Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
aus einer Verbindung zwischen der strukturell-funktionalen Theorie sozialer Systeme und der
an Kongruenz und Homogenität interessierten Sozialpsychologie entwickelt, um Devianz
(Krankheit, Kriminalität) durch Probleme der Lebensbedingungen und Deprivation erklären
zu können. Das Stigma-Theorem hat sich aus einer Verbindung zwischen der Theorie des
symbolischen Interaktionismus und "dem kulturkritisch verstandenen Marxismus" entwickelt,
um Devianz durch Probleme der Stigmatisierung erklären zu können.
Aufbauend auf dem Konzept der 'Patientenkarriere' untersucht Gerhardt (1991a) die
"Alternsdynamik", d.h. "typische biographische Verläufe" der Berentung nach
Bypass-Operation, wobei sich die folgenden Phasen unterscheiden lassen: "Berufstätigkeit -
Herzinfarkt - Diagnose der Koronarerkrankung - Operation - Anschlußheilbehandlung -
Berufstätigkeit - Frühberentung - Altersberentung" (ebd., S. 245).
In der qualitativen Studie über die Rückkehr zur Arbeit nach koronarer Bypass-Operation
beobachtete Gerhardt unterschiedliche Verläufe der Rehabilitation in Abhängigkeit vom
sozioökonomischen Status: Berufstätige aus der oberen Statuslage kehren nach der Operation
zumeist zur Arbeit zurück, während Berufstätige aus der unteren Statuslage zumeist frühbe-
rentet werden. Dieses Ergebnis stimmt mit den Ergebnissen aus anderen Studien überein,
nach denen eine postoperative Rückkehr bei Selbständigen und Angestellten erheblich
häufiger ist als bei Arbeitern. Die Unterschiede lassen sich nach Gerhardt auf unterschiedliche
"Coping- und Kompetenzstile" zurückführen: Im Vergleich zu statusniedrigeren könnten
statushöhere Personen die ärztliche Empfehlung, sich nach der Operation nicht zu überan
strengen, leichter erfüllen oder auch unterlaufen. Sie besäßen eine größere Autonomie bei der
Arbeitsgestaltung und beim Umgang mit den ärztlichen Empfehlungen; im Vergleich zur
gegenüber der Medizin "gehorsamen Berentungsorientierung" bei statusniederigen Beschäf
tigten wiesen sie eine "ungehorsame Berufsorientierung" auf (ebd., S. 249). Die unterschied
lichen Rehabilitationsverläufe wären also weniger medizinisch als vielmehr durch die soziale
Statuslage bedingt.(vgl. Gerhardt 1991 b,c)
In dem Diskussionsbeitrag von Steinkamp (1993) wird der Versuch unternommen, ein allge
meines theoretisches Modell für die Beziehung zwischen sozialer Ungleichheit und Krankheit
zu entwerfen. Der Autor kritisiert an der sozialepidemiologischen Ungleichheitsforschung, sie
begebe sich "durch eine ausbleibende theoriegeleitete Konzeptualisierung der komplexen
Kausalkette von sozialer Ungleichheit bis hin zum Individuum und durch die fehlende Aus
differenzierung ihrer einzelnen Glieder erheblicher Erkenntnismöglichkeiten" (ebd., S. 119).
Zur Frage, wie die Beziehungen zwischen sozialer Schicht und Krankheiten bzw. der Lebens
erwartung generell zu interpretieren seien, geben seiner Ansicht nach neuere Studien der