Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Management von
Biogas-Projekten
Rechtliche, technische und
wirtschaftliche Aspekte
Jörg Böttcher
Heikendorf, Deutschland
Springer Gabler
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die
nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung
des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikro-
verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Weltweit sind Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit mehreren krisenhaften Ent-
wicklungen konfrontiert – den Auswirkungen der abklingenden Finanz- und Wirt-
schaftskrise, der Schuldenkrise der EU und der USA, dem globalen Klimawandel
und einer seit den Unglücksfällen von Fukushima neuerlich angefachten Dis-
kussion über eine nachhaltige Energieversorgung. Die Krisen gehen an die Wurzeln
der gegenwärtigen Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen westlicher Prägung,
haben erhebliche volkswirtschaftliche Auswirkungen und stellen die Frage nach
einer Überwindung tradierter Strukturen.
Löst man sich von der übergeordneten politischen Dimension der erneuer-
baren Energien und betrachtet ihre Teilsegmente, so stellt man fest, dass sie sich
in unterschiedlichen Entwicklungsphasen befinden, was wiederum mit ihrer
Marktintegration und politischen Förderung korrespondiert. Onshore-Wind-
energie, Photovoltaik-Kraftwerke und Biogas-Vorhaben sind mittlerweile etablierte
Formen, während sich Offshore-Windenergie und solarthermische Kraftwerke in
einer frühen Marktphase befinden. Angesichts der umfangreichen bereits getätigten
Investitionen in die beiden letztgenannten Bereiche kann aber erwartet werden, dass
auch sie vor einem deutlichen Marktwachstum stehen. Wir wollen uns in dieser
Abhandlung mit dem Teilsegment der Biogaserzeugung beschäftigen, das in den
letzten Jahren durch ein kontinuierliches Wachstum insbesondere in Deutschland
getragen wurde.
Bei all der Fach- und Medienpräsenz der erneuerbaren Energien ist ein Aspekt
erstaunlich: Im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien wird nur sehr selten
das Thema ihrer Umsetzung angesprochen. Stattdessen fokussiert sich die Dis-
kussion zumeist auf einzelne Themenfelder wie ihre politischen, ökologischen
und technischen Aspekte. Eine zusammenhängende Darstellung der rechtlichen,
technischen und wirtschaftlichen Aspekte, die gleichermaßen erfüllt sein müssen,
damit ein Biogas-Vorhaben realisiert werden kann, liegt bislang nicht vor. Dies mag
damit zusammenhängen, dass Biogas-Vorhaben erst seit wenigen Jahren Größen-
ordnungen erreicht haben, die sie für Kapitalgeber interessant machen und sich in
einer jungen Branche im Anschluss an die Bewährtheit der Technik rechtliche und
wirtschaftliche Standards erst etablieren müssen.
V
VI Vorwort
Dieses Buch ist aus der Wahrnehmung entstanden, dass es eines gemein-
samen Verständnisses und konzertierten Vorgehens von Vertretern aus Technik,
Recht und Wirtschaft bedarf, um ein Biogasvorhaben zu realisieren. Daher wird in
dieser Publikation der Weg beschritten, verschiedene Experten aus den genannten
Bereichen zu Wort kommen zu lassen, so dass in der Gesamtschau vermittelt wird,
welche Aspekte bei der Realisierung von Biogasprojekten zu beachten sind.
Der Anspruch dieser Publikation ist zum einen aufzuzeigen, welche technischen
und rechtlichen Voraussetzungen zum derzeitigen Zeitpunkt erfüllt sein müssen,
um ein Biogasprojekt über die Finanzierungsmethode einer Projektfinanzierung zu
realisieren. Dabei muss man sich zunächst bewusst sein, dass sich insbesondere die
Technik ständig dynamisch weiterentwickelt und die rechtlichen Rahmendaten auf
die Marktgegebenheiten reagieren, so dass Biogasprojekte insbesondere während
der Planungs- und Realisierungsphase dynamisch und flexibel gesteuert werden
müssen. Zum anderen soll durch den bewussten interdisziplinären Ansatz auch er-
reicht werden, dass der Leser für die Anforderungen der verschiedenen Teilbereiche
sensibilisiert wird.
Zur Realisierung von Projektfinanzierungen in einer Branche müssen mindestens
zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Technik muss langfristig einen stabilen und
prognostizierbaren Output liefern können, und der Staat muss ein klares, planbares
und verlässliches Rechts- und Regulierungsumfeld vorgeben, das den Investoren
und Fremdkapitalgebern eine hinreichende Planungssicherheit für einen wirt-
schaftlichen Betrieb verschafft. Sind diese beiden grundsätzlichen Anforderungen
erfüllt, eröffnet sich die Möglichkeit für eine wirtschaftliche Umsetzung von Biogas-
Vorhaben, und zwar zumeist in Form einer Projektfinanzierung.
Zentrales Merkmal einer Projektfinanzierung ist die enge Verknüpfung des
Schicksals des Projektes mit der Rückführung der Darlehen. Es sind die zukünftigen
Cashflows des Vorhabens, die einzig für die Begleichung der operativen Kosten,
die Bedienung des Kapitaldienstes und für Ausschüttungen an die Investoren ver-
wandt werden können. Neben diese Cashflow-Orientierung der Projektbeur-
teilung tritt eine vertragliche Einbindung verschiedener Projektbeteiligter, die
den Erfolg des Vorhabens unterstützen sollten (Risk Sharing). Damit ist der
gesamte Risikomanagement-Prozess bei einer Projektfinanzierung ein gleichge-
richtetes Zusammenspiel der verschiedenen Teilaspekte Risikoidentifikation,
Risikoallokation und Risikoquantifizierung.
Damit Projektfinanzierungen im Biogasbereich realisiert werden können,
müssen konsequenterweise Experten aus den Bereichen Technik, Recht und Wirt-
schaft zusammenfinden und eine für ein Vorhaben passgenaue Lösung entwickeln.
Dieses in der Praxis bei jedem Vorhaben geübte Vorgehen war auch Ausgangs-
punkt der vorliegenden Arbeit. Ohne die zentralen Ergebnisse vorwegnehmen zu
wollen, lässt sich bereits an dieser Stelle festhalten: Biogas-Vorhaben basieren auf
bewährten Technologien. Anspruchsvoll sind die Fertigstellung und das nachhaltige
und wirtschaftliche Management der Stoffströme. Ein wesentlicher Vorteil gegen-
über anderen Formen der erneuerbaren Energien ist die Möglichkeit einer grundlast-
fähigen Energieproduktion und verhältnismäßig geringe Break-Even-Kosten.
Vorwort VII
Der guten Ordnung halber sei angemerkt, dass die Autoren ihre individuelle
Meinung vertreten. Ihre Aussagen und Wertungen müssen weder notwendigerweise
die Meinung der Unternehmen oder Institutionen widerspiegeln, für die die Autoren
arbeiten, noch die Auffassung der übrigen Autoren treffen. Fehler habe ich selbst-
verständlich selbst zu vertreten.
Mein aufrichtiger Dank gilt den Autoren dieses Buches, die mit großem Enthu-
siasmus und Engagement seine Realisierung erst ermöglicht haben.
IX
X Inhaltsverzeichnis
XIII
XIV Autoren
Nils Engler
Nils Engler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Abfall- und Stoff-
stromwirtschaft an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Univer-
sität Rostock.
Universität Rostock, Deutschland
Matthias Grotsch
Matthias Grotsch ist Bankbetriebswirt (Frankfurt School of Finance & Manage-
ment) und bei der Sparkasse Holstein in Bad Oldesloe tätig. Nach über zwölf Jahren
Tätigkeit bei der HSH Nordbank AG (vormals LB Kiel) in den Bereichen Corporates
und Kreditrisikomanagement, wo er sich neben betriebswirtschaftlichen Fragestel-
lungen schwerpunktmäßig mit cashflowbasierten Projektfinanzierungen im Bereich
Windkraft und Solar und der Mitentwicklung von Finanzierungsstandards in diesen
Segmenten beschäftigt hat, wechselte er 2010 als Projektfinanzierer zur Hofkontor
AG in Büdelsdorf in die Branche der erneuerbaren Energien. Seit 2012 ist er als
Spezialkundenbetreuer bei der Sparkasse Holstein tätig.
Sparkasse Holstein, Bad Oldesloe, Deutschland; E-Mail: matthias.grotsch@
sparkasse-holstein.de
Fakultät der Universität Rostock. Nach dem Studium der Umwelttechnik mit
Schwerpunkt Abfallwirtschaft an der TU Berlin waren die Montanuniversität
Leoben (wissenschaftlicher Mitarbeiter), Ingenieurbüro (TBUS bzw. INTUS) und
die Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Göttingen
die wesentlichen beruflichen Stationen. Ein Arbeitsschwerpunkt in den letzten 18
Jahren war und ist die stoffliche und energetische Verwertung von organischen
Abfällen und Reststoffen, wobei die Biogastechnik eine besondere Rolle spielt. Er
engagiert sich in zahlreichen wissenschaftlichen Beiräten von einschlägigen For-
schungsinstitutionen (z. B. DBFZ), Fachverbänden (z. B. BBE, ASA) sowie als
Mitveranstalter von nationalen und internationalen Fachtagungen (z. B. Rostocker
Bioenergieforum, VENICE).
Universität Rostock, Deutschland
Sandra Rostek
Sandra Rostek ist seit 2009 bei der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) im
Geschäftsbereich regenerative Energien tätig. Seit 2011 verantwortet sie als Pro-
jektleiterin Kampagnen und Projekte im Bereich der Bioenergie, wie z. B. die Ini-
tiative „biogaspartner“, die 60 Akteure rund um die Einspeisung von Biogas in das
Erdgasnetz bündelt und in ihren Aktivitäten zur Beflügelung der Marktentwicklung
der Erzeugung und Nutzung des Energieträgers Biomethan unterstützt.
Deutsche Energie-Agentur, Berlin, Deutschland; E-Mail: rostek@dena.de
Meike Schmehl
Dipl.-Geoökol. Meike Schmehl studierte Geoökologie an der Technischen Univer-
sität Braunschweig. Seit 2007 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pro-
fessur für Produktion und Logistik der Universität Göttingen. Ihre Arbeitsbereiche
umfassen die Ökobilanzierung und die Mehrzielentscheidungsunterstützung bezüg-
lich nachwachsenden Rohstoffen.
Georg-August-Universität Göttingen, Deutschland
Kerstin Semmler
Kerstin Semmler, Rechtsanwältin; Studium der Rechtswissenschaften an der Uni-
versität des Saarlandes, Leiterin des Rechtsbereichs der Amprion GmbH seit 1.
Januar 2012. Zuvor war sie knapp vier Jahre Rechtsanwältin und Counsel bei Clif-
ford Chance, Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten, in Düsseldorf mit den
Beratungsschwerpunkten im Energiewirtschafts- und Energieumweltrecht (hierbei
insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien). Vor ihrer Beratungstätig-
keit war sie mehr als sechs Jahre in verschiedenen Positionen für die Energiewirt-
schaft im Bereich erneuerbare Energien tätig. Sie hat in den letzten Jahren mehrere
Publikationen zu verschiedenen energierechtlichen Themenkomplexen veröffent-
licht.
Amprion GmbH, Dortmund, Deutschland; E-Mail: kerstin.semmler@amprion.net
XXI
XXII Abbildungsverzeichnis
XXIII
XXIV Tabellenverzeichnis
Doch zunächst eine Betrachtung der bisherigen Entwicklung des Biogasmarkts und
des Status quo. Auf Biogas entfielen im Jahr 2010 bei der Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energieträgern mit 13,3 TWh knapp 13 %, während der Anteil bei
der regenerativen Wärmebereitstellung mit 7,6 GWh ca. 6 % betrug (BMU 2011a).
Der Stellenwert von Biogas innerhalb der erneuerbaren Energieträger ist also
bereits heute groß – zu Recht, denn die Erzeugung und Nutzung von Biogas gehört
zu den effizientesten Formen der Energiebereitstellung auf Basis von Biomasse.
Effizienz ist gerade im Zusammenhang mit der Erzeugung und Verwertung von
Biomasse von grundlegender Bedeutung, denn Biomasse ist eine begrenzt ver-
fügbare Ressource, die neben der Erzeugung von Energie vielfältigen anderen
elementaren Zwecken zugeführt werden kann. Sie ist für die Nahrungs- und Fut-
termittelproduktion unerlässlich und findet vielfältigen industriellen Einsatz, wie
beispielsweise in der Papier-, Holz- und Möbelindustrie. Die für die Energieerzeu-
gung verbleibende Biomasse ist folglich ein kostbares Gut, das es umsichtig einer
möglichst effizienten Nutzung zuzuführen gilt.
Kaum ein anderer erneuerbarer Energieträger kann so flexibel erzeugt und ver-
wertet werden wie Biogas bzw. Biomethan. Da das regenerative Gas grundsätzlich
aus allen organischen Verbindungen erzeugt werden kann, ist die genutzte Biomasse
entsprechend vielfältig. Für die Erzeugung von Biogas speziell geeignet sind eigens
angebaute Energiepflanzen, also insbesondere schnell wachsende Pflanzen mit
einer hohen Photosyntheserate und einem hohen Methanertragspotenzial. Weit ver-
breitete Energiepflanzen in Deutschland sind Mais, Maiswurzelbohrer, Raps, Rog-
gen, Zuckerrübe oder die Durchwachsene Silphie. Aber auch organische Reststoffe
wie Bioabfälle, Gülle, überlagerte Lebensmittel, Schlachtabfälle und Klärschlamm
können zu Biogas verarbeitet und somit einer energetischen Nutzung zugeführt
werden. Durch fermentative Prozesse in der Biogasanlage wird aus dem Substrat
ein Gasgemisch, das je nach Substratmix etwa 45-70 % Methan enthält und einem
energetischen Zweck in der Nähe des Erzeugungsorts zugeführt werden kann. Als
1.1 Biogas, der Joker im Energiemix 3
Rückstand aus diesem natürlichen Prozess verbleibt ein Gärrest, der als wertvoller
Wirtschaftsdünger auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgebracht wird und
den Einsatz von künstlich hergestellten Düngemitteln reduziert. Die Biogaserzeu-
gung stellt somit einen geschlossenen Kreislauf dar. Sie kann darüber hinaus im
Unterschied zu anderen erneuerbaren Energieträgern kontinuierlich erfolgen und ist
weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen wie meteorologischen Bedingun-
gen. Als Ausgleichsenergie zu den fluktuierenden Energieträgern wie Windenergie
und Photovoltaik kann Biogas das Energiesystem stabilisieren und gesicherte Leis-
tung auf Basis regenerativer Quellen zur Verfügung stellen.
In den letzten Jahren hat sich zudem in Deutschland neben der klassischen Vor-
Ort-Erzeugung und Vor-Ort-Verstromung die Aufbereitung von Biogas zu Bio-
methan (oder Bioerdgas) und Einspeisung in das Erdgasnetz etabliert. Im Zuge der
Aufbereitung wird CO2 abgetrennt und der Methangehalt des Rohgases auf bis zu
98 % angereichert, um als Erdgasäquivalent in das Erdgasnetz eingespeist werden
zu können. Zur großtechnischen Anwendung kommen in Deutschland zumeist
wäschebasierte Verfahren wie die Aminwäsche oder druckbasierte Verfahren wie
die Druckwechseladsorption oder die Druckwasserwäsche. Im internationalen
Raum können auch Membranverfahren langjährige Erfahrung vorweisen. Das so
aufbereitete Biogas kann als Biomethan in das Erdgasnetz eingespeist werden und
so von dem Ort und der Zeit seiner Erzeugung entkoppelt werden. Durch diesen
Schritt eröffnen sich neue Nutzungs- und Speichermöglichkeiten, die bedarfs-
gerecht bedient werden können.
Biogas bzw. Biomethan stehen prinzipiell drei Anwendungspfade offen: Wär-
meerzeugung, gekoppelte Strom- und Wärmeerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung
sowie als Kraftstoff im Mobilitätssektor. Wie Erdgas kann es zur Wärmeversorgung
in Industriebetrieben und Haushalten eingesetzt werden. Hierfür bedarf es keiner
Anpassung der entsprechenden Endgeräte (z. B. Gasbrennwertkessel, Gasherde),
da das Biomethan über die gleichen Brenneigenschaften verfügt wie das Erdgas des
lokal vorhandenen Erdgasnetzes.
Für die Kraft-Wärme-Kopplung wird Biomethan in Verbrennungsmaschinen
genutzt (Gasmotoren, (Mikro-)Gasturbinen, Sterlingmotoren). Diese erzeugen
mechanische Energie und als Nebenprodukt Wärme. Die mechanische Energie
wird über Generatoren in elektrische Energie umgewandelt und in das Stromnetz
eingespeist. Die entstehende Wärme wird zu Heizzwecken genutzt. Die mit Biogas
betriebene KWK findet hauptsächlich in Blockheizkraftwerken Anwendung, wobei
die anfallende Wärmeenergie über ein Nahwärmenetz genutzt werden kann. Bezo-
gen auf die Energieausbeute erzielt die KWK sehr gute Werte, da die bei der Strom-
erzeugung prozessbedingt anfallende Wärme mit genutzt wird. KWK eignet sich
besonders bei Gebäuden und Einrichtungen, die über das Jahr einen hohen Wär-
mebedarf haben wie beispielsweise Schwimmbäder, Fabriken oder Krankenhäuser.
Schließlich kann Biomethan auch zur Betankung von Erdgasfahrzeugen genutzt
werden. Fahrzeugseitige Umrüstungen der Erdgasfahrzeuge sind hierfür nicht
erforderlich. Über die Einspeisung in das Netz wird das Biomethan deutschland-
weit verfügbar gemacht und kann über herkömmliche Erdgastankstellen bezogen
werden. Im Vergleich zu anderen Biokraftstoffen wie Bioethanol oder Biodiesel
4 1 Einleitung: Zukunftsperspektiven und Herausforderungen des Biogas-Marktes
ist Biomethan als hocheffizient einzustufen. Je Hektar Ackerland lässt sich eine
ähnlich hohe Reichweite erzielen wie bei Biomass-to-Liquid (BtL)-Kraftstoffen der
sogenannten zweiten Generation.
Biogas kann somit als Joker unter den regenerativen Energieträgern gelten. Folge-
richtig und da es preislich derzeit nicht mit fossilen Vergleichsenergieträgern kon-
kurrieren kann, bedient sich die Bundesregierung eines umfangreichen Instru-
mentenmix zur Förderung der Erzeugung und Nutzung.
Die Erfolgsgeschichte von Biogas ist sehr eng mit dem Erneuerbare-Energien-
Gesetz (EEG) verknüpft. Sinn und Zweck des erstmals am 1. April 2000 in Kraft
getretenen und 2004, 2009 und zum 1. Januar 2012 novellierten Gesetzes ist der
Klimaschutz, eine nachhaltige Energieversorgung, die Verringerung der volkswirt-
schaftlichen Kosten der Energieversorgung, die Schonung fossiler Ressourcen und
die Weiterentwicklung der Technologien zur Erzeugung von Strom aus erneuer-
baren Energien. Dazu soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung
bis zum Jahr 2020 auf 30 % erhöht werden. Zur Erreichung dieser Ziele sieht das
EEG erstens den vorrangigen Anschluss von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus
erneuerbaren Energien an die Stromnetze der allgemeinen Versorgung, zweitens die
vorrangige Abnahme, Übertragung und Verteilung des erzeugten Stroms sowie drit-
tens eine garantierte Einspeisevergütung vor, die für das Jahr der Inbetriebnahme
und weitere 20 Jahre zu einem festen Satz garantiert wird. Der auf Basis von Biogas
erzeugte Strom kann so, vorbehaltlich der Einhaltung umfangreicher Vergütungs-
tatbestände die Effizienz und Umweltverträglichkeit betreffend, eine auskömmliche
Vergütung erzielen. Die Biogaseinspeisung wird auf folgende Weise gefördert: Aus
einem Gasnetz entnommenes Gas gilt dann als Biomasse, wenn die Menge des
entnommenen Gases im Wärmeäquivalent der Menge von Biogas entspricht, das an
anderer Stelle in das Gasnetz eingespeist worden ist. Der Technologiebonus bzw.
ab 2012 der Bonus für Gasaufbereitung bilden den zusätzlichen Aufwand für die
Aufbereitung ab (EEG 2011).
1.3 Auf einem gutem Weg: Status quo der Marktentwicklung von Biogas 5
Abb. 1.2 Entwicklung Biogaserzeugung seit 1999. (dena 2011, auf Basis Fachverband Biogas
e. V. 2011a)
geht davon aus, dass sich die Zubauraten auch 2011 weiter kontinuierlich steigern
werden, so dass für Ende 2011 ein Bestand von 7.000 Biogasanlagen und eine
installierte Leistung von 2.728 MWel prognostiziert werden (Fachverband Biogas
e. V. 2011a). Die bisherige Marktentwicklung kann somit als sehr positiv bewertet
werden. Auch im internationalen Vergleich ist Deutschland unangefochtener
Spitzenreiter hinsichtlich der Erzeugung und Nutzung von Biogas.
1
Die Übersicht zur Marktentwicklung der Biogaseinspeisung in Deutschland auf der Website
des Projekts biogaspartner der dena (www.biogaspartner.de) wird regelmäßig aktualisiert.
8 1 Einleitung: Zukunftsperspektiven und Herausforderungen des Biogas-Marktes
auf freiwilliger Basis. Beide Anwendungsfälle stellen derzeit eher „schlafende Rie-
sen“ dar. Vom EEWärmeG geht nur ein geringer Impuls zum Einsatz von Biomethan
aus, da der Gebäudebestand von den hier greifenden gesetzlichen Regelungen weit-
gehend ausgeschlossen ist. Darüber hinaus wird Biomethan bundesweit im Wärme-
markt in sogenannten Beimischprodukten (zwischen 5 und 30 % Biomethananteil
im Erdgasbezug) sowie durch einzelne Anbieter auch als 100 %-Produkt angeboten.
Insbesondere von Interesse ist dies für Biomethan, das auf Basis von Reststoffen
erzeugt wurde, oder für nicht nach dem EEG vergütungsfähiges Biogas. Ähnlich
den „Grünstrom“-Angeboten im Stromsektor, besteht bei privaten Endkunden eine
prinzipielle Bereitschaft, für Beimischungen von Biomethan einen Aufpreis auf den
Erdgaspreis zu zahlen. Laut einer Umfrage der Hochschule Hildesheim unter 1.000
Endverbrauchern sagten 75 % der Befragten aus, prinzipiell Interesse am Bezug
von Biomethan zu haben. 37 % waren darüber hinaus bereit, mehr für ein solches
Produkt zu bezahlen. Die Zahl der Anbieter, die derartige freiwillige Ökogaspro-
dukte anbieten, nimmt demzufolge beständig zu (dena 2011a). Die dort absetzbaren
Biomethanmengen sind jedoch aufgrund der durch Kostendruck bestimmten im
Normalfall niedrigen Beimischungsquoten vergleichsweise gering.
Auch der Kraftstoffsektor stellt sich derzeit noch als Nischenmarkt für Biome-
than dar. Zwar zeichnet sich Biomethan unter den Biokraftstoffen durch besondere
Effizienz aus; die bislang nur schwach ansteigende Anzahl der Erdgasfahrzeuge in
Deutschland jedoch grenzt diesen Wachstumspfad derzeit ein: In 2010 betrug der
Anteil von Erdgas als Kraftstoff am Gesamtkraftstoffverbrauch ca. 0,3 %, aktuell
werden lediglich 89.000 der insgesamt rund 51 Mio. Fahrzeuge mit Erdgas betrie-
ben (dena 2011c).
Abschließend zu dieser Betrachtung des Status quo des Biogasmarkts sei noch kurz
der Blick auf die Akteure dieses Markts gerichtet. In den vergangenen Jahren lässt
sich hier eine beeindruckende Entwicklung feststellen: Die deutsche Biogasindustrie
hat im Bereich der Erzeugung und Verwertung von Biogas eine Vorreiterrolle inne.
Deutschland ist sowohl Markt- als auch Technologieführer, speziell im Bereich der
Vergasung auf Basis von organischen Abfällen und nachwachsenden Rohstoffen.
Die Exportrate liegt bei 10 %. Mit dem Bau und dem Betrieb von Biogasanlagen
sind sehr positive strukturelle Entwicklungen in den ländlichen Regionen und die
Schaffung von Arbeitsplätzen verbunden. So waren im Jahr 2010 nach Schätzungen
des Fachverbandes Biogas 39.100 Menschen in der deutschen Biogasindustrie
beschäftigt. Insgesamt wurden im Jahr 2010 in der Bundesrepublik schätzungs-
weise 5,1 Mrd. € mit Biogas umgesetzt (Fachverband Biogas e. V. 2011a).
Die Akteursstruktur der im Biogasbereich aktiven Unternehmen weist eine ver-
gleichsweise hohe Diversität auf. So haben sich sowohl überregional agierende
Energieversorger in diesem Themenfeld bereits positioniert, als auch regionale,
eher mittelständisch geprägte Akteure. Da Projekte der Biogas- und Biomethaner-
zeugung eine relativ lange, komplexe Wertschöpfungskette aufweisen, kooperieren
1.6 Zukunftsperspektiven und Herausforderungen 9
Nach dieser Bestandsaufnahme sei nun der Blick auf künftige Perspektiven und
Herausforderungen gerichtet. Zurück also zum eingangs bereits erwähnten Ziel-
dreieck der Bundesregierung und zu der zuverlässigen, wirtschaftlichen und
umweltverträglichen Energieversorgung, die sie im Energiekonzept skizziert hat
und für die sie am 6. Juni 2011 im Bundestag im Rahmen eines umfangreichen
Energiepakets die Weichen gestellt hat.
Zuverlässigkeit: Diesem Bedürfnis wird wohl kaum ein regenerativer Energie-
träger so gut gerecht wie Biogas. Vor dem Hintergrund des von der Bundesregie-
rung beschlossenen Ausstiegs aus der Atomenergie und dem damit verbundenen
Ausbau der erneuerbaren Energien wird dem Alleinstellungsmerkmal von Biogas,
bedarfsgerecht erzeugt und genutzt werden zu können, künftig eine wesentliche
Bedeutung beigemessen werden. Je mehr fluktuierende Leistung aus der Photovol-
taik und der Windenergie in unsere Netze gelangen wird, desto wichtiger wird auch
der stabilisierende Beitrag von Biogas werden. Durch die heimische Erzeugung von
Biomethan kann zudem die Versorgungssicherheit erhöht werden: Etwa 97 % des in
der Bundesrepublik Deutschland verbrauchten Erdöls und über 85 % des Erdgases
werden importiert. Ein Großteil der notwendigen Importe stammt aus Ländern,
deren politische Situation als angespannt einzustufen ist. Angesichts dieser geo-
politischen Rahmenbedingungen hat die Sicherung der Energieversorgung durch
den anteiligen Ersatz durch regenerativ erzeugtes Biomethan hohe strategische
Relevanz für Deutschland. Die Markt- und Systemintegration von Bioenergie, auf
der folgerichtig derzeit der gesetzliche Fokus liegt, ist in diesem Zusammenhang
als Paradigmenwechsel zu verstehen, der viele Chancen, aber auch Herausforderun-
gen birgt. Während bislang etwa Biogasanlagen auf Volllastbetrieb mit möglichst
hoher Auslastung ausgelegt, um Grundlast bereitzustellen, folgt die bedarfsgerechte
Erzeugung eher der Maßgabe „Qualität statt Menge“. Verbunden damit sind nicht
nur zusätzliche Anforderungen an den Betrieb, sondern auch eine entsprechende
technische Ausrüstung wie die Vorhaltung entsprechender Gas- und Wärmespei-
cher.
