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BSc Geowissenschaften – TUM und LMU

Blockkurs 22. bis 26. März 2010

Einführung in die
Hydrogeologie
Nico Goldscheider

Ab April 2010:
Fachgebiet Hydrogeologie und Geothermie

Grundwasser und Quellen

Quelle im Wettersteingebirge, Bayern (Foto: N. Goldscheider)

Grundwasser fließt im Verborgenen; an Quellen tritt es natürlich zutage.


2

1
Quellen und Trinkwasserversorgung

Durch Bohrungen gefasste Quelle bei Yverdon, Schweiz (*). Hier wird
nicht gepumpt, sondern das Quellwasser tritt von alleine aus.

Grundwasser und Quellen sind wichtig für die Trinkwasserversorgung.


Dazu leisten Hydrogeologen einen wesentlichen Beitrag.
(*) Fotos und Abb. ohne anderweitige Referenz: Nico Goldscheider 3

Grundwasser aus Bohrbrunnen

Bohrbrunnen, der einen tiefen, artesischen (= unter Überdruck stehenden)


Grundwasserleiter erschließt, Portugal

Aus Brunnen aller Art kann Grundwasser entnommen werden. Brunnen


sind auch zentral wichtige Beobachtungspunkte für die Hydrogeologie.
4

2
Brunnen und Grundwassererschließung
unter einfachereren Verhältnissen

Trinkwasserbrunnen im Zentrum einer chinesischen Stadt

• Die Bauweise eines Brunnens ist entscheidend für den Schutz des
Trinkwassers vor Schadstoffeinträgen.
• Verschmutztes Straßenablaufwasser darf nicht in den Brunnen gelangen.
5

Thermalwasser und Geothermie

Thermalbad in Budapest, Ungarn

• Thermal- und Mineralwasser aus Quellen und Bohrbrunnen wird für


Bäder und zum Trinken verwendet.
• In der Geothermie wird heißes Grundwasser zum Heizen und zur
Stromerzeugung genutzt.
6

3
Grundwasser und Massenbewegungen

Durch Bergsturz aufgestauter See nahe des Yellowstone Nationalparks, USA

• Wasser / Grundwasser ist ein entscheidender Faktor bei der


Auslösung von Massenbewegungen aller Art.
• Massenbewegungen beeinflussen Grund- und Oberflächenwasser.
7

Gliederung der Vorlesung


1. Grundbegriffe
2. Grundwasser als Teil des Wasserkreislaufs
3 Korngröße,
3. K öß P Porosität
ität undd unterirdisches
t i di h Wasser
W
4. Gesetz von Darcy und hydraulische Leitfähigkeit
5. Hydraulische Typisierung von Grundwasserleitern
6. Brunnen und Pumpversuche
7 Strömungsfelder und regionale Grundwasserströmung
7.
8. Grundwasser-Gesteins-Wechselwirkungen
9. Kontaminationsprobleme und Grundwasserschutz
10. Empfohlene Literatur und Internet-Seiten
8

4
1. Grundbegriffe
Hydrogeologie, Grundwasser und
Grundwasserleiter

Source de la Loue, eine der größten Karstquellen Frankreichs


9

Was ist Hydrogeologie? (hydrogeology)


• Wissenschaft vom Grundwasser (GW): Vorkommen,
Bewegung und Qualität des unterirdischen Wassers.
• Interdisziplinär: Hydrologie (Wasser) und Geologie
(Sedimente, Gesteine, Strukturen)
• Angewandte Wissenschaft: Trinkwasser für Menschen,
Wasser für Landwirtschaft und Industrie, Rolle des
GW bei Bauvorhaben, Rutschungen, etc.
• Quantität und Qualität des Grundwassers.
 Daher sind hydrologische, geologische, mathematisch-
physikalische, technische und chemisch-
mikrobiologische Kenntnisse unverzichtbar.
10

5
Grundwasser und Grundwasserleiter

• Grundwasser (groundwater): Unterirdisches Wasser,


das Hohlräume zusammenhängend ausfüllt und dessen
Bewegung durch die Schwerkraft bestimmt wird.
• Grundwasserleiter (GWL) (≈ aquifer): geologischer
Körper (Sediment oder Gestein), der geeignet ist GW
zu speichern und weiterzuleiten.

Anmerkung: Der englische Begriff Aquifer und der deutsche Begriff GWL sind
keine exakten Synonyme! Aquifer: geologischer Körper, der tatsächlich GW
enthält. Trotzdem wird der Begriff auch im Deutschen oft verwendet.

11

Gesättigte und ungesättigte Zone


a) Gesättigte Zone (saturated zone): Hohlräume sind
vollständig mit Wasser gefüllt; Zweiphasensystem: flüssig
((Grundwasser)) und fest ((Mineralkörner, Gestein).
)
b) Ungesättigte Zone (unsaturated zone): Hohlräume sind
nur teilweise mit Wasser gefüllt; Dreiphasensystem:
flüssig, fest und gasförmig (Bodenluft, Grundluft).

a) b)
Mineralkörner
Wasser
Gundluft

12

6
Blockbild: Gesättigte und ungesättigte Zone

Geländeoberfläche

Bodenwasser

a Kapillarsaum

freie Grund-
b wasseroberfläche

Grundwasser

UK Groundwater Forum, ergänzt


a) Sickerwasser: bewegt sich vertikal abwärts
b) Grundwasser: laterale Wasserbewegung
13

Blockbild eines Grundwasserleiters

ungesättigte Zone

GwOberfläche

gesättigte Zone

Fetter (2001)

• Der „Basisabfluss“ von Flüssen stammt meist aus dem


Grundwasser, teils aus Quellen, meist eher diffus.
• Umgekehrt dienen Flüsse oft als „Vorfluter“ (Drainage) für die
angrenzenden Grundwasserleiter. 14

7
Drei Typen von Hohlräumen
 drei Typen von Grundwasserleitern

a) Intergranulare Poren zwischen den Mineralkörnern von


Lockersedimenten  Porengrundwasserleiter
b) Klüfte in Festgesteinen  Kluftgrundwasserleiter
c) Lösungshohlräume (Höhlen, Röhren, Spalten) in
Kalkstein o.ä.  Karstgrundwasserleiter.
a) b) c)

100 µm – dm dm – 10 m dm – 100 m
15

Porengrundwasserleiter

Fetter (2001)

• Poren-GWL
Poren GWL bestehen aus Lockersedimenten wie Sand oder
Kies (Schweiz: Lockergesteins-GWL).
• Sehr gute Grundwasserleiter: oft hohe Porosität und damit
hohe Ergiebigkeit, sowie gute natürliche ‘Filterwirkung’.
• Englisch: alluvial aquifer, porous aquifer, unconsolidated
aquifer, sand-and-gravel aquifer, granular aquifer, etc. 16

8
Porengrundwasserleiter

Oberflächenwasser

Blaue Gumpe, Reintal, Wettersteingebirge (Foto: N. Goldscheider)


17

Kluftgrundwasserleiter
(fractured / fissured aquifers)
• Geklüftete Festgesteine, wie Sandstein oder Basalt.
• Wichtig für Grundwasserbewegung: Öffnungsweite,
Häufigkeit und räumliche Orientierung der Klüfte.

Kluftquelle bei Grindelwald, Schweizer Alpen


18

9
Besonders ergiebige Kluftgrundwasserleiter: Basalt

Geklüfteter Basalt (= abgekühlte und erhärteter Lavastrom), Auverne, Frankreich


19

Karstgrundwasserleiter (karst aquifers)


Club Jurassien 1998

• Karstgrundwasserleiter bilden sich in Kalkstein, Dolomit und


anderen chemisch löslichen Gesteinen.
• Ein Teil der Klüfte ist zu Spalten und Höhlen erweitert.
20

10
Grundwasserneubildung und
Wasserbewegung im Karst
Oft rasche Infiltration von Regen- oder
Schmelzwasser in offene Spalten (Alpen)

Turbulente Strömung in Höhlen (Jura, Schweiz)


Fotos: N. Goldscheider / R. Wenger 21

Grundwassergeringleiter und -nichtleiter

• GwGeringleiter (aquitard, aquiclude): geologische


Formation, die im Vergleich zu benachbarten Formationen
gering
i wasserdurchlässig
d hlä i ist it
(z.B. lehmiger Sand, gering geklüftete Mergel).
• GwNichtleiter (aquifuge): Formation, die als
wasserundurchlässig betrachtet werden kann*
(z.B. Ton, nicht geklüfteter Granit, Salz).
• GwGering
GwGering- und -nichtleiter
nichtleiter können verschiedene GwLeiter
voneinander abgrenzen: GwStockwerke.

* es gibt keine absolut wasserundurchlässigen Gesteine


22

11
Grundwasserleiter
(Konglomerat)

GW-Geringleiter (tonige Mergel)

23

System mit mehreren Grundwasserstockwerken


(multi-aquifer system)

Einfachster Fall: mehrere GwLeiter sind durch Nichtleiter


vollständig voneinander getrennt. Quellen an Schichtgrenzen.

1. Stockwerk

2. Stockwerk

3. Stockwerk

Matthess & Ubell (1983)

immer von oben nach unten durchzählen!!! 24

12
2. Grundwasser als Teil des
Wasserkreislaufs

Gletscher, Schnee und Grundwasseraustritte am Mount Rainier, USA (Foto: N. Goldscheider)


25

2.1 Globale Wasserressourcen


und Wasserkreislauf

Meerwasser -
Salzwasser: 97 %

Grundwasser: gewisser
natürlicher Schutz gegen
Schadstoffeinträge; relativ
geringe Schwankungen der
Gletscher - Eis: 2,14 % Menge und Qualität.

Grundwasser: 0,61 % ca. 98 % der relativ leicht verfügbaren


Flüsse und Seen: 0,01 % Süßwasserreserven sind Grundwasser

Bodenwasser: 0,005 %
Atmosphäre: 0,001 %

C.W. Fetter (2001) – Zahlenangaben sind eher Schätzungen bzw. Größenordnungen 26

13
Globale Wasserressourcen (UNEP)

Vital Water Graphics


(UNEP)
27

Vergleich der globalen Wasserressourcen (1)

28

14
Vergleich der globalen Wasserressourcen (2)

Keller (2000)

Man beachte die großen Unterschiede hinsichtlich des geschätzten


Grundwasservolumens! Gründe: 1. Porositäten sind schwer
abzuschätzen. 2. Grundwasser bis zu welcher Tiefe?
29

Verweilzeiten des Grundwassers

Von Wochen (oder nur Stunden) bis hin zu Jahrtausenden oder länger!

UK Groundwater Forum 30

15
Globaler Wasserkreislauf

Keller (2000) 31

Globaler geologischer Kreislauf: Plattentektonik

Keller (2000)

Bei all diesen Prozessen ist Wasser beteiligt, z.B. wird Wasser an
Subduktionszonen in die Tiefe befördert, trägt dort zu
Schmelzprozessen bei und gelangt durch Vulkanismus wieder an die
Oberfläche. Auch das ist Hydrogeologie und Wasserkreislauf! 32

16
Wasserkreislauf, schematisch

Fetter (2001)

Grundwasser ist Teil des


globalen Wasserkreislaufs!
33

Globaler Wasserkreislauf – quantitativ

Komponenten des Wasserkreislaufs mit Prozessen, Flüssen und


Speichern. Zahlenwerte in 1000 km³ pro Jahr.
Scharze Zahlen: Messwerte, Rote Zahlen: Modellrechnung.
Quelle und Copyright: Jörg Dietrich, Braunschweig, www.hydroskript.de 34

17
Wasserbilanzen verschiedener Kontinente
Vital Water
Graphics, UNEP

35

Tabelle: Wasserbilanzen der Kontinente


Keller (2000)

* München ist ungefähr europäischer Durchschnitt (natürlich nur rein klimatisch betrachtet)
36

18
Grundwasser als Teil
des kontinentalen
Wasserkreislaufs

Freeze & Cherry (1979) 37

Verdunstung aus dem


Grundwasser?
• Verdungstung aus Grundwasser ist
möglich, durch kapillaren Aufstieg von
Grundwasser und durch Pflanzen
• Letzteres wird begünstigt durch:
 Geringen Grundwasserflurabstand*
 Tiefwurzelnde Pflanzen
 Trockenes Klima (nicht genügend Wasser
im Boden vorhanden)
• Prozess: Transpiration (biologisch).
• Verdunstung von Boden- oder Wasser-
oberfläche: Evaporation (physikalisch).
• Summe: Evapotranspiration
Mattheß & Ubell (1983)
* Abstand Geländeoberfläche – GW-Oberfläche
38

19
Bedeutung des Grundwassers als
Trinkwasserressource
• Global: Mindestens 1,5 Milliarden Stadtbewohner beziehen
Trinkwasser aus Grundwasser (Quelle: IAH).
• I Deutschland:
In D t hl d 64% Grundwasser
G d aus Brunnen,
B 9%
Quellwasser, 26 % Oberflächenwasser (Quelle: UBA).
• Schweiz: 80 % Grundwasser (Quellen, Pumprunnen, etc.), 20 %
Oberflächenwasser (Seen, Flüsse, Talsperren)
• Wasserverbrauch pro Person und Tag: 450 L (einschließlich
Landwirtschaft und Industrie)
• D
Davon im
i Haushalt:
H h lt 180 bi bis 250 L (Q
(Quelle:
ll BAFU
BAFU, Schweiz)
S h i )
• Unter Berücksichtigung von „virtuellem Wasser“ (z.B. für
importierten Kaffee, Baumwolle u. Fleisch) wesentlich mehr!
Aufgabe: Bessere und detailliertere Daten suchen, für Bayern, Deutschland,
Europa und weltweit! Mit Quellenangabe, Tabelle oder Abbildung
39

Kleine Rechenaufgabe:

Welche Wassermenge (L/s) ist notwendig für die


g g
Wasserversorgung
(a) einer Person?
(b) einer Kleinstadt mit 100.000 Einwohnern?
(c) einer Großstadt wie München (1,35 Mio Einwohner)?
Annahme: 200 L/Tag/Person im Haushalt
Diese Art Rechnung ist wichtig für die Dimensionierung
von Pumpbrunnen oder gefassten Quellen!

40

20
2.2 Wasserbilanzen (water balance)
• Drei Fragen: Wie viel Wasser kommt hinzu? Wie viel
verlässt das System? Wie viel wird gespeichert?
Input = Output ± Speicheränderung
• Einfach in der Theorie, kompliziert in der Praxis!
• Wasserbilanzen können auf unterschiedlichen zeitlichen
und räumlichen Maßstäben erstellt werden.
• Räumlich: global, regional, Flusseinzugsgebiet,
Grundwasserleiter,, Gletscher,, See,, 1 m2 Boden,, etc.
• Zeitlich: langjährig, 1 Jahr, 1 Tag, eine Dürreperiode, ein
Hochwasserereignis, etc.
• Wichtig für Hydrogeologie: Bilanz von
Grundwasserleitern und Quelleinzugsgebieten.
41

Was ist ein Einzugsgebiet (EG)?


(catchment, watershed, recharge area)
Hydrologie: EG eines Flusses ist
das Gebiet, das zu diesem
Fluss hin entwässert, d.h.
woher er sein Wasser bezieht.
EG-Grenze (Wasserscheide,
drainage divide) kann meist
aufgrund der Topographie
abgegrenzt werden.
y g g Gleiches
Hydrogeologie:
Konzept für EG einer Quelle,
eines Brunnens oder eines
GWL, aber schwieriger
abzugrenzen (später mehr).
Wasserbilanzen sind hilfreich!
www.waldwissen.net 42

21
Geologie, Gewässernetz und
Grundwasserneubildung
Gering durchlässiges Gestein
 Dichtes Gewässernetz
 Geringe GwNeubildung
Gut durchlässiges Gestein
 Wenig dichtes Gewässernetz
 Höhere GwNeubildung

Keller (2000)
43

Elemente der Wasserbilanz eines oberirdischen und


eines unterirdischen Einzugsgebiets
P: Precipitation / Niederschlag
E: Evapotranspiration Q = A (P-E)
Q: Discharge / Abfluss
A: Area / Fläche

Freeze & Cherry (1979) 44

22
Einfache aber wichtige Übungsaufgabe:
GwNeubildung, Gebietsgröße und Quellschüttung

a) Berechne die Quellschüttung


b) Berechne die jährliche GwNeubildung!

Q L 
„Spezifische GwNeubildung“ RS 
A  s  km 2 
45

Zusammenhänge Grundwasser-Oberflächenwasser
und Austauschprozesse

Hunkeler, Goldscheider et al. (2006) 46

23
Bilanz eines Grundwasserleiters
mit mehreren Stockwerken

DIN 4049 (1992)


47

Wasserbilanz der Schweiz für Bayern?

