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Die Barke '85

DIE BARKE

LEHRER-JAHRBUCH
1985

HERAUSGEGEBEN VOM ÖSTERREICHISCHEN


BUCHKLUB DER JUGEND
1IIKS

Herausgegeben vom
Österreichischen Buchklub der Jugend,
zusammengestellt und redigiert vom
Internationalen Institut für Jugendliteratur und Leseforschung
(gemeinnützige Vereine)

Idee und Gestaltung: Dr. Lucia Binder


Redaktion: Dr. Gertrud Pott
Druck und Verlag: Ferdinand Berger & Söhne Ges. m.b.H.
A-3580 Horn
INHALT
1. Teil
HUMOR IST . . .
Eine heitere Anthologie

Herausgegeben von Dr. Hermann Kupfer und Jutta Modler

BÜCHER UND LESER


Eugen Roth: Bücher 9
Ephraim Kishon: Wie man ein Buch bespricht, ohne es zu lesen 10
Kurt Tucholsky: An das Publikum 16

ALLTÄGLICHES
Helmut Qualtinger: Travnicek im Schuhgeschäft 17
Karl Valentin: In der Apotheke 20
Hugo Wiener: Das Werbefernsehen 22
Ephraim Kishon: Gebrauchsanweisung 26
Eugen Helmte: Hausarbeit ist keine Arbeit 29
Carlo Manzoni: Der Haustorschlüssel 34

MENSCHLICHES UND ALLZUMENSCHLICHES


Erich Kästner: Die Entwicklung der Menschheit 36
Mira Lobe: Wie man sich interessant machen kann 38
Johannes Paul: Warum mein Papa nie schlank werden wird 42
Giovannino Guareschi: Die Taufe 48
Othmar Franz Lang: Wegen Bankraubes geschlossen . . . . . 52
Wilhelm Busch: Die Affen 60

KLASSISCHES UND MUSIKALISCHES


Carl Merz und Helmut Qualtinger: „Hamlet" oder „Der Schwierige"
(Josefstädter Version) 61
Leo Slezak: Press Work 64
Heinz Erhardt: Moderne Sinfonie 71
Heinz Erhardt: Der Geiger 71

SCHULE
Rene Goscinny: Typen auf der Schulbank 72
Astrid Lindgren: Inga und ich machen Menschen glücklich 80
Christine Nöstlinger: S t r e n g - s t r e n g e r - a m strengsten 86

1- 3
HUMOR KENNT KEINE GRENZEN
Fritz Müller-Partenkirchen: Die Reihenfolge 93
Fritz Müller-Partenkirchen: Te 95
Loriot: Das Ei 96
H. C. Artmann: Herr Hasenbrein und der Fremdenverkehr 98
Bennett Cerf: Ausfallprämie 102
Eugen Heimle: Beamte sind auch nur Menschen 103
George Mikes: Das Auto, nach dem man sich sehnt 108
Gianni Rodari: Der Comic-Strip-Mäuserich 116
A. E. Forschneritsch: Wer hat denn da gestoßen? 118
Elfie Donnelly: Weihnachten mit Großvater 119

Quellenverzeichnis 128

2. Teil
ILLUSTRIEREN - BEARBEITEN - ÜBERSETZEN
Arbeit an und mit Texten
Herausgegeben von Dr. Lucia Binder
Vorbemerkungen der Herausgeberin 3
Prof. Dr. Hans Gärtner: Literatur „ad usum delphini". Bearbeitungen von
Kinder- und Jugendbüchern: Probleme, Praxis, Positionen 7
Dr. Wolfgang Schneider: Film- und Fernsehbearbeitungen von Kinder-
und Jugendbüchern-mit praktischen Beispielen 27
Svend Otto S.: Zur Beurteilung von Illustrationen 36
Dr. Richard Bamberger: Leichtere Aufnahme und Verständlichkeit von
Jugendbüchern durch äußere Gestaltung und Textbearbeitung 43
Dr. Hubert Hladej: Zur Auswahl von Übersetzungen - aus der Sicht des
Lektors und des Verlages 55
Claudia Rouvel: Probleme des Übersetzens in der DDR 65
Elisabeth Külling: Übersetzungen und Bearbeitungen in der Schweiz . . . 71
Mag. Heinz Steuer: Übersetzungen und Bearbeitungen in Österreich
und der BRD 78

Arbeitskreisberichte
Übersetzungen und Bearbeitungen (Wolf Harranth) 85
Das Phänomen Comics (Dr. Hermann Kupfer/Heinz Janisch) 89
Beurteilungsprobleme zur Illustration von Kinderbüchern (Svend Otto
S.) 93
Zur Arbeit mit Bilderbüchern in der Volksschule (Gabriele Berger) 95
Kritisches Lesen in der Schule der 10-14jährigen - Zum Umgang mit
bearbeiteten und übersetzten Texten (Dr. Otwald Kropatsch / Robert
Machacek) 97
Kinder- und Jugendliteratur im Curriculum - Zur Arbeit mit Kinder- und
Jugendbüchern in der Lehrerausbildung (Dr. Lucia Binder / Mag.
HeinzSteuer) 102

Kurze Charakteristik der Autoren und Arbeitskreisleiter 104


Humor ist charakteristisch für eine Lebenshaltung,
die eine tiefe Liebe zu den Menschen mit einer
ebenso tiefen Respektlosigkeit vor ihren
Institutionen und ihrem Gehaben verbindet."
Lloyd Alexander
HUMOR IST
Eine heitere Anthologie

Herausgegeben von

Dr. Hermann Kupfer und Jutta Modler


BÜCHER UND LESER

EUGEN ROTH

Bücher

Ein Mensch, von Büchern hart bedrängt,


An die er lang sein Herz gehängt,
Beschließt voll Tatkraft, sich zu wehren,
Eh sie kaninchenhaft sich mehren.
Sogleich, aufs äußerste ergrimmt,
Er ganze Reihn von Schmökern nimmt
Und wirft sie wüst auf einen Haufen,
Sie unbarmherzig zu verkaufen.
Der Haufen liegt, so wie er lag,
Am ersten, zweiten, dritten Tag.
Der Mensch beäugt ihn ungerührt
Und ist dann plötzlich doch verführt,
Noch einmal hinzusehn genauer -
Sieh da, der schöne Schopenhauer. . .
Und schlägt ihn auf und liest und liest,
Und merkt nicht, wie die Zeit verfließt. . .
Beschämt hat er nach Mitternacht
Ihn auf den alten Platz gebracht.
Dorthin stellt er auch eigenhändig
Den Herder, achtundzwanzigbändig.
E. T. A. Hoffmanns Neu-Entdeckung
Schützt diesen auch vor Zwangs-Vollstreckung.
Kurzum, ein Schmöker nach dem andern
Darf wieder auf die Bretter wandern.
Der Mensch, der so mit halben Taten
Beinah schon hätt den Geist verraten,
Ist nun getröstet und erheitert,
Daß die Entrümpelung gescheitert.

(Aus: „Ein Mensch", Buchgemeinschaft Donauland, Wien)


EPHRAIM KISHON

Wie m a n e i n B u c h b e s p r i c h t , o h n e es zu l e s e n

Die Sache mit Tola'at Shani bedrückte mich. Nein, das war wirklich
nicht schön von mir: vor einem halben Jahr hatte er mir sein neues
Buch geschickt, das ich sofort auf den Schreibtisch oder sonst irgend-
wo hingelegt hatte - und dort, wo immer das war, setzt es seither
Spinnweben an.
Zu Beginn kam ich noch mit den üblichen Ausreden durch: „Schon
bekommen!" rief ich vorbeugend, wenn ich Tola'at Shani von weitem
sah. „Sobald ich ein paar freie Stunden habe, lese ich es!" Und der
vielversprechende junge Autor lächelte mir dankbar zu.
Als ich ihn nach ein paar Wochen unversehens beinahe über den
Haufen rannte, ließ ich mich zu der Bemerkung hinreißen, daß ich
bereits mitten in der Lektüre sei und daß wir nachher darüber
sprechen müßten.
Bald darauf kam es zu einem höchst peinlichen Zwischenfall.
Tola'at Shani betrat das Cafe, und sein Blick fiel genau in der gleichen
Sekunde auf die Küchentür, als ich hinausschlüpfte. Ich entsinne mich
noch ganz genau, daß ich an diesem Tag den festen Entschluß faßte,
das Buch sehr sorgfältig zu durchblättern, wenn ich nach Hause
käme. Irre ich nicht, so hatte ich sogar schon die Hand danach
ausgestreckt. Aber gerade da ging das Telefon, oder es läutete an der
Tür, oder es geschah sonst etwas - jedenfalls kam meine Hand nicht
bis an das Buch heran. Und dabei blieb es.
Vor ein paar Tagen, als ich mich um Kinokarten anstellte, fühlte ich
mich plötzlich am Arm gepackt. Es war Tola'at Shani, und es gab kein
Entrinnen. „Haben Sie das Buch schon gelesen?" fragte er mich.
Ich nickte mehrmal und ernsthaft:
„Wir müssen uns ausführlich darüber unterhalten. Ich habe Ihnen
eine ganze Menge zu sagen. Aber hier - in dieser Schlange - auf
einem Bein - " Ich hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als an der
Kassa die Tafel „Ausverkauft" hochging. Mein Schicksal war besie-
gelt. Nur ein plötzlich herabstoßender Steinadler hätte mich retten
können, und in Tel Aviv gibt es leider keine. Hingegen gibt es sehr
viele Kaffeehäuser, so viele, daß man in einem von ihnen mit größter
Wahrscheinlichkeit einen Tisch für zwei Personen findet. Tola'at
Shani, der meinen Arm noch immer nicht losgelassen hatte, fand
einen Tisch für zwei Personen. Und jetzt saßen wir einander gegen-
über.
„Also", sagte Tola'at Shani. „Sie wollten mit mir über mein Buch
sprechen."
„Ja", sagte ich. „Ich bin froh, daß ich Sie endlich getroffen habe."
Irgendwie erinnerte mich die Situation an den dramatischen Höhe-
punkt mancher Wildwestfilme, wenn Sheriff und Schurke im Saloon
der menschenleeren Hauptstraße zusammenstoßen und die endgülti-
ge Abrechnung sich nicht mehr aufhalten läßt. Auch die Dizengoff-
Straße schien plötzlich menschenleer. Ich kann mich nicht erinnern,
sie jemals so entvölkert gesehen zu haben. Kein einziges bekanntes
Gesicht wollte auftauchen.
Verzweifelt suchte ich mir das Buch ins Gedächtnis zu rufen, aber
vor meinem geistigen Auge erschien immer nur die braune Packpa-
pierhülle, die ich noch nicht entfernt hatte. Wenn ich wenigstens
wüßte, um was für eine Art von Buch es sich handelte! War es ein
Roman? Eine Sammlung von Kurzgeschichten? Von Gedichten? Ein
Theaterstück? Ein Essayband?
Die bleierne Stille drohte mir den Atem abzuschnüren. Ich mußte
etwas sagen. „Etwas muß ich sagen", sagte ich. „Sie haben enorme
Arbeit an dieses Buch gewendet."
„Drei Jahre", nickte Tola'at Shani. „Aber das Thema habe ich noch
viel länger mit mir herumgetragen."
„Das spürt man sofort. Es ist ein reifes Werk."
Stille. Bleierne Stille. Und keine Rettung. Freunde in der Not? Daß
ich nicht lache.
„Sagen Sie mir jetzt bitte Ihre Meinung", forderte mich der vielver-
sprechende junge Autor mit vor Erwartung bebender Stimme auf.
„Ich bin sehr beeindruckt."
„Von allem, was drinsteht?"
Im letzten Augenblick entging ich der Falle. Tola'at Shani beobach-
tete mich scharf aus den Augenwinkeln. Hätte ich jetzt geantwortet:
„ja von allem" - er hätte sofort gewußt, daß ich das Buch nicht gelesen
habe.
„Ich will ganz offen sein", sagte ich. „Den Anfang finde ich nicht
gerade überwältigend."
„Auch Sie?" Tola'at Shani seufzte resigniert. „Das hätte ich nicht
gedacht. Ein erfahrener Schriftsteller wie Sie müßte doch wissen, daß
jedes Buch eine Exposition braucht."
„Exposition, Schmexposition", gab ich ein wenig unbeherrscht zu-
rück. „Die Frage ist, ob man von einem Buch sofort gefesselt wird
oder nicht."
tola'at Shani senkte den Kopf und sah so traurig drein, daß er mir
leid tat. Aber warum schreibt er auch so langweilige Expositionen.
„Später kommt die Sache in Schwung", tröstete ich ihn. „Ihre
Figuren sind sehr gut gezeichnet. Und die Geschichte hat Atmosphä-
re. Und Rhythmus."
„Sind Sie auch der Meinung, ich hätte die rein beschreibenden Teile
des Buches um die Hälfte kürzen sollen?"
„Wenn Sie das getan hätten, wäre es ein Bestseller geworden."
„Möglich", sagte Tola'at Shani frostig. „Aber mir war es wichtiger,
ganz genau zu erklären, warum Boris sich den Rebellen anschließt."
Boris!!
„Boris ist allerdings ein Charakter, den man nicht so bald vergessen
wird", mußte ich zugeben. „Man merkt, daß ihm Ihre ganze Liebe gilt."
Aus schreckhaft geweiteten Augen starrte Tola'at Shani mich an:
„Liebe? Ich liebe Boris? Dieses Schwein? Diesen Verbrecher? Ich
halte ihn für die widerwärtigste Figur, die ich je geschaffen habe!"
„Bas glauben Sie nur", wies ich ihn zurecht. „Lassen Sie sich von
mir gesagt sein, daß Sie mich im innersten Kern Ihres geheimen Ich
mit ihm identifizieren."
Tola'at Shani erbleichte.
„Was Sie da sagen, trifft mich wie ein Keulenschlag", murmelte er
tonlos. „Als ich das Buch zu schreiben begann, habe ich Boris gehaßt,
das weiß ich genau. Aber dann, als er in den Streit zwischen Peter und
dem Marine-Attache verwickelt wird und trotzdem seiner Mutter
nichts davon erzählt, daß er Abigail vergewaltigt h a t . . . Sie erinnern
sich doch?"
„Und ob ich mich erinnere! Er erzählt seiner Mutter nichts . . ."
„Richtig. Da fragte ich mich also: ist dieser Boris, mit all seinen
Verirrungen und Unzulänglichkeiten, nicht immer noch ein wertvolle-
rer Mensch als der Zoologe?"
„Wir alle sind Menschen", bemerkte ich tolerant. „Manche sind so,
manche sind anders, aber im Grunde sind wir alle gleich."
„Eben darauf wollte ich ja hinaus. Haarscharf."
Sollte ich das Buch am Ende doch gelesen haben? Sozusagen
unterbewußt, ohne es zu merken?
„Man versichert mir von allen Seiten", sagte Tola'at Shani zögernd,
„daß dieses Buch, zumindest was die Handlung betrifft, mein bisher
stärkstes ist".
Ich sah nachdenklich zur Decke hinauf, als wollte ich die bisherige
Produktion des vielversprechenden jungen Autors mit einem einzigen
Blick umfassen. Dabei habe ich noch keine Zeile von ihm gelesen.
Wozu auch? Wer ist dieser Tola'at Shani überhaupt? Warum schickt
er mir seine Bücher? Es galt, die Dinge an ihren Platz zu rücken.
„Ich würde nicht direkt sagen, daß es Ihr stärkstes Buch ist. Aber es
ist bestimmt Ihr spannungsreichstes."
Tola'at Shani zuckte zusammen. Kein Zweifel, ich hatte ihn an
seinem empfindlichsten Punkt erwischt. Tut mir leid. Oder soll ich vor
Ehrfurcht zusammenknicken, wenn er seinen Dilettantismus ins Kraut
schießen läßt?
„Ich wußte es. So wahr mir Gott helfe, ich wußte es." Die ganze
Bitterkeit des Nichtkönners, der sich von einem überlegenen Geist
durchschaut weiß, schwang in seiner Stimme mit. „Sie meinen das
Abendessen in der Wohnung des Sturmtruppenkommandanten, nicht
wahr. Ich hätte schwören können, daß Ihr Chauvinismus an dieser
Szene Anstoß nehmen würde. Hätte ich vielleicht die ganzen Ereignis-
se in diesem von der Flut heimgesuchten Gebirgstal in Saccharin
verpacken sollen, damit sie sich angenehmer lesen? Wenn Sie -
erinnern Sie sich - "
„Stottern Sie nicht", sagte ich. „Meine Geduld hat Grenzen."
„Erinnern Sie sich an die Schilderung des nächtlichen Kamelwett-
rennens um den Harem des Scheichs? Das hat Ihnen doch gefallen,
oder nicht?"
„Sogar sehr gut. Das war eine farbige Szene".
„Und daß Jekaterina die Tischlampe am Kopf des Richters zer-
schlägt - auch damit sind Sie einverstanden?"
„Unter Umständen."
„Dann können Sie unmöglich etwas gegen das Schicksal einzuwen-
den haben, das ich Meir-Kronstadt und seinesgleichen bereite!"
Heftiger Widerspruch stieg in mir auf. Hoppla, mein Junge, dachte
ich. Du kannst begeifern, wen du willst - aber Meir-Kronstadt laß mir
ungeschoren! Der ganze Verlauf des Gesprächs widerstrebte mir. Viel
zu vage und unsachlich war das alles. Jetzt sollten die Funken stieben.
Jetzt ging es mit meiner Zurückhaltung zu Ende.
„Hören Sie, Tola'at Shani! Ich an Ihrer Stelle wäre auf diese Sache
mit Meir-Kronstadt nicht so stolz!"
„Ich bin aber stolz auf ihn!"
Das Blut schoß mir in den Kopf. Unglaublich! Der Kerl wagt mir zu
widersprechen! „Kronstadt ist ein Schwindler", sagte ich scharf. „Was
er tut, überzeugt keinen Menschen. Mehr als das: er ist überflüssig.
Sie konnten ihn ohne Schaden für das Buch vollkommen weglassen "
„Und wie, wenn ich fragen darf, soll ich dann den eigentlichen
Konflikt vorbereiten"

Nun - wie? Was glauben Sie wohl?"


„Sie denken wahrscheinlich an den Zoologen."
„An wen denn sonst."
„Und Jekaterina?"
„Soll mit dem Richter durchgehen!"
„Im neunten Monat?"
„Nachher."
„Stellen Sie sich das nicht ein wenig zu einfach vor? Außerdem
scheinen Sie zu vergessen, daß Jekaterina überfahren wird!"
„Muß sie denn unbedingt überfahren werden? Gerade sie? Wenn
schon jemand überfahren werden muß, dann Abigail."
„Lächerlich. Was soll das für einen Sinn haben?"
Das war mir zuviel. Das darf man einem Fachmann wie mir nicht
sagen. Seit dreißig Jahren lese ich so gut wie ununterbrochen Bücher
- und dann kommt so ein Stümper und sagt „lächerlich".
„Sagten Sie .lächerlich', Sie Stümper? Und Ihr idiotisches Kamel-
wettrennen ist vielleicht nicht lächerlich? Was sage ich: lächerlich.
Ekelhaft ist es! Ich hatte Mühe, nicht zu brechen!"
„Ausgezeichnet. Genau das lag in meiner Absicht. Ein Mensch, dem
vor sich selbst übel wird, lernt sich wenigstens kennen. Und ich meine
Sie!"
Wir hatten uns auf das unabsehbar weite Feld persönlicher Beleidi-
gungen begeben. Tola'at Shani war gelb vor Ärger. Sein Atem
keuchte.
„Ich werde Ihnen sagen, was Ihnen an meinem Buch mißfällt",
gurgelte er. „Daß ich gewagt habe, auf banale Lösungen zu verzich-
ten! Daß ich Boris nicht in der Überschwemmung zugrunde gehen
lasse! Stimmt's?"
Boris! Der hat mir gerade noch gefehlt.
„Scheren Sie sich zum Teufel mit Ihrem Boris!" schnarrte ich. „Sie
sind diesem Lumpen ja geradezu verfallen! Und wenn Sie es wissen
wollen: seine Liebesaffäre mit Abigail ist ganz und gar unwesentlich!"
„Unwesentlich!" stöhnte der vielversprechende junge Autor. „Zu
irgend jemandem muß sie doch gehören!"
„Aber doch nicht zu Boris! Gibt es denn keinen anderen?"
„Wen?" Tola'at Shani sprang mich an, packte mich am Rockauf-
schlag und schüttelte mich. „Wen?!"
„Meinetwegen den Zoologen - wie heißt er gleich - Kronstadt!"
„Kronstadt ist kein Zoologe."
„Er ist ein Zoologe! Und wenn nicht Kronstadt, dann der Sturmtrup-
penkommandant."
„Kronstadt ist der Sturmtruppenkommandant."
„Da haben Sie's! Von mir aus kann er sein, was er will! Und von mir
aus kann es jeder sein, nur Boris nicht! Sogar der Marine-Attache
wäre logischer! Oder Peter! Oder Birnbaum!"
„Wer ist Birnbaum?"
„Er ist um nichts schlechter als Kronstadt, das garantiere ich Ihnen!
Sie glauben offenbar, daß es schon genügt, Papier zu bekritzeln,
damit ein Buch daraus wird. Hüten Sie sich! Wie steht's mit der
Handlung, Sie Patzer? Mit den Charakteren? Mit den inneren Konflik-
ten? Mit der Tiefe?" Jetzt war es ich, der ihn würgte. „Auf die Tiefe
kommt es an - nicht auf Bla-Bla und Abrakadabra, wie bei Ihnen!
Boris! Boris! Das soll ein Buch sein? Für wen? Für das Publikum
gewiß nicht! Kein Mensch liest so ein Buch! Auch ich habe es nicht
gelesen!"
„Sie haben es nicht gelesen?"
„Nein. Und ich denke auch gar nicht daran."
Damit ließ ich ihn sitzen.
Wahrscheinlich sitzt er immer noch dort, der Idiot. Recht geschieht
ihm.

(Aus: „Arche Noah, Touristenklasse", Langen Müller, München)

„Papa, du hast Glück!" - „ Wieso?- „Du brauchst mir für dieses Jahr
keine neuen Schulbücher zu kaufen."

„ Vati - warum ist der Elefant so groß?" - „Ich weiß es nicht." „ Vati -
warum ist die Erde rund?" - „Keine Ahnung." - „ Vati - stört es dich
eigentlich, wenn ich dich dauernd frage?" - „Nein, frag nur, sonst
lernst du ja nichts."
KURT TUCHOLSKY

An das P u b l i k u m

0 hochverehrtes Publikum,
sag mal: bist du wirklich so dumm,
wie uns das an allen Tagen
alle Unternehmer sagen?
Jeder Direktor mit dickem Popo
spricht: „Das Publikum will es so!"
Jeder Filmfritze sagt: „Was soll ich machen?
Das Publikum wünscht diese zuckrigen Sachen!"
Jeder Verleger zuckt die Achseln und spricht:
„Gute Bücher gehn eben nicht!"
Sag mal, verehrtes Publikum:
bist du wirklich so dumm?

So dumm, daß in Zeitungen früh und spät,


immer weniger zu lesen steht?
Aus lauter Furcht, du könntest verletzt sein;
aus lauter Angst, es soll niemand verhetzt sein;
aus lauter Besorgnis, Müller und Cohn
könnten mit Abbestellung dröhn?
Aus Bangigkeit, es käme am Ende
einer der zahllosen Reichsverbände
und protestierte und denunzierte
und demonstrierte und prozessierte . . .
Sag mal, verehrtes Publikum:
bist du wirklich so dumm?

Ja, dann . . .
Es lastet auf dieser Zeit
der Fluch der Mittelmäßigkeit.
Hast du so einen schwachen Magen?
Kannst du keine Wahrheit vertragen?
Bist also nur ein Grießbrei-Fresser-?
Ja, dann . . .
Ja, dann verdienst dus nicht besser.

(Aus: „Ausgewählte Werke, Band II", Rowohlt, Reinbek)


ALLTÄGLICHES

HELMUT QUALTINGER

Travnicek im S c h u h g e s c h ä f t

FREUND Höchste Zeit, Travnicek, daß Sie Ihna ein neuches Paar
Schuh kaufen, Ihre san ja schon ganz verhatscht. Was für ein Modell
suchen Sie Ihna jetzt aus?
TRAVNICEK Schauen Se, das ist eine schwerwiegende Entschei-
dung. Immerhin zwei Jahr halten meine ja.
FREUND Sehen S', i hab da noch ein Modell aus dem 52er Jahr,
ledergepolstert mit Gummieinlage. Da spürt man das Gehn über-
haupt nicht. Net amal beim höchsten Tempo.
TRAVNICEK Hör'n S' mir auf mit den übertragenen Modellen. Nix wie
Scherereien. Außerdem kennt man sein Vorgänger nicht. Da war
mein letzter Schuh was anders. Deutsche Ausführung. I sag Ihna,
das Anzugsmoment mit Schuhlöffel a Wucht.
FREUND Na und die Bremswirkung, Travnicek.
TRAVNICEK Unerhört. Der bleibt Ihnen bei Gelblicht am Zebrastreifen
wie nichts stehen.
FREUND Wieviel Geschwindigkeiten hat er, Travnicek?
TRAVNICEK Diverse. Im ersten Gang druckt er a bißl, aber im Rück-
wärtsgang: wie ein Panzer, sag i Ihnen.
FREUND Ich bin im Prinzip mehr für hochtourige Bergschuh.
TRAVNICEK Da hätten S' meinen am Konstantinhügel sehn solln.
Keiner is mir vorkommen.
FREUND Ja, aber denken Sie an die Bundesstraße.
TRAVNICEK Eine Straßenlage hat meiner, wie a Allwegbahn. Einmal
hat's mir zwar in der Kurven die Fersen hinausgetragen, aber da hab
ich ihn überbeansprucht.
FREUND Wie das, Travnicek?
TRAVNICEK Beim Rennen, Wertungsgang über die Berggasse und
zurück.
FREUND Aber vergessen Sie nicht unsere heimische Produktion,
Travnicek! Langsam, aber lebensfähig.

2 Die Barke '85 17


TRAVNICEK Was soll i Ihna sagen. I hab da als Ersatz einen Klein-
schuh. Hat in der Stadt natürlich Vorteile, man kann ihn überall
hinstellen. Auf der anderen Seiten, er hat hinten im Absatz ein
Geräusch, i hab ihn schon fünfmal zum Schuster geben. Er kann net
finden, was es ist.
FREUND Aber wieso bedrückt Ihnen das, Travnicek?
TRAVNICEK Na hör'n S', wann mir da was passiert, kann i mir mitten
auf der Straßen ein' neuchen Absatz montieren.
FREUND Sehn S', darum bin i mehr für die Amerikaner. Das sind
richtige Überschuh, Travnicek. Schaun S' doch mal meine ver-
chromten Ösen an.
TRAVNICEK Na, und was machen S', wann S' keine Ersatzteile
kriegen?
FREUND Dafür hat er Weißwandkreppsohle mit Gleitschutz!
TRAVNICEK Na, und was haben S' scho, wann alles andere unsolid
ist, Schuhbandelwechsel im Großstadtverkehr. Glatter Selbstmord.
FREUND Was haben S' denn Travnicek?
TRAVNICEK Mei Kardangelenk. I muß mir mein' Schuh wieder ab-
schmieren lassen.
FREUND Also, als Fachmann zu Fachmann, Travnicek. Sind Sie mehr
für offene oder geschlossene Schuh?
TRAVNICEK Das ist die Frage, was i von an Schuh verlange. Beförde-
rungsmittel oder Luxusgegenstand. Aah! Mein Kardangelenk. Das
ist immer dasselbe bei mir. Vor a paar Tagen hab i a komisches
Gefühl. I schau nach, was glauben S', was i hab?
FREUND Na?
TRAVNICEK An Patschen!
FREUND Filz oder Leder?
TRAVNICEK Das ist eh wurscht, stelln Sie sich vor, vor dem Hotel
Sacher an Patschen. In an Ministerium müßt man sein.
FREUND Wieso?
TRAVNICEK Denen spielt das alles keine Rolle. Die haben Dienst-
schuh.
FREUND Sagen Sie mal, apropos Ministerium: Wie, Travnicek, kom-
men Sie mit den Behörden aus?
TRAVNICEK Die reine Willkür. Was soll i Ihna sagen, i komm vor
kurzem vor die Tür außa, liegt auf mein Schuh a Zettel von der
Polizei. I geh aufs Revier, fragt der mi: „Ist das Ihr Schuh?" I sag ja.
Hätt i Straf zahlen müssen.
FREUND Warum denn?
TRAVNICEK Weil i die Schuhbandeln offengelassen hab. Gott sei
Dank hat er meine Schuhnummer gesehn.
FREUND Na, was habn S' denn für a Nummer?
TRAVNICEK 44, da hat er mir das Strafmandat erlassen.
FREUND Das versteh i net.
TRAVNICEK Mit der niedern Nummer hat er geglaubt, i bin a Regie-
rungsmitglied.
FREUND Eine letzte Frage, Travnicek, wie zeigen Sie an, wann Sie bei
starkem Verkehr einbiegen wollen?
TRAVNICEK I komm an die Kreuzung, ja?
FREUND Ja.
TRAVNICEK Und dann mit der kleinen Zehe links, kleinen Zehe
rechts. Mein rechter Blinker funktioniert momentan nicht.
FREUND Wieso?
TRAVNICEK I hab a Hühnerauge von einer Karambolage. Beiderseiti-
ges Verschulden. Die Versicherung will nix zahln.
FREUND Na, und was haben S' da gemacht?
TRAVNICEK I bin ihm gleich noch einmal auf den Fuß gestiegen, i bin
ja haftpflichtversichert.

(Aus: „Qualtingers beste Satiren", Fischer, Frankfurt/Main)

Peter hat ein schlechtes Zeugnis nach Hause gebracht, und sein Vater
wäscht ihm gehörig den Kopf. Da fragt der Junge nachdenklich: „ Was
meinst du, Papa, woran es bei mir liegt - an den Erbfaktoren oder an
Umwelteinflüssen ?"

Zwei Jungen stehen vor der Kirche, aus der gerade ein Brautpaar tritt.
Sagt der eine: „Soll ich die mal erschrecken?" Dann rennt er auf den
Bräutigam zu und ruft: „Hallo, Papi!"

„Mutti", sagt der kleine Peter, der schon etwas in der Zeitung lesen
kann, „hier steht, daß das Theater Statisten sucht. Was ist denn das?"
- „Statisten, mein Junge, sind Leute, die nur herumstehen und nichts
zu sagen haben." - „Aber Mutti, das wäre doch etwas für Papa!"

2* 19
KARL VALENTIN

In der A p o t h e k e

VALENTIN Guten Tag, Herr Apotheker.