Wirtschaftlichkeit: Auf den Kontext der Biogaserzeugung und -nutzung über-
tragen heißt dies insbesondere, dass die Zukunftsperspektiven des Energieträgers
10 1 Einleitung: Zukunftsperspektiven und Herausforderungen des Biogas-Marktes
Biogas politisch motiviert und getrieben sein werden. Zwar werden womöglich
steigende Energiepreise, als auch Effizienzsteigerungen im Bereich der Technolo-
gieentwicklung sowie in der Substratbereitstellung mit Sicherheit positiven Einfluss
auf die Wirtschaftlichkeit von Biogasanlagen haben. Doch wird Biogas auch künftig
zu einem erheblichen Maße von wohlwollenden Förderbedingungen abhängen. Sie
werden die Entwicklung der Absatzmärkte bestimmen und damit auch, ob und in
welchem Umfang künftig Investitionen in Biogas- und Biomethananlagen getätigt
werden. Neben den faktischen Anreizen durch Fördersätze und Bestimmungen wird
es dabei auch wichtig sein, das Vertrauen der Investoren in die Beständigkeit des
Förderrahmens zu bestärken. So beispielsweise hinsichtlich des Bestandsschutzes,
einem der Eckpfeiler der Systematik des EEG. Nur durch die ausnahmslose Auf-
rechterhaltung dieses Vertrauensschutzes wird langfristige Investitionssicherheit
für Betreiber und Finanzierer gleichermaßen gewährleistet.
Umweltverträglichkeit: Die Erzeugung und Nutzung von Biogas, speziell auf
Basis nachwachsender Rohstoffe, unterliegt bereits heute in besonderem Maße
Anforderungen an eine nachhaltige, umweltfreundliche Energiebereitstellung. So
sind Flächen und Rohstoffbasis für die Energieerzeugung auf Basis von Biomasse
naturgemäß begrenzt, da, wie eingangs geschildert, Biomasse auch für andere
Zwecke von für unser Leben grundlegender Bedeutung eingesetzt wird. Bei einer
unkontrollierten Marktüberhitzung könnten hier Konflikte mit konkurrierenden
Nutzungsfeldern entstehen. Es ist daher im Kontext der Bioenergie zentrale Auf-
gabe des Gesetzgebers, Konfliktpotenziale zu erkennen und diesen durch entspre-
chende Reglementierungen vorzubeugen. Des Weiteren gilt es, die Nachhaltigkeit
der Erzeugung entsprechend zu fördern, aber auch durch Regularien zu fordern.
So sind vermeintliche Auswirkungen etwa auf Aspekte des Klima- und Umwelt-
schutzes, der Biodiversität, des Gewässerschutzes sowie auf das Landschaftsbild
ebenso zu berücksichtigen wie soziale Aspekte. Die Umsichtigkeit, mit der Politik
und Marktakteure sich diesen Herausforderungen stellen, wird zudem elementar
sein für die langfristige Sicherstellung von Akzeptanz gegenüber der Bioenergie-
erzeugung durch die allgemeine Öffentlichkeit. Und diese steht der Erzeugung und
Nutzung von Biogas nicht unkritisch gegenüber: Zwar finden laut einer Umfrage
von TNS Infratest im Juli 2011 rund 94 % der Deutschen den verstärkten Ausbau
erneuerbarer Energien generell „wichtig“ oder sogar „außerordentlich wichtig“;
die Akzeptanz gegenüber Biomasseanlagen in der eigenen Nachbarschaft hingegen
flacht ab: Nur 36 % würden dies in ihrem Umfeld begrüßen. Interessant ist dies ins-
besondere auch im Vergleich zu anderen Technologien: 76 % hätten nichts gegen
eine Solaranlage einzuwenden, immerhin noch 60 % würden auch eine Windener-
gieanlage in ihrer unmittelbaren Umgebung akzeptieren (TNS Infratest/Agentur für
Erneuerbare Enrgien 2011). Wie diese Werte zeigen, bestehen hinsichtlich der Bio-
energie vergleichsweise hohe Vorbehalte. Diese durch gute Praxis sowie kontinu-
ierliche Informationsarbeit zu beseitigen wird künftig eine der zentralen Heraus-
forderungen der Branche sein. Die positive Wahrnehmung von Biogas durch die
allgemeine Öffentlichkeit muss nicht nur auf lokaler Ebene, sondern auch im poli-
tischen Umfeld verbessert werden, um eine langfristige Flankierung der künftigen
Marktentwicklung sicherzustellen.
1.7 Biogas und Biomethan im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2012 11
Das zentrale Element und sprichwörtliches Zünglein an der Waage der Marktent-
wicklung von Biogas und Biomethan wird auch weiterhin das EEG sein. In ihm
werden all die soeben aufgeführten Aspekte direkt oder indirekt adressiert und durch
entsprechende Förderung und Förderbedingungen hinterlegt. Die Neufassung, die
am 30. Juni 2011 vom Bundestag beschlossen wurde, ist zum 1. Januar 2012 in
Kraft getreten. Neben der bereits erwähnten Weichenstellung für die Markt- und
Systemintegration von Biogas verfolgt die Novelle vor allem den Anspruch einer
vereinfachten und transparenten Vergütungsstruktur sowie der Unterbindung von
Überförderung und ökologischen Fehlanreizen, um den Belangen des Naturschutzes
Rechnung zu tragen (BMU 2011b).
Die Markt- und Systemintegration soll für Biogas über die Einführung einer
Marktprämie erreicht werden. Diese ergibt sich als Differenz zwischen der anlagen-
spezifischen EEG-Vergütung und dem monatlich rückblickend ermittelten Börsen-
preis. Die sich dadurch ergebenden zusätzlichen Anforderungen im Betrieb werden
mittels einer Managementprämie abgefedert. Für neu errichtete Biogasanlagen ab
750 kW ist die Marktprämie ab 2014 verpflichtend. Eine ebenfalls neu eingeführte
Flexibilitätsprämie soll Investitionen in größere Gasspeicher und Generatoren moti-
vieren, um so Biogasanlagen zu einer Verschiebung der Stromerzeugung um etwa
12 h zu befähigen. Das Grünstromprivileg bleibt bei einer Begrenzung auf 2 Cent je
Kilowattstunde erhalten. Mittels der Direktvermarktungsinstrumente Marktprämie
und Grünstromprivileg soll Biogasanlagen so auch die Teilnahme am Regelenergie-
markt ermöglicht werden.
Des Weiteren wurde das bisherige Vergütungssystem mit einer Vielzahl einzel-
ner Boni im EEG 2012 abgelöst durch vier leistungsbezogene Anlagenkategorien
und zwei Einsatzstoff-Vergütungsklassen. Die Einsatzstoffe können im Zuge der
Einführung einer anteiligen Einsatzstoffvergütung gemischt werden, um so den
Einsatz ökologisch vorteilhafter Substrate (wie beispielsweise Landschaftspflege-
material) zu erleichtern. Für die Biogaseinspeisung gibt es zudem eine nach Größe
gestaffelte Zusatzvergütung (1 bis 3 Cent je Kilowattstunde), um dem zusätzlichen
Aufwand für die Aufbereitung des Biogases zu Biomethan Rechnung zu tragen. Im
kleinen Leistungsbereich (150 kW) sinkt das Vergütungsniveau um etwa 15 %. Für
kleine Hofanlagen mit einem massebezogenen Gülleeinsatz von mindestens 80 %
wird dabei jedoch eine Sonderkategorie mit vorgesehen, um auch weiterhin den
Einsatz von Gülle zu beflügeln.
Zudem werden im Zuge des EEG 2012 etliche neue Anforderungen an die Bio-
gaserzeugung gestellt. So unterliegt der Einsatz von Mais und Getreidekorn als
Substrat künftig einer Begrenzung auf 60 Masseprozent. Weiterhin muss jede Bio-
gasanlage künftig entweder 60 % Wärmenutzung oder 60 % Güllenutzung nach-
weisen, um nach EEG vergütungsfähig zu sein. Andernfalls ist ein Wechsel in die
Direktvermarktung vorgeschrieben. Künftig genügt es also nicht mehr, nur Strom
zu produzieren, sondern der Nachweis eines Zusatznutzens ist erforderlich (EEG
2011).
12 1 Einleitung: Zukunftsperspektiven und Herausforderungen des Biogas-Marktes
Von Markt- und Verbandsakteuren wird die Novelle des EEG 2012 mit gemisch-
ten Gefühlen aufgenommen. Ambivalent wird bereits das Prozedere der Novel-
lierung beurteilt. Einerseits sehen viele in der Eile, mit der die Neufassung im
Zusammenhang mit der Kraftanstrengung rund um das umfangreiche Energiepaket
der Bundesregierung im Juni 2011 erarbeitet wurde, einen Garant für Fehler und
Unklarheiten, die sich in der Praxis als markthemmend erweisen könnten. Gleich-
zeitig bietet diese Schnelligkeit auch Chancen, denn durch die vergleichsweise früh
vorliegende Gesetzesfassung ergibt sich für die Branche mehr Zeit, um sich auf die
Veränderungen einzustellen. Ausdrücklich begrüßt wird allenthalben, dass das EEG
auch weiterhin an den zentralen Elementen des vorrangigen Netzzugangs, der fixen
Einspeisevergütung und dem Vertrauensschutz festhält. An den einzelnen Rege-
lungen freilich scheiden sich die Geister. So sind etliche Akteure der Ansicht, dass
die Vorkehrungen zur Direktvermarktung zu kurz greifen, um die geforderte Markt-
und Systemintegration in großem Stile anzureizen.
Auch die vermeintliche Vereinfachung des Vergütungssystems bildet sich
für viele nicht in der neuen Systematik ab. Der sogenannte Maisdeckel, also die
Begrenzung des Mais- und Getreidekornanteils auf 60 Masseprozent, erschwert
und die Projektentwicklung nach Ansicht vieler Akteure und führt zu höheren
Bereitstellungskosten, ohne dass dem eigentlichen Problem, der Beseitigung von
Monokulturen, damit gedient ist. Die Sicherstellung der Einhaltung der Fruchtfolge
nämlich, so sind sich weite Teile der Branche einig, kann nur über das Fachrecht
erfolgen. Die Mindestanforderungen an die Wärmenutzung stellen darüber hinaus
die Branche vor eine große Herausforderung.
Explizit begrüßt hingegen werden die Einführung der Sonderkategorie für gülle-
basierte Hofanlagen sowie die Ausweitung der Förderung für die Gaseinspeisung.
In beiden Anwendungsfällen wird in der Branche derzeit auch von den positivsten
Auswirkungen ausgegangen. Die Zubauraten, so steht zu vermuten, werden somit
besonders bei kleinen Gülleanlagen und Biomethananlagen im mittleren Leistungs-
bereich kontinuierlich steigen. Bei landwirtschaftlichen Biogasanlagen auf Basis
nachwachsender Rohstoffe ist davon auszugehen, dass der Ausbau weiterhin statt-
finden wird, aber vermutlich in geringerem Maße als in den Vorjahren, die durch
einen signifikanten Zubau gekennzeichnet waren.
Neben dem Einfluss, den das EEG auf die weitere Marktentwicklung von Biogas
und Biomethan hat, lassen sich im politischen Rahmen noch weitere Impulsgeber
ausmachen. So z. B. im Bereich der KWK-Förderung. Nach Willen der Bundes-
regierung soll bis 2020 der Anteil von KWK-Strom an der Stromversorgung 25 %
betragen. Zwar wird dieses Ziel mit der aktuellen Ausgestaltung des Kraft-Wärme-
Kopplungsgesetzes (KWKG) wohl verfehlt; Anpassungen könnten den Sektor
jedoch beflügeln und auch eine Unterstützung der Marktentwicklung von Biogas
nach sich ziehen (Nikionok-Ehrlich 2011).
1.9 Über den Tellerrand geblickt: Biogas und Biomethan im europäischen Binnenmarkt 13
Ein kurzer Blick sei auch auf die internationale Marktentwicklung geworfen.
Auch wenn, wie bereits beschrieben, die Erzeugung und Nutzung von Biogas in
Deutschland besonders weit gediehen ist – andere Länder ziehen nach und bieten
erhebliches Potenzial für die deutsche Biogas- und Biomethanbranche. So wurden
2009 in der EU 27 insgesamt 25,2 TWh Biogas erzeugt (EurObserv’ER 2011).
Im Zuge der Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009/28/EG reizen
etliche Mitgliedsstaaten die Biogasproduktion zusätzlich mit Förderinstrumenten
wie Einspeisetarifen an. Besonders vielversprechend verläuft die Marktentwick-
lung in Italien, Österreich und Frankreich sowie in osteuropäischen Ländern wie
Polen, Tschechien und Ungarn. Deutsche Firmen haben diesen Trend erkannt und
befleißigen sich stetig wachsender Expansions- und Exportaktivitäten (dena 2009).
Es steht zu erwarten, dass sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren noch
verstärken wird. Darüber hinaus wird auch Biomethan künftig stärker im interna-
tionalen Raum präsent sein. Obgleich derzeit der grenzüberschreitende Handel ins-
besondere durch ungelöste Hemmnisse bei der Nachweisführung noch schleppend
vorankommt, so sind doch zwischen Deutschland und den Niederlanden und
Dänemark erste Handelsaktivitäten zu verzeichnen. Die EU-Kommission fördert
diese Entwicklung gezielt, beispielsweise durch das von der dena koordinierte und
EU-geförderte Projekt GreenGasGrids, das zehn europäische Länder bündelt und
in ihren Aktivitäten zur Beflügelung der Marktentwicklung von Biomethan im
europäischen Binnenmarkt unterstützt.2
2
Weitere Informationen zum Projekt GreenGasGrids sind zu finden auf www.greengasgrids.eu.
14 1 Einleitung: Zukunftsperspektiven und Herausforderungen des Biogas-Marktes
1.10 Fazit
Die Erzeugung und Nutzung von Biogas und Biomethan hat in Deutschland bislang
eine Erfolgsgeschichte geschrieben. In der vergangenen Dekade hat sich diese Tech-
nologie zu einem festen Bestandteil im deutschen Energiemix entwickelt. Flankiert
durch das EEG sowie weitere gesetzliche Impulse sind die Anlagenzahlen sowie
die installierte Leistung kontinuierlich, teilweise sogar in beeindruckendem Maße,
angestiegen. Damit einhergegangen ist auch die Etablierung einer florierenden,
mittelständisch geprägten Branche. Die künftigen Kapitel der Marktentwicklung
werden wesentlich bestimmt sein von der fortschreitenden Integration von Biogas
und Biomethan in das Gesamtsystem der Energieversorgung in Deutschland im
Zuge der Energiewende. Dies umfasst nicht nur den Ausbau der Erzeugungs-
kapazität und die Integration selbiger in das System, sondern auch die umsichtige
Weiterentwicklung der Anforderungen an die Nachhaltigkeit, um negative Begleit-
erscheinungen im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes zu verhindern und
Akzeptanz gegenüber der Technologie durch die Bevölkerung sicherzustellen. Das
EEG 2012 hat in dieser Hinsicht die Weichen gestellt und wird voraussichtlich
Impulse für einen moderaten, aber kontinuierlichen weiteren Ausbau von Biogas
und Biomethan geben. Darüber hinaus stehen weitere Impulse für die Marktent-
wicklung im Wärmemarkt sowie im Kraftsektor zu erwarten. Nicht zuletzt liegt die
Zukunft für Biogas und Biomethan auch im europäischen Binnenmarkt.
Literatur
BMU: Erneuerbare Energien in Zahlen – Nationale und internationale Entwicklung. Berlin (2011a)
BMU: Erfahrungsbericht 2011 zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG-Erfahrungsbericht).
http://www.bmu.de/erneuerbare_energien/downloads/doc/47476.php (2011b)
BMWi/BMU: Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare
Energieversorgung, Fassung vom 28.09.2010. http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/
Energie/Energiepolitik/energiekonzept.html (2010)
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): Exporthandbuch Biogasmarkt International. Berlin
(2009)
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): Biomethan im KWK- und Wärmemarkt. Status Quo,
Potenziale und Handlungsempfehlungen für eine beschleunigte Marktdurchdringung. Berlin
(2010)
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): Das Biogasregister Deutschland. Berlin (2011b)
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): Erdgas und Biomethan im künftigen Kraftstoffmix.
Berlin (2011c)
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): biogaspartner – gemeinsam einspeisen. Markt, Technik
und Akteure der Biogaseinspeisung in Deutschland und Europa. Berlin (2011a)
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): Biomethan als Kraftstoff: Quotenübertragung. Berlin
(2011d)
Deutsche Energie-Agentur GmH (dena): Marktentwicklung in Deutschland. www.biogaspartner.
de (2012)
EurObserv'ER, Observatoire des énergies renouvelables: Biogas Barometer, 2010, http://www.
eurobserv-er.org/downloads.asp (2011)
Fachverband Biogas e. V.: Biogas Branchenzahlen 2010, Stand 06/2011. http://www.biogas.org/
edcom/webfvb.nsf/id/DE_Branchenzahlen (2011a)
1.10 Literatur 15
Jörg Böttcher
2
2.1 Einleitung
Die International Energy Agency (IEA) prognostiziert in einer ihrer Studien (World
Energy Outlook 2009), dass der weltweite primäre Energiebedarf zwischen 2007
und 2030 mit einer jährlichen Wachstumsrate von 1,5 % ansteigen wird, wobei
Asien und der Mittlere Osten Hauptträger des Bedarfs sein werden. Die Strom-
nachfrage wird im gleichen Zeitraum sogar um 2,5 % ansteigen. Dieser erwartete
Energiebedarf lässt sich nur dann decken, wenn auch hinreichende Finanzierungs-
mittel zur Verfügung stehen, was vor dem Hintergrund der noch nicht gänzlich aus-
gestandenen Finanzkrise eine Herausforderung sein wird. Die IEA sieht bis 2030
einen kumulierten Kapitalbedarf von etwa 26 Billionen USD, wobei etwa die Hälfte
der Investitionen in Entwicklungsländern benötigt wird. Im gleichen Zeitraum
steigen die CO2-Emissionen – ohne einen Politikwechsel – ebenfalls mit einer jähr-
lichen Wachstumsrate von 1,5 % an mit den vielfach beschriebenen Folgen für
das globale Klima. Um den Temperaturanstieg unter 2 °C zu begrenzen, bedarf es
erheblicher politischer Anstrengungen und umfangreicher Investitionen in umwelt-
verträgliche Energieträger. Der Stern-Report hat darüber hinaus deutlich gemacht,
welche weltweiten ökonomischen Folgen sich aus dem Klimawandel ergeben: Die
jährlichen Kosten entsprechen, sofern nicht gehandelt wird, einem jährlichen Ver-
lust zwischen 5 % bis 20 % des globalen Bruttoinlandsprodukts, wobei Entwick-
lungs- und Schwellenländer noch wesentlich härter betroffen sein können.
Die genannten Aspekte umreißen das politische Spannungsfeld der Energie-
politik, die eine langfristige Versorgungssicherheit zu akzeptablen Preisen und öko-
logisch verträglichen Rahmenbedingungen sicherstellen will. Erneuerbaren Ener-
gien kommt in diesem Umfeld eine hohe Bedeutung zu, da sie benötigt werden,
um den Treibhauseffekt möglichst klein zu halten. Während bestimmte Formen
– wie Wasserkraft, Onshore-Windenergie, Photovoltaik und Biogas – mittlerweile
als etablierte Technologien angesehen werden können, befinden sich andere Tech-
nologien – wie Offshore-Windenergie und Solarthermie – in einer frühen Markt-
phase, die aber gleichwohl erhebliches Ausbaupotenzial versprechen.
Im Rahmen dieser Monographie soll untersucht werden, welche Rah-
menbedingungen bei der Realisierung von Biogas-Vorhaben in Form einer Projekt-
finanzierung zu beachten sind. Dies verlangt, wie im Vorwort beschrieben, eines
abgestimmten Vorgehens von Spezialisten aus den Bereichen Recht, Technik und
Wirtschaft, was sich hier in einer Aufteilung in drei entsprechende Themenblöcke
widerspiegelt.
In der Einleitung hat Sandra Rostek skizziert, welche Zukunftsperspektiven
die Biogas-Branche hat und vor welchen Herausforderungen sie steht. In diesem
Übersichtskapitel beschreibt Jörg Böttcher die wesentlichen Aspekte einer Projekt-
finanzierung und leitet dabei auf die einzelnen Fachkapitel über.
Im rechtlichen Teil stellen Dr. Andreas Gabler, Dr. Florian-Alexander Wesche
und Dr. Jörn Kassow dar, wie das deutsche Regulierungssystem hinsichtlich
Genehmigung, Vergütungssystem und Netzzugang strukturiert ist. Kerstin Semmler
beleuchtet im Anschluss zwei wesentliche Projektverträge, den Generalunternehmer-
vertrag und den Biomasseliefervertrag, die für die rechtliche Strukturierung und
wesentliche Teile der Risikoallokation essentiell sind. Dr. Thorsten Gottwald und
Dr. Sophie Oldenburg beleuchten einzelne rechtliche Teilaspekte und Fallstricke,
die bei der Realisierung von Biogas-Projekten zu beachten sind. Abgeschlossen
wird dieser erste Block mit dem Beitrag von Dr. Swantje Eigner-Thiel, Prof. Dr.
Jutta Geldermann und Meike Schmehl, die die wesentlichen sozialen Aspekte einer
Biomassenutzung aufgreifen und angemessene Lösungsmöglichkeiten präsentieren.
Im technischen Teil stellen Dr. Britt Schumacher und Prof. Dr. Frank Schol-
win dar, welche Aspekte bei der Biomassebeschaffung und Biomasseaufbereitung
zu berücksichtigen sind. Saskia Oldenburg, Prof. Dr. Martin Kaltschmitt et
al. beschreiben die technischen Aspekte einer Biogas-Anlage. Kai Basedow
beschreibt, wie der Fertigstellungsprozess eines Biogasprojektes gemanagt werden
kann. Matthias Grotsch untersucht die Ausgestaltung der Beschaffungsseite eines
Biogasprojektes. Damit werden im Technik-Teil die Aspekte dargestellt, die für die
2.1 Einleitung 19
Beurteilung der langfristigen Geeignetheit der Technik und der Steuerung der Stoff-
ströme relevant sind.
Im wirtschaftlichen Teil wird auf den Ergebnissen der rechtlichen und tech-
nischen Darstellung aufgesetzt, die um verschiedene, komplementäre wirt-
schaftliche Teilaspekte ergänzt werden. Dem Thema Versicherung wird mit der
Darstellung gewerblicher Versicherungen (Dr. Michael Härig) umfangreich Raum
gegeben. Jörg Böttcher gibt Hinweise zur Optimierung der Finanzierungsstruktur.
Ein Blick auf die bisherige Entwicklung von Biogasanlagen in Deutschland
zeigt ein außerordentlich dynamisches Wachstum insbesondere in den letzten zehn
Jahren (s. Abb. 1.2). Fragt man nach den Gründen für die ausgeprägte Erfolgsstory
bei der Biogasnutzung, so wird man Folgendes festhalten können: Insbesondere
die relativ niedrigen Stromgestehungskosten begünstigen die Finanzierbarkeit von
Biogas-Projekten. Hinzu kommt die Speicherbarkeit von Biogas, aus der sich die
alternativen Möglichkeiten der Grundlastfähigkeit als auch ein nachfrageorientierter
Einsatz in der Spitzenlast ableiten. Grundsätzlich resultiert hieraus ein Risikoprofil,
das Biogas für eine Projektfinanzierung attraktiv macht. Und nicht zuletzt hat der
Gesetzgeber seit der Einführung des EEG Anreize gesetzt, die das Wachstum der
Branche überhaupt erst ermöglicht haben.
Den Vorteilen der Biogasnutzung stehen einige Nachteile entgegen: Zunächst
ist Biomasse ein begrenzter Rohstoff, um den ein Wettbewerb für andere Ver-
wendungszwecke besteht, der zu Nutzungskonflikten führen kann. Weiter besteht
ein „Wärmedilemma“: Im Sommer haben die Kraftwerksbetreiber kaum die
Möglichkeit, Wärme zu verkaufen, was ihre Wirtschaftlichkeit senkt. Schließlich
ist die Steuerung der Stoffströme und das Management der Biologie eine komplexe
Aufgabe, die viel Erfahrung und technisches Know-how verlangt.
Eine weitere dynamische Entwicklung der Biogas-Branche erscheint nur dann
möglich, wenn eine Kontinuität und Planbarkeit der staatlichen Fördersysteme
erhalten bleibt. Diese Entwicklung ist auch wünschenswert, weil Biogas eine
dezentrale, kostengünstige und grundlastfähige Erzeugungsform der erneuerbaren
Energien darstellt.
Der Anteil des Stromverbrauchs, der durch Biogas abgedeckt wird, lag im Jahr
2010 in Deutschland bei etwa 2,1 %1.
Regelmäßig werden Biogasvorhaben in Form einer Projektfinanzierung
realisiert, da für die Sponsoren eine Haftungsbeschränkung erreicht werden kann.
Dies gelingt aber nur, wenn die vom Projekt generierten Cashflows als so stabil
und vorhersagbar angesehen werden können, dass auf eine Mithaft der Initiatoren
über die gesamte Projektdauer verzichtet werden kann. Welche methodischen
Besonderheiten bei einer Projektfinanzierung dabei zu beachten sind, stellen wir im
Abschn. 2.2 vor.
1
S. hierzu die laufend aktualisierte Website der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.:
www.nachwachsenderohstoffe.de/service/daten-und-fakten/bioenergie/strom, abgerufen am
02.08.2011.
20 2 Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes
2
Zu den Anforderungen gehören ein feuchtes Milieu (mindestens 50 % Wasseranteil), Luftab-
schluss für die Methanbakterien, gleichmäßige Temperaturbereiche, eine bestimmte Bandbreite
von saurem oder basischem Milieu je nach Prozessstufe, eine bestimmte Nährstoffversorgung,
möglichst große Stoffoberflächen, eine gleichmäßige Zufuhr des Substrats und möglichst die
Abwesenheit von Hemm- oder Störstoffen.
2.2 Biogas und Projektfinanzierung 21
die Nahrung für die folgende Bakteriengruppe. Der Abbau der Organik in den
einzelnen Phasen verläuft aber mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Idealer-
weise pendelt sich in der gesamten Prozessbetrachtung aber zwischen den
Abbauphasen ein dynamisches Gleichgewicht der Stoffkonzentrationen ein. Ein
häufiger Fehler in der Praxis ist die Überfütterung der Bakterien durch schnell
abbaubares Substrat, was zu einer Anhäufung von Säuren durch die säure-
bildenden Bakterien führt. Dadurch kommt es zu einem raschen Abfall des pH-
Wertes, den die anderen Bakterien nicht vertragen, so dass der Produktionspro-
zess beeinträchtigt wird.
