper beſtändig in demjeni
# "gen Zuſtande zu erhalten ſuchen, in wel
chem er ein tüchtiges Werckzeug der Seele
abgeben, und ihre Actionen befördern kan.
Folglich müſſen wir ſowol vor die Geſund
heit deſſelben überhaupt, als beſonders vor
die Erhaltung der Verckzeuge der
MEns
auf den Hauptzweck des Lebens. 319
Empfindung, Sorge tragen, und deswe
gen eine gute Diät in Speiſe und Tranck,
im Schlafe und Arbeit, wie auch in Beherr
ſchung des Gemüths, beobachten, hingegen
bey ſich ereignender Kranckheit dienliche Mit
teldarwieder, und mit gehöriger Vorſichtig“
keit, gebrauchen. Hingegen iſt eine ſolche
Ueberfüllung mit Eſſen oder Trincken,
welche die Seele zu vernunftiger Ueberiegung unerlaubt.
ihrer Thaten untüchtig macht, eine groſſe
Sünde, weil das Vergnügen zum höchſten
Zwecke gemacht, der Hauptzweck aber aus
den Augen geſetzt wird, § 21.3, 216, 217.
Es iſt auch ſolches aus vielerley andern
Gründen ſchändlich, ſchädlich und gefährlich,
und alſo der weſentlichen Vollkommenheit
des Menſchen zuwieder. Nemlich gefähr: Schändlich
lich iſt die Trunckenheit, weil durch dieſelbe Ä
der Gebrauch der Vernunft verhindert, oder beit.
ganz weggenommen wird, wodurch alle Gü
ter des Gemüthes, Leibes und Glückes in
Gefahr geſetzt ſind, da die Vernunft beyal
len Handlungen die Führerin ſeyn muß;
worzu noch kommt, daß mit der Abnahme
derſelben gleichwohl die Gewalt und Reiz- ,
barkeit der Begierden und Affectenzunimmt,
z. E. Der Geilheit, des Zornes und der
Zanckſucht, der Leichtſinnigkeit, Verwe
genheit u. ſ. w. Eben darum iſt auch die
Trunckenheit an ſich etwas ſchändliches und
niederträchtiges, weil eben die Vernunft
den Vorzug der Menſchen vor dem Viehe
AUSz
32o Cap. III Von den Pflicht in Abſicht
ausmacht. Wie ſchädlich ſie der Geſund
heit und dem Hausweſen zu ſeyn pflege, iſt
auch bekannt. Eine beſondere Unbilligkeit
derſelben gegen GOtt iſt noch darinnen zu be
mercken, weil ſie die natürlichen Wohltha
ten GOttes umbringet, und machet, daß
ſeine Gabentheils nicht genutzt, theilsgera
de wieder alle Abſichten des Gebers anges
wendet werden. Daher iſt auch in dem ſo
gewöhnlichen Nöthigen zur Unmäßigkeit et
was nicht nur ungerechtes, ſondern auch
unanſtändiges und unziemliches. Die Ur
ſache aber, warum es ſo wenig eingeſehen
wird, liegttheils in der Geringſchätzung der
Religion und Tugend überhaupt, theils ins
ſonderheit in der angenehmen Empfindung,
welche die Frölichkeit bey ſich hat, wodurch
man ſich der Trunckenheit ſtuffenweiſe nä
hert, von welcher auch die Erinnerung hin:
terher noch angenehm iſt. Denn dieſe Frös
lichkeit machet leichtſinnig und unbedacht
ſam. Mehreres will ich, weil es leichte zu
finden iſt, nicht weitläuftig ausführen. -
§ 229.
Ä. Weil nun die Lebensmittel, nachdem Re
bung j publicken eingeführet worden, durch eigen
Ä„bümliches Vermögen geſetzmäßig erlangt,
und auf rechtmäßige Art in unſern eigen
thümlichen Beſitz gebracht werden müſſen,
davon der Grund und die fernere Determi
nation in dem Rechte der Natur erkläret
werden ſoll; ſo müſſen wir ſo viel Vermös
gen
auf den Hauptzweck des Lebens. 32t
# in unſern rechtmäßigen Beſitz zu
ringen ſuchen, als ſowol zum täglichen
Unterhalte und Gebrauche, als auch
zur Bedürfniß auf künftige Fälle erfot
dert wird. Ich meyne, ſo viel zu dieſen
Zwecken vor uns, und vor diejenigen, vor
welche wir zu ſorgen haben, wirklich erfor
dert wird, ſo weit erſtreckt ſich die Pflicht
es zu ſuchen. Wenn einer mehr ſuchet, je:
doch durch rechtmäßige Mittel, und daß auch
dadurch andern Pflichten nicht wiederſtrit
ten wird; ſo gehört es nur unter das Er
laubte. Zu allen dieſen Stücken iſt Ar
beitſamkeit, Sparſamkeit und eine gute
(Eintheilung und Haushaltung nöthig.
