Entdecken Sie eBooks
Kategorien
Entdecken Sie Hörbücher
Kategorien
Entdecken Sie Zeitschriften
Kategorien
Entdecken Sie Dokumente
Kategorien
Hermann Hesse
Romane
Reclam
Universal-Bibliothek
Hermann Hesses bedeutendste
Romane werden in ausführlichen
Interpretationen vorgestellt:
Unterm Rad, Demian, Siddhartha,
Der Steppenwolf, Narziß und Gold
mund und Das Glasperlenspiel.
Interpretationen
Hermann Hesse
Romane
Unterm Rad
Demian
Siddhartha
Der Steppenwolf
Narziß und Goldmund
Das Glasperlenspiel
Interpretationen
Hermann Hesse
Romane
Unterm Rad
Von Michael M üller.................................................... 7
Demian
Von Helga Esselborn-Krumbiegel............................. 29
Siddbartha
Von Christian Immo Schneider............................... 52
Der Steppenwolf
Von Peter H u b e r ...................................................... 76
Narziß und Goldmund
Von Egon S chw arz................................................... 113
Das Glasperlenspiel
Von Willy Michel und Edith M ic h e l.................... 132
9 Ebd., S. 24.
10 Ebd.
Unterm Rad 13
einige Esel als ein Genie in seiner Klasse, und genau be
trachtet hat er ja recht, denn seine Aufgabe ist es nicht,
extravagante Geister heranzubilden, sondern gute Latei
ner, Rechner und Biedermänner. (97 f.)
Wie gesagt macht sich an zahlreichen Stellen eine solche
Tendenz Hesses bemerkbar zu >dozieren<. Der Leser soll
keinen Augenblick im Zweifel darüber gelassen werden,
wie er die Geschichte zu verstehen hat, und zuweilen führt
das gewissermaßen zu seiner Bevormundung: er hat kaum
noch die Möglichkeit, sich selber ein Bild zu machen oder
das Dargestellte selber zu deuten.
Ein ausgeprägtes Bemühen um Deutlichkeit und Eindeutig
keit hat auch eine Uberzeichnung bestimmter Charaktere
zur Folge, die auf diese Weise mehr zu Vertretern eines be
stimmten Prinzips, zu Typen werden.
Gleich zu Beginn der Erzählung werden Josef und Hans
Giebenrath, wenn man so will die beiden Hauptantagoni
sten des Textes, in einem kontrastierenden Verfahren einan
der gegenübergestellt. Der Vater des Protagonisten wird als
Prototyp eines Philisters geschildert, dessen auffallendste
Eigenschaft es ist, daß er keinerlei individuelle Züge sein
eigen nennt: »Er hätte mit jedem beliebigen Nachbarn
Namen und Wohnung vertauschen können, ohne daß ir
gend etwas anders geworden wäre.« (8) Dieser Mann be
sitzt »angemessenen Respekt vor Gott und der Obrigkeit
und blinde Unterwürfigkeit gegen die ehernen Gebote der
bürgerlichen Wohlanständigkeit« (7), bleibt sogar bei sei
nen Gesetzesüberschreitungen gewissermaßen im Rahmen
des Tolerierten, verehrt das Geld und ist von tiefem Miß
trauen, ja sogar von Feindseligkeit »gegen alles Unalltäg
liche, Freiere, Feinere, Geistige« (8) erfüllt. Er entspricht
also in jeder Hinsicht dem gängigen Klischee des deutschen
Klein- oder Spießbürgers.
Vom Sohn hingegen wird ohne Umschweife festgestellt, daß
er den Typus des Sonderlings oder Außenseiters vertritt. Er
14 Michael Müller
ist eben nicht nur »ein begabtes Kind«, sondern auch »abge
sondert« von den anderen. Diese Sonderstellung wird im
folgenden immer wieder herausgestrichen, sie schlägt sich
auch in der äußeren Erscheinung des Jungen nieder: »Und
er sah auch so anders aus als die übrigen. Auf dem dünnen,
gebräunten Halse saß frei und elegant der feine Kopf mit
dem geistigen Gesicht und den überlegenen Augen.« (39)
Dafür, daß in dem kleinen Schwarzwalddorf, das im
Grunde von lauter dem Vater zum Verwechseln ähnlichen
Bürgern bewohnt ist, so ein besonderer Mensch heran
wächst, werden zwei einander konträre Erklärungen ange-
boten, wobei die erste eigentlich keine »Erklärung« im land
läufigen Sinne ist: »Also war wirklich einmal der geheim
nisvolle Funke von oben in das alte Nest gesprungen, das
in seinen acht bis neun Jahrhunderten so viele tüchtige Bür
ger, aber noch nie ein Talent oder Genie hervorgebracht
hatte.« (8) Dieser Begründung, die sich auf das Einwirken
metaphysischer Mächte stützt, steht die andere gegenüber,
die die moderne Wissenschaft bemüht: »Ein modern ge
schulter Beobachter hätte, sich an die schwächliche Mutter
und an das stattliche Alter der Familie erinnernd, von Hy
pertrophie der Intelligenz als Symptom einer einsetzenden
Degeneration sprechen können.« (ebd.) Hier wird auf eine
Antinomie zwischen zwei unterschiedlichen Sichtweisen
auf die Welt verwiesen, die ebenfalls ein Problem des ausge
henden 19. Jahrhunderts war: dem naiven Glauben steht das
aufgeklärte Wissen, beziehungsweise das Wissenwollen
gegenüber. Flesse rekurriert in seiner Erzählung immer
wieder auf dieses Thema: so führt er als Gegenpart zu dem
pietistischen Schuhmacher Flaig den Stadtpfarrer ein, der
ebenfalls einen Typus repräsentiert; als Philologe betreibt er
»mit Eifer Bibelkritik« (43) und steht daher bei dem Pie
tisten im Verdacht, ein Ungläubiger zu sein: »wenn er [...]