48

24
Wasserbilanz der USA

Keller (2000) 49

Elemente von Wasserbilanzen


P : Niederschlag (precipitation)
E : Evaporation (rein physikalisch) (evaporation)
T : Transpiration (durch Pflanzen) (transpiration)
ET : Evapotranspiration (ET = E + T) (evapotranspiration)
Q : Abfluss allgemein (oberflächlich + unterirdisch) (runoff)
Z : Zuflüsse (oberflächlich, unterirdisch) (inflow)
QO : Oberflächenabfluss (surface runoff)
R : Grundwasserneubildung (R = P – ET – QS) (recharge)
QU : Unterirdischer Abfluss (groundwater / subsurface runoff)
B : Wasserentnahme durch Brunnen
S : Wasserspeicherung (storage)
D : Wasserverlust (drainage) Vorzeichen beachten!
S : Speicheränderung (S = S – D)
Für jede Bilanz müssen die jeweils relevanten Elemente neu
definiert werden. Skizze hilft!
Je nach Situation können die Elemente in mm, mm/Jahr, L/s, m3,
km3, etc. oder einheitsfrei angegeben werden. 50

25
Erläuterung einer Wasserbilanz (an der Tafel)
• Bilanz ohne Wasserentnahme und
Speicheränderung
• Mit Wasserentnahme, ohne
Speicheränderung
• Wieviel Wasser kann langfristig am
Brunnen entnommen werden (wenn so
stark gepumpt wird, dass alle natürlichen
Abflüsse versiegen)?
• Bilanz
Bil für
fü P = 0
• Bilanz für Q = 0, B = 0 und ET = 0
• Allgemeine Bilanz

51

Übungsaufgabe: Wasserbilanzen

Formuliere die Wasserbilanzen für folgende Szenarien:


a) Global, langfristig (Achtung, sehr einfach!)
b) Kontinent, langfristig
c) Einzugsgebiet*, mit Wasserentnahme, langfristig
d) Einzugsgebiet*, mit Wasserentnahme, kurzfristig
e) Beliebiger Bereich**
Bereich , kurzfristig

* d.h. keine ober- oder unterirdischen Zuflüsse von außen


** ober- und unterirdische Zuflüsse (Z) sind möglich
52

26
„Langfristige“ und „kurzfristige“ Bilanzen

• „Langfristig“: Keine Speicheränderung (z.B.: Ende 2009 ist


genauso viel Wasser im System gespeichert wie Ende 2008)
• „Kurzfristig“:
K f i ti “ Mit S Speicheränderung
i h ä d ((z.B.:
B am E
Ende
d einer
i
Regenperiode ist mehr Wasser im System als vorher)
• Aber: Aufgrund des Klimawandels ist diese Annahme oft falsch,
d.h., bei langfristigen Wasserbilanzen ist teilweise eine
bedeutende Speicheränderung zu berücksichtigen, v.a. wenn
Gletscher mit im Spiel sind.
• Besser: „stationär“ und „instationär“ oder „ohne
Speicheränderung“ und „mit Speicheränderung“

53

Beispiel: Gletscher und Karstgrundwasserleiter von


Tsanfleuron-Sanetsch, Schweiz

Diese Fläche war 1855/60 (Maximum


der „Kleinen
Kleinen Eiszeit
Eiszeit“)) noch vom
Gletscher bedeckt (N. Goldscheider)

Rückzug des Tsanfleuron-Gletscher seit 1880


(Swiss Glacier Database)
54

27
2.3 Messung hydrologischer Bilanzgrößen

Wehr zur Abflussmessung im alpinen Gletscher- und Karstgebiet


von Tsanfleuron, Schweiz (Foto: N. Goldscheider)

55

Niederschlag (precipitation) (P)


Niederschlagsmessgeräte:
• Totalisator: Gesamtmenge in einem Zeitraum.
• Verschiedene Messgeräte erlauben eine zeitlich
aufgelöste (quasi-kontinuierliche) Messung.
Darstellung: Immer als Säulendiagramm! Warum?
Einnheiten: Niederschläge werden in mm oder L/m2
angegeben, jeweils bezogen auf einen bestimmten
Zeitraum oder ein einzelnes Niederschlagsereignis.
Niederschlagsereignis
• Aktuelle Messwerte oder langjährige Mittelwerte.

• Wie viele L/m2 entsprechen einem Regenereignis von 1 mm?


• Wieso ist der Satz „Es hat 25 mm pro Quadratmeter geregnet“ Unsinn?
56

28
Kontinuierliche Messung: Kippwaage
1. Prinzip der Kippwaage
2. Eingebaut in Regenmesser
mit Data-Logger

Quelle: Hochschule Pforzheim


Labor für Automatisierungstechnik

Karstgebiet Tsanfleuron-Sanetsch,
Schweizer Alpen (Foto: N. Goldscheider)

57

Regionalisierung von Niederschlagsdaten


(oder anderen Daten)

• Problem: Die Daten eines Niederschlagsmessgeräts


gelten
lt immer
i nur für
fü einen
i Punkt
P kt undd nie
i für
fü eine
i
ganze Region, z.B. für ein Einzugsgebiet.
• Wie kann man aus einzelen Messpunkten eine sinnvolle
Mengenangabe für ein größeres Gebiet gewinnen?
 Regionalisierung (flächenhafte Interpolation bzw.
E
Extrapolation
l i von Daten,
D up-scaling)
li )
• Wichtiges Problem der Hydrologie. Es gibt viele
mathematische Verfahren und Software. Hier werden
nur ein paar einfache Ansätze vorgestellt.
58

29
Arithmetische und gewichtete Mittelwerte

1 n
Arithmetisches Mittel: P  Pi
n i 1

n
1 n
Gewichtetes Mittel: P   ( f i  Pi )    ( Ai  Pi )
i 1 A i 1

A
f : Gewichtungsfaktor f  i
A : Fläche A
P : Niederschlag
der Index i bezeichnet eine Teilfläche bzw. den Niederschlag auf dieser Teilfläche
59

Einzugsgebiet und Niederschlagsmessungen


1480 mm

A5

1320 mm
A4
1270 mm

A3

A2

1250 mm
A1
930 mm
bassin hydrologique
Einzugsgebiet
60

30
Isohyeten: Linien gleicher (Jahres)niederschläge
1480 mm

0
140

00
13
1320 mm

00
12
1270 mm

00
11

00
10
1250 mm

930 mm

61

Evapotranspiration (ET)
• ET = Evaporation + Transpiration (+ Interzeption*)
• Reale („aktuelle“) und potentielle ET (ETr < ETp)
• Schwierig
S h i i zu bbestimmen!
ti !
Vier Gruppen von Methoden:
1. Messgeräte, insbesondere Lysimeter
2. Natürliche Tracer (Isotopen, Salze)
3. Berechnungg aus Klimadaten ((Temperature,
p ,
Luftfeuchtigkeit, Wind, etc.)
4. Berechnung aus Wasserbilanz (ET = P – Q)

* Niederschlag, der an der Vegetation „hängenbleibt“.


62

31
Verdunstungsmessgeräte

Verdunstungspfanne

Problem: Das Messergebnis hängt vom


Messgerät und dessen Dimensionen
(Durchmesser, Tiefe) ab. Das Ergebnis
ist also ein Artefakt.
Verdunstungswaage

Quellen: unbekannt 63

Funktion eines wägbaren Lysimeters

Liefert viel realistischere ET-Werte als konventionelle Messgeräte


und außerdem Informationen über Grundwasserneubildung,
Bodenwasser, chemische Prozesse im Sickerwasser, etc.
64

32
Lysimeter mit Messsonden im Bodenkörper

Quelle: unbekannt 65

Übungsaufgabe – Lysimeter
Gegeben:
• Masse des Bodenkörpers am 30. April = 2113 kg
• Masse des Bodenkörpers am 31. Mai = 2104 kg
• Sickerwasservolumen am Auslass = 28,8 L
• Ni d
Niederschläge
hlä imi Mai
M i = 58,3
58 3 mm
• Dichte des Wassers = 1 g/cm³
• Dimensionen des Lysimeters: 1 m x 1 m x 1 m
Aufgaben:
a) Formulieren Sie die Wasserbilanz des Lysimeters!
b) Berechnen Sie die Evapotranspiration im Monat Mai (mm)!
c)) Berechnen
h Sie
Si die
di Grundwasserneubildung
G d bild im
i Maii (mm)
( ) undd
für ein Einzugsgebiet mit einer Fläche von 10 km2 (L, m3)!
d) Wie hoch wäre die Schüttung einer Quelle (L/s), die alleine
das gesamte Einzugsgebiet entwässert? (Annahme: Die GW-
Neubildung im Mai ist entscheidend für die Schüttung)
66

33
Temperatur und Luftfeuchtigkeit
Sättigungsdampfdruck (E): Maximal möglicher Wassergehalt
(Partialdampfdruck des Wassers) bei einer bestimmten Temperatur:
7 , 5t E : Sättigungsdampfdruck
Sättig ngsdampfdr ck [mbar]
t : Temperatur [° C]
E  6,09 10 237 , 3 t
e : realer Dampfdruck [mbar]

Relative Luftfeuchtigkeit (RF):


e
RF   100%
E

Übungsaufgabe: Berechnen Sie den Zusammenhang zwischen


Temperatur und Sättigungsdampfdruck für einen Bereich von -10 bis
+40 °C uns stellen Sie das Ergebnis graphisch dar!
67

Sättigungsdefizit (Sd) und Verdunstung


RF
Sd  E  e  E  (1  )
100%

• Das Sättigungsdefizit
S i d fi i iist di
die treibende
ib d Kraftf (G
(Gradient)
di )
aller Verdungstungsvorgänge.
• Je höher die Temperatur und je geringer die relative
Luftfeuchtigkeit, umso höher das Sättigungsdefizit und
umso stärker die die potentielle Evapotranspiration.
• Andere
A d Faktoren
k spielen
i l auchh eine
i Rolle,
ll z.B. Wind.
i d
• Für die reale ET ist auch die verfügbare Wassermenge
entscheidend.
• Wüste: potentielle ET extrem hoch, reale ET nahe Null.
68

34
Berechnung der potentiellen
Evapotranspiration
Einfachstes Verfahren: Formel nach HAUDE (1955)

ETP = f (EW - e)

ETP : Potentielle Evapotranspiration [mm/d]


EW : Sättigungsdampfdruck um 14 Uhr [mbar]
e : Dampdruck um 14 Uhr [mbar]
EW-e : Sättigungsdefizit [mbar]
f : Monatskoeffizient (für Gras)

Monat Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
f 0.2 0.2 0.21 0.29 0.29 0.28 0.26 0.25 0.23 0.22 0.22 0.2

Es gibt viele andere Formeln zur Berechnung der Verdunstung.


 Vorlesungen und Bücher zur Hydrologie, Meteorologie und Landwirtschaft.
69

Niederschläge und Temperaturen (Verdunstung) in


verschiedenen Klimazonen

Keller (2000) 70

35
Oberflächenabfluss (Q, QO) (surface runoff)
Fünf Gruppen von Messmethoden:
1. Messgefäß: Wasservolumen pro Zeit (Q = V/t)
2. Fließgeschwindigkeit x Querschnittsfläche (Q = V · A)
3. Wasserstandsmessung an Wehren und Pegeln. Dazu
muss der Zusammenhang Abfluss-Wasserstand bekannt
sein bzw. bestimmt werden (Kalibrierung) (Q ~ H)
4. Verdünnungsmethode, Tracer
5. Berechnung aus Wasserbilanzen; wird meist nicht
gemacht, das Abfluss leicher zu Messen ist, als die
anderen Elemente der Wasserbilanz. (Q = P-ET)

71

Messflügel
Instrument zur Messung der
Fließgeschwindigkeit mittels
Rotation eines Propellers

Abfluss Q = mittlere Fließgeschwindigkeit v · Querschnittsfläche A


(gilt in leicht modifizierter Form auch fürs Grundwasser)
Quelle: unbekannt

72

36
Messflügel – Theorie (1)
v

F   v ( z )dz  v 'h
0 h z F

F : Flächengeschwindigkeit [m2/s]
v(z) : Fließgeschwindigkeit bei Sohlabstand z [m/s]
v’ : Mittlere Fließgeschwindigkeit des Profils [m/s]
h : Gesamttiefe des Profils [m]
73

Messflügel – Theorie (2)


b b h

Q   F ( x )  dx    v ( x , z )  dx  dz F '  b  v ' ' A


0 0 0

b
x

F Q

Q : Schüttung
S hütt Abfluss [[m3/s]
/ Abfl /]
b, x : Profilbreite [m]
v’’ : Mittlere Fließgeschwindigkeit des Querschnitts [m/s]
A : Querschnittsfläche [m2]

Ähnliche Berechnungen lassen sich auch für den Querschnitt


eines Grundwasserleiters anstellen! 74

37
Ein- oder Zweipunktmessung
Einpunktmessung: v’ = v40 = 0,85 · v100
Zweipunktmessung: v’ = 0,5 (v20 + v80)

F = v’’ · h v [m/s]
Abfluss: Q = F’ · b 100% v100

v80

vz Geschwindigkeit bei einem Sohlabstand F [m2/s]

z [[m]
von z % der Gewässertiefe [[m/s]]
(0 = Grund; 100 = Oberfläche)
v40
F Flächengeschwindigkeit [m2/s]
b Gewässerbreite [m]
Q Abfluss [m3/s] v20

0%
v' 75

Messwehre (weirs)
• Definierter Abflussquerschnitt (z.B. Rechteck, Dreieck)
• Gemessen wird der Wasserstand H (stage)
• Der Zusammenhang Q – H muss bekannt sein, aus Formeln oder
d h Kalibrierung:
durch K lib i Abfl
Abflusskurve
k (stage-discharge
(t di h curve))
• Kontinuierliche Messung von H (z.B. mit Drucksonde) erlaubt
Erstellung kontinuierlicher Abflussganglinien Q(t) (hydrographs).

Behelfsmäßiges Rechteckswehr im
Karstwasserstollen von Hall in Tirol,
Österreich. Der Stollen gewinnt
Trinkwasser aus einem Karst-
Grundwasserleiter (Exkursion).
76

38
a)
Beispiele für Messwehre in
der Hydrogeologie

Mehrfach-Rechteckswehr an einer
Karstquelle in Guilin, China

b)

Rechteckswehr in einer gefassten


Quelle / Trinkwasserstollen, Schweiz

77

Dreiecksmesswehr (THOMSON-Messwehr)
Halb-empirischer Zusammenhang Q-H:

8 
Q    2 g  H 5 / 2  tan
 15  2
  0,565  0,0087  H 5 / 2

Q : Abfluss [m3/s]
g : Erdbeschleunigung (9,81 m/s2)
α : Öffnungswinkel [°]
H : Wasserstand [m]
[ ]

Übungsaufgabe: Berechnen und zeichnen Sie die Abflusskurve für


ein Dreieckswehr mit einem Öffnungswinkel von 90° und für
Wasserstände zwischen 0 und 100 cm!
78

39
Abflussmessung mit Salzverdünnungsmethode
Grundprinzip: Je höher der Abfluss eines Gewässers, umso
stärker die Verdünnung einer eingegebenen Substanz.
Messvorgang: Eine bekannte Menge Salz (oder ein anderer
Markierungsstoff / Tracer) wird in einem Eimer aufgelöst und
schlagartig in einen Bach eingegeben. Weiter unterhalb wird die
„Durchgangskurve“gemessen (Konzentration-Zeit).
Auswertung: Die Fläche unter der Durchganskurve ist ein Maß
für die Verdünnung. Je höher der Abfluss umso stärker die
Verdünnungg umso kleiner die Fläche unter der Kurve.
Voraussetzungen: vollständige Durchmischung, kein Verlust oder
Eintrag von Salz.
Anmerkung: Nach einem ganz ähnlichen Prinzip funktionieren
„Markierungsversuche“ im Grundwasser!
79

Messvorgang und Auswertung

M
Q
 c(t )dt
Q : Abfluss
M : Eingegebene Masse
c(t) : Konzentration zur Zeit t

Käss (1998)

Meist wird herkömmliches Kochsalz (NaCl) verwendet:


1) Messung der elektischen Leitfähigkeit (eLF)
2) Abzug der Hintergrundwerte
3) Umrechnung in Konzentrationen
80

40
Salzverdünnungsmethode: Verständnisfragen

• Was passiert, wenn sich zwischen der Eingabe- und


der Messstelle Zu- oder Abflüsse befinden?
• Wie kann vollständige Durchmischung überprüft
werden?
• Müssen die Na+ und Cl- Hintergrund-Konzentrationen
bekannt sein, oder genügt es, den Hintergrundwert
der eelektrischen
de e sc e Leitfähigkeit
e g e zuu kennen?
e e ?
• Ist es notwendig, hoch reines und damit teures NaCl
zu verwenden, um eine exakte Messung zu erzielen,
oder genügt billiges und unreines Salz?

81

Salzverdünnungsmethode: Übung mit Excel


• Gegeben: Daten einer Salzverdünnungsmessung an einem Bach
• Berechne den Abfluss mit Hilfe einer Excel-Tabelle!

Value Time eC Value Time eC Value Time eC


no. [s] [µS/cm] no. [s] [µS/cm] no. [s] [µS/cm]
1 0 254 11 100 264 21 200 358
2 10 254 12 110 294 22 220 327
3 20 254 13 120 346 23 240 305
4 30 254 14 130 402 24 260 291
5 40 254 15 140 440 25 280 281
6 50 254 16 150 454 26 300 274
7 60 254 17 160 446 27 320 269
8 70 254 18 170 427 28 380 261
9 80 254 19 180 401 29 440 258
10 90 254 20 190 380 30 500 254

M = 1 kg NaCl
c [mg/L] = 0,5 eLF [µS/cm]
82

41
Abflusstypen / Abflusskomponenten
• Oberflächenabfluss, OA (surface runoff): Fließt über die
Bodenoberfläche unmittelbar zum Vorfluter.
• Zwischenabfluss, ZA (interflow): Fließt aus oberflächennahen
Bodenschichten zum Vorfluter; zeitlich verzögert gegenüber OA.OA
• Direktabfluss, DA (direct runoff): Summe aus OA + ZA
• Basisabfluss, BA (base flow): Teil des Abflusses, der nicht OA
und ZA ist, also langsamere Komponenten aus Grundwasser,
Quellen, Gletscherschmelze, etc.
• Grundwasserbürtiger Abfluss, GA (groundwater outflow): Teil
d Basisabflusses,
des B i bfl d aus dem
der d Grundwasserstammt
G d (i
(in vielen
i l
Fällen: BA = GA).

Anmerkung: Diese Abkürzungen werden nur auf dieser Folie verwendet, um Platz zu
sparen. Ansonsten sind Abkürzungen eine Krankheit und behindern das Verständnis.
83

Separation von Abflussganglinien

Gesamtabfluss

1. Oberflächenabfluss
Abfluss

Direktabfluss

2. Zwischenabfluss

3. Basisabfluss

Zeit
84

42
Abflussganglinie, Q(t) (hydrograph)
DIN 4049 (1992)

Abflussganglinien werden häufig auch


für Quellen, v.a. Karstquellen, erstellt! 85

Abgeleitete Darstellungen: Summenkurve, etc.

