Den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit bildeten ein religionsge-
schichtliches und ein literaturgeschichtliches Problem. Neuere religionsgeschichtliche Untersuchungen zur syrisch-kanaanä- ischen Religion hatten gezeigt, daß der im Ugarit des 2. Jahrtausends als höchster Gott begegnende El diese Stellung im 1. Jahrtausend in der phönizischen und aramäischen Religion nicht mehr einnahm. Damit korrespondiert das Ergebnis neuerer atl. Forschungen, die aufwiesen, daß auch f ü r die israelitische Religion, der Gott El des 2. J a h r t a u s e n d s keine Rolle mehr spielt. Angesichts dieser Sachlage ist es nicht mehr möglich, in den Pfaden der gängigen religionsgeschicht- lichen Arbeit am AT zu verbleiben und zu behaupten, JHWH sei in Israel an die Stelle des G o t t e s El getreten, um somit das Bild J H W H s als des höchsten G o t t e s mit Zügen des aus Ugarit bekannten El a u f z u f ü l l e n . Da nun aber die syrisch-kanaanäische Religion des 1. J a h r t a u s e n d s mit Ba c alsamem eine neue Gestalt des höchsten Gottes hervorbrachte, s t e l l t e sich die Frage, ob und in welchem Maße JHWH in seiner Stellung als höchster Gott von der Gestalt des Ba c al- samem beeinflußt wurde. Unter literaturgeschichtlichem Aspekt hatte sich aufgrund einer Reihe einschlägiger Untersuchungen des in die israelitische J H W H - Religion rezipierten kaaanäischen Materials eine Datierung dieser Rezeption in die exilisch-nachexilische Zeit ergeben. Die meist übliche Frühdatierung wurde an der "Jerusalemer Kulttradition" mittels der Gestalt des El Elyon festgemacht, dem die jüngere religions- und literaturgeschichtliche Arbeit allerdings längst die Basis entzogen hat. Einen e r s t e n Anknüpfungspunkt auf der Suche nach einem Modell aus der syrisch- kanaanäischen Religion f ü r JHWHs Aufstieg zum höchsten Gott b o t die in der Religion der Juden von Elephantine und im AT a n z u t r e f f e n d e Bezeichnung JHWHs als "Gott des Himmels",
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die das hebräische Pendant zum Ba c alsamem darstellt. Dieser hatte
sich im Verlauf des 1. Jahrtausends an die Spitze der phönizischen und aramäischen Religion g e s t e l l t und galt somit als der höchste G o t t par excellence in der syrisch-kanaanäischen Religion des 1. J a h r - tausends. Hinsichtlich der Bezeichnung J H W H s als "Gott des Himmels" in Elephantine und im AT fiel auf, daß sie vorwiegend, wenn auch nicht ausschließlich im Kontakt mit Nichtjuden verwendet wurde, so daß hiermit der jüdische Anspruch auf J H W H s Stellung als höchster Gott unterstrichen wurde. Innerhalb der jüdischen Glaubensgemein- schaft, die J H W H als den höchsten und teilweise auch als den einzigen G o t t anerkannte, wurde er seltener als "Gott des Himmels", sondern häufiger als Ϊ'Π1?!*? angesprochen. Eine Anzahl von Indizien zeigte, daß die Titel "Gott des Himmels" und in einem Korres- pondenzverhältnis zueinander stehen. Was die zeitliche Ansetzung der atl. IT^y - Belege angeht, so finden sich diese e r s t in nachexilischer Zeit und damit in derselben Zeit, in der J H W H als "Gott des Himmels" angesprochen wird. Auch hieran wird das Korrespondenzverhältnis beider Titel ersichtlich. Inhaltlich dient der Titel JT^y zur Äußerung von H e r r s c h a f t s - und Unvergleich- lichkeitsaussagen. Eine weitere inhaltliche Ausgestaltung der mit dem Titel IT"1?!^ gesetzten Vorstellung vom höchsten Gott erfolgt durch die Einbeziehung mythischer Motive im Kontext der Verwendung des Titels j r ' W . Hierbei treten im einzelnen auf: Der himmlische Thronrat, der Götterberg, Schöpfung und Chaoskampf und der Sonnengott. Die mythischen Motive entstammen dem Repertoire des höchsten G o t t e s in der syrisch-kanaanäischen Religion, sind aber im Laufe ihrer Rezeption in Israel eigenständig verarbeitet und auf unterschiedliche Weise auf J H W H als den höchsten Gott bezogen worden. Beim Thema des himmlischen Thronrats liegt eine deutliche Analogie zwischen J H W H s Stellung als höchster unter allen Göttern und der Stellung des Ba c alsamem in den Panthea der syrisch-kananäischen Religion vor. Anders ist die Übernahme der weiteren Motivkomplexe verlaufen, die z.T. nicht nur auf den Ba c alsamem zurückgehen. Der Götterberg dient der Aufwertung JHWHs, vor allem an den Stellen, die den Zion als Saphon bezeichnen und somit JHWH als den wahren höchsten G o t t herausstellen. Beim Thema der Schöpfung und des Chaoskampfes zeigte sich, daß im syrisch-kanaanäischen Bereich der
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h ö c h s t e G o t t zwar vor dem S c h ö p f e r g o t t rangiert, aber nur in wenigen
Fällen selber als S c h ö p f e r g o t t angesehen wird. Demgegenüber b e s t a n d in Israel a n g e s i c h t s der exilisch-nachexilischen Rezeption der S c h ö p f e r - g o t t v o r s t e l l u n g die Notwendigkeit, im Monotheismus den höchsten G o t t und den S c h ö p f e r g o t t miteinander zu identifizieren. Dasselbe gilt f ü r den Bereich der Solarisierung des höchsten G o t t e s : Teilweise wurde der Ba c alsamem in der syrisch-kanaanäischen Religion solarisiert, teilweise s t a n d der S o n n e n g o t t direkt an seiner Seite. In Israel hingegen k o n n t e J H W H keinen S o n n e n g o t t neben sich haben, weshalb er selber die Funktionen des S o n n e n g o t t e s bis zur Identifikation mit diesem auf sich zog. Bei einer Rückkehr zu den religions- und literaturgeschichtlichen A u s g a n g s p u n k t e n der Arbeit ergaben sich auf dem Hintergrund der Analysen zum Thema des höchsten G o t t e s im I. J a h r t a u s e n d in der syrisch-kanaanäischen Religion und in Israel sowie zu den damit v e r k n ü p f t e n Motivkomplexen f o l g e n d e Ergebnisse. Religionsgeschichtlich s t e l l t e sich die Rede von der "Jerusalemer Kulttradition" als nicht mehr haltbar heraus. Grundsätzlich war bei der Frage nach der Rezeption mythischen Gutes in die israelitische Religion ein Paradigmenwechsel zu berücksichtigen, d e m z u f o l g e die israelitische Religion auf einer kanaanäischen Matrix a u f r u h t und sich auf dieser Grundlage herausgebildet hat. Diese kanaanäische Grundlage der israelitischen Religion kommt bedingt durch die K a t a - s t r o p h e des U n t e r g a n g s und die phönizische Unterwanderung J u d a s in exilisch-nachexilischer Zeit wieder zum Tragen. Literaturgeschichtlich waren bei der Ausgestaltung des Bildes J H W H s als des höchsten G o t t e s drei Momente zu berücksichtigen. Als e r s t e s mußten die Archaisierungstendenzen im zeitgenössischen Ägypten und Mesopotamien, deren Auswirkungen auch in Israel zu registrieren waren, in Betracht gezogen werden. Allerdings ließ sich in diesem Z u s a m m e n h a n g eine Rezeption außerisraelitischen mythischen Materials nicht nachweisen. Weiter half dagegen das Moment der "Rache des Mythos", mit welchen sich zeigen ließ, wie b e s t i m m t e theologische Aussagen, gerade in einer monotheistischen Religion nur auf mythische Art und Weise zu t r e f f e n sind. JHWH wäre ohne Rekurs auf mythi- sche Sprache nicht als der höchste G o t t d a r s t e l l b a r gewesen. Hinzu- t r i t t , daß in einer monotheistischen Religion alles göttliche Handeln auf einen H a n d l u n g s t r ä g e r k o n z e n t r i e r t werden muß, insofern ein
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Entkommen aus dem mythischen Sprach- und Denkbereich nicht
möglich ist. Daß man andererseits diesem Bereich auch nicht unbe- dingt aus dem Weg gehen wollte, zeigt das Moment des literarischen Paganismus, der in poetischer Freiheit Gestalten und Aspekte des israelitischen Religion in den Bereich des heidnischen Glaubens trans- ponierte.
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