über die Bibel sagt, sie sei Menschenwerk und sei verlogen
und nicht vom Heiligen Geist eingegeben, dann kommst du
zu mir, und wir reden darüber«, lautet die Aufforderung,
Unterm Rad 15
11 Ebd., S. 47.
18 Michael Müller
Die Betonung liegt aber auf dem >hat sich gedacht«. Die
Realität sieht nach Hesse anders aus. Als er von der Be
schreibung der baulichen Schönheiten zur Darstellung des
Seminarbetriebs übergeht, verflüchtigt sich allmählich der
nostalgisch-liebevolle Ton. Zunächst werden nur einige Si
gnale gesetzt: von einem »Scheinleben« (ebd.) ist die Rede,
das sich in der Mittagspause auf dem Vorplatz abspielt, und
das Wort »weltfern« (ebd.) erhält doppelte Bedeutung. Ge
gen Ende des Absatzes dominiert dann bittere Ironie:
Es wird dadurch [durch die Abgeschiedenheit] ermög
licht, den Jünglingen jahrelang das Studium der hebräi
schen und griechischen Sprache samt Nebenfächern allen
Ernstes als Lebensziel erscheinen zu lassen, den ganzen
Durst der jungen Seele reinen und idealen Studien und
Genüssen zuzuwenden. Dazu kommt als wichtiger Fak
tor das Internatsleben, die Nötigung zur Selbsterziehung,
das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Die Stiftung, auf
deren Kosten die Seminaristen leben und studieren dür
fen, hat hierdurch dafür gesorgt, daß ihre Zöglinge eines
besonderen Geistes Kinder werden, an welchem sie spä
ter jederzeit erkannt werden können - eine feine und
sichere Art der Brandmarkung. Mit Ausnahme der Wild
linge, die sich je und je einmal losreißen, kann man denn
auch jeden schwäbischen Seminaristen sein Leben lang als
solchen erkennen. (58)
Der Fall eines solchen Wildlings, des Dichters Heilner/
Hesse, wird im Anschluß daran erzählt. Hans Dieter Zim
mermann hat konstatiert, daß Hesse in seinem gesamten
Werk immer wieder«den Prozeß der eigenen Identitätssuche
darstellt, »den er als exemplarisch auch für andere in seinen
Erzählungen beschrieben hat.«12 Hesse führe daher Dop
pelgänger seiner selbst in seine Texte ein:
12 Hans Dieter Zimmermann, »Hermann Hesses Doppelgänger«, in:
Hermann Hesse, hrsg. von Heinz Ludwig Arnold, München 1977,
2., erw. Aufl., Juli 1983 (Text + Kritik, 10/11), S. 33-42, hier S. 34.
20 Michael Müller
14 Vgl. auch die Passage: »seine Freunde Shakespeare, Schiller und Lenau
zeigten ihm eine andere, mächtigere und großartigere Welt, als die
war, die ihn drückend und demütigend umgab.« (95)
22 Michael Müller
lediglich aus Angst vor den Lehrern oder vor deinem Alten.
Was hast du davon, wenn du Erster oder Zweiter wirst? Ich
bin Zwanzigster und darum doch nicht dümmer als ihr
Streber.<« (81)
Unter dem Einfluß Heilners beginnt sich auch Giebenrath
eine neue Welt zu erschließen, er lernt zum erstenmal die
»trügerische Gewalt schönfließender Worte, täuschender
Bilder und schmeichlerischer Reime« (83) kennen. Anfangs
versucht er gewissermaßen, in zwei Welten zu leben, indem
er mit doppeltem Eifer seinen schulischen Pflichten nach
kommt. Daß sich in ihm aber eine Entwicklung vollzogen
hat, wird deutlich, als er sich nach seinem »Verrat« wieder
mit Heilner versöhnt:
»Ich bin damals feig gewesen und ließ dich im Stich. Aber
du weißt, wie ich bin: es war mein fester Vorsatz, im Se
minar obenan zu bleiben und womöglich vollends Erster
zu werden. Du hast das Streberei genannt, meinetwegen
mit Recht; aber es war nun eben meine Art von Ideal, ich
wußte nichts Besseres.« (96)
Signifikant scheint hier der Tempuswechsel: »du weißt, wie
ich hin: es war mein fester Vorsatz«, der andeutet, daß sich
in Giebenrath kein wirklicher Bewußtwerdungsprozeß
vollzogen hat, sondern daß der Junge eher die Orientierung
verloren hat. Zumindest ein Teil von ihm ist noch so wie
immer, ein anderer Teil blickt auf das, was früher war, zu
rück.
Daß Giebenrath schließlich »unters Rad< gerät, ist jedoch
nicht auf den Einfluß des Freundes zurückzuführen, son
dern auf einen psychischen Zusammenbruch, der sich - ge
nau wie es bei Hesse selbst der Fall war - von den Schulme
dizinern nur unzulänglich erklären läßt: es passiert »etwas
Seltsames« (106). Bei Giebenrath verkehrt sich Heilners Fä
higkeit, sich kraft der Phantasie von der Realität zu lösen,
ins Pathologische, die Entfernung von der Wirklichkeit ist
etwas, das ihm geschieht, über das er keine Kontrolle hat; er
Unterm Rad 23
»Seien Sie ruhig, Herr Nachbar. Ich hab bloß die Schul
meister gemeint.«
»Wieso? Wie denn?«
»Ach, nichts weiter. Und Sie und ich, wir haben vielleicht
auch mancherlei an dem Buben versäumt, meinen Sie
nicht?« (178)
Heilner und Giebenrath verkörpern die gegensätzlichen
Komponenten einer Persönlichkeit. Giebenrath stirbt, und
mit seinem Tod läßt Hesse auch einen Teil - gewissermaßen
den bürgerlichen« - seiner eigenen Persönlichkeit hinter
sich zurück. Die Zukunft gehört der von Heilner repräsen
tierten Komponente. Rettung ist nur durch die Flucht in die
Künstlerexistenz möglich, dies ist die Botschaft Hesses, die
- also vielleicht doch - >lebensanschaulicher< Art ist.
28 Michael Müller
Literaturhinweise
U nterm Rad. Rom an. Berlin: S. Fischer, 1906. [Erstausg.]
Gesam m elte Werke in zw ölf Bänden. F rankfurt a. M.: Suhrkamp,
1987. (suhrkam p taschenbuch. 1600.) [Unterm R ad in Bd. 2, S. 5
bis 178.]
U nterm Rad. Rom an. F rankfurt a. M.: Suhrkam p, 1972 [u. ö.].
(suhrkam p taschenbuch. 52.)
Ball, Hugo: H erm ann Hesse. Sein Leben und sein Werk. F rank
furt a. M. 1977. [Zu U nterm R ad S. 39-57.]
Baumer, Franz: Deutschland. In: H erm ann Hesses w eltweite Wir
kung. Internationale Rezeptionsgeschichte. H rsg, von M artin
Pfeifer. F rankfurt a. M. 1977. S. 15-38, bes. S. 20-22.
Pfeifer, Martin: H esse-K om m entar zu sämtlichen W erken. M ünchen
1980. [Zu Unterm R ad S. 89-102.]
Demian. Die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend
Von Helga Esselborn-Krumbiegel
2 Lulu von Strauß und Torney, »Hermann Hesse«, in: Die Tat, Dez.
1922; zit. nach: Adrian Hsia, Hermann Hesse im Spiegel der zeitgenös
sischen Kritik, Bern 1975, S. 182 f.
3 Stuttgarter Neues Tagblatt vom 8. Juli 1920, zit. nach: Hsia (s. Anm. 2)
S. 178.
4 Brief Hesses an Dr. Josef Bernhard Lang vom 26. Januar 1920, zit. nach:
Unseld (s. Anm. 1) S. 52.