2. Das Fließgleichgewicht wird zudem durch die Abbaubarkeit der Substrate beein-
flusst. Zucker und Stärke werden aufgrund ihrer einfachen Struktur sehr schnell
abgebaut und benötigen nur eine kurze Zeit im Fermenter. Je komplexer die
Struktur des Substrates, umso länger dauert der Abbau. Die Abbaugeschwindig-
keit der Substrate beeinflusst direkt die technisch notwendige Verweilzeit, so
dass schon bei der Planung feststehen muss, welche Substrate vergoren werden
sollen.
Die Vielzahl verschiedener Biogasverfahren lässt sich auf wenige verfahrenstech-
nische Varianten zurückführen. Grundsätzlich können die Verfahren unterschieden
werden nach der Art der Beschickung (Batch- oder Durchflussverfahren), nach
der Art der Mischung (volldurchmischt oder Pfropfenstrom), ob einstufig oder
mehrstufig gearbeitet wird und nach der Konsistenz des Substrats (Feststoff- oder
Flüssigverfahren).
22 2 Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes
Vorhaben muss daher ein geschlossener, in sich rechtlich, technisch und wirt-
schaftlich tragfähiger Kreis sein, der den Investoren eine glaubwürdige Aussicht
auf eine angemessene Eigenkapitalverzinsung und den Fremdkapitalgebern aus-
reichende Sicherheit auf Rückführung des eingesetzten Kapitals bietet: Das Projekt
muss sich selbst tragen, sich selbst finanzieren. Dies ist der Grundgedanke einer
Projektfinanzierung.
Für den Begriff der Projektfinanzierung finden sich in der Literatur
unterschiedliche Definitionsansätze, wobei sich der von Nevitt und Fabozzi (2000,
S. 1) weitgehend durchgesetzt hat:
Definition
Projektfinanzierung ist die Finanzierung eines Vorhabens, bei der ein Darlehens-
geber zunächst den Fokus der Kreditwürdigkeitsprüfung auf die Cashflows des
Projekts als einzige Quelle der Geldmittel, durch die die Kredite bedient werden,
legt.3
3
Auch wenn durch die Definition eine klare Betonung auf die Rolle der Kreditgeber gelegt
werden, wird im Folgenden die Methode der Projektfinanzierung aus dem Blickwinkel der ver-
schiedenen Projektbeteiligten vorgenommen, da ihr effizientes Zusammenspiel entscheidend für
den Erfolg einer Projektfinanzierung ist. Die deutliche Betonung der Rolle der Kreditgeber ist
gleichwohl sinnvoll, da sie den mit Abstand größten Anteil an der Gesamtfinanzierung überneh-
men sollen und damit ihre Akzeptanz dafür entscheidend ist, ob eine Projektfinanzierung zustande
kommt oder nicht.
24 2 Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes
typisch ist. Die Bonität des Risikoträgers ist umso intensiver zu prüfen, je weit-
gehender sich ein Projektbeteiligter vertraglich gegenüber dem Projekt ver-
pflichtet. Diesbezüglich wird auf die einschlägige Literatur der Kreditnehmer-
beurteilung verwiesen.
4. Schließlich müssen zwingend die Anreizwirkungen der jeweiligen Vertrags-
gestaltung mit berücksichtigt werden. Aus einer Ex-post-Perspektive mag es dem
Auftraggeber gleichgültig sein, wie ein gutes Projektergebnis erzielt wurde. Ex
ante möchte er aber die Wahrscheinlichkeit eines guten Ergebnisses erhöhen und
das kann er nur, indem er Einfluss auf das Verhalten der beauftragten Partei nimmt.
Könnte er ihn beobachten, würde er ihn durch entsprechende Anweisungen zu
dem gewünschten Verhalten zwingen. Regelmäßig kann der Auftraggeber aber
nicht kostenlos kontrollieren, ob seine Anweisungen befolgt wurden. Wesentlich
ist daher, dem Auftragnehmer ein Anreizschema zu geben, das ihn aus eigenem
Interesse zu dem gewünschten Verhalten anhält. Dafür muss er in aller Regel am
Erfolg und auch am Risiko des jeweiligen Vorhabens beteiligt werden und zwar
unabhängig davon, über welche Risikotragfähigkeit er verfügt.
Die methodischen Besonderheiten einer Projektfinanzierung – Fokussierung auf
den Cashflow des Projektes, die Haftungsentlassung der Sponsoren nach erfolgter
Fertigstellung und die explizite vertragliche Einbindung der verschiedenen Pro-
jektbeteiligten – führen dazu, dass dem Risikomanagement eines Biogasvorhabens
eine besondere Bedeutung zukommt. Diese Teilaspekte skizzieren wir im folgenden
Abschn. 2.3.
4
Ausführlicher Hupe (1995), S. 43 ff.; Tytko (1999), S. 142 f.; Uekermann (1993), S. 23. Zum
Risikobegriff aus technischer Sicht s. Frohböse (2010), S. 13–16.
5
In einem breiteren Begriffsverständnis wird unter Risiko die Gefahr verstanden, dass ein
tatsächlich realisiertes Ergebnis vom erwarteten Ergebnis positiv oder negativ abweicht. Positive
Abweichungen werden dann als „Chance“ bezeichnet, negative Abweichungen als „Risiko im
engeren Sinn“. Dieser letztgenannten Interpretation des Risikobegriffs wollen wir hier folgen.
2.3 Risikomanagement bei Biogasprojekten 27
Die Bedeutung der Behandlung von Risiken im Zusammenhang mit einer Pro-
jektfinanzierung ergibt sich unmittelbar aus ihrem Charakter: Da es allein das
Vorhaben ist, das als wirtschaftliche Basis für die angemessene Eigenkapitalver-
zinsung und die Bedienung des Kapitaldienstes dient, ist die Werthaltigkeit und die
Robustheit des Projekts von entscheidender Bedeutung. Da das Projekt aber erst
sukzessive entsteht, lässt sich die Wirtschaftlichkeit nur per Prognose bestimmen.
Da die Perspektive in die Zukunft zunehmend unsicher ist, hat sich die Prognose
mit dem Eintritt aller Arten von Einflüssen zu befassen, deren Wirkung auf das
Projekt einzuschätzen und nach Wegen zu suchen, ob und inwieweit einzelne Pro-
jektbeteiligte bereit sind, das Projekt von Risiken freizuhalten.
Dabei lassen sich die Erfolgsfaktoren von Biogasprojekten wie in Tab. 2.1
beschreiben.
Die ersten drei genannten Aspekte – Stabilität des Rechts- und Regulierungs-
umfeldes, Einsatz bewährter Technik und Risikoallokation – müssen bei jeder Pro-
jektfinanzierung vollumfänglich erfüllt sein. Sobald diese Anforderungen erfüllt
sind, geht es letztlich um eine finanzielle Optimierungsaufgabe, die in Abhängigkeit
von den Volatilitäten der verschiedenen Einflussgrößen zu lösen ist. Der erste Teil
der Projektprüfung ist damit eher grundsätzlicher Natur, der zweite Teil Gegenstand
der Risikoquantifizierung.
Am Anfang des Einsatzes von Projektfinanzierungen steht die Frage nach der
grundsätzlichen Geeignetheit der einzusetzenden Technik, die eine klare und lang-
fristig stabile Energieproduktion garantieren muss.
Definition
Die Risiken bei Projektfinanzierungen können von Projekt zu Projekt hinsichtlich
ihres Inhalts, ihrer Ursache, ihres Ausmaßes und ihrer Eintrittswahrscheinlich-
keit stark voneinander abweichen. Gleichwohl gibt es Gruppen von Risiken,
28 2 Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes
6
Auch eine ökonomische Analyse der Vertragsbeziehungen legt eine derartige Verknüpfung von
Risiko und Risikoträgerschaft nahe. Aus Effizienzgesichtspunkten ist es besser, wenn die Risiko-
zuweisung auf den Risikoeintritt konditioniert ist. S. hierzu Böttcher (2009), S. 67–69.
2.3 Risikomanagement bei Biogasprojekten 29
Welche Verträge sich hierfür eignen, hängt davon ab, was zum Verhalten der
einzelnen Parteien gerichtsfest feststellbar ist.
In diesem Abschnitt werden die branchenspezifischen Besonderheiten von
Biogas-Vorhaben mit dem traditionellen Risikomanagementprozess einer Pro-
jektfinanzierung verzahnt. Die Darstellung ermittelt für verschiedene Formen von
Biogasprojekten das jeweilige Risikoprofil und beschreibt geeignete Maßnahmen
zur Risikobewältigung. Dazu starten wir zunächst mit zwei exogenen Risikofeldern
und betrachten danach die Risikofelder, die durch die Einbindung von Projektbetei-
ligten besser kontrollierbar erscheinen. Der Abschnitt endet mit einer bewertenden
Zusammenfassung der betrachteten Einzelrisiken (Abschn. 2.4.7).
In Abschn. 5.2 erfolgt die Risikoquantifizierung, bei der die zuvor dar-
gestellten Risikopotenziale der Einzelrisiken ganzheitlich untersucht werden und
unter diesen Aspekten eine tragfähige Finanzierungsstruktur entwickelt wird. Die
Risikoquantifizierung erfolgt anhand eines Fallbeispiels.
Wie bereits eingangs beschrieben, kommt der Stabilität und Verlässlichkeit des
Regulierungsumfeldes eine herausragende Bedeutung zu. Dabei muss man bei
Biogas-Projekten bedenken, dass sich die gesetzlichen Bestimmungen nicht allein
in recht ausgefächerten Fördermöglichkeiten erschöpfen, sondern darüber eine
Reihe von Rechtsnormen zu beachten sind, die für die Durchführung und den
Betrieb eines Biogasprojektes relevant sind. Dies ist auch der Grund, dass wir das
Rechtsumfeld in dieser Darstellung recht umfangreich darstellen. Dabei gehen wir
davon aus, dass das Vorhaben eine Größe erreicht, die ein immissionsschutzrecht-
liches Genehmigungsverfahren notwendig macht.
Aus diesem Grund nehmen wir eine Differenzierung der Darstellung der recht-
lichen Rahmenbedingungen vor: In einem ersten Teil stellen Dr. Andreas Gabler,
Dr. Florian Wesche und Dr. Jörn Kassow die gesetzlichen und öffentlich-recht-
lichen Grundlagen einer Biogasnutzung vor. Dies beinhaltet die Darstellung der
Genehmigungen, der Vergütungsregelungen und des Netzzugangs. Kerstin Semmler
stellt im Anschluss die zentralen wirtschaftlichen Rechtsverträge und ihre recht-
lichen Implikationen vor. Dr. Thorsten Gottwald und Dr. Sophie Oldenburg weisen
im Anschluss auf besondere rechtliche Fallstricke bei der Gestaltung von Verträgen
im Biogas-Bereich hin.
Zentrale Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit eines Biogasprojektes haben in
diesem Zusammenhang die nationalen Branchen-Regulierungen, die regelmäßig in
Form von Mindestpreissystemen ausgestaltet sind und eine vorrangige Abnahme-
pflicht für „grünen Strom“ vorsehen.
Im Bereich der nach dem EEG vergüteten Biomasseverstromung ist seit dem
Inkrafttreten des EEG 2004 eine besondere Dynamik zu verzeichnen. Die Anlagen-
anzahl stieg von 2.000 in 2004 auf etwa 7.000 Ende 2011, wobei sich die elektrische
Gesamtleistung im gleichen Zeitraum auf 2.728 MWel mehr als versieben fachen
wird. Treiber dieser Entwicklung ist die Einführung eines Bonus für nachwachsende
32 2 Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes
7
S. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 4.5.1.1.
8
S. insbesondere die Ausführungen in Abschn. 3.1.4.1 und Abschn. 3.1.4.2 zu den Regelungen
des EEG 2012.
2.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten 33
2.4.2 Zinsänderungsrisiko
Das Fertigstellungsrisiko beinhaltet alle Risiken und die daraus folgenden Verluste,
die realisiert werden, wenn die Projektanlage nicht mit vertragsgerechter Leis-
tung, verzögert, zu höheren Kosten oder gar nicht fertig gestellt wird (Böttcher
2.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten 35
2009, S. 73–79). Das Fertigstellungsrisiko hat bei Biogas-Vorhaben eine recht hohe
Bedeutung, sollte aber bei einem professionellen Management im Regelfall gut zu
handhaben sein.
Das genannte Risiko kann erhebliche Auswirkungen auf das Projekt haben und
im schlimmsten Fall den wirtschaftlichen Betrieb unmöglich machen und somit
zum Abbruch des Projektes führen. Da die Banken eine Projektfinanzierung nur bei
ausreichend hohem und stabilem Projekt-Cashflow gewähren werden, verlangen
sie bei Identifizierung eines solchen Preisrisikos in der Regel eine umfangreiche
Haftung eines der Projektbeteiligten, der für den ggf. entstehenden Schaden auf-
kommen muss.
Um dem Fertigstellungsrisiko entgegenzuwirken, sind eine Reihe von Verträgen
entwickelt worden, die dieses Risiko – in unterschiedlichem Umfang – Sponsoren,
Kreditnehmern und Anlagenlieferanten zuweisen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass
bei Verfehlen eines Stichtages, der zu einem bestimmten Tarif berechtigt, eine
Strafzahlung vereinbart wird, die die Mindereinnahmen kompensiert. Dabei kann
die Pönale so gewählt werden, dass die Belastbarkeit des Vorhabens aus Banksicht
konstant bleibt.
Grundsätzlich können die üblichen finanziellen Möglichkeiten, die Folgen eines
Fertigstellungsrisikos zu begrenzen, wie in Tab. 2.4 dargestellt, klassifiziert werden.
Wegen des sehr weit reichenden Umfangs einer Fertigstellungsgarantie einer-
seits und den bei der Projekterstellung häufig kaum überschaubaren Risiken
andererseits werden häufig Regeln vereinbart, die die Verpflichtungen des Garanten
beschränken.
Im Regelfall der Limited-Recourse-Finanzierung wechselt die Risikotragung
mit der Fertigstellung der Anlage: Waren bis dahin die Sponsoren oder der
36 2 Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes
9
Für die Projektprüfung bedeutet dies: Die Fremdkapitalgeber müssen sich nicht nur über die
Tragfähigkeit des Projektes aufgrund seines erwarteten Cashflow-Stroms in der Betriebsphase
Gedanken machen, sondern bis zum Abschluss der Fertigstellungsphase in ihren Analysen die
Bonität der Sponsoren mit berücksichtigen. Dabei muss man auch vor Augen haben, dass die Haf-
tung der Sponsoren oder des Generalunternehmers nicht unbeschränkt, sondern aus ökonomischen
Überlegungen regelmäßig betragsmäßig begrenzt ist.
10
Der frühestmögliche Zeitpunkt ist die Errichtung der Anlage, also das Ende der Bau- und
Montagearbeiten (physische Fertigstellung). Allerdings kommt es für den Wert einer Anlage auf
deren Funktionstüchtigkeit an – Fertigstellung meint in diesem Zusammenhang den Probelauf,
bei dem bestimmte Leistungsparameter nachgewiesen werden müssen. Darüber hinaus kann eine
gewisse Betriebszeit gefordert sein, in der stufenweise bestimmte Leistungsparameter nachgew-
iesen werden müssen. Am weitesten geht die Forderung, dass auch bestimmte Wirtschaftlichkeit-
skriterien des Anlagenbetriebs nachgewiesen werden (Economic Test). Sofern Parameter herang-
ezogen werden, die nicht mit der Anlage selbst zusammenhängen (z. B. realisierte Nachfrage),
verschiebt sich der Charakter einer Non-Recourse-Projektfinanzierung wieder in Richtung einer
Unternehmensfinanzierung.
2.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten 37
sich die Kapitalgeber auf einen nicht prognostizierbaren Output einlassen, was mit
den fixierten operativen und finanziellen Zahlungsverpflichtungen eines Projektes
nicht harmonisiert. Dieser Leitsatz muss sich aber auch einer kritischen Würdigung
unterziehen, schließlich soll auch keine veraltete Technik finanziert werden. Würde
dies der Fall sein, so besteht für das Projekt im weiteren Zeitablauf die Gefahr,
an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Dies gilt insbesondere für die relativ jungen
Technologien des Biokraftstoffsektors, die nicht von einer Preisgarantie auf der
Absatzseite profitieren. Gerade in diesen Bereichen fordert der Wettbewerb auf den
Märkten die Anwendung neuer Technologien, um Produktionskosten zu reduzieren.
Die Frage ist dann nur, ob eine Projektfinanzierung die geeignete Methode ist.
Technische Fragestellungen treten bei Biomasse- und Biogas-Vorhaben häufig
erst nach einer gewissen Betriebsdauer auf. Gerade bei Biogas-Anlagen ist der
gesamte Stoffkreislauf wartungsanfällig. Häufig lassen sich derartige technische
Probleme nicht bei der Abnahme feststellen und zeigen erst im Dauerbetrieb
ihre negativen Auswirkungen. Fertigstellungsrisiken und technische Risiken sind
häufig nicht eindeutig voneinander zu trennen (s. hierzu auch die Beispiele von Kai
Basedow in Abschn. 4.4).
Bei allen verfahrenstechnischen Risiken treten inhaltliche Parallelen zu den Fer-
tigstellungsrisiken auf, so dass auch Überschneidungen bei den risikopolitischen
Maßnahmen möglich sind. Der Sponsor wird der Bank eine umfangreiche tech-
nische Studie („engineering and design study“ bzw. „feasibility study“) zur Ver-
fügung stellen, auf die sich die Bank bei ihren Analysen stützen wird. Die Bank
sollte darüber hinaus weitere Gutachten von Sachverständigen einholen, um eine
differenzierte Analyse der Verfahrenstechnik durchführen zu können. In Frage
kommen hier beispielsweise Ingenieurbüros, die nicht bei der Erstellung der Studie
involviert waren. Den besten vorbeugenden Schutz gegen Folgen des technischen
Risikos bietet eine sorgfältige Auswahl des Contractors hinsichtlich Know-how
und Erfahrungsschatz. Handelt es sich bei dem Projekt um eine bewährte Technik,
sollte sich der Contractor bereit erklären, entsprechende Garantien für die Betriebs-
bereitschaft der Anlage zu übernehmen. Der Contractor hat selbst ein Interesse
daran, dass keine verfahrenstechnischen Mängel auftreten, schließlich ist seine
Wettbewerbsfähigkeit auch mit seinem guten Ruf eng verbunden.11
Eine praktikable Absicherung gegen technische Risiken kann eine Verfügbarkeits-
garantie sein (Buljevich und Park 1999, S. 102). Durch eine solche Garantie, die im
Rahmen des Anlagenvertrages vereinbart werden kann, übernimmt der Contractor
für einen gewissen Zeitraum die Verantwortung, dass die Anlage die zugesicherten
Eigenschaften erfüllt. Hierzu zählen Leistungsmengen und -qualitäten, die ein-
deutig überprüfbar sein müssen. Im Garantiefall muss der Contractor, je nach Ver-
einbarung, nachbessern oder Schadenersatz leisten. Der Contractor übernimmt
demgemäß das Risiko technisch bedingter Einzahlungsminderungen bzw. Aus-
zahlungserhöhungen. Aus Bankensicht ist hier eine Bonitätsprüfung des Garan-
tiegebers zwingend, um die Werthaltigkeit dieser Garantie überprüfen zu können.
S. 52–71.
38 2 Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes
Es ist nicht die Technik allein, die darüber entscheidet, ob ein technisches Risiko
schlagend wird, sondern auch ein professionelles Management des Betriebs kann
zumindest rechtzeitig gegensteuern und einen Ausfall der Anlage vermeiden.
12
S. hierzu etwa die Ausführungen von Matthias Grotsch in Abschn. 4.2.1.
2.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten 41
13
Aufgrund der hohen Schäden, die bei einem Stillstand der Anlage im Falle der nicht fristge-
rechten Belieferung oder bei einem Einsatz von Fremd- oder Störstoffen entstehen können, muss
die Haftungsregelung sehr sorgfältig geprüft werden.
42 2 Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes
Abb. 2.8
Preisentwicklung von
Weizen
14
Weizenpreis an der CBOT (boerse.de 2011).
2.5 Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement 43
Während wir bislang die Risiken und die Risikoinstrumente isoliert betrachtet
haben, müssen diese in der Finanzierungspraxis hinsichtlich ihrer gesamten
Wirkung auf das Projekt analysiert und bewertet werden. Dies erfolgt im Rahmen
der Risikoquantifizierung des Projektes über ein Cashflow-Modell. Das Cashflow-
Modell dient dabei der Entwicklung einer projektbezogenen Finanzierungsstruktur,
die unter der Berücksichtigung eines zu definierenden Sicherheitsabschlages so
auszugestalten ist, dass die bankseitigen Anforderungen für die Gewährung einer
Projektfinanzierung über die gesamte Finanzierungslaufzeit stets erfüllt werden
können.
Aus Gründen der mangelnden Quantifizierbarkeit der nach Anwendung
von Risikoinstrumenten verbleibenden Einzelrisiken wird von den Banken ein
pauschaler Sicherheitsabschlag anhand von Erfahrungswerten aus dem jeweiligen
Anwendungsgebiet festgelegt. Der Sicherheitsabschlag für ein konkretes Projekt
kann in seiner Höhe folglich von Bank zu Bank unterschiedlich bemessen sein.
Letztlich folgt dieser Risikoabschlag dem Ergebnis einer Simulationsrechnung, die
– zumeist basierend auf einer Simulationsrechnung – wesentliche Einflussfaktoren
variiert und zu einer komprimierten Risikobewertung gelangt.
Den Untersuchungen in dieser Arbeit soll ein Sicherheitsabschlag von 20 % auf
den geplanten Jahresenergieertrag zu Grunde gelegt werden. Dieser Abschlag wird
als ausreichend angesehen, um auch das kombinierte Eintreten von Einzelrisiken
bei dem betrachteten Projekt Pleasant Valley (s. Abschn. 5.2) realistisch abbilden
und auffangen zu können.
15
S. hierzu auch Abschn. 4.5.2.4.
44 2 Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes
Erkennbar ist, dass Biogasvorhaben sehr empfindlich auf eine Änderung des
Einnahmenniveaus und der Betriebskosten reagieren, während sie gegenüber
Änderungen des Zinsniveaus sehr robust sind. Die wesentliche Erklärung für dieses
Risikoprofil liegt in den verhältnismäßig geringen Kapitalkosten begründet, die
etwa drei Mal geringer sind als bei Solarprojekten, sowie den Betriebskosten, die
wiederum etwa drei Mal höher sind als bei Solarprojekten.
Die eigentliche zusammenfassende Quantifizierung eines Projektrisikos erfolgt
über ein Cashflow-Modell, das neben der Bewertung der Projektrisiken auch eine
Optimierung der Finanzierungsstruktur zulässt. Das Cashflow-Modell ist für die
Risikoquantifizierung von zentraler Bedeutung, aber die Risikoquantifizierung
endet nicht mit dem Cashflow-Modell. Zusätzlich erfolgen auf Basis des Cashflow-
Modells – zumeist separat vorgenommene – Simulationsrechnungen über ein
Rating-Tool, das verschiedene Projektverläufe bei unterschiedlichen Umwelts-
zenarien simuliert und aus Risikosicht der Banken bewertet. Die Simulationsrech-
nungen werden dabei im Biogasbereich wesentlich durch die Verfügbarkeit der
Eingangsstoffe sowie der prognostizierten Entwicklung der Zinsstrukturkurven
beeinflusst. Qualitative Faktoren, wie etwa die Bewertung des Fertigstellungsrisikos
und die Erfahrungen des EPC-Contractors, haben gegenüber den quantitativen Fak-
toren eine zumeist nachrangige Bedeutung.16
Das Cashflow-Modell dient einer ersten Abschätzung der Projektbelastbar-
keit und Wirtschaftlichkeit und das Rating-Verfahren ermöglicht es dann, die
Robustheit des Cashflow-Verlaufs angesichts verschiedener Umweltveränderungen
zu bewerten. Das Rating-Ergebnis korrespondiert mit einer Risikobepreisung.
Sofern diese von der im Cashflow-Modell verwandten Risikobepreisung abweicht,
die ja zunächst eine Schätzgröße abbildet, muss das Modell angepasst und die
Simulationsrechnung wiederholt werden. Im Bedarfsfall muss dieser Prozess so
lange wiederholt werden, bis Cashflow-Modell und Rating-Modell von denselben
Annahmen ausgehen. Insofern ist die Cashflow-Modellierung und die Bewertung
durch ein Rating-Tool ein iterativer Prozess.
Die Ziele, die mit einem Rating-Tool verfolgt werden, lassen sich wie folgt sub-
sumieren:
1. Objektive und standardisierte Risikobeurteilung eines Projektes.
2. Kalkulation eines Gesamtrisikos für eine Projektfinanzierung – Ermittlung einer
Ausfallwahrscheinlichkeit, die wiederum für die Risikobepreisung relevant ist.
16
Da es sich bei den Rating-Tools um separate Software-Anwendungen handelt, die für den
Benutzer lediglich Eingaben zulassen, können die Details des Verfahrens im Rahmen dieser Arbeit
leider nicht vorgestellt werden.
46 2 Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes
2.5.2 Hinweise zur Optimierung aus Sicht der Investoren und der
Fremdkapitalgeber
Der Baseler Ausschuss hat in 2004 ein Kapitalregelwerk verabschiedet (Basel II), das im
17
vorgenommen werden muss, ist keine isolierte Entscheidung, sondern Teil eines
geschlossenen Risikomanagementprozesses.
2. Versicherungen werden den Versicherungsnehmer regelmäßig auf bestimmte
Verhaltensweisen und Informationspflichten verpflichten, die wiederum Rück-
wirkung auf die Vertragserfüllung auch anderer Verträge haben werden. Neben
den Anforderungen an eine Versicherbarkeit von einzelnen Risiken, die für die
Planbarkeit der Cashflows von großer Bedeutung ist, tritt die Anforderung, über
den Umfang und die Ausgestaltung der Versicherungen die richtigen Anreize für
die Projektbeteiligten zu setzen.
Bei der Einbindung von Versicherungen in ein Risikomanagementkonzept sind
folgende Aspekte zu beachten: Zunächst einmal muss die Versicherung prüfen,
ob ein Risiko überhaupt versicherbar ist, wobei verschiedene Prüfungsebenen zu
unterscheiden sind. In einem ersten Schritt wird geprüft, ob die Risiken anreiz-
kompatibel verteilt sind: Dies verlangt, dass Projektbeteiligte, die ein Risiko auch
üblicherweise kontrollieren können, dies auch im konkreten Einzelfall tun. Umge-
kehrt: Eine Versicherung wird beispielsweise kaum ein Fertigstellungsrisiko über-
nehmen, wenn der Anlagenbauer nicht einen wesentlichen Teil dieses Risikos selbst
übernimmt.