Unter der Arbeitſamteit verſtehetmanent
weder die Gewohnheit zweckmäßig, und
zwar nach einem ſolchen Endzwecke zu han
deln, welcher nicht bloß das Vergnügen,
ſondern ein fernerer Nutzen vor uns oder ans
dere Leute iſt. In einem engern Verſtande
aber meinet man dadurch die Gewohnheit,
ſich keine Beſchwerlichkeit abhalten zu laſ
ſen, um eigenthümliches Vermögen rechts
mäßig an ſich zu bringen. Jetzo erfordern
wir die Arbeitſamkeit in dem letztern Ver:
ſtande. Unter der Sparſamkeit aber vers
ſtehen wir die Gewohnheit, unnützen Auf
wand zu vermeiden, undwas man ietzonicht
nöthig hat, zu guten Endzwecken auf künf
tige Zeiten aufzuheben. Es iſt davon, wies
fern ſie Pflicht, oder " erlaubt iſt,
WM
322 Cap.II Vonden Pflicht in Abſicht
das zu merken, was vorhin vom Erwerben
erinnert worden. Daher iſt es der pflicht:
mäßigen Sparſamkeit nicht zuwieder, wenn
Leute, die reich ſind, oder nach ihren Um
ſtänden mehr erwerben, als ſie nöthig ha
ben, proportionirlich aufwenden, um an:
dern zu verdienen zu geben, ſondern es iſt
an ſeinem Orte löblich. Wenn hernach an:
dere mit ſolchen des bloſſen Standes wegen
certiren, und meynen, daß ſie es deswegen
jenen gleich oder zuvorthun müßten; ſo iſt
es unbedachtſam, und machet ſie bey Ver:
ſtändigen verächtlich.
§ 23O.
llgemeine
Pflichten in
In unſerer Seele treffen wir Vernunft
Anſehung und freyen Willen an. Die Vernunft
der Seele. nenne ich denjenigen Grad der Vollkom
menheit eines Verſtandes, wodurch er in
den Stand geſetzt wird, Wahrheit mit Be:
wuſtſeyn und deutlicher Unterſcheidung zu
erkennen. Aus beyden zugleich flieſſet das
Vermögen, Endzwecke und Mittel vorſetz:
lich zuſammen zu ordnen, und das Zukünfti:
ge zu überſehen, weswegen auch die Natur
dem Menſchen viel weniger als dem Viehe
lehret, was ihm nützlich undſchädlichiſt, da:
miter ſeine Vernunft gebrauchen ſoll, § 148.
Die Schul
digkeit, nie Daraus flieſſet erſtlich die Schuldigkeit,
mals ohne niemals ohne Endzweck zu handeln.
Endzweck zu Der Endzweck kan auch etwas bloß erlaub:
handeln
tesſeyn, nemlich unſer Vergnügen zu ſuchen,
oder uns unſeres Rechtes zu bedienen. Als
lein
auf den Hauptzweck desLebens. 323
lein wenn man auch dergleichen Endzweck
nicht mit Bewuſtſeyn als erlaubt dencket, ſo 7
wird er eben dadurch unerlaubt,§ 186. Zum Die Ver
andern entſtehet daraus die Schuldigkeit, Ä.
bey denenjenigen Endzwecken, darzu
wir verbunden ſind, alle mögliche Älug
heit zu gebrauchen; denn dieſes iſt die
einzige Art und Weiſe, wie wir dieſelben ſi
cher befördern können. Wer dahero zudem
Endzwecke verbunden iſt, der iſt auch zu -
dem einzigen Mittel darzu verbunden. Ich
ſetze aber die Verbindlichkeit zur Klugheit
mit Fleißnur bey denenjenigen Endzwecken,
dazu wir verbunden ſind, weil bey den bloß
erlaubten Dingen die Endzwecke ſelbſt, und
mithiu auch die Mitkel, wodurch wir ſie ſu
chen wollen, dem Geſetze gleichgültig ſind,
§ 185. Z. E. Wer aus Unvorſichtigkeit
iemanden beſchädiget, der ſündiget, nicht
aber, wer aus Unvorſichtigkeit das Spiel
verlieret. Drittens entſtehet daraus die die Pflicht,
Pflicht, niemals bloß aufs Gegenwärtige, ##
ſondern, weil an dem Zukünftigen unendlichiu ſehen
mahl mehr gelegen iſt, vielmehr auf das
Zukünftige zu ſehen. Weil das Gegen
wärtige eigentlich nur ein einziger Augen
blick iſt, ſo verſtehet man hier dasjenige
darunter, was zunächſt damit verknüpft iſt.
§ 23 I.
Die Pfl
Was den Verſtand insbeſondere an Ä;
langt, ſo bringen wir davon nur die bloſſe Ä
Fähigkeit mit auf die Welt, und alſo muß”ſtande.