Demian 31
einigung mit seinem Alter ego würde für den Helden be
reits die erreichte Synthese der Gegensätze bedeuten. Hes-
ses Helden aber sind erst unterwegs zu sich selber.
In der Begegnung mit Max Demian erfährt Sinclair zum er
sten Mal eine Bestätigung seiner dichotomischen Welterfah
rung. Zugleich jedoch lehrt der Freund ihn das »andere Se
hen«, die Umwertung allgemein akzeptierter Normen und
Werte, die Unabhängigkeit des Denkens und Handelns.12
Während Sinclair auf dieser Stufe seiner Entwicklung durch
Demians Radikalität noch überfordert ist, spürt er zugleich
in Bewunderung und Furcht die Impulse seines eigenen
Innern:
Sprach da nicht eine Stimme, die nur aus mir selber kom
men konnte? Die alles wußte? Die alles besser, klarer
wußte als ich selber? (41)
Als er beginnt, Vitalität und Gewalt, Chaos und Widerstand
als Möglichkeiten seiner eigenen inneren Vielfalt zuzulas
sen, erweitert er seine Ich-Grenzen und öffnet sich für neue
Einflüsse, Erfahrungen und Lebensmöglichkeiten. Demians
Gedanken und Worte erscheinen ihm plötzlich vertraut,
während er sie zuvor mit Faszination und Schrecken aufge
nommen hatte:
Was Demian da über Gott und Teufel, über die göttlich
offizielle und die totgeschwiegene teuflische Welt gesagt
hatte, das war ja genau mein eigener Gedanke, mein eige
ner Mythus, der Gedanke von den beiden Welten oder
Welthälften - der lichten und der dunkeln. (63)
Die Erfahrung, daß das zunächst bedrohlich Erscheinende
sich als eigene innere Möglichkeit erweist, konfrontiert
Sinclair stets mit der Herausforderung, dem Denken das
Leben folgen zu lassen:
12 Der Einfluß Friedrich Nietzsches mit seinem »Versuch einer Umwer
tung aller Werte«, so der Untertitel der aus dem Nachlaß zusammen
gestellten Schrift Der Wille zur Macht (1901), ist deutlich spürbar.
Demian 37
Nur das Denken, das wir leben, hat einen Wert. Du hast
gewußt, daß deine >erlaubte< Welt bloß die Hälfte der
Welt war, und du hast versucht, die zweite Hälfte dir zu
unterschlagen, wie es die Pfarrer und Lehrer tun. Es wird
dir nicht glücken! Es glückt keinem, wenn er einmal das
Denken angefangen hat. (64)
Die polare Struktur des Romans macht sich bis in die Spra
che hinein geltend:
Viel duftet mir da entgegen und rührt mich von innen
mit Weh und mit wohligen Schauern an, dunkle Gassen
und helle Häuser und Türme, Uhrschläge und Menschen
gesichter, Stuben voll Wohnlichkeit und warmem Beha
gen, Stuben voll Geheimnis und tiefer Gespensterfurcht.
[.. .] Zwei Welten liefen dort durcheinander, von zwei
Polen her kamen Tag und Nacht. (9)
Die gegensätzlichen sinnlichen und emotionalen Wahrneh
mungen werden zur grundsätzlich moralisch-sittlichen
Opposition von »Gut« und »Böse« gesteigert. Oftmals er
scheinen diese Gegensätze noch durch Bildhäufungen und
durch sprachliche Doppelungen intensiviert:
[. . .] ich war tief und schuldvoll in die fremde Flut ver
sunken, in Abenteuer und Sünde verstrickt, vom Feind
bedroht und von Gefahren, Angst und Schande erwar
tet. (19)
In der Ausdruckshäufung wirkt das Bemühen, unvertraute
Erfahrungen durch die Konnotationen verwandter Wortfel
der zu differenzieren und zu präzisieren. Zugleich jedoch
nimmt das durch Anaphern und Parallelismen gesteigerte
Pathos gleichsam liturgischen Charakter an:
Das war mein Traumbild! Das war sie, die große, fast
männliche Frauenfigur, ihrem Sohne ähnlich, mit Zügen
von Mütterlichkeit, Zügen von Strenge, Zügen von tiefer
Leidenschaft, schön und verlockend, schön und unnah-
38 Helga Esselborn-Krumbiegel
13 Brief Hesses an Frau Sarasin vom 15. Februar 1954; zit. nach: Unseld
(s. Anm. 1) S. 56.
Demian 39
21 Brief Hesses an eine junge Leserin vom Februar 1929; zit. nach:
Unseld (s. Anm. 1) S. 56.
22 Hermann Hesse, Innen und Außen (1919).
Demian 47
25 Brief Hesses an Volkmar Andreä vom 26. Dezember 1914; zit. nach:
Hermann Hesse, Gesammelte Briefe, Bd. 1: 1895-1921, Frank
furt a. M. 1973, S. 256.
26 Ebd., S. 257.
27 Peter de Mendelssohn, Von deutscher Repräsentanz, München 1972,
S. 283.
50 Helga Esselborn-Krumbiegel
Literaturh in weise
Dem ian. Die Geschichte einer Jugend. Von Emil Sinclair. Berlin:
S. Fischer, 1919. [Erstausg.]
Gesam m elte Werke in zw ölf Bänden. Frankfurt a. M.: Suhrkamp,
1987. (suhrkam p taschenbuch. 1600. [Demian in Bd. 5, S. 5 bis
163.]
Dem ian. Die Geschichte von Em il Sinclairs Jugend. F rankfurt a. M.:
Suhrkamp, 1974 [u. ö j . (suhrkam p taschenbuch. 206.)
13 Vgl. Joseph Mileck, »Hermann Hesse und der Osten. Ziel oder
Zweck? Bekehrung oder Ästhetik?«, in: Hermann Hesse und die Reli
gion: die Einheit hinter den Gegensätzen. Berichte und Referate, 6. In
ternationales Hermann-Hesse-Kolloquium in Calw, hrsg. von Fried
rich Bran und Martin Pfeifer, Bad Liebenzell 1990, S. 101.
Siddhartha 59
Symbolik
22 Hugo Ball, »Hermann Hesse und der Osten«, in: Mat. Sid. 2,58 f.
23 GB 4,22. - Musterbeispiele für den rhythmisch psalmodierenden
Stil ist auch das vom Autor gestrichene Kapitel Deii'adetta, das Vol
ker Michels in der ersten handschriftlichen Fassung des Siddhartha-
Manuskripts entdeckt und 1990 erstmals veröffentlicht hat, in: Her
mann Hesse und die Religion (s. Anm. 13) S. 9-16.
"
64 Christian Im mo Schneider
24 Siehe hierzu den Essay von Deba P. Patnaik, »Govinda«, in: Mat. Sid.
2,184-194.