Als weitere, versicherungs-mathematische Bedingungen werden dabei der
Zufallsgrad eines Schadenseintritts, die eindeutige Zurechenbarkeit des Ver-
sicherungsfalls auf ein versichertes Ereignis und die Abschätzbarkeit der finanziellen
Konsequenzen bei Risikoeintritt untersucht. Zentral für die Versicherbarkeit von
Projektrisiken ist, dass überhaupt ein Sachschaden an den versicherten Sachen ent-
standen ist und dass dieser unvorhergesehen eingetreten ist. Dies bedeutet zunächst,
dass einzelne Teile der Projektanlage zerstört oder beschädigt sein müssen; die
bloße Mangelhaftigkeit einer Sache genügt nicht (Hauke und Kottke 2010, S. 60 f.).
Ebenfalls wird kein Versicherungsschutz greifen, wenn ein Schadenereignis
unvermeidbar ist und definitiv eintreten wird. Die Zufälligkeit bzw. die Ungewiss-
heit über das Entstehen, den Zeitpunkt und/oder die Schadenhöhe sind zwingend
erforderlich. Zu den vorhersehbaren Schäden von Windvorhaben zählen ins-
besondere Schäden durch Abnutzung und Verschleiß. Es ist eindeutig, dass
einzelne Komponenten – wie etwa der Generator – nur eine begrenzte Lebensdauer
aufweisen und damit kein zufälliges Schadensereignis ursächlich ist. Der Ver-
sicherungsnehmer muss damit rechnen, dass Verschleißteile nach einer gewissen
Zeit zwangsläufig ausgetauscht werden müssen. Vorhersehbar sind etwa Schäden
durch bekannte Mängel, welche nicht versicherbar sind. Sind Mängel bekannt, so
ist die Projektgesellschaft verpflichtet, diese zu beseitigen. Ohne Versicherungs-
schutz käme der Sachschaden wahrscheinlich gar nicht erst zustande, da sofort
Maßnahmen zur Verhinderung eingeleitet worden wären. Aus diesem Grund kann
eine Versicherung nicht eine Entschädigung leisten, die grob fahrlässig aufgrund
der Kenntnis des Versicherungsschutzes verursacht worden ist.
In der Gesamtbetrachtung erweisen sich Versicherungen als äußerst vielschichtige
Strukturelemente für die Absicherung und Optimierung von Projektfinanzierungen.
Sie erlauben unter den beschriebenen Voraussetzungen eine notwendige residuale
2.5 Literatur 49
Literatur
Böttcher, J.: Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben. Oldenbourg, München (2009)
Böttcher, J., Blattner, P.: Projektfinanzierung. Oldenbourg, München (2006)
Buljevich, E.C., Park, Y.S.: Project financing and the international financial markets. Kluwer,
Boston (1999)
Cramme, T. et al. (Hrsg.): Handbuch Solvabilitätsverordnung. Schäffer-Poeschel, Stuttgart (2007)
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.: Daten und Fakten. www.nachwachsenderohstoffe.
de/service/daten-und-fakten/bioenergie/strom. Zugegriffen: 2. August 2011
Fischer, J.-U.: Finanzierung von Bioenergieprojekten: Risikomanagement und Finanzierungs-
strukturierung. In: Gerhard, M., Rüschen, T., Sandhövel, A. (Hrsg.) Finanzierung Erneuerbarer
Energien. Frankfurt School, Frankfurt a. M. (2011), S. 743–759
Frohböse, P.: Das Fertigstellungsrisiko bei Offshore-Projekten: Risiken während Fertigung, Mon-
tage, Transport, Installation und Logistik. In: Euroforum (Hrsg.) Schriftlicher Management-
Lehrgang „Offshore“, Düsseldorf (2010)
Haukje, T., Kottke, T.: Versicherbarkeit und Versicherungslösungen bei Offshore-Projekten. Düs-
seldorf (2010)
Hupe, M.: Steuerung und Kontrolle internationaler Projektfinanzierungen. Lang, Frankfurt a. M.
(1995)
International Energy Agency (IEA): Ensuring Green Growth in a Time of Economic Crisis: The
Role of Energy Technology. Paris (2009a)
International Energy Agency (IEA): World Energy Outlook. Paris (2009b)
Jung, F.: Projektierung von Bioenergievorhaben. In: Gerhard, M., Rüschen, T., Sandhövel, A.
(Hrsg.) Finanzierung Erneuerbarer Energien. Frankfurt School, Frankfurt a. M. (2011), S. 445–
464
Nevitt, P.K., Fabozzi, F.J.: Project Financing. Euromoney Books, London (2000)
Schmitt, W.: Internationale Projektfinanzierung bei deutschen Banken. Knapp, Frankfurt a. M.
(1989)
Schulte-Althoff, M.: Projektfinanzierung. Ein kooperatives Finanzierungsverfahren aus Sicht der
Anreiz-Beitrags-Theorie und der neuen Institutionenökonomik. Lit, Münster (1992)
Tytko, D.: Zukunftsorientierte Kreditvergabeentscheidungen. Schäffer-Poeschel, Frankfurt a. M.
(1999)
Uekermann, H.: Risikopolitik bei Projektfinanzierungen: Maßnahmen und ihre Ausgestaltung.
DUV, Wiesbaden (1993)
Rechtliche und sozio-ökonomische
Rahmenbedingungen 3
Das Planungs- und Genehmigungsrecht ist für die Errichtung von Anlagen, die einer
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterliegen, von erheblicher
Bedeutung, da ohne das Vorliegen der erforderlichen planungs- und genehmigungs-
rechtlichen Voraussetzungen die Errichtung und der Betrieb dieser Anlagen nicht
zulässig sind. In der Praxis wird die Relevanz dieses Rechtsgebiets gleichwohl
häufig unterschätzt.
Dass Anlagen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unter-
stellt werden, findet seine Rechtfertigung letztlich darin, dass der Betrieb solcher
Anlagen regelmäßig mit erheblichen Immissionen verbunden ist. Auch wenn Bio-
gasanlagen – anders als beispielsweise Steinkohlekraftwerke – nicht zu den
Anlagen gehören, bei deren Errichtung regelmäßig überregionaler Protest (etwa
auch von Umweltverbänden) zu erwarten ist, ist es allein schon wegen der mit
Biogasanlagen verbundenen Geruchsimmissionen doch auch nicht selten, dass
solche Projekte von Anwohnern im Klagewege angegriffen werden. Stellt sich
(erst) vor Gericht heraus, dass die Genehmigung und/oder ein etwa erforderlicher
Bebauungsplan nicht den rechtlichen Anforderungen genügt und daher aufzuheben
ist, droht dem Vorhabenträger zumindest eine wesentliche zeitliche Verzögerung,
wenn nicht gar – im Extremfall – das endgültige Aus für sein Projekt, wie sich bei-
spielsweise gerade anschaulich im Falle der „Investitionsruine Datteln“ zeigt.1 Die
1
Der dort geplante und auch bereits begonnene Bau eines Steinkohlekraftwerks ist aufgrund von
Rechtsfehlern des Bebauungsplans und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen durch
Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts in Münster – zumindest vorerst – gestoppt worden.
S. dazu OVG Münster, Urteil vom 3.9.2009, Az. 10 D 121/07.NE; OVG Münster, Beschluss vom
sorgfältige Vorbereitung des Projekts auch im Hinblick auf die Fragen des öffent-
lichen Planungs- und Genehmigungsrechts ist damit von entscheidender Bedeutung
für seine erfolgreiche Umsetzung.2
3.1.1.1 Einleitung
Im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen soll zunächst erläutert werden, welche
Genehmigung(en) für die Errichtung einer Biogasanlage erforderlich ist (bzw. sind)
und welches Verfahren zum Erlangen dieser Genehmigung(en) zu durchlaufen ist.
Sodann soll aufgezeigt werden, welches die wesentlichen materiellen Anfor-
derungen an eine solche Anlage sind, um die Genehmigung(en) zu erhalten und die
Anlage im Einklang mit den rechtlichen Anforderungen betreiben zu können.
Schließlich soll kurz auf die möglichen Folgen eines illegalen Anlagenbetriebs
sowie die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten für den Anlagenbetreiber und
Dritte eingegangen werden.
Immissionsschutzrechtliche Genehmigung
Einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf gemäß § 4 Abs. 1
BImSchG die Errichtung solcher Anlagen, die „auf Grund ihrer Beschaffenheit oder
ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen
hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu
gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen“.
Diese allgemeine Regelung wird durch den Anhang zur 4. BImSchV3 kon-
kretisiert, in dem die immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtigen Anlagen
enumerativ und abschließend aufgeführt werden. Abhängig von Faktoren wie
der Feuerungswärmeleistung, der Menge und Art der eingesetzten Substrate und
Abfallstoffe, der Kapazität der Lagerbehälter und dem möglichen Zusammen-
hang mit größeren landwirtschaftlichen (Tierhaltungs-)Anlagen werden die von
der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht erfassten Anlagentypen
in zwei verschiedenen Spalten aufgelistet. Für die in Spalte 1 gelisteten Anlagen
ist ein förmliches, für in Spalte 2 gelistete Anlagen lediglich ein vereinfachtes
Genehmigungsverfahren erforderlich. Ist eine Anlage in keiner der beiden Spalten
aufgeführt, ist sie aus immissionsschutzrechtlicher Sicht genehmigungsfrei und
bedarf nur einer Baugenehmigung.
Tabelle 3.1 gibt eine Übersicht über einige der wichtigsten Faktoren, die vor-
liegend eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht auslösen können.
Förmliches Verfahren
Die Durchführung des förmlichen Verfahrens ist in § 10 BImSchG i. V. m. mit der
9. BImSchV4 geregelt.
Das förmliche Verfahren ist zwar deutlich komplexer und zeitaufwändiger als
das vereinfachte Verfahren, verschafft dem Antragsteller im Gegenzug aber auch
ein höheres Maß an Rechtssicherheit. Aus diesem Grunde steht es dem Vorhaben-
träger gemäß § 19 Abs. 3 BImSchG auch frei, die Durchführung eines förmlichen
Verfahrens zu beantragen, obwohl die Genehmigung im vereinfachten Verfahren
erteilt werden könnte.
4
Neunte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung
über das Genehmigungsverfahren – 9. BImSchV).
54 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Verfahrensablauf
Das förmliche Verfahren lässt sich grob in drei Verfahrensabschnitte gliedern:
• Vorabberatung
–– Bereits vor Stellung des Genehmigungsantrags kann der Vorhabenträger sich
im Hinblick auf den weiteren Ablauf des Genehmigungsverfahrens ratsuchend
an die zuständige Behörde wenden. Sobald die Genehmigungsbehörde über
das geplante Vorhaben unterrichtet wird, soll sie den Träger des Vorhabens
im Hinblick auf die Antragstellung beraten und mit ihm den zeitlichen Ablauf
des Genehmigungsverfahrens sowie sonstige für die Durchführung dieses
Verfahrens erhebliche Fragen erörtern (§ 2 Abs. 2 der 9. BImSchV).
–– Der Vorhabenträger wird im Rahmen des sog. „Scoping“ unter anderem
darüber informiert, welche Antragsunterlagen einzureichen sind, welche
Anforderungen im Hinblick auf die Nachbarschaft zu beachten sind, welche
Gutachten voraussichtlich eingeholt werden müssen und wie der zeitliche
Ablauf des Genehmigungsverfahrens ausgestaltet werden kann.
• Genehmigungsantrag und Vollständigkeitsprüfung
–– Das eigentliche Genehmigungsverfahren beginnt mit der Stellung des
schriftlichen Genehmigungsantrags (§ 2 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV).
Dem Antrag müssen die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen beigefügt
werden, die es der Behörde erlauben, das Vorliegen der Genehmigungs-
voraussetzungen zu prüfen. Eine Aufzählung der im Regelfall erforderlichen
Unterlagen enthalten die §§ 4 bis 4e der 9. BImSchV.
–– Die Genehmigungsbehörde hat dem Antragsteller den Eingang des Antrags
und der Unterlagen unverzüglich schriftlich zu bestätigen. Sodann hat sie
die Vollständigkeit der Antragsunterlagen zu prüfen, wofür ihr in der Regel
eine Frist von einem Monat zur Verfügung steht, die nur in begründeten Aus-
nahmefällen einmal um zwei Wochen verlängert werden kann (s. §§ 6 und 7
der 9. BImSchV).
–– Sind der Antrag oder die Unterlagen nicht vollständig, so hat die
Genehmigungsbehörde den Antragsteller unverzüglich aufzufordern, den
Antrag oder die Unterlagen innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen.
Lässt der Antragsteller diese Frist grundlos verstreichen, wird sein Antrag in
der Regel ohne weitere Prüfung abgelehnt.
–– Liegen die Unterlagen vollständig vor, unterrichtet die Behörde den Antrag-
steller schriftlich hierüber sowie über den geplanten weiteren zeitlichen Ablauf
des Genehmigungsverfahrens. Mit dieser Unterrichtung setzt sie zugleich die
vorgesehene Entscheidungsfrist in Gang. Im förmlichen Genehmigungsver-
fahren hat die Behörde ab Mitteilung der Vollständigkeit grundsätzlich sieben
Monate Zeit, um über den Genehmigungsantrag zu entscheiden. Die Frist
kann um drei Monate verlängert werden, wenn dies wegen der Schwierig-
keit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind,
erforderlich ist (§ 10 Abs. 6a BImSchG).
• Öffentlichkeitsbeteiligung
–– Wenn die Antragsunterlagen vollständig sind, führt die Behörde die nach § 10
Abs. 3 BImSchG verbindlich vorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 55
Umweltverträglichkeitsprüfung
Im Rahmen des förmlichen Verfahrens besteht darüber hinaus für bestimmte Vor-
haben die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).
Die UVP ist ein unselbstständiger Teil des förmlichen Genehmigungsverfahrens.
Insbesondere im Scoping- und im Erörterungstermin stehen, wenn das Vorhaben
UVP-pflichtig ist, erfahrungsgemäß oft die Umweltauswirkungen des Vorhabens im
Vordergrund der Diskussion und Betrachtung.
Die Erforderlichkeit einer UVP richtet sich nach Anlage 1 zum Gesetz über die
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). In dieser werden die UVP-pflichtigen
Vorhaben enumerativ aufgeführt, wobei das UVPG vielfach an ähnliche Faktoren
56 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
anknüpft wie die 4. BImSchV. Für die in der Anlage 1 zum UVPG genannten Vor-
haben kann entweder eine von vornherein zwingende Pflicht zur Durchführung
einer vollständigen UVP bestehen oder lediglich die Pflicht zu einer – allgemeinen
oder standortbezogenen – Vorprüfung des Einzelfalls. Im Falle der auch als „Scree-
ning“ bezeichneten Vorprüfung entscheidet die zuständige Behörde aufgrund einer
überschlägigen Prüfung, ob das konkrete Vorhaben erhebliche nachteilige Aus-
wirkungen auf die Umwelt haben kann und daher eine vollständige Umweltver-
träglichkeitsprüfung erforderlich erscheint.
Tabelle 3.2 veranschaulicht, wann insbesondere für Biogasanlagen eine Pflicht zur
Durchführung einer UVP – jedenfalls in Form einer Vorprüfung – in Betracht kommt.
Vereinfachtes Verfahren
Bei genehmigungspflichtigen Anlagen, die nur in Spalte 2 des Anhangs zur
4. BImSchV aufgeführt sind, wird von einem geringeren Gefährdungspotential aus-
gegangen, so dass gemäß § 19 BImSchG die Genehmigungserteilung im verein-
fachten Verfahren möglich ist.
Das vereinfachte Verfahren unterscheidet sich insbesondere darin vom förmlichen
Verfahren, dass es keine Öffentlichkeitsbeteiligung beinhaltet. Die Frist, die der
Behörde nach Vorliegen der vollständigen Antragsunterlagen zur Entscheidung
über die Genehmigungserteilung zur Verfügung steht, beträgt im vereinfachten
Verfahren nur drei Monate (statt sieben Monaten im förmlichen Verfahren). Dies
führt dazu, dass das vereinfachte Verfahren gegenüber dem förmlichen Verfahren
deutlich kürzer und weniger aufwändig ist.
Trotz der zu begrüßenden Verfahrensbeschleunigung birgt das vereinfachte Ver-
fahren allerdings auch Nachteile für den künftigen Anlagenbetreiber. Dem Vorteil
der Verfahrensbeschleunigung steht insbesondere die geringere Rechtssicherheit
des Antragstellers gegenüber Einwendungen privater Dritter entgegen. Da im
vereinfachten Verfahren keine formalisierte Öffentlichkeitsbeteiligung durch-
geführt wird, tritt im vereinfachten Verfahren auch keine Präklusionswirkung ein.
Betroffene Dritte können ihre Einwendungen hier daher auch erst nach Abschluss
des Genehmigungsverfahrens geltend machen, indem sie Rechtsmittel gegen die
Erteilung der Genehmigung einlegen.
Konzentrationswirkung
Sowohl im förmlichen als auch im vereinfachten Verfahren kommt der immissions-
schutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 13 BImSchG eine sog. Konzentrations-
wirkung zu. Dies bedeutet, dass die Genehmigung andere die Anlage betreffende
behördliche Entscheidungen – etwa die Baugenehmigung – mit einschließt. Der
Antragsteller muss somit keinen zusätzlichen Genehmigungsantrag bei der Bauauf-
sichtsbehörde stellen. Dieser Behörde wird im Genehmigungsverfahren gemäß § 10
Abs. 5 BImSchG i. V. m. § 11 der 9. BImSchV lediglich die Möglichkeit gegeben,
zu dem Vorhaben Stellung zu nehmen.
Nicht von dieser Konzentrationswirkung erfasst ist hingegen die Erlaubnis oder
Bewilligung nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG), die für den Fall benötigt
wird, dass im Zuge des Betriebs der Biogasanlage Gewässer benutzt werden sollen,
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 57
etwa durch eine Entnahme von Wasser oder das Einbringen oder Einleiten von
Stoffen in Gewässer (s. dazu §§ 8 und 9 WHG).
Änderungen
Sollen bereits bestehende Biogasanlagen bloß geändert werden, hängt die immis-
sionsschutzrechtliche Genehmigungspflichtigkeit davon ab, ob es sich um eine
wesentliche Änderung handelt.
Wesentliche Änderungen bedürfen einer Änderungsgenehmigung nach
§ 16 BImSchG. Diese kann entweder im förmlichen oder im vereinfachten
Genehmigungsverfahren entsprechend den oben dargestellten Voraussetzungen
ergehen.
Andernfalls ist die Änderung gemäß § 15 BImSchG lediglich der zuständigen
Behörde spätestens einen Monat vor der geplanten Änderungsmaßnahme schriftlich
anzuzeigen. Die Behörde prüft sodann binnen eines Monats, ob die Änderung
wesentlich ist. Verneint sie dies, gibt sie die verbindliche Erklärung ab, dass für
die angezeigte Änderung keine Genehmigung erforderlich ist (sog. Freistellungs-
erklärung). Äußert die Behörde sich binnen eines Monats nach Eingang der Anzeige
nicht, so hat auch dies die Wirkungen einer Freistellungserklärung.
Der Freistellungserklärung kommt jedoch keine Konzentrationswirkung zu.
Sofern für das Vorhaben andere Zulassungen – z. B. eine Baugenehmigung –
notwendig sind, müssen diese somit eingeholt werden.
Baurechtliche Genehmigung
Sofern die Anlage nicht der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht
unterfällt, ist in der Regel eine Baugenehmigung nach der Landesbauordnung des
jeweiligen Bundeslandes zu beantragen. Die Baugenehmigung weist keine Kon-
zentrationswirkung auf. Die übliche Verfahrensdauer für ein Baugenehmigungsver-
fahren beträgt circa zwei bis fünf Monate.
58 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Wasserrechtliche Genehmigung
Nicht von der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Geneh-
migung umfasst werden die wasserrechtlichen Erlaubnisse und Bewilligungen.
Diese sind daher, soweit sie benötigt werden, immer eigenständig zu beantragen.
Eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung ist insbesondere dann
erforderlich, soweit eine Gewässerbenutzung i. S. d. WHG stattfindet (s. dazu §§ 8
und 9 WHG). Dies ist beispielsweise bei der Einleitung von Abwasser (etwa des
auf den Silagelagerflächen anfallenden Regenwassers) in ein Oberflächengewässer
der Fall.
Immissionsschutzrechtliche Anforderungen
Immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtige Biogasanlagen müssen gemäß
§ 5 Abs. 1 BImSchG insbesondere so errichtet und betrieben werden, dass
1. schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile
und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht
hervorgerufen werden können;
2. Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erheb-
liche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch
die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen.
Auch Anlagen, die keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht
unterliegen, sind gemäß § 22 Abs. 1 BImSchG so zu errichten und zu betreiben,
dass schädliche Umwelteinwirkungen, die nach dem Stand der Technik vermeid-
bar sind, verhindert und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche
Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
Als schädliche Umwelteinwirkungen kommen im Falle von Biogasanlagen ins-
besondere Luftverunreinigungen und Lärmbelastungen in Frage.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 59
Luftverunreinigungen
Durch die Vergärung der Biomasse kommt es bei dem Betrieb einer Biogasanlage
häufig in erhöhtem Maße zu Geruchsimmissionen. Da Geruchsimmissionen von den
Anwohnern oft als sehr störend empfunden werden, gibt es in diesem Zusammen-
hang vielfach Klagen von Nachbarn gegen eine erteilte Genehmigung. Für einen
gesicherten Anlagenbetrieb ist es daher unerlässlich, die bestehenden Grenzen
zulässiger Geruchsimmissionen einzuhalten.
Eine allgemein rechtsverbindliche Grenze, ab wann Geruchsimmissionen die
Schwelle der Unzulässigkeit überschreiten, existiert bislang allerdings nicht. Als
Hilfsmittel zur Beurteilung der Geruchsimmissionen wird von Gerichten und
Behörden jedoch regelmäßig die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) heran-
gezogen.
Die GIRL ist zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
nicht rechtlich verbindlich.5 Sie stellt aber eine zulässige Orientierungshilfe für die
Beurteilung der Frage dar, wann eine Geruchsbelästigung als unzumutbar anzu-
sehen ist.
Nach der GIRL liegt eine erhebliche Belästigung vor, wenn die Gesamtbelastung
einen bestimmten Immissionswert erreicht, der in Form der relativen Häufigkeit von
Geruchsstunden angegeben wird. Eine Geruchsstunde liegt vor, wenn in mindestens
10 % der Zeit (dies wären auf 1 h gerechnet also 6 min) Geruchsimmissionen wahr-
nehmbar sind. In Wohngebieten dürfen nicht mehr als 10 % der Stunden eines Jahres
Geruchsstunden sein. In Dorf- und Gewerbegebieten sind die Geruchsstunden auf
15 % der Jahresstunden begrenzt. Die Genehmigung für eine Anlage kann jedoch
auch bei Überschreitung dieser Werte nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt
werden, wenn der von der Anlage zu erwartende zusätzliche Immissionsbeitrag den
Wert von 2 % der Jahresstunden nicht überschreitet (sog. Irrelevanzkriterium).
Bei der Bewertung, ob eine Geruchsbelästigung als erheblich und damit unzu-
lässig anzusehen ist, sind daneben jedoch auch weitere Gesichtspunkte mit in die
Betrachtung einzubeziehen, etwa die Hedonik und Intensität der Geruchswirkung.
So können im Falle von Ekel und Übelkeit auslösenden Gerüchen trotz Einhaltung
der Immissionswerte schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden.
Umgekehrt kann bei Vorliegen eindeutig angenehmer Gerüche trotz Überschreitung
der Immissionswerte das Vorliegen einer erheblichen Belästigung durch Geruchs-
immissionen zu verneinen sein.
In der Praxis ist es üblich, bereits in der Planungsphase für eine Biogasanlage,
also im Vorfeld eines Genehmigungsverfahrens, entsprechende Geruchsgutachten
einzuholen, um möglichst frühzeitig Aufschluss über die Genehmigungsfähigkeit
der Anlage zu erlangen.
Lärmbelastungen
Störender Lärm kann sowohl durch den Betrieb einer Biogasanlage als auch durch
den der Anlage zurechenbaren Zulieferverkehr hervorgerufen werden.
5
BVerwG, Urteil vom 7.5.2007, Az 4 B 5.07.
60 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Vorsorgegrundsatz
Schließlich ist für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen
auch die Vorsorgepflicht zu beachten, die den Betreiber einer Biogasanlage nicht
nur verpflichtet, die Anlage zum Zeitpunkt der Genehmigung nach dem aktuellen
Stand zu errichten, sondern sie auch im Folgenden stets nach dem jeweils aktuellen
Stand der Technik zu betreiben und auf diese Weise Vorsorge gegen schädliche
Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche
Belästigungen zu treffen. Um dieser Pflicht gerecht zu werden, muss ein Betreiber
gegebenenfalls auch Nach- oder Umrüstungsmaßnahmen an der Anlage durch-
führen, sofern die dadurch entstehenden Kosten nicht außer Verhältnis zu dem
erzielbaren Erfolg stehen.
6
Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische
Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm).
7
Ausführlich zur Problematik tieffrequenten Schalls auch Müller-Wiesenhaken und Kubicek,
ZfBR 2011, S. 217 ff.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 61
Baurechtliche Anforderungen
Neben den immissionsschutzrechtlichen Voraussetzungen muss die Biogasanlage
auch den Anforderungen des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts entsprechen.
Bauplanungsrecht
Nach den bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen bestimmt sich, ob die geplante
Anlage an dem gewünschten Standort errichtet werden darf.
Die bauplanungsrechtlichen Anforderungen hängen von dem Bereich ab, in
dem die Anlage errichtet werden soll. Unterschieden wird zwischen Vorhaben im
Geltungsbereich eines Bebauungsplans (§ 30 des Baugesetzbuchs (BauGB)), Vor-
haben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB) und Vor-
haben im Außenbereich (§ 35 BauGB).
Zur Ausweisung eines Sondergebiets für eine Biogasanlage vgl. etwa OVG Lüneburg,
8
Anlagen im Außenbereich
Soll die Biogasanlage im sog. Außenbereich errichtet werden, also sowohl außerhalb
eines Bebauungsplans als auch einer vorhandenen Bebauungsstruktur, hängt die
Beurteilung der Zulässigkeit maßgeblich davon ab, ob es sich um ein privilegiertes
Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB oder ein nicht privilegiertes Vorhaben
im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB handelt.
• Privilegierte Vorhaben
–– In § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB hat der Gesetzgeber einen ausdrücklichen
Privilegierungstatbestand für bestimmte Arten von Biogasanlagen geregelt.
Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor, ist ein Vorhaben stets
zulässig, wenn nicht im Einzelfalle öffentliche Belange entgegenstehen.
–– Die Privilegierung erfasst jedoch nur Anlagen, die – neben weiteren Voraus-
setzungen – im Zusammenhang mit einem land- oder forstwirtschaftlichen
Betrieb stehen, bei denen die Biomasse überwiegend aus diesem Betrieb oder
überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben stammt und die
Feuerungswärmeleistung der Anlage nicht 2,0 MW bzw. die Kapazität der
Biogaserzeugungsanlage nicht 2,3 Mio. Nm³ Biogas pro Jahr überschreitet.