DIN 4049 (1992)

86

43
Ganglinienseparation (hydrograph separation)
durch natürliche Tracer
• Grundidee: Verschiedene Abflusskomponenten enthalten
unterschiedliche Konzentrationen (c) an bestimmten Isotopen
oder Inhaltsstoffen, z.B. 2H, 18O, Cl- („natürliche Tracer“).
• Im Vorfluter mischen sich die Konzentrationen.
• Wenn man die Konzentrationen in den einzelnen Komponenten
und die Konzentration im Vorfluter kennt, dann lassen sich zu
jedem Zeitpunkt die Mischungsanteile bestimmen!
Aufgabe: Formuliere eine Gleichung, mit der sich anhand der
Konzentrationen eines natürlichen Tracers die Anteile von
Basisabfluss (Grundwasser) und Oberflächenabfluss in einem
Vorfluter trennen lassen!

87

Landnutzungsänderung und Abflussprozesse

Keller (2000)

• Änderungen der Landnutzung führen meist zu veränderten


Abflussprozessen und sonstigen hydro-geologischen Änderungen.
• Waldrodung: oft mehr Oberflächenabfluss, mehr Erosion,
geringere Evapotranspiration, geringere GwNeubildung.
88

44
Fehlt nur noch der unterirdischer Abfluss bzw.
Grundwasserabfluss!

• Bestimmung aus Wasserbilanz (QU = P – ET – QO)


und mit Hilfe von Ganglinienseparation
Ganglinienseparation.
• Bestimmung durch hydrogeologische Messungen und
Berechnungsmethoden
 Erfordert fundierte hydrogeologische Kenntnisse!
• Auf diese Frage kommen wir später noch mal zurück.
• Zuerst: Porosität, Gesetz von Darcy, hydraulische
Leitfähigkeit, hydraulischer Gradient, Transmissivität.

89

3. Korngröße, Porosität und


unterirdisches Wasser

Diese Kiesgrube im Schweizer Mittelland vermittelt einen Eindruck von


der Heterogenität eines Porengrundwasserleiters (Foto: D. Hunkeler)
90

45
3.1 Korngröße und Porosität

Kiesstrand im Olympic National Park, USA (Foto: N. Goldscheider)

Reiner Kies hat eine sehr hohe Gesamtporosität,


Nutzporosität und Durchlässigkeit
91

Korngrößen (grainz size)


Die Korngrößenskala ist annähernd logarithmisch eingeteilt
(Analogie zu Frequenzen in einer Tonleiter):

63 20
 log 63  log 20  log 20  log 6.3
20 6.3
92

46
US-Korngrößen

Ebenfalls logarithmisch,
aber anders eingeteilt (noch
musikalischer, in Oktaven)

93

Korngrößenverteilung (grain-size distribution)


und Körnungslinie (grain-size distribution curve)
• Natürliche Böden und Sedimente bestehen i.d.R. nicht
nur aus einer Korngröße, sondern aus einem Gemisch
unterschiedlicher Korngrößen: Korngrößenverteilung.
• Nicht nur wichtig für Hydrogeologie, sondern auch für
Sedimentologie, Bodenkunde und Ingenieurgeologie.
• Korngrößenverteilung ist das Ergebnis einer
Korngrößenanalyse: Sieb- und Sedimentationsanalyse
• Einteilung in verschiedene Größenklassen
• Das Ergebnis wird distributiv (Balkendiagramm) oder
kumulativ (Summenkurve) dargstellt.
• Summenkurve: Körnungslinie
94

47
Körnungslinie

d60

d10

d10 = effektive Korngröße U = d60/d10 : Ungleichförmigkeitszahl 95

Körnungslinien typischer Böden und Sedimente

Prinz (1991) 96

48
Übungsaufgabe: Körnungslinie
Maschenweite Rückstand
[mm] [g]
60 0
31 0
16 10
8 60
4 330
2 280
1 220
0.5 70
0.25 20
0.125 10
0.063 0
<0.063 0

Erstellen Sie die Körnungslinie und ermitteln Sie die effektive


Korngröße und die Ungleichförmigkeitszahl! 97

Bedeutung der Korngrößenverteilung


für die Hydrogeologie

• Bei gleichförmigen Sedimenten ist die Korngröße


entscheidend für die Porengröße: Je größer die Körner,
umso größer die Poren und die Durchlässigkeit.
• Bei Korngemischen ist die effektive Korngröße d10
entscheidend für die Porosität und die Durchlässigkeit.
• Ungleichförmige Sedimente haben eine geringere
Porosität als gleichförmige, z.B. reiner Kies und reiner
Sand haben höhere Porosität als Kies-Sand-Gemische.

98

49
Hohlraumanteil oder Porosität (porosity)

• Hohlraumanteil (n), Synonyme: Porosität, totale


Porosität, Gesamtporosität (porosity, total porosity):
Quotient aus dem Volumen aller Hohlräume eines
geologischen Körpers und dessen Gesamtvolumen.
VHohlräume
n
Vgesamt
• K
Kann als
l ZZahlenwert
hl t zwischen
i h 0 undd 1 angegeben
b
werden, oder als Prozentwert zwischen 0 und 100 %.

99

Porosität in einer idealen Kugelpackung


a) • Werden Kugeln mit identischem
Durchmesser wie in (a) gepackt, beträgt
di Porosität
die P ität 47
47,6
6%%.
• Werden die Kugeln wie in (b) gepackt
(dichteste Packung), so beträgt die
Porosität nur noch 25.9 %.
b)
• Aufgabe: Fall (a) Nachrechnen!
• Kugeldurchmesser spielt keine Rolle;
kürzt sich bei Berechnung heraus.
• Wieso spielt der Korndurchmesser in der
Hydrogeologie sehr wohl eine Rolle?

Matthess & Ubell (1983)


100

50
Durchflusswirksamer und
speichernutzbarer Hohraumanteil
• Durchflusswirksamer Hohlraumanteil (nf), effektive
Porosität (effective porosity): vom GW durchströmbar.
durchströmbar
• Speichernutzbarer Hohlraumanteil (nsp), Nutzporosität
(effective storage, specific yield): durch Absenkung des
Wasserspiegels entleerbarer Hohlraumanteil.
• Zurück bleibt ein ungesättigtes Gesteinsvolumen,
welches Haftwasser enthält, das nicht der Gravitation
folgt: spezifische Retention (nr) (specific retention).
nf = nsp + nr

101

Illustration der Nutzporosität

Ventleerbar
Vgesamt nsp 
Vgesamt

Entspricht der Wassermenge, die man


durch Absenkung des Wasserspiegels
p
an einem Pumpbrunnen aus dem
GwLeiter entnehmen kann.
Je feinkörniger, umso geringer die
Ventleerbar
Nutzporosität (in Ton fast Null)

102

51
Gesamtporosität, Nutzporosität,
Haftwasser und Sickerwasser

Sickerwasser
Graphik: Philippe Renard, modifiziert 103

Nutzporosität und spezifische Retention

Younger (2007)
104

52
Korngröße, Gesamtporosität und
Nutzporosität (gesättigte Zone)

spezifische Korngerüst
Retention

Nutzporosität
p

Diagramm gilt für gut klassierte Sedimente. 105

Korngrößenverteilung und Porosität


• Gut klassiertes Sediment, z.B.
reiner Flusskies
• Hohe Gesamtporosität
• Große Poren, daher auch hohe
effektive Porosität
• Gute Durchlässigkeit*

• Schlecht klassiertes Sediment,


z B Moränenmaterial
z.B.
• Geringe Gesamtporosität
• Überwiegend feine Poren, daher
sehr geringe effektive Porosität
• Schlechte Durchlässigkeit

Mattheß (1983) * dazu mehr im nächsten Kapitel 106

53
Korngröße, Gesamtporosität, Nutzporosität
und spezifische Retention
was ist hier falsch
bzw. unvollständig?g

Matthess & Ubell (1983) 107

Porosität von Lockergesteinen


a) Porosität (%)

b) Nutzporosität (%)

Fetter (2001)
108

54
Hohlräume in Festgesteinen
• Primäre Porosität: Bei Bildung des Gesteins
entstanden, z.B. Poren zwischen Körnern im Sandstein
• Klüfte,
Klüft Bankungsfugen
B k f undd Stö
Störungen
• Lösungshohlräume in Karst-GWL

Gleiche Formel:

VHohlräume
n
Vgesamt

Festgestein mit Bankungsfugen, Klüften (I) und einer


Störungszone (II) (Matthess & Ubell 1983)
109

Typen von Poren in Karbonatgesteinen

Füchtbauer 1988
110

55
Lösungshohlräume in Karst-GWL

Höhle im Schweizer Jura (Foto: R. Wenger )

Lösungshohlräume (Höhlen) im Karst können sehr


groß sein. Ihr Anteil am gesamten Gesteinvolumen
ist aber meist erstaunlich gering, oft nur 1-2 %
111

Porosität in verschiedenen Sedimenten und Gesteinen

Bandbreite und Mittelwerte der


Gesamtporosität (N. Kresic, in
Goldscheider & Drew 2007)

112

56
3.2 Formen des unterirdischen Wassers

DIN 4049 (1992)


113

Hydrogeologische Gliederung des Untergrundes

Younger (2007)
114

57
Haftwasser und Sickerwasser:
eine Frage der Bindungsart und -stärke
• Haftwasser: Wasser in der UZ, das gegen die
S h k ft gehalten
Schwerkraft h lt wird.i d Wi
Wird
d unterteilt
t t ilt in:
i
– hygroskopisches Wasser

Bindungsstärrke
– Adsorptionswasser
– Porenwinkelwasser
• Sickerwasser: Wasser in der UZ, das sich durch
Üb i
Überwiegen der
d Schwerkraft
S h k ft abwärts
b ä t bewegt.
b t
 Je feinkörniger, umso höher der Haftwasseranteil
und umso geringer die Sickerwasserbewegung.

DIN 4049 (1992)


115

Korngröße, Haftwasser und


Sickerwasser (ungesättigte Zone)

Körner
Haftwasser

variabel:
Sickerwasser
oder Luft

Diagramm gilt für gut klassierte Sedimente. 116

58
Kapillarraum / Kapillarsaum (capillary fringe)
• Der „geschlossene Kapillarsaum“ ist vollständig mit Wasser
gesättigt, gehört also zur gesättigten Zone.
• Der „offene Kapillarsaum
Kapillarsaum“ ist nicht vollständig mit Wasser
gesättigt und gehört daher zur ungesättigten Zone.
• Das Wasser im gesamten Kapillarraum nimmt aber nicht an der
lateralen GW-Bewegung teil. Seine Bewegung wird nicht nur
durch die Schwerkraft, sondern durch Kapillarkräfte bestimmt.
• Auch in Beobachtungsbrunnen (GwMessstellen) ist vom
Kapillarsaum nichts zu sehen! Der beobachtete Wasserstand
entspricht der GwOberfläche (dazu später mehr)
• Der Kapillarsaum gehört also nicht zum Grundwasserraum,
sondern zum Sickerraum.
• Je feinkörniger, umso höher die kapillare Steighöhe.
117

Sickerraum, Kapillarraum, Grundwasserraum

Quelle: OFD Hannover 118

59
Kapillarität und kapillare Aufstiegshöhe (hc)

a) b)

Kontakt-
winkel α

a) in einer „Kapillaren, also einem feinen Röhrchen mit Durchmesser r


b) in einem porösen Medium, mit Korngröße R
119

Berechnung der kapillaren Aufstiegshöhe


Allgemeine Formel für Steighöhe in Kapillaren
2 cos 
hc  hc : kapillare Steighöhe (m)
 r  g σ : Oberflächenspannung (N/m)
α : Kontaktwinkel (°)
Vereinfachung für Wasser bei 10 °C ρ : Dichte der Flüssigkeit (t/m3)
r : Radius der Kapillare (m)
(typische Grundwassertemperatur) g : Erdbeschleunigung (9,81 m/s2)

1,5110 5 m 2 R : Radius der kugeligen Partikel


hc 
r

Empirische Formel für Grundwasser in porösem Medium

3,66 10 5 m 2
hc 
R
120

60
Übungsaufgabe Kapillarität

• Berechnen Sie die kapillare Steighöhe von


Grundwasser in Lockersedimenten mit verschiedenen
Korngrößen, von Ton bis Kies.
• Stellen Sie das Ergebnis graphisch dar.
• Diskutieren Sie die praktische Bedeutung dieses
Ergebnisses für die Hydrogeologie.
• Wieso gibt es einen offenen und einen geschlossenen
Kapillarsaum?

121

4. Gesetz von Darcy und


hydralische Leitfähigkeit

Henry Darcy (1803 – 1858)

Foto: Wikipedia 122

61
Henry Darcy, 1803-1858
• Französicher Ingenieur, der sich mit der
Wasserversorgung der Stadt Dijon befasst hat.
• Hat anhand von Säulenversuchen die quantitativen
Zusammenhänge zwischen hydraulischem Gradienten,
hydraulischer Leitfähigkeit und Fließgeschwindigkeit
in Sand und anderen Porösen Medien erforscht.
 „Gesetz von Darcy“
• Darcy gilt als Gründervater der Hydrogeologie
• Gesetz von Darcy ist noch heute die wichtigste Formel
in der Hydrogeologie (allerdings nur in Poren-GWL
anwendbar, nicht in Karst- und Kluft-GWL).
123

Original-Versuchsaufbau des
Experiments von Darcy
Technische Daten der Säule:
• Säulenlänge: 3,50 m
• Durchmesser : 0,35 m
• Material in der Säule: Sand
• Porosität: 0,38
Messgrößen:
• Wasserspiegel (= hydraulisches
Potential Standrohrspiegelhöhe)
Potential,
am Eingang und am Ausgang der
Säule (= hydraulischer Gradient)
• Wasservolumen pro Zeit am
Auslass der Säule (= Durchfluss).
124

62
Wichtige Befunde des Darcy-Experiments

• Der Durchfluss Q ist proportional zur Differenz der


Wasserspiegelhöhen am Ein- und Augang der Säule:
Q ~ hA – hB
• Q ist umgekehrt proportional zur Länge L der Säule:
Q ~ 1/L
• Q ist demnach proportional zum hydraulischen
Gradienten (Standrohrspiegelgefälle):
( p g g )
Q ~ (hA – hB)/L
• Q ist proportional zur Querschnittsfläche A der Säule:
Q~A
125

Das Gesetz von Darcy (DARCY’s law)


hA  hB
Q  KA
L
• Der Durchfluss
D rchfl ss durch
d rch eine mit porösem Material
(Sediment, Boden) gefüllte Säule ist proportional zur
Querschnittsfläche und zum hydraulischen Gradienten.
• Der Proportionalistätsfaktor K (in deutschen
Lehrbüchern oft kf) heißt Durchlässigkeitsbeiwert oder
hydraulische Leitfähigkeit (hydraulic conductivity)
conductivity).
• Hydrogeologie: Der Durchfluss durch einen homogenen
Porengrundwasserleiter ist proportional zu dessen
Querschnittsfläche, zum hydraulischen Gradienten und
dem Durchlässigkeitsbeiwert des Sedimentmaterials.
126

63
Was bedeutet eigentlich homogen?
• Homogenität, homogen: Gleiche Eigenschaften an
unterschiedlichen Orten. Ein GWL ist homogen, wenn
er aus nur einer Sorte von Sediment besteht und daher
überall die gleichen hydraulischen Eigenschaften hat.
• Heterogenität, heterogen: Unterschiedliche
Eigenschaften an unterschiedlichen Orten, z.B.
Wechsellagerung Kies und Sand, mit Tonlinsen.
• Alle GWL sind heterogen,
g , aber manche können als
annäherungsweise homogen betrachtet werden.
• Heterogenität und Homogenität hängen immer vom
Betrachtungsmaßstab ab!
• Nicht verwechseln mit isotrop / anisotrop!
127

Heterogenität auf unterschiedlichen Maßstäben

a) Heterogenität auf dem Maßstab einer Landschaft


b) Innerhalb eines Grundwasserleiters
c) In einer Sedimentprobe
128

64
Das Gesetz von Darcy:
allgemeinere Formulierung
dh
Q   KA
dl
• (dh/dl) oder auch (dh/dx) ist der hydraulische Gradient,
wobei x die Fließrichtung des Grundwassers bezeichnet.
• Das Minuszeichen ergibt sich aus der allgemeinen
mathematischen Definition eines Gradienten.
• K hängt von den physikalischen Eigenschaften des
Fluids (Dichte, Viskosität) und von den Eigenschaften
(der Durchlässigkeit) des porösen Mediums ab.
• Falls das Fluid immer „normales“ Grundwasser ist,
hängt K (kf) nur noch von der Durchlässigkeit ab.
129

Darcy-Experiment: moderner Versuchsaufbau

Ziel: Bestimmung der hydraulischen Leitfähigkeit einer Probe!


130

65
Darcy-Experiment, schematisch

A Q

Fetter (2001)

Hydraulischer Gradient:
Q : Durchfluss [m3/s]
h h A : Querschnittsfläche der Säule [m2]
grad (h)  a b h : Wasserspiegelhöhe [m]
L L : Länge der Säule [m]

Merke: Die Orientierung der Säule ändert nichts am Experiment.


Entscheidend ist der hydraulische Gradient. 131

Durchlässigkeitsbeiwert
• Mit einer Versuchsapparatur nach Darcy kann der
Durchlässigkeitsbeiwert (hydraulische Leitfähigkeit,
kf-Wert)
W t) einer
i Probe
P b wiei ffolgt
l t bestimmt
b ti t werden:
d

Q
K 
A  (dh / dl )

• Der kf-Wert hat die Einheit einer Geschwindigkeit


und wird üblicherweise in m/s angegeben.