Siddhartha 65
27 Zit. nach: Hermann Oldenberg, Die Lehre der Upanishaden und die
Anfänge des Buddhismus, Göttingen 1915, S. 45.
Siddhartha 67
Internationale Rezeption
33 Siehe hierzu auch die Betrachtung Mein Glaube (1931), in: GW 10,70
bis 10,74.
34 Siehe hierzu die Beiträge von Referenten wie Luise Rinser, Hans
Küng, Joseph Mileck, Friedrich Bran, Martin Pfeifer u. a. m., in: Her
mann Hesse und. die Religion (s. Anm. 13).
Siddhartha 71
Literaturhinweise
Siddhartha. Eine indische Dichtung. Berlin: S. Fischer, 1922. [Erst-
ausg.]
Siddhartha. Ed. by T. C. D unham and A. S. Wensinger. N ew York:
Macmillan, 1962. [Studienausg. D t. Text m it engl. Erl.]
Gesam m elte Werke in zw ölf Bänden. F rankfurt a. M.: Suhrkamp,
1970. 21987. [Zit. als: GW. - Siddhartha in Bd. 5, S. 353-471.]
Siddhartha. Eine indische Dichtung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp,
1975 [u. ö.]. (suhrkam p taschenbuch. 182.)
Böhme, Wolfgang (Hrsg.): Suche nach Einheit. H erm ann H esse und
die Religionen. F rankfurt a. M. 1978.
Cheong, K yung Yang: M ystische Elemente aus West und O st im
W erk H erm ann Hesses. Frankfurt a. M. / Bern [u. a.] 1991.
Field, George Wallis: H erm ann Hesse. K om m entar zu seinen säm t
lichen Werken. Stuttgart 1977. - 2., durchges. und erg. Aufl. 1979.
H erm ann Hesse und die Religion: die Einheit hinter den Gegensät
zen. Berichte und Referate. 6. Internationales H erm ann-H esse-
K olloquium in Calw. Hrsg, von Friedrich Bran und M artin Pfei
fer. Bad Liebenzell 1990.
Hsia, Adrian: H erm ann H esse u nd China. Darstellung, Materialien
und Interpretation. F rankfurt a. M. 1974.
Karalaschwili, Reso: H erm ann Hesse. C harakter und Weltbild.
Frankfurt a. M. 1993.
Michels, Volker (Hrsg.): Materialien zu H erm ann Hesses Siddhar
tha. 2 Bde. Bd. 1: Texte von H erm ann Hesse. Bd. 2: Texte über
Siddhartha. Frankfurt a. M. 1975-76. [Zit. als: Mat. Sid. 1,2.]
Mileck, Joseph: H erm ann Hesse. Dichter, Sucher, Bekenner. Biogra
phie. Aus dem Amerik. übers, von Jutta und T heodor A. Knust.
M ünchen 1978.
Pfeifer, Martin: H erm ann Hesses weltweite W irkung. Internationale
Rezeptionsgeschichte. 2 Bde. Frankfurt a. M. 1977-79.
- H esse-K om m entar zu sämtlichen Werken. M ünchen 1980.
Schneider, Christian Immo: H erm ann Hesse. München 1991.
Unseld, Siegfried: H erm ann Hesse. Werk und Wirkungsgeschichte.
Frankfurt a. M. 1987.
Wege zu H erm ann Hesse. Dichtung, Musik, Malerei, Film. 5. Inter
nationales H erm ann-H esse-K olloquium in Calw, 1988. Hrsg, von
Friedrich Bran und M artin Pfeifer. Bad Liebenzell 1989.
Der Steppenwolf
Psychische Kur im deutschen Maskenball
Von Peter Huber
31 Hans Jürg Lüthi, Hermann Hesse. Natur und Geist, Stuttgart [u. a.]
1970, S. 81.
Der Steppenwolf 91
ist nicht von der Hand zu weisen, daß ein Großteil des my
thischen Sogs des Romans auf das beziehungsreiche Symbol
des >Steppenwolfs< zurückzuführen ist.
Nicht nur in der Erzählstruktur (Vorwort, Tractat)35 sind
Spiegelungen bedeutsam, auch auf motivischer Ebene. Die
Bedeutung des Spiegelmotivs liegt hauptsächlich in der
Symbolisierung reflexiver Selbstwahrnehmung. Ein Blick in
den Spiegel fördert die Selbsterkenntnis, und so ist folge
richtig das Magische Theater auch als Spiegelkabinett ange
legt.36 Die Symbolik erstreckt sich auch auf die Figuren und
ihre Attribute. Hermine trägt, als sie Haller im Schwarzen
Adler anspricht, eine Kamelie im Haar und gibt sich damit
als Dame der Demimonde nach der Art von Dumas’ Kame
liendame zu erkennen. Später kokettiert sie mit ihren an-
drogynen Zügen: »Ist dir noch nicht aufgefallen, daß ich
manchmal ein Knabengesicht habe?« (294), fragt sie Haller,
der in ihr die Züge seines Jugendfreundes Hermann wieder
erkennt. Die »Person« des Autors Hesse bringt sich an dieser
Stelle als Freund seiner »Persona« Haller ein! Hermine stellt
sich im folgenden als weibliche Variante Hermanns - und
damit auch Hallers - dar. Die Schizophrenie, deren sich der
Steppenwolf selbst bezichtigt (267), ist hier symbolisch
durchgeführt. Männliches und weibliches Prinzip, Geist
Motiven in der Menschwerdung Siddharthas und Harry Hallers«, in:
Seminar 5, 1969, S. 129-140; Teilabdr. in: Schwarz, s. Anm. 8, S. 136
bis 139.) Während Enkidu seine Tiernatur verliert, versucht Haller im
Gegenteil, seine Wolfsnatur einzubeziehen. Diese Fehldeutung hat
auch David Artiss übernommen, der nichts dabei findet, sowohl die
Überwindung des Wolfs-Zustands (Individuation) als auch die Auflö
sung der Persönlichkeit als Hallers Weg zur wahren Selbsterkenntnis
zu bezeichnen (D. A., »Key Symbols in Hesse’s Steppenwolf«, in: Se
minar 7, 1971, S. 100).
35 Vgl. hierzu auch Dorrit Cohn, »Erzähltes Bewußtsein im Steppen
wolf«, in: The Germanic Review 44 (1969) S. 121-131; Teilabdr. in:
Schwarz (s. Anm. 8) S. 125-131.
36 Neben den Spezialuntersuchungen von Freedman (s. Anm. 8) und
Artiss (s. Anm. 34) vgl. ferner: Eugene L. Stelzig, Hermann Hesse’s
Fictions o f the Seif, Princeton (New Jersey) 1988, Kap.: The Magic
Mirrors, S. 208-224.