3. 2 er
324 Cap.III Von den Pflicht in Abſicht -
Die Pflicht, er cultivirt werden. Die Cultur des
Ä. Ä Verſtandes iſt die Erhöhung des Grades
Ä“ ſeiner Vollkommenheit, welche durch Fleiß
und Uebung erlanget wird. Man hat
alſo dabey auf dreyerley zu ſehen, theils
" auf die Weite der Erkenntniß, damit
der Verſtand mit vielen Begriffen ange
. füllet werde, theils auf die Arten der
Thätigkeiten des Verſtandes, damit wir
denſelben auf vielerley Art gebrauchen ler:
nen, theils auf die Güte der Erkenntniß,
damit die Gedancken wahr, und die Unter
ſcheidung genau werden möge. Weil aber
nicht iedweder Menſch ſich auf alle Arten
der Erkenntniß und des Gebrauchs der
Verſtandeskräfte legen kan; ſo haben wir
zu unterſuchen, welche Cultur und Anwen
dung des Verſtandes einemiedweden zu ſei
ner weſentlichen Vollkommenheit ſchlechter
dings nöthig ſey.
232.
Zºº" Zuvörderſt muß iedweder, ſo vieler Ge
Äulegenheit hat, beſtändig vor die allgemei
erweitern. nen Vollkommenheiten des Verſtandes
ſorgen, nemlich vor die Deutlichkeit, UVahr
heit und Vielheit der Gedancken. Denn
ſonſt machet er ſich zu Ausübung ſeiner
Pflichten nicht ſo geſchickt, als möglich, und
verſäumet alſo ſeinen Hauptzweck, § 21 3.
# Ä Daher entſteht die Schuldigkeit, ſich zur
Ääuſſerlichen und innerlichen Aufmerck
und Mun- ſamkeit, § 29, und zu einer thätigen Mun
TEU's
auf den Hauptzweck des Lebens. 325
- -
342 Cap.III Von den Pflicht, in Abſicht
werden. Weil es aber deren zweyerley
giebt, indem einige die andern Endzwecke
gar nicht hindern, einige aber beſondere Zeit,
Koſten und Abmüßigungen erfordern; ſo
muß man auf die letzten, wo man ſie nicht
zugleich als Mittel beſtimmter guter End
zwecke zu gebrauchen gedencket, um der bloſs
ſen Vergnügung willen doch nicht allzuviel
Zeit wenden, weil es ſonſt abermal eine
Kaltſinnigkeit in der Bemühung, Gutes zu
befördern, anzeigen würde.
§ 24 F
Ä In Ausübung der Pflichten der Tu
eine gend, dürfen wir uns keine Schwierig
Äkeit, kein Sauerwerden, und keine Lang
chen laſſen wierigkeit abhalten oder irre machen laſ
ſen. Denn zu dem Ende hat GOtt unſerm
Gehorſam viel Wiederſtand vorgeleget, daß
dadurch die guten Habitus ſtarck werden
ſollen,
- § 246.
Manſoudie Je mehr die Tugend geübt wird, deſto
Ä, ſtärcker werden die tugendhaften Habitus,
unüberwind, § 71, und deſto weniger wird es uns von
Ä Zeit zu Zeit möglich, von der Tugend ab
chen, zuweichen, § 5 1. Dadurch wird endlich
- die Freyheit nur zum Guten determinirt,
§ 52, und dieſes iſt der Zuſtand, welchem
wir uns beſtändig zu nähern ſuchen ſollen,
weil darinnen die menſchliche Vollkommen
heit, und zwar eine wahre moraliſche Voll
kommenheit beſtehet, ich meine eine ſolche,
- welche
auf dem Hauptzweck des Lebens. 343
welche uns als einer moraliſchen Urſache,
§ 161, zugerechnet werden kan. Wir ſol--
len uns nemlich gewöhnen, das Gute mit *
unüberwindlichem Vorſatze, § 49, zu
wollen, ſo daß wir beyiedweder Handlung
uns dieſes Vorſatzes ſogleich erinnern, und
hernach nicht davon abweichen können noch
– wollen, iedoch ſo, daß wir die gehörige tu
gendhafte Abſicht dabeyhaben, § 175. Mit
dieſer Fertigkeit der Tugend verwirre man -
nicht denjenigen Zuſtand, da man ein ma:
teriales Gute, § 177, ohne den wahren
Endzweck bloß aus Gewohnheitthut. Denn
eine ſolche Gewohnheit iſt keine Stärcke >
eines tugendhaften Habitus, ſondern ſie iſt
der Tugend entgegen geſetzt, weil ein Tu
gendhafter niemals ohne Zweck agiren darf,
S23O.
§ 247.
Aus dem, was bisher angeführt worden, Wievieler
kan man nun allererſt von den Arten der Be- Ä“
wegungsgründe zur Tugend urtheilen, § 8. Wründe zur
Nemlich dieſelben erwecken entweder den º
Gewiſſenstrieb, und treiben alſo unmittel:
bar zur Tugend an, dieſe will ich unmittel
bare oder directe Bewegungsgründe zur
Tugend nennen; oder ſie erwecken unmit
telbar eine andere Begierde, deren Object
aber ein Materiale der Tugend iſt, nemlich
den Vollkommenheitstrieb, oder die Liebe,
oder überhaupt den Glückſeligkeitstrieb.
Dieſe will ich mittelbare oder indirecte
P 4 Be
344 C.III Von den Pflicht. in Abſicht
Bewegungsgründe zur Tugend nennen.