132

66
Originaldaten des Darcy-Experiments

133

Übung: Original Darcy-Experiment


Druckdifferenz Durchfluss
m L/min
13.08 18.8
12 88
12.88 18 3
18.3 Technische Daten der Säule:
12.58 18
• Säulenlänge: 3,50 m
12.41 17.4
12.35 18.1 • Durchmesser : 0,35 m
9.69 14.9
8.44 12.1
• Material in der Säule: Sand
6.71 9.8
5.78 7.9
5 58
5.58 8 65
8.65
2.98 4.5
2.98 4.15

Berechne den Durchlässigkeitsbeiwert des


Sandes in Darcys Versuchssäule (m/s)!
134

67
Typische Durchlässigkeitsbeiwerte
Die Durchlässigkeitsbeiwerte (kf) natürlicher Gesteine
und Sedimente umfassen etwa 13 Zehnerpotenzen, von
ca. 10-13 m/s (plastischer Ton, intaktes Steinsalz,
ungeklüfteter Tonstein) bis ca.1 m/s (reiner Kies).

Matthess & Ubell (1983)

* Die Einheit „K in Darcy“ wird später erklärt. 135

Durchlässigkeiten verschiedener Sedimente und Gesteine

G d
Grundwasserleiter
l it

GwGeringleiter

GwNichtleiter

10-13 m/s < K < 1 m/s


136

68
Die Filtergeschwindigkeit
Q dh
v  K
A dl
• Die Filtergeschwindigkeit v (oft auch vf) (specific
discharge, Darcian velocity) ist der Quotient aus
Durchfluss Q [m3/s] und Querschnittsfläche A [m2].
• Die Filtergeschwindigkeit hat zwar die Dimension einer
Geschwindigkeit [m/s], es handelt sich aber nicht um
eine
i realel Fließgeschwindigkeit.
li ß h i di k i
• Eigentlich sollte man statt m/s besser schreiben:
 m3 / s 
 m2 
 
137

Die Abstandsgeschwindigkeit
Die Abstandsgeschwindigkeit oder mittlere lineare
Fließgeschwindigkeit va (effective velocity, average linear
velocity) ist höher als v, da nur die Poren durchströmt
werden, d.h. die effektiv durchströmte Fläche ist kleiner,
als die Querschnittsfläche der Säule:

va : Abstandsgeschwindigkeit [m/s]
d v ne : effektive Porosität [-]
va   d : Abstand [[m]]
tm ne tm : mittlere Verweilzeit [s]

Anmerkung: tm bzw. va können mithilfe von Tracerversuchen (auch Färbe- oder


Markierungsversuche genannt) experimentell bestimmt werden; Tracerversuche
liefern daher Informationen über die effektive Porosität.
138

69
Die Bahngeschwindigkeit
Die Bahngeschwindigkeit, d.h. die tatsächliche
Geschwindigkeit der Wassermoleküle auf ihrem
kurvenreichen Weg durch den Porenraum,
Porenraum ist noch
größer als die Abstandsgeschwindigkeit, spielt aber
für praktische Fragestellungen kaum eine Rolle.

Mattheß & Ubell (1983)

139

Übung: Porosität und Fließgeschwindigkeit

• Eine Säule (A = 100 cm2) wird von Wasser durchströmt (Q = 0,2


L/s). Nur der rechte Teil der Säule ist mit Sand gefüllt (ne = 20 %).
• Auf welcher Seite der Säule ist die Fließgeschwindigkeit höher?
• Berechne die Fließgeschwindigkeiten in beiden Teilen der Säule!
140

70
Übung: Typische Fließgeschwindigkeiten
von Grundwasser
• Berechne die Abstandsgeschwindigkeiten (m/s und
m/d*)) in verschiedenen Lockergesteinen
m/d Lockergesteinen, von lehmigem
Sand bis reinem Kies, jeweils für niedrige (0,1 ‰),
mittlere (1 ‰) und hohe (10 ‰) Gradienten!
• Verwende dazu kf-Werte in Zehnerschritten, von 10-6
m/s (lehmiger Sand) bis 10-1 m/s (reiner Kies), und eine
effektive Porosität von jjeweils ca. 25 %.
• Diskutiere das Ergebnis!
• Faustregel: Geschwindigkeiten von 1 m/Tag bzw. 0,1
bis 10 m/Tag gelten als typisch für Poren-GWL.
* d = day = Tag
141

Berechnug des Grundwasserabflusses

ungesättigte Zone

gesättigte Zone

Keller (2000)

Wir erinnern uns an die Frage: Wie kann man (im Rahmen einer
Wasserbilanz) den unterirdischen Abfluss bestimmen?
Antwort: Berechnung nach dem Gesetz von Darcy: Gradient,
Querschnittsfläche und Durchlässigkeitsbeiwert.
142

71
Übung: Berechnug des
Grundwasserabflusses
Übungsaufgabe: Berechne anhand der
Skizzen und der gegeben Daten:
• Hydraulischer Gradient (%)
• Querschnittsfläche (m2)
• Durchfluss (m3/s)
• Filtergeschwindigkeit (m/s, m/Tag)
• Abstandsgeschwindigkeit (m/Tag)

Daten:
K = 1.2 · 10-3 m/s, neff = 30 %
L = 1000 m, H1 = 98 m, H2 = 97 m
Breite = 4 km, Mächtigkeit = 25 m

143

Übung: Vom Labor ins Gelände


• Aus einem homogenen GWL wurde eine Sedimentprobe
entnommen und im Labor untersucht. Berechnen Sie
anhand der gegebenen Daten die hydraulische
L i fähi k i die
Leitfähigkeit, di Filtergeschwindigkeit
Fil h i di k i undd die
di
Abstandsgeschwindigkeit in der Versuchssäule!
• Wie hoch sind die entsprechenden Geschwindigkeiten im
GWL, wenn der natürliche Gradient 5,0 ‰ beträgt? Wie
hoch ist der Durchfluss (m3/s), wenn der GWL 800 m
breit und 20 m tief ist?

Versuchsdaten:
Standrohrspiegeldifferenz: h = 15 cm Versuchsdauer: t = 1 h
Länge der Versuchssäule: L = 30 cm Wasservolumen nach 1 h: V = 3,6 L
Querschnittsfläche: A = 100 cm2 Effektive Porosität: ne = 0,2
144

72
Zusammenhang Korngrößenverteilung – Leitfähigkeit
Die effektive Korngröße (d10) ist entscheidend für die hydraulische
Leitfähigkeit (K). Nach Hazen (1895) gilt folgender empirische
Zusammenhang zwischen d10 [mm] und K [m/s], in Abhängigkeit
von der
d Temperatur
T t T [°C] (einheitsfreie
( i h it f i B Berechnung):
h )

K  0,0016 (0,7  0,03 T) d10


2

Bei einer mittleren Grundwassertemperatur von 10 °C:

K  0,0016  d10
2

Dieser Zusammenhang gilt v.a. für gut klassierte Sedimente (U  5).

Übungsaufgabe: Berechne den Durchlässigkeitsbeiwert der


Sedimentprobe aus der Übungsaufgabe „Körnungslinie“.
145

Grenzen des Darcy-Gesetzes


• Untergrenze: Sehr gering durchlässige Sedimente
(Ton), in denen Adsorption und andere
Oberflächenkräfte über die Schwerkraft dominieren.
• Obergrenze: Poren-GWL, in denen extrem hohe
Durchlässigkeit oder hohe Gradienten zu sehr hoher
Fließgeschwindigkeit und daher zu turbulenter
Strömung führen (es gibt keine Beschränkung für
flache Gradienten bzw. niedrige Geschwindigkeiten).
• Nicht
Ni ht oder
d nur sehr h eingeschränkt
i ülti Kluft-
h ä kt gültig: Kl f undd
Karst-GWL, aufgrund der Heterogenität, Anisotropie*
und der oft turbulenten Strömung.
* Anisotropie: Richtungsabhängigkeit der (hydraulischen) Eigenschaften: Höhere
Durchlässigkeit in Richtung der Klüfte, geringere Durchlässigkeit quer dazu.
146

73
Laminare und turbulente Stömung
A. Laminare Strömung: Wassermoleküle bewegen sich
entlang gleichmäßiger, paralleler Stromlinien; linearer
Zusammenhang Gradient ~ Fließgeschwindigkeit;
G
Gesetz von D
Darcy gültig:
ül i iin dden meisten
i P
Poren-GWL.
GWL
B. Turbulente Strömung: keine parallelen Stromlinien;
keine linearen Fließgesetze; Darcy nicht gültig; dies ist
in Kluft- und Karst-GWL oft der Fall.

Fetter (2001)
147

Reynolds-Zahl
• Die dimensionslose Reynolds-Zahls (Re) vereinigt die
vier Faktoren, die entscheiden, ob laminare oder
turbulente Strömung vorherrscht:
ρ : Dichte des Fluids (kg/m3)
 vd v : Fließgeschwindigkeit (m/s)
Re  d : Durchmesser der Öffnung (Rohr, Pore), durch die
 das Fluid strömt (m)
η : dynamische Viskosität des Fluids (kg/(s·m))

• In Rohren: Ab R ≈ 2000 turbulente Strömung.


H d
Hydrogeologie:
l i
d : durchschnittlicher Korndurchmesser (m)
(leichter zu bestimmen als Porendurchmesser)
v : Fließgeschwindigkeit (Abstandsgeschwindigkeit) (m/s)
 Darcy gültig wenn Re kleiner 1 bis 10
148

74
Übung: Grenzen von Darcy
• Berechne die obere Gültigkeitsgrenze des Darcy-
Gesetzes für poröse Medien in Abhängigkeit vom
durchschnittlichen Korndurchmesser (0.1 bis 10 mm).
• Stelle
S ll didie EErgebnisse
b i iin einem
i Di
Diagramm ddar (X =
Korndurchmesser, mm; Y = Geschwindigkeit, m/d;
doppelt logarithmische Darstellung), welches die
Bereiche zeigt, in denen Darcy gültig ist (Re < 1), nicht
gültig ist (Re > 10), sowie den Übergangsbereich!
• Interpretiere das Ergebnis!

Gegeben: Physikalische Eigenschaften von Wasser bei 10° C


Dichte = 1000 kg/m3
Viskosität = 1,13 · 10-3 kg/(s·m)
149

Permeabilität (intrinsic permeability)


• Wie gesagt: Der Durchlässigkeitsbeiwert (K bzw. kf)
hängt von den physikalischen Eigenschaften des Fluids
und denjenigen des porösen Mediums ab ab.
• Da wir es in der Hydrogeologie fast immer mit
Grundwasser ähnlicher Temperatur, Dichte und
Viskosität zu tun haben, stört uns das nicht.
• Für manche Anwendungen (Strömung von Salzwasser,
Thermalwasser verflüssigtem CO2) ist es notwendig,
Thermalwasser, notwendig
die Durchlässigkeit des porösen Mediums unabhängig
von den Fluideigenschaften zu charakterisieren.
 Permeabilität od. intrinsische Permeabilität
150

75
Herleitung der intrinsischen Permeabilität
Versuche vom Typ „Darcy“ mit verschiedenen Fluiden zeigen
folgende Zusammenhänge:
Q ~ spezifisches Gewicht γ des Fluids
(γ = Dichte ρ · Erdbeschleunigung g)
Q ~ dynamische Viskosität µ des Fluids
Das modifizierte Darcy-Gesetz kann daher wie folgt formuliert
werden (Ki = intrinsische Permeabilität).
g dh
Q   Ki
 dl
Der Zusammenhang zwischen Leitfähigkeit (K oder kf) und
Permeabilität (Ki oder K) lautet also:
g
K  Ki

151

Einheit und Wertebereich der Permeabilität


Die Einheit der intrinsischen Permeabilität ist „Darcy“
1 Darcy = 1 D = 9,87 x 10-9 cm2 ≈ 10-8 cm2
Fü S
Für Sedimente,
di t di
die von normalem
l GGrundwasser
d
durchströmt werden, gilt:
1 D ≈ 10-5 m/s bzw. 1 m/s ≈ 105 D

Matthess & Ubell (1983)


152

76
Transmissivität (T) (transmissivity)
Die Transmissivität beschreibt die Fähigkeit eines
Aquifers, Grundwasser weiterzuleiten. Transmissivität
und Wasserqualität sind die entscheidendne Kriterien
für den ökonomischen Wert eines Grundwasserleiters.
Die Transmissivität ist das Produkt aus mittlerer
hydraulischer Leitfähigkeit und Aquifermächtigkeit,
bzw. das Integral der Leitfähigkeiten über die Tiefe:
M
T  K  M   K ( z )dz
0

Einheit: m2/s
153

Transmissivität – Übung
Der unten dargestellte Grundwasserleiter besteht aus drei
unterschiedlichen Schichten von Sand und Kies.
Berechne die Transmissivität dieses Grundwasserleiters!

154

77
5. Hydraulische Typisierung von
Grundwasserleitern
Wenn ein GwLeiter von gering
durchlässigen Schichten bedeckt ist
und die Grundwasserdruckfläche
oberhalb der Geländeoberfläche
liegt, handelt es sich um artesisch
gespanntes Grundwasser, das als
Fontäne an die Oberfläche schießt,
wenn man es anbohrt.

Beobachtungsbrunnen in einem artesisch gespannten


Karstgrundwasserleiter Portugal (Foto: N. Goldscheider)
155

5.1 Grundbegriffe und theoretische Grundlagen


• Gesetz von Darcy: Hydraulischer Gradient ist die
treibende Kraft der Grundwasserbewegung.
• Zur Bestimmung des Gradienten muss an mindestens
zwei Punkten der Grundwasserstand gemessen werden.
• Messung erfolgt meist an Beobachtungsbrunnen,
GwMessstellen bzw. Piezometern (nicht: „Pegel“).

Messung des Grundwasserstandes in einem


Beobachtungsbrunnen mittels Kabellichtlot
156

78
Grundbegriffe
• Grundwasserspiegel (groundwater level):
ausgeglichene Grenzfläche des GW gegen die
p
Atmosphäre,, z.B. in Brunnen oder Baugruben
g
• Grundwasserstand* (piezometric head): Höhe des
GwSpiegels über oder unter einer Bezugsebene.
• Standrohrspiegelhöhe* (total hydraulic head):
GwStand an einem genau definierten Messpunkt im
GwLeiter. Summe aus g geodätischer Höhe und
Druckhöhe (dazu gleich mehr).

* Die beiden Begriffe sind fast Synonyme und werden oft verwechselt. Der zweite Begriff
ist hydraulisch präziser definiert. Der entscheidende Unterschied ist die Messung an exakt
einem Punkt, d.h. das Piezometer darf nur an einem Punkt bzw. kurzen Abschnitt verfiltert
sein und nur dort mit dem Grundwasser in Kontakt stehen.
157

Grundbegriffe – Fortsetzung
• Grundwasseroberfläche (groundwater surface / table):
Oberfläche eines Grundwasserkörpers
• GwDruckfläche (potentiometric surface): Geometrischer
Ort aller Standrohrspiegelhöhen einer GwOberfläche
• In einem freien GWL fällt die (freie) GwOberfläche mit
der GwDruckfläche zusammen.
• In einem gespannten GWL liegt die GwDruckfläche
oberhalb der GwOberfläche
GwOberfläche.
• In einem artesisch gespannten GWL liegt die
GwDruckfläche sogar oberhalb der Geländeoberfläche.

158

79
Illustration dieser Grundbegriffe
Grundwasseroberfläche (GWO), Grundwasserdruckfläche (GWD),
freies, gespanntes und artesisch gespanntes Grundwasser

159

Theoretische Grunlagen: Mechanische Energie


des Wassers und Gesetz von Bernoulli
Die mechanische Energie von strömendem Wasser setzt
sich aus 3 Komponenten zusammen (Energieerhaltung):

1 2  kg  m 2 
E mv  mgz  pV  2 
2  s 

kinetische Energie hydrostatische Energie (Druck)


(Geschwindigkeit)
potentielle Energie (Höhe)

E : Energie z : Höhe [m]


m : Masse [kg] p : Druck [N/m2]
v : Geschwindigkeit [m/s] V : Volumen [m3]
g : Erdbeschleunigung (9,81 m/s2)
160

80
Hydraulisches Potential (hydraulic potential) und
Standrohrspiegelhöhe (hydraulic head)
Hydraulisches Potential E/m  :
 m2 
E v2 p  2
    gz  s 
m 2 

Standrohrspiegelhöhe oder hydraulische Druckhöhe


 v2 p p
H  z  z  z  h  const. [m]
g 2g g g

Kann in Porengrundwasserleitern vernachlässigt werden

ρ : Dichte [kg/m3] h : Druckhöhe über Referenzniveau [m] 161

Übung: Strömung in Röhrensystem


(viel höhere Geschwindigkeiten als in typischem Grundwasser)

Prinzip der Wasserstrahlpumpe!

Berechnen Sie die Schüttung am Auslass des Systems [L/s], die


Fließgeschwindigkeiten an den Punkten 1 bis 5 [m/s] und die
Druckhöhe [m] an Punkt 3, unter der Annahme, dass keine
Reibungsverluste stattfinden (Energie = konstant). 162

81
Übung: Bedeutung der Fließgeschwindigkeit
von Grundwasser für die Bernoulli-Gleichung

• Berechne den Beitrag


g der Fließgeschwindigkeit
g g zur
mechanischen Energie von Grundwasser für typische
Fließgeschwindigkeiten, von 0,1 bis 10 m/Tag.
• Drücke das Ergebnis in Form einer Höhe in mm aus!
• Interpretiere das Ergebnis!

163

Bedeutung von hydraulischem Potential


und Standrohrspiegelhöhe
• Wird in Piezometern gemessen: Standrohrspiegelhöhe
(an exakt einem Punkt im Grundwasserleiter)
• Summe aus geodätischer Höhe z (Höhe über
Referenzniveau) und Druckhöhe h
• GW fließt immer von hohem zu niedrigerem
hydraulischen Potential (bzw. von hoher zu niedriger
Standrohrspiegelhöhe).
p
H  z  zh
g
Achtung: unterschiedliche Lehrbücher verwenden
unterschiedliche Symbole, z.B.: h = z + ψ 164

82
Piezometer und Standrohrspiegelhöhe
Piezometer

= Druckhöhe

= Standrohrspiegelhöhe

= geodätische Höhe

Piezometer: Beobachtungsbrunnen, der im Idealfall nur an einem


Punkt mit dem Grundwasser in Kontakt steht und daher die Messung
des hydraulischen Potentials an exakt diesem Punkt ermöglicht.
165

Geodätische Höhe (z), Druckhöhe (h) und Gradient

H=z+h

• Werte von z und h sind in


allen 4 Fällen unterschiedlich.
• Werte von H sind jeweils
gleich; daher ist auch der
Gradient jeweils gleich.
• Nach Darcy ist auch der
Durchfluss Q immer gleich.
gleich

Fetter (2001)

166

83
Hydraulischer Gradient und Wasserbewegung

Wasser fließt nicht immer von


oben nach unten, aber immer
von hohem
h h zu niedrigem
i di
hydraulischen Potential bzw.
Standrohrspiegelhöhe.
Der hydraulische Gradient ist
entscheidend für die
Grundwasserbewegung
Grundwasserbewegung.