Die Möglichkeit einer privilegierten Errichtung im Außenbereich gilt dem-
nach allenfalls für eher kleinere Biogasanlagen.
• Nicht privilegierte Vorhaben
–– Von einer Bebauung mit nicht privilegierten Vorhaben ist der Außenbereich
grundsätzlich freizuhalten. Ist eine Biogasanlage nicht als privilegiertes Vor-
haben im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB einzustufen, kann sie gemäß § 35
Abs. 2 BauGB nur zugelassen werden, wenn öffentliche Belange, etwa solche
des Natur- und Landschaftsschutzes, nicht beeinträchtigt werden. Erfahrungs-
gemäß ergibt sich aber meist, dass öffentliche Belange negativ berührt und
damit die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Anlage im Außenbereich
nicht gegeben sind.
–– In derartigen Fällen bleibt für Vorhabenträger im Grunde nur die Möglichkeit,
auf die Aufstellung eines Bebauungsplans durch die zuständige Gemeinde
hinzuwirken, durch den die Errichtung von Biogasanlagen in dem betroffenen
Gebiet ausdrücklich für zulässig erklärt wird.
Bauordnungsrecht
Die bauordnungsrechtlichen Anforderungen ergeben sich aus der Landesgesetz-
gebung. Die jeweiligen Landesbauordnungen enthalten regelmäßig Vorgaben
etwa zu den einzuhaltenden Abstandsflächen, zum Brandschutz sowie zur Arbeits-
sicherheit. In den meisten Fällen werden diese Vorgaben nicht der Errichtung einer
Biogasanlage entgegenstehen, da oftmals eine entsprechende Anpassung der Anlage
an die Vorgaben möglich ist.
Weitere Anforderungen
Neben den Anforderungen des Immissionsschutzrechts und des öffentlichen Bau-
rechts prüft die Genehmigungsbehörde gegebenenfalls auch, ob die sonstigen
öffentlich-rechtlichen Vorgaben eingehalten sind. Inwieweit weitere Anforderungen
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 63
zu beachten sind, richtet sich insbesondere nach der konkreten Ausgestaltung der
geplanten Biogasanlage und den eingesetzten Substraten. Relevante Bestimmungen
können in diesem Zusammenhang etwa die Regelungen des Abfallrechts, des
Düngemittelrechts oder des Veterinärrechts sein.
Abfallrecht
Abfallrechtliche Vorgaben ergeben sich aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz
(KrWG) sowie den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen. Ob eine Biogasanlage
in Bezug auf die Einsatzstoffe den Anforderungen des Abfallrechts unterliegt,
ist abhängig von den eingesetzten Substraten. Werden beispielsweise Bioabfälle
pflanzlicher oder tierischer Herkunft eingesetzt9, sind die Bestimmungen der Bio-
abfallverordnung (BioAbfV) zu beachten, etwa die Verpflichtung gemäß § 3 Abs. 4
BioAbfV, Untersuchungen am Gärrückstand durchführen zu lassen.
Veterinärrechtliche Anforderungen
Wenn in der Biogasanlage tierische Nebenprodukte wie beispielsweise Gülle,
Festmist oder Hühnertrockenkot eingesetzt werden sollen, ergeben sich schließ-
lich auch aus der Verordnung (EG) Nr. 1774/200210, der Tierische Nebenprodukte-
Beseitigungsverordnung (TierNebV) und der Verordnung (EG) Nr. 181/200611
zusätzliche Anforderungen. Bestimmte tierische Nebenprodukte, die in Art. 4 der
Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 als besonders riskant eingestuft werden (beispiels-
weise Tiermaterial mit hohem seuchenhygienischem Risiko oder von Versuchs-
tieren), dürfen in keinem Fall in Biogasanlagen verwendet werden.
9
Welche Abfälle unter die BioAbfV fallen, richtet sich nach Anhang 1 der Verordnung (z. B.
Gülle, Mist, Fettabfälle).
10
Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.10.2002
mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Neben-
produkte, in: ABl. EG 2002, L 273/1.
11
Verordnung (EG) Nr. 181/2006 der Kommission vom 1.2.2006 zur Durchführung der Verord-
nung (EG) Nr. 1774/2002 hinsichtlich anderer organischer Düngemittel und Bodenverbesserungs-
mittel als Gülle sowie zur Änderung der genannten Verordnung, in: ABl. EU 2006, L 29/31.
64 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
GIRL) Zumutbaren überschreiten. Nicht rügen kann der Nachbar dagegen z. B.,
dass einer Anlage die nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB erforderliche Privilegierung
fehle, weil die Biomasse nicht überwiegend aus dem eigenen Betrieb des Anlagen-
betreibers stamme.12 Denn hierbei handelt es sich um eine allgemeine, bauplanungs-
rechtliche Anforderung, die nicht (zumindest auch) den Schutz der Nachbarschaft
bezweckt.
Die Klage eines Drittbetroffenen gegen eine nach Immissionsschutzrecht erteilte
Genehmigung hat gemäß § 80 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, dass der Anlagenbetreiber die Genehmigung
nicht vollziehen, also nicht mit dem Bau und dem Betrieb der Biogasanlage
anfangen darf. Möchte er lange Verzögerungen vermeiden, bleibt dem Anlagen-
betreiber in diesem Falle zwar die Möglichkeit, im Wege des einstweiligen Rechts-
schutzes eine Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zu beantragen. Der Antrag
ist zunächst gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO an die zuständige Behörde zu richten,
bevor gegebenenfalls nach § 80a Abs. 3 VwGO das zuständige Verwaltungsgericht
angerufen werden kann.13 Hat der Antrag Erfolg, kann der Anlagenbetreiber trotz
des laufenden Rechtsstreits mit dem Bau und dem Betrieb der Anlage beginnen. Es
besteht in diesem Falle allerdings die Gefahr, dass sich (erst) am Ende des Rechts-
streits herausstellt, dass die Errichtung der Biogasanlage rechtlich nicht zulässig
war und die Genehmigung nicht hätte ergehen dürfen. Wird die angefochtene
Genehmigung im Rahmen des Rechtsstreits aufgehoben, ist die bereits errichtete
Anlage grundsätzlich zurückzubauen, so dass der Anlagenbetreiber hier ein nicht
unerhebliches Risiko eingeht.
3.1.1.6 Zusammenfassung
Im Rahmen der Errichtung und des Betriebs von Biogasanlagen sind zahlreiche
Anforderungen des öffentlichen Rechts zu beachten. Nur eine sorgfältige Planung
und Vorbereitung des Genehmigungsverfahrens ermöglichen es, die begehrte
Genehmigung erfolgreich und ohne Verzögerung zu erlangen und die geplante
Biogasanlage rechtssicher errichten und betreiben zu können.
12
OVG Koblenz, Urteil vom 7.10.2009, Az. 1 A 10872/07.
13
So jedenfalls OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.04.2010, Az. 1 ME 22/10.
14
Grundlage der Darstellung ist das Erneuerbare Energien Gesetz in der ab dem 1.1.2012 gel-
tenden Fassung.
66 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
dagegen nach dem Willen des Gesetzgebers in den Hintergrund. Der Netzbetreiber
ist aufgrund ausdrücklicher Anordnung auch dann zum Anschluss der Anlage ver-
pflichtet, wenn die Abnahme des Stroms erst durch eine wirtschaftlich zumutbare
Kapazitätserweiterung des Netzes möglich wird (§ 5 Abs. 4 EEG).
Gegebenenfalls muss der erzeugte Strom noch auf die Spannungsebene des
Netzes herauf transformiert werden, so dass die technische Eignung der Spannungs-
ebene ggf. durch Transformation hergestellt werden kann.
Gesetzliche Vermutung für Kleinanlagen: Der Gesetzgeber wollte verhindern,
dass überlange Anschlusswege und damit verbundene erhöhte Anschlusskosten
für Kleinanlagen zum Investitionshindernis werden. Er hat deshalb für Anlagen
bis 30 kW installierter Leistung, die sich auf einem Grundstück mit bestehendem
Netzanschluss befinden, unwiderleglich vermutet, dass der Verknüpfungspunkt des
Grundstückes mit dem Netz (Hausanschluss) der günstigste ist (§ 5 Abs. 1 Satz 2
EEG).
Wirtschaftlich günstigster Verknüpfungspunkt: Da die kürzeste Entfernung
aber nicht unbedingt die wirtschaftlich günstigste Lösung darstellen muss, kann
die geografische Entfernung nicht maßgeblich sein, wenn ein Anschluss an einem
anderen Verknüpfungspunkt desselben oder eines anderen Netzes mit geringeren
volkswirtschaftlichen Gesamtkosten verbunden ist.15 Dahinter steht das Anliegen
des Gesetzgebers, volkswirtschaftlich unsinnige Kosten zu vermeiden. Allerdings
ist der in Anspruch genommene Netzbetreiber insoweit darlegungs- und beweis-
pflichtig. Er muss belegen können, dass der Anschluss an einem anderen Ver-
knüpfungspunkt im selben Netz oder einem anderen Netz gesamtwirtschaftlich
geringere Kosten verursacht.
Maßgeblich ist ein gesamtwirtschaftlicher Kostenvergleich, der losgelöst von
der Kostentragungspflicht der Parteien vorzunehmen ist. Es kommt auf die Summe
der Kosten für die tatsächliche Verbindung der konkreten Anlage mit dem Netz und
den Kosten einer ggf. notwendigen Netzverstärkung an. Stehen mehrere Anschluss-
varianten zur Diskussion, sind die jeweils anzusetzenden Gesamtkosten aus Netz-
anschluss und Netzverstärkung zu ermitteln und sodann miteinander zu vergleichen.
Abweichender Anschlusspunkt
Das EEG sieht zwei Fälle vor, in denen der tatsächliche Anschlusspunkt von dem
gesetzlich vorgesehenen abweichen kann. Zunächst kann der Anlagenbetreibers,
einen anderen Verknüpfungspunkt als den gesetzlichen wählen (§ 5 Abs. 2 EEG).
Der Netzbetreiber kann seinerseits der Anlage einen anderen Verknüpfungspunkt
zuweisen (§ 5 Abs. 3 EEG).
15
S. insbesondere BGH NVwZ-RR 2009, 104, 105; BGH NJW-RR 2007, 1645.
68 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
per Luftlinie kürzesten Verknüpfungspunkt mit dem Netz zurückzukehren und auf
diese Weise Anschlusskosten zu sparen (vgl. § 13 Abs. 1 EEG).
Die Beantwortung der Frage hängt maßgeblich davon ab, worauf sich der Begriff
des „anderen Verknüpfungspunktes“ bezieht. Viel spricht dafür, dass dies ein wei-
terer Punkt neben dem geografisch nächsten und dem gesamtwirtschaftlich güns-
tigsten sein muss. Der Gesetzgeber wollte dem Anlagenbetreiber kein völlig freies
Wahlrecht hinsichtlich des Anschlusspunktes geben. Andernfalls hätte es nicht
einer vorrangigen gesamtwirtschaftlichen Betrachtung im Rahmen des § 5 Abs. 1
EEG und der vom Gesetzgeber beabsichtigten Weitergeltung der dazu entwickelten
Rechtsprechung bedurft.
16
Gesetzesbegründung zum EEG 2009, BT-Drs. 16/8184, S. 41.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 69
gemacht werden kann.17 Dies ergibt sich aus dem Sinn der Regelung, den Anschluss
sicherzustellen. Könnte der Anspruch erst nach Errichtung der Anlage geltend
gemacht werden, würde sich ein deutliches Investitionshemmnis ergeben. Anlagen-
betreibende könnten vor Errichtung der Anlage nicht feststellen, ob ihre Anlage an
diesem Standort auch angeschlossen werden kann und sähen sich so einem Risiko
gegenüber, das die Finanzierung des Projekts gefährden würde.
Dies führt zu einem Interessenkonflikt zwischen Anlagen- und Netzbetreiber.
Während Anlagenbetreiber darauf drängen, die Arbeiten am Netzanschluss so früh
wie möglich zu beginnen, um eine zeitgerechte Einspeisung nicht zu gefährden,
werden Netzbetreiber zunächst ein gewisses Maß an Sicherheit dafür anstreben,
dass die anzuschließende Anlage auch tatsächlich gebaut wird.
Anschlusserrichtung
Anlagenbetreiber sind berechtigt, den Anschluss der Anlagen sowie die Einrichtung
und den Betrieb von Messeinrichtungen einschließlich der Messung vom Netz-
betreiber oder einer fachkundigen dritten Person vornehmen zu lassen (§ 7 Abs. 1
17
Gesetzesbegründung zum EEG 2009, BT-Drs. 16/8184, S. 41.
18
Bandelow, in: Gabler/Metzenhein, Praxiskommentar EEG, § 5, Rn. 38 ff.
19
Bandelow, in: Gabler/Metzenhein, Praxiskommentar EEG, § 5, Rn. 41 ff.
70 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
„Gülle“ ist demnach Wirtschaftsdünger aus tierischen Ausscheidungen, auch mit geringen
21
Mengen Einstreu oder Futterresten oder Zugabe von Wasser, dessen Trockensubstanzgehalt 15
vom Hundert nicht übersteigt.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 71
22
Am 1.01.2012.
72 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
23
Gesetzesbegründung zum EEG 2004, BT-Drs. 2864, S. 34.
24
Votum der Clearingstelle EEG vom 19.09.2008 – 2008/14 – Anspruch auf Netzausbau,
wirtschaftliche Zumutbarkeit.
25
Gabler 2010, S. 52 f.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 73
für kurzfristige Einspeisereduzierungen. Diese werden aber auf der Grundlage der
spezielleren und deshalb vorrangigen Regelung in § 12 EEG abgewickelt.
Den in Anspruch genommenen Netzbetreiber trifft allerdings dann keine Ersatz-
pflicht, wenn er nachweisen kann, dass er
1. die Maßnahmen, zu denen er verpflichtet ist, unverzüglich ergriffen hat oder
2. die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
Das Gesetz gewährt dem Anlagenbetreiber darüber hinaus einen Anspruch
auf Auskunft gegenüber dem Netzbetreiber, ob und inwieweit dieser seinen Ver-
pflichtungen zur Optimierung, Verstärkung oder zum Ausbau seines Netzes nach-
gekommen ist (§ 10 Abs. 2 EEG). Die Vorschrift dient nicht nur der Sicherung
des Schadensersatzanspruches, sondern versetzt den anspruchstellenden Anlagen-
betreiber zunächst überhaupt in die Lage zu erkennen, ob überhaupt ein Anspruch
besteht.
Kostentragung
In der Vergangenheit gehörte die Frage nach den vom Netzbetreiber und von
Anlagenbetreiber jeweils zu zahlenden Kosten für Netzanschluss und Netzver-
stärkung zu den am heftigsten umstrittenen. Das Gesetz differenziert zwischen den
Anschlusskosten, die vom Anlagenbetreiber zu tragen sind und den Kosten der
Kapazitätserweiterung, die dem Netzbetreiber zur Last fallen.
Kostentragung nach § 14 EEG folgt dem Anspruch aus § 9 EEG, der den Anlagen-
betreibern unabhängig von der Frage eines Neuanschlusses, einer Reaktivierung,
Erweiterung oder sonstiger Erneuerung einen entsprechenden Anspruch auf
Kapazitätserweiterung gewährt.
Im Gegensatz zur Vorgängerregelung im EEG 2004 sieht der Wortlaut des § 14
EEG keine Beschränkung mehr auf die „notwendigen Kosten“ des Netzausbaus
vor – auch wenn die Gesetzesbegründung noch immer darauf verweist.26 Es stellt
sich daher die Frage, wer die „nicht notwendigen“ Kosten zu tragen hat. Dafür, dass
die Frage relevant ist, spricht der Umstand, dass der Netzbetreiber im Rahmen einer
effizienten Betriebsführung derartige Kosten nicht übernehmen dürfte und deshalb
auch nicht in die Netzentgelte einkalkulieren darf. Es spricht daher vieles dafür, die
Kosten für solche Maßnahmen, die über das technisch erforderliche Maß hinaus-
gehen und die der Anlagenbetreiber vom Netzbetreiber verlangt, auch dem Anlagen-
betreiber aufzuerlegen. Dem Verbot des § 4 Abs. 2 EEG wird dadurch Rechnung
getragen, dass der Vornahme bestimmter, technisch nicht zwingend erforderlicher,
vom Anlagenbetreiber aber dennoch gewünschter Maßnahmen eine entsprechende
Kostenerstattungspflicht gegenüber tritt und daher keine Nachteile für einen der
Beteiligten entstehen.
26
Vgl. Gesetzesbegründung zum EEG 2009, BT-Drs. 16/8148, S. 48.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 75
gelten gem. § 32 GasNZV sogar eigene, z. T. vom EnWG und den übrigen Vor-
schriften der GasNZV abweichende Begrifflichkeiten.
Die Regelungen zum Netzanschluss betreffen dabei nur den physischen
Anschluss einer Anlage zur Aufbereitung von Biogas auf Erdgasqualität. Die Rege-
lungen zum Netzzugang betreffen demgegenüber vor allem den Transport des
eingespeisten Biogases.
Im Zusammenhang mit der Verwendung des eingespeisten Biogases zur Erzeugung
von Strom in Erzeugungsanlagen, die nicht am Standort der Biogasanlage stehen,
sondern das Biogas an einem entfernteren Standort aus dem Erdgasnetz entnehmen
(sog. Nutzung des Biogases i. S. d. EEG im Wärmeäquivalent), ist zu beachten, dass
das EnWG und die GasNZV keinerlei Regelungen im Hinblick auf die Förderung
der Stromeinspeisung nach dem EEG enthalten. Vielmehr sind die Regelungen von
GasNZV und EEG im Detail nicht aufeinander abgestimmt. Unter anderem ist der
Begriff des Biogases in § 3 Nr. 10c EnWG und somit auch in der GasNZV deutlich
weiter gefasst als der Biogasbegriff des EEG. Daher sind bei der Bestimmung,
inwieweit in einer Biogasanlage erzeugter Strom nach dem EEG förderfähig ist,
allein die Vorschriften des EEG maßgeblich. Insoweit sind die gaswirtschaftlichen
Regelungen zum Gasnetzanschluss und Gastransport in EnWG und GasNZV im
Grunde genommen „nur“ Abwicklungsregelungen für Einspeisung und Transport,
um die dezentrale Verwendung des hergestellten Biogases zu ermöglichen.27
Die Entnahme von Biogas aus dem Erdgasnetz zur Verwendung in Stromerzeugungsanlagen,
27
die den Strom einspeisen und die EEG-Vergütung erlangen, wird im Folgenden näher erläutert.
76 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
sowie die Einrichtungen zur Druckerhöhung und die eichfähige Messung des ein-
zuspeisenden Biogases umfasst sind.
Gemäß § 33 Abs. 1 GasNZV sind die aufnehmenden Netzbetreiber – in der
Regel die örtlichen Verteilnetzbetreiber – verpflichtet, die Aufbereitungsanlagen
vorrangig vor anderen Netznutzern an ihr Netz anzuschließen. Die aufnehmenden
Netzbetreiber sind daher Anspruchsgegner. Die Anschlusspflicht korrespondiert mit
einem unbedingten Netzanschlussanspruch desjenigen, der den Anschluss begehrt.
Gleichwohl führt das bloße Begehren eines Netzanschlusses nicht dazu, dass der
Netzbetreiber den Netzanschluss gewähren und herstellen muss. Wie die genau
geregelten Prozessschritte in § 32 Abs. 1 bis 7 GasNZV zeigen, sind noch einige
Handlungen auf Seiten des Netzbetreibers und des Anschlusspetenten notwendig,
unter anderem der Abschluss eines Netzanschlussvertrags sowie eine Vorschuss-
zahlung des Anschlusspetenten auf die Netzanschlusskosten. Nähere Einzelheiten
zu den einzelnen Schritten und Maßnahmen sind nachfolgend dargestellt.
28
Kooperationsvereinbarung zwischen den Betreibern von in Deutschland gelegenen Gasver-
sorgungsnetzen, Änderungsfassung vom 30.6.2011, Inkrafttreten am 1.10.2011, Anlage 6.
29
S. Fn. zuvor.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 77
Die Verweise auf Paragrafen beziehen sich jeweils auf den Muster-Netzanschluss- und
30
31
Vgl. hier hierzu unter anderem die Entscheidungen der Bundesnetzagentur, BK 7-10-191 vom
25.2.2011 und BK 7-09-005 vom 3.3.2010.
32
Näheres hierzu im folgenden Abschnitt.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 79
Vorrang
Die Pflicht, den gesamten angebotenen Strom aus Erneuerbaren Energien und
Grubengas vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen, wird in § 8
Abs. 1 EEG festgeschrieben.
33
vgl. Meyer und Valentin 2010, S. 548 f.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 81
„Die Vorschrift ist ausdrücklich nur als Angebot an die Beteiligten ausge-
staltet. Mit ihr wird den Beteiligten die Möglichkeit eröffnet, im Sinne eines
gegenseitigen Gebens und Nehmens Vereinbarungen zu treffen, die für beide
Seiten und letztlich für den Stromkunden vorteilhaft sind. Durch den par-
tiellen Verzicht des Anlagenbetreibers auf seine Rechte, z. B. zu bestimmten
Zeiten einzuspeisen, kann der Netzbetreiber unter Umständen Kosten – etwa
für notwendige Ausgleichsenergie – sparen. So ist es durchaus sinnvoll, wenn
Betreiber von Anlagen aus den verschiedenen Sparten der Erneuerbaren Ener-
gien oder auch zusammen mit sonstigen Anlagenbetreibern ein Erzeugungs-
management mit dem Ziel vereinbaren, eine kontinuierliche Einspeisung zu
ermöglichen. Eine solche Vereinbarung kann den Netzbetreiber in die Lage
versetzen, Kosten einzusparen und dem Anlagenbetreiber für seinen Verzicht
auf eine weitergehende Einspeisung einen finanziellen Ausgleich zu zahlen,
82 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
so dass dieser in der Summe nicht schlechter steht als bei einer unbeschränk-
ten Ausübung seiner Rechte. Letztendlich können so die Gesamtkosten für
die Stromerzeugung und -verteilung gesenkt werden, so dass die Verbraucher
von niedrigeren Preisen profitieren können.“34
34
Gesetzesbegründung zum EEG 2009, BT-Drs. 16/8148, S. 44.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 83
fordern müssen, die sich beispielsweise auf Wetterprognosen und – daraus abge-
leitet – auf entsprechende Prognosen der Windeinspeisung stützen lassen. Wollte
man bereits die abstrakte Gefahr einer Regelung genügen lassen, würde der Sinn
und Zweck der Vorabinformation durch gehäufte und überflüssige Informationen
verwaschen.
Nachträgliche Nachweispflicht
Über die konkrete Information der Anlagenbetreiber hinaus muss der Netzbetreiber
im Nachgang zu einer Maßnahme des Einspeisemanagements auf Verlangen
des Anlagenbetreibers den Nachweis über die Erforderlichkeit der Maßnahmen
erbringen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. EEG). Hierzu sind dem Anlagenbetreiber
innerhalb von vier Wochen geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die ein
sachkundiger Dritter ohne weiteres nachvollziehen kann. Zu diesen Unterlagen
zählen auch die Protokolle über die vor der Regelung abgerufene Ist-Einspeisung
der jeweiligen Anlagen in der Netzregion.
Härtefallregelung
Für Maßnahmen des Einspeisemanagements können Anlagenbetreiber eine Ent-
schädigung vom Netzbetreiber verlangen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 EEG). Hiermit sollen
einerseits die Finanzierbarkeit neuer Projekte durch gesicherte Einnahmen und
andererseits ein effizienter Einsatz des Einspeisemanagements durch den Netz-
betreiber gewährleistet werden. Allerdings ist kein „Härtefall“ im engeren Sinn
erforderlich, um als Anlagenbetreiber Ersatzleistungen beanspruchen zu können.
§ 12 EEG gilt für alle Anlagenbetreiber, die aufgrund von Maßnahmen des Ein-
speisemanagements Strom nicht einspeisen konnten. Es geht daher eher um einen
Nachteilsausgleich als um die Abfederung von Härtefällen.35
35
§ 12 EEG war noch im Referentenentwurf zum EEG 2009 als echte Härtefallregelung
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 85
Die Kosten der Entschädigung hat der Netzbetreiber zu tragen, in dessen Netz
die Ursache für Maßnahmen des Einspeisemanagements liegt (§ 12 Abs. 1 Satz 3
EEG). Die wirtschaftliche Belastung der Ersatzpflicht trifft also nicht unbedingt
den Netzbetreiber, an dessen Netz die Anlage angeschlossen ist. Allerdings muss
er neben dem verantwortlichen Netzbetreiber als Gesamtschuldner mithaften
(§ 12 Abs. 1 Satz 4 EEG). Aus Sicht des Anlagenbetreibers stellt dies eine erheb-
liche Erleichterung dar, weil er seine Ansprüche unmittelbar gegen „seinen Netz-
betreiber“ richten kann, der seinerseits Freistellung vom verantwortlichen Netz-
betreiber suchen muss.
Die konkrete Höhe der Entschädigung beträgt grundsätzlich 95 % der entgangenen
Einnahmen des Anlagenbetreibers (strom- und wärmeseitig) zuzüglich zusätzlicher
Aufwendungen (z. B. durch den Bezug von Reserveenergie oder eventuelle Ver-
tragsstrafen) und abzüglich ersparter Aufwendungen (z. B. für ersparten Brennstoff)
(§ 12 Abs. 1 Satz 1 EEG). Übersteigen die entgangenen Einnahmen allerdings in
einem Jahr 1 % der Einnahmen dieses Jahres, sind die Betreiber der betreffenden
Anlagen ab diesem Zeitpunkt in voller Höhe zu entschädigen (§ 12 Abs. 1 Satz 2
EEG). Der Netzbetreiber erhält dadurch einen finanziellen Anreiz, die Maßnahmen
des Einspeisemanagements in Anzahl und Umfang entsprechend zu begrenzen.
In der Praxis muss der Anlagenbetreiber Voraussetzungen und Umfang der bean-
spruchten Entschädigung nachweisen. Dabei ist absehbar, dass insbesondere bei der
Ermittlung nicht eingespeister Strommengen oder bei der Bewertung ersparter Auf-
wendungen Schwierigkeiten auftreten werden. Letztlich wird es sachverständiger
Hilfe bedürfen, um Streitfragen zu entscheiden.
Darüber hinaus ist unklar, für welchen Zeitraum und in welchen Intervallen die
Entschädigung jeweils ermittelt werden soll. Die Gesetzesbegründung geht von
einer jährlichen Betrachtungsweise aus. Dies spricht dafür, die Entschädigung
nicht nach jeder Einzelmaßnahme des Einspeisemanagements zu ermitteln und aus-
zuzahlen, sondern erst im Rahmen der Jahresabrechnung. Die Verpflichtung zum
Nachweis der Rechtmäßigkeit der Einzelmaßnahmen innerhalb von vier Wochen
nach Aufforderung (§ 11 Abs. 3 EEG) bleibt davon aber jedenfalls unberührt.