KARLSTADT Guten Tag, mein Herr, Sie wünschen?
VALENTIN Ja, das ist schwer zu sagen.
KARLSTADT Aha, gewiß ein lateinisches Wort?
VALENTIN Nein, nein, vergessen hab ichs.
KARLSTADT Na ja, da kommen wir schon drauf, haben Sie kein
Rezept?
VALENTIN Nein!
KARLSTADT Was fehlt Ihnen denn eigentlich?
VALENTIN Nun ja, das Rezept fehlt mir.
KARLSTADT Nein, ich meine, sind Sie krank?
VALENTIN Wie kommen Sie denn auf so eine Idee. Schau ich krank
aus?
KARLSTADT Nein, ich meine, gehört die Medizin für Sie oder für eine
andere Person?
VALENTIN Nein, für mein Kind.
KARLSTADT Ach so, für Ihr Kind. Also, das Kind ist krank. Was fehlt
denn dem Kind?
VALENTIN Dem Kind fehlt die Mutter.
KARLSTADT Ach, das Kind hat keine Mutter?
VALENTIN Schon, aber nicht die richtige Mutter.
KARLSTADT Ach so, das Kind hat eine Stiefmutter.
VALENTIN Ja, ja, leider, die Mutter ist nur stief statt richtig, und
deshalb muß sich das Kind erkältet haben.
KARLSTADT Hustet das Kind?
VALENTIN Nein, es schreit nur.
KARLSTADT Vielleicht hat es Schmerzen?
VALENTIN Möglich, aber es ist schwer. Das Kind sagt nicht, wo es
ihm weh tut. Die Stiefmutter und ich geben uns die größte Mühe.
Heut hab ich zu dem Kind gesagt, wenn du schön sagst, wo es dir
weh tut, kriegst du später mal ein schönes Motorrad.
KARLSTADT Und?
VALENTIN Das Kind sagt es nicht, es ist so verstockt.
KARLSTADT Wie alt ist denn das Kind?
VALENTIN Sechs Monate alt.
KARLSTADT Na, mit sechs Monaten kann doch ein Kind noch nicht
sprechen.
VALENTIN Das nicht, aber deuten könnte es doch, wo es die Schmer-
zen hat, wenn schon ein Kind so schreien kann, dann könnts auch
deuten, damit man weiß, wo der Krankheitsherd steckt.
KARLSTADT Hats vielleicht die Finger immer im Mund stecken?
VALENTIN Ja, stimmt!
KARLSTADT Dann kriegt es schon die ersten Zähne.
VALENTIN Von wem?
KARLSTADT Na ja, von der Natur.
VALENTIN Von der Natur, das kann schon sein, da brauchts aber
doch net schrein, denn wenn man was kriegt, schreit man doch
nicht, dann freut man sich doch. Nein, nein, das Kind ist krank, und
meine Frau hat gsagt: Geh in d' Apothekn und hol einen . . .?
KARLSTADT Kamillentee?
VALENTIN Nein, zum Trinken ghörts nicht.
KARLSTADT Vielleicht hats Würmer, das Kind.
VALENTIN Nein, nein, die tät man ja sehn.
KARLSTADT Nein, ich mein innen.
VALENTIN Ja so, innen, da haben wir noch nicht reingschaut.
KARLSTADT Ja, mein lieber Herr, das ist eine schwierige Sache für
einen Apotheker, wenn er nicht erfährt, was der Kunde will!
VALENTIN D' Frau hat gsagt, wenn ich den Namen nicht mehr weiß,
dann soll ich an schönen Gruß vom Kind ausrichten, von der Frau
vielmehr, und das Kind kann nicht schlafen, weils immer so unruhig
ist.
KARLSTADT Unruhig? Da nehmen Sie eben ein Beruhigungsmittel.
Am besten vielleicht: Isopropilprophemilbarbitursauresphenildime-
thildimenthylaminophirazolon.
VALENTIN Was sagns?
KARLSTADT Isopropilprophemilbarbitursauresphenildimethildimen-
thylaminophirazolon.
VALENTIN Wie heißt des?
KARLSTADT Isopropilprophemilbarbitursauresphenildimethildimen-
thylaminophirazolon.
VALENTIN Jaaaa! Des is! So einfach, und man kann sichs doch nicht
merken.

(Aus: „Das große Karl-Valentin-Buch", Piper, München)


HUGO WIENER

Das W e r b e f e r n s e h e n

Österreich ist ein glückliches Land!


Wenn man den Werbesendungen des Österreichischen Fernsehens
trauen darf, haben wir Österreicher nur zwei Probleme: Wie beseitige
ich meinen Mundgeruch, und wie halte ich meine Achselhöhlen trok-
ken. Die Werbung ist ein eigenes Kapitel. Ich könnte Ihnen Dinge
erzählen . ..!
Aber warum erzählen? Lesen Sie selbst!
Fernsehen ist schön. Ich liebe es. Fernsehen ist eine Art von Unter-
haltung, bei der man immer hofft, daß sie noch zur Unterhaltung
werden könnte. Zugegeben, es gibt viele Programme, bei denen man
seine eingeschlafenen Füße b e n e i d e t - und doch! Wenn ich am Abend
frei bin, bin ich vom Fernsehapparat nicht wegzubringen. Anders
meine Frau. Meine Frau ginge lieber ins Theater, ins Kino, in ein
schickes Restaurant - aber ich? Fernsehen!
Neulich kam ich am Spätnachmittag nach Hause, lag ein rohes
Stück Fleisch auf dem Tisch, daneben ein Stück Butter, etwas Mehl,
Salz und Pfeffer sowie ein Zettel: „Bin bei meiner Mutter: wie man aus
den vorbereiteten Zutaten eine Mahlzeit bereitet, erklärt Dir der Fern-
sehkoch um 18 Uhr 30."
Trotzdem! Ich liebe das Fernsehen. Ich finde, daß es zur Konversa-
tion beiträgt, besonders an Abenden, an denen es nicht funktioniert.
Aber das war ja am Anfang des TV-Zeitalters, als noch nicht jeder sein
eigenes Gerät besaß, viel schlimmer. Damals kamen sie alle, die
Freunde und Bekannten, um das Wunder zu bestaunen. Am Abend
kam ich mir vor wie ein Billeteur. Ich mußte die Stühle aufstellen,
mußte jeden zu seinem Platz führen, Brötchen herumreichen - und
alles, ohne ein Wort zu reden. Man durfte ja nicht stören. Mein kleiner
Neffe glaubte bis zu seinem fünften Lebensjahr, daß er „Pst" heißt.
Sooft er den Mund auftat, machten alle „Pst!".
Und doch - ich liebe das Fernsehen! I love it! Ich schreibe ja für es.
(Falls Sie, geneigter Leser, oder Sie, schöne Leserin, das „für es"
stört, dürfen Sie unbedenklich „dafür" lesen. Oder „fürs".) Für das
Fernsehen schreiben ist lustig. Und das lustigste in allen Fernsehbe-
trieben ist die Unterhaltungsabteilung. Dort sind die traurigsten Men-
schen des ganzen Unternehmens beisammen. Die einen, die man
ihres Humors wegen genommen hat, haben diesen in der Zusammen-
arbeit mit den andern verloren - die andern haben nie einen besessen.
Die letzteren sind die Chefs. Einem solchen las ich einmal aus einem
Manuskript folgenden Gag vor:
Ein Ausländer geht in London, im dichtesten Nebel, eine Treppe
hinunter und stößt auf einen andern, der in total durchnäßten Kleidern
die Treppe heraufkommt. Der erste fragt: „Teil me, Sir, geht es hier zur
Untergrundbahn?" Darauf der zweite: „Nein, zur Themse. Ich komme
von dort."
Ich erwartete, daß der Unterhaltungsboß lachen, lächeln oder zu-
mindest schmunzeln werde. Nichts von alledem. Er sah mich bloß
interessiert an und fragte: „Und was sagte der erste?" In diesem
Augenblick haßte ich ihn. Er hatte mich, ohne es zu wissen, um meine
Pointe betrogen. Ich antwortete: „Der erste sagte .Danke' und kehrte
um." Ich mußte ja etwas sagen. Aber jetzt lachte er, daß sich die
Fernsehwände bogen und das Defizit wackelte. „Das machen wir!" rief
er. „Schon dieses Gags wegen!" Die Sendung wurde wirklich ge-
macht, der Gag wurde vom Regisseur gestrichen, was aber der Boß
nicht bemerkte. Für das Fernsehen schreiben ist lustig.

Und doch! Ich liebe das Fernsehen! Es gibt Menschen, die sagen,
das Fernsehen habe zwei schlechte Dinge: die Werbung und das
Programm. Meine Frau liebt die Werbung. Neulich war es wieder
soweit. Die Werbung war vorüber, ich schaltete das Gerät aus, weil wir
Freunde erwarteten und noch einiges vorbereiten mußten. So mußten
wir zum Beispiel die feinen Zigaretten und die guten Keks, die noch
auf dem Tisch standen, verstecken. Unsere Freundin hatte nämlich die
Gewohnheit, ein Keks nach dem andern zu essen, während ihr Gatte
bei jedem Stück sagte: „Iß nicht so viel!" und dazu unsere Zigaretten
rauchte. Wir tauschten also die Zigaretten gegen weniger feine und
die Kekse gegen weniger teure aus. Schließlich soll man seine Mit-
menschen weder zum Rauchen noch zum Dickwerden verleiten. Un-
sere Freundin hat sowieso immer mit ihrem Gewicht zu kämpfen. Ich
weiß nicht, ob Sie, geneigter Leser, oder Sie, schöne Leserin, schon
die neuen Waagen kennen, die keine Karten mehr auswerfen, sondern
das Gewicht durch einen kleinen Lautsprecher dem Interessenten
direkt ins Ohr flüstern. Unsere Freundin stieg neulich auf eine solche
Waage, worauf die Waage keuchend sagte: „Immer nur einer, bitte!"
Aber zurück zum Fernsehen.
„Heute war es wieder gut!" sagte meine Frau. Mich riß es herum.
„Gut?" fragte ich. „Dir hat das gefallen? Der Weiße Riese mit seinem
Knotentest?"
Meine Frau belehrte mich: „Der Weiße Riese hat keinen Knotentest,
sondern eine Riesenwaschkraft und - was du brauchen würdest -
einen Kalkstopper. Den Knotentest hat Omo."
Ich war baff.
„Das merkst du dir alles?" fragte ich.
„Ja!" sagte meine Frau stolz, worauf ich nur ein bewunderndes
„Cremissimo!" hervorstieß.
„Nicht beneiden", sagte sie mit den weisen Worten von Dianas
Franzbranntwein, „nachmachen! Du würdest dir auch alles merken,
wenn du Doktor Bauers Vitaminkapseln nehmen würdest. Nur echt mit
dem Elefantenkopf!" Dabei tippte sie an mein Haupt.
„Hör schon auf mit diesen Werbeslogans!" brummte ich gereizt und
schlug mit der Faust auf den Tisch.
Das hätte ich nicht tun sollen.
„Zertrümmere nicht den gefälligen Wohnzimmertisch von Pulk &
Papanek!" rief sie. „Volleiche, ab achthundert Schilling!"
„Und du", konterte ich, „knirsche nicht mit den Zähnen!" Aber da
kam ich schlecht an.
„Ich kann knirschen, soviel ich will!" sagte sie triumphierend. „Ich
putze ja meine Zähne mit Odol!"
„Nur echt mit dem gebremsten Schaum vor dem Mund!" erwiderte
ich höhnisch. „Meinetwegen putz sie dir mit Mautner-Senf in der
vergnüglichen Plastiksprühflasche, aber mich laß in Frieden!"
Nun wurde sie persönlich. „So also bist du!" sagte sie. „Als du
während unserer Verlobungszeit zu meinen Eltern kamst, wußte ich
nicht, wie jähzornig du bist!"
Jetzt ging es frischwärts. „Damals", sagte ich mit einem ganz
gemeinen Lustgefühl, „habe ich mich ja auch sehr beherrscht! Erst zu
Hause bin ich ins Schlafzimmer gerannt und habe in die Schaumma-
tratze gebissen!" Und setzte hinzu: „Es gibt viele Schaummatratzen -
aber nur eine Sembella!"
Das war 1 : 0 für mich. Sie tat mir leid, und ich lenkte ein: „Ich
mache dir einen Vorschlag. Reden wir einige Minuten nichts, dann
werden wir diese dumme Werbung vergessen."
Meine Frau war einverstanden, was nicht immer der Fall ist. Wir
setzten uns.
„Ah!" seufzte ich behaglich. „Das is' narrisch guat für d' Füaß!"
„Du fängst schon wieder an!" schrie sie.
„Ich?"
„Ja du! Du hast gesagt: ,Das is' narrisch guat für d' Füaß' - und das
ist Burgit!"
Ich sprang verzweifelt auf. „Ich kann nichts dafür!" rief ich. „Ich
wollte stumm bleiben wie ein Fisch!"
„Vickinger", beruhigte sie sich. „Jetzt auch in der formschönen
Familienpackung bei Ihrem Fachhändler."
„Jetzt hast du angefangen!" schrie ich hysterisch und riß mir ein
paar Haare aus, was ich sofort bedauerte. Haare sind bei mir Mangel-
ware. Diesmal lenkte meine Frau ein. „Willst du etwas trinken?"
erkundigte sie sich liebenswürdig.
„Was hast du?"
„Almdudlertimonade."
„In der großen Trachtenpärchenflasche?" rief ich freudig über-
rascht.
„Genau das!" sagte sie.
Es läutete.
„Das sind die Pfandls!" Ich ging zur Tür, um sie einzulassen. Im
Vorzimmer sah ich meinen Freund erstaunt an.
„Wie kommt das?" fragte ich ihn. „Deine Wäsche ist ja viel weißer
als meine?"
„Das macht Dash!" sagte unsere Freundin und blickte verzückt auf
den Hemdkragen ihres Mannes. „Dash zwingt Grau raus und Weiß
rein!"

(Aus: „Krokodile fliegen nicht", Langen Müller, München)

„Herr Lehrer, kann man für etwas bestraft werden, was man nicht
gemacht hat?" - „Nein, das wäre ja ungerecht." - „Toll, ich habe
nämlich meine Hausaufgaben nicht gemacht!"

Wieder habe ich im Lotto keine einzige Zahl richtig!" schimpft der
Vater. „Mach dir nichts daraus", tröstet ihn Julia, „mir ging's gestern
in der Mathearbeit genauso."
EPHRAIM KISHON

Gebrauchsanweisung

Zu Beginn der Woche schloß ich mich in mein Zimmer ein und
setzte mich an den Schreibtisch, um eine beißende Satire gegen das
Establishment zu verfassen. Der Titel machte mir keine Schwierigkei-
ten: „Offener Brief an das Establishment." Ich schrieb ihn auch sofort
hin, ganz oben.
Von da an geriet ich ein wenig ins Stocken. Vergebens zermarterte
ich mir das Hirn, gegen wen sich mein Artikel eigentlich richten sollte
und warum - als ich plötzlich ein scharfes Summen hörte. Es klang
wie „s-s-s". Gleich darauf landete eine kleine Fliege auf meinem linken
Ohr und begann daran zu naschen.
Da wir unsere Wohnung seit zwei Wochen gegen die sommerliche
Fliegenplage hermetisch abgeschlossen hatten, mußte die kleine Flie-
ge in der Wohnung geboren worden sein. Ich hatte es also mit dem
seltenen Exemplar eines Ureinwohner-Insekts zu tun, was mich je-
doch nicht hinderte, es von meinem Ohr zu verjagen. Was wiederum
den Ureinwohner nicht hinderte, nach einigen fröhlich durchsummten
Runden auf mein Ohr zurückzukehren. Dieser Vorgang wiederholte
sich mehrere Male. Ich wurde ein wenig nervös, trat ans Fenster und
besah mir das eingeborene Wesen etwas genauer. Ob es männlichen
oder weiblichen Geschlechts war, konnte ich nicht feststellen, dazu
kam ich nicht nahe genug heran. Auch blieb mir verborgen, warum
gerade diese Fliege gerade an meinem Ohr so großen Geschmack
fand. Es war ein Ohr wie jedes andere auch. Dennoch schien seine
Anziehungskraft schlechthin unwiderstehlich zu sein: die Fliege woll-
te mein linkes Ohr haben und sonst gar nichts. Als ich es mit der Hand
schützte, setzte sie sich auf meine Hand, und als ich sie von meiner
Hand verjagen wollte, setzte sie sich auf mein linkes Ohr.
Ich beschloß, die Fliege zu töten. Zwar bin ich ein Gegner der
Todesstrafe, aber das Leben ist hart und grausam, besonders im
Sommer.
Natürlich mußte ich mein Vorhaben in aller Ruhe ausführen, gelas-
sen, kaltblütig, ohne übertriebenen Aufwand. Ich durfte nicht etwa
wild um mich schlagen oder am Tötungsakt besonderes Vergnügen
empfinden. Es galt zu warten, bis der Ureinwohner sich in Reichweite
meiner Hand befände, und ihm sodann mit einer blitzschnellen Bewe-
gung den Garaus zu machen. Dazu war nichts weiter nötig als ein
wenig Geistesgegenwart und Reaktionsschnelligkeit.
Mindestens zehnmal hatte ich die Fliege in meiner hohlen Hand,
mindestens zehnmal entkam sie mir wieder und setzte sich geistesge-
genwärtig und reaktionsschnell auf mein linkes Ohr. Wiederholt hatte
ich den Eindruck, daß ich sie im Hohlraum meiner Faust zerquetscht
hätte und daß ein anderer Ureinwohner an die Stelle seines gefallenen
Kameraden getreten wäre, wie einst die Grenadiere bei Napoleon -
aber es war immer dieselbe Fliege, die auf mein Ohr zurückgesummt
kam. ich erkannte sie an ihren großen Augen und ihrem hämischen
Grinsen.
Ohne meine Selbstbeherrschung zu verlieren, begab ich mich -
unter Mitnahme der Fliege auf meinem linken Ohr - in die Küche,
suchte und fand die dort befindliche Fliegenklatsche und kehrte in
mein Arbeitszimmer zurück, Klatsche in der Hand, Fliege am Ohr. Hier
ergaben sich neuerliche Schwierigkeiten. Zweifellos hätte ich die
Fliege mit einem machtvollen rechten Schwinger gegen mein linkes
Ohr hinstrecken können, doch wäre dabei, ebenso zweifellos, mein
linkes Ohr - und nicht nur dieses - in schmerzhafte Mitleidenschaft
gezogen worden. Es bedurfte einer klügeren Taktik. Ich scheuchte die
Fliege in den Raum und schrie in ungarischer Sprache auf sie ein,
wovon ich mir (wie bei jedem andern Lebewesen) einen lähmenden
Effekt versprach. Er kam nicht zustande. Nach einem ungefähr viertel-
stündigen Luftgefecht ergab sich als Bilanz eine zerbrochene Blu-
menvase, eine umgestürzte Topfpflanze, ein von der Wand gefallenes
Gemälde und ein blutendes linkes Ohr.
Die Umstände ließen mir eine Kompromißlösung ratsam erscheinen.
Ich erinnerte mich an meine Tante Selma, die in Budapest einen
Frisiersalon betrieben hatte. In einer Ecke ihres Salons stand während
der Sommermonate immer eine mit gestoßenem Zucker gefüllte
Schüssel, in der sich die fliegenden Ungeheuer zu sammeln pflegten.
Eine solche Schüssel stellte ich jetzt auf meinen Schreibtisch, fügte
zwecks leichterer Verdaulichkeit ein paar Wassertropfen bei und war-
tete. Tatsächlich verließ die Fliege sofort mein Ohr, sauste im Sturz-
flug auf die Schüssel nieder, ergriff eine Portion Staubzucker und
kehrte auf mein Ohr zurück, wo sie ihre Beute geruhsam zu konsumie-
ren begann. Sobald der Vorrat aufgezehrt war, besorgte sie sich auf
dem gleichen Weg einen neuen und dann einen weiteren und dann
noch einen. Nach dem vierten oder fünften Sturzflug hatte ich ihre
Landungsintervalle berechnet und holte mit meiner Fliegenklatsche
zu einem genau tempierten Schlag aus. Das Wegkehren der Scherben
dauerte nur wenige Minuten.
Ein wankelmütiger Charakter wäre an meiner Stelle vielleicht in
Panik verfallen. Nicht so ich. Ich schaltete auf psychologische Krieg-
führung um. Die Fliege, muscida vulgaris, das weiß jeder halbwegs
Gebildete, wird auf geheimnisvolle Weise vom Licht angezogen und
ist in der Dunkelheit völlig verloren. Also verdunkelte ich das Zimmer
und öffnete beide Fensterflügel, in der sicheren Zuversicht, daß das
Sonnenlicht meinen ureingeborenen Plagegeist ins Freie locken wür-
de. Obendrein zog ich ein dunkles Tuch über meinen Kopf, um der
Fliege das Verlassen meines linken Ohrs zu erleichtern. Nach einer
kleinen Weile sprang ich zum Fenster, schloß es mit einem Ruck und
wandte mich um.
Das Zimmer war voller Fliegen.
Bei 28 hörte ich auf zu zählen, weil ich mich fragen mußte, ob ich
nicht vielleicht eine Fliege zweimal gezählt hätte. Meine eigene, die
Ureinwohnerin, erkannte ich mühelos daran, daß sie sich immer
wieder mit höhnischem Summen auf meinem linken Ohr niederließ.
Auch das Summen erkannte ich, obwohl jetzt schon der ganze Raum
summte.
Als letztes Mittel bot sich der Fliegen-Spray an. Da alles auf dem
Spiel stand, las ich zuvor die Gebrauchsanweisung:
„ Flit säubert das Haus von Insekten. Für Menschen und Haustiere ist
es ungefährlich. Um das bestmögliche Ergebnis bei der Bekämpfung
von Fliegen zu erzielen, empfiehlt es sich, alle Türen und Fenster zu
schließen und alle Räume in allen Richtungen zu besprühen. Nach
ungefähr zehn Minuten sind die Fenster wieder zu öffnen und die
toten Fliegen hinauszukehren."
Ich tat, wie mir geheißen. Ich verriegelte Fenster und Türen und
besprühte das Hausinnere bis zur völligen Erschlaffung meiner Hän-
de. Hierauf setzte ich mich im Sinne der Gebrauchsanweisung für
zehn Minuten hin, die Urfliege immer noch auf meinem Ohr.
Nach ungefähr fünf Minuten befiel mich in dem engen, muffigen,
übelriechenden Raum heftiges Unwohlsein. Nach weiteren zwei Minu-
ten litt ich an Atemnot, bekam keine Luft mehr und glitt zu Boden. Mit
letzter Anstrengung kroch ich zur Tür.
Aber da waren die zehn Minuten schon vorbei, die Fliegen öffneten
die Fenster und kehrten mich hinaus.

(Aus: „Salomos Urteil, zweite Instanz", Langen Müller, München)


EUGEN HELMLE

H a u s a r b e i t ist k e i n e A r b e i t

SOHN: Papa, Charly hat gesagt, seine Schwester hat g e s a g t . . .


VATER: Was hat denn diese Ziege wieder von sich gegeben?
SOHN: Charlys Schwester ist keine Ziege!
VATER: So? Aber die Kleine von nebenan, die nennst du eine Ziege.
SOHN: Die ist ja auch doof.
VATER: Also gut, bleiben wir bei Charlys Schwester. Obwohl du zur
Abwechslung auch mal was von seiner Mutter erzählen könntest.
Jedenfalls ist von der selten die Rede.
SOHN: Mama kommt bei dir ja auch nicht an.
VATER: Kommt bei mir nicht an! Mann, du kannst dir vielleicht einen
Blödsinn zusammenreden! Mama ist eben zurückhaltend. Und jetzt
laß mich arbeiten.
SOHN: Kannst du doch im Büro.
VATER: Sag mal, hast du nicht ein eignes Zimmer?
SOHN: Ja.
VATER: Und was denkst du, wozu du das hast?
SOHN: Ja, ich geh ja schon.
Was machst du eigentlich?
VATER: Ich muß einen Artikel schreiben.
SOHN: Schon wieder?
VATER: Den schreibe ich zu meinem Privatvergnügen.
SOHN: Dann ist es auch keine Arbeit.
VATER: So? Und darf man wissen, warum nicht?
SOHN: Weil's dir Spaß macht. Und daß einem die Klotzerei Spaß
macht, das gibt's doch gar nicht.
VATER: Die was?
SOHN: Die Arbeit eben. Und was machst du mit dem Artikel?
VATER: Der ist für eine Zeitschrift, verstehst du, dort wird er abge-
druckt. Was das ist, brauche ich dir doch wohl nicht zu erklären,
oder?
SOHN: Nö, ich bin doch nicht doof.
VATER: Dann laß mich jetzt in Ruhe.
SOHN: Ja, ich laß' dich ja. Aber hast du nicht Mama helfen wollen, die
Gardinen im Wohnzimmer aufzuhängen?
VATER: Ja, wollte ich. Aber deine Mutter mußte ja zuerst ihr Geschirr
spülen. Und jetzt habe ich keine Zeit mehr. Ich hab im Augenblick
Produktiveres zu tun. Außerdem hat deine Mutter den ganzen Tag
Zeit für ihre Arbeit, da braucht sie nicht unbedingt mich noch
einzuspannen, wenn ich aus dem Büro komme.
SOHN: Charlys Vater hilft öfter im Haushalt mit. Dem macht das gar
nichts aus.
VATER: Bei Charlys liegt die Sache ganz anders. Wenn ich nicht irre,
arbeitet Charlys Mutter, oder?
SOHN: Das tut Mama doch auch. Oder zählt die Hausarbeit nicht?
VATER: Sicher zählt die Hausarbeit. Aber sie zählt eben doch nicht so
wie eine, na ja, sagen wir eine produktive Arbeit.
SOHN: Was ist denn eine produktive Arbeit?
VATER: Eine produktive Arbeit, das ist eine Arbeit, mit der ein Wert
geschaffen wird.
SOHN: Und deine Arbeit, ist das eine produktive Arbeit?
VATER: Ja.
SOHN: Weil du für diese Arbeit Geld bekommst und das Geld einen
Wert hat?
VATER: Jaaa.
SOHN: Und deshalb ist deine Arbeit auch mehr wert als Mamas
Arbeit?
VATER: Nein!! Ich habe nie gesagt, daß Mamas Arbeit weniger wert
ist als meine.
SOHN: Ja, aber wo liegt dann der Unterschied?
VATER: Ach, du kannst einem den letzten Nerv rauben. Wie soll ich
dir das erklären? Also, sagen wir mal so, eine Arbeit ist dann
produktiv, wenn sie was einbringt, und eine Arbeit, die nichts
einbringt, ist eben nicht produktiv.
SOHN: Und welche Arbeit bringt nichts ein?
VATER: Na, wenn ich zum Beispiel Gardinen aufhänge und so, das
bringt nichts ein, diese Hausarbeit.
SOHN: Wieso denn?
VATER: Na, hast du schon einmal gesehen, daß Mama für ihre Haus-
arbeit von jemand Geld bekommt?
SOHN: Charlys Mutter bekommt Geld, und die arbeitet auch im Haus-
halt.
VATER: Die arbeitet bei fremden Leuten im Haushalt. Oder möchtest
du vielleicht, daß deine Mutter bei fremden Leuten die Hausarbeit
machen soll?
SOHN: Warum nicht? Charlys Mutter arbeitet doch auch bei fremden
Leuten im Haushalt, und sie bekommt auch Geld dafür, und wenn
sie Geld dafür bekommt, bringt die Hausarbeit etwas ein, und wenn
sie etwas einbringt, ist sie also auch produktiv, hast du doch selbst
gesagt.
VATER: Ja, aber doch nicht die Arbeit im eigenen Haushalt, was soll
die denn einbringen? Und außerdem braucht deine Mutter nicht zu
arbeiten. Eine verheiratete Frau hat ihren Unterhalt und ihren Wir-
kungskreis in der Familie.
SOHN: Aber Mama arbeitet doch im Haushalt, wieso sagst du dann,
sie braucht nicht zu arbeiten?
VATER: Sicher arbeitet sie, aber das ist doch kein Arbeiten in dem
Sinne, daß sie außer Haus, bei fremden Leuten, für Geld arbeiten
muß.
SOHN: Du arbeitest doch auch außer Haus, bei fremden Leuten.
VATER: Ja, schließlich ist das ja auch meine Aufgabe als Mann, daß
ich das Geld für den Unterhalt der Familie verdiene.
SOHN: Warum?
VATER: Weil der Mann der Ernährer der Familie ist.
SOHN: Du ernährst doch gar nicht. Das tut Mama. Die steht in der
Küche und kocht.
VATER: Und mit wessen Geld kauft sie die Lebensmittel ein?
SOHN: Ja, aber. . .
VATER: Also bin ich der Ernährer.
SOHN: Und Mama?
VATER: Setzt mein Geld in Nahrung um. Ich habe nur gesagt, daß
zunächst mal die Arbeit wichtiger ist, für die wir das Geld bekom-
men, von dem wir leben. Mamas Arbeit kann immer noch gemacht
werden.
SOHN: Und wenn du deinen Artikel morgen schreibst, bekommst du
dann weniger Geld dafür?
VATER: Nein!!
SOHN: Also.
VATER: Was also?
SOHN: Nur so.
VATER: Darf ich dann endlich?
SOHN: Nur noch eine Frage.
VATER: Ja?
SOHN: Und wenn Mama nicht wäre?
VATER: Was, wenn Mama nicht wäre?
SOHN: Müßtest du dann die Arbeit selber machen?
VATER: Welche Arbeit?
SOHN: Die Hausarbeit.
VATER: Ja. Oder ich müßte jemanden einstellen, der die Arbeit
macht.
SOHN: Den müßtest du aber bezahlen?
VATER: Natürlich.
SOHN: Bezahlst du Mama auch?
VATER: Wofür?
SOHN: Na, für die Hausarbeit.
VATER: Das hätte mir gerade noch gefehlt.
SOHN: Was hätte dir noch gefehlt?
VATER: Daß ich Mama ein Gehalt zahle.
SOHN: Dann muß Mama also umsonst für dich arbeiten? Weil dir ihre
Arbeit nichts wert ist.
VATER: Unsinn, Mama hat ihre Rolle in unserer Familie, so wie ich
meine Rolle habe und du deine Rolle hast, das ist alles.
SOHN: Charlys Schwester sagt, Frauen spielen immer die Nebenrolle.
VATER: Charlys Schwester ist eine dumme Kuh. Außerdem wollen die
Frauen ja gar nichts anderes. Schöner können die es doch gar nicht
haben. Der Mann verdient das Geld, und dafür machen sie das
bißchen Hausarbeit.
SOHN: Bißchen ist gut.
VATER: Na ja, vielleicht auch etwas mehr. Deine Mutter wüßte ja gar
nicht, was sie den lieben langen Tag machen sollte, wenn sie ihre
Hausarbeit nicht hätte.
SOHN: Aber neulich hat Mama doch gesagt, sie würde gern halbtags
arbeiten gehen.
VATER: Wir haben das nicht nötig. Deine Mutter braucht nicht zu
arbeiten.
SOHN: Charlys Vater hat erst auch nicht gewollt, daß Charlys Mutter
arbeitet, aber dann haben sie ihn doch rumgekriegt. Aber viele
Frauen, hat Charlys Schwester gesagt, lassen sich von ihren Män-
nern immer noch für dumm verkaufen.
VATER: Dieser Schwester von Charly, der würde ich liebend gerne
mal eine kleben.
SOHN: Das würde Charlys Vater auch gern, aber dazu ist sie schon zu
groß, sie ist nämlich schon größer als ihr Vater. Und Charly hat
gesagt, er weiß auch, warum sein Vater nicht wollte, daß seine
Mutter arbeitet.
VATER: Warum?
SOHN: Weil sein Vater jetzt nicht mehr sagen kann, daß er allein das
Geld verdient.
VATER: Deine Mutter braucht nicht zu arbeiten und damit basta!
SOHN: Weil du dann nicht mehr die Hauptrolle hast?

(Aus: „Papa, Charly hat gesagt.. .", Band 2, Rowohlt, Reinbek)

Va-ii - w '<Hst du met/ $>eh*r>t

w i e 'nc. S t e r e o - A n / a t j - e

vOri i-onert

etutS Sieht ?