Younger (2007)

167

5.2 Freie und gespannte Grundwasserleiter


(unconfined and confined aquifers)

Younger (2007)
168

84
Details: bedeckter / gespannter
Grundwasserleiter
Younger (2007)

(i) Bedeckt, aber nicht hydraulisch gespannt (freie GwOberfläche)


(ii) Bedeckt und gespannt (GwDruckfläche > GwOberfläche)
169

Schwebender Grundwasserleiter
(perched aquifer)
• Befinden sich meist oberhalb
wasserstauender Schichten
• Von tieferem GWL durch
ungesättigte Zone getrennt.
• Meist lokal begrenzt und
manchmal nur in wasserreichen
Perioden vorhanden (kann
l l f undd austrocknen)
leerlaufen t k )

Younger (2007)

170

85
Lokaler, schwebender Grundwasserleiter über einem
regionalen, freien Grundwasserleiter

ungesättigte Zone

schwebender GWL
freie GWO

regionaler GWL

Fetter (2001)

Unter dem schwebenden GWL befindet sich eine ungesättigte Zone!


171

Freier, gespannter und artesischer GWL


1
2

3 *
4

Fetter (2001)

1. offen und frei, 2. bedeckt und frei, 3. gespannt, 4. artesisch


* Achtung, der Begriff „artesian well“ wird in dieser Abb. nicht so verwendet,
wie in der deutschen hydrogeologischen Literatur üblich. 172

86
Landschaft mit verschiedenen Grundwasserleitern
Keller (2000)

GwNeubildung, schwebender GWL, freier und gespannter GWL,


GwNicht- und –Geringleiter, Quellen, Basisabfluss, verschiedene
GW-Fluss-Wechelwirkungen (Effluenz und Influenz)
173

Beispiel: Stuttgarter Mineralwasser

Später mehr zu
diesem Beispiel
 Exkursion
 Masterarbeit

Goldscheider et al. (2003)


174

87
Gradient in freiem und gespanntem GW

Y
Younger (2007)

(a) Frei: Gradient = Neigung der freien GwOberfläche


(b) Gespannt: Gradient = Neigung der GwDruckfläche
Messung in beiden Fällen: Differenz der Standrohrspiegelhöhe 175

Zusammenhang zwischen Grundwasserabsenkung und


Wasserentnahme ( Speicherkoeffizient)
a) b) (a) Frei: Absenkung von H führt
zu großer Speicheränderung
( t
(entprechend
h dN Nutzporosität)
t ität)
(b) Gespannt: Absenkung von H
führt zu geringer Speicher-
änderung (Dekompression)
Umgekehrt formuliert:
(a) Wasserentnahme bewirkt
geringe Absenkung der
GwOberfläche.
(b) Wasserentnahme bewirkt
starke Absenkung der
GwDruckfläche.
176

88
Speicherkoeffizient
Freigesetztes (oder neu gespeichertes) Wasservolumen
pro Flächeneinheit des Grundwasserleiters, bezogen
auf die Änderungg der Standrohrspiegelhöhe.
p g
V 
S
A  h
S : Speicherkoeffizient [-]
ΔV : Änderung des gespeicherten Wasservolumens [m3]
A : Flächeneinheit des Grundwasserleiters [m2]
Δh: Änderung der Standrohrspiegelhöhe [m]

Bei freien Grundwasserleitern, entspricht S der Nutzporosität;


bei gespanntem Verhältnissen ist S viel kleiner und entspricht
lediglich der Kompression bzw. Dekompression des Aquifers.
177

Halbgespannter Grundwasserleiter: Durch schwach


durchlässige Schicht nach oben begrenzt

Gleichgewichtsfall: gleicher Grundwasserstand im oberen und


unteren Stockwerk  keine vertikale Wasserbewegung

178

89
Pumpbrunnen im oberen Stockwerk
• Absenkung der freien GwOberfläche im oberen Stockwerk
• vertikaler hydraulischer Gradient
• Aufstieg von GW aus dem unteren Stockwerk
• zusätzliche
ät li h WWassermenge; meisti t gute
t Qualität
Q lität

179

Pumpbrunnen im unteren Stockwerk


• Absenkung der GwDruckfläche im unteren Stockwerk
• umgekehrter vertikaler hydraulischer Gradient
• Abstieg von Grundwasser aus dem oberen Stockwerk
• Zusätzliche Wassermenge aber Gefahr für Wasserqualität falls
1. Stockwerk kontaminiert

180

90
Natürliches System mit freiem und (halb)gespanntem GWL
Vorfluter GwNeubildungsgebiet

Später mehr zu regionalen


Grundwasser-Fließsystemen!
Castany (1998), ergänzt
181

6. Brunnen und Pumpversuche

Studentengruppe am Pumpbrunnen der Gemeine Buix, Jura, Schweiz

Pumpversuche dienen dazu, die Leistungsfähigkeit des Brunnens zu testen


und/oder die Eigenschaften des Grundwasserleiters zu charakterisieren.
182

91
6.2 Typen und Platzierung von Brunnen
zur Trinkwassergewinnung

Aufbau eines Bohrbrunnens zur Trinkwassergewinnung aus einem


Porengrundwasserleiter. Diese Bauweise schützt auch vor Kontamination
(Schutzzone I, dazu später mehr) (Quelle: unbekannt) 183

Aufbau eines Schachtbrunnens


• Schacht wird gegraben und dann
gemauert oder betoniert.
• Für flachgründige GwVorkommmen;
taucht nicht sehr tief ins GW ein:
„unvollkommener Brunnen“
• Wasserzutritt oft nur über die Sohle.
• Oft großer Durchmesser (> 1 m); dient
auch der Wasserspeicherung.
• Altmodische (altertümliche) Bauweise;
Quelle: www.der-brunnen.de
wird heute kaum noch gebaut.
• Hygienische Bedenken, wegen Nähe zur
Oberfläche.

184

92
Aufbau eines
Bohrbrunnens Brunnenstube
• Für GWL mit hoher
UZ
Transmissivität, z.B. Sand-
und Kiesschichten goßer
Mächtigkeit Vollrohr
• Wichtigster Brunnentyp
• Oft wird die gesamte
Mächtigkeit eines GWL GWO
Tauchpumpe
genutzt: „vollkommener
Brunnen“, teil auch
Brunnen GZ
mehrere Stockwerke Filterrohr

• Oft 10er bis 100er m tief


UZ: ungesättigte Zone
GWO: Grundwasseroberfläche Brunnensumpf
GZ: gesättigte Zone
Quelle: http://www.der-brunnen.de 185

Horizontalfilterbrunnen
Für GWL mit geringer
Transmissivität, bzw. geringer
Mächtigkeit (wenige Meter)

Tauchpumpen
Horizontalbohrungen

www.der-brunnen.de
186

93
Sickerrohrleitungen

• Ähnliches Prinzip wie


Horizontalfilterbrunnen; statt
radialer Bohrungen werden
Sickerleitungen in Gäben
verlegt und mit Kies verfüllt.
• Für sehr flachgründige
(oberflächennahe) GWL mit
geringer Transmissivität.
• Nicht unbedingt radiale
Anordung. Manchmal nur
eine Achse quer zum Tal. www.der-brunnen.de

187

Platzierung eines Bohrbrunnens in einem relativ


homogenen alluvialen Porengrundwasserleiter

Brunnen

Fetter (2001)

Brunnen kann fast überall platziert werden


werden, denn es ist überall GW
vorhanden (dankbares Terrain für Wünschelrutengänger).
 Optimale Platzierung im Bereich größter Mächtigkeit und
Durchlässigkeit (also Transmissivität).
 Uferfiltration (bank filtration), d.h. es wird Flusswasser
angezogen, das in den GWL infiltriert: Vor- und Nachteile! 188

94
Bohrbrunnen in stark heterogenen
glazial-fluviatilen Sedimenten

Brunnen

Fetter (2001)

Brunnen muss sehr sorgfältig platziert werden


 Anwendung von geologischem und geomorphologischem
Sachverstand (Quartärgeologie) und geophysikalischer
Methoden, z.B. Geoelektrik und/oder Seismik 189

Bohrbrunnen in einem Karstgrundwasserleiter

Mattheß & Ubell (1983)

Aufgrund der starken Heterogenität von Karst-GWL sind vertikale


Bohrbrunnen oft erfolglos.
 Bohrungen schräg zur Klüftung sind erfolgversprechender.
 Alternativ: Quellen oder horizontale Karstwasserstollen
190

95
6.2 Pumpversuche (pumping tests)
Es gibt zwei Hauptziele und zwei Haupttypen von
Pumpversuchen:
1. Betimmung hydraulischer Parameter des GWL
(Transmissivität, Durchlässigkeit, Speicherkoeffizient)
 hydrogeologischer Pumpversuch, Aquifertest
(aquifer test)
2. Test und Optimierung eines Pumpbrunnens, bzw.
Bestimmung nachhaltiger Förderraten.
 Leistungspumpversuch, Brunnentest
(well test, step-drawdown test)

191

Grundbegriffe
• Stationärer Pumpversuch: Es wird so lange gepumpt,
bis sich ein Gleichgewicht zwischen Entnahme und
Zustrom einstellt, also keine zeitliche Änderung der
Absenkung mehr erfolgt  Transmissivität
• Instationärer Pumpversuch: Der zeitliche Verlauf der
Absenkung wird gemessen und ausgewertet
 Transmissivität und Speicherkoeffizient
• Auch der Wiederanstieg kann ausgewertet werden
werden.
• Es gibt sehr viele Typen von Pumpversuchen und
sonstigen hydraulischen Tests. In der Grundvorlesung
werden nur wenige, einfache Verfahren vorgestellt.

192

96
Illustration eines Pumpversuchs

Quelle: unbekannt

• Gegen Ende der Pumpphase: stationäre Bedingungen.


• Saisonaler Trend muss bei Auswertung berücksichtigt werden.
193

Leistungspumpversuch
Ziele und Fragestellungen:
• Mit welcher Förderrate kann der Brunnen langfristig
betrieben werden, ohne dass der GWL ausblutet?
• Welche Förderrate ist ökonomisch optimal?
Methode:
• Pumpen mit bestimmter (niedriger) Förderrate, bis sich
stationäre Verhältnisse einstellen.
• Messung der Absenkung (drawdown).
• Förderrate wird stufenweise erhöht und die jeweilige
Absenkung wird gemessen.
• Irgendwann nimmt Absenkung sehr stark zu.
 Leistungsgrenze überschritten; Abbruch des Versuchs.
194

97
Leistungspumpversuch: zeitlicher Verlauf

Quelle: unbekannt
195

Ergebnis: Zusammenhang Pumprate-Absenkung

doppelte Absenkung
 doppelte Förderrate
 lohnt sich!

doppelte Absenkung
 1/3 höhere Förderrate
 lohnt sich nicht

Förderrate · Absenkung  Energieverbrauch der Pumpe


196

98
Synopsis: Leistungspumpversuch

Younger (2007)

197

Hydrogeologische Pumpversuche
Es gibt eine große Zahl unterschiedlicher
Versuchstechniken und Auswertemethoden:
• Stationäre und instationär Pumpversuche
• Für gespannte, freie und halbgespannte GWL
• Für „unendliche“ GWL und für solche in der Nähe von
Staugrenzen oder offenen Wasserflächen.
• Vor allem für Porengrundwasserleiter, aber auch für
Kluft und Karstgrunwasserleiter
Kluft-
Einfachster Fall: Stationärer Pumpversuch in homogenem,
gespanntem, lateral unbegrenztem Poren-GWL.
 Auswertung nach Dupuit-Thiem.
198

99
Formel von DUPUIT-THIEM (1)
Strömung hin zu einem Pumpbrunnen, in einem gespannten
Grundwasserleiter (= konstante GwMächtigkeit)

Absenkung: s = H - h
Graphiken: N. Goldscheider 199

Formel von DUPUIT-THIEM (2)

1. Kontinuitätsbedingung
QBrunnen  Q Aquifer
200

100
Formel von DUPUIT-THIEM (3)

2. DARCY
dh
Q  A K 
dr

3. Geometrie
dh
Q  2  r  b  K 
dr

201

Formel von DUPUIT-THIEM (4)

4. Umformen  Differentialgleichung
Q dr
dh  
2T r
5. Integration
h2 r2
Q dr
 dh 
h1

2T r1 r

6. Lösung: Formel von DUPUIT-THIEM


Q r
h2  h1  s1  s2   ln 2
2T r1
202

101
Übungsaufgabe: Pumpversuch in einem
gespannten Grundwasserleiter
In zwei Piezometern in unterschiedlichem Abstand (r) zum
Pumpbrunnen wird die stationäre Absenkung (s) der
Grundwasser-Druckfläche beobachtet. Gegeben:
r1 = 0,80 m ; s1 = 2,24 m
r2 = 30 m ; s2 = 1,08 m
Mächtigkeit des Grundwasserleiter: b = 8 m
p
Pumprate: Q = 9 L/s
a) Berechne die Transmissivität (T) und die mittlere
hydraulische Leitfähigkeit (K) des Grundwasserleiters!
b) Bestimme den Durchmesser des Absenktrichters (R);
Graphische Lösung und Berechnung!
203

Mögliche Folgen
starker GwAbsenkung
durch Pumpbrunnen
Trinkwasserbrunnen liegen
meist außerhalb von
Siedlungen (z.B. im Wald) und
die GWAbsenkungen sind
recht gering (einige Meter)
 keine Schäden.
Großräumige, starke
G Ab k
GwAbsenkungen iin
Siedlungsgebieten können zu
Landsenkung (Subsidenz) und
Rissen führen.

Keller (2000) 204

102
Ökologische Folgen von Grundwasserabsenkungen
• Grundwasserabhängige Vegetation kann degenerieren (Vegetation
ist aber meist vom Bodenwasser abhängig, nicht vom GW).
• Aquatische Ökosysteme (z.B. Niedermoore) können degenerieren.
• Schüttung
S hü von Quellen
Q ll undd Bächen
Bä h kannk zurückgehen;
ü k h
Wasserspiegel von Seen kann sinken.
• Meist nicht dramatisch, sollte aber bedacht werden!
Younger (2007)

205

Salzwasserintrusionen in Küstenaquiferen
Küstenaquifere: Salzwasser unter
süßem Grundwasser.
Grenzschicht fällt zum Landes-
inneren ein; 40 mal steiler als
Anstieg der GwOberfläche.
 GwMächtigkeit unter dem
Meeresspiegel ist 40 mal höher
als über dem Meeresspiegel.
 Abpumpen von GW führt zu
einem Absenktrechter an der
GwOberfläche und zu einem 40
mal stärkeren Aufstiegstrichter
Keller (2000) von Salzwasser in der Tiefe.
 Salzwasserintrusion
206

103
7. Strömungsfelder und regionale
Grundwasserströmung

Blick über den Lac de Neuchâtel zu den Schweizer Alpen

Große Seen und Flüsse sind oft die Endpunkte tiefer, regionaler und
meist thermaler Grundwasser-Fließsysteme
207

7.1 Theoretische Grundlagen


• Wenn in einem homogenen, zusammenhängenden GWL an drei
nicht zu weit auseinander liegenden Piezometern der GwStand
gemessen wird, können daraus durch Interpolation sogenannte
G d
Grundwassergleichen
l i h konstruiert
k t i t werden.d

• GwGleichen: Linien gleicher


Höhe der GwOberfläche (frei)
bzw. GwDruckfläche (gespannt)
• Daraus ergibt sich auch die
Fließrichtung:
li ß i h senkrecht
k h dazu!
d !

Mattheß & Ubell (1983)


208

104
Viele Piezometer: Erstellung von 2D-Strömungsnetzen
bzw. Grundwassergleichenplänen

Fluss

Äquipotentiallinie
bzw.
Grundwassergleiche
Stromlinie

Kartendarstellung 209

Grundbegriffe

• Grundwassergleiche: „Höhenlinien“ auf der freien


GwOberfläche oder auf der GwDruckfläche
• Äquipotentiallinie:
Ä Linie gleichen hydraulischen
Potentials (gleicher Standrohrspiegelhöhe) in einem
GWL (aber nicht unbedingt an seiner Oberfläche).
• Tatsächlich handelt es sich immer um Äquipotential-
flächen, die aber in zweidimensionaler Darstellung
(K t und
(Karten dPProfile)
fil ) als
l Li
Linien
i erscheinen!
h i !
• Grundwassergleichen sind also die Äquipotentiallinien
an der Oberfläche des Grundwasserleiters.