Der Steppenivolf 93
37 »Sie [Hermine] ist der Teil seiner selbst, den er auf der einseitigen Su
che nach >Kultur< versäumt hat zu entwickeln« (Schwarz, s. Anm. 12,
S. 194).
38 Äußerst aufschlußreich für das Verständnis des Steppenivolf ist Hesses
Rezension des Spiegelmensch von 1921 (GW 12,331 f.).
39 Vgl. Peter Huber, Hermann Hesse und das Theater; Würzburg 1991,
S. 217 f.
40 »Hermine ist ja kein Mädchen aus Berlin oder Zürich, sondern ein
Seelenbild, ein Stück Magie, mit dessen Hilfe Harry sich noch einmal
rettet«, hat Hesse selbst bekannt. (Zit. nach: Friedrich Voit, Hermann
Hesse. Der Steppenivolf, Stuttgart 1992, S. 41.)
94 Peter Huber
48 »Wir können nichts dafür und sind doch verantwortlich. Man wird
geboren, und schon ist man schuldig. Sic müssen einen merkwürdigen
Religionsunterricht genossen haben, wenn Sie das nicht wußten.«
(401) Vgl. dazu im Neuen Testament: Rom. 5,12-21.
49 Zit. nach: Aniela Jaffc, C. G. Jimg, Bild und Wort, Ohcn 1983, S. 233.
Der Steppenwolf 97
60 Vgl. das »homerische Gelächter«, benannt nach den Stellen Ilias 1,599
und Odyssee VIII,326 und XX,346.
61 Mephistopheles spielt darauf an, wenn er im Prolog im Himmel
{Faust) zu Gott sagt: »Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen, /
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.«
62 Zur Melancholiekritik der Klassik vgl. Dieter Borchmeyer, Macht und
Melancholie. Schillers Wallenstein, Frankfurt a. M. 1988.
63 In seiner Studie »Music and Morality in Thomas Mann and Hermann
Hesse« (in: University o f Toronto Quarterly 24, 1955, S. 175-190,
Wiederabdr. in: Hesse. A Collection o f Critical Essays, ed. by Theo
dore Ziolkowski, Englewood Cliffs, New Jersey 1973, S. 94-111) hat
G. W. Field die Rolle der Musik in Hesses und Thomas Manns Roma
nen untersucht und auch den Begriff der Heiterkeit besprochen
(S. 103 f.). Der wesentliche Bezug zur Melancholie-Tradition fehlt
Der Steppenwolf 103
75 Nachwort zum Steppenwolf der Ausgabe von 1941; zit. nach: Mat.
Step., 160.
76 Eine andere, wenngleich im Ansatz verfehlte Deutungsmöglichkeit
wäre die einer Selbstzerstörung. Vgl. Klaus von Seckcndorff, Her
mann Hesses propagandistische Prosa. Selbstzerstörerische Entfaltung
als Botschaft in seinen Romanen vom »Demian« bis zum »Steppen
w o l f Diss. Bonn 1982.
77 Brief an M. K., Januar 1933; zit. nach: Mat. Step., 149 f.
Der Steppenwolf 109
80 Brief an Martin Bodmer, 5. April 1936; zit. nach: Mat. Step., 151.
81 Vgl. Michels (s. Anm. 69).
82 Insofern das Bürgertum der Weimarer Republik aus ähnlichen Skru
peln seine Solidarisierung versäumte, läßt sich der Steppenwolf als
»Krise des bürgerlichen Bewußtseins« deuten (Otfried Hoppe, »Her
mann Hesse: Der Steppenwolf. Die Krise des bürgerlichen Bewußt
seins«, in: Jakob Lehmann (Hrsg.), Deutsche Romane von Grimmels
hausen bis Walser. Interpretationen fü r den Literaturunterricht,
2. Aufl., Frankfurt a. M. 1983, Bd. 1, S. 177-193). Allerdings trägt eine
historische Analyse des Bürgertums zum Verständnis des Romans
nicht so viel bei wie eine historische und literarhistorische Berücksich
tigung der Weimarer Republik. Die Gefahr jenes Interpretationsansat
zes ist die implizite Verwechslung des Autors - nach eigener Einschät
zung ein Nichtbürger - mit seiner Figur, dem Halbbürger Haller.
Diese Methodik ist besonders offenkundig bei Böttger (s. Anm. 72),
der die versagte Lösung des Steppenwolf-Problems letztlich der be
grenzten Erkenntnisfähigkeit von Hesses spätbürgerlichem Denken
zuschreibt. Den historischen »Wandel vom Individualismus zur
Gruppensolidarität, vom bürgerlich-liberalen zum Massenzeitalter«
deutet Dieter Mayer (s. Anm. 70) S. 206 an, bleibt aber die Ausfüh
rung schuldig.
Der Steppenwolf 11 \
Literaturhinweise
D er Steppenwolf. Berlin: S. Fischer, 1927.
Gesammelte Briefe. In Zsarb. m it H einer Hesse hrsg. von Ursula
und Volker Michels. 4 Bde. F rankfurt a. M.: Suhrkam p, 1973-86.
[Zit. als: GB.]
Gesam m elte Werke in zw ölf Bänden. F rankfurt a. M.: Suhrkam p,
1987. (suhrkam p taschenbuch. 1600.) [Zit. als: GW. - D er Steppen
w o lf in Bd. 7, S. 181-413.]
D er Steppenwolf. Erzählung. Frankfurt a. M.: Suhrkam p, 1974
[u. ö.] (suhrkam p taschenbuch. 175.)
Allemann, Beda: Tractat vom Steppenwolf. In: Mat. Step. S. 317 bis
324.
Berendt, Joachim Ernst: M ozart ist Pablo. In: Ü ber H erm ann Hesse.
Bd. 2: 1963-1977. Hrsg, von Volker Michels. F rankfurt a. M.
1977. S. 276-285.
Carlsson, Anni: Z ur Geschichte des Steppenwolfsymbols. In: Mat.
Step. S. 377-381.
Esselborn-Krum biegel, Helga: H erm ann Hesse, D er Steppenwolf.
2., überarb. und erg. Aufl. München 1988.
Freedm an, Ralph: Person and Persona: The Magic M irrors of Step
penw olf. In: Hesse. A Collection of Critical Works. Ed. by T heo
dore Ziolkowski. Englewood Cliffs (N ew Jersey) 1973. S. 153 bis
179. Teilabdr. in: Egon Schwarz (Hrsg.): H erm ann Hesses »Step
penwolf«. Königstein i. Ts. 1980. S. 131-134.
H oppe, Otfried: H erm ann Hesse: D er Steppenwolf. In: Jakob
Lehm ann (Hrsg.): Deutsche Rom ane von Grim melshausen
bis Walser. Interpretationen für den L iteraturunterricht. Bd. 1:
Von Grimmelshausen bis J. Roth. 2. Aufl. F rankfurt a. M. 1983.