3 Die Barke '85 33


CARLO MANZONI

Der H a u s t o r s c h l ü s s e l

Herr Veneranda blieb vor einer Haustür stehen, betrachtete die


dunklen geschlossenen Fensterläden und pfiff mehrmals, als wolle er
jemanden rufen.
An einem Fenster des dritten Stockes erschien ein verschlafener
Herr.
„Haben Sie keinen Schlüssel?" schrie der Herr, um sich verständ-
lich zu machen.
„Nein, ich habe keinen Schlüssel", schrie Herr Veneranda.
„Ist die Haustür zugeschlossen?" schrie der Herr am Fenster
wieder.
„Ja, sie ist zu", antwortete Herr Veneranda.
„Dann werfe ich Ihnen den Schlüssel hinunter."
„Wozu?" fragte Herr Veneranda.
„Um die Haustür aufzuschließen", erwiderte der Herr am Fenster.
„Also gut", schrie Herr Veneranda. „Wenn Sie wollen, daß ich die
Tür aufschließe, dann werfen Sie mir den Schlüssel herunter."
„Aber müssen Sie denn nicht herein?"
„Ich? Nein. Wozu auch?"
„Wohnen Sie denn nicht hier?" fragte der Herr am Fenster, der nicht
mehr recht mitkam.
„Ich? Nein", schrie Herr Veneranda zurück.
„Und warum wollen Sie dann den Schlüssel?"
„Wenn Sie wollen, daß ich die Tür aufschließe, muß ich sie doch mit
dem Schlüssel aufschließen. Glauben Sie vielleicht, ich könnte es mit
einer Pfeife?"
„Ich will gar nicht, daß die Tür aufgemacht wird", rief der Herr am
Fenster. „Ich meinte, Sie wohnten hier; ich hörte Sie pfeifen."
„Pfeifen denn alle, die hier im Haus wohnen?" erkundigte sich Herr
Veneranda mit voller Lautstärke.
„Nur wenn sie keinen Schlüssel haben", antwortete der Herr oben.
„Ich habe keinen Schlüssel", schrie Herr Veneranda.
„Dürfte ich vielleicht wissen, was diese Schreierei zu bedeuten hat?
Man kann dabei kein Auge zutun", brüllte ein Herr, der sich an einem
Fenster des ersten Stockes zeigte.
„Wir schreien, weil sich der Herr dort im dritten Stock befindet und
ich auf der Straße stehe", sagte Herr Veneranda. „Wenn wir leise
sprechen, können wir uns nicht verständigen."
„Aber was wollen Sie denn?" fragte der Herr, der im ersten Stock
am Fenster stand.
„Da müssen Sie den Herrn im dritten Stock fragen", sagte Herr
Veneranda. „Ich habe es noch nicht herausbekommen: Zuerst will er
mir den Haustorschlüssel herunterwerfen, damit ich die Haustür auf-
schließe, dann will er wieder nicht, daß ich die Haustür aufschließe,
dann sagt er, daß ich, wenn ich pfeife, in diesem Haus wohnen müsse.
Kurzum, ich habe es noch nicht herausbekommen. Pfeifen Sie übri-
gens?"
„Ich? Nein. Wieso sollte ich pfeifen?" fragte der Herr am Fenster des
ersten Stockes.
„Weil Sie in diesem Haus wohnen", sagte Herr Veneranda. „Der Herr
im dritten Stock hat gesagt, daß die Leute, die in diesem Haus
wohnen, pfeifen. Mir ist es jedenfalls einerlei: Meinetwegen können
Sie ruhig pfeifen."
Herr Veneranda verabschiedete sich mit einer leichten Verbeugung,
ging seines Weges und murmelte vor sich hin, daß dies bestimmt eine
Art Irrenanstalt sein müsse.

(Aus: „Rot mit weißen Streifchen", Büchergilde Gutenberg, Wien)

„ Wovon lebst du eigentlich?" - „ Von dem, was ich schreibe." - „Und


was schreibst du so?" - „Briefe an meinen Vater, daß er mir Geld
schicken soll."

Frau Meier fragt ihren Sohn: „Peter, wo warst du denn so lange?" -


„Herbert und ich haben Briefträger gespielt. Wir haben die ganze
Siedlung mit Post versorgt." - „So, aber woher hattet ihr denn die
Briefe?" - „Aus deinem Nachtschrank, Mami. Die beiden Pakete mit
den rosa Schleifchen drumherum."

3* 35
MENSCHLICHES UND ALLZUMENSCHLICHES

ERICH KÄSTNER

Die E n t w i c k l u n g der M e n s c h h e i t

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,


behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt
bis zur dreißigsten Etage.

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,


in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit. Sie sehen fern.


Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.


Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung übrigläßt,


das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.
So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet, sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.

(Aus: „Kurz und bündig", Atrium, Zürich)


MIRA LOBE

Wie m a n s i c h i n t e r e s s a n t m a c h e n k a n n

So nützlich es manchmal ist, nicht aufzufallen - besonders, wenn


man etwas angestellt hat und sich schnell verdrücken muß - , so
schädigend ist es andererseits für das Selbstgefühl, immer nur einer
von vielen zu sein. Einer wie alle, einer, der mausgrau in der maus-
grauen Menge untergeht.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken, und
einer zu sein, der Aufmerksamkeit und allgemeines Interesse erregt.
Zum Beispiel:
1. Um deinen Mitschülern zu imponieren - nicht nur ihnen, sondern
auch Onkeln, Tanten, dem Friseur und der Gemüsefrau - , solltest du
möglichst viele Fremdwörter in deiner Rede einflechten, wobei es
wichtig ist, daß sie dir glatt von der Zunge gehen. So ist es zum
Beispiel viel impressiver (= eindrucksvoller), wenn du statt von ge-
wöhnlichen Windpocken von einer Tupferitis punctosis juckosa
sprichst; statt von einem dauerhaften Schnupfen von einer Fontaena
nasalis permanentis; statt von einem Muskelkater von einem mies-
musculus, aua-miaua massiva. Solltest du aber zufällig einige Krank-
heiten oder Organe bei ihrem wirklichen lateinischen Namen kennen,
so kannst du mit beispielloser Gelehrtheit glänzen, wenn du dich auf
einem Schul- oder Familienausflug befindest.
Zur gefälligen Benutzung einige Vokabeln:
Appendix = Blinddarm
Panaritium = Nagelbetteiterung
Hepatitis = Leberentzündung
Larynx = Kehlkopf
Pleuritis = Rippenfellentzündung
Hordeolum = Gerstenkorn
Konjunktivitis = Bindehautentzündung
Duodenum = Zwölffingerdarm
Pankreas = Bauchspeicheldrüse
Ulkus = Geschwür
Bei Wanderungen durch Wald und Feld erkläre deinen bewundern-
den Zuhörern, daß es sich bei einer beliebigen Pflanze um eine Abart
des Rotblättrigen Appendix handle. Pflücke ein unbekanntes Kraut
und behaupte, es gehöre in die Familie des Langstieligen Ulkus.
Behaupte ferner, daß Hordeolum und Panaritium wild wachsend an
Berghängen zu finden sind, der reizende vielbegehrte Larynx aber,
sowie auch die seltene Pankreas, nur in Bergeshöhen über 2 000
Metern gedeihen. Laß schließlich durchblicken, daß die gelbblühende
Hepatitis einerseits, das zwölffingerige Duodenum andererseits nur
auf Sumpfboden zur vollen Entfaltung gelangen, während die Kon-
junktivitis eine schmarotzende Schlingpflanze ist, die den heimischen
Wäldern beträchtlichen Schaden zufügt.
Leider ist es kaum zu vermeiden, daß sich angehörs solchen Un-
sinns einer der Anwesenden erkundigt, ob du etwa ein Homo homun-
culus spinnertus komplettus bist. Deshalb ist es angebrachter, sich
seine Fremdwörter selbst zu erfinden.

2. Ein klug klingendes Wort, etwa „Mirosion", ist vielseitig zu ver-


wenden. Du kannst es in jede Unterhaltung einfließen lassen, ob sie
sich um das Wetter, um die Technik oder um ein Konzert handelt.
Beispiele:
Technik: „Schweißt man im Mirosions-Verfahren die 3. und 4. Gang-
schaltung zusammen, so bewirkt man bei hoher Geschwindigkeit eine
Blockierung des Motors."
Konzert: „Bläser und Streicher waren ausgezeichnet, nur die Pauke
ließ es an mirosiver Klangschönheit fehlen."
Wetter: „Mit den ersten Regentropfen schlaffte die miroselle Luft-
spannung merkbar ab."
Weitere Wortbildungen: Dermirosion, Demirosion, Transmirosion,
Submirosion, Mirosionie, Mirosionist, mirosman, mirosabel, miroso-
phil, mirosophon, mirosisch, mirothym usw.
Es muß aber nicht lateinisch oder griechisch klingen. Du kannst ein
beliebiges Wort nehmen, zum Beispiel Mimosenstrauß. Schüttle ihn
kräftig und erzeuge seltsame Wesen wie eine Stromisenmaus oder
eine Stromausenmiß oder ein Mimaustenroß. Die Maus hast du gefan-
gen, die Miß kommt aus England, das Roß tritt als Favorit im nächsten
Rennen an.
Falls dir aber der Mimosenstrauß zu kompliziert ist, so drehe einfach
einen Seilzug um und schwärme von den guten „Guzlies", die dir
deine Urgroßtante aus der Schweiz zum Naschen geschickt hat.
3. Großes Aufsehen erregst du mit der Handlesekunst. Grundlegen-
de Ratschläge zur „Handlesekunst" findest du auf den nachfolgenden
Seiten. Behalte die Hand eines Gleichalterigen in deiner, blicke lange
Zeit schweigend und mit gerunzelten Brauen in die Handfläche und
murmle halblaut: „Oho!" oder „Das überrascht mich!" oder „Wie
interessant!"
Will der andere wissen, was denn da so überraschend, interessant
und oho ist, schüttelst du den Kopf und sagst: „Ich glaube nicht, daß
es dir recht wäre, wenn ich darüber spräche . . . " Dies kennzeichnet
dich als einen taktvollen Menschen, wodurch du dir das Vertrauen
deines Gegenübers erwirbst. Du wirst sogleich um rückhaltlose Offen-
heit gebeten und beginnst nun mit allgemeinen, vorsichtig geäußerten
Vermutungen über Ängste, Wünsche, Hoffnungen, Enttäuschungen,
Abneigungen (gegen die Schule), Sympathie (für Rock, Beat und Jazz)
usw.
Merke: Du kannst bei deinen Altersgenossen einen Teil deiner
eigenen Ängste, Wünsche usw. voraussetzen!
Beispiel:
a) Sage: „Deine Eltern sind ein wenig altmodisch, sie bemühen sich
zwar, sie meinen es sicher gut, sie verstehen dich aber nicht!" Das
paßt fast immer.
b) Sage: „In dir schlummern verborgene Talente, und du nimmst dir
für später große Dinge v o r . . ." Das paßt auch fast immer.
c) Frage, ob dein Gegenüber Geschwister hat. Lautet die Antwort
etwa: „Eine große Schwester!", so nicke wissend und sage, das
hättest du schon gesehen, und füge dann hinzu: „Diese Schwester ist
manchmal ungeheuer gemein zu dir!" Das stimmt fast immer: Es gibt
keine großen Geschwister, die zu den jüngeren nicht manchmal ge-
mein sind. Lautet die Antwort: „Ein kleiner Bruder!", so sage: „Dieser
Bruder ist ein verzogener Fratz und geht dir ungeheuer auf die
Nerven!" Auch das stimmt meistens.
d) Was die Liebes- und Herzensfragen betrifft, so probiere es mit:
„Du fühlst eine starke Zuneigung zu einer bestimmten Person, die"
(jetzt kannst du wählen:)
A „davon weiß - "
B „davon nur wenig weiß - "
C „davon überhaupt nichts weiß."
Füge eventuell hinzu:
„Du bist manchmal sehr unglücklich, zeigst es aber nicht." - Das
paßt für jeden.

Allgemeine Regel: Während du in der Hand liest, wirf ab und zu


einen beobachtenden Blick auf das Mienenspiel des Handbesitzers.
Siehst du dort Zustimmung, so wage dich einen Schritt weiter. Siehst
du Zweifel und Widerstand, so beuge dich tiefer über die Hand,
entdecke verblüfft eine bisher unbemerkte Linie und ändere die Rich-
tung. Solltest du das Pech haben, lauter falsche Sachen weiszusagen,
so ergreife die andere Hand, finde dort eine merkwürdige, mehrfach
unterbrochene Verbindung zwischen Kopf-, Herz- und Schicksalslinie,
die alles bisher Gesagte über den Haufen wirft. Fang von neuem an.

4. Ganz ähnlich gehst du beim Schriftdeuten vor. Betrachte intensiv


die Schreibprobe in deinen Händen, unterbrich deine nur zögernd
hervorgebrachten Bemerkungen mit Fachausdrücken wie „Duktus",
„Ober- und Unterlänge" usf.
Beispiel: „Der Schriftduktus verrät einen starken Charakter. . . "
„Deine Oberlängen stehen im Gegensatz zu deinen Unter-
längen . . ."
Und versäume nicht, deinem Gegenüber zu versichern, daß seine
großen G und R auf Energie hinweisen, während seine kleinen m, n
und o auf absolute Verschwiegenheit hindeuten.
Beherzige die Grundregel: Jeder hört gern etwas Angenehmes über
sich! Aber: Aufpassen, daß hin und wieder kleine Schwächen und
Fehler eingestreut werden!

Dein Wahrsager-Ruhm als Handleser und Schriftdeuter wird sich in


Windeseile verbreiten. Sollte er dir über den Kopf wachsen und
solltest du die Sache los sein wollen, so erkläre, daß du dich neue-
stens mit Sterndeuten befaßt und dich zum gründlichen Studium für
einige Zeit zurückziehen mußt.
Allgemeine Warnung: Es ist durchaus möglich, daß du auf Men-
schen triffst, die genau wissen, was eine Konjunktivitis oder ein
Larynx wirklich ist, die dir selbst auf den Kopf zusagen, daß du an
Mirositis erkrankt bist, oder die dir grinsend mitteilen, daß sie selbst
zwar weder Schriftdeuten noch Handiesen, dafür aber Gedankenlesen
können, auf solche Menschen könntest du treffen. Bereite dich darauf
vor und überlege, was du dann tust. Am besten ist es in solchen
Fällen, im Boden zu versinken.

(A us: „ Im Fliederbusch das Krokodil singt wunderschöne Weisen ", Jugend und
Volk, Wien)
JOHANNES PAUL

Warum mein Papa nie s c h l a n k w e r d e n w i r d

Mit dem Papa ist es wie mit dem Mond: einmal nimmt er zu, dann
wieder ab. Nur daß er noch nie so dünn wie die Mondsichel war.
Besonders arg ist es nach dem Besuch von Opa und Oma: da geht er
regelmäßig wie ein Krapfen auf.
„Iß nicht soviel", schimpft die Mama. Aber er hört erst dann auf sie,
wenn er in kein Gewand mehr hineinpaßt. „Hast du die Hose schon
wieder gewaschen?" brummt er die Mama an, während er den Bauch
einzieht und verzweifelt versucht, den Zipp zuzukriegen.
„Ich hab' die Jeans überhaupt nicht gewaschen!" antwortet ihm die
Mama. „DU hast schon wieder viel zuviel gegessen."
„Ich?!" entrüstet er sich. „Ich ess' überhaupt nichts!" Aber am
Abend verlangt er plötzlich, daß ihm die Mama nur eine GROSSE
Schüssel Salat macht. „Aber OHNE ÖL und Zucker!"
„Wozu haben wir denn den herrlichen Endiviensalat?" fragt er beim
Essen und schielt dabei auf mein Wurstbrot. „Eos, das ißt du aber
fertig, sonst darfst du nicht zur Frau Lidek!"
Natürlich weiß er ganz genau, daß ich das Brot nie schaffe: er hat es
ja extra groß abgeschnitten und mit zehn dicken Wurstscheiben
belegt - und ich weiß ganz genau, daß ich trotzdem zur Frau Lidek
gehen darf!
„Eos, iß dein Brot auf!" sagt er, wenn er die Riesenschüssel Salat
leergegessen hat, und schaut dabei noch hungriger auf das angebis-
sene Stück, das ich vor mir liegen habe. Wenn ich aufstehe und Zähne
putzen gehe, zeigt er auf das Wurstbrot, sagt zur Mama; „Also man
kann das doch unmöglich hin werden lassen!", und bevor die Mama
noch überhaupt begriffen hat, worum es geht, greift er schon danach
und schlingt es hinunter. Danach beginnt er zu fasten. Aber die Mama
hat mir verraten, daß er später am Abend, wenn ich schon schlafe,
noch einige Male auf den Gang hinausgeht und die Speisekastentür
öffnet. Wenn er hereinkommt, schluckt er schnell noch irgend etwas
Süßes hinunter. „Ich glaube, wir haben Mäuse", entschuldigt er sich.
„Ich glaube, wir haben sogar eine große Maus", sagt die Mama und
lacht. Dann schämt er sich.
Am nächsten Morgen beginnt er mit der neuen Fastenkur.
„In der Früh soll man essen wie ein König, zu Mittag wie ein Bürger,
am Abend wie ein Bettler", erklärt er mir und bestreicht sein drittes
Brot dick mit Honig, „und überhaupt ist Honig besonders gesund.
Wenn man regelmäßig Honig ißt, wird man überhaupt nie krank.
Schau mich an!"
Die Mama seufzt.
Aus lauter Angst, am Abend hungern zu müssen, ißt der Papa schon
in der Früh für den ganzen Tag: Eierspeise oder weiche Eier, ein Stück
Fisch vom Vortag, eine Dose Thunfisch oder Sardinen, Leberpastete,
Butter- oder Schmalzbrot, Wurst, Cornflakes oder Haferflocken, und
wenn wir sie gerade zu Hause haben, auch eine Knackwurst in Essig
und Öl.
„So, das war jetzt gut!" sagt er und klopft sich auf den Bauch. „So
ein richtiges Frühstück, das hält den ganzen Tag an!"
Bei ihm natürlich nicht.
Um neun Uhr schleicht er schon wieder in der Küche herum und
schaut, was die Mama kocht.
„Hm, das wird wieder gut!" lobt er und fährt mit dem Kochlöffel tief
in den Knödelteig oder die Fleischmasse.
„Mama, du bist eine wunderbare Köchin!"
So überrumpelt er die Mama, die ihm gerade den Löffel wegnehmen
wollte.
„Ich glaube, es fehlt aber noch eine S p u r .
Er kostet.
„Rosmarin. O d e r . . ."
Er kostet noch einmal.
„Thymian. Nein . . ."
Er nimmt den dritten Löffel.
„Salz. Jetzt hab' ich's!"
Auf diese Weise hat die Mama schon oft zweimal Knödelteig und
zweimal Faschiertes machen müssen. Der Papa ist aber beim Kosten
so umwerfend lieb und zärtlich, daß sie nie nein sagen kann.
Bis zum Mittagessen hat er natürlich wieder einen Bärenhunger.
„Man glaubt gar nicht", sagt er, „was man beim Schreiben für einen
Hunger bekommt. Das macht wahrscheinlich das viele Denken."
„Ans Essen, gelt?" zieht ihn die Mama auf. In der Zwischenzeit war
er natürlich wieder einige Male beim Speisekasten.
„Eos, hast du die ganze Schokolade aufgegessen?" fragt er mich
vorwurfsvoll.
„Aber Papa, ich war ja gar nicht da!" gebe ich ihm zur Antwort.
„Vielleicht hast du sie zu den Lidekkindern mitgenommen!?"
„Nein, ganz bestimmt nicht!"
„Also, dann möchte ich wissen, wer bei uns soviel Schokolade ißt!"
„Du!" mischt sich die Mama ein. „Dreimal warst du heute wieder
beim Kasten!!"
„Viermal", sagt der Papa, „aber ich hab' nur meinen Bleistiftspitzer
gesucht. Und die Pfeife."
„Im Speisekasten?"
Jetzt lachen alle.
„Ist das Essen schon fertig?" lenkt der Papa ab.
Wir nehmen Platz. Das Gigelchen wird täglich Punkt fünf vor zwölf
wach. Es ist nämlich genauso gefräßig wie der Papa. Drei vor zwölf
plärrt es, und eine Minute vor zwölf trägt es der Papa in die Küche, wo
es sofort auf die Mama zuläuft und jämmerlich „Pappi! Pappi!"
schreit.
Dann nimmt es der Papa gerührt hoch, sagt: „Du armes Kind! Geben
sie dir nichts!" und läßt sich von der Mama eine doppelte Portion
Suppe auf den Tisch stellen. „Die Kleine muß ja auch etwas essen",
sagt er. Das läßt sich das Gigelchen nicht zweimal sagen. Mit beiden
Händen greift es in die Suppe, zieht Karottenstücke oder Fleischfa-
sern heraus, zeigt sie stolz dem Papa und stopft sie in den Mund.
„Gaü" Gleich darauf will es vom Papa einen großen Löffel Suppe, und
wenn es ihm zu langsam mit dem Nachschub geht, maunzt es und
versucht, mit dem Mund die Suppe herauszuschlürfen. Kaum aber
sieht es, daß die Mama die Hauptspeise aufträgt, wird es quengelig
und will hinunter, damit es zur Mama hinüberlaufen kann.
„Pappi ga! Pappi ga!" ruft es. Auf diese Weise bleiben dem Papa
eineinhalb Teller Suppe.
Als Hauptspeise gibt es faschierten Braten mit Erdäpfelpüree und
grünem Salat, Papas Leibgericht.
„So, und jetzt noch ein bißchen Püree!" sagt er zufrieden. „Das ist ja
heute wieder ganz hervorragend!" Und er faßt mit der einen Hand
nach dem Schöpfer, mit der andern umarmt er die Mama und gibt ihr
ein Bussi. „Mama!" mampft er mitten unter dem Erdäpfelpüree. „Du
bist eine wunderbare Köchin!"
Das Gigelchen hat blitzartig erfaßt, daß sich der Papa viel mehr
nimmt als die Mama, und wechselt sofort den Platz. Jetzt sitzt es
wieder auf seinen breiten Schenkeln und läßt sich mit Faschiertem
vollstopfen. Erdäpfelpüree mag es nämlich nicht. Deshalb hat sich ja
der Papa doppelt soviel genommen!
„Herrlich! Herrlich!" seufzt er nach dem Essen. „Das sollten wir alle
Tage haben!"
Wir haben es ohnehin dreimal pro Woche.
„Eos", umschmeichelt er mich, „bringst du dem Papa die Pfeife?"
Ich gehe in sein Zimmer hinüber. Wie ich zurückkomme, sitzt der
Papa vor einem großen Teller mit Kokoskuchen und schiebt den
Bissen von einer Backe zur andern. Das Gigelchen, das eigentlich
schon schlafen sollte, ist natürlich auch wieder dabei und wippt
vergnügt auf und ab.
„Eos, und wenn du ganz lieb bist, bringst du mir noch ein Glas
Milch."
„Und ein Stück Schokolade!" ruft er mir nach, während ich schon
die Kanne herunterhole.
Nach dem Essen schläft der Papa - von März bis Allerheiligen im
Hühnerstall, die andere Zeit im Schlafzimmer.
Dann gehen wir spazieren. Wenn wir zurückkommen, fällt ihm auf,
daß man auch vom Spazierengehen ordentlich hungrig wird, und da
er entdeckt hat, daß vom faschierten Braten doch noch etwas übrigge-
blieben ist, macht er sich über ihn her, um ihn nicht alt werden zu
lassen.
Und was am Abend los ist, das habe ich euch ja schon gesagt.
Auf diese Weise verschiebt er die Fastenkur so lange, bis er nicht
einmal die weiteste und schäbigste Hose anziehen kann. Nächste
Woche aber muß er in den Verlag.
Jetzt, wo es wirklich nicht mehr anders geht und er auch zu eitel ist,
sich eine noch größere Hose zu kaufen, beginnt er zu fasten.
Er hat schon alles mögliche probiert: eine Milchkur. Bei der hat er in
drei Tagen zwei Kilo abgenommen, aber dann sind Opa und Oma
gekommen. Viel genützt hat auch die Fleischkur, aber die ist ihm zu
teuer gekommen. „Soviel Geld haben wir nicht!" hat er gebrummt und
in eine Semmel gebissen. Semmelkur hat er übrigens auch eine
gemacht. Bei der ist er noch dicker geworden, weil er die meisten
Semmeln mit Butter oder Leberpastete bestrichen hat. „So trocken
bringt man die ja nicht hinunter."
Schließlich hat er Sport betrieben, Radfahren, Turnen, Schwimmen
(im März), mit dem Ergebnis, daß er mit Fieber im Bett gelegen ist und
sich von der Mama hat verwöhnen lassen.
„Ist doch gut, wenn man Reserven hat!" hat er gejammert und mit
Appetit in ein Wurstbrot gebissen. „Man weiß ja nie, was einem alles
passieren kann!" Als er wieder aufgestanden ist, war er noch dicker.
„Ich glaube, das sind die Drüsen!" hat er gesagt und verwundert zur
Waage hinuntergeblickt. „Das gibt es doch gar nicht. Ich hab' ja gar
nichts gegessen!"
Aber nachdem ihm die Mama aufgezählt hat, was sie ihm alles ans
Bett gebracht hat, war er anderer Meinung. „Gott sei Dank, mit den
Drüsen dürfte es doch nichts sein!" hat er seufzend gesagt.
Dabei möchte er wirklich schlank sein und ärgert sich, weil alle
seine Freunde schlank und hübsch sind, nur er nicht.
„Eos, so schlank wie du möchte ich einmal sein!" sagt er oft und
klopft mir auf den Hintern. „Du bist schon heute eine schöne Frau!"
Das hör ich gerne.
Nachdem der Papa sämtliche Kuren ausprobiert hat, ist er auf die
FDH („Friß-die-Hälfte!"-)Methode gekommen. Tatsächlich hat das eine
Zeitlang genützt. Er hat zwei, drei, fünf, sieben, acht Kilo abgenom-
men, die Mama war überglücklich, weil er beinahe wieder in den
Hochzeitsanzug gepaßt hat, vor allen Freunden hat er angegeben . . .
Bis sein Geburtstag, Ostern und Opa und Oma gekommen sind.
Was soll ich euch noch erzählen? Jetzt hat er wieder neunzig Kilo —
„Neunundachtzig, Eos!" - , paßt in keine Hose und schwört Stein und
Bein, daß er ab morgen hundertprozentig abnehmen wird.
„Papa", hab' ich gesagt und mich auf seine Schenkel gesetzt,
„bleib, wie du bist. Wir haben dich auch so gern."
Und das ist wahr.

(Aus: „Mein unverbesserlicher Papa", Annette Betz, Wien)

Die kleine Gabi erwartet den Briefträger, „Hast du Post für mich?" -
„Wie heißt du denn?" - „Bist du aber dumm, das steht doch auf dem
Briefumschlag!"

„ Vati, Franz muß die Klasse wiederholen. Er ist sitzengeblieben." -


„Das wundert mich gar nicht. Das hat er von seinem Vater. Der ist der
größte Esel, den ich kenne." - „ Vati,. . . ich bin auch sitzengeblieben."
GIOVANNINO GUARESCHI

Die T a u f e

Zwischen Peppone, dem kommunistischen Bürgermeister eines klei-


nen Marktfleckens in der Poebene, und Don Camillo, dem Landpfar-
rer, herrscht ein ununterbrochener Kleinkrieg . ..

Ein Mann und zwei Frauen traten plötzlich in die Kirche. Eine der
beiden Frauen war die angetraute Gattin Peppones, des Führers der
Roten.
Don Camillo, der hoch oben auf einer Leiter stand und die Aureole
des heiligen Josef mit Sidol behandelte, drehte sich um und fragte,
was sie von ihm wollten.
„Es ist was zum Taufen", sagte der Mann. Und eine der Frauen
zeigte ein Wäschebündel mit einem Neugeborenen darin.
„Von wem ist es?" fragte Don Camillo, die Leiter verlassend.
„Von mir", antwortete Peppones Gattin.
„Und deinem Mann?" erkundigte sich Don Camillo.
„Natürlich! Von wem denn? Von Ihnen vielleicht?" antwortete trok-
ken Peppones Gattin.
„Kein Grund zur Aufregung", bemerkte Don Camillo, indem er seine
Schritte zur Sakristei richtete. „Was weiß ich? Hat man denn nicht
gesagt, daß in eurer Partei freie Liebe Mode ist?"
Am Hauptaltar vorbeigehend, beugte Don Camillo das rechte Knie
und blickte aus einem Augenwinkel hin zum gekreuzigten Christus.
„O Herr, hast Du gehört? Hab ich's dieser Gottlosen gesagt?"
„Rede keinen Unsinn, Don Camillo!" antwortete Christus streng.
„Wenn sie gottlos wären, würden sie ihre Kinder nicht zur Taufe
herbringen. Hätte dir Peppones Gattin eine Ohrfeige gegeben, hättest
du sie wohl verdient."
„Hätte mir Peppones Gattin eine Ohrfeige gegeben, hätte ich sie alle
drei am Kragen gepackt und . . ."
„Und?" fragte Jesus streng.
„Nichts, nur so . . .", antwortete Don Camillo und entfernte sich
eilig.
„Don Camillo, nimm dich in acht!" ermahnte ihn Jesus.
Don Camillo zog die Kirchengewänder an und stellte sich zum
Taufbecken.
„Wie wollt ihr ihn nennen?" fragte Don Camillo Peppones Gattin.
„Lenin, Libero, Antonio", erwiderte diese.
„Laß ihn in Rußland taufen", sagte Don Camillo ruhig und deckte
das Taufbecken wieder zu.
Don Camillo hatte Hände, groß wie Schaufeln, und die drei gingen,
ohne ein Wort zu sagen. Don Camillo versuchte in die Sakristei zu
entschlüpfen, Christi Stimme nagelte ihn aber fest.
„Don Camillo, du hast wieder etwas sehr Schlechtes getan. Geh,
rufe die Leute zurück und taufe das Kind!"
„Jesu", antwortete Don Camillo, „bedenke, daß die Taufe keine
Komödie ist. Die Taufe ist eine heilige Sache. Die Taufe . . ."
„Don Camillo", unterbrach ihn Christus. „Wen willst du denn beleh-
ren, was die Taufe ist? Mich vielleicht, der sie eingesetzt hat? Ich sage
dir, daß du einen bösen Streich gespielt h a s t - s t e l l dir nur vor! - , stirbt
das Kind jetzt, wird es deine Schuld sein, wenn es nicht in den Himmel
kommt."
„Jesu, bitte, nur nicht tragisch!" erwiderte Don Camillo. „Warum
sollte es denn sterben? Es ist weiß und rot wie eine Rose!"
„Das besagt noch nichts", ermahnte ihn Christus. „Es kann ihm ein
Ziegel auf den Kopf fallen, es kann einen Schlaganfall erleiden. Du
hättest es taufen müssen!"
Don Camillo breitete die Arme aus:
„Jesu, bitte, bedenke einen Moment. Wenn man sicher wäre, daß es
später einmal in die Hölle kommt, könnte man's noch machen. Aber,
obwohl es der Sohn eines großen Taugenichts ist, ist es nicht ausge-
schlossen, daß es eines Tages Dir im Paradies zur Last fällt. Und dann,
sag mir, bitte, wie kann ich denn gestatten, daß zu Dir ins Paradies
Leute kommen, die Lenin heißen? Ich habe es für den guten Ruf des
Himmels gemacht."
„Für den guten Ruf des Himmels sorge ich", rief Jesus ärgerlich Don
Camillo zu. „Was mich interessiert, ist, ob jemand ein anständiger
Mensch ist. Ob er Lenin oder Bottone heißt, ist mir gleich. Du hättest
höchstens diesen Leuten vor Augen führen können, daß es später für
die Kinder, sind sie erst groß, sehr unangenehm sein kann, solch
unmögliche Namen zu tragen."
„Ist schon gut", antwortete Don Camillo. „Ich habe nie recht. Ich
werde versuchen, es wiedergutzumachen."
In diesem Moment betrat jemand die Kirche. Es war Peppone allein,
mit dem Kind auf dem Arm. Peppone schloß das Kirchentor und schob
den Riegel vor.