210

105
Grundbegriffe – Fortsetzung
• Stromlinien zeigen die mittleren Bewegungsbahnen der
Wassermoleküle im Grundwasserleiter an.
• Da
D G Grundwasser
d iimmer auff kü
kürzestem
t Weg
W von einemi
Ort hohen Potentials zu einem Ort niedrigen Potentials
fließt, stehen die Stromlinien immer senkrecht zu den
Äquipotentiallinien bzw. -flächen (in isotropen GWL).
• Hydraulische Äquipotentialflächen und Stromlinien
bilden ein physikalisches Feld
Feld, analog zu elektrischen
elektrischen,
optischen, magnetischen und Gravitationsfeldern.
• Man spricht von Strömungsfeldern (allgemein, 3D)
bzw. Strömungsnetzen (2D).
211

Konstruktion von GwGleichenplänen


(a) (b)

(c) (d)

212

106
Wichtige Regeln
• In isotropen porösen GWL stehen die Stromlinien immer
senkrecht auf den Äquipotentialflächen (nicht aber in
anisotropen Kluft- und Karstgrundwasserleitern).
• Es
E gibt
ib zweii wichtige
i h i hydraulische
h d li h Randbedingungen:
R db di
undurchlässige Grenzen (Staugrenzen) und Festpotentiale.
• Staugrenze: Kontakt mit undurchlässiger Formation.
Stromlinien verlaufen parallel zu solchen Grenzen;
Äquipotentialflächen stehen senkrecht dazu.
• Festpotential:
F i l K
Kontakt
k mit
i hhorizontaler
i l W Wasserfläche
flä h
(See). Stromlinien verlaufen senkrecht zu solchen
Grenzen; Äquipotentialflächen parallel dazu.
• Dritte Art der Randbedingung: Brunnen oder Quelle; alle
Stromlinien laufen darauf zu. 213

Isotropie und Anisotropie

Fetter (2001)
(A) In einem hydraulisch isotropen GWL (Sand, Kies) stehen die
Stromlinien senkrecht zu den Äquipotentiallinien.
(B) In einem hydraulisch anisotropen GWL (Klüfte) stehen die
Stromlinien schräg zu den Äquipotentiallinien.
214

107
Grundwassergleichen im Bereich eines
Baggersees (ehemalige Kiesgrube)
• Baggerseen (und viele natürliche
Seen) stehen direkt mit dem
angrenzenden GWL in Kontakt
Kontakt.
• Seewasserspiegel = GwSpiegel.
• Die Uferlinie eines Baggersees ist
immer eine Äquipotentiallinie.
• Stromlinien senkrecht zum Ufer.

Mattheß & Ubell (1983)


215

See-Grundwasser-
Wechselwirkungen
(a) See enthält GW-Zuflüsse von allen
Seiten (Exfiltration); Es muss einen
oberirdischen Abfluss geben (oder
starke Verdunstung).
(b) See mit oberirdischem Zufluss aber
ohne oberidischen Abfluss, der ins
GW entwässert (Infiltration).
(c) Baggersee: keine oberirdischen Zu-
oder Abflüsse, nur Zu- und Abstrom
von GW; Der See ist ein „Fenster“
im natürlichen GW-Fließfeld.
(d) Seen auf schlecht durchlässigem
Gestein (Granit, Tonstein) sind meist
unabhängig vom GW (kein Bild).
Younger (2007) 216

108
Strömungsnetz nahe eines Pumpbrunnens

S
Stromlinie
li i

Äquipotentiallinie
Brunnen

217

Hydrogeologischen Profilschnitt

GwGleiche

Stromlinie

Äquipotentiallinie (-fläche)

• Im Neubildungsgebiet: absteigende Stromlinien


• Im Bereich des Vorfluters (Fluss): aufsteigende Stromlinien;
artesische Verhältnisse ohne geringdurchlässige Deckschichten.
• GwGleichen sind Schnittlinien (im Profil: Schnittpunkte) der
Äquipotentialflächen mit der GwOberfläche.
218

109
Übung: Strömungsnetz

Konstruieren Sie ein Strömungsnetz aus Stromlinien


und Äquipotentiallinien (Grundwassergleichen)! 219

Vereinfachter Profilschnitt
• Absteigende Stromlinien im
Neubildungsgebiet; höheres Potential an
der Oberfläche als in der Tiefe.
• Aufsteigende
g Stromlinien im
Austrittsgebiet; höheres Potential in der
Tiefe als an der Oberfläche.
• Artesische Verhältnisse im Austrittsgebiet,
obwohl kein gespannter GWL vorliegt.

Quelle: unbekannt; modifiziert


220

110
Kontinuitätsbedingung: Q = konstant
In einem Bündel von Stromlinien gilt die Kontinuitätsbedingung,
ebenso wie in einer Rohrleitung mit variabler Querschnittsfläche, d.h.
in „Engstellen“ nimmt die Fließgeschwindigkeit zu.

Q  A1  v1  A2  v2  const.
221

Gesetz von Darcy und Strömungsnetze


Q: Durchfluss
dh K: Durchlässigkeit
Q   KA A: Querschnittsfläche
dl dh/dl: Gradient

Bei der Erstellung von Strömungsnetzen hilft das Gesetz von Darcy:
Es gibt vier Parameter und daher bis zu vier Freiheitsgrade:
• Wenn Q konstant ist (Kontinuität) und A fest vorgegeben ist
(gespannter GWL), stellt sich in gut durchlässigen Bereichen ein
flacher Gradient ein und in schlecht durchlässigen ein steiler.
• Wenn Gradient und A vorgegeben sindsind, findet in gut
durchlässigen Bereichen ein hoher Durchfluss (Q) statt und in
schlecht durchlässigen Bereichen ein geringer.
• Wenn Q vorgegeben ist (Neubildung) und A variabel (freier
GWL), ist in gut durchlässigen Bereichen die durchströmte Fläche
(GZ) gerinmächtiger als in schlecht durchlässigen Bereichen.
222

111
Übung: Laterale Heterogenität

(vertikal überhöhter Schnitt)

a) Berechnen Sie die hydraulischen Gradienten, die Filter- und die


Abstandsgeschwindigkeiti n den drei Bereichen des GWL!
b) Konstruieren Sie die GwDruckfläche, die Äquipotentiallinien und
die Stromlinien!
223

Übung: Geschichteter Grundwasserleiter

(vertikal überhöhter Schnitt)

a) Berechnen Sie die Filter- und Abstandsgeschwindigkeiten


b) Konstruieren Sie die GwDruckfläche, sowie die Äquipotential-
und Stromlinien!
224

112
Brechung von Stromlinien (1)

Analogie zur Brechung von Lichtstrahlen


(es handelt sich in beiden Fällen um physikalische Felder)
225

Brechung von Stromlinien an Schichtgrenzen


in einem Grundwasserleiter (2)

Bildlich gesprochen: Das Grundwasser versucht, möglichst lange


in gut durchlässigen Schichten (K1) zu fließen und die gering
durchlässigen (K2) auf möglichst kurzem Wege zu durchqueren!
226

113
Übung: Einfluss eines Kieskörpers

(vertikal überhöhter Schnitt)

Zeichen Sie qualitativ (ohne Berechnung) die Äquipotentiallinien


und die Stromlinien in diesen hydrogeologischen Schnitt!
227

Übung: Einfluss einer Tonlinse

(vertikal überhöhter Schnitt)

Zeichen Sie qualitativ (ohne Berechnung) die Äquipotentiallinien


und die Stromlinien in diesen hydrogeologischen Schnitt!
228

114
7.2 Anwendungen: von lokalen zu
regionalen Fließsystemen
Zum Beispiel Charakterisierung der lokalen
Wechselwirkungen g zwischen Grund-
und Oberflächenwasser.
A. Im humiden Klima (P > ET) entwässern
GWL oft zu Flüssen hin (Basisabfluss),
die teils als Endpunkte großer
regionaler Fließsysteme dienen.
B. Im ariden Klima (ET > P) werden
GWL oft f von Flüssen
Flü gespeist,
i diedi teils
il
vollständig versickern und verdunsten
und daher nie das Meer erreichen.

Fetter (2001)
229

Basisabluss bei unterschiedlichen Wasserständen

A. Niedriger Wasserstand im GWL


und im Fluss: flacher Gradient,
geringer Basisabfluss
B Hoher
B. H h Wasserstand
W d iim GWL:
GWL
steiler Gradient, hoher
Basisabfluss
Achtung: wenn der Wasserstand im
Fluss stärker Ansteigt als im
GWL, so verringert sich bei
Hochwasser der Basisabfluss,,
oder es kommt zu einer Umkehr
des Gradienten und daher zu
Infiltration  Uferspeicherung.

Fetter (2001)
230

115
Wechselwirkungen Fluss-Grundwasser
Exfiltration Infiltration

schwebender Fluss Uferspeicherung

Younger (2007)
231

Wechselwirkungen Fluss-Grundwasserleiter
Darstellung mit Stromlinien und Äquipotentiallinien

Exfiltration: Grundwasser
speist Fluss (Basisabfluss)
Infiltration: Fluss speist
Grundwasser

Castany (1998)
232

116
Wechsel Infiltration-Exfiltration:
Uferspeicherung

Fetter (2001)

• B
Beii Niedrigwasser:
Ni d i GW > Fluss
Fl  Exfiltration,
E fil i Basisabfluss
B i bfl
• Bei Hochwasser: Fluss > GW  Infiltration, Uferspeicherung
• Uferspeicherung trägt zur Dämpfung von Hochwasserwellen bei!

233

Pumpbrunnen nahe Fluss: Uferfiltration

• Viele Porengrundwasserleiter befinden sich in Flusstälern; viele


Pumpbrunnen liegen daher in Flussnähe.
• Wenn der Absenktrichter des Brunnens unter dem Wasserspiegel
im Fluss liegt, dringt Flusswasser in den GWL ein.
• Vorteile: zusätzliche Wassermenge (induzierte GwNeubildung);
Flusswasser wird durch Filterwirkung des GWL gereinigt.
• Nachteil: Kontamination im Fluss kann Trinkwasser belasten.
234

117
Uferfiltration: Strömungsnetz

GW von der anderen


Seite des Flusses
fließt zum Brunnen

Natürliche
Verhältnisse:
Durch Brunnen Exfiltration
induzierte
Infiltration

Fetter (2001)
235

Potentialverteilung und Stromlinien unter einem Damm


Fetter (2001)

Randbedingungen:
• Die Grenzfläche Wasserkörper-GWL ist ein Festpotential; ebenso
die Geländeoberfläche unterhalb des Damms.
• Der Dammkörper und der tiefere Untergrund sind Staugrenzen.
• Daraus ergeben sich Potentialverteilung und Stromlinien.
236

118
Typen von Quellen

Fetter (2001)

Es gibt viele verschiedene


Typen von Quellen und viele
unterschiedliche
Klassifikationssysteme.

237

Strömung hin zu Quellen: Hydrogeologie

Mattheß & Ubell (1983) 238

119
Strömung hin zu Quellen: Strömungsnetze

Castany (1998)
239

3D-Strömungsfeld in einem homogenen und


isotropen Porengrundwasserleiter

Graphik: Stephen Worthington


240

120
Idealisiertes 3D-Strömungsfeld in einem
Karstgrundwasserleiter
• Ein Netzwerk von Röhren und
Höhlen (conduit network) dient
als Entwässerungssystem
Entwässerungssystem.
• Hierarchisch organisiert, ähnlich
wie oberirdisches Gewässernetz.
• GwOberfläche mit Hügeln und
Tälern (= Röhren).
• Stromlinien laufen zu den Röhren
Graphik: Stephen Worthington hin und vereinigen sich dort.
• Man hat fast nie genügend Piezometerdaten, um dieses
Strömungsnetz zu erfassen; Gesetz von Darcy gilt nicht.
• Stattdessen werden andere Methoden angewandt, um die
Strömung in Karst-GWL zu charakterisieren: Tracerversuche.
241

Seltenes Beispiel: Modellierte Äquipotentiallinien in


einem Karst-GWL (Mammoth Cave Aquifer*, USA)

* größtes Höhlensystem der Welt

S. Worthington
242

121
Simulierte Stromlinien konvergieren entlang der
bekannten Höhlenbäche

Durch Tracerversuche bestätigt:


• gelbe Kreise = Eingabestellen
• blaue Kreise = Karstquellen

Tracerversuch
(Foto: N. Goldscheider)

S. Worthington
243

Fließsysteme in homogenem Poren-GWL mit zwei


Vorflutern in unterschiedlicher Höhenlage (Profil)
Fetter (2001), nach Joszef Toth

Wasserscheide
Vorfluter 1

lokales
Vorfluter 2 System 1
lokales
System 2

„toter Punkt“ regionales Grenze zwischen


(tiefes) System zwei Fließsystemen

Äquipotentiallinien
undurchlässiger Modellrand (Staugrenze)
244

122
Grundwasser-Fließsystheme auf verschiedenen Skalen:
lokal, intermediär, regional

Problem der „Einzugsgebiete“

nach Joszef Toth (1963) 245

Regionales Grundwasser-Strömungssystem:
Alpen - Molassebecken
diverse lokale Systeme

Bl Eine
Blau: Ei St
Stromlinie
li i von dden Al
Alpen zum Bodensee
B d als
l Beispiel
B i i l
• Ein Teil des Wassers, das in den Alpen versickert, speist sehr
tiefgründige Grundwasser-Fließsysteme, die erst an großen Seen
und Flüssen im Alpenvorland wieder zutage treten.
• Der Thermalwasseraquifer des Malm unter dem bayerischen
Alpenvorland ist Teil eines solchen Systems (Geothermie). 246

123
8. Grundwasser-Gesteins-
Wechselwirkungen

Karrenfeld in den Berner Alpen, entstanden durch die chemische Lösung von
Kalkstein (Verkarstung), eine wichtige Form von Wasser-Gesteins-Wechselwirkung
247

Bedeutung von Grundwasser-Gesteins-


Wechselwirkungen
Das Gestein verändert das Grundwasser:
• Mineralisierung:
g Das Grundwasser bekommt eine
charakteristische hydrochemische Signatur; gilt
besonders auch für Mineral- und Heilwässer.
• Reinigungswirkung: Schadstoffe werden im Kontakt
mit dem Gestein zurückgehalten oder abgebaut.
Das Grundwasser verändert das Gestein:
• Verkarstung: Klüfte im Kalkstein und anderen löslichen
Gesteinen weiten sich zu Spalten und Röhren.
• Sonstige geochemische Prozesse: Umwandlung
Anhydrit-Gips, Quellen von Tonmineralen, etc.
248

124
8.1 Überblick hydrogeochemischer Prozesse
• Lösung von Salzen
• Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht (zuletzt, aber ausführlich)
• Silikatverwitterung
• Tonminerale und Kationenaustausch
• Redoxprozesse

Besonders intensive Wasser-Gesteins-


Wechselwirkungen sind in Vulkan- und
Hydrothermal-Gebieten zu beobachten,
wie hier in Yellowstone, USA. Fast
immer sind Mikroorganismen beteiligt
(Foto: N. Goldscheider).
249

Lösung von Salzen


Einfachste hydrogeochemische Reaktion. Salz besteht aus
Kationen und Anionen, die im Wasser dissoziieren.
Entscheidend: Löslichkeitsprodukt.
p
Einfaches Salz: AB = A+ + B-
Löslichkeitsprodukt L = [A+] [B-] = konstant (bei 25 °C)
[ ] symbolisiert Konzentration in mol/L
Allgemeine Reaktion: AaBb = aA+ + bB-
Lö li hk it d kt L = [A+]a [B-]b
Löslichkeitsprodukt
Beispiele für leicht lösliche gesteinsbildende Minerale:
• Steinsalz / Halit (NaCl) und andere Chloride
• Gips (CaSO4·2H2O), Anhydrit und andere Sulfate
250

125
Ausfällung von Salzen aus dem Grundwasser
Unter ariden Bedingungen kommt es in GW-Aufstiegsbereichen oft
zur vollständigen Verdunstung des Grundwasser und daher zur
Ausfällung aller darin gelösten Salze.
Beispiel: Gipskrusten im Death Valley,
Valley USA

Foto: N. Goldscheider, 2005 251

Silikate und Silikatverwitterung (1)


Erdkruste besteht überwiegend aus kristallinen Gesteinen.
• Plutonite: Granit, Diorit, Gabbro, etc.
• Vulkanite: Basalt, Andesit, Rhyolith
• Metamorphite: Gneis, Glimmerschiefer
Diese Gesteine bestehen aus Silikaten, teils auch aus
Quarz. Auch viele klastische Sedimente und
Sedimentgesteine bestehen aus Quarz und Silikaten.
Silikate: Große,
Große extrem vielfältige Gruppe von Mineralen
Mineralen,
+ + 2+ 2+
die aus Metallkationen (K , N , Ca , Mg , etc.) und
negativ geladenen Silikatstrukturen besteht, in denen Si
jeweils tetraedrisch von 4 O umgeben ist.
80 % der Erdkruste: Silikate
252

126
Silikate und Silikatverwitterung (2)
Prozesse der Silikatverwitterung sind ebenso vielfältig wie
die Mineralogie der Silikate.
Häufigg führt die Silikatverwitterungg zur Freisetzungg von
Metallkationen (K+, N+, Ca2+, Mg2+, etc.) und zur
Bildung von Tonmineralen und Quarz.
Repräsentatives Beispiel: Verwitterung von Kalifeldspat
(Orthoklas) in „saurem“ Wasser, zu Kaolinit (ein
Tonmineral) und Quarz, unter Freisetzung von Kalium:

2 K[AlSi3O8] + 2 H+ + H2O = Al2[(OH)4/Si2O5] + 4 SiO2 + 2 K+

*Herkunft der Säure oftmals: CO2 + H2O = H+ + HCO3-


253

Tonminerale und Kationenaustausch (1)


Tonminerale: mikroskopisch kleine Schichtsilikate mit
Korngrößen < 2 µm
Wichtige Tonminerale: Kaolinit, Illit, Vermiculit,
Montmorillonit, Chlorit
Entstehen durch Silikatverwitterung, Umwandlung aus
Glimmer oder anderen Tonmineralen, oder Neubildung.
Mineralogisch sehr komplex; lassen sich vereinfacht als
Stapel winziger Schichten beschreiben.
Meist negativ geladen. Können daher an ihrer Oberfläche
oder zwischen den Schichten Kationen adsorbieren.