Ihre Entſtehung iſt ein mitfolgender und
unzertrennlicher Umſtand von der Einrich:
tung GOttes, vermöge welcher uns die Tu
gend auch phyſice gut ſeyn ſollte. Denn
dieſes konnte ſie nur durch ihre Ueberein
ſtimmung mit gewiſſen Grundtrieben unſe:
res Weſens ſeyn. Indem aber dieſe Ue
bereinſtimmung geſezt wird, ſo wird jede
Vorſtellung, in welcher dieſelbe gedacht
– wird, ein Bewegungsgrund. Wenn dem:
nach in einem Gemüthe die Begierden, mit
denen das Materiale der Tugend zu thun
hat, und dieſelbigen erfüllet, der Tugend
altbereit ſubordiniret ſind; ſo erwecken und
ſtärcken dergleichen Bewegungsgründe die
tugendhaften Actionen, und beſonders ha:
ben ſie den Nutzen, daß ſie den guten Vor
ſaß tugendhafter Gemüther zu Ueberwin
dung eines gröſſern Wiederſtandes geſchickt
machen, § 5 I. Hingegen in einem Gemüs
the, darinnen die Tugend noch nicht gebil,
det iſt, bahnen ſie doch derſelben den Weg,
und ſind eine Vorbereitung darzu. Man
kan und ſoll ſich demnach ſo gewöhnen, daß
uns alle Dinge in der Welt zu beſtändigen
Bewegungsgründen zur Tugend werden.
§ 248.
Oh die er Einige werden vielleicht wieder unſer bis
kärten
Pflichten der her erklärtes Syſtema von der Einrichtung
trenſ“ (t
(hen Natur
unſeres Seelenzuſtandes den Einwurf mas
noglich ſind. chen, daß, weil unſere Seele ſich nicht vº
-
25e:
auf den Hauptzweck des Lebens. 345
Begriffe auf einmal bewuſt ſeyr könne, ſie
auch ihrem Weſen nach zu dergleichen Ge
horſam, als wir erfordern, nicht fähig ſey.
Denn da ſie ſich des Syſtematis ihrer End:
zwecke nicht beſtändig bewuſt ſeyn könne; ſo .
Das IV Capitel.
Von dem moraliſchen Böſen.
§ 249.
Daßdas nös
raliſcheBöſe
A Menſchen machen ſich wahrhaftigbö
allen Men
ſer Thaten, § 26, ſchuldig. Denn
º gemein niemand wird ſagen können, daß er den bis:
her erwieſenen Pflichten allezeit nachgekom
men ſey, z. E. daß er niemahls ohne Zweck
gehandelt, und ſeine Endzwecke allezeit in
der rechten Subordination und in dem gehö
rigen Grade gewolt habe. Es wird auch
niemand leugnen können, daß ſolches nicht
allezeit bloß aus Unwiſſenheit and Ueberei:
lung, ſondern zuweilen alſo geſchehen ſey,
daß es gar wohl hätte können vermieden wer
den, wenn er allen möglichen Fleißangewen
- det
moraliſchen Böſen. 347
S 261.
368 Cap. IV Von dem
§ 26 I.
Ä Unter den mehr zuſammengeſetzten Arten
j der Verderbniſſe des Willens hat man zeit
Än hero beſonders drey bemerckt, welche ſehr
Ä häufig vorkommen, und deswegen vor an:
Ä, der in Augen gefallen ſind, Es iſt ſol:
Äd. ches der Ehrgeiz, der Geldgeiz und die
Wolluſt, deswegenich dieſelben noch inſon
derheit ausführen will, wobey man ſich aber
nicht einbilden muß, als ob alle Laſter unter
denſelbigen begriffen ſeyn müſten.
§ 262.
Was die Die Wolluſt kan man im engern Ver:
Ä ſtande vor eine ſolche Angewöhnung des
ſtande iſt. Gemüthes halten, da man lauter ſolch Ver
gnügen ohne fernere Abſicht begehret, bey
welchem man ſich ganz, oder gröſtentheils
Eintheilung nur leidend verhalten darf. Sietheilet ſich
Äin die körperliche, welche körperliches Ver
werliche und gnügen ſuchet, §7o, und in die idealiſche,
*** welche nach idealiſchem Vergnügen ſtrebt,
d. i. nach ſolchem, welches uns vermittelſteis
ner Idee vergnüget, zu welcher Abſtractions:
kraft nöthig iſt. Jedoch iſt zu verſtehen,
daß die idealiſche Wolluſt nur mit ſolchenOb
jeeten zu thun habe, beywelchen es an einer
dunckeln Abſtraction genung iſt, weil das
Vergnügen, welches aus deutlicher Erkennt:
niß der Wahrheit beſtehet, ein thätiges Ver
enere Eingnügen iſt. Als Gattungen gehören zu der
Äkörperlichen Wolluſt die leckerhafte, ge
Wolluſt fräßige, verſoffene, zärtliche, verſchlafe
- E
/
moraliſchen Böſen. 369
27O,
384 Cap. V Von den Mitteln,
270,271 erwieſen worden, ganz unleugbar.