4 Die Barke '85 49


„Ich gehe nicht von hier", sagte er, „solange mein Sohn nicht auf
den Namen getauft ist, den ich will!"
„Siehst du, o Gott", murmelte lächelnd Don Camillo. „So sind diese
Leute. Man ist von den heiligsten Absichten erfüllt, und schau, wiesie
einen behandeln!"
„Versetze dich in seine Haut", erwiderte Christus. „Man kann diese
Anschauung nicht billigen, man kann sie aber verstehen."
Don Camillo schüttelte den Kopf.
„Ich geh hier nicht weg, solange mein Sohn nicht auf den Namen
getauft ist, den ich will!" wiederholte Peppone, legte das Bündel mit
dem Kind auf eine Bank, zog die Jacke aus, krempelte die Ärmel auf
und näherte sich drohend.
„Jesu", betete Don Camillo. „Ich verlasse mich auf Dich. Wenn Du
es für gerecht erachtest, daß einer Deiner Priester der Gewalt der
Laien weicht, ich weiche. Aber auf jeden Fall sei nicht traurig, wenn
sie mir morgen ein Kalb bringen und mich zwingen, es zu taufen. Du
weißt es, man darf keine Präzedenzfälle schaffen."
„Gut", antwortete Christus. „Du mußt versuchen, es ihm verständ-
lich zu machen . . . "
„Und wenn dieser da mir eine herunterhaut?"
„Nimm sie, Don Camillo. Ertrage, leide, wie ich es getan."
Da wandte sich Don Camillo um:
„In Ordnung, Peppone", sagte er. „Das Kind wird getauft, aber nicht
auf den verfluchten Namen."
„Don Camillo", murmelte Peppone, „denken Sie daran, daß ich
einen sehr empfindlichen Bauch habe, seit mich damals im Gebirge
eine Kugel getroffen hat. Machen Sie keine Tiefschläge, oder ich
beginne mit dieser Bank zu schlagen!"
„Sei ruhig, Peppone, ich werde dich schon am Oberteil zurechtbie-
gen", antwortete Don Camillo und versetzte ihm eine Maurerohrfeige
hinters Ohr.
Sie waren zwei Riesen mit Armen wie aus Stahl, und die Ohrfeigen
pfiffen durch die Luft. Nach zwanzig Minuten schweigsamen und
wilden Kampfes hörte Don Camillo eine Stimme hinter seinem
Rücken:
„Fest, Don Camillo! Einen Hieb auf den Unterkiefer!"
Es war Christus vom Hauptaltar. Don Camillo feuerte auf den Unter-
kiefer. Peppone streckte sich auf den Boden aus.
Peppone blieb gute zehn Minuten in seiner ganzen Länge ausge-
streckt liegen, stand dann auf, tastete sein Kinn ab, knöpfte die Ärmel
zu, zog die Jacke an, knotete sein rotes Halstuch und nahm das Kind
auf den Arm.
Im Kirchengewand wartete Don Camillo, fest wie ein Fels, vor dem
Taufbecken. Peppone näherte sich langsam.
„Wie werden wir ihn nennen?" fragte Don Camillo.
„Camillo, Libero, Antonio", murmelte Peppone.
Don Camillo schüttelte den Kopf.
„Nein, nennen wir ihn lieber Libero, Camillo, Lenin", sagte er. „Ja,
auch Lenin. Wenn nämlich ein Camillo dabei ist, können die anderen
nichts mehr anrichten."
„Amen", murmelte Peppone und tastete noch einmal sein Kinn ab.
Als alles fertig war, ging Don Camillo am Altar vorbei. Christus sagte
lächelnd:
„Don Camillo, ich muß schon sagen: Von der Politik verstehst du
mehr als ich."
„Von den Schlägen auch", antwortete Don Camillo sehr stolz, eine
große Beule auf der Stirn gleichgültig betastend.

(Aus: „Don Camillo", Otto Müller, Salzburg)

Eines Tages gibt der Fernseher seinen Geist auf. Der Vater sieht sich
im Zimmer um und meint erstaunt: „Kind, was bist du groß ge-
worden. "

In der großen Pause steht Waltraud mit ihrer Freundin auf dem
Schulhof und tritt von einem Fuß auf den anderen. „Was hast du
denn?" - „Ich muß dringend aufs Klo. Aber ich bin doch nicht blöd
und gehe jetzt in der Pause!"

4' 51
OTHMAR FRANZ LANG

Wegen B a n k r a u b e s g e s c h l o s s e n

Eines Tages wurde Felix nach Passiva, das ist die Hauptstadt Defizi-
tans, gerufen. Der dortige Gesundheitsminister wollte mit ihm ein
Gespräch führen. Um schnell wieder bei seiner Familie zu sein, flog
Felix mit einem Hubschrauber der „Leuchtenfels-Transairlines". Es
war übrigens die einzige Maschine, welche die Gesellschaft besaß, sie
hießt „Gigant" und konnte einen Passagier und zwei Kilogramm Post
befördern. Dadurch war der „Gigant" zum geheimen Stolz aller
Leuchtenfelser geworden. Der Flughafen Passivas bot ein Bild der
Verwahrlosung. Das Rollfeld hatte tiefe Schlaglöcher, aber das Flug-
hafenpersonal besserte sie nicht aus, weil dies eine Angelegenheit der
Regierung war.
Die Zollbeamten streikten, weil sie im Jahr statt der 36 Monatsgehäl-
ter 38 bekommen wollten.
Felix bestieg ein schmutziges Taxi, und der Schofför grüßte kaum.
„Können Sie nicht grüßen?" fragte Felix, „schließlich zahle ich ja."
Der Schofför erwiderte unfreundlich: „Sie zahlen nicht dafür, daß
ich grüße, sondern nur dafür, daß ich fahre. Also!"
Er fuhr los, und die Kotflügel des alten Vehikels schepperten fürch-
terlich. Außerdem blieb der Wagen alle hundert Meter stehen, weil die
Benzinleitung gebrochen war und immer wieder zusammengesteckt
werden mußte.
„Warum lassen Sie das nicht reparieren?" fragte Felix.
„Ist das meine Aufgabe?" fragte der Schofför. „Wozu zahlen wir alle
Steuern? Das soll nur der Staat machen."
„Und warum sind die Straßen so schlecht?" fragte Felix.
„Weil der Staat meint, diese Straßen solle die Stadt ausbessern. Und
die Stadt meint, das sei Aufgabe des Staates."
Schon weit vor seinem Ziel mußte Felix wegen eines Verkehrsunfal-
les den Wagen verlassen. Die Straße war verstopft. Ein Auto war mit
einem Pferdewagen zusammengestoßen. Das Auto brannte, aber kei-
ner löschte es.
„Warum löschen Sie den Wagen nicht?" fragte Felix.
„Wir haben sowieso der Feuerwehr telefoniert", sagte der Besitzer
des Wagens und behielt die Hände in den Hosentaschen.
Das Pferd lag verletzt auf der Straße.
„Warum kümmert sich niemand um das Pferd?" fragte Felix.
„Wozu haben wir einen Tierschutzverein?" fragte ein anderer zu-
rück.
Der Kutscher stand daneben, ihm spritzte das Blut aus dem Arm.
Felix stürzte auf ihn zu und rief: „Warum drücken Sie sich nicht die
Ader ab, Sie verbluten ja sonst!"
Der Kutscher sah Felix verständnislos an und fragte: „Bin ich das
Rote Kreuz?"
Als Felix weiterging, stieß er auf eine Schar Schulbuben. „Habt ihr
denn jetzt nicht Unterricht?" fragte er.
„ 0 ja, aber wir wollen nichts lernen", antworteten die lieben Kleinen
treuherzig.
„Aber wenn ihr nichts lernt, werdet ihr später einmal kein Geld
verdienen."
„Das macht nichts", erwiderten die Vertreter der passivanischen
Schuljugend, „dann muß eben der Staat für uns sorgen."
Felix kam aus dem Kopfschütteln nicht heraus.
Er ging durch eine vollkommen verwahrloste Stadt. Auf den Dä-
chern fehlten Ziegel und in den Fenstern das Glas. Der Verputz war
von den Häusern gebröckelt und der Lack an den Türen und Fenster-
stöcken abgesprungen.
In einer Straße lagen Scherben von Milchflaschen auf der Fahrbahn.
Keiner beseitigte sie. Nur zwei Männer kamen mit einem Schild an-
marschiert. Das stellten sie auf. Auf dem Schild stand:
„Achtung! Scherben auf der Fahrbahn!"
Felix konnte sich nicht zurückhalten. „Warum räumen Sie die
Scherben nicht gleich weg?" fragte er.
„Das ist nicht unsere Aufgabe. Das muß die Straßenreinigung tun."
„Und warum tut sie das nicht?"
„Weil wir im Augenblick keine haben. Die Stadt will, daß der Staat
die Straßenreinigung übernimmt, und der Staat will, daß die Stadt die
Straßenreinigung weiterhin behält."
„Können Sie denn die Scherben wirklich nicht wegräumen?"
„Auf keinen Fall. Wir haben nur Schilder aufzustellen. Und wir
müssen weiter in die Hauptstraße. Dort liegt ein Nagel auf der Fahr-
bahn."
Da versuchte Felix, die Scherben mit dem Schuh an den Rinnstein
zu schieben.
Die beiden Männer hielten ihn zurück. „Sind Sie verrückt?" fragten
sie. „Wollen Sie Ihre Zuständigkeit überschreiten? Wer zahlt Ihnen
denn etwas dafür? Und wozu stünde dann überhaupt unser Schild
da? Sie wollen uns wohl brotlos machen? Sie Ehrgeizling!"
Im Weitergehen biß sich Felix in den Finger, aber er träumte nicht.
Es fiel ihm ein, daß er noch kein defizitanisches Geld eingewechselt
hatte, und er suchte eine Bank auf, um 30 000 Ruinösen*) zu erwer-
ben. Am Schalter, über dem „Geldwechsel" stand, wartete er.

Der Beamte an diesem Schalter starrte nämlich wie alle seine


Kollegen zur Kasse hin.
Dort lieferte der Kassier einem Mann, der eine kohlrabenschwarze
Maske vor dem Gesicht trug, Unmengen von Geld aus. Erst als der
Mann gegangen war, fragte der Beamte Felix nach seinen Wünschen.
„Ich möchte Geld einwechseln", sagte Felix.
„Haben wir noch Geld in der Kasse?" rief der Beamte zum Kassier.
„Nein", sagte der Kassier, „wir wurden soeben total ausgeraubt."
„Sie haben sich eben ausrauben lassen, ohne einen Finger zu
rühren?" fragte Felix und schüttelte den Kopf.
„Wir sind keine Polizisten, sondern Bankbeamte", sagte der Bank-
beamte am Schalter.
„Ja, so alarmieren Sie doch wenigstens jetzt die Polizei!" rief Felix.
„Sie sind Ausländer, Herr", sagte der Bankbeamte, „deshalb verzei-
he ich Ihnen Ihre Aufregung. Aber wozu sollen wir die Arbeit der
Polizei unterstützen? Haben Sie schon einen Polizisten gesehen, der
uns geholfen hat, einen Fehler in der Tagesabrechnung zu finden?
Und außerdem können Sie beruhigt sein, wir sind gegen Bankraub
versichert."
Daraufhin rief der Beamte nach dem Schilderanbringer. Der kam
und brachte ein Schild an der Tür an. Der Türabschließer schloß hinter
Felix die Glastür ab. Und Felix konnte die Beschriftung des Schildes
lesen. Da stand:
„WEGEN BANKRAUBES GESCHLOSSEN"
Es war gerade um die Mittagszeit, und alles drängte in die staatli-
chen Speisehäuser.
„Ißt denn hier niemand zu Hause?" fragte Felix eine Frau, die neben
ihm ging.
„Zu Hause?" erwiderte die Frau und lachte laut auf. „Zu Hause, da
kocht ja niemand."
„Aber wieso?"

*) Defizitär! hat die Ruinösenwährung. Eine Million Ruinösen = ein Bankrott


Die Frau lachte wieder. „Wozu zahlen wir denn so viele Steuern?
Mein Mann hat 36 Monatsgehälter im Jahr, und dreißig werden ihm
abgezogen, und da soll ich auch noch zu Hause kochen? Zumal es
sowieso vom Volksverpflegungsministerium vorgeschrieben wird,
was man zu kochen hätte, würde man selber kochen."
„Das wird vorgeschrieben?"
„Ja, aus Gesundheitsgründen. Und wozu auch sollen wir uns den
Kopf darüber zerbrechen, wenn es der Staat ohnehin tun kann?"
„Ja, natürlich", sagte Felix, obwohl es ihm gar nicht natürlich
vorkam.
Aber schon wurde seine Aufmerksamkeit von einer schreienden und
wild johlenden Gruppe abgelenkt.
Felix lief auf die Gruppe zu. Nun konnte er aus dem bisher unartiku-
lierten Geschrei wüste Schimpfworte vernehmen.
„Du Gauner! Du Schuft! Du Verräter!" schrien wild aussehende
Männer, und andere: „Schlagt ihn nieder! Klopft ihn breit, diesen
Halunken!"
Da entdeckte Felix inmitten der aufgebrachten Schar einen vollkom-
men durchnäßten Mann.
„Schlagt ihn", riefen wieder einige. „Schlagt ihn, damit er sich nicht
mehr rühren kann!"
„Was hat denn der Mann verbrochen?" fragte Felix schüchtern.
„Dieser Lump hat seine Zuständigkeit überschritten", schrie ein
Mann als Antwort Felix ins Gesicht.
Felix wischte sich sein Gesicht trocken, fragte weiter und erfuhr,
was der Mann verbrochen hatte.
Der durchnäßte Mann hatte folgendes auf dem Gewissen: Er war ein
Kahnfahrer auf dem Flusse Krida, der sich durch Passiva und das
defizitanische Land schlängelt. Durch eine Ungeschicklichkeit war
der Kahnfahrer vom Kahn ins Wasser gefallen und dann ans Ufer
geschwommen.
„Und was ist sein Verbrechen?" fragte Felix.
„Daß er geschwommen ist", sagte der Mann.
„Das ist ein Verbrechen?"
„Natürlich! Er hätte seine Zuständigkeit nicht überschreiten dürfen,
er hätte nicht schwimmen dürfen!"
„Ja, was hätte er denn dann sollen?"
„Er hätte warten müssen, bis ein staatlich zugelassener und besol-
deter Rettungsschwimmer ihn ans Ufer gezogen hätte."
„Und wenn er in der Zwischenzeit ertrunken wäre?"
„Dann wäre das erstens ganz und gar nicht die Schuld des Kahnfah-
rers gewesen, sondern die der Rettungsschwimmer, und seine Frau
wäre in den Genuß einer Rente gekommen."
„Was wird man nun mit ihm machen?" fragte Felix.
„Man wird ihn vor Gericht stellen."
„Und wird man ihn verurteilen?"
„Auf jeden Fall. Wenn er Glück hat, wird er nur eine Geldstrafe
zahlen müssen, und zwar an den Verband der Rettungsschwimmer,
weil er unbefugt einen Rettungsversuch an sich selbst vorgenommen
hat, ohne den geringsten Befähigungsnachweis dafür zu besitzen.
Was wäre geschehen, wenn sein Rettungsversuch tödlich ausgegan-
gen wäre?"
Darauf wußte Felix keine Antwort. „Wie komme ich zum Regie-
rungsviertel?" fragte er, denn die Atmosphäre dieser Stadt begann ihn
zu bedrücken, und er wollte so schnell wie möglich wieder zurück
nach Leuchtenfels.
Der Mann wies ihm den Weg. „Zuletzt kommen Sie am neuen
Wohnviertel vorbei", sagte er, „dann können Sie Ihr Ziel nicht mehr
verfehlen."
Das neue Wohnviertel setzte Felix wiederum in Erstaunen. Es wurde
zwar überall gearbeitet, aber etwas wirr, wie ihm schien. An dem einen
Ende des neuen Wohnviertels standen die fertigen Mauern, ohne
Treppenhäuser allerdings. Etwas weiter wurden Treppenhäuser im
Freien gebaut und Dächer bereits dort gedeckt, wo noch nicht einmal
die Keller ausgehoben waren.
Eine andere Gruppe stellte Türstöcke auf einer Wiese auf und
befestigte Fensterstöcke an Stangen in der Luft.
Auf einer Leiter stand ein Mann und ließ Glasscheiben auf die Erde
fallen. Dann rückte er die Leiter etwas weiter und ließ wieder Glas-
scheiben hinunterfallen. Immer vier kurz hintereinander.
„Was machen Sie denn da?" fragte Felix.
„Das sehen Sie doch", sagte der Mann unwirsch. „Ich verglase
Fenster."
„Aber Sie lassen doch die Glasscheiben auf die Erde fallen!"
„Ist das meine Schuld?" fragte der Mann. „Ich habe den Auftrag,
heute in diesem Haus die Fenster einzusetzen."
„Aber das Haus ist ja überhaupt noch nicht da!" rief Felix.
„Eben deshalb kann man mich dafür nicht zur Verantwortung zie-
hen. Hauptsache ist, daß ich meinen Auftrag durchführe, denn ich bin
ein gewissenhafter Mensch."
„Wer hat Ihnen denn diesen hirnlosen Auftrag gegeben?"
„Das Ministerium für Wohnbauverglasung. Und wenn die Ministe-
rien für Mauerbau, Erdaushub, Fensterstockeinsetzung und Treppen-
hausbau bis heute nicht fertig geworden sind, dann trifft das nicht
mein Ministerium."
„Aber vorne stehen Häuser, in denen nur die Fensterscheiben
fehlen."
„Das ist nicht meine Sache", sagte der Glaser und ließ wieder vier
Glasscheiben fallen. „Laut Plan meines Ministeriums dürften dort
überhaupt noch keine Häuser stehen."
Felix schüttelte nicht mehr den Kopf, weil ihm der bereits weh tat. Er
gelangte nun auf die Hauptstraße des neuen Wohnviertels. Sie war
zwanzig Meter breit, und eine riesige Betoniermaschine versah sie mit
einem Betonbelag.
Vierzig Meter hinter der Betoniermaschine wurde der Beton wieder
aufgerissen, denn unter der Straße lief noch kein Kanal, und der
mußte dorthin.
Felix erfuhr, daß sich beide Gruppen genau an ihren Zeitplan hiel-
ten. Dies taten übrigens auch die Rasenziegelleger und die Kabelver-
leger. Kaum waren die Rasenziegel gelegt, wurde die Erde aufgegra-
ben und das armdicke Kabel verlegt.
Wieder etwas weiter montierte ein Mann im Freien Briefkästen an
Stangen an. Nach seinen Plan sollten hier bereits fertige Häuser und
Türen sein.
Und der Gasmann kassierte schon dort Geld ein, wo weder ein Haus
noch ein Dach, eine Tür, ein Mieter, immerhin aber schon Gaszähler
waren.
Wer in der Nähe stand, mußte einfach zahlen.
Auch Felix kam an die Reihe.
„Ich habe aber gar kein Gas gebrannt", sagte er.
„Das macht nichts", erwiderte der Gasmann. „Dann zahlen Sie nur
die Grundgebühr. Das macht 30 000 Ruinösen."
„So teuer ist das?"
„Dafür leben Sie auch im sozialsten Staat der Welt, der am besten
für seine Bürger sorgt. Die 2 121 Minister, die Defizitan besitzt, bewei-
sen dies."
Und schon mußte ein anderer Unschuldiger 30 000 Ruinösen
Grundgebühr bezahlen.
Im Ministerium schließlich litt Felix furchtbar, denn es gab nicht nur
einen Gesundheitsminister, sondern eine ganze Reihe. Allein vier
Gesundheitsminister für die verschiedenen Herzkammern, zwei für die
Nasenlöcher, zwei für die Augen, vier für die Hühneraugen und zwei
für die Zähne: einen für den Unterkiefer, den anderen für den Ober-
kiefer.
Der Minister für Unterkiefer wußte nichts davon, Felix eingeladen zu
haben; so konnte es nur der Minister für Oberkiefer gewesen sein.
Und da war Felix endlich auch am Ziel.
Der Minister wollte das Veriviton ankaufen und erkundigte sich, ob,
wenn man nur die halbe Menge einnehme, die Zähne nur im Oberkie-
fer ein drittes Mal wüchsen.
„Warum?" fragte Felix.
„Weil der Minister für Unterkiefer für das Verivition kein Geld ausge-
ben möchte."
„Aber warum kaufen sich die Leute das Medikament nicht selbst?"
fragte Felix.
„Die sind daran nicht interessiert. Gesundheit ist eine Sache des
Staates." Und sofort fügte der Minister hinzu: „Wir sind der sorgfäl-
tigst verwaltete Staat. Wir haben die meisten Minister, wir haben
wunderbare Pläne, keiner muß mehr machen, als ihm vorgeschrieben
ist."
„Ich weiß", sagte Felix unbeeindruckt. „Aber nur, um mich dies zu
fragen, haben Sie mich hierherkommen lassen?"
„Natürlich", sagte der Minister.
„Das wäre aber doch brieflich leichter und billiger zu machen
gewesen."
„Das macht nichts", sagte der Minister. „Der Staat zahlt Ihnen ja die
Reise." Der Minister geleitete Felix durch eine Fernschreibzentrale auf
den Gang hinaus.
„Diese vielen Fernschreiber", sagte Felix, und er konnte sich nicht
vorstellen, wozu sie gerade der Minister für Oberkiefer brauchen
könnte.
„Ja", sagte der Minister, „die Fernschreiber. Die habe ich anschaf-
fen lassen, um die Summe, die meinem Ministerium zugebilligt wurde,
nicht zu unterschreiten. Hier melden mir alle Oberkieferzahnärzte
täglich, wie viele Oberkieferzähne sie gezogen haben, wie viele sie
behandelt haben und wie viele neu dazugekommen sind. Das kommt
dann in die Statistik."
Felix befielen beinahe Zahnschmerzen, und er verabschiedete sich
deshalb rasch.
Als sich sein Hubschrauber vom Flugplatz Passivas in den Nachmit-
tagshimmel hob, atmete er auf.
Ach, wenn er doch gewußt hätte, daß er gar keinen Grund dazu
hatte.

(Aus: „Die Erfindungen des Felix Hilarius", Arena, Würzburg)

M u n i , «"<>er K/V>i<r)Ul>rcr

i i i prirnoi^ i c h hdb ihn

• f u r c h t bctr c j e r l . ])e$h<*lb>

W i l l ich noch ein l e h r

/>7 seiner Wesse


b l e i b e n •
WILHELM BUSCH

Die A f f e n

Der Bauer sprach zu seinem Jungen:


Heut in der Stadt da wirst du gaffen.
Wir fahren hin und seh'n die Affen.
Es ist gelungen
und um sich schief zu lachen,
was die für Streiche machen
und für Gesichter
wie rechte Bösewichter.
Sie krauen sich,
sie zausen sich,
sie hauen sich,
sie lausen sich,
beschnuppern dies, beknurren das,
und keiner gönnt dem andern was,
und essen tun sie mit der Hand,
und alles tun sie mit Verstand,
und jeder stiehlt als wie ein Rabe.
Paß auf, das siehst du heute.
0 Vater, rief der Knabe,
sind Affen denn auch Leute?
Der Vater sprach: Nun ja,
nicht ganz, doch so beinah.

(Aus: „Gesamtwerk in 6 Bänden", Xenos, Hamburg)


KLASSISCHES UND MUSIKALISCHES

CARL MERZ - HELMUT QUALTINGER

„Hamlet" oder „Der S c h w i e r i g e "


Josefstädter Version

Ein Barockzimmer. Ein gedeckter Tisch. Hamlet und Königin beim


Essen.
HAMLET bearbeitet ein Steak-. Oh, schmölze doch dies allzu feste
Fleisch, zerging und . . .
KÖNIGIN: Schmeckt's dir nicht, Bub?
HAMLET: Mir gehn so viele kuriose Sachen im Kopf rum . . .
KÖNIGIN: No, sag schon!
HAMLET: Weißt, Mama, daß du, so kurz nachdem der Papa . . . Pau-
se.. . schon wieder. . . Pause . . . und daß du dann nicht einmal . . .
Pause.. . obwohl man doch s p r i c h t . . .
KÖNIGIN: Ja, Schwachheit, dein Name ist Weib . . .
HAMLET: Wer sagt das?
KÖNIGIN: Irgendwo g'hört hab ich's . . .
HAMLET: Man hört in letzter Zeit so viel Gemeinplätz' bei uns im
Haus . . . Erschlägt ein Ei auf, riecht daran. Etwas ist faul im Staate
Dänemark . . .
KÖNIGIN: Dabei hab ich's eigens durchleuchten lassen - . Sag, was
hast eigentlich gegen deinen neuen Papa?
HAMLET: Weißt, daß einer lächeln kann, und immer lächeln, und
doch ein Schurke sein . . .
KÖNIGIN: Aber eins mußt ihm lassen . . . Charme hat e r . . .
KÖNIG tritt auf mit Blumenstrauß und Bonbonniere: Küß die Hand,
liebe Trude . . . Servus, Bub! . . . Alles in Ordnung? . . . Na, was
macht denn dein Fräulein Braut, die reizende Ophelia?
HAMLET: Sie is im Sacre C o e u r . . . Ich hab ihr g'sagt, geh in ein
Kloster, Ophelia . . .
KÖNIG: Warum denn?
HAMLET: Damit s' ein bissei ein' Schliff kriegt. . . savoir vivre . . .
KÖNIGIN hat inzwischen die Bonbonniere geöffnet, sieht das Firmen-
zeichen Mmmmm . . . Rosenkranz und Güldenstern . . .
KÖNIG stolz: Kärntnerstraße . . .
KÖNIGIN: Das muß doch ein Vermögen kosten . . .
KÖNIG bagatellisierend: Die Firma kommt ins Programmheft. . .
KÖNIGIN: Du bist grad richtig zum Kaffee . . . Sie klingelt.
KÖNIG: Bei euch kommt man immer zu irgendeinem Essen zu-
recht . . .
HAMLET: Was willst? Das ist die Atmosphäre des Hauses . . .
KÖNIG wartet auf: Zigarette? . . .
KÖNIGIN nimmt eine: Schwachheit, dein Name ist Weib . . .
HAMLET hält sich die Ohren zu: Nicht schon wieder, Mama . . .
KÖNIGIN: Warum? Das erste Mal haben's die Leut' eh nicht ver-
standen . . .
KÖNIG: Seids mir net bös, ihr beiden, aber warum wird bei euch
soviel oberflächliches Zeug g'redt?
KÖNIGIN: Was glaubst, wie schwer es is, ein Haus wie das unsere zu
führen . . . Den Standard aufrecht zu erhalten . . .
HAMLET versonnen, dem Zigarettenrauch nachblickend: Sein oder
nicht sein, das ist hier die Frage . . . Pause.. . Fted'n wir von was
anderem!
KÖNIG: Um ganz ehrlich zu sein . . . die G'schicht mit deinem Papa,
H a m l e t . . . Die Tat is faul, sie stinkt zum Himmel. . . Es is mir
wirklich peinlich . . .
Ein alter Diener kommt zitternd mit einem Kaffeeservice, er verschüt-
tet die Hälfte.
KÖNIGIN: Greifts doch zu!
Die drei beginnen Kaffee zu schlürfen, Konversation wird immer
schläfriger.
KÖNIG: Was macht der Laertes-Holenia?
HAMLET: I weiß n e t . . . Duellieren will er sich mit m i r . . .
KÖNIG: Beim Dehmel?
HAMLET: Kann sein . . .
KÖNIGIN: Der Kaffee schmeckt so komisch . . .
HAMLET: Sterben, schlafen ... Er gähnt. . . schlafen . . .
KÖNIG: Sag, Bub, hast uns vergift? . . .
HAMLET: Schlafen . . . vielleicht auch träumen . . .
KÖNIG: Ein Bursch von unendlichem H u m o r . . .
KÖNIGIN: So was . . . der Lausbub vergift' uns da einfach . . .
Sie sinkt zurück.
KÖNIG ganz langsam und leise: Hast recht, H a m l e t . . . 's war eh
fad . . .
Sinkt gleichfalls zurück.
HAMLET: Der Rest ist Schweigen . . . Er erstarrt.
Ein riesiger Luster kommt langsam von den Soffitten herunter.
DER ALTE DIENER kommt herein, sagt: In diesem Schweigen liegt
Österreich . . . und löscht das Licht.

(Aus: „An der lauen Donau", Langen Müller, München)


LEO SLEZAK

Press W o r k

Pressearbeit! - Reklame! -
In Amerika ist es Grundregel, daß von allem, sei es was immer,
gesprochen werden muß.
Gut oder schlecht, es ist gleichgültig, nur reden müssen die Leute
davon.
Die ungeheure Größe dieses Landes und das, bis auf einige wenige
Ausnahmen, wenig gepflegte Kunstinteresse zwingen den Künstler,
eine Reklame zu entfalten, die ihm anfangs widerstrebt, die aber nicht
zu umgehen ist.
Gar für einen, der an erster Stelle steht und der an erster Stelle
verdienen will. -
Amerika ist ein schnellebiges Land, die größte Sensation von heute
morgen ist am Abend schon vergessen. Alles spielt sich in solch
gigantischen Formen ab, daß man, um überhaupt bemerkt zu werden,
womöglich noch lauter schreien muß als alle andern.
Da heißt es nun, sich immer und immer wieder in Erinnerung
bringen, von sich reden machen, ohne rigorose Wahl der Mittel. Man
hält sich zu diesem Zweck einen Presseagenten.
Dieser ist ein bei allen Blättern eingeführter Reporter, der den
ganzen Betrieb, vor allem aber den Geschmack seines Publikums
kennt, und das Allerwichtigste ist, daß das, was er schreibt - auch
gedruckt wird.
Seine Hauptaufgabe ist es, jede Woche irgendeine Geschichte zu
erfinden, die, wenn sie auch noch so trottelhaft ist, durch die Blätter
der Vereinigten Staaten geschleift werden soll.
Je nach der geistigen Beschaffenheit seines Presseagenten liest
man in den Blättern Sachen über sich, die einem mehr oder weniger
die Schamröte ins Gesicht treiben.
Allerdings, wenn man ein Jahr lang drüben gewesen ist, härtet man
sich gegen so manches ab.
Bei diesen Geschichten muß man sein Augenmerk darauf richten,
daß darin ja nichts von Kunst gesprochen wird.
Das liest nämlich kein Mensch.
Das Wichtigste ist die „Headline"! Die Überschrift!
Diese „Headline" muß nicht nur einen Extrakt des Inhalts bilden, sie
muß auch neugierig machen, denn achtzig Prozent der Amerikaner
lesen nur die Headlines. - Aus denselben erfahren sie alles Wissens-
werte,, und nur wenn sie einen Witz oder sonst etwas Interessantes
erhoffen, lesen sie den Text.
Eine Amerikatournee muß schon Monate vorher vorbereitet werden.
Die in Aussicht genommenen Städte werden mit Berichten gefüttert.
Amateurbilder! - im Sommerheim! - in Hemdsärmeln! - in der
Schwimmhose! - Da dies alles schon da war, ließ ich mich im Badean-
zug mit sämtlichen Orden und dem Komturkreuz um den Hals, ein
Notenblatt in der Hand, photographieren. - Überschrift: „Mister
Slezakstudiert in seinem Countryhouse-eine neue Rollefür Amerika."-
Dem unglücklichen Bewohner wird bei jeder Gelegenheit, überall
und zu jeder Zeit versichert, daß ich in der Äolianhalle der Stadt
singen werde. - Die Preise sind von fünf Dollar bis fünfzig Cent. -
Wenn er in irgendeinem Hotel ein Löschblatt in die Hand nimmt, grinst
ihm mein Bild entgegen. - Als Othello. - Leo Slezak! - Der größte
Tenor der Welt! - Der je gelebt hat - nein - der je leben wird! -
Wo er hinkommt - aus allen Läden - in der Elektrischen - von den
Litfaßsäulen - lächeln ihm meine durchgeistigten Züge entgegen. -
Zuerst ist er irritiert, allmählich gehe ich dem Bedauernswerten derart
auf die Nerven, daß sich bei ihm ein Haßgefühl einstellt, das vor einem
Mord nicht zurückschreckt. -
Da komme ich an, er kauft sich ein Billett, geht ins Konzert und ist
das dankbarste Publikum.
Dankbar schon aus dem Grunde, weil er weiß, daß er nach dem
Konzerte vor mir Ruhe haben wird. -
Besonders die Ankunft in Amerika muß richtig gemanaged werden.
Die Anker rasseln herunter, die Postbarkasse legt auf einer Seite an,
auf der andern der Doktor, und schon flitzt das schnelle Dampferchen
des „New-York-Herald" heran mit allen Zeitungsreportern an Bord.
Man ruft einander zu - „Hallo my boy! How do you do?" - „Was
machen Frau und Kinder? . . . Ist die Katze mit? . . . Die beiden Hun-
de? . . . Der große Schnauzi?"
Nun steigen sie an Bord, man begrüßt einander, und jetzt kommt der
Clou: ich trete ihnen mit einer Ziege und einer Schildkröte - beide an
einem Schnürl befestigt, entgegen. - „Was ist das?"
„Meine Mascotte! - Mein Porte-bonheur! - Ich bin außerstande,
ohne diese Ziege zu singen, sie muß im Konzertsaal mit dabei sein,
auch die Schildkröte liebt mich, wedelt mit dem Schwanz, wenn ich
mit ihr rede - sie darf nicht fehlen." -

5 Die Barke '85 65


Riesengelächter! - Aber es macht sichtlichen Eindruck.
Alles wird photographiert.
„Wie heißt die Ziege?"
„Dinorah!"
„Buchstabieren Sie das."
„Di-ai-no-ar-eh-eitsch-!"
„Fine! - Was frißt sie?"
„Leberknödel."
„Oh, very interesting - wie alt ist sie?"
„Dreiviertel Jahre."
„Oh - ist das so?"
„Ja, das ist so!"
Auch die Schildkröte wird gewürdigt - nur will man nicht glauben,
daß sie mit dem Schweif wedelt. - „Ich beschwöre es!" - Große
Sensation. -
„Slezak ist crazy - ist verrückt geworden - er singt nur mit einer
Ziege am Schnürl." -
Bei der Ankunft in Hoboken - ist Mister Hensel, mein Impresario, am
Pier - mit einem Kino-Operateur.
Wir lassen alles aussteigen, dann werden einige Aufnahmen - „auf
hoher See" - gemacht - auf der Kommandobrücke.
Ich halte entweder ein Fernrohr in der Hand - oder starre auf den
Kompaß. -
Dann am Promenadendeck, in den Liegestühlen, wo sich die ganze
Familie um mich gruppiert - alle Viecher - und als Hauptattraktion -
die Ziege. -
Ich nehme den sonnigverklärten Gesichtsausdruck des beglückten
Familienoberhauptes an. -
Zum Schlüsse gehen wir von Bord, begrüßen eine enthusiastische
Menge, die uns zujubelt und die gar nicht da ist. -
Dieser Film ist für alle Kinos in Amerika und namentlich für die
Städte, wo ich konzertiere, bestimmt.
Von nun an verfolgte mich die Ziege überall. -
„Oh, Mr. Slezak, where is your pet-goat?" -
„Wo ist Ihre Lieblingsziege?"
Wo ich die Ausreden alle hernahm, ich weiß es nicht - aber eines
Tages erklärte ich mit vibrierender Stimme: „Dinorah is dead! - Sie ist
an einem Stückchen Gulasch, das ich ihr unvernünftigerweise zu
fressen gab, erkrankt, bekam Lampenfieber und — vorbei!" —
„Wo ist sie gestorben?"
„In Washington - Palacehotel im 21. Stock - Zimmer Nr. 2480."
„Ist das so?"
„Ja, das ist so!" -
Bis auf einige Kondolenzen und Ermunterungen, daß ich auch ohne
Ziege werde singen können - denn man soll nicht so abergläubisch
sein - war ich dieses Phantom endlich los.
Sie war von einem polnischen Juden aus dem Zwischendeck ausge-
liehen.
Eines Tages lese ich in den Zeitungen, daß ich nur deshalb so groß
und stark geworden bin, weil ich in meiner Jugend immer barfuß ging.
- Ich singe auch bloßfüßig. - Das sei gut für die Stimme.
In Wakefield war das Publikum sehr indigniert, weil ich Lackstiefel
anhatte. -
In den Voranzeigen der verschiedenen Städte, wohin die Metropoli-
tanoper gastieren ging, wurden die Künstler, die als Stars an erster
Stelle stehen, dem Publikum vorgestellt, - von jedem wurde irgend
etwas Besonderes erzählt. - Von mir sagte man, daß ich ein tschechi-
scher Gigant, sechs Fuß, vier Zoll hoch bin und - dreihundert Pfund
wiege. - Vom Kollegen Dhin Gilly, der ein Araber ist, erzählten die
Spalten, daß er daheim nur in einem Hemd herumlaufe, mit einem
Turban auf dem Kopf, und daß es ihm maßlose Pein verursache, wenn
er beim Sitzen nicht die Beine kreuzen könne. -
Von jedem wurde etwas anderes Charakteristisches erzählt.
Einen geradezu entzückenden Theaterzettel, in dem die amerikani-
sche Reklame so recht zum Ausdruck kommt, möchte ich hier noch
wiedergeben.
Auf jedem Programm folgt gewöhnlich dem Personenverzeichnis
eine kurze Inhaltsangabe der betreffenden Oper.
In Houston in Texas sah das Programm folgendermaßen aus:

OTHELLO
Oper in 4 Akten von G. Verdi.
I. Akt
Hafen in Cypern

Alles Volk liegt auf den Knien, um für die Errettung Othellos, der in
schwerer Seenot auf seinem Schiff gegen die Elemente kämpft, zu
beten.