254

127
Tonminerale und Kationenaustausch (2)
Stärke der Adsorption hängt von den Eigenschaften der
Tonminerale und der Kationen ab.
Entscheidend: Größe und Ladung g der Kationen,, sowie
deren Konzentration im Grundwasser. Abfolge der
Bindungsstärke (Selektivitätsreihe):
Ca2+ > Mg2+ > K+ > Na+
Entsprechend dieser Reihe und den Konzentration findet
Kationenaustausch statt,, z.B.:
Na-Tonmineral + K+ = K-Tonmineral + Na+
So verändert sich die Zusammensetzung des GW. Auch
diverse Schadstoffe werden durch Adsorption oder
Austausch an Tonmineralen aus dem GW „entfernt“.
255

Redoxprozesse am Beispiel Eisen (1)

Gesteine enthalten oft Sulfidminerale, z.B. Pyrit (FeS2).


Im Kontakt mit sauerstoffhaltigem Grundwasser wird Pyrit
oxidiert, unter Freisetzung von Schwefelsäure und
Bildung von Eisen-Hydroxid:
FeS2 + 2.5 H2O + 3.75 O2 = FeOOH + 2SO42- + 4H+
Eisen liegt in sauerstoffreichem, neutralem Grundwasser
meist als Oxid (Fe2O3) oder Hydroxid (FeOOH) vor.
Auch Silikat- oder Carbonatminerale enthalten oft Eisen,
das durch Verwitterungsprozesse freigesetzt (als
lösliches Fe2+) oder oxidiert wird.

256

128
Redoxprozesse am Beispiel Eisen (2)
Unter reduzierenden, sauren Bedingungen werden diese
Oxide und Hydroxide aufgelöst, unter Freisetzung von
leicht löslichen (mobilen) Eisen
Eisen-II-Kationen:
II Kationen:
FeOOH + 3 H+ + e– = Fe2+ + 2 H2O
Organischer Kohlenstoff dient oft als Reduktionsmittel
(bzw. als Elektonendonator).
Unter stark reduzierenden Bedingungen und Anwesenheit
von Schwefel
S h f l wirdi d Ei
Eisen wieder
i d alsl Sulfid
S lfid ausgefällt.
fällt
Eisen ist ein Schwermetall. Die hier dargestellten Prozesse
gelten in abgewandelter Form auch für viele anderen,
teils toxische, Schwermetalle: Mn, Cd, Pb, Cu, Zn, etc.
257

Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht* (1)
1. Lösung von Kohlendioxid unter Bildung von Kohlensäure

CO2 + H2O = H2CO3

Ein Teil des CO2 reagiert chemisch zu Kohlensäure. Der andere Teil
ist physikalisch gelöstes Gas (und entweicht beim Schütteln und
Öffnen der Sprudelflasche). Quellen von Kohlendioxid:
• Atmosphäre: 387 ppm (März 2009; Tendenz steigend)
• Bodenatmungg durch Pflanzenwurzeln und Abbau organischer
g
Substanz durch Bodenorganismen (0.5–5 % CO2 in Bodenluft).
Vereinfachte Formel: CH 2O + O2 = CO2 + H2O
• Mikrobieller Abbau organischer Substanz im Grundwasser

*oft spricht man auch von Carbonat-GG, Kohlensäure-Carbonat-GG, etc.


258

129
Löslichkeit von CO2 im Grundwasser
• Je höher die Temperatur, umso geringer die Löslichkeit von CO2
• Je höher der Druck, umso höher die Löslichkeit
• Je höher der CO2-Partialdruck, umso höher die Löslichkeit
Foto: N. Goldscheider

Der größte Kaltwasser-Geysir der Welt bei


Andernach (Deutschland) entstanden durch
eine Bohrung in CO2-reiches Grundwasser.
Funktion: Durch Druckentlastung im Bohrloch
wird mehr und mehr CO2 frei.
259

Kohlensäure-Gleichgewicht (2)
2. Dissoziation von Kohlensäure zu Hydrogencarbonat

H2CO3 + H2O = H3O+ + HCO3–

 H   HCO
 
K1  3
pK1 = -lg K1 = 6.5
H 2 CO3

pH < 6.5 : überwiegend Kohlensäure bzw. CO2


pH > 6.5 : überwiegend Hydrogencarbonat

Hydrogencarbonat = Bicarbonat
260

130
Kohlensäure-Gleichgewicht (3)
3. Dissoziation von Hydrogencarbonat zu Carbonat

HCO3– + H2O = H3O+ + CO32 –

 H   CO
 2
K2  3
pK2 = -lg K2 = 10.5
 HCO 
3

pH < 10.5 : überwiegend Hydrogencarbonat


pH > 10.5 : überwiegend Carbonat

261

Kohlensäure-Carbonat-Gleichgewicht
Spezies von gelöstem anorganischen Kohlenstoff

Kohlen- Hydrogen-
Carbonat
säure carbonat

Fetter 2001

Hydrogencarbonat ist die dominierende


Spezies in (Karst)-Grundwasser! 262

131
Übung: Bedeutung des Carbonat-Gleichgewichts

• Wichtigstes Puffersystem im Süßwasser (Grund- und


Oberflächenwasser), d.h. es stabilisiert den pH-Wert.
• „Puffert“
P ff t“ Säuren
Sä undd Basen
B

CO32– + H+ =
Pufferung von Säuren
HCO3– + H+ =
Bicarbonat
i b
HCO3– + OH– =
Pufferung von Basen
H2CO3 + OH– =
263

Einfache Lösung von Kalkstein / Calcit (CaCO3)

• Die Löslichkeit von Calcit in reinem Wasser ist sehr gering.


• Starke Säuren (z.B. HCl, H2SO4) lösen Calcit unter Bildung von
gasförmigem CO2 sehr schnell auf:

CaCO3 + 2 H+ = Ca2+ + H2O + CO2 

• Dieser Prozess läuft ab, wenn man einen Tropfen Salzsäure auf
Kalkstein gibt, zwecks Gesteinsbestimmung.
• Läuft auch natürlich ab, in der Nähe vulkanischer Exhalationen.
• Der übliche Mechanismus der Calcit-Lösung ist komplizierter.
• Entscheidend: „Kalk-Kohlensäure Gleichgewicht“

264

132
Kalklösung durch CO2

CaCO3 + CO2 + H2O = Ca2+ + HCO3– + HCO3–

• Etwa 50% des entstehenden HCO3– stammt aus


Carbonat-Mineralen; 50 % aus der Atmosphäre
• Kalklösungg ist gglobale Senke für CO2 und mindert daher
den Treibhauseffekt (negative Rückkopplung).

265

Umgekehrter Prozess: Kalkabscheidung

Ca2+ + 2 HCO3– + OH – = CaCO3 + H2O + HCO3–


• Erhöhungg des ppH führt zur Ausfällungg von Kalk

Ca2+ + 2 HCO3– = CaCO3 + H2O + CO2


• Entweichen von CO2 führt zur Calcit-Ausfällung.
• Wird begünstigt durch Erhöhung der Temperatur und
Verringerung des Drucks, aber auch durch Turbulenzen.
• Alle Pflanzen und Algen konsumieren CO2 (Photosynthese).
 Sinterterrassen, Travertin, Stalagtiten und Stalagmiten.

266

133
UNESO Weltnaturerbe Plitvicer Seen, Kroatien:
aufgestaut durch natürliche Sinterterrassen

Aufsteigendes und zufließendes (kaltes) Wasser aus einem Karstgrundwasserleiter ist


reich an gelöstem Kalk. Durch Erwärmung, Turbulenz und Photosynthese wird dem
Wasser CO2 entzogen, und es kommt zur Kalkausfällung in Form von Terrassen.
267

UNESO Weltnaturerbe Pamukkale, Türkei:


Abscheidung aus heißem Quellwasser – Travertin

Fotos: N. Goldscheider

Hier spielen Photosynthese und Temperaturerhöhung keine Rolle (Quellwasser ist


heiß). Entscheidend: Entweichen von CO2 durch Druckentlastung und Turbulenz.
268

134
Stalagmiten und Stalagtiten (Speläotheme) in der
Vallorbe-Höhle, Schweizer Jura

Prozess: Kalkabscheidung durch Entweichen von CO2 (Turbulenz und Druckentlastung).


Speläotheme reagieren empfindlich auf Änderungen der chemischen und hydrologischen
Bedingungen. Sie sind daher wichtige kontinentale Klimaarchive, v.a. Stalagmiten, die
sich aufgrund ihres schichtigen Aufbaus leicht datieren und interpretieren lassen.
269

Übung: andere wichtige Lösungsprozesse

Abhängig vom Kohlensäure-Gleichgewicht


Lösung von Dolomit
CaMg(CO3)2

Unabhängig von Kohlensäure


Lösung von Gips
CaSO4 · 2 H2O

Lösung von Steinsalz (Halit)


NaCl

270

135
Synopsis: Kalk-Kohlensäure Gleichgewicht

I. Gleichgewicht Kohlendioxid – Bicarbonat – Carbonat


Hydrogencarbonat

CO2 + H2O = H2CO3


H2CO3 = H+ + HCO3–
HCO3– = H+ + CO32 –

II. Kalklösung durch Wasser und CO2


CaCO3 + CO2 + H2O = Ca2+ + 2 HCO3–

271

8.2 Verkarstung und Speläogenese

a) oberirdisch
b) unterirdisch

Rillenkarren in Kalkstein, Dachstein, Österreich


(Foto: N. Goldscheider)

Höhlenschacht im Schweizer Jura


(Foto: R. Wenger)

 Speläogenese
272

136
Definition: Verkarstung (karstification)
Allgemein: Bildung von ober- und unterirdischen
Lösungsformen in verschiedenen Gesteinen
(Kalkstein Dolomit
(Kalkstein, Dolomit, Gips
Gips, etc
etc.)) durch Wasser (Regen
(Regen-
und Schmelzwasser, Oberflächen- und Grundwasser),
meist unter Mitwirkung von Kohlendioxid (CO2).
Am Wichtigsten: Kalkstein und Dolomit.
In der Hydrogeologie interessiert uns v.a. die Bildung
unterirdischer Hohlräume durch Grundwasser
Grundwasser, auch
Speläogenese (Höhlenbildung; speleogenesis) genannt.
Durch Speläogenese entsteht aus einem geklüfteten
Karbonatgestein ein Karstgrundwasserleiter.
273

Kalkstein-Denudationsrate
Karsttisch,
Slowenische Alpen

• Block wurde vor ca. 10.000 Jahren vom Gletscher abgesetzt.


• Kalkstein-Oberfläche unter dem Block ist abgeschirmt, während
die Umgebung der Kalklösung ausgesetzt ist.
 Denudationsrate kann abgeschätzt werden.
274

137
Übung: Kalklösung und Denudationsrate (1)

Niederschlag: 1800 mm/Jahr


Mittlere Quellschüttung: 1250 L/s
Mittlere Ca2+-Konzentration im Quellwasser: 60 mg/L
Dichte von Calcit: 2,7 g/cm3
Molmassen: C = 12 g/Mol; O = 16 g/Mol; Ca = 40 g/Mol

275

Übung – Fortsetzung (2)

a) Berechne die jährliche Grundwasserneubildung und


Evapotranspiration [mm/a] ! (Annahme: kein
oberflächlicher Abfluss; Mergel ist undurchlässig)
b) Berechne die Calcit-Masse, die jedes Jahr durch
Lösungsprozesse aus dem System entfernt wird [t]!
(Annahme: keine anderen Calcium-Quellen)
c) Berechne die Kalkstein-Denudationsrate [mm/1000 a]!

276

138
Speläogenese: Höhlenbildung / Bildung von Porosität
und Permeabilität durch Lösungsprozesse

Intensive Grundwasser-Gesteins-Wechselwirkung: Höhlen entstehen primär


durch fließendes Grundwasser – Grundwasser im Karst fließt bevorzugt durch
Höhlen (Beispiel: Höhle im Oman, mit Fließfacetten an der Decke und
fluvialen Sedimenten am Boden, Foto: R. Wenger) 277

Speläogenese ist ein


selbstverstärkender Prozess*
größere Kluft-
Öffnungsweite

mehr Calcit- mehr GW-


Lösung Durchfluss

* man spricht auch von positiver Rückkopplung 278

139
Speläogenese ist ein selektiver Prozess
Initiale Situation:
geklüfteter Kalkstein
Einige
g 10.000 Jahre später:
p
Karstgrundwasserleiter

Diese Kluft ist nur etwas weiter…

… aber nur diese Kluft erweitert sich zu einer Höhle


279

Bildung eines Karst-Netzwerks

Nur eine große


Karstquelle

Fetter 2001 280

140
Ergebnis dieser GW-Gesteins-Wechselwirkung:
Karstgrundwasserleiter

Goldscheider & Drew (2007)


www.iah.org/karst
• Hierarchisch organisiertes Netzwerk aus Spalten, Röhren und
Höhlen, das die angrenzenden Gesteinsbereiche entwässert.
• Rasche, meist turbulente Strömung, oft hin zu wenigen aber teils
sehr großen Quellen mit meist starken Schüttungsschwankungen.
281

Beispiel für eine sehr dramatische Form von Grundwasser-Gesteins-Wechselwirkungen:

8.3 Beschädigung einer historischen Stadt durch


Erdwärmebohrungen in Anhydrit

Riss in einem Haus in Staufen im Breisgau, verursacht durch schlecht geplante


und schlecht ausgeführte Erdwärmebohrungen (Foto: N. Goldscheider)
282

141
Lage der „Fauststadt Staufen“ am Rande des
südlichen Oberrheingrabens

Graphiken wurden von Prof. Ingo Sass, TU


Darmstadt, zur Verfügung gestellt.

• In Staufen wirkte und starb Dr. Faust, bekannt durch das


gleichnamige Drama von Johann Wolfgang von Goethe.
• Eine der schönsten deutschen Kleinstädte
• Teil des deutschen Kulturerbes
283

Erdwärmebohrungen im Stadtzentrum
• Im September 2007 wurden hinter dem historischen Rathaus
sieben Erdwärmebohrungen abgetäuft, 140 m tief, unverrohrt.
• Kurze Zeit später bildeten sich in der Umgebung erste Risse.

Das Rathaus von Staufen,


mittlerweile ein Totalschaden
(Foto: N. Goldscheider)

Lage der Bohrungen (Sass et al. 2009) 284

142
Geologischer Schnitt (1991)

km: Mittlerer Keuper, enthält „häufig Anhydritbänke und


-linsen“ (R. Walter, Geologie von Mitteleuropa, 1992)
Ingo Sass, TU Darmstadt 285

Anhydrit
• Anhydrit kann sich im Kontakt mit Grundwasser bei geringem
Überlagerungsdruck (bis ca. 180 m) in Gips umwandeln*
CaSO4 + 2 H2O  CaSO4 · 2H2O
• Die
Di führt
füh t zu einer
i V
Volumenvergrößerung
l öß von bis
bi zu 61 %.
%
 Anhydrit ist geotechnisch ein sehr gefährliches Mineral; jeder
Kontakt mit Grundwasser sollte vermieden werden.
Graphik: Ingo Sass

* Prozess hängt auch von anderen Faktoren ab, z.B. Reinheit und Kristallgröße des
Anhydrits, sowie Art und Menge von ebenfalls vorhandenen Tonmineralen. 286

143
Risse in Staufen

Links: Vertikaler Riss, der zwei


Gebäude vom Keller bis zum
Dach durchtrennt.
Unten: Einer der größten
offenen Risse (Feb 2009)

Fotos: N. Goldscheider 287

Risse in Staufen (2)


Juli 2009

Behelfsmäßig gestützte
Hauswand.

Riss in einer der am schwersten


geschädigten Privathäuser.
Fotos: N. Goldscheider 288

144
Gemessene Hebungsrate im Stadtzentrum

Ingo Sass
• Mehr oder weniger lineare Hebungsraten
• Bis zu 12 mm/Monat im Stadtzentrum
• Gesamthebung bis zu 24 cm (Februar 2009)
289

Konzentrische Anordnung der Hebungen


um die Bohrungen herum

Der enge zeitlich-räumliche Zusammenhang zwischen den Bohrungen und den


Hebungen ist ein klarer Beweis, dass die Bohrungen die Schadensursache sind.
Troztdem wurde lange über „natürliche Ursachen“ spekuliert.
290

145
Schlussfolgerungen

• GW-Gesteins-Wechselwirkungen sind nicht nur von


akademischem Interesse sondern auch praxisrelevant.
• Erdwärmebohrungen und andere Eingriffe in den
geologischen Untergrund sind meist harmlos, können
aber teilweise auch sehr gefährlich sein.
• Geologische und hydrogeologische Kompetenz sind bei
der Planung daher unverzichtbar; dazu gehören auch
elementare Grundkenntnisse, wie das Lesen und
Verstehen geologischer Karten und Profile.