S. 177-193.
H uber, Peter: H erm ann Hesse und das Theater. W ürzburg 1991.
Jansen, Peter: Personalität und Hum or. Hesses Steppenw olf und
112 Peter Huber
1 Brief vom 23. Mai 1930, zit. nach: Hermann Hesse. Stationen seines Le
bens, des Werkes und seiner Wirkung, Katalog der Gedenkausstellung
zum 100. Geburtstag im Schiller-Nationalmuseum, hrsg. von Bernhard
Zeller, München 1977, S. 230.
2 Ebd.
114 Egon Schwarz
diese Brüste streicheln!«, 191); und solche, die sich ihm ent
ziehen wie in ihrem Gram die Jüdin Rebekka oder die bei
den Ritterstöchter Lydia und Julie, die zwar nach dem
schönen Jungen schmachten, aber aus Standesdünkel und
Standesmoral sich und ihm die letzte Erfüllung verweigern.
Doch auch ein solcher Verzicht hat seinen Wert für den in
dieser Freud-Leid-Landschaft herumtaumelnden Kavalier
Goldmund. »Es brachte Leiden, solche Frauen zu lieben«,
überlegt er sich. »Aber eine Weile schien es ihm so, als
habe er niemals eine andere geliebt als diese beiden, die
arme ängstliche Lydia und die scheue bittere Jüdin« (230).
Man ist hier an einen Ausspruch des in Liebesdingen
versierteren, tiefer blickenden und ironischer urteilenden
Arthur Schnitzler erinnert: Ungetrübte Erinnerungen gibt
es eigentlich nur an versäumte Gelegenheiten.
Wie dem auch sei, all diese Geliebten Goldmunds und noch
manche mehr gehören zur mütterlichen Welt, sind Expo-
nentinnen einer letztlich amoralischen, sensuellen Welt, die
schön und grauenhaft zugleich ist. Am Ende ist Goldmund
alt, müde und ausgebrannt, die Flamme der Kunst, die
ebenfalls in der sinnlichen Sphäre beheimatet ist, und die
Flamme der Liebe sind gleichzeitig erloschen. Nun hat er
die keuschen Mädchen, die er vergebens begehrt hat, verges
sen, und im Rückblick faßt er seine Erlebnisse so zusam
men: »die Frauen haben es mir leicht gemacht, dort meine
Lust zu finden, sie sind so willig und gierig« (315). Dies ist
Wunschdenken, eine Männerphantasie, nicht auf Gold
mund beschränkt. Hier wird ausgelebt, was dem Leser
im Magischen Theater des Steppenwolf nur vorgegaukelt
wurde: Alle Mädchen sind dein. Den sterbenden Goldmund
reut aber schon, was er eben über die Frauen, denen er so
viel verdankt, gesagt hat, und so fügt er hinzu: »Doch
möchte ich ja nicht verächtlich von ihnen sprechen und auch
nicht von der Sinnenlust, ich bin oft sehr glücklich gewesen.
Und ich habe auch das Glück gehabt zu erleben, daß
die Sinnlichkeit beseelt werden kann. Daraus entsteht die
124 Egon Schwarz
und so viel schöne arme Fische aus dem Fluß gezogen wur
den!« (192) So ereifert sich Goldmund am Ende der seßhaf
ten Zeit, während welcher er sein Kunsthandwerk erlernt
und ausgeübt hat. Und nun bietet ihm sein Meister zu allem
Überfluß eine Partnerschaft und die Fland seiner schönen
Tochter Lisbeth an. Zur tiefen Demütigung des Mädchens
und erbitterten Enttäuschung des Vaters schlägt Goldmund
dieses doppelte Anerbieten aus. Schon längst hat er Meister
Niklaus in seinem Fierzen dafür getadelt und ein wenig
verachtet, daß er nicht nur Kunstwerke schuf, die »brannten
wie Sonne und Gewalt hatten wie Stürme«, sondern um
der bürgerlichen Behaglichkeit und Gewinnsucht willen
»Werke, die bei aller Anmut der Erfindung und Sorgfalt der
Arbeit doch eben nur Spielereien waren« (170). Der Leser
kann sich tausendmal sagen, daß Goldmund für das bürger
liche Leben nicht geschaffen, daß er ja gar keine realistische,
im wirklichen Leben anzutreffende Gestalt ist, sondern eine
Idealfigur, ein bis ins letzte gesteigertes Prinzip. Aber er
kann trotz dieser Einsicht die Frage nicht vermeiden, was
denn die Alternative zum bürgerlichen Leben sei und auf
welche Weise die Kunst in seiner jetzigen Gesellschaft am
besten überleben könne. Auf solche Fragen gibt der Roman
keine Auskunft und braucht es nach seiner ganzen Anlage
als idealistisch-allegorisches Märchen auch nicht. Im Step
penwulf war bei aller Phantasmagorie doch von Gicht und
Alkoholismus die Rede, von den sexuellen Nöten des al
ternden Intellektuellen, der Notwendigkeit, sich in einer
von Jazz und Halbwelt geprägten Gesellschaft zurechtzu
finden, von den Schäden einer wildgewordenen Technik,
von Chauvinismus und Kriegstreiberei; in Narziß und
Goldmund fehlen analoge Aspekte. Dieser Roman spielt
zwar nicht in einer problemlosen, aber doch eben in einer
fiktiven vorindustriellen Welt - diese erzählerische Prä
misse sollte der Leser nicht außer acht lassen.
Narziß und Goldmund 131
Literaturhinweise
N arziß und Goldm und. Erzählung. Berlin: S. Fischer, 1930. [Erst-
ausg.]
Gesam m elte Werke in zw ölf Bänden. F rankfurt a. M.: Suhrkam p,
1987. (suhrkam p taschenbuch. 1600.) [N arziß un d G oldm und in
Bd. 8, S. 5-320.]
N arziß u nd G oldm und. E rzählung. F rankfurt a. M.: Suhrkam p,
• 1975 [u. ö.]. (suhrkam p taschenbuch. 274.)
10 Ebd., S. 34-38.
11 Ebd., S. 89.
12 Ebd., S. 105.
13 Friedrich Schlegel, Charakteristiken und Kritiken /, hrsg. von Hans
Eichner, München/Paderborn/Wien 1967, S. 363 ff.; dazu: Willy Mi
chel, Ästhetische Hermeneutik und frühromantische Kritik, Göttingen
1982, S. 240 ff.
Das Glasperlenspiel 137
Die Lebensläufe
selbst findet: »er sei mir von Gott zugesandt, um ihn und
mit ihm mich selbst zu erkennen und zu heilen« (568). In
dieser Imaginationsübung wird also das Verhältnis zwi
schen Designori und Knecht vorweg gespiegelt.