5* 67
Die Gefahr ist gebannt: Othello erscheint und begrüßt das Volk mit
den Worten:
Koche nur mit dem berühmten Speisefett „Krusto!"

„Freut euch alle! - Der Türke ist besiegt und ins Meer geworfen."
Das Volk jubelt Othello zu! -
„Krusto" ist das einzig mögliche Speisefett!
Jago, eifersüchtig auf Cassio, der die Gunst Othellos besitzt, macht
ihn betrunken. Ein Trinklied
Wer nicht mit „Krusto" kocht, ist wahnsinnig!

ertönt, und Cassio, bereits ziemlich bezecht, dringt auf Montano mit
der Waffe ein. Es entsteht großer Lärm - Othello erscheint und ruft mit
fürchterlicher Stimme:

„Krusto" ist ohne Konkurrenz!

„Nieder mit den Schwertern!" Cassio wird seines Ranges als Haupt-
mann entsetzt, da erscheint Desdemona, die liebliche Frau Othellos,
im Rahmen der Schloßpforte. - Othello geht ihr entgegen und singt
mit ihr ein herrliches Duett,

Wer einmal mit „Krusto" kochte,


will kein anderes Fett!

das zu den Perlen der Opernliteratur gehört.


Hiermit schließt der erste Akt.
Und so zieht sich das Speisefett „Krusto" durch alle vier Akte der
Oper, und als Schluß heißt es:
Nachdem Othello Desdemona erdrosselte, sticht er sich den Dolch
in die Brust und singt sterbend noch die rührenden Worte:
Man verlange nur
das einzig dastehende Speisefett „Krusto"
„Küsse mich, küsse mich wieder" - und stirbt. -

Man darf sich natürlich nicht nur auf seinen Pressmanager allein
verlassen, man muß auch selbst dafür sorgen, in der Leute Mund zu
kommen.
Gerichtsverhandlungen sind sehr beliebt.
Man provoziert einen Streit mir irgendeinem Kameraden und bricht
ihm im Laufe des Gesprächs das Nasenbein.
Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Kunde.
Als Rohling steht man in den Blättern von ganz Amerika.
Bilder erscheinen. - Erst der Rüpel, mit dem Gesichtsausdruck
eines Schwerverbrechers. - Daneben der Kollege Y mit dem gebro-
chenen Nasenbein. - Ein Pfeil bei der Nase deutet die Stelle an, wo es
gebrochen ist, - und damit kein Zweifel herrscht, steht daneben:
„broken!" -
Einmal passierte mir folgendes:
Ich sang in der Academy of Music in Brooklyn den Othello.
Meine Desdemona, Madame Alda, klagte vor der Vorstellung über
sehr starke Schmerzen im Blinddarm und bat mich, recht vorsichtig
mit ihr umzugehen.
Im dritten Akt habe ich sie nämlich einige Male liebevoll auf die Erde
zu hauen.
Ich markiere die Stellen so vorsichtig wie nur möglich und lasse sie
sanft zur Erde gleiten.
Sie vermochte unter den schrecklichsten Schmerzen die Oper kaum
zu Ende zu singen und mußte sich noch in der gleichen Nacht einer
schweren Operation unterziehen.
Am nächsten Morgen brachten die Blätter unter großen Aufschriften
mein Bild als Othello mit dem Titel: „Roher Russian Tenor bricht den
Appendix von Madame Alda!"
Und ich lese in der Zeitung, wie sie mich bat, sie zu schonen, aber
ich vergaß mich in der bestialischen Wiedergabe des eifersüchtigen
Mohren so sehr, daß ich die Arme mit dem ganzen Aufwände meiner
ungeheuren Kraft, die mir tschechischem Giganten innewohnt, mit
solcher Gewalt auf den Boden schleuderte, daß man ihren Blinddarm
bis in die hinterste Parkettreihe krachen hörte.
Ich war bestürzt. - Mein Press-Agent strahlte. -
„Mister Slezak, das ist ein Haupttreffer, das sind Sie ja nicht imstan-
de zu bezahlen, wenn Sie sich das kaufen wollten." -
Erst nach acht Tagen verstand ich ihn ganz.
Da kamen nämlich die Zeitungsausschnitte aus ganz Amerika in
großen Mengen. - Wohlwollende Stimmen, - gehässige, - solche, die
meine Kraft bewunderten, dann wieder welche, die meine tierische
Roheit verdammten, - Abhandlungen über meine Körperstärke, Grö-
ße, Gewicht und so fort. - Das ging Wochen hindurch. -
Allmählich beganfi mir Madame Aldas Appendix zum Halse heraus-
zuhängen.
Später dann, nach Absolvierung der Abende an der Metropolitan-
oper, als ich allein auf meine Konzerttournee ging, fühlte ich den
Effekt.
Mit einer gewissen Hochachtung fragte man mich: „Also Sie sind
der Fellow, der seinen Partnerinnen die Blindgedärme zerbricht?"
Meine Muskeln wurden befühlt, meine Bizeps einer eingehenden
Prüfung unterzogen.
Als Headline stand über der Kritik: „The giant tschech Appendix-
breaker wins Audience."

Die Hauptsache ist: es muß viel von einem gesprochen werden - gut
oder schlecht - ganz egal - nur immer wieder die Leute auf sich
aufmerksam machen.
Es ist sehr unbequem - aber einträglich.

(Aus: „Meine sämtlichen Werke", Rowohlt, Reinbek)

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J zweii^bI - dfr Wod*.


HEINZ ERHARDT

Moderne Sinfonie

Droben sitzet die Kapelle,


festlich und gestimmt ist sie.
Schon ertönt die dritte Schelle -
gleich beginnt die Sinfonie.

Nun wird's stille; denn es zeigt sich


der Maestro, wohlbefrackt,
steigt aufs Podium, verneigt sich,
dreht sich um und schlägt den Takt.
Geiger geigen, Bläser blasen,
Pauker pauken, Harfe harft
alle Noten dieses Werkes
werden schonungslos entlarvt. . .

Droben schwitzet die Kapelle,


auch der Dirigent hat's satt! -
Morgen können wir dann lesen,
ob es uns gefallen h a t . ..!

Der G e i g e r

Unterm Arm die Violine,


auf dem Haupte Brillantine,
so besteigt mit ernster Miene
er die kunstverseuchte Bühne.
Mit den Haaren von dem Pferde
streicht er, weit entrückt der Erde,
voll Gefühl und Herzenswärme
über straff gespannte Därme.
Und der Lauscher dieser Handlung
denkt, infolge innrer Wandlung,
an die Pfoten grauer Katzen:
auch ein Geiger kann gut kratzen!

(Aus: „Das große Heinz Erhardt Buch", Fackelträger Verlag, Hannover)


SCHULE

RENE GOSCINNY

T y p e n auf d e r S c h u l b a n k

Vorauszuschicken ist, daß der Oberschüler, je nachdem ob er sitzt


oder steht, völlig verschiedene Merkmale aufweist: Er stellt im Tier-
reich einen Einzelfall dar.
Möglicherweise wäre eine Untersuchung des liegenden Pennälers
genauso interessant. Diese Haltung wird Jedoch während der Unter-
richtsstunden von den Schulbehörden nicht unterstützt. Im übrigen -
und wie wir im weiteren Verlauf sehen werden - braucht der Schüler,
einfallsreich wie er ist, nicht zu liegen, um ordenlich zu schlafen.
Die sitzenden Oberschüler lassen sich in zwei Hauptgruppen unter-
teilen:
1. Die M u s t e r s c h ü l e r
Sie fallen dadurch auf, daß sie stets gepflegt sind, während des
Unterrichts wach bleiben, dem Lehrer zuhören und ihn sogar verste-
hen. Aus dieser begnadeten Gruppe stammen unsere Unternehmer,
Wirtschaftsprüfer, die Mitglieder der Akademien, die Abgeordneten
und schließlich unsere geehrten Verleger. Falls Ihr Sprößling dieser
Kategorie angehören sollte, so ist es nicht ausgeschlossen, verehrte
Leser, daß Sie in unmittelbarer Zukunft Ihrem Vorgesetzten einmal
gehörig die Meinung sagen, Ihren Beruf an den Nagel hängen und
sich in den goldenen Ruhestand zurückziehen können.
Wenn Sie aber meinen, er gehöre dieser Kaste nicht an, brauchen
Sie nicht zu verzweifeln. Musterschüler sind naturgemäß glückliche,
demnach uninteressante Menschen. Deshalb sind sie auch etwas
langweilig. Ihren Filius werden Sie dann sehr wahrscheinlich in jener
zwar recht gewöhnlichen, jedoch äußerst interessanten Brüderschaft
finden, die weitaus zahlreicher ist:

2. Die a n d e r e n S c h ü l e r
Man könnte sie so definieren, daß sie die Schule besuchen,um sich
allerlei höchst wichtigen Beschäftigungen zu widmen - nur nicht dem
Bemerkenswerte Arbeit eines Bastlers wenige Minuten nach dem Zünden der
Maschine - und dem Feuern ihres Erfinders.

Lernen. Mithin müssen wir sie genauer kennenlernen und werden sie
wie folgt unterteilen:

a) Die Bastler
Betriebsam, immer beschäftigt, mögen ganz und gar nicht gestört
werden. Vom Lehrer leichtfertig in ihrer Arbeit unterbrochen, blicken
sie müde auf und fragen mit träger Stimme: „Was'n los?"
Die Bastler sind eine verfolgte, aber niemals aussterbende Gattung.
Ihre unter dem Pult eingerichtete Werkstatt ist zusammenlegbar und
kann bei der geringsten Gefahr in speziell dafür vorgesehene Taschen
verschwinden - Taschen, in die die Hand des Lehrers niemals zu
greifen wagt, aus Furcht vor ausgeklügelten Fallen.
Die von den Bastlern hergestellten Gegenstände sind zahlreich und
verschiedenartig: Miniaturautos, Flugzeuge, Schiffe, Schleudern, Ka-
tapulte, falsche Würfel, Spielkarten, Barometer, Fliegenkäfige und so
weiter...
Einem der berühmtesten Bastler in den Annalen der Schulbehörden
gelang es sogar, hinter seinem Federkasten heimlich einen Radio-
empfänger zusammenzubauen, dessen Vollkommenheit und Lautstär-
ke die größten Fachleute hätte erblassen lassen. Leider vernichtete
eine donnernde Marschmusik, die mitten in der Lateinstunde los-
brach, schlagartig die Laufbahn des begabten Konstrukteurs. Dieser
Märtyrer der Wissenschaft endete übrigens auf traurige Weise: Er
landete als Fräser in einer Fabrik, wurde aber unter dem Vorwand
entlassen, daß er, statt zu fräsen, Bücher unter seiner Werkbank
versteckt gehalten und für die Abendschule gepaukt habe . . .
Dabei hatte er sich lediglich an die Faustregel der „anderen" gehal-
ten: „Was du tun sollst, tue niemals dann, wenn du es mußt."

b) Die Künstler
Diese Schüler sind den Bastlern sehr verwandt, wenngleich ihre
Tätigkeit differenzierter ist. Die Künstler verbringen die langweiligen
Unterrichtsstunden damit, auf dem Rand ihrer Schulhefte und Bücher,
auf dem Pult, auf ihren Manschetten, ja sogar auf ihren Nägeln zu
malen. Manche malen grundsätzlich immer wieder dasselbe Motiv
und reproduzieren es mit bewundernswerter Geduld, noch und noch.
Anläßlich des Besuchs einer Ausstellung konfiszierter Werke fanden
wir 2507 Burgerstürmungen, die einander aufs Haar glichen, mit
jeweils genau der gleichen Anzahl Belagerer und Belagerter. Außer-
dem konnten wir 4209 bärtige Pfeifenraucher entdecken, ferner 1003
Seitenansichten von Autos und 812 Flugzeuge von vorne, ganz zu
schweigen von abstrakten, mit Zirkel und Winkelmesser ausgeführten
oder mit Tintenfingern gezeichneten Werken sowie ein paar in Kreide
gemeißelten Skulpturen, die weniger Beachtung verdienen.

Die kühnsten und talentiertesten Künstler sind schließlich die Kari-


katuristen, deren Wirken freilich von kurzer Dauer ist. Der in seine
Arbeit vertiefte Karikaturist merkt niemals, daß der Lehrer hinter
seinem Rücken steht und mit starren Augen verfolgt, wie seine eigene
Nase auf dem Papier immer länger wird. Solche Zwischenfälle enden
stets tragisch: Vom Lehrer aufgefordert, sein Kunstwerk dem Direktor
vorzuzeigen, sieht sich der Karikaturist vor zwei Möglickeiten: Entwe-
der findet der Direktor die Zeichnung äußerst schlecht, grotesk und
wirklich eine Schweinerei, worauf er in Wut gerät und keine Gnade
mehr kennt. Oder der Direktor findet die Zeichnung amüsant, geist-
reich und vor allem gut, sogar sehr gut getroffen; die Freude, die er
daran findet, stimmt ihn gnädig. Gnadenlos reagiert dann der Lehrer.
»

c) Die Zoologen
Sie besitzen die eigentümliche Gabe, sich der flinksten und mißtrau-
ischsten Insekten zu bemächtigen, fast als übten sie eine besondere
Anziehungskraft auf sie aus. Statt Fallen zu verwenden, die die Bastler
ihnen zu unerschwinglichen Preisen feilbieten, ziehen es die Zoolo-
gen vor, ihre natürlichen Waffen zu benutzen. Sie legen dann ein
erstaunliches Maß an Geschmeidigkeit und Gewandtheit an den Tag.
Es lohnt sich unbedingt, den Zoologen bei seiner Tätigkeit zu
beobachten. Sein Blick streift durch die ganze Klasse und erstarrt
plötzlich. Lauernd, aufs äußerste gespannt, sieht der Zoologe mit
kleinen, grausamen Augen der Fliege nach. Sollte ihn der Lehrer in
diesem Augenblick drannehmen, gibt der Zoologe ein energisches
„Psst!" von sich, das den abgebrühtesten Lehrer zögern läßt. Lässig,
elegant, mit dem bloßen Auge kaum wahrnehmbar, schnellt plötzlich
die Hand durch die Luft: „Zack! Da hab ich dich!" Der Zoologe hat das
Insekt gefangen. Und der Lehrer, dem die erhabende Schönheit der
Geste entgeht, setzt beide vor die Tür: den triumphierenden Jäger und
seine Beute, beide vom gleichen Schicksal geschlagen.
Was aber macht der Zoologe mit seiner Beute? Falls er sie nicht
aufißt, unterzieht er sie meist einer ziemlich unappetitlichen Vivisek-
tion, die zugegebenermaßen der reinen Wissenschaft kaum etwas
Neues bringt, so etwa die Erkenntnis, daß ein Insekt, dem zwei Flügel
ausgerissen werden, nicht fliegen kann.
Unsere Sympathie gilt jedoch den Dompteuren, die ihren bunten
und kuriosen Kleintierzoo mit außergewöhnlicher Geduld dressiert
haben. Den Kopf in den Rachen eines Löwen zu stecken, ist gewiß
keine Kleinigkeit; aber eine Wegschnecke dazu zu bringen, daß sie
einen astreinen Salto springt - das ist doch eine ganz andere Sache!

d) Die Vorsager
Wir stoßen hier auf einen seltsamen Typ, dessen bevorzugter Sitzplatz
im allgemeinen die vorderste Bank ist. Manche werden glauben, der
Vorsager sei ein guter Kamerad, stets bereit, dem in Not geratenen
und den indiskreten Fragen eines verständnislosen Lehrers ausge-
setzten Mitschüler zu helfen. Das mag schon sein; wir glauben aber,
daß es sich hier vielmehr um Besessene handelt. Vorsager sind wie
Souffleure; sie flüstern, weil sie flüstern müssen. Sie können es nicht
lassen, jedem etwas zuzuflüstern, selbst ihrem schlimmsten Feind, mit
dem sie in normalem Ton kein Wort sprechen würden.
Als Beweis dafür, daß der Vorsager gar nicht anders kann, erlauben
wir uns, eine persönliche Erinnerung anzuführen. Ein neuer Lehrer in
unserer Klasse deutet mit dem Finger auf jeden von uns und fragt
nach unseren Namen; ich stehe auf - und ehe ich auch nur den Mund
aufmachen kann, flüstert mir mein Hintermann zu: „Gos - cinny!"
Es muß außerdem gesagt werden, daß Vorsager beachtliche Panto-
mimen sind: Erscheint ihnen das Flüstern wegen des nahen Lehreroh-
res zu gefährlich, improvisieren sie die reinsten Scharaden. Wenn sie
einem zum Beispiel „Karl der Kahle" soufflieren wollen, krempeln sie
ihr Hosenbein auf und deuten dabei mit energischem Finger auf ein
ebenso schmutziges wie vielsagendes Knie . . .

e) Die Schläfer
Es handelt sich bei ihnen in Wirklichkeit um Schüler, die am norma-
len, liegenden Schlaf gehindert werden. Im Gegensatz zu den Vorsa-
gern lassen sich die Schläfer auf der hintersten Bank nieder. Solch ein
Pennäler, der im übrigen völlig normal zu sein scheint oder zumindest
nur wenig anders als seine Leidensgenossen, fällt, sobald er die
Klasse betritt, in eine Art Winterschlaf. Er schläft im Sitzen, manchmal
sogar mit offenen Augen.
Harmlos wie er ist, läßt er sich durch nichts stören, nicht einmal
durch den Lehrer, der nach einigen fruchtlosen Versuchen, ihn von
seiner Schlafsucht zu befreien, ein stillschweigendes Abkommen mit
ihm schließt: Der Lehrer nimmt den Schläfer nicht mehr dran - und
dieser vermeidet es tunlichst, sich der Länge nach auf die Bank zu
legen . . .
Die Schläfer fallen dadurch auf, daß sie die Schule fleißig besuchen;
sie wissen nämlich, daß die Klasse der beste Ort ist, um sich ihrem
Lieblingsport zu widmen. Denken Sie also daran: Steht Ihr Filius
morgens frisch und munter auf, freuen Sie sich nicht zu früh, vor allem
brüsten Sie sich nicht damit vor Freunden und Bekannten: Vielleicht
gehört er in der Schule zu den Schläfern.
Wenn Sie nun Ihren Sprößling in dieser Aufzählung vermissen,
seien Sie unbesorgt; es gibt natürlich noch andere Schülertypen, aber
es wäre schwierig, alle untersuchen zu wollen. Wir möchten nur noch
hinzufügen, daß sich einzelne Schüler, ganz gleich, zu welchem Typ
sie gehören, manchmal zu einer Gruppentätigkeit vereinen und dann
unter der Bezeichnung „Unterrichtsstörer", wenig später aber als
„Nachsitzer" erfaßt werden.

(Aus: „Prima, prima, Oberprima!", Rowohlt, Reinbek)


ASTRID LINDGREN

Inga und ich m a c h e n M e n s c h e n g l ü c k l i c h

Als wir im Herbst wieder in der Schule angefangen hatten, sagte die
Lehrerin eines Tages, wir sollten uns immer bemühen, andere Men-
schen glücklich zu machen. Niemals aber sollte man etwas tun, wovon
Menschen unglücklich werden könnten.
Am Nachmittag saßen Inga und ich auf unserer Küchentreppe und
sprachen darüber. Und da beschlossen wir, sofort damit anzufangen,
Menschen glücklich zu machen. Das Schlimme war nur, daß wir nicht
genau wußten, wie wir es anstellen sollten. Wir wollten es erst einmal
mit Agda, unserem Hausmädchen, versuchen und gingen in die Kü-
che. Sie scheuerte gerade den Fußboden.
„Trampelt nicht auf dem Fußboden herum, wenn er noch naß ist",
rief sie.
„Agda", sagte ich, „kannst du uns etwas nennen, was wir tun
könnten, um dich glücklich zu machen?"
„Ja, das kann ich! Wenn ihr sofort aus der Küche verschwindet und
mich in Ruhe scheuern läßt, dann macht mich das unglaublich glück-
lich!"
Wir gingen. Aber wir fanden es nicht besonders erfreulich, auf diese
Art Menschen glücklich zu machen. Und so hatte es Fräulein Lund-
gren wohl auch nicht gemeint.
Mutti war im Garten und pflückte Äpfel. Ich ging zu ihr und sagte:
„Mutti, sag irgend etwas, was ich tun kann, damit du glücklich
wirst!"
„Ich bin doch glücklich", sagte Mutti.
Das war doch ärgerlich! Aber ich wollte nicht nachgeben, sondern
sagte:
„Aber ich könnte doch vielleicht etwas tun, damit du noch glückli-
cher wirst?"
„Du brauchst nichts weiter zu tun, als auch weiterhin mein liebes,
gutes, artiges Mädchen zu bleiben", sagte Mutti. „Dann bin ich ausrei-
chend glücklich."
Da ging ich zu Inga zurück.
Ich sagte ihr, die Lehrerin hätte keine Ahnung, wie schwer es sei,
jemanden zu finden, den man glücklich machen dürfe.
„Wir versuchen es mit Großvater", sagte Inga.
Und wir gingen zu Großvater.
„Ah, das sind doch sicher meine kleinen Freunde, die da kommen!"
sagte Großvater. „Nun bin ich aber glücklich!"
Das war doch auch ärgerlich! Wir waren kaum zur Tür herein -
schon war Großvater glücklich! Da gab es für uns ja nichts mehr zu
tun.
„Großvater", sagte Inga, „erzähl uns nur nicht, daß du glücklich bist.
Wir wollen etwas tun, damit du glücklich wirst. Du mußt uns helfen
und dir etwas ausdenken. Die Lehrerin hat gesagt, wir sollen andere
Menschen glücklich machen."
„Ihr könntet mir vielleicht aus der Zeitung vorlesen", schlug Großva-
ter vor.
Ja, natürlich konnten wir das. Aber das taten wir doch so oft, es war
also nichts Besonderes. Plötzlich rief Inga:
„Du armer, armer Großvater, dauernd hockst du hier oben in deinem
Zimmer! Es wird dich sicher sehr glücklich machen, wenn wir einmal
mit dir Spazierengehen!"
Großvater sah aus, als sei er nicht sonderlich begeistert von diesem
Vorschlag, aber er versprach uns, mitzukommen. Wir gingen also.
Inga und ich gingen jeder auf einer Seite von Großvater und führten
ihn, denn er kann ja selbst nicht sehen, wo er geht. Durch ganz
Bullerbü zogen wir mit ihm und erzählten und berichteten ihm die
ganze Zeit, was wir sahen.
Es hatte angefangen, ein wenig zu wehen und zu regnen, aber das
kümmerte uns nicht. Wir hatten uns in den Kopf gesetzt, Großvater
glücklich zu machen.
Plötzlich sagte Großvater: „Glaubt ihr nicht, es reicht jetzt? Ich
würde gern nach Hause gehen und mich hinlegen."
Da führten wir Großvater wieder auf sein Zimmer zurück, und er zog
sich sofort aus und legte sich ins Bett - dabei war es noch nicht
einmal Abend. Inga stopfte die Decken fest um ihn. Großvater sah
etwas müde aus.
Bevor wir gingen, fragte Inga: „Großvater, wann bist du heute am
glücklichsten gewesen?"
Wir hofften beide, er würde sagen, er sei auf dem Spaziergang am
glücklichsten gewesen. Aber Großvater sagte: „Am glücklichsten Kin-
der, war ich heute, als . . . ja, als ich in mein molliges, weiches Bett
kriechen konnte. Denn ich bin sehr müde."
Dann mußten Inga und ich Schularbeiten machen. An diesem Tag
hatten wir also keine Zeit mehr, weitere Menschen glücklich zu ma-

6 Die Barke '85 81


chen. Wir waren auch nicht sicher, ob unsere Art, Menschen glücklich
zu machen, richtig war. Deshalb wollten wir am nächsten Tag die
Lehrerin fragen, wie man es nun eigentlich machen müsse. Fräulein
Lundgren sagte, es sei oft nur wenig dazu nötig. Man könnte einem
alten Menschen, der einsam und krank sei, ein Lied vorsingen oder
einem, der niemals Blumen bekäme, einen schönen Strauß bringen
oder mit jemandem, der sich einsam und verlassen fühlte, freundlich
sprechen.
Inga und ich beschlossen, es noch einmal zu versuchen. Und am
Nachmittag hörte ich Mutti zu Agda sagen, Kristin im Waldhaus sei
krank. Ich rannte sofort zu Inga.
„Inga, haben wir ein Glück! Kristin im Waldhaus ist krank! Komm,
wir gehen hin und singen!"
Kristin wurde schon recht froh, als sie uns sah. Aber vielleicht
wunderte sie sich, warum wir ihr nicht etwas mitgebracht hatten.
Das taten wir sonst immer. Wir dachten aber, sie werde schon noch
glücklich werden, wenn wir erst singen würden.
„Sollen wir dir etwas vorsingen, Kristin?" fragte ich.
„Singen?" fragte Kristin und machte ein erstauntes Gesicht. „War-
um denn?"
„Damit du glücklich wirst, Kristin", sagte Inga.
„Ach so . . . ja, meinetwegen . . . singt nur zu", meinte Kristin.
Und wir legten los mit „Wir sind zwei Musikanten", daß es im Haus
dröhnte. Dann sangen wir „Bitterkalt der Nordwind braust" - alle
sieben Strophen. Ich fand, Kristin sah noch nicht glücklicher aus, als
sie vorher ausgesehen hatte. Deshalb ließen wir noch „Stürmisch die
Nacht und die See geht hoch" und „Schlaf, du kleine junge Weide"
und einige andere Lieder folgen. Kristin sah nicht ein bißchen glückli-
cher aus. Inga und ich wurden allmählich heiser, aber wir wollten
nicht aufhören, bevor wir Kristin so richtig glüklich gemacht hatten,
und sollte es auch mühevoll für uns sein. Wir wollten eben mit „Zehn
kleine Neger" einen neuen Versuch machen, da kletterte Kristin aus
dem Bett und sagte:
„Singt nur weiter. Singt nur, soviel ihr wollt! Ich gehe inzwischen ein
wenig in den Garten."
Inga und ich fanden es kaum lohnend, noch ein Lied anzufangen.
Wir sagten Kristin auf Wiedersehen.
„Vielleicht geht es besser, wenn wir jemandem Blumen schenken,
der sonst nie Blumen bekommt", sagte Inga.
Wir überlegten gerade, wem wir Blumen schenken könnten, als wir
Oskar, unseren Knecht, sahen. Er ging auf den Kuhstall zu. Wir liefen
hinter ihm her, und ich sagte:
„Oskar, hast du schon jemals Blumen bekommen?"
„Nein, warum auch? Ich bin doch noch nicht tot!" sagte Oskar.
Der Ärmste! Sicher glaubte er, Blumen könne man nur zu seiner
Beerdigung bekommen.
Inga sah mich begeistert an, weil wir schon einen Menschen gefun-
den hatten, der sonst nie Blumen bekam. Wir liefen sofort los und
pflückten einen großen Strauß Heidekraut. Es wurde ein wirklich
schöner Strauß, mit dem wir wieder zum Kuhstall gingen. Oskar lief
dort mit der Schubkarre umher und fuhr Mist zur Dunggrube, die
hinter dem Kuhstall liegt.
„Hier, Oskar, hast du Blumen", sagten wir und überreichten ihm den
Strauß.
Oskar dachte zuerst, wir wollten ihn zum Narren halten. Er wollte
den Strauß nicht nehmen. Aber wir sagten ihm, er müsse ihn anneh-
men, und da tat er es. Eine Weile später, als Inga und ich hinter einem
Kaninchen her waren, das uns weggelaufen war, kamen wir zufällig an
der Dunggrube vorbei. Und auf dem Mist - obenauf - lag Oskars
Blumenstrauß.
„Ich fange an zu glauben, daß Fräulein Lundgren irgendwie nicht
das Richtige trifft", meinte Inga.
Wir beschlossen, vorläufig keine Menschen mehr glücklich zu ma-
chen. Etwas später aber, gegen Abend, als Inga und ich in unsere
Küche kamen, saß da auf einem Stuhl ein Mann. Svensson aus
Stubbenäsed heißt der Mann. Er wollte von uns ein Schwein kaufen.
Lasse und Bosse waren losgelaufen, um Vati zu holen, der gerade
pflügte. Svensson saß unterdessen in unserer Küche und wartete. Inga
zog mich in eine Ecke und flüsterte mir zu:
„Findest du nicht, er sieht einsam und verlassen aus? Wollen wir es
nicht doch noch einmal versuchen? Du weißt schon, was ich meine,
ein wenig mit ihm reden und ihn aufmuntern, wie Fräulein Lundgren
sagte."
Wir beschlossen, es zu versuchen. Sonst können Inga und ich reden
wie aufgezogen, aber jetzt, wo wir mit Svensson sprechen und ihn
glücklich machen wollten, war es uns unmöglich, nur das kleinste
Wort zu finden. Ich überlegte und überlegte, und endlich sagte ich:
„Schönes Wetter heute, nicht?"
Svensson antwortete nicht. Ich versuchte es noch einmal:
„Schönes Wetter heute, nicht?"