Weitergehende Schadensersatzansprüche des Anlagenbetreibers gegen den
Netzbetreiber aus sonstigem Recht bleiben neben der gesetzlichen Entschädigungs-
regel unberührt (§ 12 Abs. 3 EEG). Allerdings verbleibt für derartige Ansprüche
kaum ein Anwendungsbereich, wenn sich der Schaden auf entgangene Einspeise-
erlöse beschränkt. Insoweit ist die Entschädigungsregelung spezieller und tatsäch-
lich erfolgte Entschädigungszahlungen würden den zu ersetzenden Schaden von
vornherein ausgleichen. Schadensersatzansprüche haben aber dort Bedeutung, wo
durch Eingriffe des Netzbetreibers in den Betrieb einer Erzeugungsanlage echte,
physische Schäden entstanden sind, die wiederum zu Einnahmeausfällen führen.
Derartige Ansprüche können durch § 12 EEG nicht abgedeckt werden.
Wird das Biogas in einen Erdgasbilanzkreis eingestellt, dürfte der Transportvorrang nur für
36
die Einspeisung von Bedeutung sein. Denn in diesem Fall wird am virtuellen Handelspunkt das
Biogas als Erdgas bilanziert und auch weiter transportiert. Ein Transportvorrang bei der Ausspei-
sung dürfte in der Praxis daher nicht durchsetzbar, weil nicht umsetzbar aus Netzbetreibersicht,
sein.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 87
Die Verweise auf Paragrafen beziehen sich jeweils auf den Muster-Einspeisevertrag Biogas für
37
Die Biomasse leistet neben der Windenergie die größten Beiträge zur Strom-
erzeugung aus erneuerbaren Energien. Ihr Anteil betrug im Jahr 2010 ca. 30 %
an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Auf Strom von Biogas entfiel
davon fast die Hälfte (12,9 % Anteil an der Gesamtstromerzeugung aus erneuer-
baren Energien). In der Vergangenheit hatte der Gesetzgeber das Vergütungssystem
38
Die Bilanzierungsperiode für Erdgas-Bilanzkreis ist der Gastag (6.00 Uhr bis 6.00 Uhr des
Folgetages) gem. § 23 Abs. 1 GasNZV.
39
Dies entspricht auch der gängigen Praxis der Marktgebietsverantwortlichen, vgl. BDEW
(2009), S. 8.
92 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
für Strom aus Biomasse allerdings immer weiter detailliert und ausdifferenziert, so
dass das gesamte Modell nur noch schwer zu überschauen war.
Mit dem novellierten EEG 2012 wurde deshalb eine neue Vergütungsstruktur
für Strom aus Biomasse eingeführt und dadurch die Förderung einfacher und über-
sichtlicher gestaltet. Auch sollen existierende Überförderungen sowie ökologische
Fehlanreize behoben werden.
Hybrid-Anlagen
Der Vergütung für Strom aus Biomasse auf der Grundlage des EEG 2004 lag
noch das strenge Ausschließlichkeitsprinzip zu Grunde. Dieses wurde geöffnet, so
dass der gemeinsame Einsatz von nach der BiomasseV anerkannter Biomasse mit
Deponie- und Klärgas oder anderen Stoffen, die wegen ihres biogenen Ursprungs
zwar Biomasse sind, jedoch keine Biomasse im Sinne der BiomasseV darstellen,
möglich ist. Solche Kombinationen werden vom Gesetzgeber toleriert, weil sie die
energetische Effizienz der Anlage erhöhen und zu einer gleichmäßigeren oder regel-
baren Produktion von Strom beitragen können.
Wird hingegen Biomasse im Sinne der BiomasseV mit sonstiger Biomasse
kombiniert, führt dies zu einer nur anteiligen Vergütung auf Basis des jeweiligen
Energieträgers. Aus dem zwingend zu führenden Einsatzstoff-Tagebuch (vgl. § 27
Abs. 5 und 6 EEG), aus dem die entsprechenden Brennstoffe, deren Art, Menge
und Einheit sowie Herkunft ersichtlich sind (§ 27 Abs. 5 EEG), lassen sich die ent-
sprechenden Anteile ableiten.
Betriebshilfsmittel
Die Bindung des Vergütungsanspruchs nach § 27 Abs. 1 EEG an die Vorausset-
zungen der BiomasseV steht dem Einsatz von Betriebshilfsmitteln nicht entgegen,
die deren Voraussetzungen nicht erfüllen. Es handelt sich dabei um Betriebsmittel,
die der Anlagen- und Verfahrenstechnik zuzurechnen sind und nicht um Ein-
satzstoffe für die Stromerzeugung. Da mittels dieser Stoffe keine nennenswerte
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 95
40
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 70.
96 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
41
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 70.
42
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 70.
43
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 71.
44
Erfasst sind: Geflügelmist, Geflügeltrockenkot, Pferdemist, Rinderfestmist, Rindergülle,
Schafmist, Ziegenmist, Schweinefestmist sowie Schweinegülle.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 97
demnach nur Anspruch auf einen reduzierten Zuschlag in Höhe von 6,0 Cent/kWh
(§ 27 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) EEG).
Sonstige Einsatzstoffe, die zwar von der BiomasseV als vergütungsfähig
anerkannt sind, jedoch keine oder nur geringe Bereitstellungskosten verursachen,
werden von keiner der beiden Einsatzstoffvergütungsklassen erfasst. Dies betrifft
z. B. Sägenebenprodukte, aussortierte Gemüse, Biertreber, Kartoffelschalen, Raps-
kuchen oder Getreideschlempe. Diese Stoffe haben daher auch keinen Anspruch auf
eine entsprechende Zusatzvergütung, sondern sind auf die Grundvergütung nach
§ 27 Abs. 1 EEG beschränkt.
Alle Einsatzstoffe nach der BiomasseV – d. h. Einsatzstoffe der Einsatzstoff-
vergütungsklassen I und II sowie sonstige Einsatzstoffe – können auch gemischt
eingesetzt werden. Das bislang für den NawaRo-Bonus geltende Ausschließlich-
keitsprinzip hat der Gesetzgeber ausdrücklich aufgegeben. Möglich wird damit
insbesondere der gemischte Einsatz von Energiepflanzen und Abfallstoffen. Die
Vergütung ist dann anteilig auf der Grundlage des Energiegehalts der jeweiligen
Einsatzstoffe im Verhältnis zur gesamten Stromerzeugung zu ermitteln.
Die anzusetzenden Energieerträge der verwendeten Einsatzstoffe werden jeweils
in der BiomasseV festgelegt. Für die zur Biogaserzeugung verwendeten Einsatzstoffe
sind die in den Anlagen 1 bis 3 zur BiomasseV festgelegten Standardmethanertrags-
werte maßgeblich. Für die zur Stromerzeugung aus Feststoffverbrennung oder thermo-
chemischer Vergasung verwendeten Einsatzstoffe sind die ebenfalls in den Anlagen 1
bis 3 zur BiomasseV festgelegten Heizwerte (Hi,N) der Einsatzstoffe maßgeblich.45
Einsatzstoffbezogene Restriktionen
Nicht auf den ersten Blick ersichtlich, sieht das Gesetz bestimmte Restriktionen für
die Verwendung bestimmter Einsatzstoffe vor.
Setzen Biogasanlagen zur Gasgewinnung Mais oder sonstiges Getreide ein,
erhalten sie nur dann einen Anspruch auf die gesetzliche Vergütung, wenn der
Anteil von Mais (als Ganzpflanze) und Getreidekorn einschließlich Corn-Cob-Mix
und Körnermais sowie Lieschkolbenschrot in jedem Kalenderjahr insgesamt höchs-
tens 60 Masseprozent beträgt (sog. „Maisdeckel“, § 27 Abs. 5 Nr. 1 EEG). Der
Gesetzgeber versucht mit dieser Regelung negative Auswirkungen eines flächen-
deckenden Anbaus der Energiepflanze Mais entgegenzuwirken.46 Anlagenbetreiber
sind daher gezwungen, verstärkt andere Einsatzstoffe zu mobilisieren.
Wird durch ein Gasversorgungsnetz durchgeleitetes Biomethan (vgl. § 27c EEG)
eingesetzt, besteht der Vergütungsanspruch zudem nur für den Anteil des Stroms,
der in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt wurde (§ 27 Abs. 5 Nr. 2 EEG). Dies gilt
auch, wenn der Strom nach § 33a EEG direkt vermarktet wird.47
45
Die jeweilige Lieferbescheinigung sollte deshalb den Heizwert Hi,N ausweisen. Gelingt
der Nachweis für eine Tranche nicht, kann die anteilige einsatzstoffbezogenen Vergütung nicht
berechnet werden. Im Ergebnis entfällt für alle verwendeten Einsatzstoffe der Anspruch auf die
zusätzliche einsatzstoffbezogene Vergütung nach § 27 Abs. 2 EEG (Gesetzesbegründung, BT-
Drs. 17/6071, S. 71).
46
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 72.
47
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 72.
98 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Mindestwärmenutzung
Darüber hinaus stehen die Grundvergütung und die einsatzstoffabhängige Ver-
gütung unter weiteren Vorbehalten. Der Gesetzgeber koppelt diese Vergütungen
im Sinne einer ressourcen- und klimaschonenden Bioenergienutzung an bestimmte
allgemeine Vergütungsvoraussetzungen (§ 27 Abs. 4 EEG). Diese gelten allerdings
nur im Rahmen der garantierten Einspeisevergütung. Wird der Strom aus diesen
Anlagen direkt vermarktet, müssen diese Restriktionen nicht berücksichtigt werden
(§ 33c Abs. 3, § 33 h Satz 2 EEG).
Um einen Anspruch auf die gesetzliche Einspeisevergütung zu erhalten, müssen
Biomasseanlagen zukünftig über das gesamte Kalenderjahr betrachtet eine Nut-
zung von mindestens 60 % der anfallenden Wärme entsprechend den Vorgaben für
48
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 71 und 81.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 99
49
Für Anlagen, die Biomethan zur Stromerzeugung einsetzen, besteht darüber hinaus der Vergü-
tungsanspruch nur, soweit der Strom in Kraft-Wärme-Kopplung nach Maßgabe der Anlage 2 zum
EEG erzeugt wird (vgl. § 27 Abs. 5 Nr. 2 EEG).
50
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 71.
51
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 71.
52
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 72.
53
Müssen Kopien des Einsatzstoff-Tagebuchs später zur Nachweisführung vorgelegt werden,
sind sämtliche personenbezogene Daten, die nicht für den Nachweis erforderlich sind, zu
schwärzen (§ 27 Abs. 8 EEG).
100 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
54
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 72.
55
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 73.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 101
Bislang werden diese Abfälle überwiegend sofort kompostiert und sollen nun –
soweit dafür geeignet – vorab in einer Vergärung als Vorstufe der Kompostierung
auch einer energetischen Nutzung zugeführt werden. Der Anwendungsbereich ist
deshalb eng gefasst worden, um unerwünschte Umlenkungen von energiereichen
Reststoffen zu verhindern, die schon bislang vergoren wurden.56
Die Vergütung beträgt für Anlagen bis zu einer Bemessungsleistung von
• 500 kW: 16,0 Cent/kWh und
• 20 MW: 14,0 Cent/kWh.
Allerdings ist eine Vergütung für Strom aus Anlagen mit einer installierten Leis-
tung über 750 kW, die erst nach dem 31.12.2013 in Betrieb genommen werden,
ausgeschlossen (§ 27a Abs. 2 EEG). Größere Anlagen sollen den erzeugten Strom
dann direkt vermarkten. Wird das Marktprämienmodell gewählt, bestimmt § 33 h
EEG die entsprechende Höhe.
Voraussetzung ist schließlich, dass die Biogasanlage mit einer Einrichtung zur
Nachrotte der festen Gärrückstände verbunden ist und die nachgerotteten Gärrück-
stände stofflich verwertet werden (§ 27a Abs. 3 EEG). Diese Vorgabe ist nicht
neu, sondern entstammt dem nicht in das neue EEG übernommenen Technologie-
Bonus für Bioabfallvergärung nach der bisherigen Nummer II.1.i der Anlage 1 zum
EEG 2009.
Eine Kombination der Vergütung nach § 27a EEG mit einer Vergütung nach § 27
EEG ist nicht möglich. § 27 Abs. 4 EEG schließt dies ausdrücklich aus. Möglich ist
hingegen eine Kombination mit dem Gasaufbereitungs-Bonus nach § 27c Abs. 2
EEG. Dieser erfasst auch die Aufbereitung von Gas aus der Bioabfallvergärung.
Auf den Betrieb von Bioabfall-Vergärungsanlagen finden schließlich bestimmte
Regelungen des § 27 EEG entsprechende Anwendung (§ 27a Abs. 5 EEG). Es
handelt sich um:
• die Regelungen zur Wärmenutzung bei Biomethan-Anlagen nach § 27 Abs. 5
Nr. 2 EEG und zum Einsatz flüssiger Biomasse zur Anfahr-, Zünd- und
Stützfeuerung nach § 27 Abs. 5 Nr. 3 EEG sowie die diesbezüglichen Nachweis-
regelungen in § 27 Abs. 6 Nr. 4 und 5 EEG,
• bezüglich der Rechtsfolgen einer nicht nachgewiesenen Einhaltung der Ver-
gütungsvoraussetzungen die Regelungen des § 27 Abs. 7 Satz 1 EEG,
• die Pflicht zur Führung eines Einsatzstoff-Tagebuchs einschließlich der daten-
schützenden Regelung des § 27 Abs. 8 EEG.
estmist sowie Schweinegülle (vgl. § 27b Abs. 1 Nr. 3 EEG i. V. m. Nr. 9, 11 bis 15 der Anlage 3
zur BiomasseV). Nicht als Gülle für die Anrechnung auf den geforderten Anteil von 80 Massepro-
zent gelten hingegen Geflügelmist und Geflügeltrockenkot.
102 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
58
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 73.
59
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 73.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 103
Gaseinspeisung
Nach § 27c EEG kann die Sammlung des Biogases örtlich – durch Einspeisung ins
Erdgasnetz – von dem Einsatz in einer EEG-Anlage getrennt werden. Damit wird
der Transport der Grundstoffe des Biogases zum Ort der EEG-Anlage vermieden
und durch den Transport in einer Erdgasleitung ersetzt.
Das EEG ersetzt hier das Erfordernis der physischen Identität von produziertem
Biogas mit dem in der EEG-Anlage eingesetzten Gas. Insofern wird das Aus-
schließlichkeitsprinzip durch das Wärmeäquivalent ersetzt. Nur mit dieser Fiktion
des § 27c Abs. 1 EEG kann der Zweck des ortsunabhängigen Einsatzes von Biogas
erreicht werden. Tatsächlich wird durch die Einspeisung in ein Erdgasnetz das
Biogas derart mit dem fossilen Erdgas untrennbar vermischt, dass eine ausschließ-
liche Nutzung von EEG-Einsatzstoffen physisch unverzüglich unmöglich wird.62
Die Fiktion setzt voraus, dass die Menge des entnommenen Gases im Wär-
meäquivalent der Menge des an anderer Stelle Eingespeisten entspricht.
Wie oben dargestellt, kommt der weite Begriff für Biogas nach dem EnWG im
Rahmen des EEG nicht zur Anwendung. Der Regelung nach § 27c Abs. 1 EEG
unterfallen nur Gasmengen im Wärmeäquivalent, deren Gegeneinspeisung tatsäch-
lich auf Gasen beruht, die im EEG definiert sind. Dabei kommt es nach dem EEG
ausschließlich darauf an, dass eine Einspeisung erfolgt ist. Der physische Transport
des Biogases spielt i. R. d. im EEG keine Rolle. Dies erfolgt nach den allgemeinen
Regeln der GasNZV und der Kooperationsvereinbarung der Netzbetreiber (KoV
IV).63
Nachweispflichten
In der Praxis kommt es darauf an, dass der EEG-Anlagenbetreiber die Einspeisung
der wärmeäquivalent entnommenen Mengen nachweisen kann. Dies kann auf
unterschiedliche Weise erfolgen.64 Das EEG stellt keine spezifischen Vorgaben
60
vgl. hierzu Klinski und Longo 2007, S. 155–157.
61
Umfassend zu den aktuellen Problemen in der Praxis Benfer et al. (2011), S. 121 ff.
62
vgl. v. Hesler, in: Gabler und Metzenthin 2011, § 27, Rn. 66.
63
„Vereinbarung über die Kooperation gemäß § 20 Abs. 1b) EnWG zwischen den Betreibern von
in Deutschland gelegenen Gasversorgungsnetzen, Änderungsfassung vom 30.06.2011“.
64
vgl. hierzu umfassend v. Hesler, in: Gabler und Metzenthin 2011, § 27, Rn. 77 ff.; Benfer et al.
2011, S. 121 ff.
104 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
für den Nachweis der Gasmenge im Wärmeäquivalent auf. Die aus dem Gasnetz
entnommene Wärmemenge wird durch die entsprechende Abrechnung des Gas-
netzbetreibers oder durch die Rechnung des Gaslieferanten nachgewiesen. Der
Nachweis über den konkreten Transportweg wird von § 27c EEG aber auch nicht
verlangt. Insofern reicht auch eine alternative Nachweismethode.65 Ausreichend ist
insoweit der Nachweis, dass eine der in der EEG-Anlage eingesetzten Gasmenge
entsprechende Gasmenge im Wärmeäquivalent in das Gasnetz eingespeist wurde
und diese Menge nicht einer anderen Verwendung zugeordnet wurde. Insoweit
hat beispielsweise die dena ein Biogasregister in Betrieb genommen, mit dem
– nach den Vorgaben eines Wirtschaftsprüfers zertifiziert zur Stromerzeugung
entnommene Gasmengen einer individualisierbaren Biogaserzeugungsanlage unter
Dokumentation der vom Biogasanlagenbetreiber angegebenen Qualifikation des
Biogases auch über mehrere Handelsstufen hinweg bis zur Ausspeisung bei einer
EEG-Anlage zugeordnet werden können.66 Da das EEG im Rahmen der Fiktion
nicht auf den tatsächlichen Einsatz der in das Gasnetz eingespeisten Biogasmenge
abstellt, sondern lediglich fordert, dass die betreffende Menge an anderer Stelle in
das Gasnetz eingespeist worden sein muss, stellt ein derartiges Register wohl ein
ausreichendes Nachweismittel für die erfolgte Einspeisung des benötigten Gases in
der jeweils bestätigten Qualität dar.
Des Weiteren ist wie bisher auch der Nachweis durch den Einsatz von
„Zertifikaten“ möglich. Dabei kommt es sowohl für den Biogaslieferanten als
auch den EEG-Anlagenbetreibern im Hinblick auf die durch das Zertifikat nach-
zuweisenden Eigenschaften darauf an, dass
• es sich um Gas aus Biomasse i. S. d. EEG handelt,
• das Gas aus Biomasse in das Gasnetz eingespeist worden ist,
• die eingespeiste Wärmemenge ausgewiesen wird,
• das Datum bzw. der Zeitraum der Einspeisung des Gases aus Biomasse erkenn-
bar ist.
Erforderlich ist jedenfalls, dass neben dem Beleg der absolut eingespeisten Ener-
giemenge in kWh auch der Nachweis erbracht wird, dass es sich dabei um Gas aus
Biomasse i. S. d. EEG handelt.
Der Nachweis der aus dem Gasnetz entnommenen Wärmemenge erfolgt durch
die Abrechnung des Gasnetzbetreibers oder durch die Rechnung des Gaslieferanten.
Auf der Rechnung ist die jeweils entnommene Wärmemenge in kWh ausgewiesen.
Allein mittels eines Biogasbilanzkreises nach § 35 GasNZV kann ein Nach-
weis nicht erfolgen. § 3 Nr. 10c EnWG und daher auch die GasNZV gehen von
einem weiteren Biogasbegriff als das EEG aus. Allein die Abwicklung der Ein-
speisung über einen Biogasbilanzkreis stellt daher keinen hinreichenden Nachweis
i. S. d. EEG dar. Insbesondere ermöglicht eine Zuordnung zu einem Biogasbilanz-
kreis nicht die Verifizierung von spezifischen Qualifikationen des betreffenden
eingespeisten Gases, da der Gasnetzbetreiber lediglich die Übereinstimmung des
65
So bereits zum EEG 2004 Graßmann und Manqua (2007), S. 100, 102 unter Entwicklung eines
„Zertifikatemodells“.
66
Näher hierzu Benfer et al. (2011), S. 121, 124.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 105
angelieferten Gases mit der von der GasNZV geforderten Erdgasqualität überprüft
und keine weiteren Angaben zur Art der Erzeugung des Biogases erhebt.
Neben der Gewährung einer gesetzlichen Mindestvergütung für den Strom aus
erneuerbarer Energie strebt der Gesetzgeber zunehmend die Integration ent-
sprechender Erzeugungsanlagen in die Energiemärkte an. Dementsprechend hat er
bei der Neufassung des EEG zum 1.1.2012 das hierfür maßgebliche Instrumentarium
gegenüber der ursprünglichen Verfahrensregelung zur Direktvermarktung (§ 17
EEG 2009) in den §§ 33a ff. EEG deutlich detaillierter ausgestaltet. Demgegen-
über enthält das EEG keine Vorgaben zur Vermarktung des Biogases selbst. Dieses
unterliegt keiner Förderung durch das Gesetz, so dass auch entsprechende Aus-
nahmeregelungen für einen Verkauf des Gases an Dritte nicht erforderlich sind.
Marktprämienmodell
Erfolgt die Direktvermarktung zur Inanspruchnahme der Marktprämie (§ 33b Nr. 1
EEG), wird der in der Anlage erzeugte Strom in das Netz eines Netzbetreibers
eingespeist und von einem Dritten (Händler) abgenommen. Der Netzbetreiber
ist dann verpflichtet, auf die entsprechend nachgewiesenen Strommengen eine
Prämie zu zahlen, um die Wertdifferenz zwischen der gesetzlichen Einspeisever-
gütung und dem erzielbaren67 Marktpreis auszugleichen (§ 33g Abs. 1 EEG). Die
Höhe der Marktprämie wird kalendermonatlich in Abhängigkeit von dem auf dem
Strommarkt für Biomassestrom erzielbaren Preis berechnet (§ 33g Abs. 2 i. V. m.
§ 33h und Anlage 4 zum EEG). Betreiber von Biogasanlagen können darüber hinaus
zusätzlich eine Flexibilitätsprämie erwerben (§ 33i EEG). Der Anlagenbetreiber
verfügt also über zwei Ansprüche: gegenüber dem Stromaufkäufer unmittelbar aus
Vertrag und gegenüber dem Netzbetreiber kraft Gesetzes auf die Marktprämie.
Es kommt also nicht auf den mit dem Stromaufkäufer tatsächlich erzielten, sondern den nach
67
Flexibilitätsprämie
Betreiber von Biogasanlagen können vom Netzbetreiber zusätzlich zur Markt-
prämie eine Prämie für die Bereitstellung zusätzlicher installierter Leistung für eine
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 107
68
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 81.
69
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 81.
108 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Die Einzelheiten der Grünstromvermarktung i. S. d. § 39 EEG sollen hier jedoch
nicht näher dargestellt werden, weil es sich hierbei nicht mehr um biogasspezifische
Fragen handelt.
70
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 78.
71
Salje 2009, § 33, Rn. 49; Böhmer und Weißenborn (Hrsg.) 2009, S. 362.
72
Schomerus, in: Frenz und Müggenborg (Hrsg.) 2010, § 33, Rn. 35; Bönning, in: Reshöft
(Hrsg.) 2009, § 33, Rn. 21.
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 109
gequetscht, geschlossen, nahe, nahebei, dicht (Woxikon 2012). Hätte der Gesetz-
geber die Unmittelbarkeit der räumlichen Nähe lockern wollen, hätte er ohne Wei-
teres – ähnlich wie im Rahmen des § 37 Abs. 3 Nr. 2 lit b) EEG 2012 – nur von
einem „räumlichen Zusammenhang“ sprechen können. Gerade dies hat er aber
nicht getan. Für eine über das angrenzende Nachbargrundstück hinausgehende Aus-
legung der „unmittelbaren räumlichen Nähe“ dürfte daher kein Raum sein. Hin-
zuweisen ist allerdings auf die Empfehlung der Clearingstelle EEG, die eine funk-
tional wertbezogene Auslegung heranzieht. Dieser Ansatz erscheint schlüssig und
vorzugswürdig, ist bislang aber noch nicht gerichtlich bestätigt.73
73
Clearingstelle EEG, Empfehlung 2011/2/1 vom 29.09.2011, Rn. 59 ff.
110 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Bislang kann diese Anzeige noch formlos geschehen. Das Gesetz selbst sieht
keine besonderen Vorgaben vor. Insbesondere hinsichtlich bestehender Nachweis-
fragen wäre aber die Text- oder besser die Schriftform zu empfehlen. Allerdings
plant der Gesetzgeber auch hier eine Vereinheitlichung. So hat er die Netzbetreiber
verpflichtet, unverzüglich, spätestens jedoch zum 1.1.2013 ein bundesweit ein-
heitliches, massengeschäftstaugliches elektronisches Verfahren und entsprechende
Datenformate zu entwickeln, um die anfallenden Geschäftsprozesse angemessen
zu bewältigen (§ 33d Abs. 3 EEG). Sind derartige Verfahren und Formate etabliert,
dann sind diese auch für die Anlagenbetreiber verpflichtend (§ 33d Abs. 4 EEG).
Kerstin Semmler
3.2.1 Einführung
Eine fachgemäße Ausgestaltung von Verträgen ist grundsätzlich wohl das beste
Mittel, um langfristig Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zwischen zwei Parteien
zu gewährleisten. Damit diese Wirkung erzielt werden kann, bedarf es nicht nur
der Beachtung der rechtlichen Grenzen, sondern insbesondere einer umfassenden
Berücksichtigung der tatsächlichen Bedürfnisse der Parteien. Diese zu analysieren ist
meist bereits aufwendig und durchaus auch langwierig. Innerhalb dieses Abschnittes
werden nachfolgend der Generalunternehmervertrag und der Biomasselieferver-
trag in Bezug auf Biogas vor diesem Hintergrund dargestellt und die wesentlichen
Elemente erläutert. Eine abschließende und umfassende Beschreibung aller
Eventualitäten ist allerdings nicht intendiert, da eine schier unendliche Zahl von
Einzelinteressen zu berücksichtigen wäre, die jeglichen Rahmen einer Publikation
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 111
74
Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien (Eneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) vom
25. Oktober 2008, BGBl. I S. 2074, zuletzt geändert durch Art. 1 EuroparechtsAnpG Erneuerbare
Energien vom 12.04.2011 (BGBl. I S. 619).
75
Mit Annahme des Gesetzesentwurfs BT-Drs. 17/6071 durch den Deutschen Bundestages am
30.06.2011 (BGBl. Teil I Nr. 42 vom 04.08.2011) wurde im Zuge der sog. „Energiewende“ eine
umfassende Novellierung des EEG auf den Weg gebracht.
76
Ausführungen zur Wirtschaftlichkeit in Bezug auf Anlagenart und -größe finden sich bei Hoff-
mann (2011), S. 9.