Der »Indische Lebenslauf« ermöglicht zunächst eine Auf
spaltung und Vervielfachung personaler Projektionsteile auf
der Götter- und Dämonenebene, insbesondere im Zusam
menhang von Rama und Vishnu (570-574). Der Wunsch
des Protagonisten Dasa, den »Ehrwürdigen« nachzuahmen
und selber ein »Yogin« zu werden, verweist religionsver
gleichend auf jene mittelalterliche imitatio und in der Leh
rerreihe Kastaliens auf den Musikmeister. Dasa durchläuft
als einzelner die Zielvorstellungen, die sich auf der Ebene
der zwei Welten und ihrer Repräsentanten Designori und
Knecht erst wieder aufeinander zu bewegen: er ist »ein
Prinz gewesen, ein Hirte geworden, [. . .] und endlich wie
der zum Fürsten emporgestiegen« (596). Die Lösung, daß
er zuletzt doch wieder zum Yogin zurückkehrt, um die
»endlose Bilderschau zum Stehen zu bringen und auszu
löschen« (612), verweist auf das Nirwana und stellt den kul
turphilosophischen Gegensatz zum geschichtsdynamischen
und pädagogischen Eingreifen Knechts heraus. Insofern gilt
zuletzt im übertragenen Sinne, was in dieser Übung noch
eine einfachere Bedeutung hatte: daß ein »Rückfall in frü
here Zustände und Lebensstufen« (587) ausgeschlossen
bleiben müsse.
I
162 Willy Michel und Edith Michel
43 Ebd., Bd. 2, S. 104, Fr. 3181, S. 120, Fr. 387; Bd. 1, S. 233.
44 Ebd., Bd. 1, S. 334, Fr. 91; S. 288.
45 Ebd., Bd. 2, S. 51, Fr. 149; S. 477, Fr. 1775.
46 Ebd., Bd. 3, S. 114, Fr. 2173.
47 Ebd., Bd. 2, S. 450, Fr. 1695; Bd. 3, S. 134, Fr. 2274; Bd. 2, S. 384,
Fr. 1445. Vgl. dazu Willy Michel, »Der >innere Plural' in der Herme
neutik und Rollentheorie des Novalis«, in: Die Aktualität der Friihro-
mantik, hrsg. von Ernst Behler und Jochen Hörisch, Paderborn 1987,
S. 33 ff.
Das Glasperlenspiel 163
Literaturhinweise
Das Glasperlenspiel. Versuch einer Lebensbeschreibung des Magi
ster Ludi Josef Knecht sam t Knechts hinterlassenen Schriften.
Herausgegeben von H erm ann Hesse. Zürich: F retz & Wasmuth,
1943. [Erstausg.]
Gesammelte Werke in zw ölf Bänden. F rankfurt a. M.: Suhrkamp,
1987. (suhrkam p taschenbuch. 1600.) [Das Glasperlenspiel in
Bd. 9.]
Das Glasperlenspiel. Versuch einer Lebensbeschreibung des Magi
ster Ludi Josef Knecht sam t Knechts hinterlassenen Schriften.
Frankfurt a. M.: Suhrkam p, 1972 [u. ö.]. (suhrkam p taschenbuch.
79.)
1. W erkausgaben, Briefe
2. Bibliographien
H elm ut Waibler: H erm ann Hesse. Eine Bibliographie der Werke
über H . H . Bern/M ünchen. 1962.
O tto Bareiss: H erm ann Hesse. 2 Tie. Basel 1962-64.
M artin Pfeifer: H erm ann-H esse-Literatur. Jg. 1 ff. H anau 1964 ff.
- H erm ann-H esse-B ibliographie. Primär- und Sekundärschrifttum
in Auswahl. Berlin 1973.
Joseph Mileck: H erm ann Hesse. Bioeraphy and bibliography. 2 Bde.
Berkeley [u. a.] 1977.
3. F o rsch u n g sliteratu r
Ball, Hugo: H erm ann Hesse. Sein Leben und sein Werk. Berlin
1927. - Neuausg. F rankfurt a. M. 1977.
Baumann, Günter: H erm ann Hesses E rzählungen im Lichte der
Psychologie C. G. Jungs. Rheinfelden 1989.
— D er archetypische Heilsweg. H erm ann Hesse, C. G. Jung und die
W eltreligionen. Rheinfelden 1990.
170 Bibliographische Hinweise
Khera, Astrid: H erm ann Hesses Romane der K risenzeit in der Sicht
seiner Kritiker. Bonn 1978.
Koester, Rudolf: H erm ann Hesse. Stuttgart 1975. (Sammlung M etz
ler. 136.)
Lämmert, Eberhard: H erm ann Hesse - Einzelgänger für Millionen.
In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 21 (1977) S. 533
bis 542.
Lüthi, Hans Jürg: H erm ann Hesse. N atu r und Geist. Stuttgart 1970.
Mendelssohn, Peter de: Von deutscher Repräsentanz. München
1972.
Michels, Volker (Hrsg.): Ü b er H erm ann Hesse. 2 Bde. F rankfurt
a. M. 1976-77.
Mileck, Josef: H erm ann Hesse. Dichter, Sucher, Bekenner. Bio
graphie. Aus dem Amerikan. übers, von Jutta und T heodor A.
Knust. M ünchen 1979. - Neuausg. Frankfurt a. M. 1987.
Pfeifer, Martin (Hrsg.): H erm ann Hesses weltweite W irkung. Inter
nationale Rezeptionsgeschichte. 3 Bde. F rankfurt a. M. 1977-91.
- H esse-K om m entar zu sämtlichen Werken. München 1980.
Schneider, Christian Immo: Das Todesproblem bei H erm ann Hesse.
M arburg a. d. Lahn 1973.
- H erm ann Hesse. München 1991.
Stolte, Heinz: H erm ann Hesse. Weltscheu und Lebensliebe. H am
burg 1971.
Unseld, Siegfried: H erm ann Hesse - Werk- und W irkungsge
schichte. F rankfurt a. M. 1985. - Taschenbuchausg. 1986.
Völker, Ludwig: H erm ann Hesse. In: Deutsche Dichter. H rsg, von
G unter E. G rim m und Frank Rainer Max. Bd. 7: Vom Beginn bis
zur M itte des 20. Jahrhunderts. S. 102-117.
Wege zu H erm ann Hesse. Dichtung, Musik, Malerei, Film. 5. Inter
nationales H erm ann-H esse-K olloquium in Calw, 1988. Hrsg, von
Friedrich Bran und Martin Pfeifer. Bad Liebenzell 1989.
Zeller, Bernhard: H erm ann Hesse in Selbstzeugnissen und Bild
dokum enten. Reinbek bei H am burg 1963 (u. ö.; N eubearb. der
Bibliographie 1990]. (row ohlts m onographien. 85.)
Ziolkowski, Theodore: The Novels of H erm ann Hesse. A Study in
Them e and Structure. Princeton 1965.
