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Arbeitsplatzunsicherheit bzw. -verlust ist nach dem 'Effort-Reward-Imbalance'-Modell ein


Beispiel für eine besonders belastende Form beruflicher Gratifikationskrisen (d.h. von
"Erfahrungen wiederholter hoher Verausgabung am Arbeitsplatz bei vergleichsweise
niedriger Belohnung" (Siegrist 1988, S. 113). Es handelt sich hierbei um eine auf der Ebene
der Statuskontrolle angesiedelte Gratifikationskrise: "Besondere Verausgabung wird häufig
als Mittel beruflichen Aufstiegs gefordert oder aus eigenen Motiven erbracht, zumindest
jedoch, um den erreichten Status gegen Konkurrenz abzusichern. Unter diesem Aspekt
werden Anstrengungen in einer biographischen Langzeitperspektive erbracht, deren entschei­
dende Belohnung erst Jahre später erwartet wird. Berufsbiografische Erfahrungen blockierten
sozialen Aufstiegs, unfreiwilligen Wechsels, Erfahrungen von Abwärtsmobilität, von qualifi­
kationsfremdem beruflichem Einsatz sowie Erfahrungen bedrohter Arbeitsplatzsicherheit und
temporärer Arbeitslosigkeit stellen besonders belastende Formen beruflicher Gratifikations­
krisen dar, weil hier das Ungleichgewicht zwischen Investition und Ertrag sichtbarer als
sonst, die unmittelbaren psychischen, sozialen und ökonomischen Folgen einer bedrohten
sozialen Verortung spürbarer als sonst sind" (ebd., S. 113).

Infolge einer unzureichenden Statuskontrolle würden Selbstschätzung ("self-esteem") und


emotionales Wohlbefinden beeinträchtigt. Diese Belastungen ("low status control", "low
interpersonal rewards" und "low self-esteem") seien jedoch nicht von hinreichender Spezi­
fität, um Disstreß-Episoden13 auszulösen, welche das kardiovaskuläre System schädigten.
Vielmehr sei es das Ungleichgewicht zwischen hoher Verausgabung bei der Arbeit und
geringer Belohnung, welches die kardio-vaskuläre Pathologie auslöse. Unter Bezugnahme auf
die sozialpsychologischen Theorien von "self-esteem" und "self-efficacy" postuliert Siegrist,
daß die wiederholten Erfahrungen von "effort-reward-imbalance" den "sense of mastery"
schwächten, da Erwartungen auf Reziprozität und "responsiveness" im sozialen Austausch
enttäuscht würden (Siegrist et al. 1990, Siegrist 1991). In Anlehnung an das Konzept vom
Typ-A-Verhalten wird sodann das Konzept der "Kontrollambition" entwickelt: "Individuen
mit ausgeprägten interpersonellen Kontrollstrategien verausgaben sich in besonderer Weise in
Leistungssituationen, wobei unrealistische Anforderungsbewertungen einer Dosierung
solchen Leistungsverhaltens im Wege stehen" (Siegrist 1985, S. 156).

Gegen diesen Ansatz sind mehrere Einwände erhoben worden. Kirchgässler (1985) kritisiert,
daß die Thematisierung von Arbeitsbelastungen insgesamt zu wenig an soziologischen
Aspekten orientiert sei, wenn die Messung von subjektiven Arbeitsbelastungen mit "den
üblichen objektivierenden und standardisierenden Instrumenten" (S. 177) durchgeführt werde.
Diese Methodendiskussion wurde jedoch u.W. nicht fortgeführt14. Gerhardt (1987) sieht

13 Im Gegensatz zum Eustreß (Erzeugung positiver Stimulation und Spannung, die nicht nurungefährlich,
sondern auch angenehm und leistungs- und lebensnotwendig ist) gilt Disstreß als derjenige Streß, der
gesundheitliche Schäden verursachen kann.
14 ln seiner Auseinandersetzung mit dem Ansatz von Siegrist entwickelt Kirchgässler teils Elemente der
Zustimmung, teils - und überwiegend- solche der Kritik. So erscheint ihm die Annahme destabili-
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