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Kapitel 10

J H W H der höchste Gott

Den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit bildeten ein religionsge-


schichtliches und ein literaturgeschichtliches Problem.
Neuere religionsgeschichtliche Untersuchungen zur syrisch-kanaanä-
ischen Religion hatten gezeigt, daß der im Ugarit des 2. Jahrtausends
als höchster Gott begegnende El diese Stellung im 1. Jahrtausend in
der phönizischen und aramäischen Religion nicht mehr einnahm.
Damit korrespondiert das Ergebnis neuerer atl. Forschungen, die
aufwiesen, daß auch f ü r die israelitische Religion, der Gott El des 2.
J a h r t a u s e n d s keine Rolle mehr spielt. Angesichts dieser Sachlage ist
es nicht mehr möglich, in den Pfaden der gängigen religionsgeschicht-
lichen Arbeit am AT zu verbleiben und zu behaupten, JHWH sei in
Israel an die Stelle des G o t t e s El getreten, um somit das Bild
J H W H s als des höchsten G o t t e s mit Zügen des aus Ugarit bekannten
El a u f z u f ü l l e n . Da nun aber die syrisch-kanaanäische Religion des 1.
J a h r t a u s e n d s mit Ba c alsamem eine neue Gestalt des höchsten Gottes
hervorbrachte, s t e l l t e sich die Frage, ob und in welchem Maße
JHWH in seiner Stellung als höchster Gott von der Gestalt des Ba c al-
samem beeinflußt wurde.
Unter literaturgeschichtlichem Aspekt hatte sich aufgrund einer
Reihe einschlägiger Untersuchungen des in die israelitische J H W H -
Religion rezipierten kaaanäischen Materials eine Datierung dieser
Rezeption in die exilisch-nachexilische Zeit ergeben. Die meist
übliche Frühdatierung wurde an der "Jerusalemer Kulttradition"
mittels der Gestalt des El Elyon festgemacht, dem die jüngere
religions- und literaturgeschichtliche Arbeit allerdings längst die Basis
entzogen hat.
Einen e r s t e n Anknüpfungspunkt auf der Suche nach einem Modell
aus der syrisch- kanaanäischen Religion f ü r JHWHs Aufstieg zum
höchsten Gott b o t die in der Religion der Juden von Elephantine
und im AT a n z u t r e f f e n d e Bezeichnung JHWHs als "Gott des Himmels",

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224 Zusammenfassung

die das hebräische Pendant zum Ba c alsamem darstellt. Dieser hatte


sich im Verlauf des 1. Jahrtausends an die Spitze der phönizischen
und aramäischen Religion g e s t e l l t und galt somit als der höchste
G o t t par excellence in der syrisch-kanaanäischen Religion des 1. J a h r -
tausends. Hinsichtlich der Bezeichnung J H W H s als "Gott des Himmels"
in Elephantine und im AT fiel auf, daß sie vorwiegend, wenn auch
nicht ausschließlich im Kontakt mit Nichtjuden verwendet wurde, so
daß hiermit der jüdische Anspruch auf J H W H s Stellung als höchster
Gott unterstrichen wurde. Innerhalb der jüdischen Glaubensgemein-
schaft, die J H W H als den höchsten und teilweise auch als den
einzigen G o t t anerkannte, wurde er seltener als "Gott des Himmels",
sondern häufiger als Ϊ'Π1?!*? angesprochen. Eine Anzahl von Indizien
zeigte, daß die Titel "Gott des Himmels" und in einem Korres-
pondenzverhältnis zueinander stehen.
Was die zeitliche Ansetzung der atl. IT^y - Belege angeht, so finden
sich diese e r s t in nachexilischer Zeit und damit in derselben Zeit, in
der J H W H als "Gott des Himmels" angesprochen wird. Auch hieran
wird das Korrespondenzverhältnis beider Titel ersichtlich. Inhaltlich
dient der Titel JT^y zur Äußerung von H e r r s c h a f t s - und Unvergleich-
lichkeitsaussagen. Eine weitere inhaltliche Ausgestaltung der mit
dem Titel IT"1?!^ gesetzten Vorstellung vom höchsten Gott erfolgt
durch die Einbeziehung mythischer Motive im Kontext der Verwendung
des Titels j r ' W . Hierbei treten im einzelnen auf: Der himmlische
Thronrat, der Götterberg, Schöpfung und Chaoskampf und der
Sonnengott. Die mythischen Motive entstammen dem Repertoire des
höchsten G o t t e s in der syrisch-kanaanäischen Religion, sind aber im
Laufe ihrer Rezeption in Israel eigenständig verarbeitet und auf
unterschiedliche Weise auf J H W H als den höchsten Gott bezogen
worden.
Beim Thema des himmlischen Thronrats liegt eine deutliche Analogie
zwischen J H W H s Stellung als höchster unter allen Göttern und der
Stellung des Ba c alsamem in den Panthea der syrisch-kananäischen
Religion vor. Anders ist die Übernahme der weiteren Motivkomplexe
verlaufen, die z.T. nicht nur auf den Ba c alsamem zurückgehen. Der
Götterberg dient der Aufwertung JHWHs, vor allem an den Stellen,
die den Zion als Saphon bezeichnen und somit JHWH als den wahren
höchsten G o t t herausstellen. Beim Thema der Schöpfung und des
Chaoskampfes zeigte sich, daß im syrisch-kanaanäischen Bereich der

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Zusammenfassung 225

h ö c h s t e G o t t zwar vor dem S c h ö p f e r g o t t rangiert, aber nur in wenigen


Fällen selber als S c h ö p f e r g o t t angesehen wird. Demgegenüber b e s t a n d
in Israel a n g e s i c h t s der exilisch-nachexilischen Rezeption der S c h ö p f e r -
g o t t v o r s t e l l u n g die Notwendigkeit, im Monotheismus den höchsten
G o t t und den S c h ö p f e r g o t t miteinander zu identifizieren. Dasselbe
gilt f ü r den Bereich der Solarisierung des höchsten G o t t e s : Teilweise
wurde der Ba c alsamem in der syrisch-kanaanäischen Religion solarisiert,
teilweise s t a n d der S o n n e n g o t t direkt an seiner Seite. In Israel
hingegen k o n n t e J H W H keinen S o n n e n g o t t neben sich haben, weshalb
er selber die Funktionen des S o n n e n g o t t e s bis zur Identifikation mit
diesem auf sich zog.
Bei einer Rückkehr zu den religions- und literaturgeschichtlichen
A u s g a n g s p u n k t e n der Arbeit ergaben sich auf dem Hintergrund der
Analysen zum Thema des höchsten G o t t e s im I. J a h r t a u s e n d in der
syrisch-kanaanäischen Religion und in Israel sowie zu den damit
v e r k n ü p f t e n Motivkomplexen f o l g e n d e Ergebnisse.
Religionsgeschichtlich s t e l l t e sich die Rede von der "Jerusalemer
Kulttradition" als nicht mehr haltbar heraus. Grundsätzlich war bei
der Frage nach der Rezeption mythischen Gutes in die israelitische
Religion ein Paradigmenwechsel zu berücksichtigen, d e m z u f o l g e die
israelitische Religion auf einer kanaanäischen Matrix a u f r u h t und
sich auf dieser Grundlage herausgebildet hat. Diese kanaanäische
Grundlage der israelitischen Religion kommt bedingt durch die K a t a -
s t r o p h e des U n t e r g a n g s und die phönizische Unterwanderung J u d a s in
exilisch-nachexilischer Zeit wieder zum Tragen.
Literaturgeschichtlich waren bei der Ausgestaltung des Bildes J H W H s
als des höchsten G o t t e s drei Momente zu berücksichtigen. Als e r s t e s
mußten die Archaisierungstendenzen im zeitgenössischen Ägypten
und Mesopotamien, deren Auswirkungen auch in Israel zu registrieren
waren, in Betracht gezogen werden. Allerdings ließ sich in diesem
Z u s a m m e n h a n g eine Rezeption außerisraelitischen mythischen Materials
nicht nachweisen. Weiter half dagegen das Moment der "Rache des
Mythos", mit welchen sich zeigen ließ, wie b e s t i m m t e theologische
Aussagen, gerade in einer monotheistischen Religion nur auf mythische
Art und Weise zu t r e f f e n sind. JHWH wäre ohne Rekurs auf mythi-
sche Sprache nicht als der höchste G o t t d a r s t e l l b a r gewesen. Hinzu-
t r i t t , daß in einer monotheistischen Religion alles göttliche Handeln
auf einen H a n d l u n g s t r ä g e r k o n z e n t r i e r t werden muß, insofern ein

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Entkommen aus dem mythischen Sprach- und Denkbereich nicht


möglich ist. Daß man andererseits diesem Bereich auch nicht unbe-
dingt aus dem Weg gehen wollte, zeigt das Moment des literarischen
Paganismus, der in poetischer Freiheit Gestalten und Aspekte des
israelitischen Religion in den Bereich des heidnischen Glaubens trans-
ponierte.

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