Literatur:
Goldscheider & Bechtel, 2009, Hydrogeology Journal
Sass & Burbaum, 2010, Acta Carsologica, in Druck
291

9. Kontaminationsproblem und
Grundwasserschutz

Tracerversuche eignen sich auch zur Simulation des Schadstofftransports im


Grundwasser. Hier: Eingabe des Fluoreszenztracers Uranin in eine Schwinde im
Schwarzwassertal, Kleinwalsertal, Österreich ( Exkursion) 292

146
Globale Bedeutung des Problems
• Wenn man die Wichtigkeit globaler Umweltprobleme
daran misst, wie viele Menschen erkranken und sterben,
dann ist Trinkwasser-Kontamination
Trinkwasser Kontamination eines der größten
Probleme; noch dazu ein konkretes Problem, das man
durch konkrete Maßnahmen vor Ort im Prinzip relativ
leicht lösen könnte („global denken, lokal handeln“).
• Größenordnung: Je nach Quelle jährlich mehrere
g
Millionen Tote und über 1 Milliarde Erkrankungen.
• Kontamination ist schlimmste Form der Wasser-
Verschwendung: Ressourcen werden unbrauchbar.
• Außerdem: ökologische Schäden im Grundwasserleiter
und in damit verbundenen Ökosystemen.
293

Sicherheitskette: Von sauberem


Grundwasser zu sicherem Trinkwasser
Im Notfall kann man Abwasser zu
Trinkwasser aufbereiten, d.h. man
k
kommt t auchh ohne
h GW-Schutz
GW S h t aus.
Es spricht aber viel dafür, auf eine
Sicherheitskette zu setzen:
• Natürlich sauberes Trinkwasser ist
appetitlicher.
• Man ist auf der sicheren Seite, selbst wenn
ein Element ausfällt.
ausfällt
• Es gibt auch Schadstoffe, die nicht
vollständig entfernt werden können.
• Aufbereitungstechnik nicht immer verfügbar.
Goldscheider, in Kresic & Stevanovic (2010)
• GWL sind Ökosysteme und sollten allein
deshalb geschützt werden...
294

147
Kleiner Exkurs: Zwei Krebsarten, die nur im
Grundwasser vorkommen (und nur in der Schweiz)

Moeschler & Rouch

Stygepactophanes jurassicus Gelyella monardi

 Versteckte Biodiversität, durch Kontamination bedroht


295

9.1 Überblick: Schadstoffe im Grundwasser


Gliederung nach Art der Schadstoffe:
• Anorganische Schadstoffe
• Organische Schadstoffe
• Pathogene Mikroorganismen
Gliederung nach Herkunft:
• Industrie, Altlasten und Deponien
• Landwirtschaft
• Haushalte und Gärten
• Geogene Schadstoffe: Arsen – riesiges Problem in
Bangladesch, Indien, Südostasien, China, etc.,
(“greatest mass poisoning in history”)
296

148
Eigenschaften der Schadstoffe (1)
Grundsätzliche Beschaffenheit und Löslichkeit:
• Gut wasserlöslich: z.B. Nitrat
• Schlecht wasserlöslich: viele Schwermetalle
• Gering wasserlösliche, organische Schadstoffe, die als
eigene flüssige Phase vorliegen, leichter oder schwerer
als GW: z.B. Benzin, viele Lösungsmittel
• Partikelförmige Schadstoffe: Mikroorganismen
Toxizität bzw. Virulenz:
• Nicht akut toxisch, aber auf Dauer und in hohen
Konzentrationen unerwünscht: Nitrat, Chlorid, etc.
• Hohe Toxizität: Chromat, Benzol, etc.
• Ein einziger Norwalk-Virus kann Krankheit auslösen.
297

Eigenschaften der Schadstoffe (2)


Mobilität:
• Hohe Mobilität: Nitrat, LCKW (Leichtflüchtige
Chlorierte Kohlenwasserstoffe)
• Gering: Viele Schwermetalle; daher im GW meist kein
Problem, wohl aber in Boden, Pflanzen, Luft. Partikel-
gebundener Transport im GW erhöht Mobilität.
Lebensdauer, Stabilität bzw. Abbaubarkeit:
• Unbegrenzt: Cadmium und andere Schwermetalle
• Schwer abbaubar: LCKW
• Leicht abbaubar: BTEX (Benzol, Toluol, Xylole, Ethylbenzol)
• Pathogene Mikroorgansimen: Tage, Wochen, Monate
298

149
Deponie mit Schadstofffahne:
Wasserlösliche, mobile Schadstoffe (z.B. LCKW)

299

Länge von Schadstofffahnen

Hängt von Mobilität und Stabilität ab: Mikrobieller


Schadstoffabbau begrenzt die Länge der Schadstoffahne. 300

150
Besonders problematisch: Rückstände von Benzin und
anderen Erdölprodukten

Quelle unbekannt

Toxisch, schlecht abbaubar, schlecht wasserlöslich, liegen


als eigene Phase vor, leichter oder schwerer als Wasser 301

GW-Kontamination mit Benzin


LNAPL: Light Non-Aqueous Phase Liquids

• Leichter als Wasser


• Schlecht wasserlöslich
• Schwimmt auf GW-
Oberfläche
• Leichtlösliche Benzin-
Komponenten lösen
sich im Grundwasser

Fetter (2001)
302

151
GW-Kontamination mit Trichlorethylen (TCE)

DNAPL: Dense Non-Aqueous Phase Liquids


Fetter (2001) • Fettlösendes, effektives
Reinigungsmittel
g g
• Toxisch
• Schwerer als Wasser
• Schlecht wasserlöslich
• Sinkt im GWL ab und
bildet DNAPL-Pools auf
d
dessen Sohle.
S hl
• Geringe Mengen lösen
sich im GW.
• Abbauprodukte sind auch
umweltschädlich.
303

Verborgenes Problem: Leckagen von


Abwasserrohren
• Oft versickern 20-50 % des Abwassers über Leckagen ins GW.
• Wichtiger Beitrag zur „urbanen Grundwasserneubildung“.
• Abwasser enthält Schadstoffe: Chemikalien, aber v.a. auch
Fäkalien mit pathogenen Mikroorganismen.
• Urbanes GW wird oft nicht genutzt: Kein unmittelbares Risiko.
• Bedrohung für Trinkwasserbrunnen in der Stadt.
• Kontakt Abwasser-Trinkwasser
ist extrem gefährlich!
• Wasserbürtige Krankheiten
führen zu vielen Todesfällen.
• Fäkal-oraler Übertragungsweg.

304

152
Wasserbürtige Krankheiten weltweit
Disease Cause Distribution Number of Deaths / year
illnesses

Diarrheal diseases Bacteria, viruses Worldwide 4 Billion / Year 3-4 million


((including
g dysentry)
y y) and p
protozoa

Cholera Bacteria Latin America, 384,000 / year 20,000


Africa, Asia

Hepatitis A Virus Worldwide 600,000 to 3 2,400 - 12,000


million / year

Typhoid and Bacteria 80% Asia, 20% 16 million 600,000


Paratyphoid in Latin America, currently
Africa

Polio Virus 66% in India, 82,000 9,000


34% in Middle currently
East, Africa

Quelle: Auckenthaler & Huggenberger (2002) Pathogene Mikroorganismen im Grund-


und Trinkwasser, Transport - Nachweismethoden - Wassermanagement
305

Wasserbürtige Krankheiten in reichen Ländern


Year Place Causative Agent People Sick (Dead)

2001 Pamaplona, Spain Legionella in Hospital 10 (3)

2001 Paris, France Legionella in Hospital 21(6)

2001 Murcia, Spain Legionella in Hospital 315 (2)

2000 Walkerton, Canada E. coli in drinking water, 2300 (7)


inadequate disinfection
1998 All Switzerland Legionella 78 (8)

1993 Milwaukee, USA Cryptosporidium, inadequate 403’000 (103)


disinfection
1979/80 Ismaning, Germany Shingella etc. leaking sewer 2450

1963 Zermatt, Switzerland Salmonella typhi discharged into 437


stream used for drinking water

Krankheitserreger: Bakterien, Viren, Protozoen


306

153
Abwasserleitung in einen Karstgrundwasserleiter

• Abwasserentsorgung ist in den Alpen


ein schwieriges Thema.
• Manchmal werden Abwässer einfach
in einen Bach oder ins GW eingeleitet.
• Kann zum Ausbruch von Krankheiten
führen, teils mit Todesfällen.
• Andere Schadstoffquelle: Vieh
• Aber: Menschliche Abwässer sind
gefährlicher, denn viele Pathogene
(
(v.a. Vi
Viren)) sind
i d wirtsspezifisch.
it ifi h

Abwasserschacht an der Bergstation eines


Skilifts im Gebiet Hochifen-Gottesacker,
angeblich nicht mehr in Betrieb
307

Beispiel: Cryptosporidium parvum


• Zysten werden durch Fäkalien
ausgeschieden.
• Sehr resistent in der Umwelt!
• Überstehen auch Wasser-Behandlung
durch Chlorung.
• Sehr schwer nachzuweisen.
• Eine geringe Zahl von Zysten im
Trinkwasser kann Krankheit auslösen.
• Im Körper erwacht die Zyste zu Leben
und durchläuft einen komplizierten
E t i kl
Entwicklungszyklus.
kl
• „fäkal-oraler-Übertragungsweg“

308

154
Nachweis pathogener Mikroorganismen und
Prinzip der Fäkalindikator-Bakterien (FIB)
• Problem: Es gibt eine Vielzahl pathogener Viren,
B kt i undd Protozoen,
Bakterien P t oft
ft schwer
h nachzuweisen.
h i
• Lösung: Untersuchung auf Bakterien, die immer in
Fäkalien vorkommen und nur dort, und deren
Anwesenheit daher eine fäkale Kontamination und die
mögliche Anwesenheit pathogener Keime anzeigt.
• Wichtigste
Wi h i FIB-Spezies:
FIB S i Escherichia
E h i hi coli li
• Grenzwert: In 100 mL Trinkwasser darf keine einzige
E. coli Zelle nachweisbar sein.

Einheit: CFU = colony forming units


309

Übung – einfach aber aufschlussreich!

• Durch einen Unfall gelangt 1 L Abwasser in ein


Trinkwasser-Reservoir 10 000 m3 Volumen.
Trinkwasser Reservoir mit 10.000 Volumen
• Das Abwasser enthält 200 mg/L Nitrat und
106 CFU/mL Escherichia coli (realistische Werte)
• Wie hoch sind die Konzentrationen von Nitrat und
E. coli im Trinkwasser-Reservoir?
• Annahme:
A h P
Perfekte
f k DDurchmischung,
h i h kkein
i Abb
Abbau.
• Bei Abwassereinleitungen ins Grundwasser ist die
Problematik ganz ähnlich!

310

155
Monitoring der Wasserqualität an Karstquellen
• Karstquellen: Häufig sehr rasche und starke Schwankungen der
Schüttung und Wasserqualität
• Problem: Rechtzeitiges Erkennen der Kontaminationsereignisse!
• Lösung: Gleichzeitiger Anstieg von Trübe und organischem
Kohlenstoff (TOC) zeigt bakterielle Kontamination an.
• Grund: Sowohl TOC als auch Bakterien stammen von der
Geländeoberfläche und gelangen bei Starkregen ins GW.

Goldscheider, in Kresic & Stevanovic 2010

311

Filterwirkung eines Porengrundwasserleiters

• Pathogene Mikroorganismen werden durch verschiedene


Filtrationsprozesse (hoffentlich) aus dem GW entfernt.
• Außerdem sterben sie (hoffentlich) im Laufe von ca. 50 Tagen
ab: 50-Tages-Linie für Grundwasser-Schutzzonen.
312

156
9.2 Prinzipien des Grundwasserschutz
Grundlage: Herkunft-Pfad-Ziel Modell (origin-pathway-target
model). Es wird unterschieden zwischen:
• Ressourcen-Schutz
R S h t ((resource protection)
t ti )
• Schutz einer Quelle oder eines Brunnens (source protection)

Goldscheider, in Kresic & Stevanovic 2010


313

Grundwasser-Schutzzonen I-III
Grundlage: Wasserhaushaltsgesetz (WHG), § 19
Ausführung: DVGW Arbeitsblatt W101: Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete

• Zone I – Fassungsbereich. Schützt die Fassungsanlage (Brunnen,


Q ll ) im
Quelle) i Nahbereich.
N hb i h Nutzung
N t undd Betreten
B t t verboten.
b t
• Zone II – Engeres Schutzgebiet. Schutz vor bakteriellen
Verunreinigungen. Abgegrenzt durch 50-Tages-Linie*.
Verletzung der Deckschicht verboten. Nutzungsbeschränkungen
für Bebauung, Landwirtschaft (Düngung), Umgang mit
wassergefährdenden Stoffen, Straßenbau, etc.
• Zone III – Weiteres Schutzgebiet. Schutz vor sonstigen
Verunreinigungen. Umfasst i.d.R. das gesamte Einzugsgebiet.
Nutzungseinschränkungen: Ablagern von Abfallstoffen,
wassergefährdenden Stoffen, Anwendung von Gülle und
Klärschlamm, Pestizide, Massentierhaltung, Kläranlagen, etc.
* Österreich 60 Tage, Irland 100 Tage, Schweiz 10 Tage... 314

157
Technischer Schutz einer Quellfassung in Zone I

• Einzäunung und sichere Bauweise verhindert Schadstoffeintrag


direkt an der Quelle bzw. am Brunnen.
• Gefahr direkter Kontamination: „fäkal-oraler Übertragungsweg“
315

Schutzzonen in einem regionalen Grundwasserleiter


mit Trinkwasserfassung

Goldscheider, in Kresic & Stevanovic 2010

Dieses Konzept wird z.B. in der Schweiz angewandt. 316

158
Vergleich: Schutzzonen in einem Poren-
und einem Karstgrundwasserleiter
Legend b) Karst
Zone I

Zone II

Zone III
Groundwater
flow direction

a) Sand, gravel

S i
Spring N
Well 500 m

• Karst: Höhere Fließgeschwindigkeiten  50-Tages-Linie würde


das gesamte Einzugsgebiet umfassen; oft riesige Flächen.
• Daher Schutz der „verletzlichsten“ Zonen (Vulnerabilität)
317

Methoden zur Bestimmung der 50-Tages-Linie

• Direkte, experimentelle Bestimmung:


g
Markierungsversuche (Tracerversuche)
( )
• Wasserbilanz: Welches Wasservolumen wird in 50
Tagen entnommen?
V50 = Porosität · Mächtigkeit · π Radius2
• Numerische Strömungs- und Transportmodelle
• Ideal:
Id l Kombination
K bi ti verschiedener
hi d Methoden
M th d

318

159
9.3 Beispiel: Gefährdung und Schutz eines Mineral-
wasservorkommens unter einer Großstadt, Stuttgart

 Exkursion

Zweitgrößtes „Thermalwasservorkommen“ Europas, nach Budapest.


Allerdings sind die Stuttgarter Quellen nicht sehr warm, ca. 20 °C.
Ufrecht, W. (2003): Kommunaler Umweltbericht: Das Grundwasser in Stuttgart.-
Schriftenreihe des Amtes für Umweltschutz: 201 S. (und andere Bände dieser Reihe)
319

Lage, Einzugsgebiet und Profilschnitt

Goldscheider et al. (2010, in press) 320

160
Chemismus der Quellen

Norden: Gering mineralisierte


Quellen
Süden: Hoch mineralisierte,
staatlich anerkannte
Heilquellen; viel CO2
Nordost: Hoch mineralisiert,
teils aus tiefen Brunnen

Ufrecht (2003)

Siehe auch: Käss & Käss (2008) Deutsches Bäderbuch 321

Altlasten in Stuttgart

322

161
Darstellung der Altlastflächen im Neckartal, also im
Bereich der Mineral- und Heilquellen

Ufrecht (2003)
323

Chlorierte Kohlenwasserstoffe in den Mineral- und


Heilquellen (nur Spuren)

Ufrecht (2003)
324

162
Zeitlicher Verlauf der Kontamination

Seit die Altlasten systematisch erfasst und saniert werden


und seit strengere Umweltauflagen gelten, hat sich die
Situation deutlich verbessert.
325

Markierungsversuche in Stuttgart 1998 u. 1999


Ziel: Erkundung von Strömung und Schadstofftransport im
Karst-Grundwasserleiter
Tracer: Natrium-Naphthionat, ein ungiftiger und unsichtbarer
Fluoreszenztracer

Eingabe von 150 kg Naphthionat, gelöst in


mehren m3 Wasser, in den Grundwasserleiter

Foto: N. Goldscheider
326

163
Ausgewählte Durchgangskurven

Goldscheider et al. 2003, Goldscheider 2008

327

328

164
Schlussfolgerungen dieser Studie
Tracer, der an einer Stelle ins Grundwasser eingegeben wurde,
erreichte mehrere Mineralquellen und -brunnen
 Punktförmige Schadstofffreisetzung kann zu großräumiger
Grundwasserverschmutzung führenführen.
Kurzzeitige Eingabe des Tracers führt zu einem sehr
langanhaltenden Durchgang an den Quellen.
 Einmalige Schadstofffreisetzung (Unfall) könnte zu langfristiger
Kontamination führen.
 Schadstoffeinträge im Grundwasserleiter müssen unbedingt
vermieden
i d werden.
d
Die guten Nachrichten:
• Deckschichten u. artesischer Druck bilden natürlichen Schutz.
• Sanierung alter Schadensfälle zeigt Wirkung.
Konkrete Probleme – konkrete Lösungen: Angewandte Geologie
329

10. Empfohlene Literatur (Auswahl)


Fetter, C.W. (2001) Applied Hydrogeology. Prentice Hall: 598 S.
Goldscheider, N. & Drew, D. (Eds.) (2007) Methods in Karst Hydrogeology.
International Contributions to Hydrogeology, 26. Taylor & Francis: 264 S.
Hölting, B. & Coldewey, W.G. (2009) Einführung in die Allgemeine und
Angewandte Hydrogeologie,
Hydrogeologie 77. Aufl
Aufl., Spektrum Akademischer Verlag: 384 S.
S
Keller, E.A. (2000) Environmental Geology. Prentice Hall: 562 S.
Kresic, N. & Stevanovic, Z. (2010) Groundwater Hydrology of Springs.
Engineering, Theory, Management and Sustainability: Elsevier: 573 S.
Langguth, H.R. & Voigt, R. (2004) Hydrogeologische Methoden, 2. Aufl.,
Springer: 1005 S.
Mattheß, G. (1994) Die Beschaffenheit des Grundwassers, 3. Aufl., Borntraeger:
499 S.
Mattheß, G. & Ubell, K. (2003) Allgemeine Hydrogeologie –
Grundwasserhaushalt, 2. Aufl., Borntraeger: 575 S.
Younger, P. (2007) Groundwater in the Environment: An Introduction. Blackwell
Publishing: 318 S.

Anmerkungen: Für diese Vorlesung wurden teils die älteren Auflagen dieser Bücher verwendet.
Nicht alle in der Vorlesung verwendeten und zitierten Werke sind in der Literaturliste aufgeführt.
330

165
Relevante Internet-Seiten
Hydro-Skript Uni Braunschweig
www.hydroskript.de/html/_index.html

UK Groundwater Forum
www.groundwateruk.org/
d t k /

Wasser-Lexikon
http://lexikon.wasser.de/

UNEP Vital Water Graphics


www.unep.org/dewa/assessments/ecosystems/water/vitalwater/

Informationen rund ums Thema Brunnen


www.der-brunnen.de/

International Association of Hydrogeologists – Karst Commission


www.iah.org/karst

331

166

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