6* 83
„Jaha", sagte Svensson.
Ich sah zu Inga, weil ich fand, sie könnte mir etwas behilflich sein.
Und da sagte Inga:
„Man könnte glauben, daß das Wetter morgen auch schön wird,
nicht?"
„Jaha", sagte Svensson.
Dann wurde es wieder still. Doch nach einer Weile sagte ich:
„Gestern war das Wetter auch schön, nicht?"
„Jaha", sagte Svensson.
Jetzt kam Vati über den Hof. Svensson stand auf und ging. Aber als
er schon aus der Tür war, drehte er sich noch einmal um, steckte den
Kopf in die Küche, grinste und sagte: „Wie war eigentlich das Wetter
vorgestern?"
Minuten später sagte Inga endlich: „Vielleicht haben wir ihn auf
jeden Fall ein bißchen glücklich gemacht!"
„Möglich", sagte ich. „Aber jetzt ist endgültig Schluß damit. Ich will
keine Menschen mehr glücklich machen."
Aber ich tat es doch. Und Inga auch. Denn am nächsten Tag erzählte
die Lehrerin, ein Mädchen aus unserer Klasse, die Märta heißt, könne
auf lange Zeit nicht mehr in die Schule kommen. Sie sei sehr krank
und müsse viele, viele Monate im Bett liegen bleiben. Abends, bevor
ich einschlief, mußte ich immer an Märta denken. Und da beschloß
ich, ihr Bella, meine beste Puppe, zu schenken, denn ich wußte, Märta
hatte überhaupt keine Spielsachen.
Am nächsten Morgen erzählte ich Inga, daß ich Märta meine Puppe
schenken wollte. Da ging Inga und holte ihr schönstes Märchenbuch.
Nach Schulschluß gingen wir zu Märta. Sie lag in ihrem Bett und sah
blaß aus.
Niemals habe ich einen Menschen so glücklich gesehen, wie Märta
es wurde, als wir Bella und das Märchenbuch auf ihre Bettdecke
legten und sagten, Bella und das Märchenbuch seien für sie. Oh, oh,
oh, wie wurde sie glücklich! Sie drückte Bella und das Märchenbuch
an sich und strahlte. Und dann rief sie ihre Mutter, sie solle kommen
und sich das ansehen.
Als wir wieder draußen vor der Tür standen, sagte ich zu Inga:
„Ja a b e r - j e t z t haben wir einen Menschen glücklich gemacht, ohne
daß wir es wollten!"
Inga bekam große, erstaunte Augen und sagte:
„Wahrhaftig!" Sie dachte nach, und dann sagte sie: „Du, es war nur
gut, daß wir nicht angefangen haben, Märta etwas vorzusingen. Ich
glaube, Menschen werden glücklicher, wenn sie Puppen und Mär-
chenbücher bekommen."
„Ja! Wenigstens Kinder!" sagte ich.

(Aus: „Die Kinder aus Bullerbü", Oetinger, Hamburg)

Vat>, können
j e t z t m i t ctern S c ^ ' ^ ' n e n
7
e>n du -f 4(>>W

Doch t Sc^O*,

kei/ne-rt
D v s i
mehr.

f ! er.
CHRISTINE NÖSTLINGER

S t r e n g - s t r e n g e r - am s t r e n g s t e n

Kathi wußte genau: Es geht ganz einfach. Man wickelt den Faden
um den linken Zeigefinger, hinter Mittelfinger und Ringfinger vorbei,
und vor dem kleinen Finger läßt man ihn wieder heraus. Dann nimmt
man eine Nadel in die rechte Hand und eine in die linke. Und sticht mit
der Nadel von der rechten Hand in die erste Masche von der Nadel von
der linken Hand und holt den Faden, den, der von der ersten Masche
der rechten Hand zum Zeigefinger der linken Hand geht, durch die
erste Masche der Linken-Hand-Nadel durch. Und dann zieht man die
erste Masche der Linken-Hand-Nadel herunter, und die durchgezoge-
ne Schlinge ist jetzt die erste Masche von der Rechten-Hand-Nadel.
Kathi war das klar. Aber stricken konnte sie trotzdem nicht. Einmal
rutschte die Rechte-Hand-Nadel aus dem verdammten Dings und
einmal die Linke-Hand-Nadel. Dann zog sich der Faden durch das
falsche Loch. Und dann waren plötzlich zwei oder drei Fäden da, und
die Maschen wurden von Reihe zu Reihe weniger, und Kathi konnte
sich nicht erklären, wohin sie gekommen waren.
Mama sagte, Kathis Finger sind noch zu klein und zu dünn.
Oma sagte, stricken ist sowieso unmodern und lohnt sich nicht.
Papa sagte, stricken verdirbt die Augen und macht den Rücken
krumm.
Berti - der Bruder - sagte, häkeln geht leichter.
Der Opa setzte sich in den Lehnstuhl und strickte Kathi vier Reihen
vor. Zwei schlicht, zwei kraus, im Wechsel. Er sagte, stricken ist
schön. Aber nur, wenn man es freiwillig macht.
Die Frau Handarbeitslehrerin Krause aber sagte: „Kathi, du strickst
auf eine Fünf! Wenn du es nicht bald lernst, bekommst du einen
Fünfer ins Zeugnis!"
Kathi ging nach Hause und heulte. Die Mama, die Oma, der Papa,
der Opa und Berti lachten und sagten: „Aber Kathi, man kriegt keinen
Fünfer in Handarbeiten. Das hat es noch nie gegeben! Ehrenwort!"
„Sie hat's aber gesagt, Ehrenwort", schluchzte Kathi.
„Sie hat nur gedroht", sagte die Mama.
„Sie erzieht nach der alten Methode", sagte die Oma.
„Die soll dich mal", sagte Berti.
„Einfach ignorieren", sagte Papa.
„Sie kann dir höchstens einen Vierer geben", sagte der Opa.
Kathi fand auch einen Vierer schlimm genug. Aber das sagte sie
nicht. Sie kannte ihre Familie. Die würden doch alle nur sagen, daß ein
Vierer eine lustige Sache sei, und der Opa und die Oma würden dann
wieder mit sämtlichen Lateinfünfern und Griechischvierern angeben,
die sie als Kind bekommen hatten.
Weil ihre Familie nichts von ihrem Kummer verstand, beriet sich
Kathi am nächsten Tag in der Schule mit Evi. Evi hatte nämlich bereits
dreißig Zentimeter wunderbar gleichmäßigen schweinsrosa Topflap-
pen. Und alle siebenundsiebzig Maschen, die sie unten angeschlagen
hatten, hatte sie oben immer noch.
„Lern mir bitte stricken", sagte Kathi zu Evi.
Evi schüttelte den Kopf. Und dann erklärte sie Kathi - sehr leise,
damit es die anderen nicht hörten: „Die dreißig Topflappenzentimeter
hat meine Mutti gemacht!"
„Hast du denn", flüsterte Kathi und bekam vor lauter Schreck eine
Gänsehaut auf dem Rücken, „das Topflappending mit nach Hause
genommen?" Evi nickte. Kathi war ganz ergriffen. Topflappen-nach-
Hause-nehmen war streng verboten. Topflappen-nach-Hause-nehmen
war ungeheuerlich!
Die Topflappen hatten nach der Stunde samt dem schweinsrosa
Garnknäul in ein weißes Tuch gewickelt zu werden. Den weißen Binkel
mußte man dann ins Handarbeitsköfferchen legen, das Köfferchen
verschließen und der Handarbeitsordnerin aushändigen. So hatte das
zu geschehen! Und jenes Zuwiderhandeln, das hatte die Handarbeits-
lehrerin gesagt, würde streng-strenger-am strengsten bestraft
werden!
Kathi hatte vor der Handarbeitslehrerin und vor streng-strenger-am
strengsten große Angst. Aber Kathi wollte keinen Fünfer und auch
keinen Vierer im Zeugnis haben.
Am Ende der nächsten Handarbeitsstunde klopfte Kathis Herz so
laut, daß Kathi sicher war, die Handarbeitslehrerin, vorn beim Lehrer-
tisch, müßte es hören. Doch die holte gerade eine verlorengegangene
Masche im Topflappen der Schestak Anni hoch und hörte nichts.
Kathi schielte zu Evi. Evi nickte. Kathi schob den Topflappen samt
schweinsrosa Garnknäul und Nadeln unter das Pult. Dann wickelte sie
zwei angebissene Äpfel in das weiße Tuch und legte den Apfelbinkel in
das Köfferchen. Wegen der Handarbeitsordnerin. Die war eine Strebe-
rin, und es hätte leicht sein können, daß sie das Köfferchen gepackt
und gerufen hätte: „Bitte, Frau Lehrerin, das ist so leicht, ich glaub',
da ist gar nix drinnen, bitte, Frau Lehrerin!"
Die Handarbeitsordnerin nahm die angebissenen Äpfel ohne Ver-
dacht entgegen. Kathi trug das Topflappendings in der Schultasche
nach Hause. Sie war sehr stolz und hatte ein schlechtes Gewissen.
Zusammen ergab das ein komisches Gefühl.
Kathi zeigte den Topflappen der Mama, und die Mama lachte Tränen
darüber. Außerdem versprach sie, bis nächsten Montag genauso flei-
ßig zu sein wie die Mutter von der Evi.
Das Topflappending lag nachher einige Stunden auf dem Küchen-
tisch, und das schweinsrosa Garnknäul lag gegenüber vom Küchen-
tisch, vor dem Gasherd. Dann kam die Oma in die Küche, stolperte
über den Garnfaden und zog dadurch das Topflappendings vom
Küchentisch. Dabei rutschten die Nadeln heraus und rollten unter die
Küchenkredenz. Eine Stunde später kam die Katze in die Küche. Sie
balgte mit dem Garnknäul herum und trug es ins Wohnzimmer. „Da
hängt ja ein Faden dran, Schnurlimurli", sagte der Opa. „Komm,
Schnurlimurli, wir reißen den Faden ab! Sonst kann der Schnurlimurli
nicht schön spielen!"
Der Opa riß den schweinsrosa Faden ab, und die Katze packte sich
den Knäul ins Maul und sprang zum Fenster hinaus.
Das Topflappendings lag noch in der Küche auf dem Fußboden, als
Berti nach Hause kam. Er kam vom Fußball spielen.
„Berti, putz dir die Hufe ab", rief der Papa, „ich habe heute überall
gesaugt und gewischt!"
Berti war ein artiger Junge und sofort bereit, den Dreck von seinen
Schuhen zu putzen. Doch der Kasten mit dem Schuhputzzeug stand
draußen im Vorzimmer. Außerdem war es nicht sicher, ob im Schuh-
putzzeugkasten wirklich ein Putzlappen war. Da entdeckte Berti auf
dem Küchenboden ein kleines graurosa Dings. Ein häßliches, dreiek-
kiges Dings. Er nahm es in die Hand und stellte fest, daß es garantiert
nur zum Schuhputzen geeignet war. Er hielt das Dings unter den
Wasserstrahl der Abwasch, und dann fuhr er gewissenhaft damit über
die Sohlenränder seiner Schuhe. Das Dings wurde tiefbraun davon.
Berti warf es in den Mistkübel.
Nach dem Nachtmahl setzte sich die Familie zum Fernsehen. Sie
schauten sich etwas an, wo ein dicker Mensch, der aussah wie ein
Meerschwein, die Zuseher aufforderte, nach einem Ausschau zu hal-
ten, der aussah wie der Postbeamte. Gerade als die Oma aufschrie
und behauptete, der Postbeamte sei ganz sicher der Fleischhauer, der
ihr die stinkenden Knacker verkauft hatte, und gerade als die Mama
rief, die Oma solle sich nicht aufhetzen lassen, fiel Kathi der Topflap-
pen ein. Sie fragte: „Mama, trennst du jetzt den Lappen auf und
machst mir dreißig Zentimeter neu?"
Der Opa sagte: „Das mach ich! Bring ihn her!"
„In der Küche liegt er", sagte die Mama.
Kathi ging in die Küche und fand keinen Topflappen. Kathi suchte
überall in der Wohnung. Und weil Kathi zu heulen anfing, drehte der
Papa das Meerschwein ab, und alle halfen Kathi suchen und fanden
keinen Topflappen.
Dann fiel dem Opa ein, daß die Katze ein rosa Knäul gehabt hatte,
und der Oma fiel ein, daß sie über den Faden gestolpert war, und Berti
fiel ein, daß er seine Schuhe geputzt hatte. Kathi kippte den Mistkübel
um und suchte zwischen Eierschalen und Dreck, doch sie erkannte
das Topflappendings nicht. Sie hielt es für eine gebrauchte Filtertüte.
Kathi heulte so sehr, daß sogar die Stirnfransen naß wurden. Dabei
schluchzte sie: „Dafür kriegt man die streng-strenger-am strengsten-
Strafe! Dafür kriegt man alles, was es in der Schule gibt!"
Die Mama sagte, das sei doch gar kein Problem. Sie wird morgen
früh ein Knäul schweinsrosa Wolle kaufen und den Lappen neu
stricken. Doch so einfach war das nicht. Kathi hatte das schweinsrosa
Garn von der Handarbeitslehrerin bekommen. Der hatte es der Stadt-
schulrat zugeteilt. Und der Stadtschulrat hatte das Garn „en-gros-für-
alle-Mädchen-der-Stadt" bei einer Fabrik machen lassen. Jedenfalls
gab es nirgends in der ganzen Gegend ein ähnlich schweinsfarbenes,
ähnlich häßliches Garn.
Kathi heulte sich wieder die Stirnfransen naß. Die Mama sagte, es
sei trotzdem sehr einfach. Sie wird das schon in Ordnung bringen!
„Das kann niemand mehr in Ordnung bringen", schluchzte Kathi.
„Doch", sagte die Mama, „am Montag geh' ich mit dir in die Schule
und sag der Lehrerin, daß ich von dir verlangt habe, daß du das Dings
mit nach Hause nimmst, und daß es jetzt die Katze gefressen hat, und
daß dich keine Schuld trifft! Laß mich das nur machen! Ich mach' das
schon!"
Kathi hörte zu heulen auf. Aber sie blieb blaß. Am Samstag aß sie
keine Nachspeise. Am Sonntag aß sie überhaupt nichts. Und in der
Nacht von Sonntag auf Montag wachte sie sechsmal auf. So nervös
war sie. Vielleicht wachte sie auch deswegen auf, weil die Kinderzim-
mertür neben der Klotür war und die ganze Nacht über die Wasserspü-
lung gezogen wurde. Das kam davon, d$ß der Mama schlecht war. Die
Mama hatte am Sonntagabend drei Stück Gänsebraten gegessen, und
das vertrug ihre Galle nicht. Am Morgen, als Kathi aufstand, lag die
Mama im Bett, war grün im Gesicht und stöhnte. Die Oma saß bei ihr
und hielt ihr die Hand.
„Mama, du mußt mit mir zur Handarbeitslehrerin gehen", sagte
Kathi.
Die Mama murmelte „aaah-auauau-oooooh" und drehte sich zur
Wand.
„Gehst du mit mir in die Schule?" fragte Kathi die Oma.
„Liebling, ich muß bei der Mama bleiben", flüsterte die Oma.
Kathi fragte den Papa, doch der Papa mußte ins Büro. Kathi fragte
den Opa, und der Opa sagte: „Gut, Kathi, gehn wir!"
Der Opa ging mit Kathi zur Schule. Doch knapp vor der Schule, an
der Ecke, gab es ihm einen Stich. Unten im Kreuz. Er konnte nicht
mehr aufrecht stehen. Nur mehr ganz gekrümmt. Kathi kannte diesen
Zustand am Opa. Wenn er diesen Zustand hatte, konnte er nur mehr
„ogott-ogott" sagen. Auf keinen Fall aber konnte er der Handarbeits-
lehrerin die Sache mit dem Topflappendings erklären.
Der Opa stöhnte: „Ogottogott - tut mir leid, Kathi, aber ich muß -
ogottogott - ins Bett." Er drehte sich um und humpelte schief nach
Hause. Kathi wollte ihm nachlaufen. Sie wollte auch nach Hause. Doch
da kamen die Evi und die Schestak und die Karin und noch zwei
andere aus ihrer Klasse und zogen sie mit zum Schultor.
Kathi saß auf ihrem Platz, Fensterreihe, 3. Pult-Innenseite, und
überlegte: Wenn die Mama plötzlich krank geworden ist und der Opa
den Stich bekommen hat, kann ja auch die Handarbeitslehrerin krank
werden!
Die Handarbeitslehrerin war nicht krank geworden. Sie kam in die
Klasse, sagte „setzen" und gab der Handarbeitsordnerin den Schlüs-
sel zum Handarbeitsschrank. Die Ordnerin und eine Ordnerin-Helferin
teilten die Köfferchen aus. Kathi öffnete ihr Köfferchen. Den weißen
Binkel machte sie nicht auf. Sie saß still und machte sich hinter dem
breiten Rücken der Schestak Anni klein. Manchmal schielte sie über
den Mittelgang nach vorne zur Evi. Die Evi tat, als strickte sie. Ihr
Lappen war schon vierzig Zentimeter lang.
„So", sprach die Handarbeitslehrerin, „heute tragen wir Noten ein!
Meier, Gerti, komm her!"
Die Meier saß in der letzten Bankreihe. Sie packte ihr Strickzeug
und wanderte nach vorne. Kathi hörte: „Sehr ungleichmäßig, Ma-
schen fallengelassen, mehr bemühen." Dann wanderte die Meier Gerti
mit dem Strickzeug auf ihren Platz zurück. Dabei schnitt sie Gesichter.
Die Kinder kicherten.
„Evi, bitte", sagte die Handarbeitslehrerin. Die Evi lief hinaus und
zeigte ihre vierzig Zentimeter vor. Die Handarbeitslehrerin war mit den
vierzig Zentimetern zufrieden. Nur die Kettmaschen fand sie etwas zu
locker. „Aber", lobte sie, „fast ein Einser, wahrscheinlich sogar ein
Einser!" Dann schickte sie die Eyi auf ihren Platz zurück. Nachher rief
sie die Satlasch und die Huber und die Karin und die Ilse Schneck und
dann rief sie: „Kathi!"
Kathi stand langsam auf. Sie dachte streng-strenger-am strengsten.
Sonst dachte sie nichts. Wenn sie die Karin - hinter ihr - nicht
geschubst hätte, hätte sie gar nicht bemerkt, daß die Evi die linke
Hand neben dem Pult in den Mittelgang hinausstreckte. In der Hand
von der Evi waren die vierzig Zentimeter Topflappen.
Kathi ging auf den Topflappen zu.
„Kathi, beeil dich doch", rief die Handarbeitslehrerin. Aber sie
schaute nicht auf Kathi, sondern kritzelte emsig mit rotem Kugel-
schreiber im Notenbüchlein.
Kathi griff nach dem Topflappen. Ihre Hände zitterten. Der Topflap-
pen fiel auf den Boden. Eine Nadel rutschte klappernd heraus.
Die Handarbeitslehrerin schaute vom Notenbüchlein hoch. „Paß
doch auf, Kathi", sagte sie.
Kathi bückte sich und hob den Topflappen auf. Fünfzehn schweins-
rosa Maschen hingen traurig und nadellos an der Strickerei.
„Vorsicht, Kathi, sonst laufen sie weiter", rief die Handarbeitslehre-
rin. Kathi stand still und starrte auf die schutzlosen, gefährdeten
Maschen. Die Handarbeitslehrerin sprang vom Stuhl auf und lief zu
Kathi. Sie nahm Kathi vorsichtig den Topflappen aus den Händen.
„Sind ja schon drei Reihen weit gefallen", jammerte sie. Dann trug sie
den Topflappen nach vorn, zum Lehrertisch. Zart und vorsichtig und
sanft trug sie ihn. Wie man ein kleines, krankes Kind trägt. Sie setzte
sich zum Tisch und wie man zu einem kleinen kranken Kind spricht,
sprach sie auf den Topflappen ein: „Na, du siehst aber aus" und „Das
werden wir schon hinbringen" und „Na, siehst du, dich haben wir
schon oben."
Kathi stand neben dem Lehrertisch. Ihr Herzklopfen war ganz laut.
In ihren Ohren sauste es, und vor ihren Augen, in der Luft, flogen
kleine violette Punkte herum.
. . . Streng - strenger - am strengsten, gleich ist es soweit, gleich
merkt sie es, dachte Kathi. Oder eine aus der Klasse sagt es ihr.
Vielleicht sogar die Evi, dachte Kathi.
Die Handarbeitslehrerin schnaubte laut durch die Nase.
Jetzt ist es soweit, dachte Kathi. Jetzt! „So, Kathi", sagte die Handar-
beitslehrerin, „das hätten wir geschafft!" Sie drückte der Kathi die
Strickerei in die Hände und steckte ihr das Garnknäul in die Schürzen-
tasche und sprach: „Vorsichtig tragen, nicht schlafen beim Gehen!"
Kathi ging langsam zu ihrem Platz. Alle lila Tupfen in der Luft, vor
den Augen, waren weg. In den Ohren sauste es nicht mehr, und das
Herz klopfte langsam. Kathi war gerade bei ihrem Platz, da rief die
Handarbeitslehrerin noch: „Übrigens, sehr brav, Kathi! Du warst sehr
fleißig! Siehst du, man muß sich nur bemühen!"
Kathi nickte.
Die Handarbeitslehrerin beugte sich über ihr Notenbüchlein und
schrieb emsig. Kathi setzte sich. Sie holte die Äpfel aus dem weißen
Tuch und biß in einen Apfel. Obwohl er angebissen und eine Woche
alt war, schmeckte er herrlich. Kathi aß beide Äpfel auf. Dann gab sie
die vierzig Topflappenzentimeter über den Mittelgang hinüber zur
Meier Gerti, und die Gerti gab sie der Satlasch und die Satlasch der
Evi. Dabei fielen etliche Maschen von den Nadeln. Doch die Mutter
von der Evi brachte das bis nächsten Montag wieder in Ordnung.
Kathi hat den Topflappen der Evi noch mehrere Male am Montag
vorgezeigt. Einmal nach dem Abketteln und einmal mit blauem Häkel-
rand und einmal durch durchsichtiges Papier verpackt. Die Frau
Handarbeitslehrerin war von Mal zu Mal zufriedener mit Kathi. Ins
Jahreszeugnis schrieb sie ihr einen Einser. Kathi freute sich mächtig
darüber. Und immer, wenn jetzt in der Schule etwas passiert, wo die
Kathi furchtbar erschrickt und streng-strenger-am strengsten denken
muß, dann fällt ihr das Topflappendings ein, und dann lächelt die
Kathi. Und bekommt nie mehr Herzklopfen und Ohrensausen und lila
Punkte vor den Augen.
„Die Kathi ist viel selbstbewußter geworden und viel sicherer!" hat
die Klassenlehrerin am Sprechtag zur Mama und zum Papa von Kathi
gesagt. Die Mama und der Papa von der Kathi waren darüber sehr
glücklich. Und darum ist es furchtbar ungerecht von ihnen, daß sie
immer sagen, „Mädchenhandarbeiten" sei ein ganz unnützer, altmodi-
scher Gegenstand, der nicht mehr in den modernen Schulunterricht
paßt.
(Aus: Hans-Joachim Gelberg (Hrsg.): „ Menschengeschichten ", Beitz & Gelberg,
Weinheim)
HUMOR KENNT KEINE GRENZEN

FRITZ MÜLLER-PARTENKIRCHEN

Die R e i h e n f o l g e

Meine Tochter mußte einen Aufsatz machen: „Wie ich mir mein
Leben denke."
Darin schrieb sie: „Erst mache ich die Schule fertig, dann kriege ich
ein Buberl, dann ein Mäderl, und dann heirate ich."
Als sie den Aufsatz zurückbekam, stand am Rand mit roter Tinte:
„Reihenfolge!"
Aha, dachte sie, der Bub vorher, das ist der Lehrerin nicht recht, und
verbesserte: „Erst mache ich die Schule fertig, dann kriege ich ein
Mäderl, dann ein Buberl, und dann heirate ich."
„Reihenfolge!!" diesmal mit zwei Ausrufungszeichen.
Darauf verbesserte sie: „Erst kriege ich ein Mäderl, dann mache ich
die Schule fertig . . ."
Aber die Lehrerin schmiß ihr das Heft hin und sagte, es sei unglaub-
lich.
Darauf setzte die Liesel das Buberl vor die Schule. Darauf schrie die
Lehrerin, das kenne sie, das täte sie zum Trotz. Nun entschloß sich die
Liesel, die Heirat vor die Schule einzuschieben. Die Lehrerin schlug
ihr das Heft um die Ohren. Die Liesel heulte. Wie's denn endlich richtig
wäre?
Das müsse einem der innere Anstand selber sagen! Sei es, daß die
Liesel keinen hatte oder daß er gerade auf dem Kopf stand: sie
pflanzte das Mäderl vor die Heirat und das Buberl dahinter.
Verweint kam sie nach Hause. Stumm zeigte sie auf eine rotglühen-
de Randbemerkung: Die Schule dürfe erwarten, daß über solche
grundlegende Dinge der Moral das Elternhaus richtunggebend wirke.
„Hat die Moral mit der Heirat was zu tun, Vater?"
„Manchmal."
„Ah, jetzt weiß ich's: ich laß die Heirat ganz heraus."
Darauf bekam ich einen Brief der Lehrerin.
Auf Grund desselben holte ich mein altes Algebrabuch und schrieb
zurück:
„Sehr geehrtes Fräulein! Wir haben es bei diesem Zusammensetz-
spiel mit vier beweglichen Elementen zu tun. Diese lassen laut Kombi-
natorik vierundzwanzig verschiedene Reihenfolgen zu. Um alphabe-
tisch zu beginnen:
1. Buberl Heirat Mäderl Schule
2. Heirat Mäderl Schule Buberl
3. Schule Buberl Heirat Mäderl
4. Schule Mäderl Heirat Buberl
und so weiter und so weiter. Alle vierundzwanzig Möglichkeiten kä-
men auch im Leben vor. Welche Reihenfolge die moralischste sei, das
hänge ab vom Alter, Pfarrer, Barometerstand und Taillenumfang, also
von weiteren vier beweglichen Elementen, womit die Zahl der Mög-
lichkeiten laut kombinatorischer Permutation auf 327 844 anwachse.
Davon die beste Möglichkeit herauszufinden, will ich, wenn die Zeit
erfüllt sei, meiner Tochter selber überlassen. Und die etwaige Korrek-
tur der roten Tinte, die in ihren Adern fließt.
Ergebens
Fritz Müller."
FRITZ MÜLLER-PARTENKIRCHEN

Te

Einmal durften wir die Schönschreibhefte in das Lehrerzimmer


tragen, der Wiehrlermax und ich mit unserm Dutzend Jahren auf dem
grünen Buckel. Wir waren nicht schlecht stolz und stelzten, die blauen
Heftstöße wie Göttergaben auf den ausgestreckten Armen, die Treppe
hinauf.
Kommt der Grammatikprofessor: „Was macht ihr da?"
„Ins Lehrerzimmer sollen wir sie tragen, die Heften."
„Te!" schreit er.
Der Wiehrlermax schaut mich an. Ich schaue den Wiehrlermax an.
Wir stelzten weiter.
„Ob ihr wohl wiederholen wollt! Was tragt ihr da?"
„Die Schönschreibheften, Herr Professor."
„Te! Te!"
Der Wiehrlermax schaut mich an. Ich schau den Wiehrlermax an.
Wir verstehen uns stumm: Der Professor spinnt.
Wenn ein Professor spinnt, kann man nix machen, also weiter.
„Was tragt ihr also?"
Wenn einer spinnt, hilft nur Geduld, das fühlten wir schon damals.
„Die Hef-"
„Im ganzen Satz!"
„Wir tragen die Heften aufs - "
„Te! Te! Tel!"
Er tanzte wie besessen auf der Treppe. Mir rann ein Schauer durch
das junge Hirn. So verzerrt sah also ein Verrückter aus? Aus den
Armen rutschte mir der Stoß.
Zitternd hob ich ihn wieder auf.
„Waas hebst du auf?"
„Die - die Heften."
„Te, Riesenschaf, Te! - sag's nach!"
„Te, Riesenschaf, Te."
Der Rektor ging vorüber. Explosion. Verhör. Ich hätte den Gramma-
tikprofessor ein Riesenschaf geheißen -
Der machte eine Bewegung als wollt' er sagen: So was mag noch
hingehen, aber - „Heft-en", sagt er, „anstatt Heft-e, den dritten Fall
anstatt des ersten - es ist eine Affenschande . . . ! "
LORIOT

Das Ei

Das Ehepaar sitzt am Frühstückstisch. Der Ehemann hat sein Ei


geöffnet und beginnt nach einer längeren Denkpause das Gespräch.
ER Berta!
SIE Ja . . .
ER Das Ei ist hart!
SIE (schweigt)
ER Das Ei ist hart!
SIE Ich habe es gehört. . .
ER Wie lange hat das Ei denn gekocht. . .
SIE Zu viel Eier sind gar nicht gesund . . .
ER Ich meine, wie lange dieses Ei gekocht h a t . . .
SIE Du willst es doch immer viereinhalb Minuten haben . . .
ER Das weiß ich . . .
SIE Was fragst du denn dann?
ER Weil dieses Ei nicht viereinhalb Minuten gekocht haben kann!
SIE Ich koche es aber jeden Morgen viereinhalb Minuten!
ER Wieso ist es dann mal zu hart und mal zu weich?
SIE Ich weiß es n i c h t . . . ich bin kein Huhn!
ER Ach! . . . Und woher weißt du, wann das Ei gut ist?
SIE Ich nehme es nach viereinhalb Minuten heraus, mein Gott!
ER Nach der Uhr oder wie?
SIE Nach Gefühl . . . eine Hausfrau hat das im Gefühl . . .
ER Im Gefühl? . . . Was hast du im Gefühl?
SIE Ich habe es im Gefühl, wann das Ei weich ist. . .
ER Aber es ist hart. . . vielleicht stimmt da mit deinem Gefühl was
nicht. . .
SIE Mit meinem Gefühl stimmt was nicht? Ich stehe den ganzen Tag
in der Küche, mache die Wäsche, bring deine Sachen in Ord-
nung, mache die Wohnung gemütlich, ärgere mich mit den
Kindern rum, und du sagst, mit meinem Gefühl stimmt was
nicht?
ER Jaja. . . jaja . . . jaja . . . wenn ein Ei nach Gefühl kocht, dann
kocht es eben nur zufällig genau viereinhalb Minuten!
SIE Es kann dir doch ganz egal sein, ob das Ei zufällig viereinhalb
Minuten k o c h t . . . Hauptsache, es kocht viereinhalb Minuten!
ER Ich hätte nur gern ein weiches Ei und nicht ein zufällig weiches
Ei! Es ist mir egal, wie lange es kocht!
SIE Aha! Das ist dir egal . . . es ist dir also egal, ob ich viereinhalb
Minuten in der Küche schufte!
ER Nein-nein . . .
SIE Aber es ist nicht egal . . . das Ei muß nämlich viereinhalb Minu-
ten kochen . . .
ER Das habe ich doch gesagt. . .
SIE Aber eben hast du doch gesagt, es ist dir egal!
ER Ich hätte nur gern ein weiches Ei . . .
SIE Gott, was sind Männer primitiv!
ER (düster vor sich hin) Ich bringe sie um . . . morgen bringe ich sie
um . . .

(Aus: „Loriots Dramatische Werke", Diogenes, Zürich)

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7 Die Barke 85 97
H. C. ARTMANN

Herr H a s e n b r e i n u n d d e r F r e m d e n v e r k e h r

Herr Hasenbrein ist ein sprachengewaltiger Mensch. Neben seinem


heimatlichen Wienerisch versteht er es auch, böhmische Lieder zu
singen, Hochdeutsch ist ihm fast ein leichtes, obgleich er recht wenig
in diesem Idiom konversiert, das Englische fällt ihm als Leser von
Max-Brand- und Zane-Grey-Romanen nicht schwer, und Französisch
wie Italienisch beherrscht er ganz passabel, da er während des Krie-
ges in Paris und einige Urlaube im sonnigen Caorle zu Gast war.
Nun, das ist bei uns Wienern keine Seltenheit. Eine Stadt von so
kosmopolitischem Geist muß eben in mancherlei Zungen fertig sein.
Aber bei Herrn Hasenbrein geht die Sache um einen Schritt weiter,
denn immer, wenn der Fremdenverkehr in unserer Stadt mit dem
Sommer zugleich das Bein hebt, zieht der gute Hasenbrein seinen
frischgebügelten Trachtenanzug an, bürstet seine schütteren blonden
Haare mit Hochquellwasser zurück und fährt von Stadlau, dort wohnt
er, in die Innere Stadt. Vor dem Prinz-Eugen-Denkmal zündet er sich
dann eine Virginia an. Eigentlich ist er als Stadlauer ein begeisterter
Donauraucher. Die sind so gut gegen die Gelsen . . .
Aber an solchen Tagen muß es unbedingt eine Virginia sein, da
gibt's keine Würsteln! Kein Wiener ohne Wetschiner!
Herr Hasenbrein ist nämlich Fremdenführer aus Leidenschaft, und
ihm scheint kein Mittel sicherer, Fremde auf sich aufmerksam zu
machen, als das Anrauken seiner Virginiazigarre. Jawohl, schon allein
durch die Prozedur beim Inbrandsetzen dieses Rauchstengels stürzen
die Touristen aus den Reisecars und schaun ihm andächtig zu.
Zuerst zuzelt er fachmännisch das Mundstück der Zigarre, dann hält
er sie in die Sonne, betrachtet sie kritisch wie ein Werkmeister, sagt:
„Sauber", bläst noch einige Stäubchen ab und steckt sie wieder unter
den Schnurrbart. Darauf erwärmt er mit dem brennenden Streichholz
die zu entzündende Spitze, etwa eine Minute lang, und dann zündet er
sie endlich an. Das ist sein gesetzlich geschütztes System . . .
Die staunenden Ausländer umstehen ihn nun wie einen glückbrin-
genden Kleinvulkan und sind vor Ehrfurcht platt. Das aber hat der
listenreiche Hasenbrein nur zu sehr beabsichtigt. Ein Blick
seinerseits, und er weiß: Ami, Engländer, Franzos, Neger, Preuß oder
illustriert von Ironimus
Italiener! Sein Auge ist voller Rassenkunde. Jetzt kann die große
Stunde des Fremdenführers aus Leidenschaft beginnen!
„Yes, yes, a Wetschina. Vienna and Wetschina. I olawäu smoke only
Wetschina. . . You amerigana, yes? No? Aha, daun seids english . . .
Klasse Burschn the English! I like England and my Wetschina. Look
here, this is our Prinz Eischeen. He olawäu smokes Wetschina
like I . . ."
So geht er meistens die Englisch sprechenden Touristen an. Dann
deutet er mit seiner Virginia nach den Gebäuden und Standbildern,
radebrecht dieses und jenes und kommt schließlich mit dem Zauber-
wort „Grinzing" angerückt. . .
„Grinzing! Mamma mia, molto vino, molto musica, molto Hetz . . .
Capisce? Molto Gaudi! Si, si, wea no ned in Grinzing woa, dea hot ka
Aunung von Wean . . . Mit da tramvia Ochtadreiska . . . Trentottotram-
via! Owa wo hea. Goa ned weid is ausse. A viatl, hoewe Schtund
hextns . . . Mezz'ora, niente molto tempo!"
Welcher Fremdling könnte sich solcher Wohlredenheit entziehen?
Herr Hasenbrein bugsiert die aufgeräumte, spannungsgeladene
Reisegesellschaft in die Straßenbahn. Er läßt es sich auch nicht
nehmen, die Fahrscheine auf seine Kosten zu lösen. Das ist Ehrensa-
che. Gast ist Gast!
„Un deux, drois, quat, cinq, six, sept noch Grinzing, Monsieur
S c h a f f n e r . . . Ocht Schdick, waun i bittn darf! Olas meine Freind
doda, tous amis, lauta Barisa, a Nega is a dabei, owa a liawa Mendsch,
a liawa Mendsch. Samma jo ole Mendschn, n'est pas, Monsieur
Schaffna?"
So fährt und führt Herr Hasenbrein seine frischgewonnenen Freun-
de aus aller Welt nach Grinzing hinaus, seine Augen leuchten dabei
wie Viertelliter-Krügerln im Kerzenschein, die kalte Virginia duftet
traulich aus seinem Gilettascherl, und leise summt er liebe, alte
Wiener Weisen, die er gerne jedem Interessenten in die Muttersprache
übersetzt:
My motherl was a Weanerin,
Drum like I Wean so much . . .
oder
Vendete il mio quanto,
lo foro in himmlio ...
„Now, ladies and tschentlemen, you are in Grinzing. Allons zu Hei-
richn! Tutto vino, niente birra, owa a Musi, de wos jedn ins Gmiad
gehd . . . Kummts, Leidin, jetzt gemma boschn!"
Gegen drei Uhr morgens wankt Herr Hasenbrein, beseligt von Gram-
matik und Wein, über die menschenleere Reichsbridge nach Hause.
Drunt in der Lobau wird es schon hell, und die Vögel schreien aus
allen Bäumen und Büschen des Überschwemmungsgebiets.
Ich glaub', der gute Hasenbrein aus Stadlau versteht jetzt sogar alle
Spatzen und Amseln mitsamt dem freundlichen Affen, der ihm sanft
grinsend auf den Schultern hockt.

(Aus: „Im Schatten der Burenwurst", Residenz, Salzburg)

\
BENNETT CERF

Ausfall prämie

In den USA erhalten Farmer vom Staat eine Ausfallprämie, wenn sie
auf die Aufzucht von Schweinen verzichten. Das veranlaßte einen
Farmer, folgenden Brief an das Landwirtschaftsministerium zu
schreiben:
„Sehr geehrte Herren! Mein Freund B. erhielt von Ihnen einen
Scheck in Höhe von $ 1000,- dafür, daß er keine Schweine aufgezo-
gen hat. Daraufhin habe ich beschlossen, auch das Geschäft des
.Keine-Schweine-Aufziehens' zu betreiben.
Können Sie mir bitte mitteilen, welche Schweinesorte man am
besten nicht aufzieht? Ich würde am liebsten keine Hausschweine
aufziehen, bin aber auch bereit, dasselbe mit Berkshires oder polni-
schen Schweinen zu machen.
Wieviel kann ich erwarten, wenn ich zunächst einmal 100 Schweine
nicht aufziehe? Und bleibt der Grundbetrag derselbe, wenn ich meine
Kapazität auf 1000 Schweine erhöhe? Kann ich auch mit einer zusätz-
lichen Überweisung von Ihnen dafür rechnen, daß ich den Mais und
die Gerste, die ich für die Schweine ja nicht gebrauche, auch nicht
anbaue? Bitte, antworten Sie bald, da heuer ein gutes Jahr für das
Nichtaufziehen von Schweinen zu sein scheint.
PS. Bestehen irgendwelche Bedenken, wenn ich neben der Nicht-
Schweine-Zucht mir etwa zwei Schweine halte, damit wir im Herbst
und Winter etwas Schinken und Speck haben?"

(Aus: Erich Kästner (Hrsg.): „Heiterkeit kennt keine Grenzen", Ullstein, Frank-
furt/Main)
EUGEN HELMLE

Beamte sind auch nur M e n s c h e n

SOHN: Papa, Charly hat gesagt, sein Vater hat gesagt, Beamte fahren
auch nicht besser als andere Leute.
VATER: So? Und wo hat Charlys Vater diese Erfahrung gemacht?
SOHN: Weiß ich nicht.
VATER: Der hat doch erst seit ein paar Wochen seinen Führerschein.
SOHN: Nö, Charly sagt, sein Vater hat den Führerschein schon vor
-zig Jahren gemacht.
VATER: Vor -zig Jahren! Überleg doch mal richtig! Charlys Vater ist
höchstens fünfunddreißig. Vielleicht auch etwas älter. Außerdem
hat er sein Auto erst seit kurzem.
SOHN: Deshalb kann er den Führerschein doch schon längst ge-
macht haben.
VATER: Ja sicher. Ist dem auch zuzutrauen, daß er sich ans Steuer
setzt, obwohl er seit Jahrzehnten nicht mehr gefahren ist. Diese
Leute haben ja kein Verantwortungsgefühl! Kein Wunder, daß es so
viele Unfälle gibt.
SOHN: Wieso seit Jahrzehnten? Gerade hast du gesagt, daß Charlys
Vater höchstens fünfunddreißig ist.
VATER: Na und, sind das etwa keine Jahrzehnte?
SOHN: Aber vor achtzehn Jahren kann man gar nicht den Führer-
schein machen.
VATER: Viel zu früh! Wenn es nach mir ginge, nicht vor fünfundzwan-
zig! Dann gäbe es mit Sicherheit weniger rücksichtslose Fahrer.
SOHN: Die Jungen sind nicht allein rücksichtslos.
VATER: Aber meistens.
SOHN nach kurzer Pause: Du Papa, ist das nicht verboten, wenn man
auf der Autobahn ständig auf der Überholspur bleibt?
VATER: Sicher ist das verboten. Und zwar zu Recht!
SOHN: Du bist aber schon eine ganze Weile auf der Überholspur.
VATER: Soll ich vielleicht im Zickzack fahren, mal rechts, mal links?
Du siehst doch, daß alle hundert Meter so eine Schnecke auf der
rechten Spur dahinkriecht. Deshalb bleibe ich gleich links, bis die
Bahn ganz frei ist. Das tue ich aber nicht ständig.
SOHN: Ich meine ja nur, wegen der Straßenverkehrsordnung. Charly
sagt nämlich, gerade Beamte hätten sich an die Vorschriften zu
halten, von wegen Vorbild und so.
VATER: Sieh mal an! Der Beamte wird plötzlich für die Charlys zum
Vorbild! Aber immerhin, wenn sie so einsichtsvoll sind, ist ja noch
nicht jede Hoffnung bei diesen Leuten verloren.
SOHN: Du, Papa, hör doch mal, wie der Flitzer hinter uns hupt.
VATER: Der denkt wohl, er ist schneller als ich. Aber dem werd ich
was husten. Erst überholen wir noch diese beiden lahmen Enten da
vorn, dann geh ich rüber.
SOHN: Der ist ganz schön sauer!
VATER: Ein Sportwagenfahrer! Die halten sich für was Besseres.
SOHN: Weil die halt mehr PS unter der Haube haben.
Das Hupen des Sportwagens wird immer lauter. Der Vater ordnet sich
rechts ein, und der schnelle Flitzer überholt.
SOHN: Du Papa, warum bezahlen Beamte eigentlich weniger für die
Autoversicherung als andere? Charly sagt, das ist ungerecht.
VATER: Weil sie besser fahren, das ist alles.
SOHN: Aber Charlys Vater sagt, daß Beamte gar nicht besser fahren.
VATER: Daß Charlys Vater das sagt, glaube ich gern, aber was der
sagt, ist zum Glück nicht maßgebend.
SOHN: Das sagt aber Charlys Vater nicht allein. Die Versicherungen,
sagt Charly, die sind jetzt auch dahintergekommen, daß Beamte
nicht besser fahren.
VATER: Laß dir doch keinen Bären aufbinden, Junge.
SOHN: Das ist kein Bär. Weil, die Beamten müssen nämlich mehr
bezahlen.
VATER: Moment mal, was ist denn das für eine Logik! Bezahlen sie
nun mehr oder bezahlen sie weniger?
Ich denke, Charlys Vater reißt den Mund auf, weil sie weniger
bezahlen.
SOHN: Ja, weil das ungerecht ist, sagt er, daß ein Arbeiter, der
sowieso schon weniger verdient. . .
VATER: Larifari!
SOHN: Jedenfalls muß ein Arbeiter mehr Geld für seine Autoversiche-
rung bezahlen als ein Beamter, obwohl er bei einem Unfall auch
nicht mehr bekommt.
VATER: Ist das auch von Charlys Vater?
SOHN: Ich glaube. Oder von Charly.
VATER: Dann kannst du deinem überschlauen Charly sagen, daß
auch ein Beamter nichts bekommt, wenn er einen Unfall baut. Die
Autoversicherung ist nämlich eine Haftpflichtversicherung, das
heißt, die Versicherung kommt nur für die Schäden auf, die der
Fahrzeughalter verursacht.
SOHN: Zahlt sie für Beamten-Schäden weniger?
VATER: Nein.
SOHN: Warum bezahlen die dann weniger für die Versicherung?
VATER: Weil Beamte in der Regel weniger Unfälle bauen.
SOHN: Und woher weiß man das?
VATER: Aus der Statistik!
SOHN: Und woher weiß das die Statistik?
VATER: Mann, du kannst einen vielleicht dusselig fragen! Die weiß
das eben!
SOHN: Und warum bauen Beamte weniger Unfälle, in der Regel?
VATER: Weil Beamte überlegter, besonnener, rücksichtsvoller sind,
weil sie die Verkehrsregeln beachten usw. Und das wird ihnen von
den Versicherungen durch einen zwanzigprozentigen Rabatt hono-
riert.
SOHN: Kommt honorieren von Honorar?
VATER: Ja, richtig, das kommt von Honorar.
SOHN: Und dieses Honorar kriegen alle Berufe, die rücksichtsvoll
fahren?
VATER: Wie meinst du das? Rabatt bekommt jeder, der schadensfrei
fährt. Nur Beamte bekommen zusätzlich noch einen Vorausrabatt.
SOHN: Was ist ein Vorausrabatt?
VATER: Das ist der Rabatt, den die Versicherung von vornherein
gewährt, weil sie weiß, daß Beamte besser fahren.
SOHN: Und wenn die Statistik nun sagt, die Friseure oder die Bäcker
bauen weniger Unfälle als die anderen Berufe, bekommen dann alle
Friseure oder Bäcker auch einen zusätzlichen Rabatt?
VATER: Natürlich nicht.
SOHN: Warum dann die Beamten?
VATER: Zum Teufel, das erkläre ich dir doch die ganze Zeit!
SOHN: Mir ist aber nichts klargeworden.
VATER: Jetzt laß mich endlich mal mit deiner Fragerei in Ruhe. Du
siehst doch, daß ich auf den Verkehr achten muß.
SOHN: Ja, ja. Aber jetzt müssen die Beamten mehr bezahlen, sagt
Charly.
VATER: Nur in den Großstädten.
SOHN: Fast 20 Prozent. Dann fahren die Beamten jetzt genauso
schlecht wie alle anderen auch?
VATER: Nein. Sie fahren immer noch besser.
SOHN: Warum müssen sie dann mehr bezahlen?
VATER: Weil die Unfallhäufigkeit gestiegen ist.
SOHN: Von den Beamten?
VATER: Ganz allgemein.
Bei der augenblicklichen Verkehrsdichte vor allem in den Großstäd-
ten kann es vorkommen, daß auch Beamte öfters mal in Schadens-
fälle verwickelt sind.
SOHN: Ich denke, die fahren besser und rücksichtsvoller und so?
VATER: Tun sie auch. An den Beamten liegt es bestimmt nicht.
Sondern daran, daß man jeden Verkehrsrowdy auf die Menschheit
losläßt.
SOHN: Und wer läßt die los?
VATER: Die Behörden.
SOHN: Ich denke, die Behörden sind auch Beamte?
VATER: Behörden sind keine Beamte! Lediglich die Bediensteten
einer Behörde sind Beamte!
SOHN: Sag ich ja!
VATER: Hast du eben nicht gesagt. Du mußt lernen, dich präziser
auszudrücken.
SOHN: Als ob da ein Unterschied wäre.
VATER: Maul nicht.
SOHN: Erst laßt ihr die Rowdies los, dann beklagt ihr euch darüber.
VATER: Wir - wir! Das liegt an den Vorschriften! An die müssen
Beamte sich halten. Die in erster Linie.
SOHN: Und wer macht die Vorschriften?
VATER: Der Gesetzgeber.
SOHN: Wer ist denn das?
VATER: Parlament und Regierung.
SOHN: Und die lassen die Rowdies los?
VATER: Junge, du kriegst mich an den Rand . . .
SOHN: Da sind wieder ein paar hinter uns.
VATER: Wir haben es genauso eilig wie die.

Es ertönt wildes Hupen.

SOHN: Der will vorfahren.


VATER: Soll warten.
SOHN: Das ist aber gegen die Vorschrift.
VATER: Gleich setz ich dich raus.
SOHN: Vorhin hast du gesagt, Beamte müssen sich an Vorschriften
halten. Die in erster Linie.
Es hupt stärker.
VATER: Jetzt erst recht nicht. Was glaubt der denn!
SOHN: Der hat 50 PS mehr als du.
VATER: Die nutzen ihm gar nichts.
SOHN: Jetzt fährt er rechts vorbei!
VATER: Merk dir die Nummer. Den zeige ich an! Merk dir die
Nummer!
SOHN: Kriegst du dafür den Beamtenrabatt?
VATER: Halt endlich deinen vorlauten Schnabel!
SOHN: Wenn alle so sind wie du . . .
VATER: Beamte sind auch nur Menschen.
SOHN: Ob das die Versicherungen wissen?

(Aus: „Papa, Charly hat gesagt. ..", Band 1, Rowohlt, Reinbek)


GEORGE MIKES

Das A u t o , n a c h d e m m a n s i c h s e h n t

Wenige Wochen nachdem ich in England angekommen war - ein


Jahr vor dem Krieg - , beschloß ich, einen Wagen zu kaufen. Das war
ein ziemlich kühner Entschluß, denn ich hatte kein Geld, aber ich war
als Londoner Korrespondent von zwei großen Zeitungen tätig, und so
brauchte ich dringend einen Wagen.
Ich erinnerte mich, daß ich irgendwo im nördlichen London ein
Plakat gesehen hatte: „Größtes Lager an neuen und Gelegenheitswa-
gen. Wir haben Wagen jeder Gattung. Bestimmt finden Sie bei uns
auch Ihren Wagen!" Ich bat einen Freund, mich mit seinem Wagen
dorthin zu fahren. Er besaß ein großes, sehr elegantes, schwarzes
amerikanisches Auto; es war so groß wie eine Lokomotive und beweg-
te sich so geräuschlos wie eine Primaballerina auf den Fußspitzen.
Unser Erscheinen war außerordentlich eindrucksvoll. Der Händler war
gerade damit beschäftigt, einem sanften kleinen Mann sein Lager zu
zeigen, doch unverzüglich rief er einen seiner Angestellten, überließ
ihm den Kunden und kam auf uns zu.
„Ich brauche einen Wagen", sagte ich.
„Sehen Sie sich nur um, Sir", erwiderte er höflich. „Das ist der letzte
Packard, ich kann ihn bestens empfehlen." Der Wagen war eine
Herrlichkeit. Neben ihm wirkte das wunderbare Auto meines Freundes
wie ein Fahrrad aus erster Hand.
Ich stellte einige Fragen, machte einige herabsetzende Bemerkun-
gen und fragte dann nach dem Preis. Es war so ungefähr um zweitau-
send Pfund herum. Ich erklärte, der Wagen sei doch nicht ganz das,
was ich benötigte, und in jedem Fall fände ich den Preis zu hoch.
Immer billigere und billigere Wagen zeigte er mir. Amerikaner für
tausend Pfund, große englische Wagen für sechshundert, kleine engli-
sche Wagen für zweihundert. Nach und nach langten wir bei den
Gelegenheitskäufen zu Preisen zwischen zwanzig und dreißig Pfund
an.
„Ich fürchte, daß das noch immer zuviel für mich ist", meinte ich.
Da wurde er ungeduldig.
„Ja, mein lieber Herr", fragte er von oben herab, „was wollen Sie
denn ungefähr anlegen?"
„Zwei Pfund", sagte ich. Er schaute ein wenig erstaunt drein.
„Ungefähr?"
„Ungefähr", nickte ich. „Das ist das Äußerste."
Eine kleine Pause folgte.
„Ich bedaure außerordentlich", erklärte der Händler hochtrabend,
als ob es sich nicht um Autos, sondern um Pferde gehandelt hätte,
„daß ich Sie überhaupt ernst genommen habe."
„Ich meine, daß eher ich das Recht hätte, das zu sagen", entgegnete
ich gekränkt.
„Sie?"
„Ja, ich. Haben Sie nicht die prahlerischen Plakate aufgehängt, auf
denen behauptet wird, Sie hätten Wagen jeder Gattung?"
Ich wies auf sein Plakat.
„.Bestimmt finden Sie bei uns auch Ihren Wagen!' Das haben Sie
hineingeschrieben. Nun, es tut mir leid, aber meinen Wagen kann ich
hier nicht finden. Und da kann ich nicht umhin - verzeihen Sie, wenn
ich ganz offen rede - , da kann ich nicht umhin, festzustellen, daß Sie
mich hineingelegt haben."
Er konnte kaum ein Wort hervorbringen.
„Ich habe Sie hineingelegt?!"
„Ja! Hineingelegt!"
Sekundenlang sagte er gar nichts. Dann wandte er sich wieder zu
mir.
„Schön, Sir. Das möchte ich nicht auf mir sitzen lassen. Kommen
Sie, bitte!"
Wir kamen in einen Hof, wo es von allerlei Gerümpel wimmelte:
ausrangierten Wagen, rostigen, verstaubten Bestandteilen. In einer
Ecke erblickte ich einen kleinen Gegenstand auf vier Rädern, der nach
gründlicher Besichtigung einem Auto ähnlich zu sehen schien. Es war
ein schäbiges Ding, ohne erkennbare Farbe, obgleich sich an gewis-
sen Spuren merken ließ, daß es einmal braun gewesen sein mochte;
einer der Kotflügel war schwer beschädigt, das rechte Trittbrett fehlte
ganz; zwei Pneus waren platt, ein Fenster zerbrochen, und über dem
Ganzen lagerte dichter Staub.
„Da hätten wir's", verkündete der Händler. „Ihr Wagen!" Ich be-
trachtete das Ding näher, und je näher ich es betrachtete, desto
weniger gefiel es mir. Ich runzelte die Stirne.
„Ist das ein guter Wagen?" fragte ich streng.
„Für diesen Preis ein sehr nettes kleines Fahrzeug", murmelte er
undeutlich.
„Fährt es denn?"
Er schüttelte den Kopf.
„Nein, es fährt nicht."
„Ja, das ist doch entschieden ein Nachteil! Was ist daran nicht in
Ordnung?"
„In Ordnung ist sozusagen nichts!"
Und dann fragte er: „Wollen Sie damit fahren?"
„Wie meinen Sie das?"
„Nun, wollen Sie damit von einem Ort zum anderen gelangen, wie
das Leute mit Wagen zu tun pflegen?"
„Als Zimmerschmuck kann ich es wohl kaum gebrauchen."
Darin gab er mir recht; und dann versprach er mir, binnen einer
Woche werde der Wagen fahrbereit sein.
„Und was kostet das Ding?" fragte ich.
„Zwei Pfund."
„Finden Sie nicht, daß das ein ziemlich übersetzter Preis ist?"
„Ich kann Ihnen auch einen Wagen zeigen, der nur ein Pfund
kostet . . . "
„Nein, nein, ich nehme den hier", sagte ich rasch.
„Vielleicht paßt es Ihnen besser, in Raten zu zahlen?" fragte der
Mann.
„Nein, ich bezahle bar", erwiderte ich nicht ohne einen gewissen
Stolz.
*
Daheim ersuchte ich Mrs. Parsons, die Hausverwalterin, die Garage
zu putzen und mir den Schlüssel zu geben. „Ich habe einen Wagen
gekauft", bemerkte ich lässig. Sie war entsprechend tief beeindruckt
und fragte mich zweimal am Tag, wann der Wagen denn kommen
werde. Sie putzte die Garage, daß alles blitzte, brachte mir ein wenig
braunen Lack - weil ich ihr verraten hatte, der Wagen sei braun
gewesen - und vereinbarte mit einem Mann im Nebenhaus, daß er
jeden Donnerstag am Morgen kommen und den Wagen waschen
solle.
Das war die Zeit, da die erste tschechoslowakische Krise immer
bedrohlicher wurde; in den Londoner Parks wurden Geschütze in
Stellung gebracht, Gasmasken wurden verteilt, und der Krieg war
anscheinend in nächster Nähe. Wir Journalisten mußten vom frühen
Morgen bis in die Nacht hinein hin und her laufen, und so telephonier-
te ich meinem Händler, er möge sich doch mit den Reparaturen
beeilen. Nach fünf Tagen rief er mich an und eröffnete mir, der Wagen
sei bereit, und ich könne ihn holen. Was ich denn auch tat.
Zu meiner größten Überraschung ging der Motor. Es ist wohl wahr,
daß er abschreckende Geräusche von sich gab, aber auch ihnen
lauschte ich mit Vergnügen. Ich setzte meinen Fuß auf den Gashebel,
und der Wagen begann sich langsam zu bewegen. Ich bezahlte meine
zwei Pfund und fuhr mit geschwellter Brust davon.
Bei der ersten Steigung gab es Schwierigkeiten. Der Motor war zu
Beginn ein wenig laut gewesen, sobald ich aber die Steigung nehmen
wollte, wurde der Lärm betäubend. Es tönte wie die Schlacht bei
Waterloo in einem Gewittersturm. Die Leute sahen mich verblüfft und
verängstigt an; mit Grauen und Widerwillen, mit Erheiterung und
Entrüstung. Ich versuchte, gleichgültig dreinzublicken, und fuhr
weiter.
Dann öffnete sich plötzlich die Tür eines Hauses, und zwei ältliche
Damen und drei Männer stürzten heraus. „Ich habe euch doch gesagt,
daß man den Deutschen nicht trauen kann!" schrie einer der Männer
aufgeregt. Die beiden Damen legten die Gasmasken vor das Gesicht,
und im Nu war die ganze Familie in einem Luftschutzkeller ver-
schwunden.
#
Mrs. Parsons stürzte aus dem Haus, als ich ankam, und wollte mich
begrüßen. Doch als sie nur einen Blick auf meinen Wagen geworfen
hatte, blieb sie wie angewurzelt stehn. Da stand sie vor dem Haus, sah
mich an, sah den Wagen an, dann schüttelte sie den Kopf; Tränen
rannen ihr über die Wangen hinunter.
„Bringen Sie ihn zurück", schluchzte sie schließlich.
Ich war empört.
„Was wollen Sie damit sagen?"
„Bringen Sie ihn dorthin zurück, wo Sie ihn her haben", wiederholte
sie. „Ein Gentleman kann so einen Wagen nicht benutzen."
„Der Wagen macht nicht den Gentleman", erwiderte ich ärgerlich.
„Und ich habe nie behauptet, daß ich ein Gentleman bin."
Ich sah, daß sie wirklich tief bewegt war, und so fügte ich einige
Worte des Trostes hinzu.
„Sie dürfen noch kein endgültiges Urteil fällen, Mrs. Parsons. Der
Wagen wird sich schon bessern."
„Bessern?"
„Ja, bessern. Ich werde ihn gut behandeln, ihn in gutem Stand
halten, ich lasse ihn frisch anstreichen, ich werde es mich etwas
kosten lassen, und eines Tages - nun, eines Tages werden Sie ihn
nicht wiedererkennen."
„Das wird ein schöner Tag sein", sagte sie, machte kehrt und ließ
mich stehen.
Die Immatrikulationsnummer des Wagens lautete DUK 305. Zu-
nächst nannten meine Freunde ihn „Ducky" nach den drei Buchsta-
ben, später aber fanden sie, „Duke" - der Herzog - sei ein angemesse-
ner Name.
Und so begannen Duke und ich eine ziemlich stürmische Laufbahn.
Wir wurden unzertrennlich, aber ich mußte doch verschiedene
Tricks lernen, um mit ihm umzugehen.
Mein bester Freund wohnte in der Fitzjohn's Avenue, jetzt aber
kühlte sich unsere Beziehung ab; ich konnte ihn nicht mehr besu-
chen, denn mein Duke weigerte sich, die Steigung zu nehmen. Später
entdeckte ich, daß er kleine Steigungen nehmen konnte - allerdings
im Rückwärtsgang. Die Polizisten sahen mich von der Seite an, und
andere Fahrer waren gar nicht entzückt, als sie sahen, wie ein Wagen
sich umdrehte und rückwärts stieg. Sie hatten immer Angst, der Duke
könnte es sich plötzlich einfallen lassen, hinunterzurollen. Einmal
fragte mich ein Oberstleutnant, der einen großen Bentley lenkte, ob
ich Schwierigkeiten mit meinen Bremsen hätte.
„Ganz im Gegenteil, Sir", erwiderte ich. „Ich habe überhaupt keine
Bremsen."
„Sie spaßen wohl", meinte er. „Wie bringen Sie das Ding denn zum
Stehn?"
„Ach, es bleibt auch ohne Bremsen sehr gut stehn", beruhigte ich
ihn. „Das macht mir die geringste Sorge. Das Problem ist, es zum
Fahren zu bringen."
Die zweite Besonderheit meines Duke war, daß er ungefähr doppelt
soviel Benzin brauchte wie der größte Rolls-Royce; alte Wagen brau-
chen immer mehr Benzin als neue, hier aber war der Hauptgrund darin
zu finden, daß der Benzintank ein kleines Loch hatte, das sich nicht
stopfen ließ.
Der dritte Übelstand war, daß der Lärm - von Anfang an unerträg-
lich - mit jedem Tag schlimmer wurde. Die politische Krise war
zunächst einmal wieder vorüber, und so hielten die Leute meinen
Wagen nicht mehr für einen Luftangriff; aber viel Gefallen fanden sie
noch immer nicht an ihm.
Die vierte Schwierigkeit bestand darin, daß der Duke so mächtige
Rauchwolken von sich gab, daß ich dauernd hinter einem Rauch-
schleier verborgen fuhr - doch das hatte auch wieder seine Vorteile,
denn die Leute konnten mich nicht sehen.
Der fünfte Übelstand war, daß der Anlasser nicht funktionierte, und
nach ein oder zwei Wochen verlor ich auch die Kurbel. So blieb als
letzte Möglichkeit, den Duke zum Fahren zu bringen, daß ich einen
Gang einstellte, dem Wagen einen Stoß versetzte und, wenn dann der
Motor zu dröhnen begann, in den Wagen sprang und weiterfuhr. Zum
Glück war der Wagen so leicht, daß ich ihn sehr bequem schieben
konnte. Anfangs kam es gelegentlich vor, daß der Duke schneller lief
als ich und daß ich ihn nur mit einigen Schwierigkeiten wieder einho-
len konnte. Dann aber lernte ich aufzuspringen wie ein erstklassiger
Akrobat, und nicht selten geschah es, daß die Vorübergehenden mir
herzlich Beifall klatschten.
Wenn ich allerdings aus einem eleganten Hotel kam oder von einem
diplomatischen Empfang und, donnernd wie eine Kanone und
schwarzen Rauch um mich verbreitend, aus dem Gewimmel der herr-
lichsten Wagen herausfuhr, nachdem ich meinen Duke geschoben
hatte und zur größten Verblüffung eines vornehmen Publikums hin-
eingesprungen war, dann weinten die meisten Conciergen vor Scham.
Ich muß auch hinzufügen, daß Mrs. Parsons untröstlich blieb. Mein
Wagen war das Gesprächsthema der Straße, ihre Kolleginnen mach-
ten gehässige Bemerkungen, und zwei Mieter hatten gebeten, man
möge sie doch warnen, wenn ich daran sei, mit meinem Wagen
loszufahren, denn sonst sei dieses Getöse eine allzu große Belastung
für ihre Nerven. Ich fügte mich bereitwillig ihren Wünschen und
versprach sogar, einige Minuten vor meiner Ankunft anzurufen, damit
sie auch davor gewarnt wären. Diese Höflichkeit wurde mit größtem
Dank willkommen geheißen. Mrs. Parsons ging ich aus dem Wege, wo
ich nur konnte; ich wagte nicht, ihr in die Augen zu schauen. Bestän-
dig wiederholte ich:
„Nur den Mut nicht verlieren, Mrs. Parsons . . . eines Tages wird es
schon besser werden . . ."
*
Drei Monate später beschloß ich, mit einem Freund nach Schottland
zu fahren. Er wollte die Fahrkarten bestellen, aber ich erklärte ihm,
Fahrkarten seien überflüssig, da wir doch im Auto fahren würden.
Er wurde bleich wie ein Leintuch. „Im Auto?" stammelte er. „Du
verstehst darunter den Duke?"
„Ich verstehe darunter den Duke; richtig."
„Dann fahre ich nicht mit", verkündete er. „Nicht mit dem Duke; der
explodiert doch."
„Er ist auch bis jetzt noch nicht explodiert."

8 Die Barke '85 113


„Eines Tages wird er es tun. Zudem bin ich selber Schotte und
erachte es als eine Beschimpfung meines Landes, mit dem Duke über
die Grenze zu fahren."
Eine längere Diskussion folgte. Schließlich gab er nach. „Schön. Ich
fahre mit. Einmal muß man ja doch das Zeitliche segnen!"
Er versicherte aber sein Leben auf einen sehr hohen Betrag, und
dann, am nächsten Morgen, brachen wir auf.
*
Es war eine lange Reise, denn der Duke rollte mit einer gewissen
verstockten Würde und weigerte sich, dreißig Meilen in der Stunde zu
überschreiten. Doch am Ende erreichten wir Schottland, ohne unter-
wegs explodiert zu sein. Wir machten in dem malerischen, friedlichen
Dorf Kipford am Solway Firth halt. Es war ein kleiner Ort mit einigen
hundert Einwohnern, zumeist Fischern, und es war sehr ruhig hier;
eine poetische, beinahe feierliche Stille herrschte. Doch diese poeti-
sche, beinahe feierliche Stille wurde von Zeit zu Zeit durch den Duke
unterbrochen, der über die einzige Dorfstraße ratterte.
Nach vierzehn Tagen Ferien packten wir unsere Koffer und traten
die Heimfahrt an. Außerhalb des Dorfes, an einer ebenso reizenden
wie völlig einsamen Stelle, wurden wir von einem Mann angehalten,
der neben einem riesigen Rolls-Royce in Grün und Sahnegelb stand.
Er erklärte uns, seine Batterie sei leer, und er könne nicht anfahren.
Ob wir ihm nicht mit unserem Wagen einen Schubs geben wollten?
Mit einigem Argwohn musterte er den Duke und setzte hinzu, daß er
uns nicht behelligt hätte, wenn ein anderer Wagen auf der Straße
gewesen wäre.
„Es macht mir immer das größte Vergnügen, einem anderen Fahrer
zu helfen, der in Not kommt", versicherte ich ihm hochmütig.
Er stieg ein, ich fuhr mit dem Duke hinter den Rolls-Royce und
schob ihn. Sein Motor ging nach zwei Sekunden an, und langsam
setzte der Wagen sich in Gang. In diesem Augenblick aber explodierte
der Duke. Und wenn ich sage, daß er explodierte, so meine ich, daß er
explodierte. Es gab einen entsetzlichen Krach, und dann saßen wir
plötzlich, von einer mächtigen Rauchwolke umhüllt, am Straßenrand.
Als die Luft wieder klar wurde, sahen wir, daß der Duke in zwei Teile
zerbrochen war. Der Vorderteil lag im Graben, der Hinterteil war
friedfertig auf der Straße stehengeblieben.
Der Mann im Rolls-Royce hielt seinen Wagen an und drehte sich
um.
„Macht er das häufig?" fragte er.
„Sehr selten", erwiderte ich. „Es ist im Grunde das erste Mal."
„Und was wollen Sie jetzt damit anfangen?"
„Ihn liegen lassen."
„Liegen lassen? Wo?"
„Hier! Ich werde auch den Hinterteil des Wagens in den Graben
stoßen, und dann ist's aus. Er war ein sehr guter kleiner Wagen, aber
ich bin doch froh, daß ich ihn loswerde. Ich benutze nie allzulange
denselben Wagen, wissen Sie?"
„Nun, diesen hier werde ich noch weitere fünfzehn Jahre benutzen,
und dann wollen wir sehen."
„Wo fahren Sie hin?"
„Nach London."
„Können Sie uns mitnehmen?"
„Steigt ein!"
Wir räumten das Wrack des Duke in den Graben und verstauten
unsere Koffer im Rolls. Die Nacht verbrachten wir irgendwo im Seen-
gebiet, und am nächsten Tag waren wir wieder in London. Unterdes-
sen hatten wir uns mit dem Besitzer des Rolls schon eng befreundet.
Er hatte keine Zeit, uns heimzubringen, aber er überließ uns seinen
Wagen, damit wir unser Gepäck bis zu unserm Haus fahren könnten.
„Bringen Sie mir ihn aber, bitte, wieder", sagt er. „Und wenn er
explodiert, so lassen Sie ihn nicht im Graben liegen!"
„Nur keine Angst! Wenn er explodiert, rufe ich Sie an." In einer
Viertelstunde waren wir daheim. Mrs. Parsons stand vor der Türe. Sie
musterte den prächtigen grüngelben Rolls-Royce sehr genau, und
dann nickte sie billigend.
„Ja, alles, was wahr ist - er hat sich wirklich gebessert!"

(Aus: „Rot mit weißen Streifchen", Büchergilde Gutenberg, Wien)

8* 115
GIANNI RODARI

Der C o m i c - S t r i p - M ä u s e r i c h

Es war einmal ein Comic-strip-Mäuserich, der war es leid, immer nur


zwischen den Seiten von Comic-Heften für Kinder zu leben. Er wollte
den Papiergeschmack gegen Käsegeschmack eintauschen, also
machte er einen riesigen Satz und befand sich in der richtigen W e l t -
der Welt der echten Mäuse.
„Jiau! Jek!" rief er sogleich, als er eine Katze witterte.
„Was hast du gesagt?" quietschte eine andere Maus, der diese
merkwürdigen Worte rätselhaft vorkamen.
„Splum! Bum! Schmatz!" sagte der Comic-strip-Mäuserich, der nur
die Sprache der Comic-Hefte verstand.
„Er muß ein Türke sein", sagte ein ehrwürdiger Mäuseveteran, der
schon mit dem Schiff über das Mittelmeer gefahren war. Also wünsch-
te er dem Comic-strip-Mäuserich auf türkisch guten Morgen.
Der Comic-strip-Mäuserich schaute ihn verwundert an und antwor-
tete: „Zipp! Zapp! Zupp!"
„Er ist kein Türke", verkündete der Mäuseveteran.
„Was ist er dann?"
„Keine Ahnung."
Also nannten sie ihn „Keine-Ahnung" und behandelten ihn wie
einen Dorftrottel. Sie fragten: „Keine-Ahnung, magst du lieber einfa-
chen Käse oder Gorgonzola?"
„Mmpff! Wusch! Platsch! Jum!" antwortete der Comic-strip-Mäuse-
rich.
All die anderen Mäuse wollten sich ausschütten vor Lachen, und die
klitzekleinste Maus zwickte ihn in den Schwanz, nur um ihn jammern
zu hören: „Jicki! Jacki! Jau!"
Eines schönen Tages gingen sie zusammen auf Jagd in einer Wind-
mühle, in der Hunderte von Mehlsäcken standen. Die Mäuse nagten
Löcher in die Säcke und mampften vor sich hin, und beim Kauen
machten ihre Kiefer „krrck, krrck, krrck", wie Mäusekiefer es zu tun
pflegen, wenn sie kauen. Nicht so der Comic-strip-Mäuserich. Das
Geräusch, das er machte, klang wie „tschomp, tschomp, tschomp,
schmatz".
„Du mußt lernen, anständig zu essen", sagte der ehrwürdige Mäuse-
veteran. „Deine Tischmanieren sind abscheulich. Merkst du denn
nicht, daß du ganz ekelhafte Geräusche machst?"
„Uuch!" sagte der Comic-strip-Mäuserich und nahm sich einen
neuen Sack vor. Da gab der Mäuseveteran den anderen, echten
Mäusen einen Wink, und leise machten sie sich davon und ließen den
armen Comic-strip-Mäuserich mit dem Kopf tief im Mehlsack zurück.
Sie waren sicher, der würde nie den Weg nach Hause finden.
Der Comic-strip-Mäuserich stopfte sich voll, und als er endlich
merkte, daß er allein war, da war es zu dunkel, um nach Hause
aufzubrechen. Er beschloß, die Nacht in der Windmühle zu verbrin-
gen. Er war gerade am Einschlafen, da hörte er leises Füßetappen und
sah zwei gelbe Lichter in der Dunkelheit, wie die Scheinwerfer eines
Autos. O Schreck! Eine Katze!
„Uff! Kreisch!" schrie der Comic-strip-Mäuserich und erschauerte.
„Gruau", antwortete die Katze.
Gott sei Dank! Es war eine Comic-strip-Katze! Die echten Katzen
hatten sie davongejagt, weil sie nicht anständig „miauen" konnte. Die
beiden Ausgestoßenen fielen sich in die Arme und schworen sich
ewige Freundschaft. Und die ganze Nacht unterhielten sie sich in der
merkwürdigen Sprache der Comic-Hefte: „Grrrr! Jiauu! Aark!" -
„Sum! Twiek! Bäng!"

(Aus: Maria Marbach (Hrsg.): „Ueberreuters Grosses Lach- und Schmunzel-


buch", Ueberreuter, Wien)
A. E. FORSCHNERITSCH

W e r h a t d e n n da g e s t o ß e n ?

WER hat da gestoßen?


Der eine: „Was stößn S' denn?"
Der andere: „Wer stößt denn? I stoß? Sö stößn!"
Der eine: „I stoß? Sö stößn! I stoß net".
Der andere, Schriftdeutsch und mit deutlicher Silbentrennung: „Sie
haben mich gestoßen!"
Der eine: „Hörn S', redn S' net so gschwolln daher, i hab' mei
Lebtag no niemand gstößn!"
Der andere: „Na, selber wer i mi stößn! Gschwolln reden scho Sö
daher, mei liaber Freund!"
Der eine: „I bin nöt Ihna liaber Freund!"
Der andere: „I bedankert mi a schö dafür!"
Der eine: „Und i mi a! Sö san in meine Augen gar niemand!"
Der andere: „Und Sö, a Kerl wia um zwa Kreuza gar kaner!"
Der eine: „Hörn S', jetzt schaun S' aber bald, daß S' abfahrn!
Riegeln S' mir net die Gall, sunst können S' so viele Grobheiten habn,
daß Ihna net umzuschaun brauchen!"
Der andere (mit hoheitsvollem Spott): „Sö, da fürcht i mir aber! I
hab' a mei Mäul bei mir und gib eahm net 's ganze Jahr umasunst was
z' fressn, dös werden S' glei hörn!"
Der eine: „Gengan S' zua, Sö gscherte Mapsn! Ihna Alte soll Ihna
daham als Rehhäutel zum Fensterputzen verwenden. Sie soll aber
achtgebn, daß S' ihr nöt ins Misttrücherl kuma, sunst hat s' an Anstand
mitn Mistbauem, weil der so a Gfraßt, wia Sö san, net nimmt!"
Der andere, der jetzt einsieht, daß er bei allem Talent der glänzen-
den Beredsamkeit seines Gegners denn doch nicht gewachsen ist,
verzieht sich jetzt geräuschlos in die Menge.
Der eine (ihm nachrufend): „Pfiat Ihna Gott mit Rosenwasser, daß S'
net stinkert w e m ! Gengan S' hübsch bei der Mauer!"
Dann wendet sich der Sieger aufklärend an seine lachende Zuhörer-
schaft und sagt: „Wissen S', wann ma sie bei so an saugroben Lackl
net mit aller Gwalt zruckhaltert, wurdert ma selber no gemein und
ordinär. Dös gibt's bei mir aber net, so a Mensch bin i!"
(Aus: Maria Marbach (Hrsg.): „Ueberreuters Grosses Lach- und Schmunzel-
buch", Ueberreuter, Wien)
ELFIE DONNELLY

W e i h n a c h t e n mit Großvater

„Wir brauchen kein Weihnachten!"


Mein Großvater schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Der
Kakao in meiner Tasse bildete sofort eine dicke, grausliche Haut -
bah!
Meine Großmutter starrte zur Zimmerdecke hinauf, sie saß zurück-
gelehnt im Sessel, behielt die Hände vor dem Bauch verschränkt und
verzog keine Miene.
Meine Mutter schaufelte mit Nachdruck drei Löffel voll Zucker in
ihren Tee hinein, rührte und rührte und hörte nicht mehr damit auf.
Ich wollte gern weg. So eine Stimmung konnte ich nicht aushalten.
Ich konnte es wirklich nicht. Davon bekam ich Bauchschmerzen und
zittrige Knie und den Drang, unruhig hin und her zu rutschen, und das
wiederum konnte meine Mutter nicht aushalten.
Wie konnte der Großvater sagen, daß wir kein Weihnachten brauch-
ten? Vielleicht brauchte eres nicht, ich brauchte es ganz bestimmt.
Ich brauchte es wegen der Weihnachtslieder und wegen der Küsse,
die nur an diesem Tag in der Familie ausdrücklich gestattet und sogar
erwünscht waren, und ich brauchte Weihnachten auch wegen der
vielen Kekse und der himmlischen Gans, die meine Großmutter mit
viel Liebe und mit Wurzelfüllung zubereitete, und ich brauchte Weih-
nachten, weil eben alle Weihnachten brauchten. Alle. Nur der Großva-
ter nicht.
Daß ich Weihnachten auch wegen der Geschenke brauchte, ver-
steht sich von selbst. Aber viel war mit Geschenken bei uns sowieso
nicht los. Das hatte was mit dem ständigen Geldmangel zu tun. Wir
waren arm.
„Schluß-und-aus, alte Hexe!" sagte der Großvater noch einmal.
Mit der alten Hexe meinte er meine Großmutter. Sie war nie belei-
digt, wenn er sie alte Hexe nannte. Ich glaube sogar, sie war manch-
mal geschmeichelt, denn sie hielt von Hexen und deren Künsten sehr
viel. Die wenigen Bücher, die die Großmutter las, handelten von
Hexen, Hexen vom Mittelalter bis zu Hexen der Gegenwart.
Bis Weihnachten waren es nur noch zwei Tage. Längst standen die
Weihnachtskekse in den großen silbernen Dosen hoch oben auf dem
Schrank. Duftgesichert und nur noch halb verlockend. Vielleicht, weil
sie selber den Keksduft nicht entbehren wollte, backte die Großmutter
weiter und immer weiter, und auch jetzt, zwei Tage vor Weihnachten,
war der Küchentisch mit Mehl bestäubt, und in der Tischmitte thronte
der Teigklumpen, der immer kleiner und kleiner wurde, je häufiger
meine Großmutter sich vom Backort entfernte, um dies und jenes zu
holen. Roher Teig schmeckte mir besser als die fertigen Kekse.
Der Großvater kam durch die Küchtentür. Ich lachte. Er schaute
mich strafend an, und ich lachte weiter. Er hatte sich eine Wäsche-
klammer auf die Nase geklemmt und sah böse auf den Teig und auf
das dampfende Backblech, das zum Abkühlen auf dem Steinfußboden
stand.
„Firlefanz", sagte der Großvater und schlug mit dem Fuß nach dem
Backblech aus.
„Untersteh dich!" fauchte meine Großmutter. Wenn sie so dastand,
die Hände in die Taille gestemmt, den Kopf leicht vorgeschoben und
die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, dann sah sie zum Fürchten
aus.
Mein Großvater wandte sich ab und spielte an der Wäscheklammer
herum. Er verzog das Gesicht, bestimmt taten ihm die Druckstellen
weh.
Die Großmutter schwang den Nudelwalker und rollte wütend den
Teig in alle Richtungen, während der Großvater am Radio herumwer-
kelte und es so laut drehte, daß die Tassen im Schrank zu klirren
begannen.
„Aber essen nachher, das kannst du", schrie die Großmutter ihn an.
„Ksch", zischte der Großvater und kroch fast in den Lautsprecher
hinein. Erschreckt fuhr er zurück, als ihm unvermittelt ein Weih-
nachtslied ins Ohr gegeigt wurde. Er hämmerte verärgert mit dem
Zeigefinger auf den Ausschalteknopf. Der aber klemmte schon seit
langem.
Was für ein Weihnachten!
„Ich kann auch zur Hilde gehen", sagte ich vorsichtig und nahm die
rechte Hand aus dem Teig. Schön sah sie aus, die Teighand.
Die Großmutter backte nicht nur Sterne, Monde, Hasen und Kome-
ten, sie formte auch unsere Hände und Füße aus Teig und backte sie.
Danach malten wir mit Eiweiß die Zehennägel auf.
„Am Heiligen Abend?" sagte meine Großmutter und schaute mich
entsetzt an.
„Ich mein ja nur", sagte ich. „Wenn wir eh nicht feiern zu Hause,
weil der Opa nicht will . . . "
„Hier wird gefeiert!" rief die Großmutter. „Da siehst du's!"
Der Großvater duckte sich ein bißchen und nahm die Wäscheklam-
mer von der Nase. Die Großmutter fuchtelte mit beiden Armen in der
Luft herum.
„Unser eigenes Enkelkind will den Heiligen Abend bei fremden
Leuten verbringen! Es ist ja nur zu verständlich . . .", die Großmutter
holte tief Luft und hob die Stimme noch mehr, „. . . denn hier gibt es ja
keine Weihnachtsstimmung! Und warum, warum, ha?"
Der Großvater holte mit einer Gabel den Schmutz unter seinen
Fingernägeln hervor und starrte einen Zeitungsausschnitt an, den er
vor ein paar Tagen an die Wand geklebt hatte.
„Darum!" sagte die Großmutter, machte ein paar Schritte auf den
Großvater zu und boxte ihm in den Bauch, daß der Großvater zusam-
menfuhr und das Gesicht verzog. „. . . weil der Herr Großvater ein
Kommunist ist! Ein Atheist! Ein - ein . . ."
Der Großmutter wollte nichts mehr einfallen, und ich kannte keins
der beiden Schimpfwörter, die den Großvater hatten zusammenzuk-
ken lassen.
„Was ist ein Kommunist?" fragte ich.
„Einer, der nicht an Gott glaubt", sagte die Großmutter.
„So ein Unsinn, was du dem Kind da wieder erzählst!" rief der
Großvater empört.
„Bist vielleicht keiner?" schrie die Großmutter, und der Großvater
wollte zu einer langatmigen Erklärung anheben. Aber sie schnitt ihm
das Wort ab.
„Kommunist!" fauchte sie. „Und Atheist auch! Jawohl! Alle können
das hören!"
„Was ist ein Atheist?" fragte ich und war froh, das zweite Wort
wiedergefunden zu haben.
„Einer, der nicht an Gott glaubt", sagte die Großmutter und stach
mit der Keksform auf den Teig ein.
„Aber du hast doch grade gesagt, daß das ein Kommunist ist!"
Irgend etwas stimmte da nicht.
„Du mit deiner Kirche!" Der Großvater stellte sich vor die Großmut-
ter, zog den Kopf ein, legte ihn dabei schief und machte eine Grimas-
se. Er faltete die Hände und wollte weiterreden, da schnitt die Groß-
mutter ihm das Wort ab.
„Hör auf!" donnerte sie.
So laut hatte selbst mein Großvater seine Frau noch nie reden
hören. Er verstummte schlagartig. Ich suchte nach einer Möglichkeit,
auf schnellstem Wege und möglichst unauffällig zu verschwinden.
Raus aus der Tür wollte ich, hin zur Hilde. Dort, bei meiner Freundin,
war bestimmt schon die ganze Familie versammelt, die Rumänen und
die Siebenbürger. Und bestimmt sangen und tranken sie schon, und
Hildes Mutter würde schon ganz glänzende Augen haben trotz der
vielen Arbeit. Und der Vater schaufelte bestimmt den dicken Schnee
unten vorm Haus weg und grinste mich verschmitzt an, wie er das
immer tat. Und ich würde zurücklächeln und die Treppe hinauflaufen
und ins Kinderzimmer hinein, und dann würde ich mit der Hilde
zusammen am Klavier den Flohwalzer vierhändig spielen, und wir
würden uns ganz einfach freuen. Und oben, auf dem Schrank, da
würden die eingewickelten Geschenke liegen, die wir immer vier
Wochen vor Weihnachten vom Taschengeld kauften, wenn wir allein
auf die Mariahilferstraße fahren durften . . .
Aber ich konnte nicht weg. Die Großmutter wäre sehr böse gewe-
sen. Ich mußte die eineinhalb Tage noch durchhalten, den Streit und
die schlechte Laune und das traurige Mutter-Gesicht, denn die Mutter
war immer nur traurig, sonst gar nichts.
„Wieso darf ein Kommunist nicht Weihnachten feiern?" fragte ich.
Die Großmutter erklärte mir wieder einmal, daß Weihnachten doch
der Geburtstag vom Christkind sei und das Christkind Gottes Sohn,
und wenn einer nicht an Gott glaube, dann könne er auch nicht ans
Christkind glauben und also auch kein Weihnachten feiern.
„Weihnachten zu feiern verstößt gegen die Moral", sagte der Groß-
vater. Er kaute an einem Keks, den er heimlich vom Backblech genom-
men hatte. Ich hatte es gesehen, ganz genau.
„In Afrika verhungern die Kinder", sagte der Großvater, „wegen
eurem Weihnachten mit den vielen Geschenken."
„Wieso denn das?" Mir blieb ein roher Teigbissen im Hals stecken.
Das konnte doch gar nicht stimmen, daß jemand meinetwegen ver-
hungern mußte. Ganz sicher nicht! Wo ich doch sogar die Pomberger
Susi von meinem Schmalzbrot abbeißen lasse, dachte ich, wenn sie
hungrig ist.
„Die Güter der Welt sind nicht gerecht verteilt", sagte der Großvater.
„Wir haben viel, die anderen haben nix."
Die Großmutter unterbrach ihn schon wieder. „Verschon uns, ver-
schon uns!" sagte sie ungehalten. „Sei dankbar, daß es uns gutgeht.
Wir haben schon zwei Kriege mitgemacht, und jetzt ist grad alles
ruhig, und du betest schon wieder einen Umsturz herbei mit deinen
Umverteilungsideen . . ."
„Soll die Menschheit also verhungern, oder was?" rief mein Großva-
ter aufgebracht.
Ich versuchte nicht mehr hinzuhören. Die Stimmen wurden lauter
und lauter und dann, endlich, ging der Großvater hinaus und warf die
Tür hinter sich zu. Erschöpft schaute die Großmutter auf die ausgesto-
chenen Kekse auf dem Küchentisch, und dann lauschte sie. Neues
Leben kam in sie, sie stürzte zur Tür und lief dem Großvater hinterher.
„Karl, du wirst doch nicht!" rief sie angstvoll.
Gespannt war ich ihr nachgelaufen.
„Natürlich!" rief der Großvater und bebte vor Wut. „Ich steh zu
meiner Überzeugung und du zu deiner!"
Er hatte aus dem Bücherschrank im Eßzimmer ein rotes Tuch
herausgeholt. Er rollte es aus. Es war eine große rote Fahne.
„Karl, nein!" Die Großmutter zerrte am Großvater-Ärmel.
Unerbittlich öffnete der Großvater das Fenster und ließ die Fahne im
Wind wehen, der Schnee stob herein und legte sich auf den Teppich,
dann zerging der Schnee.
Der Großvater holte Luft und fing zu singen an „Avanti popolo,
bandiera rossa, bandiera rossa, bandiera rossa! Avanti popolo,
bandiera rossa . . ."
Meine Großmutter war im Sessel zusammengesunken und hatte die
Hände vors Gesicht geschlagen.
„Nein, nein", wimmerte sie leise, „warum er mir das nur antut! Diese
Blamage!"
Ich verstand gar nichts! Ich fand es herrlich. Der Großvater sang so
schön, wie ich ihn noch nie hatte singen hören, so laut und kraftvoll
und inbrünstig, und seine Augen leuchteten dabei, und seine Nasen-
spitze wurde immer röter, weil mit dem Schnee auch die Kälte ins
Zimmer kam. Ich lehnte mich neben dem Großvater aus dem Fenster
und versuchte mitzusingen. Ich las ihm den fremdländischen Text von
den Lippen und sang dann auch „Avanti popolo - Vorwärts, Volk! Die
rote Fahne weht!"
Ein paar Leute unten auf der Straße deuteten herauf, einige lachten
und winkten, andere tippten sich vielsagend an die Stirn.
Die Großmutter weinte.
„Aber Giserl!" sagte der Großvater plötzlich ganz weich, zog fast
schamhaft die rote Fahne ein und kniete sich vor die Großmutter. „So
hab ich das doch nicht gemeint!" Die Großmutter schluchzte auf und
sah den Großvater sehr trotzig an. Ich ging hinaus. Ich ging zur Hilde,
zum Flohwalzerspielen und zum Weihnachtsstimmungtanken und um
mich über meine verrückten Großeltern auszujammern.
Am 24. Dezember schien Waffenstillstand zu herrschen. Keiner
sprach über Weihnachten, und nur der Umstand, daß ich ein ungefähr
zwei Meter hohes, nach oben spitz zulaufendes verschnürtes Paket an
der Gartentür hatte lehnen sehen, stimmte mich zuversichtlich -
irgendwie würden wir den Heiligen Abend schon feiern.
Noch um fünf Uhr verkündete der Großvater, er werde diesen Abend
selbstverständlich einsam in seinem Zimmer verbringen, um die
deutschsprachigen Sendungen von Radio Moskau zu hören. Wenn
wir, die Restfamilie, das Fest der Kapitalisten unbedingt feiern muß-
ten, bitte schön. Aber ohne ihn.
Der Baum war wunderschön geschmückt, meine Mutter hatte wie-
der alle ihre Kräfte dafür aufgeboten, und unterm Baum lag ein
Päckchen, das sehr nach „Elektro-Kontakt" aussah, so wie's auf
meinem Wunschzettel gestanden hatte. Meine Mutter bekam von mir
die jährlich in der Farbe wechselnden gehäkelten Topflappen, die
Großmutter beschenkte ich mit einem Bild, das sie in ihrer Küche
unter einem Keksberg zeigte, und der Großvater, d e r . . . der war ja in
seinem Zimmer. Und die in Geschenkpapier eingewickelte Zeichnung
stand immer noch unterm Weihnachtsbaum.
„Das Christkind ist weg, du kannst herauskommen!" schrie ich
durchs Schlüsselloch in sein Zimmer. Der Großvater öffnete, er sah
etwas müde aus.
„Kalt ist es heute", sagte er und tat, als wäre gar nichts.
Er rieb die Hände aneinander, versuchte, den Weihnachtsbaum mit
den brennenden Kerzen zu übersehen, und fragte: „Was gibt's denn
zu essen heute?"
„Opa, das ist für dich!" sagte ich und deutete auf die Rolle.
Er kam mir ein bißchen verlegen vor, als er sie unterm Baum
hervorangelte. Er gab sich sehr große Mühe, die Zweige nicht zu
berühren.
„Für mich?" fragte er und wickelte aus. Er entrollte das Bild und
hielt es mit ausgestreckten Armen von sich weg. „Schön!" sagte er
überzeugt. „Und sehr gut getroffen!"
Ich hatte versucht, ihn und mich zu zeichnen, wie wir die rote Fahne
aus dem Fenster halten. Aus unseren Mündern kommen viele Noten.
Als Bildüberschrift hatte ich gewählt: „Opa ist ein Gomunist!"
Meine Mutter lächelte den Großvater unsicher an. Die Großmutter
verbiß sich das Lachen nur mit Mühe, dann sah sie den Großvater
herausfordernd an und sagte: „Und jetzt singen wir .Stille Nacht,
Heilige Nacht'."
„Nein, nein, nein!" Der Großvater hob abwehrend die Hände, aber
ich stellte mich neben ihn, die Mutter setzte sich ans Klavier, die
Großmutter hatte leuchtende Augen, und dann fingen wir an zu
singen. Ich glaube, wir sangen alle ganz schön falsch. Der Großvater
hatte die Augen geschlossen und die Lippen aufeinandergepreßt. Ich
nahm ihn an der Hand, und da machte er die Augen wieder auf. Bei der
zweiten Strophe begann sein Mund sich leicht zu bewegen, und die
dritte Strophe sang er schließlich lauthals mit.
„Na, Karl? Du Atheist!" rief die Großmutter und lachte den Großva-
ter an, auf dessen Wange eine Träne glänzte.
Verärgert wischte er sie weg, schubste meine Mutter beinah vom
Klavierhocker, erhob sich noch einmal, riß die Fenster auf, kehrte ans
Klavier zurück, setzte sich hin und haute derart in die Tasten, daß das
alte Klavier fast wimmerte.
„Avanti popolo, bandiera rossa, bandiera rossa!" sang er, und ich
sang mit, und die Großmutter wußte nicht, ob sie lachen oder weinen
sollte. Sie ging hinaus in die Küche, denn es roch schon sehr nach
Gans mit Wurzelfüllung . . .

(Aus: Barbara Homberg (Hrsg.): „Wenn Weihnachten kommt", Oetinger, Ham-


burg)
Quelleriverzeichnis

Artmann, H. C.: „Herr Hasenbrein und der Fremdenverkehr" aus „Im Schatten
der Burenwurst", Residenz, Salzburg und Wien.
Busch, Wilhelm: „Die Affen"aus „Gesamtwerk in 6 Bänden" Xenos, Hamburg.
Cerf, Bennett: „Ausfallprämie" aus „Heiterkeit kennt keine Grenzen" (Hrsg.:
Erich Kästner), Ullstein, Frankfurt/Main.
Donnelly, Elfie: „Weihnachten mit Großvater" aus „Wenn Weihnachten kommt"
(Hrsg.: Barbara Homberg), Oetinger, Hamburg.
Erhardt, Heinz: „Moderne Sinfonie" und „Der Geiger" aus „Das große Heinz
Erhardt Buch", Fackelträger Verlag, Hannover.
Forschneritsch, A. E.: „Wer hat denn da gestoßen?" aus „Ueberreuters Großes
Lach- und Schmunzelbuch" (Hrsg.: Maria Marbach), Ueberreuter, Wien.
Goscinny, Rene: „Typen auf der Schulbank" aus „Prima, prima, Oberprima",
Rowohlt, Reinbek.
Guareschi, Giovannino: „Die Taufe"aus „Don Camillo", Otto Müller, Salzburg.
Heimle, Eugen: „Beamte sind auch nur Menschen" und „Hausarbeit ist keine
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stanz", Langen Müller, München.
Kishon, Ephraim: „Wie man ein Buch bespricht, ohne es zu lesen" aus „Arche
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Lang, Othmar Franz: „Wegen Bankraubes geschlossen" aus „Die Erfindungen
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Lobe, Mira: „Wie man sich interessant machen kann" aus „Im Fliederbusch das
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Manzoni, Carlo: „Der Haustorschlüssel" aus „Rot mit weißen Streifchen",
Büchergilde Gutenberg, Wien.
Merz, Carl/Qualtinger, Helmut: „Hamlet" oder „Der Schwierige" (Josefstädter
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Mikes, George: „Das Auto, nach dem man sich sehnt" aus „Rot mit weißen
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Nöstlinger, Christine: „Streng - strenger- am strengsten" aus „Menschenge-
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gramm Beltz & Gelberg.
Paul, Johannes: „Warum mein Papa nie schlank werden wird" aus „Mein
unverbesserlicher Papa", Annette Betz, Wien.
Qualtinger, Helmut: „Travnicek im Schuhgeschäft" aus „Qualtingers beste
Satiren", Fischer, Frankfurt/Main.
Rodari, Gianni: „Der Comic-Strip-Mäuserich" aus „Ueberreuters Großes Lach-
und Schmunzelbuch" (Hrsg.: Maria Marbach), Ueberreuter, Wien.
Roth, Eugen: „Bücher" aus „Ein Mensch", Buchgemeinschaft Donauland,
Wien.
Slezak, Leo: „Press Work" aus „Meine sämtlichen Werke", Rowohlt, Reinbek.
Tucholsky, Kurt: „An das Publikum" aus „Ausgewählte Werke, Band II",
Rowohlt, Reinbek.
Valentin, Karl: „In der Apotheke" aus „Das große Karl-Valentin-Buch", Piper,
München.
Wiener, Hugo: „Das Werbefernsehen" aus „Krokodile fliegen nicht", Langen
Müller, München.

In den Text eingestreute Witze und Cartoons aus „Cartoons, Witze, Scherzfra-
gen" (Hrsg.: Dieter Dambach), Cartoons von Detlef Kersten, Otto Maier,
Ravensburg.
Wir danken allen Verlegern und Autoren für die freundliche Förderung
unseres Vorhabens und bitten sie, eventuelle Errata bei der Quellenangabe zu
entschuldigen.

9 Die Barke '85 129

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