- (Hrsg.): H erm ann Hesse. A Collection of Critical Essays. Engle-
wood Cliffs 1973.
- D er Schriftsteller H erm ann Hesse. W ertung und N eubew ertung.
Aus dem Amerikan. von U rsula Michels-Wenz. Frankfurt a. M.
1979.
1
I
Die Autoren der Beiträge
H e l g a E s s e i . iio k n K iu jm b ie g e l
G eboren 1947. Snulium der Germ anistik, Anglistik und Kom parati
stik in München, Bristol (England), Köln und Bonn. Dr. phil. Lehr
beauftragte an der Universität Köln.
Publikationen: 1)er Held im Rom an. Form en des deutschen E nt
wicklungsromans im frühen 20. Jahrhundert. 1983. - H erm ann
Hesse: P er Steppenwolf. Interpretationen für Schule und Studium.
1985. - 11ermann Hesse: D em ian - Unterm Rad. Interpretationen
für Schule und Studium. 1990. - Erläuterungen und Dokum ente:
Herm ann I Icsse, Dem ian. 1991. - Aufsätze zur symbolistischen
Lyrik, zum Bildungsroman, zur m odernen A utobiographie und zu
H erm ann I Icsse.
P eter 1Iuber
Gebot en 1954. Studium der Theaterwissenschaft, G erm anistik, M u
sikwissenschaft und Inform atik in München. Dr. phil. Wiss. M it
arbeiter an der U niversität Heidelberg.
Publikationen: H erm ann Hesse und das Theater. 1991. - (Mithrsg.)
Goethe. Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. 1985.
1988. 1993. - (Mitarb.) Goethe. Werke. 1992. - Aufsätze zu den
Themen Goethe, G elehrtenrepublik, Genie.
E d it h M ic h e l
G eboren 1955. Studium der G erm anistik, Rom anistik und Anglistik
in M annheim. Ph. D. / Dr. phil. Professeur d ’Allemand an der U ni-
versite de H aute Alsace, Mulhouse.
Publikationen: (Mit W. Michel) Gottfried Kellers D er Landvogt von
Greifensee. Text- und Filmanalyse. 1987. - Aufsätze zu Martin Wal
ser, Volker Braun, Botho Strauss, Peter H andke, zu A utoren des
nouveau roman, zu Novalis, Schleiermacher, Friedrich Schlegel, H a
bermas, Gadamer, zu Modellen der interpersonellen W ahrnehm ung
in Sozialpsychologie, P hilosophie und Literatur.
174 D ie A u to re n d er B eiträge
W il l y M i c h e l
G eboren 1941. Studium der Philosophie, G erm anistik, Geschichte
und Pädagogik in Saarbrücken und Freiburg. Dr. phil. Professor am
Institut fü r Deutsche Sprache und Ältere L iteratur und D irektor des
Arbeitsbereichs Deutsch als Frem dsprache an der U niversität Frei
burg i. Br.
Publikationen: G eorg Lukäcs’ Realismus. D as F rühw erk. Bd. 1: Die
Essayistik. 1971. Bd. 2: Die Gattungsästhetik. 1972. - D ie Aktualität
des Interpretierens. H erm eneutische Zugänge zu Lessing, Lenz,
F. Schlegel, Fontane, Kafka, Frisch, Bachmann, H andke, Weiss,
H ärtling. 1978. - Ästhetische H erm eneutik und frührom antische
Kritik. Friedrich Schlegels fragmentarische E ntw ürfe, Rezensionen,
Charakteristiken und Kritiken. 1981. - (M it E. Michel) Gottfried
Kellers D er Landvogt von Greifensee. Text- und Filmanalyse. 1987.
- Aufsätze zu Sozialen Innovationen der Frühindustrialisierung, zur
M edienherm eneutik, zu r Frem dsprachenphilologie, zu Kierkegaards
Wirkungsgeschichte, zu interpersonellen W ahrnehm ungen bei G oe
the, zu r M edieninterrelation und M edienpädagogik, zur Rolle des
A utors, zu r Rollendistanz des Erzählers, zu Frem dw ahrnehm ungen
in der Literatur, zu r Reiseliteratur von Förster bis G oethe, zur Ein
schätzung von Intelligenztypen bei Förster und Novalis, zu Gada-
m er und A dorno, zum Kategorientransfer, zur Interkulturellen H er
meneutik.
M ic h a e l M ü l l e r
G eboren 1950. Studium der Anglistik und G erm anistik in Köln.
Dr. phil. M itarbeiter der Kritischen Kafka-Ausgabe.
Publikationen: Franz Kafka: Relazioni. 1988. - Franz Kafka: Der
Proceß. In: Romane des 20. Jahrhunderts. Bd. 1. 1993. - (Mithrsg.)
Franz Kafka: Briefe an Milena. 1986. - (Mithrsg.) Franz Kafka: Ta
gebücher. 1990. - Aufsätze zu Franz Kafka, H ugo von H ofm anns
thal, D orothea Schlegel, G ottfried August Bürger, Leo Perutz.
C h r i s t ia n I m m o S c h n e id e r
G eboren 1935. Studium der Germ anistik, Musik, Philosophie in
Freiburg i. Br., Heidelberg, M ünchen, Tübingen, Yellow Springs
(O hio), Santa Barbara (Kalifornien), Ellensburg (Washington).
Die Autoren der Beiträge 175
E g o n Sc h w a r z
G eboren 1922. Studium der Rom anistik und G erm anistik. PhD.
Rosa M ay Distinguished U niversity Professor in the Hum anities,
W ashington University, St. Louis.
Publikationen: H ofm annsthal und Calderon. 1962. - Das ver
schluckte Schluchzen. Poesie und Politik bei Rainer Maria Rilke.
1972. (Engl. 1982.) - Joseph von Eichendorff. 1972. - Keine Zeit für
Eichendorff. C h ronik unfreiwilliger Wanderjahre. >Eine A utobio
graphien 1979. Erw. N euaufl. 1992. - Dichtung, Kritik, Geschichte.
Essays zu r L iteratur 1900-1930. 1983. - L iteratur aus vier Kulturen.
Essays und Besprechungen. 1987. - H erm ann Hesse: D er Steppen
wolf. In: Romane des 20. Jahrhunderts. Bd. 1. 1993. - (Hrsg.) N ation
im W iderspruch. 1963. - (Mithrsg.) Verbannung. Aufzeichnungen
deutscher Schriftsteller im Exil. 1964. - (Mithrsg.) Exil und Innere
E m igration II. 1973. - (Hrsg.) H erm ann Hesses Steppenw olf in wir
kungsgeschichtlichen Zeugnissen. 1980. - Zahlreiche Aufsätze und
Rezensionen zu r europäischen und amerikanischen L iteratur in
Sammelbänden, Zeitschriften und Zeitungen.
Interpretationen
IN RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK