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19.

5 Thoraxverletzungen

fig Hirnmetastasen setzt, wird zusätzlich eine prophylak- Zange Tumorgewebe abgetragen oder durch einen Ballon
tische Bestrahlung des Schädels vorgenommen. oder einen Stent eine Stenose dilatiert (geweitet) werden.
Beim nichtkleinzelligen Karzinom (NSCLC) können Zy- Neben diesen mechanischen Verfahren gibt es auch noch
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tostatika die operative Behandlung ergänzen. Je nach Tu- thermische Bronchoskopieverfahren (z. B. Laser, Kryothe-
moreigenschaften kann zusätzlich die Chemotherapie rapie und die fotodynamische Therapie) zur Behandlung
prä- wie auch postoperativ indiziert sein. Eine Heilung ist von Tumorkomplikationen.
durch alleinige Polychemotherapie jedoch nicht zu erzie-
len. ▶ Psychosoziale Betreuung. Viele Patienten mit einem
Lungenkarzinom weisen bereits zum Diagnosezeitpunkt
▶ Zielgerichtete medikamentöse Therapie. Bei nicht- Fernmetastasen auf. Mehr als die Hälfte dieser Patienten
kleinzelligen Karzinomen kann eine zielgerichtete medi- verstirbt innerhalb von 12 Monaten.
kamentöse Therapie hilfreich sein, um das Krebswachs-
tum zu reduzieren. In den letzten Jahren entdecken
Wissenschaftler immer mehr Angriffspunkte in den Pflegepraxis
Z

Tumorzellen. Zum einen kann durch entsprechende
Medikamente das Tumorwachstum gehemmt (z. B. durch Beratung. Patienten mit Lungenkrebs in fortgeschritte-
Tyrosinkinasehemmer) oder die Durchblutung des T- nem Stadium brauchen eine frühe individuelle Beglei-
umors beeinträchtigt werden (z. B. durch Angiogenese- tung und Betreuung. Gemeinsam mit dem Sozialdienst
hemmer). der Klinik vermitteln Sie Patienten an psychoonkologi-
▶ Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR). Auf sche Beratungsstellen und organisieren die anschlie-
der Oberfläche der Tumorzellen findet sich dieses Eiweiß, ßende palliative Versorgung.
das beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom so verändert Palliative Pflege. Das Wohlbefinden des Patienten
(mutiert) ist, dass es ständig Wachstumssignale erhält. steht beim palliativen Ansatz im Vordergrund. Daher ste-
Somit wächst der Tumor. Die Mutationen kommen bei ca. hen pflegerische Maßnahmen im Vordergrund, die den
15 % der Lungenkarzinome vor, überwiegend bei Adeno- Schmerz und mögliche Atemnot lindern.
karzinomen. Tyrosinkinasehemmer (z. B. Erlotinib, Gefiti- Weitere Informationen finden Sie auch im Kap. 19.7.
nib) können die epidermalen Wachstums-Rezeptoren
blockieren.
▶ Anaplastische Lymphomkinase (ALK). Eine Chromo-
somenveränderung des ALK-Proteins kann ebenfalls zu
einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Diese 19.5 Thoraxverletzungen
Patienten profitieren von einer Behandlung mit ALK-Inhi-
Burkhard Paetz
bitoren wie dem Tyrosinkinasehemmer Crizotinib. Dieser
genetische Defekt tritt bei 5 % der Patienten mit Adeno-
Man unterscheidet das (häufigere) stumpfe = geschlossene
karzinomen auf, typischerweise bei jungen Patienten, die
Thoraxtrauma, das durch Kontusion (Prellung) entsteht,
nie geraucht haben.
vom (seltenen) offenen = perforierenden Thoraxtrauma,

Zusatzinfo ●V
Prognose. Patienten mit Lungenkrebs, deren Tumoren
das Folge einer Brustkorberöffnung durch Stich, Schuss
o. Ä. ist.
Meistens handelt es sich um polytraumatisierte Patien-
ten mit gleichzeitigem Bauchtrauma, Schädel-Hirn-Trau-
sich durch chromosomale EGFR-Mutationen oder ALK- ma oder Frakturen. Begleitverletzungen wie der Hämato-
Translokationen auszeichnen, können von der zielgerich- thorax oder der Pneumothorax treten häufig auf.
teten medikamentöse Therapie enorm profitieren. Die
Therapie kann die Überlebensrate verdreifachen, aber
nur in Kombination mit anderen Behandlungsverfahren.
19.5.1 Rippenfraktur

Definition
L

▶ Immuntherapie. Obwohl das Lungenkarzinom nicht
als immunogene Erkrankung gilt, sind Immuntherapeuti- Der Rippenbruch stellt die häufigste Thoraxverletzung
ka bei einigen Lungenkrebsen wirksam. Die wenig belas- dar (▶ Abb. 19.5). Sind mehr als 3 benachbarte Rippen
tende antikörperbasierte Behandlung wird bevorzugt bei gebrochen, so spricht man von einer Rippenserienfrak-
der palliativen Therapie von Patienten mit Metastasen tur.
eingesetzt.

▶ Interventionelle bronchoskopische Therapie. Bron- ▶ Ursache. Rippenbrüche entstehen durch direkte Ge-
choskopische Behandlungen erfolgen mit palliativer Ziel- walteinwirkung (Kontusion) auf die Thoraxwand (Schlag,
setzung bei Tumorkomplikationen (z. B. Stenose der Tra- Stoß, Aufprall).
chea, Blutungen, Fistelbildung zum Ösophagus). Dabei
kann über die Luftröhre mithilfe einer endoskopischen

295
Atmungsorgane

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Inspiration Exspiration
a Spontanatmung

Abb. 19.5 Rippenfraktur. Man sieht den Rippenbruch


(Pfeil). Zusätzlich besteht ein Hämothorax (*).
Inspiration Exspiration
b Respiratorbehandlung
▶ Symptome. Im Vordergrund steht der atemabhängige,
im Frakturbereich lokalisierte Schmerz. Er entsteht durch Abb. 19.6 Instabiler Thorax.
Bewegung des Bruchspalts, wobei die Fragmente am a Bei Spontanatmung gibt die frakturierte Thoraxwand
schmerzempfindlichen Periost oder an der Pleura „scheu- dem Druckgradienten nach und bewegt sich durch den
ern“. Die Schmerzen halten 3–4 Wochen an, danach ist inspiratorischen Sog des Zwerchfells nach innen, wäh-
die Knochenheilung durch Kallusbildung so weit voran- rend der Exspiration nach außen (paradoxe Atmung).
geschritten, dass sich Fragmente bei der Atmung nicht b Bei der Respiratorbehandlung erfolgt die Inspiration
mehr gegeneinander verschieben. durch passive Lungenaufblähung (PEEP) über die Be-
atmungsmaschine, womit das „Eindellen“ der Thorax-

Pflegepraxis
Z
● wand während der Einatmung verhindert wird (innere
Schienung).

Schmerz. Die isolierte Fraktur einer einzelnen Rippe ist


als solche harmlos. Bei älteren Menschen kann die
schmerzbedingte Schonatmung jedoch die Entwicklung ▶ Therapie. Die Fraktur einzelner Rippen bedarf keiner
einer Pneumonie begünstigen. Daher spielt ein adäqua- speziellen Behandlung. Um das Durchatmen zu erleich-
tes Schmerzmanagement eine zentrale Rolle. tern, werden Analgetika verabreicht und physikalische
Atemtherapie verordnet. Patienten mit Rippenserienfrak-
tur sollten wegen der Gefahr einer respiratorischen Insuf-
fizienz stationär beobachtet werden.
▶ Instabiler Thorax. Bei einer Rippenserienfraktur be- ▶ Therapie beim instabilen Thorax. Der instabile Thorax
steht die Gefahr, dass die Stabilität der Thoraxwand be- mit paradoxer Atmung geht häufig mit einer schwerwie-
einträchtigt wird (instabiler Thorax), insbesondere wenn genden respiratorischen Insuffizienz einher, die eine Intu-
Stückfrakturen vorliegen. Beim instabilen Thorax bewegt bation mit kontrollierter Beatmung erfordert (Kap. 10.3).
sich der frakturierte Bereich bei der Inspiration durch den Das Beatmungsgerät (Respirator) erzeugt bei der Inspira-
intrathorakalen Sog nach innen, während sich der übrige tion einen erhöhten Beatmungsdruck, der das „paradoxe“
Brustkorb bei der Einatmung hebt. Diese entgegengesetz- Einsinken des Frakturbereichs verhindert. Dieses Thera-
te Bewegung der Fragmente bezeichnet man als paradoxe pieverfahren beim instabilen Thorax wird auch als innere
Atmung (▶ Abb. 19.6a). Schienung bezeichnet (▶ Abb. 19.6b).

▶ Diagnostik. Die Röntgenübersichtsaufnahme des Tho-


rax (▶ Abb. 19.5) zeigt die Frakturen und gibt Aufschluss 19.5.2 Pneumothorax
über Begleitverletzungen wie Hämatothorax oder Pneu-
mothorax. Ein „knöcherner Hemithorax“ ist ein spezielles
Röntgenbild, das die knöchernen Läsionen des halben Definition
L

Brustkorbs speziell belichtet. Auch ein CT diagnostiziert
Als Pneumothorax (kurz „Pneu“) bezeichnet man eine
die Knochenbrüche. Es ist aber teuer und ergibt eine hohe
Luftansammlung in der Pleurahöhle. Voraussetzung ist
Strahlenbelastung. Eine Blutgasanalyse kann Aufschluss
eine Verletzung des Brustfells (Pleura).
über eine mögliche respiratorische Insuffizienz geben.

296
19.5 Thoraxverletzungen

▶ Ursache und Einteilung. Die häufigste Ursache eines


Pneumothorax ist die Rippenfraktur. Man unterscheidet
dabei:
19
● innerer (= geschlossener) Pneumothorax mit den

Sonderformen:
○ Spontanpneumothorax
○ Spannungspneumothorax
● äußerer (= offener Pneumothorax).

▶ Innerer (= geschlossener) Pneumothorax. Bei Rippen-


brüchen mit Verschiebung (Dislokation) der Fragmente Inspiration Exspiration
kann ein Bruchstück nach innen vorstehen und die bei-
den Pleurablätter durchspießen. Dadurch wird das Lun- Abb. 19.8 Spannungspneumothorax. Inspiration: Luft wird
genparenchym verletzt („angeritzt“). Luft strömt aus den in die Pleurahöhle gesaugt. Exspiration: Das Pleuraleck
Atemwegen in die Pleurahöhle. Die elastische Lunge kol- verschließt sich wie ein Ventil; dabei nimmt die Luftmenge
labiert (▶ Abb. 19.7). in der verletzten Pleurahöhle mit jedem Atemzug zu, was zu
Ein innerer Pneumothorax kann auch bei der Punktion einer fortschreitenden Verschiebung der Mediastinalorgane
der V. subclavia, z. B. im Rahmen einer ZVK-Anlage, auf- zur gesunden Gegenseite führt.
treten. Durch ungewollte Verletzung der Lungenspitze
(Pleurakuppel) mit der Punktionsnadel wird eine Verbin-
dung zwischen Atemwegen und Pleurahöhle geschaffen.
▶ Spontanpneumothorax. Wenn ein Pneumothorax die gesunde Lunge eingeengt oder (seltener) die obere
ohne traumatische Einwirkung entsteht, spricht man von und untere Hohlvene abgeknickt, sodass ein Versagen der
Spontanpneumothorax. Er entsteht besonders bei jünge- Atmung und des Kreislaufs droht.
ren Menschen durch Platzen einer angeborenen peripher
gelegenen Blase (Bulla) im Lungengewebe, anlässlich
eines Hustenstoßes oder einer plötzlichen Bewegung, Pflegepraxis
Z

manchmal auch ohne jeglichen erkennbaren Anlass.
Notfallmaßnahmen. Der Spannungspneumothorax ist
▶ Spannungspneumothorax. Im Gegensatz zum „nor-
ein akut lebensbedrohlicher Notfall, der die sofortige
malen“ Pneumothorax ist das Pleuraloch nicht ständig
Drainage der Pleurahöhle erfordert.
offen, da die Weichteile der Lunge einen ventilartigen V-
erschluss der Pleuraverletzung während der Ausatmung
(▶ Abb. 19.8) bewirken. Bei jeder Inspiration gelangt hin-
gegen Luft in die Pleurahöhle, die bei Exspiration nicht ▶ Äußerer (= offener) Pneumothorax. Bei perforierender
entweichen kann. Die Luftansammlung nimmt also mit Thoraxverletzung (offene Wunde durch Stich oder
jedem Atemzug an Volumen zu und setzt die Pleurahöhle Schuss) strömt die Luft von außen in die Pleurahöhle und
unter „Spannung“. Folge ist ein totaler Kollaps der gleich- wird mit den Atemexkursionen hin und her bewegt
seitigen Lunge mit Verschiebung des Mediastinums (Herz (▶ Abb. 19.9). Die Mediastinalorgane (Herz und große Ge-
und große Gefäße) zur Gegenseite. Dadurch wird auch fäße) folgen den Atembewegungen der gesunden Thorax-
wand, was man als Mediastinalflattern bezeichnet. Ein
Teil der Atemluft gelangt nicht mehr nach außen, sondern

Inspiration Exspiration

Abb. 19.9 Äußerer Pneumothorax. Inspiration: Luft in die


Pleurahöhle gesaugt. Dabei wird Atemluft in den gesunden
Lungenflügel herübergezogen. Das Herz verlagert sich zur
Abb. 19.7 Innerer Pneumothorax. Das die Lunge über- gesunden Seite. Exspiration: Luft entweicht und der kranke
ziehende Brustfell ist eingerissen, sodass Luft vom Bron- Lungenflügel kann sich etwas ausdehnen. Die Atemluft wird
chialbaum in die Pleurahöhle austritt. Der gleichseitige dabei nicht komplett abgeatmet, sondern „pendelt“ zum
Lungenflügel zieht sich dann seiner Eigenelastizität folgend Teil in den kranken Lungenflügel zurück (Pendelluft). Das
zusammen. Herz verlagert sich zur verletzten Seite (Mediastinalflattern).

297
Atmungsorgane

wird (für die Atmung ineffektiv) zwischen beiden Lun-


genflügeln ausgetauscht (Pendelluft). Der äußere Pneu ist
19 viel seltener als der innere.

▶ Diagnostik. Der Pneumothorax kann durch Auskulta-


tion (fehlendes Atemgeräusch) diagnostiziert werden.
Dennoch wird immer eine Röntgenaufnahme des Thorax
angefertigt, in der sich der lufthaltige Pneu als Aufhellung
(fehlende Lungenzeichnung) darstellt (▶ Abb. 19.10).
Abb. 19.11 Hautemphysem. Typische Schwellung der
Augenlider durch Luftansammlung.
▶ Symptome. Patienten mit einem Pneumothorax leiden
an Atemnot (Dyspnoe). Oft bestehen atemabhängige
Schmerzen, auch wenn keine Rippenfrakturen zugrunde
liegen. und des Skrotums. Trotz des eindrucksvollen Bildes ist
ein Hautemphysem meistens harmlos und bildet sich von

Pflegepraxis
Z
● allein zurück.
Auch nach Weichteilverletzungen oder Hautinzisionen
(z. B. zum Legen einer Bülau-Drainage) kann ein Hautem-
Lagerung. Zur Unterstützung der Atmung sollten Sie Pa- physem auftreten. Gelangt die Luft in den Mittelfellraum,
tienten möglichst aufrecht positionieren. Zudem können so spricht man von einem Mediastinalemphysem.
Sie die Arme mit Kissen unterlagern, hierdurch kann die
Atemhilfsmuskulatur besser eingesetzt werden. ▶ Therapie. Die Behandlung eines Pneumothorax besteht
im Absaugen der Luft aus dem Pleuraraum, damit sich die
kollabierte Lunge wieder entfalten kann. Dies geschieht
Der Spannungspneumothorax geht mit schwerster respi- durch Legen einer Thoraxsaugdrainage (Kap. 7.5.2). Der
ratorischer Insuffizienz (Zyanose) und Kreislaufsympto- Sog wird bei 15–20 cm H2O eingestellt. Nach Legen der
matik (Schock) einher. Drainage erfolgt eine Röntgenkontrolle, um die korrekte
▶ Hautemphysem. Gelangt vom Ort der Pleuraverlet- Position der Drainage und die Lungenentfaltung zu kon-
zung aus Luft in das Unterhautfettgewebe, so kann sich trollieren. Innerhalb weniger Tage verkleben beide
dieses stark aufblähen. Diese Erscheinung nennt man Pleurablätter, sodass die Ursache des Pneumothorax be-
Hautemphysem. Oft sind der gesamte Körperstamm und hoben ist und die Drainage nach nochmaliger Röntgen-
der Kopf betroffen, besonders ausgeprägt zeigt sich die kontrolle gezogen werden kann. Das ist meist nach 3–5
Luftaufblähung im Bereich der Augenlider (▶ Abb. 19.11) Tagen der Fall.

Zusatzinfo ●V
Konservative Therapie. Wenn ein Pneumothorax nur ge-
ring ausgeprägt ist, kann er konservativ behandelt wer-
den. Voraussetzung dafür ist, dass die Lunge nicht völlig
kollabiert, sondern nur gering zusammengeschrumpft
ist.

* Der Spannungspneumothorax verlangt die sofortige Ent-


lastung, noch vor Anfertigung einer Röntgenaufnahme.
Notfallmäßig kann der Arzt die Pleurahöhle mit einer di-
* cken Kanüle im 2. oder 3. Interkostalraum punktieren,
womit die unter Überdruck stehende Luft aus dem Pleu-
raraum entweichen kann. Diese einfache Maßnahme
führt zu schlagartiger Befundbesserung. Baldmöglichst ist
jedoch eine Bülau-Drainage mit Dauersog zu legen.
Der Spontanpneumothorax wird bevorzugt thorakosko-
pisch behandelt. Nach primärer Drainage erfolgt die En-
doskopie der Pleurahöhle. Der ursächliche Lungenbezirk
Abb. 19.10 Pneumothorax. Das Röntgenbild zeigt den (Bulla) wird mit einem Klammernahtgerät (Endostapler)
kollabierten rechten Lungenflügel, wobei die Grenze reseziert und luftdicht verschlossen.
zwischen Lungenparenchym und Pneumothorax typischer-
weise nur als feine Linie erkennbar ist (Pfeile). In der leeren
Pleurahöhle (*) fehlt das Lungengewebe.

298
19.5 Thoraxverletzungen

Fallbeispiel ●
I
Spontanpneumothorax. Peter zieht zum Studieren nach
turbereich kommt es zur Gefäßeröffnung, wobei die In-
terkostalgefäße die häufigste Blutungsquelle darstellen.

▶ Symptome. Das in die Pleurahöhle laufende Blut be-


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Berlin. Der 24-Jährige bekommt dabei Hilfe von seinen hindert die Lungenentfaltung. Bei stärkerem Blutverlust
Freunden. Beim Anheben einer schweren Kiste fühlt er (innere Blutung) kommen Schocksymptome hinzu (Hypo-
plötzlich einen stechenden Schmerz im rechten Brust- volämie mit Blässe, Druckabfall, Pulsanstieg, siehe Kap.
korb. Peter wird kreidebleich und muss sich hinsetzen. Er 12.2.4). Bei anhaltender Blutung ist der Hämatothorax
bekommt kaum noch Luft, kann nur oberflächlich atmen ohne Therapie lebensbedrohlich.
und hat starke Schmerzen. Seine Freunde bringen ihn in
die nahe gelegene Klinik. Es wird eine Röntgenaufnahme
des Thorax durchgeführt. Dabei zeigt sich ein Pneumo-
Pflegepraxis
Z

thorax rechts mit Luft in der Pleurahöhle (▶ Abb. 19.10).
In örtlicher Betäubung legt der Arzt in der Ambulanz Beobachtung. Patienten mit einem Hämatothorax ha-
eine Bülau-Drainge zwischen 4. und 5. Rippe ein. Diese ben meist starke Schmerzen aufgrund der Rippenfraktu-
Drainage mit kontrolliertem Sog erzeugt einen Unter- ren und leiden häufig unter einer ausgeprägten Dys-
druck in der Pleurahöhle, saugt also die Luft ab, damit pnoe.
sich die kollabierte Lunge wieder entfalten kann. Peter
wird auf der IMC-Station überwacht. Es geht ihm aber
schon viel besser. Er kann fast normal durchatmen. Das ▶ Diagnostik. Klinisch findet sich bei Auskultation ein
Pflegepersonal beobachtet, dass in den ersten 6 Stunden abgeschwächtes Atemgeräusch, bei Perkussion eine
kontinuierlich kleine Luftblasen im Wasserschloss der Dämpfung. Zur Diagnostik erfolgen eine Röntgenaufnah-
Bülau-Drainage aufsteigen. Es wird also ständig Luft aus me und ein CT.
Peters Pleuraspalt abgesaugt. Das ursächliche Leck in der
Lunge ist also noch nicht verschlossen. Die Röntgenkon- ▶ Therapie. Der Arzt legt eine Bülau-Drainage (S. 114),
trolle zeigt aber eine voll entfaltete Lunge mit korrekter um das Blut aus der Pleurahöhle zu entfernen. Meistens
Lage der Drainage. In der Nacht kann die Pflegekraft kei- kommt die Blutung von selbst zum Stillstand, was man an
ne Luftbläschen mehr beobachten und der Sog ist mit dem verringerten Drainagenverlust erkennen kann.
15 cm Wassersäule stabil. 2 Tage später wird die Draina- Klinische Veränderungen (Blutdruck, Puls, Atemfre-
ge nach einer Röntgenkontrolle gezogen und ein luft- quenz, Blutgase) geben weitere Hinweise auf eine fort-
dichter Salbenverband aufgeklebt. Am nächsten Tag darf dauernde Blutung. Engmaschige Hämoglobin-Bestim-
Peter nach Hause. mungen sind immer erforderlich.
Die Ärzte haben Peter erklärt, dass er einen „Spontan-
Pneu“ hatte, der typischerweise bei jüngeren Männern
durch Platzen einer angeborenen Blase an der Lungen-
Pflegepraxis
Z

spitze entsteht (▶ Abb. 19.8). Der Riss in der Lunge ist
unter der Drainagebehandlung von allein verklebt. Es be- Beobachtung. Die Drainage und die Förderungsmenge
steht jedoch eine hohe Wahrscheinlichkeit (30–50 %), müssen besonders in den ersten Stunden engmaschig
dass er in den nächsten Jahren erneut einen Spon- kontrolliert werden:
tanpneumothorax erleidet. Dann müsste man die ur- ● Fördert die Thorax-Drainage mehr als 1000 ml Blut in-

sächliche Lungenblase (Bulla) operativ entfernen, was nerhalb der ersten 2 Stunden, so muss bei einer Tho-
heute „minimalinvasiv“ gemacht wird (thorakoskopische rakotomie die Blutungsquelle ausfindig gemacht wer-
Lungenkeilresektion). den.
● Kommt es zu einem (abrupten) Stillstand der Blutung,

so kann auch die Drainage verstopft sein. Sie können


die Durchgängigkeit der Drainage durch gelegentli-
ches „Ausmelken“ fördern (▶ Abb. 7.18).
19.5.3 Hämatothorax

Definition
L

Als Hämatothorax bezeichnet man jede Blutansamm-
19.5.4 Lungenkontusion
lung in der Pleurahöhle.
Definition
L

▶ Ursache. Abgesehen von Nachblutungen bei Thorax- Als Lungenkontusion bezeichnet man die traumatische
operationen entsteht der Hämatothorax traumatisch, wo- Quetschung des Atmungsorgans mit respiratorischer In-
bei intrathorakale Gefäßverletzungen zur Blutung in den suffizienz. Die pathophysiologischen Vorgänge ähneln
Pleuraraum führen. Fast immer findet man gleichzeitig weitgehend denen der Schocklunge (S. 165). Beide
Rippenfrakturen. Durch die Weichteilzerreißung im Frak- Krankheitsbilder zeigen fließende Übergänge.

299
Atmungsorgane

▶ Ursache. Die Lungenkontusion entsteht im Rahmen


eines stumpfen Thoraxtraumas, wobei zusätzliche Verlet- linke A. subclavia
19 zungen anderer Organsysteme häufig sind (Polytrauma, gedeckte Ruptur
siehe Kap. 12.9).
falsches Aneurysma
(Hämatom)
▶ Symptome. Die Quetschung des Lungenparenchyms
führt zu einem weitgehenden Funktionsverlust des Or-
gans. Folge ist eine hochgradige respiratorische Insuffi- Gefäßwand
zienz (S. 291) mit unzureichender Sauerstoffsättigung
(Hypoxie).

▶ Diagnostik. Häufig finden sich gleichzeitig Rippenfrak-


turen, ein Hämato- oder Pneumothorax sowie andere
Verletzungen, die zur Schädigung der Lunge führen. Ein
CT ist immer erforderlich.

▶ Therapie. Das Thoraxtrauma mit Lungenkontusion er-


fordert wegen der hochgradigen respiratorischen Insuffi-
Abb. 19.12 Traumatische thorakale Aortenruptur. Der
zienz fast immer die Intubation und künstliche Beatmung
Riss in der Brustschlagader entsteht direkt unter der linken
über mehrere Tage auf der Intensivstation. In leichteren
A. subclavia. Wenn das austretende Blut abgekapselt wird,
Fällen kann bei ausreichender Spontanatmung und eng-
entsteht ein falsches Aneurysma durch das Hämatom.
maschigen Blutgasanalysen abgewartet werden.

Z

Pflegepraxis
Infektionsprophylaxe. Die geschädigte Lunge ist extrem
pneumoniegefährdet, weshalb dem Patienten prophy-
Zusatzinfo
Aneurysma. Bei der unfallbedingten Ruptur der Aorta
●V
laktisch Antibiotika verabreicht werden. Zusätzlich sind entsteht ein falsches Aneurysma (Aneurysma spurium).
pflegerische Maßnahmen zur Pneumonieprophylaxe Bei der unfallunabhängigen Ruptur der Aorta liegt ein
durchzuführen (z. B. sorgfältige Mundpflege, Oberkör- echtes Aneurysma durch degenerativ bedingte Aus-
perhochlagerung, Absaugen von Atemsekret). sackung der Gefäßwand zugrunde (Kap. 31.4).

▶ Symptome. 80 % der Verletzten verbluten am Unfallort.


In 20 % ist das Leck durch einen Thrombus und/oder Pleu-
19.5.5 Traumatische Aortenruptur ra tamponiert, sodass die Blutung (zumindest vorüber-

Definition
L
● gehend) steht.

▶ Diagnostik. Die Blutansammlung um die Aorta ist


Als traumatische Aortenruptur bezeichnet man den un- röntgenologisch als Mediastinalverbreiterung auffällig
fallbedingten Einriss der Hauptschlagader. Diese Gefäß- und muss durch CT weiter abgeklärt werden.
verletzung tritt aus anatomischen Gründen nur im Brust-
korb auf (falsches Aneurysma). ▶ Therapie. Um der drohenden freien Ruptur vorzubeu-
gen, ist die unverzügliche Behandlung dringlich. Das Leck
wird bevorzugt durch Implantation eines Endografts
(prothesenbeschichteter Stent) abgedichtet, der von der
▶ Ursache. Eine traumatische Autorenruptur entsteht in-
Leiste unter Röntgendurchleuchtung bis in die thorakale
folge eines Aufpralls (Dezelerationsbewegung) des Brust-
Aorta vorgeschoben wird. Wenn dieses minimalinvasive
korbs mit hoher Geschwindigkeit, wenn extreme Scher-
Verfahren nicht einsetzbar ist, erfolgt die offene Thorako-
kräfte auf die Brustaorta wirken. Der akute Riss der Aor-
tomie mit Übernähung der Aortenwand oder Interposi-
tenwand entsteht typischerweise an der deszendierenden
tion einer Kunststoffprothese, was ohne Herz-Lungen-
thorakalen Aorta unterhalb des Abganges der linken Arm-
Maschine möglich ist.
arterie (A. subclavia) an der Stelle, wo die Aorta durch das
Lig. arteriosum fixiert ist (▶ Abb. 19.13). Nur wenn die
Blutung durch umgebendes Gewebe (mediastinale Pleu-
ra) abgedeckt ist, kann der Patient den Unfall und den
Transport in eine Klinik überleben.

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