112 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
77
Für den Standort der Biogasanlage sollte neben der Klärung der grundsätzlichen Geeignetheit
der Fläche in baurechtlicher Hinsicht darüber hinaus ein sog. Baugrundgutachten durchgeführt
werden, um zu überprüfen, ob der geplante Standort auch die notwendige Tragfähigkeit für die
Errichtung der Anlage aufweist. Vgl. insoweit Plöchl (2011), S. 70. Damit die Genehmigung und
Umsetzung der geplanten Anlage möglichst zügig erfolgen können, hat sich in der Praxis das sog.
„Scoping-Verfahren“ etabliert. Vgl. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (2006), S. 141.
78
Ein Transport von Substraten über mehr als 20 km ist in der Regel auf Grund deren geringer
Energiedichte nicht wirtschaftlich (Erdmann und Zweifel (2010), S. 223).
79
Vgl. unter anderem Förderprogramm der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe e. V. mit
einem Fördervolumen von 53 Mio. € in 2011 (www.nachwachsenderohstoffe.de).
80
Im Falle einer öffentlichen Auftragsvergabe sind die vergaberechtlichen Anforderungen aus
dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) der Vergabeverordnung (VgV) bzw. der
Sektorenverordnung (SektVO) und die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A)
zu beachten.
81
Stichwort „fast track“.
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 113
82
Angesichts dessen gebietet es sich, dem Generalunternehmer vertraglich die Pflicht aufzuerle-
gen, für einen geeigneten Versicherungsschutz zu sorgen.
83
So auch Plöchl (2011), S. 71.
114 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
84
§ 16 Abs. 6 VOB/B ermöglicht es dem Auftraggeber, direkt an den Subunternehmer zu zahlen,
wenn dieser wegen Zahlungsverzugs des Generalunternehmers die Fortsetzung seiner Leistung
berechtigterweise verweigert. Vgl. hierzu Kapellmann und Messerschmidt (2010), Rn. 337 ff.
85
Vgl. hierzu die Ausführungen unter Abschn. 3.2.2.3.
86
Vgl. BGH, NJW 2007, 2695, 2696 und BGH, NJW 2007, 2697, 2698; kritisch Vygen und Jous-
sen (2004), Rn. 52.
87
Normierung der Pflicht des Generalunternehmers, Kopien sämtlicher Subunternehmerverträge
dem Auftraggeber zur Verfügung zu stellen.
88
Vgl. Busche (2009), § 631, Rn. 235. Häufig wird der Begriff Anlagenvertrag auch für die
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 115
des Grades der baulichen Fertigstellung bestehen, handelt es sich letztlich um den
Versuch, eine Vielzahl möglicher Gestaltungsformen begrifflich zu erfassen, ohne
dadurch einen praktischen Mehrwert zu erreichen. Nachfolgend soll deshalb auf
eine dahingehende Differenzierung verzichtet werden.
Viel wichtiger erscheint dagegen eine Abgrenzung anhand der inhaltlichen Aus-
gestaltung eines Generalunternehmervertrages. Auch eine solche Kategorisierung
ist natürlich äußerst schematisch. Dennoch ist es für das Verständnis der nach-
folgenden Ausführungen in diesem Abschnitt sinnvoll, folgende Grundtypen als
Ausgangspunkt voranzustellen:
• Eine total-funktionale Leistungsbeschreibung (auch: Leistungsbeschreibung
mit Leistungsprogramm)89 ist eine Ausgestaltungsform, bei der Planen und Bauen
im Höchstmaß in eine Hand gelegt wird. Hierbei erstellt der Auftragnehmer
nicht nur die Ausführungsplanung und Bauausführung, sondern bereits auch die
Entwurfsplanung. Dies hat für den Auftraggeber den haftungsrechtlichen Vor-
teil, dass der Auftragnehmer auch für Fehler in der Planung einzustehen hat (so
auch Vygen und Joussen 2004, Rn. 835). Andererseits führt die Auftragsvergabe
auf Grundlage einer total-funktionalen Leistungsbeschreibung dazu, dass dem
Auftraggeber der Gestaltungsspielraum für das Projekt weitestgehend entzogen
ist. Nicht zuletzt deshalb ist diese Ausgestaltungsform in der Praxis selten und
scheint sich allenfalls dann anzubieten, wenn entweder die Realisierung eines
Standardobjekts angestrebt wird oder aber ein besonderes Interesse besteht,
vom besonderen Know-how des Auftragnehmers möglichst frühzeitig und voll-
umfänglich zu profitieren (vgl. insgesamt Kapellmann 2004, Rn. 17).
• Eine Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis stellt den Gegensatz
zur total-funktionalen Leistungsbeschreibung dar. Hierbei handelt es um die
tradierte Form der Einheitspreisvertragsausschreibung90, bei der sich die Rolle
des Auftragnehmers darauf beschränkt, das seitens des Auftraggebers vollständig
geplante Bauwerk zu errichten (Vygen und Joussen 2004, Rn. 833).
• Eine Vergabe auf Grundlage einer teil-funktionalen Leistungsbeschreibung
zeichnet sich dagegen dadurch aus, dass der Auftraggeber selbst den Entwurf ein-
bringt und ggf. sogar die notwendigen (öffentlich-rechtlichen) Genehmigungen
einholt, während sich der Auftragnehmer um die Ausführungsplanung und die
sich anschließende Verwirklichung im Wege des Bauprozesses kümmert. Auf
diese Art und Weise wird in der Praxis die große Mehrzahl der Aufträge erteilt
(vgl. Kapellmann und Messerschmidt 2010, Rn. 91 m. w. N.).
91
Diese werden auch als „globale“ Formen der Auftragserteilungen bezeichnet. Diese genügen
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 117
diesem Fall lässt sich die Festlegung des Bausolls beispielsweise mittels einer als
Anlage zum Generalunternehmervertrag beizufügenden Anlagenbeschreibung
erreichen. Zur Erstellung dieser Anlagenbeschreibung gilt es, sich neben den
geplanten Eckdaten der Biogasanlage auch die rechtlichen Anforderungen zu ver-
gegenwärtigen, die bei der Errichtung der einzelnen Bestandteile insbesondere (Sub-
stratanlieferung und -lagerung, Fermenter, Gärrestelager, Gas- und Stromleitungen,
Blockheizkraftwerk, Biogasaufbereitung etc.) zu beachten sind.
Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich an der typischen Aufbauweise
einer solchen Anlagenbeschreibung, welche ihrerseits wiederum der technischen
Funktionsweise einer klassischen Biogasanlage nachgebildet ist.
1. Anforderungen an die Lage und bauliche Gestaltung des Anlieferungsbereichs
und der Lager für Substrate, die durch eine entsprechende Berücksichtigung
in dem Generalunternehmervertrag sichergestellt werden sollten, können sich
vorrangig aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)92, der TA-Luft93,
der TA-Lärm94, dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG)95,
der Bioabfallverordnung (BioAbfV)96, dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG)97,
dem Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG)98 und der EG-Hygieneverordnung
1069/200999 ergeben.
nach Ansicht des BGH in der Entscheidung „Kammerschleuse“ (BGH, BauR 1997, 126) den
Anforderungen an die Bestimmtheit.
92
Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Ge-
räusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG),
in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3830), zuletzt geändert
durch Art. 2 G zur Anpassung der Rechtsgrundlagen für die Fortentwicklung des Emissionshan-
dels vom 21.07.2011 (BGBl. I S. 1475).
93
Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische
Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) vom 24.07.2002, (GMBl S. 511).
94
Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische
Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) vom 26.08.1998 (GMBl S. 503).
95
Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Besei-
tigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz – KrW-/AbfG), vom 27. September
1994 (BGBl. I S. 2705), zuletzt geändert durch Art. 8 G zur Umsetzung der DienstleistungsRL
auf dem Gebiet des Umweltrechts sowie zur Änd. umweltrechtl. Vorschriften vom 11.08.2010
(BGBl. I S. 1163).
96
Verordnung über die Verwertung von Bioabfällen auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich
und gärtnerisch genutzten Böden vom 21. September 1998 (BGBl. I S. 2995), zuletzt geändert
durch Art. 3 VO zur Ums. der DienstleistungsRL auf dem Gebiet des Umweltrechts sowie zur
Änd. umweltrechtl. Vorschriften vom 09.11.2010 (BGBl. I S. 1504).
97
Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) vom 31. Juli 2009
(BGBl. I S. 2585), zuletzt geändert durch Art. 12 G zur Umsetzung der DienstleistungsRL auf dem
Gebiet des Umweltrechts sowie zur Änd. umweltrechtl. Vorschriften vom 11.08.2010 (BGBl. I
S. 1163).
98
Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten
(Bundes-Bodenschutzgesetz – BBodSchG) vom 17. März 1998 (BGBl. I S. 502), zuletzt geändert
durch Art. 3 G zur Anp. von Verjährungsvorschriften an das SchuldrechtsmodernisierungsG vom
09.12.2004 (BGBl. I S. 3214).
99
Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober
2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Neben-
produkte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (ABl. Nr. L 300 S. 1), zuletzt
118 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
geändert durch Art. 63 ÄndRL 2010/63/EU vom 22.09.2010 (ABl. Nr. L 276 S. 33).
100
Vgl. Nr. 9.36 (Errichtung einer Biogasanlage mit einem Güllelager), Nr. 8.12 (Zeitweilige
Lagerung von (gefährlichen) Abfällen) und Nr. 8.13 (Zeitweilige Lagerung von Schlämmen mit
Abfalleigenschaft) des Anhangs zur 4. BImSchV.
101
Diese als auch weitere Gesichtspunkte der Abfallwirtschaft ergeben sich weitestgehend aus
den Vorgaben des KrW-/AbfG und der BioAbfV unter Beachtung der Vorgaben des Düngemit-
telrechts (DüG und DüMV). Im Falle der Verwendung von tierischen Nebenprodukten können
sich weitere Anforderungen aus den Vorgaben des Veterinärrechtes (VO (EG) Nr. 1069/2009 [ehe-
mals VO (EG) 1774/2002], TierNebG, TierNebV, Verordnung (EG) Nr. 181/2006 und ggf. das
Tierseuchengesetz) ergeben. Des Weiteren ergeben sich bei der Mitvergärung von Siedlungsab-
fällen Anforderungen aus der Technischen Anleitung zur Verwertung, Behandlung und sonstigen
Entsorgung von Siedlungsabfällen (TASi). Alle beim Betrieb der Anlage anfallenden Abfälle, bei
den es sich nicht um die Gärrückstände handelt, wie beispielsweise aussortierte Fremdstoffe oder
Altöle, unterliegen dagegen ausschließlich den Vorgaben des KrW-/AbfG.
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 119
in Vorbereitung ist.102 Daneben ergeben sich auch aus dem WHG weitere Anfor-
derungen an einzuhaltende Abstandsflächen und Materialbeschaffenheiten.
2. Vor der Verbringung in den Fermenter werden die Substrate regelmäßig auf-
bereitet (Störstoffabtrennung, Zerkleinerung, Nassauflösung, Homogenisierung,
Hygienisierung etc.). Insoweit sind, abhängig vom Emissionspotenzial der einge-
setzten Stoffe, insbesondere bauliche Emissionsminderungsmaßnahmen wie
Kapselung oder Ausführung in geschlossener Bauweise in Betracht zu ziehen.
Der Hallenbereich ist sodann seinerseits wiederum auf geeignete Weise zu ent-
lüften, auch um den Bestimmungen zur Betriebssicherheit Rechnung zu tragen.
Im Falle der Verwendung von Biofiltern sind insoweit die Anforderungen der
Richtlinie VDI 3477103 zu beachten.
3. Die Substrate werden sodann in den Fermenter (häufig mehrere) verbracht.
Hinsichtlich des Eingabeverfahrens gilt es festzuhalten, dass das sog. „offene
Einspülverfahren“ nicht mehr dem Stand der Technik entspricht. Insbesondere
durch abgedeckte Eintragssysteme lassen sich bei diesem Prozessschritt Staub-
und Geruchsemmissionen wirkungsvoll vermeiden.104
Beim Fermentationsprozess selbst müssen insbesondere Vorgaben zur
Anlagensicherheit beachtet werden (vgl. Abwasser und Abfall e. V., Deutsche
Vereinigung für Wasserwirtschaft (Hrsg.) 2006; Landwirtschaftliche Berufs-
genossenschaft 2008), da es sich bei dem herzustellenden Biogas um ein leicht
brennbares und grundsätzlich explosionsfähiges Gas handelt. Zündquellen in
explosionsgefährdeten Räumen sind bereits bautechnisch zu vermeiden und dem
unkontrollierten Austritt von Biogas im Störfall sollte durch eine Oxidations-
möglichkeit mittels Überdrucksicherung105 und stationärer Gasfackel vor-
gebeugt werden. Die Installation einer solchen Gasfackel, nicht nur für Störfälle
und ausgelegt auf die maximale Biogasproduktion der Anlage, empfiehlt sich
außerdem im Hinblick auf die Anforderungen aus § 6 EEG 2009.106 Des Weiteren
schreibt § 6 Abs. 4 Nr. 2 EEG 2012 nunmehr ausdrücklich vor, dass zusätzliche
102
Zum derzeitigen Entwicklungsstand: Schendel und Scheier (2011), § 23 WHG, Rn. 8 f.
103
Richtlinie VDI 3477: Biologische Abgasreinigung Biofilter, Verein Deutscher Ingenieure
(VDI), von der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN – Normenausschuss KRdL,
November 2004.
104
Sollten Silagen als Substrate zum Einsatz kommen, kann die Geruchsbelastung insbesondere
durch eine hydraulische Bemessung verringert werden, da geruchsintensive Silagesickersäfte so
über geeignete Systeme aufgefangen und in geschlossenen Auffangbehältern gesammelt bzw. der
Vorgrube oder dem Fermenter zugeführt werden können. Vgl. zum Ganzen: Beck et al. (2011).
105
Die Emissionen aus Überdrucksicherungen sind über die Wandkrone des Behälters oder alter-
nativ mindestens 3 m über Grund und in mindestens 5 m Entfernung von betriebsfernen Gebäuden
und Verkehrswegen senkrecht nach oben abzuleiten. Vgl. Kommission Reinhaltung der Luft im
VDI und DIN – Normenausschuss KRdL (Hrsg.), August 2010.
106
Danach sind Anlagen, deren elektrische Leistung 100 kW übersteigt, mit einer technischen oder
betrieblichen Einrichtung zur ferngesteuerten Reduzierung der Einspeiseleistung bei Netzüber-
lastung auszustatten, auf die der Netzbetreiber zugreifen darf; vgl. Ebertsch et al. (2011), S. 10.
Anforderungen für den Betrieb solcher Fackeln ergeben sich außerdem aus der Nr. 5.4.8.1a.2.1
bzw. 5.4.8.1a.2.2 der TA Luft.
120 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
107
Zur zeitlichen Geltung der Norm vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 3 EEG 2012.
108
Sofern es sich bei der zu errichtenden Anlage um eine genehmigungsbedürftige Abfallent-
sorgungsanlage i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG handelt, gilt es außerdem zu beachten, dass in
diesem Falle eine Sicherheitsleistung nach § 12 Abs.1 Satz 2 BImSchG auferlegt werden „soll“.
109
Hintergrund ist insoweit die Gewährleistung der Schadlosigkeit der Verwertung wie sich aus
§ 5 Abs. 3 KrW-/AbfG ergibt.
110
Vgl. hierzu auch Abschn. 3.2.3.5 und Abschn. 3.2.3.7 im Rahmen des Biomasseliefervertrags.
111
Im EEG 2009 findet sich dieser Ansatz in den Voraussetzungen für den „Bonus für
nachwachsende Rohstoffe“ (Nr. I.4 der Anlage 2 zum EEG 2009).
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 121
technisch gasdicht abgedeckt sein muss und die hydraulische Verweilzeit in dem
gasdichten und an eine Gasverwertung angeschlossenen System mindestens
150 Tage zu betragen hat112. Bei Nichteinhaltung dieser Vorgabe ergibt sich aus
§ 17 Abs. 1 EEG 2012, dass sich der Vergütungsanspruch aus dem EEG auf null
reduziert. Für bestehende Anlagen empfiehlt sich eine Orientierung an den Vor-
gaben der Nr. 4.3.3.2 der VDI 3475, Blatt 4.
Außerdem kann sich auch aus der Gärrestelagerung eine immissionsschutzrecht-
liche Genehmigungspflicht ergeben (vgl. insoweit die Ausführungen und den
Verweis unter Nr. 1 dieses Abschnitts) mit der Folge, dass es baulich getrennter
Lagerstätten und entsprechender baulicher Beschaffenheiten bedürfen kann.
Im Hinblick auf die Behandlungsmöglichkeiten der Gärreste sei abschließend
angemerkt, dass hierbei der Substratqualität eine entscheidende Bedeutung
zukommen kann. So stellt insbesondere der Schadstoffgehalt ein zentrales
Kriterium dar:113 Dieser kann den Gärprozess nachteilig beeinflussen und dadurch
die Verwertbarkeit der Gärrückstände sowie des Biogases beeinträchtigen. Dem
gilt es, bereits durch geeignete Maßnahmen im Betriebsablauf (Voruntersuchung
der Substrate) vorzubeugen (vgl. umfassend hierzu Diersch et al. 2011, S. 15 ff.).
5. Der Biogasnutzung im Wege der energetischen Verwendung kommt zunächst
immissionsschutzrechtliche Bedeutung zu. Eine Genehmigungspflicht kann sich
unter anderem aus Nr. 1.4 (Verbrennungsmotoren) des Anhangs zur 4. BImSchV
ergeben. Sofern es keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4
BImSchG bedarf, können jedoch die Anforderungen der Verordnung über kleine
und mittlere Feuerungsanlagen (1. BImSchV)114 zu beachten sein.
Für die Festlegung von Emissionsobergrenzen für Biogas-Verbrennungsmotor-
anlagen ist außerdem die Nr. 5.4.1.4 der TA Luft maßgebend. Die Errichtung
notwendiger Abgasleitungen hat unter Beachtung der Vorgaben aus Nr. 5.5 der
TA Luft zu erfolgen. Wegen Emissionsaspekten, aber auch aus Gründen des
Klimaschutzes sollte außerdem auf die richtige Motordimensionierung sowie
Abstimmung des Motors auf die zu erwartende Biogasqualität geachtet werden.
Schließlich kann eine schlechte Biogasqualität zu ansteigenden Emissionen von
Kohlenmonoxid und Formaldehyd bei gleichzeitig erhöhtem Methanschlupf115
und sinkendem motorischem Wirkungsgrad führen (vgl. Ebertsch et al. 2011,
S. 14).
Im Hinblick auf den Verbrennungsmotor können zudem Lärmschutzgesichts-
punkte eine entscheidende Rolle spielen (vgl. zum Ganzen Bayerisches
112
Biogasanlagen, die zur Biogaserzeugung ausschließlich Gülle mit einem Trockensubstanzge-
halt von weniger als 15 % nach § 2 Satz 1 Nr. 4 DüG einsetzen, sind von der Pflicht der gasdichten
Abdeckung des Gärrestelagers befreit, vgl. BT-Drs. 17/6071, S. 127.
113
Vgl. insoweit auch das Schadstoffminimierungsgebot aus § 1 Abs. 5 BioAbfV.
114
Erste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über
kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV), vom 26.01.2010 (BGBl. I S. 38).
115
„Methanschlupf“ ist die Methanmenge, die im Verlauf der Aufbereitung die Anlage verlässt.
Der Methanschlupf sollte bei neueren, emissionsarmen Motoren im Bereich von < 0,5 g/m³ liegen;
vgl. Ebertsch et al. (2011), S. 14. S. hierzu auch Abschn. 4.5.2.
122 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
116
Vgl. Immissionsrichtwerte der TA Lärm.
117
Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzzugangsverordnung – Gas-
NZV) vom 03.09.2010 (BGBl. I S. 1261).
118
Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) vom
7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970, ber. S. 3621), zuletzt geändert durch Art. 4 G zur Ums. der Dien-
stleistungsRL im EichG sowie im Geräte- und ProduktsicherheitsG und zur Änd. des Verwaltung-
skostenG, des EnergiewirtschaftsG und des EnergieleitungsausbauG vom 07.03.2011 (BGBl. I
S. 338).
119
Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vom 24.02.2010 (BGBl. I S. 94)
zuletzt geändert durch Art. 3 VO zur Anp. chemikalienrechtl. Vorschriften an die VO (EG)
Nr. 1005/2009 über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen, sowie zur Anp. des G über die
Umweltverträglichkeitsprüfung an Änd. der GefahrstoffVO vom 18.05.2011 (BGBl. I S. 892).
120
Vgl. § 43 Satz 1 Nr. 2 EnWG; § 43b Nr. 2 EnWG i. V. m. Nr. 19.2 der Anlage 1 zum UVPG
sowie vgl. § 20 UVPG i. V. m. der Anlage zum UVPG.
121
Verordnung über Gashochdruckleitungen (Gashochdruckleitungsverordnung – GasHDrLtgV)
vom 18.05.2011 (BGBl. I S. 928).
122
Es handelt sich um Energieanlagen i. S. d. § 3 Nr. 15 EnWG, wenn (1) gasführende
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 123
Rohrleitungen zur Versorgung eines oder mehrerer Verbraucher den Bereich des Betriebsgeländes
verlassen und (2) das erzeugte Biogas auf Erdgasqualität aufbereitet und in das Netz der allge-
meinen Gasversorgung eingespeist wird.
123
Vgl. § 49 Abs. 1 und Abs. 2 EnWG.
124
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in diesem Kontext ergeben sich insbesondere aus dem
Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), der Betrieb-
ssicherheitsversordnung (BetrSichV), der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), der Lärm- und
Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV), der Gefahrstoffverordnung
(GefStoffV), der Biostoffverordnung (BioStoffV) sowie aus den berufsgenossenschaftlichen
Vorschriften und Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGV, BGR, BGI, BGG)
bzw. den landwirtschaftlichen Vorschriften über Sicherheit und Gesundheit (VSG).
125
Abrufbar unter: http://www.baua.de/.
124 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
126
Begründung zum Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau, BT-Drs. 15/2250, S. 55.
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 125
127
Der Umfang dieser Informationspflicht wird durch das EEG 2012 (§ 46 Nr. 2 EEG 2012) ent-
sprechend der Änderungen in den §§ 27 ff. EEG 2012 erweitert.
128
Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – Landesbauordnung – (BauO NRW) vom
1. März 2000 (GV. NRW. S. 256), zuletzt geändert durch Art. 2 ÄndG vom 24.05.2011 (GV. NRW.
S. 272).
129
Die Zusammenfassung mehrerer Funktionen in einer Person ist zulässig. Vgl. Wenzel (2011),
§ 56 Rn. 17 f.
130
Vgl. bspw. § 11 BioAbfV.
131
Es sollte in Betracht gezogen werden, das Personal bereits während der Errichtung hinzuzu-
ziehen, damit ein umfassendes Verständnis hinsichtlich der technischen Funktionsweise entwickelt
werden kann. Auch dies gilt es sodann an geeigneter Stelle im Vertrag mit dem GU festzuschreiben.
126 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
werden und es gilt, auch diese zwischen den Vertragsparteien zu verhandeln und in
den Vertrag zu implementieren. Hierzu im Einzelnen:
1. Wie in Generalunternehmerverträgen über Bauleistungen üblich, obliegt es
den Vertragsparteien die Vertragsbestandteile, inklusive der maßgeblichen
Rangfolge, festzuschreiben. Nicht zuletzt deshalb sollte neben der Anlagen-
beschreibung ein Lageplan, ein Rahmenterminplan sowie ein Verhandlungspro-
tokoll zu festen Bestandteilen des Vertrages gemacht werden. Weiterhin emp-
fiehlt es sich, die einschlägigen Regelwerke, wie VDI- oder DIN-EN, sowie
ergänzend den „Stand der Technik“ (vgl. hierzu Linke et al. 2011, S. 25 ff.) in
den Vertrag einzubeziehen.
2. In diesem Zusammenhang stellt sich regelmäßig die Frage, inwieweit die VOB/B
auf den Generalunternehmervertrag zur Anwendung kommt bzw. kommen
sollte. Dies ist, solange es sich lediglich um die Erbringung gewerblicher Bau-
leistungen handelt, unproblematisch der Fall. Umstritten ist die Rechtslage hin-
gegen bei der gleichzeitigen Übernahme von mehr oder weniger umfangreichen
Planungsleistungen (vgl. Ausführungen bei Vygen und Joussen 2004, Rn. 41 f.
m. w. N.). Hier wird es letztendlich auf eine Einzelfallbetrachtung und -prüfung
ankommen. Im Ergebnis empfiehlt es sich, sofern man die VOB/B tatsächlich
einbezogen haben möchte, dies im Vertrag explizit festzuschreiben, um auf diese
Weise Rechtsklarheit zu schaffen. Dies gilt auch im Hinblick auf eine mögliche
Verkürzung der Verjährungsfrist auf vier Jahre durch die Einbeziehung des § 13
Abs. 4 VOB/B (vgl. Kapellmann 2004, Rn. 50 f.).132
3. Die Fertigstellung wird in der Regel durch einen umfassenden Leistungstest/Pro-
bebetrieb (z. B. vierzehntägige Leistungsfahrt) belegt und durch einen Gutachter
festgestellt werden. Diese gutachterliche Beurteilung ist sodann als Grundlage
für die (Gesamt-)Abnahme (§ 640 BGB) heranzuziehen. Des Weiteren bietet es
sich an, die bestandkräftige Genehmigung der Anlage, die Behördenabnahme
sowie die Erfüllung der sich aus dem EEG ergebenden Anforderungen für den
Erhalt der Vergütungen und Boni zur Voraussetzung der (Gesamt-)Abnahme zu
machen. Sofern Teil-Abnahmen vereinbart werden, sollte hierfür bereits zum
Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein detaillierter Plan erstellt und als Anhang
dem Generalunternehmervertrag beigefügt werden.
4. Neben der Festschreibung der Zahlungsmodalitäten bietet es sich außerdem an,
einen Zahlungsplan in den Vertrag einzubeziehen. Sofern ein Festpreis für die
Vertragsleistung vereinbart ist, sollte geklärt werden, inwieweit im Falle einer
Überschreitung des Zeitplans ein Anspruch auf Anpassung besteht.
5. Die gleiche Problematik stellt sich im Falle von Änderungen der Bauleistung.
Der Umstand, dass die HOAI133 im Verhältnis Auftraggeber/Generalunternehmer
in der Regel nicht gilt134, bedeutet nicht, dass in diesem Kontext nicht auf ihre
132
Sofern dies mittels AGB erreicht werden soll, gilt es die Änderung der §§ 309 Nr. 8b ff., 310
Abs. 1 S. 3 BGB zu beachten. Vgl. BT-Drs 16/9787 S. 18 sowie Grüneberg (2011), § 309, Rn. 74,
§ 310 Rn. 5; s. außerdem: BGH vom 24.07.2008 – VII ZR 55/07, ZIP 2008, 1729.
133
Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (Honorarordnung für
Architekten und Ingenieure – HOAI) vom 11.08.2009 (BGBl. I S. 2732).