Nun läſt ſich aber dencken, daß der von dem
moraliſchen Böſen abhangende Schade viel
leicht abgewandt werden könne, wenn man
daſſelbe dereue, und nach Möglichkeit abzu:
ſchaffen und zu verbeſſern ſuche.
§ 273.
Nothwen: Nun iſt zwar ſo viel ganz unſtreitig, daß
Ä* derſelbe durch Bereuung und Beſſerung zum
wenigſten gemindert, ich meine, daß die Ver
gröſſerung deſſelben verhütet werden kan,
§ 19o. Daher dieſes eine Regel ohne alle
Ausnahme iſt, daß, ſobald wir etwas Bös
ſes an uns gewahr werden, unſer erſtes
ſeyn müſſe, auf eine ſchleunige Hinweg
ſchaffung deſſelben ſo gut als möglich zu
gedencken, -
§ 274.
Es iſt uns Allein wenn man von einer ſolchen Ver:
Ä“beſſerung redet, wodurch der menſchliche Zu
Werbeſſe ſtand dem von uns bisher erklärten göttfi
Ä "9“ chen Geſetze durchgängig ähnlich gemacht
werden ſoll: ſolehret die Erfahrung, daß es
dahin niemand bringen könne, ungeachtet
wir unſere Beweiſe richtig geführet haben,
§248, 249. Daher alle unſere Bemühung
nichts weitet ausrichtet, als daß wir uns dem
Stande einer völligen Tugend nur ſo viel
möglich zu nähern ſuchen.
S - - - -- - - -
§ 275.
Ä. Hiernächſt aber wäre es noch eine andere
Ä Frage: ob, wenn wir uns vollkommen ver:
beſſern,
das Böſe hinwegzuſchaffen. 28
beſſern, und nach Ablegung unſerer vorigen rung dieFol
Laſter eine vollkommene Tugend ausüben Ä:
könnten, dadurch die erſtern ſo gut als unge:men würde,
ſchehen gemacht werden würden? Man er
kennet leicht ſoviel, daßes aufs höchſte wei-
ter nicht möglich ſeyn könte, das Böſeſe gut >
als ungeſchehen zu machen, als nur allenfalls
inſofern, daß die Schuld, § 198, und Strg
fe, § 190. oder vielmehr die Folgen derſelben,
ºefern ſie uns unangenehm ſind, hinwegge
nommen werden müſten. Hingegen in Ab
ſicht auf unſere zukünftige Glückſeligkeit kan
es niemals einerley ſeyn, ob wir beſtändig
Gutes gethan, oder ob wir zuvor Böſes ger
than, hernach aber uns gebeſſert und Vj
gebung erlanget hätten. Denn wenn wir
beſtändig Gutes gethan hätten, ſo müſte die
Glückſeligkeit unſtreitig gröſſer geworden
ſeyn, § 189. Jedoch da dieſe Frage vonei
nem Falle redet, welcher ſich auf uns nicht
ſchicket, ſº wollen wir uns dabey nicht län
ger aufhalten,
- § 276.
Damit wir aber wiederum auf das vori- ob GOtt
gekommen, ſo kan man das nicht einräu. ##
men, daß GOrt mit einer unvollkom Ä
menen Verbeſſerung zufrieden ſeyn und zUs
daferne ſie nur nach allen Äräften ge- Ä eyl.
/
492 Cap. IV Von den Mitteln
jeet der Be-Object einer jeden Begierde ingleichen
/
*
Äauf unſere
moraliſchen Geſchmacks, deut
j "lich und genau aufzuſuchen. Denn
ſo bald der Betrug offenbahr wird, ſo wird
auch die Begierde, wenigſtens gröſtentheils,
Manſoudiehinwegfallen. Und da )die unedlern Trie“
Äusº zu ſtarck, die edlern aber zu ſchwach ſind:
ÄSo müſſen wir die menſchlichen Grund
ben. . triebe, nemlich das Gewiſſen, die Liebe und
den Vollkommenheitstrieb, zu erhöhen
trachten, hingegen diethieriſchen Begierden
nicht reizen, ſondern uns ordentlicher Weis
ſe begnügen laſſen, dieſelben im Stande eis
ner bloſſen Zufriedenheit zu erhalten.
287.
Manſoudie Weil alle wahre Tugend mit Freyheitge
Ä ſchehen muß: So iſt 6) nöthig, daß wir die
Freyheit zu ſtärcken ſuchen. Dieſes ges
ſchieht, wenn wir überall wiſſentlich nacheis
nem guten Zwecke handeln, und uns in dem
Zuſtande erhalten, die Sache auch ſogleich
laſſen zu können, ſobald der Zweck hinweg
fällt. Eine Uebung der Freyheit iſt es auch,
wenn man bey indifferenten Dingen, wel
che uns aber angenehm oder zuwieder ſind,
zuweilen der Annehmlichkeit mit Fleiß ent
ſaget, und die Beſchwerlichkeit über ſich
nimmt, um zu erfahren, ob man ſolches
noch könne.
- § 288.
Man ea Es befinden ſich gemeiniglich allerhand
den böſen böſe Habitus in uns, daher wir7) dieſelben
wohl
das osſ hinwegzuſchaffen es
*---
wohl bemercken, und durch die entgegen Ä
geſetzten guten Habitur zu ſchwächen, und Ä
endlich auszurotten ſuchen müſſen. Und
weil faſt zu allen Laſtern die gefährlichſte
Quelle die Faulheit iſt: So muß man ſich 8)und ſich zur
zu einer beſtändigen muntern Arbeitſam-Ä
keit angewöhnen. nen.
§ 289.
Unſere Ideen wirken nur nach Propor: Man ſoll das
tion ihrer Lebhaftigkeit als BewegungsgrünÄ Ä:
de in den Willen, § 61. Daher iſt 9) nö. Ä
thig, das Bild ſowohl der
der Bewegungsgründe Tugend,
dazu, als Ä HM “
beſtändigj
- lebhaft in ſich zu erhalten, und alles zu
thun, was nach den Geſetzen der Imagina
tion dazu dienen kan. Hierzu iſt beſon
ders nützlich, wenn man über die im menſch
lichen Leben vorkommenden Begebenhei:
ten, und alle andere ſinnliche Objecte, mo
raliſcheBetrachtungen anſtellt, und ſolte man
ſie auch bloß als Bilder moraliſcher Dinge
anſehen. Denn wir werden hiervon den
Vortheil haben, daß uns hernach nach den
Geſetzen der Einbildungskraft die Ideen un-
ſerer Pflichten und der Motiven darzu bey
aller Gelegenheit einfallen, und öfter in
uns zu deutlichem Bewuſtſeyn kommen.
Weil in denenjenigen Büchern, welche mit
dergleichen Betrachtungen angefüllet ſind,
gemeiniglich keine groſſe Kunſt ſtecket: So
laſſen ſich viele dadurch verführen, daß ſie
die Sache ſelbſt sº ſchäzen, und die
Q, E 2 Ver:
404 Cap.V Von den Mitteln, - -
ei: -
Zufriedenheit. 4I3
natürliche
Koraltheologie
Lehre von den unmittelbahren
Pflichten gegen GOtt.
Ee
- -
* ---
B> <GG-GB-SS B-3-GB-H-GB- s
Das I Capitel.
Von den unmittelbaren Pflich.
ten gegen GOtt überhaupt, und
dem Gehorſam inſonderheit.
§ 317.
Ihlle Pflichten der Tugend ſind zwar Was unmit
A Pflichten gegen GOtt. Denn alle Ä
geſetzliche Verbindlichkeit gründet ſich
(MG
gen GOtt
auf GOttes Willen, und alle Tugendjnd.
mit ausdrücklicher Abſicht auf denſelben ger
leiſtet werden, § 176. Wenn wir aber von
unmittelbahren Pflichten gegen GOttres
den: So meinen wir diejenigen Tugenden,
dabe, wir GQ zum unmittelbaren O -
Das II Capitel,
Von den beſondern Pflichten
gegen GOtt in Anſehung des
Verſtandes oder Willens,
§ 32 I.
Pflicht ge
en GOft in
D vernünftigen Geiſter ſind die einzigen
nferung
Geſchöpfe, welche eben vermittelſt ih:
des Verſian-rer Vernunft GOtt zu erkennen fähig ſind.
# nackt. Die Erkenntniß GOttes iſt die alleredelſte.
derEkennt. Sie iſt auch in Abſicht auf die Wahrheit
*** ſelbſt die allerwichtigſte, weil ſich ohne dies
/ ſelbe von dem Urſprunge und dem Grunde
der Einrichtung und Verknüpfung der Din
ge nichts gründliches erkennen läſt. Die
Menſchen können auch in dem Gebrauche
ihrer Vernunft ihrer Dependenz von GOtt
nicht gemäß handeln, wenn ſie dieſelbe nicht
zup
in Anſ des Verſtand. od.Willens. 439
zur Erkenntniß des Schöpfers, der ſie ge
geben hat, auwenden. Wir haben dem
nach die Verbindlichkeit, GOtt zu erken
nen, und es iſt nun weiter zu unterſuchen,
was dieſe Pflicht zur Erkenntniß GOttes
mit ſich bringe. -
§ 322.
Es gehöret nemlich dazu 1) daß man, Maoſ
ſo viel nur möglich, von der Wircklich Ä“
keit GOttes und ſeinen Eigenſchaften, etd.Ä.
ferner von ſeinem Willen und AbſichÄ
ten, von ſeinen allgemeinen Wirckungen, Werke D
memlich der Schöpfung, Erhaltung ĺ
und Regierung der Welt, und von ſei:
nem Reiche, welches er unter und mit den ver:
nünſtigen Geſchöpfen aufgerichtet hat, eine
gegründete Erkenntniß mit zuverläßiger
Ueberzeugung zu erlangen, und dieſelbe zu
vermehren trachte. Weil aber dieſe Erkennt: «Ä Ä
niß den göttlichen Vollkommenheiten gemäß Ä
ſeyn muß; ſo folget daraus, theils daß man ſeyn muß
ſich dieſelbe ernſtlich müſſe angelegen ſeyn
laſſen, theils aber auch, daß man ſich da
bey ſeiner Endlichkeit beſtändig erinnere,
und alſo das unendliche Weſen nicht weiter
begreifen wolle, als es uns ſelbſt die Kräfte
und Mittel dazu darbietet.
- § 323.
Man hat ſich ferner 2) dazu anzugewöh. Man ſoll al
nen, daß man alle Dinge in ihrer Sub-Ä
ordination unter GOrt betrachte. Wir Ät
haben uns hier theilsEedie 4natürliche SubÄ
Ordi:
440 C.II Von den Pflicht. gegenGOtt,
Ä ordination vorzuſtellen, wie alle Erkennt
Ä“ niß der Wahrheit von dem göttlichen Ver
ÄF ſtande, gleichwie das Weſen, der Urſprung
iſt. * °9 und die Erhaltung derſelben von der göttli
chen Macht, und ferner die Güte aller Din
ge von der Güte und Weisheit GOttes den
Urſprung habe, auch alle Dinge unter der
Vorſehung GOttes ſtehen. Theils haben
wir auch auf die moraliſche Subordina
tion der Dinge unter GOtt Achtung zu ge
ben, was nemlich vor Endzwecke GOttes
durch das natürliche Weſen, oder durch den
freyen Willen der Geſchöpfe und durch ihre
Verknüpfungen unter einander befördert
werden ſollen.
§ 324.
Ä Wir haben uns ferner 3) zu bemühen,
GÄsdaß ſowohl die Erkenntniß der göttlichen
Ä er- Wircklichkeit und Eigenſchaften, als der
Subordination aller Dinge unter dieſelben,
- A beſtändig in unſeum Verſtande wirck
ſam und lebhaft erhalten werden, weß
wegen die dazu dienlichen Mittel zu gebrau
chen ſind, z. E. daß man ſich dieſelben oft
vorſtelle, und durch Anwendung auf vor
kommende Individualfälle deutlich und ge
läufig mache. "Solchergeſtalt wird unſere
ganze Beſtrebung nach Wahrheit GOtt,
wie ſichsgebühret, unterworfen. Aus der
Wichtigkeit der göttlichen Wahrheiten fließt
Än ſºll ſie
öher als al- 4) daß man die Erkenntniß derſelben
e
§. 33O. -
§ 33 f«
Weil GOtt gerecht iſt, § 192, und ſein Diekind
Weſen nicht ändern kan; ſo ſtehet es nach Ä*
einmahl geſchehener Sünde nicht bey ihm,
die Straffe nachzulaſſen, § 190,193. Dieſe
Vorſtellung muß dahero, wenn wir ihn lie:
ben, die gröſte Vorſichtigkeit in uns veran:
laſſen, ihn nicht zu beleidigen, und dadurch
den gütigen, aber zugleich höchſt vollkom
menen GOtt zu unſerer Beſtrafung zu nös
F thigen
45e C.II Von den Pflicht, gegenGOtt,
thigen. Einen beleidigen aber heißt, ihn
etwas nicht leiſten, was er doch mit Rechte
fordern kan, und zu deſſen Leiſtung wir eine
Verbindlichkeit haben. Dieſe 8) aus der
Liebe GOttes herrührende Vorſichtigkeit,
ihn nicht zu beleidigen, und dadurch der
Vereinigung mit ihm unfähig zu werden,
heißt die kindliche Furcht GOrtes,
welche ſich daher auf die Liebe und auf die
Vorſtellung ſeinerVollkommenheit zugleich
Was die gründet. Mit derſelben iſt die knechtiſche
knechtiſche Furcht nicht zu verwirren, worunter man
Furcht iſt.
eine ſolche Gemüthsbeſchaffenheit verſtehet,
da man lieber mit GOtt gar nichts zu thun
haben möchte, und weil ſolches nicht ange:
het, ſeinen Willen, den man für ein noth
wendiges Uebel anſiehet, nur in der Abſicht
thut, um der Strafe zu entgehen, welches
dahero eines der gröſten Laſter iſt.
§ 332.
Die Pflicht Einen ehren heißt ihmgröſſere Vollkom
GOtt zu eh
Pß menheiten als andern zuſchreiben, und dee:
wegen geneigt ſeyn, denſelben andern vorzus
ziehen, und in dem Bezeigen gegen ihn, den
Vorzügen deſſelben auf eine ihm anſtändige
und angenehme Art gemäß zu verfahren,
§ 12o. Da nun GOtt unendlich vollkom:
mener als alle Geſchöpfe, ja die Qvelle als
ler Vollkommenheiten iſt; ſo verbinden uns
die Regeln der weſentlichen Vollkommenheit
ten der Dinge 9) ihn über alles zu ehren.
Eben hierzu treibet auch die Liebe gegen
- GOtt
in Anſ des Verſtand.od. Willens. 451
GOtt an, welche eben die Vollkommenhei
ten deſſelben zu ihrem Bewegungsgrunde
hat. Daraus entſpringet die Ehrfurcht Die Ehr
vor GOrt, das iſt, eine aus der Hoch-Ä"
achtung und Erkenntniß unſerer Dependenz
von GOtt herrührende Scheu aller derjeni
gen Thaten, welche den göttlichen Vollkom
menheiten und unſerm Verhältniſſe gegen
einen ſo groſſen GOtt unanſtändig wären.
§ 333.
Weil die Liebe den Vollkommenheiten DieDemus
des Geliebten gemäßzuhandeln bemühet iſt,"Gott
theils weil ſie eben dadurch erwecket wird,
theils damit ſie ſich dem Geliebten nicht miß
fällig mache; ſo verbindet ſie uns auch 1o)
zur Demuth gegen GOtt. Die Demuth
gegen GOtt iſt eine wirckſame Vorſtellung
unſerer Niedrigkeit gegen GOtt § 309. d.i.
eine ſolche Gewohnheit, ſich den unendlichen
Unterſchied zwiſchen GOtt und uns, und
unſere gänzliche Dependenz von ihm vorzu
ſtellen, wodurch wir uns autreiben laſſen,
ſeiner freyen Güte alles Gute zuzuſchreiben,
ſeinen Regierungen und Befehlen uns gänz
lich zu unterwerfen, und uns gegen ihn nicht
das geringſte von ihm independente Recht
§ 2co. heraus zu nehmen. Eben hierzu
verbindet uns auch ſchon die göttliche Voll
kommenheit und unſer Verhältniß gegen ihn
an ſich ſelbſten. In der Ausübung iſt die
Demuth eine von denen erſten und Grund:
Ff 2 tugen
472 Cap. III. Von dem
tugenden, welche das Gemüthe zu denen
andern vorbereiten und fähig machen muß.
Das III Capitel.
Von dem vernünftigen Glau
ben, als einer Pflicht gegen GOtt
in Anſehung des Verſtandes und
Willens zugleich.
§ 334.
Das Wort (F)as Wort Glauben, welches nach dem
Glauben hat * Sprachgebrauche gar ſchwanckend iſt,
zweyerley
Äg. wird in zweyerley Bedeutung genommen.
Was ein
weiten Ver In der weitern Bedeutung wird es dem
º heiſ
t.
Zweifel und der Verneinung entgegen geſe
zet, und heiſt ſoviel, als einem Satze Bey:
fall geben, das iſt, denſelben dergeſtalt als
wahr annehmen, daß man ſich dabey berus
higt. In dieſer Bedeutung beſtehet dem:
nach das Glauben in demjenigen Zuſtan
de eines vernünftigen Geiſtes, da ſich ſein
Wille entſchlieſt, einen vorgeſtellten Satz
als wahr gelten zu laſſen, und demſelben,
wiefern ſolches nicht durch andere Urſachen
wiederum verhindert wird, bey Gelegenheit
gemäß zu handeln, und da er deswegen den
Verſtand entweder gar nicht antreibt, wei
tern Beweis zu ſuchen, oder doch ſolches nicht
in der Abſicht thut, daß er den Satz noch
nicht zugeben, oder darnach handeln wolte,
im Fall ſich kein weiterer Beweis davon
finden
vernünftigen Glauben. 453
finden laſſen ſolte. In der engern Be-WasSlam
deutung aber wird das bloſſe Glauben Ä“
einer ſolchen Ueberzeugung entgegengeſetzet,ande be
beyderen Setzung man nicht weiter zweifeln
kan, und faſſet alſo nur eine Gattung des
Vorwahrhaltens unter ſich. Man betrach: „Wederle
te aber, welche Bedeutungman will; ſowird.Ä.
man finden, daß diejenige Erklärung nicht klärung.
hinlänglich ſey, welche einige geben, wenn
ſie ſagen, glauben heiſſe ſo viel, als einem
Satze um des Zeugniſſes eines andern wil
len Beyfall geben. Ich ſage, dieſes kan
nicht die Erklärung des Glaubens im wei:
tern Verſtande ſeyn; denn die Gegner räu
men hiermit ſelbſt ein, daß man einem Sa
ze auch aus andern Gründen Beyfall geben
könne. Es kann aber auch keine Erklärung
des Glaubens im engern Verſtande abgeben.
Denn es iſt unſtreitig, daß man auch ſeinen
eigenen Träumen und andern ungegründeten
Einfällen glauben könne, da doch weder ei
ne Demonſtration noch ein Zeugnißeines an
dern zum Grunde liegt. Es wäre auch ver
geblich zuſagen, daß man alsdenn ſeinem ei
genen Zeugniſſe glaube, weil unſer eigenes
Zeugniß, wenn man nicht die Worte im uns
eigentlichen Verſtandenehmenwill, gar kein
Zeugniß iſt. Jetzo wollen wir unterſuchen, Hº
was in Anſehung des Glaubens ſowohl im Ä
weiten als engen Verſtande vor Pflichten Ä
vorkommen können, welche man unmittel-Ä
bahr den göttlichen Eigenſchaften zu Ehren
Ff 3 beob:
454 Cap. III Von dem -