134
BGH BauR 1997, 677; OLG Stuttgart NJW-RR 1989, 917; Koeble (2010), § 1, Rn. 10. Etwas
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 127
anderes kann sich allenfalls dann ergeben, wenn sich die Tätigkeit des Generalunternehmers aus-
schließlich auf Planungsleistungen beschränkt; vgl. OLG Jena, BauR 2002, 1724, OLG Branden-
burg, BauR 2008, 118.
135
Umfassende Ausführungen hierzu finden sich unter Abschn. 2.4.3 und Abschn. 4.4 dieses
Werkes.
128 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
136
Erdöl, Kohle, Torf und Erdgas sind nach der ganz allgemeinen naturwissenschaftlichen Defini-
tion auch zur Biomasse zu zählen, da sie ebenfalls auf Grund organischer Stoffe entstanden sind.
137
Verordnung über die Erzeugung von Strom aus Biomasse vom 21. Juni 2001 (BGBl. I S. 1234)
zuletzt geändert durch Art. 1 Erste ÄndVO vom 9. August 2005 (BGBl. I S. 2419).
138
Gesetzesbegründung zum EEG 2009, BT-Drs. 16/8148, S. 39, linke Spalte.
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 129
139
Vgl. hierzu auch die Neuerungen in §§ 27 ff. EEG 2012.
132 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
In diesem Falle empfiehlt es sich, den Gasertragswert eines Substrates zuvor im Labor feststel-
140
len zu lassen.
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 133
Verwertung der Gärreste durch den/die Substratlieferanten erfolgt und ob sich dies
auf die Preisbildung für die Substrate auswirkt.
Der CSB-Wert erweist sich meist als der zuverlässigste Indikator für das Energiepotential eines
141
Tab. 3.4 Bandbreiten für die Hemmstoffbelastung. (Scholwin et al. 2009, S. 863, soweit nicht
anders angegeben)
Natrium ab 6–30 g/l; bei angepassten Bakteriengruppen ab 60 g/l
Kalium ab 3 g/l
Calcium ab 2,8 g/l CaCl2
Magnesium ab 2,4 g/l Mg Cl2
Ammonium ab 2,7–10 g/l; bei angepassten Bakteriengruppen ab 30 g/l; Ammo-
niak ab 0,15 g/l
Schwefel ab 50 mg/l H2S, 100 mg/l S2- und 160 mg/l Na2S; bei angepassten
Bakteriengruppen ab 600 mg/l Na2S und 1.000 mg/l H2S
Schwermetalle freie Ionen: Nickel ab 10 mg/l, Kupfer ab 40 mg/l, Chrom ab
130 mg/l, Blei ab 340 mg/l, Zink ab 400 mg/l Carbonatform: Zink
ab 160 mg/l, Kupfer ab 170 mg/l, Cadmium ab 180 mg/l, Chrom3+
ab 530 mg/l, Eisen ab 1.750 mg/l
Iso-Buttersäure ab 50 mg/l
Höhere Fettsäuren ab 1,2 mMol C12 und C18
Petrochemische ab 0,1 mMol Kohlenwasserstoffe, aromatischen und halogenisierten
Produkte Verbindungen; bei angepassten Bakteriengruppen erfolgt der Abbau
hingegen sehr gut
Cyanid ab 5 mg/l; bei angepassten Bakteriengruppen ab 30 mg/l
Chlorierte Chloroform: Anpassung bis zu 40 mg/l; Fluor-Chlor-Kohlenwas-
Verbindungen serstoffe und andere halogenierte niedermolekulare organische
Verbindungen ab ca. 50 mg/l
Formaldehyd ab 100 mg/l; bei angepassten Bakteriengruppen ab 1.200 mg/l
Wasserstoff ab 1µMol/l
Kohlensäure ab 1 bar CO2-Partialdruck
Ethen & Terpen ab 50 mg/l bei Öl aus Zitrusfrüchten; ab ca. 1 mg/l
Desinfektionsmittel & ab 1–100 mg/l
Antibiotika
pH-Wert pH-Wert im Fermenter: 6,8–7 (neutral) (Watter 2009, S. 197; Graf
und Bajohr 2011, S. 77)
Die oTS als Bezugsgröße für das Biogaspotential bietet gegenüber dem Wert der Trocken-
142
substanz eines Substrates den Vorteil, dass es zu keiner falschen Gewichtung anorganischer Ver-
schmutzungen kommen kann, die nicht von den Mikroorganismen nicht zu Biogas verarbeitet
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 135
dem absoluten oTS-Wert eines Substrates ist des Weiteren auf die substratspezi-
fische Zusammensetzung der oTS zu achten, da Rohfaser, Rohprotein und Rohfett
unterschiedliche Mengen an Biogas liefern (Scholwin et al. 2009, S. 852; Graf und
Bajohr 2011, S. 80 f.). Grundsätzlich ergibt der Abbau von Rohfett den höchsten
Methanertrag gefolgt von Rohprotein und Rohfaser (Graf und Bajohr 2011, S. 81).
Bei der Festlegung der Bandbreiten für das Nährstoffangebot im weiten Sinne
gilt es sich vor Augen zu führen, dass die Mindest- und Maximalkonzentration an
Nährstoffen, Spurenelementen und Vitaminen dem Grunde nach schon durch die
im Fermenter zum Einsatz kommenden Bakteriengruppen vorgegeben werden, da
sowohl durch eine Über- als auch Unterschreitung der bakterienspezifischen Kon-
zentrationswerte der Stoffwechselprozess der Mikroorganismen hemmt und damit
die Biogaserzeugung negativ beeinflusst wird (vgl. Bischofsberger et al. 2005,
S. 45).143 Essentielle Nährstoffe für die am Biogaserzeugungsprozess beteiligten
Bakterien sind im wesentlichen Kohlenstoff (C), Stickstoff (N), Phosphor (P) und
Schwefel (S) (vgl. Scholwin et al. 2009, S. 851; Bischofsberger et al. 2005, S. 45;
Graf und Bajohr 2011, S. 88). Als optimales Konzentrationsverhältnis im Fermenter
wird derzeit das C:N:P:S-Verhältnis von 600:15:5:3 angegeben (Graf und Bajohr
2011, S. 88; Scholwin et al. 2009, S. 851). Dieser Wert ist allerdings aktuell in
der Wissenschaft zur Diskussion gestellt (Graf und Bajohr 2011, S. 88 f.). Weitere
wichtige Nährstoffe sind Natrium (Na), Kalium (K) und Kalzium (Ca) (Scholwin
et al. 2009, S. 851). Als Spurenelemente benötigen die bei der anaeroben Ver-
gärung eingesetzten Mikroorganismen Nickel (Ni), Kobalt (Co), Molybdän (Mo),
Eisen (Fe), Selen (Se), Wolfram (W), Zink (Zn), Kupfer (Cu) und Mangan (Mn)
(Bischofsberger et al. 2005, S. 47). Hinsichtlich der jeweiligen Konzentrations-
werte für die Bandbreitenbildung wird auf Tab. 3.4 verwiesen.
Letztlich ist noch zu bedenken, ob die Gärreste einer landwirtschaftlichen Ver-
wertung als Dünger zugeführt werden sollen (sog. Biogasgülle) (Wagner 2011,
S. 7). Grundlage des nationalen Düngerechts sind das Düngegesetz (DüG)144 und
die Düngemittelverordnung (DüMV)145. Aus letzterer ergibt sich, dass die Gärreste
selbst den Vorgaben des § 5 DüMV (Anforderung an die Seuchen- und Phytohygiene)
und den Vorgaben der Anlage 1 Abschn. 3 zur DüMV entsprechen müssen (Böhm
2011, S. 47). Zudem ergibt sich aus § 3 DüMV i. V. m. Anlage 2, dass nur gewisse
Ausgangsstoffe und Grenzwert von Inhaltsstoffen bei der Herstellung von Dünger
zulässig sind. Dementsprechend sind im Falle der Verwertung der Gärreste als
landwirtschaftlicher Dünger ein vertragliches Verbot bezüglich der Substrate fest-
zulegen, die nicht mit der DüMV vereinbar sind und die Qualitätskriterien an die
Grenzwerte der DüMV angepasst werden. Des Weiteren sind in diesem Kontext die
Bioabfallverordnung (BioAbfV), bzgl. dieser sollte an die Negativliste der Anlage 2
zum EEG 2009 gedacht werden, die EG-Hygieneverordnung 1069/2009 für nicht
für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte, die Wirtschafts-
düngerverordnung (WDüngV)146 und die Klärschlammverordnung (AbfKlärV)147
zu beachten (Böhm 2011, S. 47).
Hinsichtlich der Qualitätsbestimmung und -sicherung der gelieferten Sub-
strate sind mehrere Punkte zu regeln. Zunächst haben die Parteien ein Labor zu
benennen (Name, Adresse, Ansprechpartner etc.), das nicht nur die Qualitäts-
bestimmung bzgl. der zuvor festgelegten Kriterien durchführen soll, sondern auch
hierzu grundsätzlich in der Lage ist148. Im Weiteren bietet es sich dann an, einen
Laborplan aufzustellen, der insbesondere folgende Punkte regelt (Wagner 2011,
S. 9):
• Werden Substratproben bei jeder Lieferung oder nur nach einer gewissen Anzahl
von Lieferungen gezogen?
• Wie viele Proben werden gezogen und wie groß ist die jeweilige Probenmenge?
• Wer zieht die Proben: Lieferant, Abnehmer oder ein beauftragter Dritter149?
• Wer hält die Instrumente zur Probenentnahme und eine Lagermöglichkeit (z. B.
Tiefkühltruhe) vor?
• Wie lange dürfen die Proben zwischengelagert werden?
• Wer übernimmt den Transport zum Labor150 bzw. Abholung durch das Labor
selbst151?
• Sollen Rückstellproben angelegt werden?
In diesem Zusammenhang könnte dann zudem in Absprache mit dem Labor gere-
gelt werden, wie und durch wen die Probengefäße beschriftet werden (Laufende Pro-
bennummer, Entnahmedatum, Lieferant, Biogasanlage, Substratbezeichnung, Reife,
frisch/konserviert, Lagertemperatur, Unterschriften etc.) (Wagner 2011, S. 9). Des
Weiteren erscheint es durchaus sinnvoll, vertraglich festzuhalten, dass ein Substrat-
tagebuch152 anlegt wird, in welchem die Daten des Laborplans dokumentiert und die
Laborergebnisse zentral gesammelt werden. In diesem Zusammenhang ist dann zu
regeln, wer dieses Tagebuch führen soll und wo es hinterlegt wird. Grundsätzlich
bietet es sich an, diese Aufgabe auf den Probenentnehmer zu übertragen. Außerdem
könnte aus Transparenzgesichtspunkten festgelegt werden, dass der anderen Partei
regelmäßig Auszüge aus dem Substrattagebuch übersendet werden.
146
Verordnung über das Inverkehrbringen und Befördern von Wirtschaftdünger vom 21.07.2010
(BGBl. I S. 1062).
147
Klärschlammverordnung vom 15. April 1992 (BGBl. I S. 912), zuletzt geändert durch Art. 9
VO zur Ums. der DienstleistungsRL auf dem Gebiet des Umweltrechts sowie zur Änd. umwelt-
rechtl. Vorschriften vom 09.11.2010 (BGBl. I S. 1504).
148
Beispielsweise erfolgt die Bestimmung der TS- und oTS-Werte von Substraten grundsätzlich
in zwei Schritten. Zunächst wird durch die Trocknung des Substrates bei 105 °C über 24 h der
Trockensubstanzgehalt des Substrates bestimmt und anschließend die verbleibende Trockensub-
stanz (TS) bei 550 °C verascht (vgl. Graf und Bajohr 2011, S. 80.).
149
Hier ist dann eventuell zu regeln, wer den Beauftragten hinsichtlich der Probenentnahme ein-
weist (Wagner 2011, S. 9).
150
Evtl. sollte hier die Einhaltung der Kühlkette beachtet werden (Wagner 2011, S. 9).
151
Hier sollten der Abholort und die Abholzeiten spezifiziert werden.
152
Vgl. hierzu auch § 27 Abs. 5 EEG 2012.
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 137
Nachwachsende Rohstoffe e. V., S. 37 f.) für die Erzeugung von Biogas einge-
setzt, gilt es zu beachten, dass auf Grund deren einmaliger vollständiger Befüllung
zu Prozessbeginn und der vollständigen Entleerung nach Ablauf der Verweilzeit
(diskontinuierliche Beschickung) als Substratmenge das Fassungsvermögen des
Reaktors zur Wiederbefüllung zur Verfügung stehen muss. Ähnlich verhält es sich
bei Reaktoren, die im Speicher-Verfahren (quasikontinuierliche Beschickung)
betrieben werden. Derartige Reaktoren werden zu Prozessbeginn vollständig befüllt
und nach Ablauf der Verweildauer wird der Fermenterinhalt bis auf einen kleinen
Rest zur Animpfung des neuen Inhalts in das in demselben Behälter befindliche
Gärrestelager verbracht (Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V., S. 38 f.).
Reaktoren, die im Durchfluss-Verfahren oder kombinierten Durchfluss-Speicher-
Verfahren (kontinuierliche Beschickung) betrieben werden, müssen hingegen mehr-
mals täglich mit frischem Substrat versorgt werden (Fachagentur Nachwachsende
Rohstoffe e. V., S. 38 f.). Dementsprechend ist der Mengenplan grundsätzlich so
auszurichten, dass unter Berücksichtigung der Lagerkapazitäten die Fermenterver-
sorgung nicht unterbrochen wird.
Neben den Eigenheiten der Anlage ist als weiterer Faktor allerdings auch zu
bedenken, dass manche Substrate nicht ganzjährig verfügbar sind, sondern auf
Grund der natürlichen Wachstumsperioden nur zu bestimmten Jahreszeiten
erhältlich sind153.
Ferner stellen Regelungen bzgl. der Anpassung und Feinjustierung des
Mengenplans im Substratliefervertrag regelmäßig einen festen Vertragsbestandteil
dar. Dies gilt insbesondere bei langfristigen Lieferverträgen. Hier sind vor allem
Anpassungssituationen und -gründe vertraglich zu regeln sowie eine Frist für die
Mitteilung eines Anpassungsverlangens.
154
Auf Grund des geringen Energiegehaltes der Substrate ist eine Lieferung über mehr als 20 km
in der Regel unwirtschaftlich (Erdmann und Zweifel (2010), S. 223).
155
Gärreste stehen z. B. in direkter Konkurrenz zu Mineraldüngern. Auf Grund der geringeren
Ertragswirkung und der im Vergleich teureren Ausbringung von Gärresten ist ein Transport über
mehr als 3 km in der Regel nur bei hohen Mineraldüngerpreisen wirtschaftlich. Anders stellt sich
die Situation allerdings dar, wenn durch die Gärreste ein zusätzlicher Effekt wie z. B. die Humus-
gehaltverbesserung erreicht werden kann (Plöchl und Hanff 2011, S. 62 f.).
140 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
3.2.3.10 Haftung/Gewährleistung/Garantie
Neben den bisher behandelten Punkten ist ein weiterer Kernpunkt eines jeden Ver-
trags und somit auch des Substratliefervertrags die Ausgestaltung der vertraglichen
Haftung.
Im Biogaskontext gilt es sich in diesem Zusammenhang insbesondere vier
Aspekte vor Augen zu führen: die Prozessbiologie im Fermenter, das an sich
begrenzte Angebot von Substraten, das Grundmodell der Biogasanlage und die
anderweitige Verwertbarkeit der Substrate.
Wie bereits im Abschn. 3.2.3.5 erwähnt, ist die Einhaltung der Konzentrations-
werte der Nährstoffe im weiten Sinne und der Hemmstoffe für die Prozessbiologie
156
Die fermentierbare organische Trockenmasse (FoTS) sei als relative neue Kennzahl hier noch
erwähnt (Weißenbach 2009, S. 108 f.).
157
Ebenso denkbar ist die Verrechnung der Substratpreise mit der Lieferung von Biogas über das
regionale Gasnetz bzw. Strom und/oder Wärme.
3.2 Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 141
3.2.3.11 Sonstiges
Abschließend bleibt noch festzuhalten, dass der Substratliefervertrag mit Rege-
lungen zum Gerichtsstand bzw. einer Schiedsabrede, zur Übertragung von Rechten
und Pflichten, zum anwendbaren Recht, zur Rechtsänderung, zur Eigentum und
Gefahrtragung, einem Schriftformerfordernis, einer salvatorischen Klausel und
einer Wirtschaftsklausel abgerundet werden sollte. Insoweit ergeben sich vorliegend
bei Biogas-Projekten keine Besonderheiten im Vergleich zu anderen Verträgen.
3.2.4 Fazit
Zur Einführung möchten wir ein fiktives Beispiel aus unserer Praxis als Rechts-
berater158 skizzieren: Ein Projektentwickler bittet uns um die juristische Begleitung
seines nächsten Biogasprojektes. Er hat schon erste vielversprechende Gespräche
mit einem Landwirt geführt, der eine Schweinemast betreibt. Nun will der Pro-
jektentwickler so schnell wie möglich einen Pachtvertrag mit dem Grundstücks-
eigentümer in unmittelbarer Nähe des Schweinemastbetriebes vereinbaren und mit
der Genehmigungsbehörde Kontakt aufnehmen. Dem Projektentwickler kommt es
auf einen reibungslosen Projektablauf an, denn er möchte das Projekt als Referenz
für zukünftige Vorhaben aufbauen und das Projekt später an Investoren veräußern.
In einem solchen Fall ergibt unsere Prüfung etwa, dass der Landwirt seine
Schweinemast in einem nicht genehmigten Umfang betreibt. Um jedes Risiko aus-
zuschließen, raten wir von einem Antrag des Projektentwicklers auf Genehmigung
der geplanten Biogasanlage als Außenbereichsvorhaben ab. Als Voraussetzung
für eine Genehmigung der Biogasanlage als Vorhaben im baurechtlichen Außen-
bereich müsste die Biogasanlage einem legal errichteten und betriebenen land-
wirtschaftlichen Betrieb im Außenbereich dienen. Es ist für den Fortbestand des
Schweinemastbetriebes des Landwirts und auch für den Anlagenbetreiber rechtlich
sicherer, das Vorhaben innerhalb eines aufzustellenden Bebauungsplanes umzu-
setzen. Wir begleiten dann das Bebauungsplanverfahren mit der Gemeinde. Auf
eine enge Bindung an den bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb kommt es
nicht an, wenn das Vorhaben nicht im unbeplanten Außenbereich, sondern in einem
Bebauungsplangebiet errichtet wird. In unserem Fall käme im Rahmen des Ver-
fahrens zum vorzeitigen Baubeginn für die Biogasanlage die planungsrechtliche
Zulässigkeit der Schweinemast also nicht zur Sprache. Bei den Verhandlungen des
städtebaulichen Vertrages mit der Gemeinde über den vorhabenbezogenen Bebau-
ungsplan stellt sich heraus, dass die Gemeinde auch ein Interesse an der Sub-
stratlieferung aus kommunalen Eigenbetrieben hat.
Im Pachtvertrag vereinbaren der Projektentwickler und der Grundstücks-
eigentümer, dass die Biogasanlage nicht durch Verbindung mit dem Grundstück
in das Eigentum des Grundstückseigentümers fallen kann und eine vorzeitige
ordentliche Kündigung des Pachtvertrages durch den Grundstückseigentümer aus-
geschlossen ist. Ein Interessent beteiligte sich noch vor Fertigstellung der Anlage
an dem Projekt.
Wie das fiktive Beispiel zeigt, sind die Risiken bei einer Investition in Biogas-
projekte beherrschbar. Oft lassen sich Fehler nachträglich beheben. Die typischen
Fallstricke sollten die Projektbeteiligten aber schon bei der Umsetzung von Biogas-
Projekten vermeiden.
Die Autoren sind Rechtsanwälte der Kanzlei Luther Nierer in Berlin. Dr. Thorsten Gottwald ist
158
In unserer Praxis befassen wir uns häufig mit Pachtverträgen, die Projektentwickler
selbst entworfen oder vielmehr „angepasst“ haben. Wenn unsere Mandanten um
Prüfung von selbst erstellten Verträgen auf Rechtswirksamkeit und Bankenfinanzier-
barkeit bitten, stellt sich dies häufig als gute Entscheidung heraus. Je früher die Pro-
jektverträge auf Rechtssicherheit und Bankenfinanzierbarkeit geprüft wurden, desto
leichter und kostengünstiger ist eine Vertragsanpassung möglich. Je später in einem
Projekt Fehler entdeckt werden, desto teurer kann es für den Planer oder Betreiber
einer Biogasanlage werden.
Nach unserer Erfahrung bei der rechtlichen Einschätzung von Pachtverträgen
zur Vorbereitung der Kauf- oder Verkaufsentscheidung für Investoren, Käufer oder
Verkäufer eines Biogas-Projektes, also im Rahmen einer so genannten „legal due
diligence“, wirken sich wesentliche Mängel des Pachtvertrages regelmäßig auf den
Wert des Projektes aus (Kapoor 2010, S. 7).
Vertragswesentlich sind insbesondere die Sicherung der Wirksamkeit des Pacht-
vertrages, die Verhinderung einer Vertragsbeendigung durch den Grundstücks-
eigentümer vor Ablauf des Vergütungszeitraums für die Biogasanlage und die
Sicherung der Verfügungsbefugnis über die Biogasanlage als Eigentümer.
159
OLG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.04.2008, Aktenzeichen 3 U 124/05.
160
Bspw. BGH, Urteil vom 11.06.2010, Aktenzeichen V ZR 85/09.
161
KG Berlin, Urteil vom 27.03.2006, Aktenzeichen 8 U 57/05.
162
Dazu ausführlich unter Abschn. 3.3.1.2.
163
BGH, Urteil vom 29.01.2001, Aktenzeichen II ZR 331/00; BGH, Urteil vom 18.02.2002,
Aktenzeichen II ZR 331/00.
3.3 Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 145
erfolgt (Reese und Hampel 2009, S. 172). Hat der Betreiber den Verpächter nicht
schriftlich in ausreichendem Umfang über sein Widerrufsrecht belehrt, kann der
Vertrag widerrufen werden.
Die Belehrung muss rechtssicher erfolgen, also den Regelungen zum Haustür-
widerrufsrecht in §§ 312, 355, 357 BGB entsprechen. Widerrufsbelehrungen in
Pachtvertragsformularen sollten vor Verwendung darauf überprüft werden, ob sie
den hohen Anforderungen der Gerichte noch genügen.
BGH, Urteil vom 27.06.1994, Aktenzeichen III ZR 117/93; BGH, Urteil vom 2.05.2007,
164
einheitliche Vertragsurkunde existiert hat.165 Das ist der Fall, wenn keine körper-
liche Verbindung der einzelnen Bestandteile der Vertragsurkunde durch Heftung
oder Seitennummerierung besteht und wenn aus den Unterlagen nicht sicher her-
vorgeht, welche Vertragsanlagen die Bestandteile gedanklich verbinden.166 In der
Praxis fehlen regelmäßig Anlagen zum Vertrag. Der Vertragsgegenstand ist häufig
nicht hinreichend bestimmt. Dies begründet ein Kündigungsrecht zum Ende des
Pachtjahres.
Ist ein Vertrag befristet und kein ordentliches Kündigungsrecht vertrag-
lich vereinbart, kann der Pachtvertrag nur aus wichtigem Grund, also außer-
ordentlich, gekündigt werden. Was ein wichtiger Grund ist, bestimmt § 314 BGB.
Ein wichtiger Grund liegt danach vor, wenn dem kündigenden Vertragspartner
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der
beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur verein-
barten Beendigung nicht zugemutet werden kann. Die Kündbarkeit aus wichtigem
Grund kann vertraglich nicht völlig ausgeschlossen werden.167
Wir empfehlen unseren Mandanten, individuell zu vereinbaren, wann für die
Parteien ein solcher wesentlicher Grund zur Kündigung bestehen soll. Als außer-
ordentliche Gründe für eine Kündigung des Pachtvertrages für den Pächter kann bei-
spielsweise der Wegfall unabdingbarer Projektvoraussetzungen vereinbart werden.
124/05.
165
BGH, Urteil vom 27.09.1997, Aktenzeichen XII ZR 234/95.
166
BGH, Urteil vom 18.12.2002, Aktenzeichen XII ZR 253/01.
167
BGH, Urteil vom 4.04.1973, Aktenzeichen VIII ZR 47/72.
3.3 Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 147
die Anlage nur zu einem vorübergehenden Zweck oder in Ausübung eines Rechts
an einem fremden Grundstück mit diesem verbunden wird.
Im Pachtvertrag sollten die Parteien ausdrücklich vereinbaren, dass eine Einig-
keit darüber besteht, die Biogasanlage nur zu einem vorübergehenden Zweck
mit dem Grundstück des Verpächters verbunden wird (Reese und Hampel 2009,
S. 171). Weiterhin sollte im Pachtvertrag vereinbart werden, dass der Grund-
stückseigentümer sich bereit erklärt, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu
Gunsten des Pächters in das Grundbuch einzutragen. Der Pächter sollte berechtigt
werden, alle Rechte aus dem Pachtvertrag, insbesondere das Recht zur Errichtung
und zum Betrieb der Biogasanlage auszuüben. Eine beschränkte persönliche
Dienstbarkeit begründet das Recht zum Anlagenbetrieb. Allerdings ist die Anlage
nur dann sicher ein Scheinbestandteil, wenn bereits die Errichtung in Ausübung
eines dinglichen Rechts am Grundstück erfolgte.168
Trotz aller Vorsicht kommt es in der Praxis vor, dass die Dienstbarkeiten zu spät
eingetragen sind. Wegen der rechtlichen Unsicherheit, ob die Vereinbarung über
die vorübergehende Einbringung der Anlage in das Grundstück der gerichtlichen
Überprüfung stand hält, ist es empfehlenswert, diesen Fall vertraglich weiter abzu-
sichern. Die Parteien können sich schon bei Abschluss des Pachtvertrages einigen,
im Falle der Verbindung der Biogasanlage mit dem Grundstück die Biogasanlage an
den Betreiber zurückzuübereignen.
Die Sicherungsübereignung der Biogasanlage an das finanzierende Kreditinstitut
sollte dadurch ermöglicht werden, dass der Grundstückseigentümer auf die Aus-
übung seines Vermieterpfandrechts gemäß § 562 BGB verzichtet.
Ein Pachtvertrag sollte weiterhin das Risiko des gutgläubigen lastenfreien
Erwerbs des Grundstücks und im schlimmsten Fall der Biogasanlage durch Dritte
ausschließen. Der Grundstückseigentümer sollte verpflichtet werden, im Falle der
Übertragung des Grundstücks eine Klausel aufzunehmen, mit der der Grundstücks-
eigentümer sicherstellen muss, dass er den Erwerber über das Bestehen des Nut-
zungsvertrages und der Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit
im Grundbuch nebst Vormerkung unterrichten wird. Zur Klarstellung sollte der
Eigentümer dem Erwerber aufgeben, in die Rechte und Pflichten aus dem Pacht-
vertrag einzutreten.
OLG Koblenz, Urteil vom 21.09.2006, Aktenzeichen 5 U 738/06; dazu ausführlich unter
168
Abschn. 3.3.7.2.
148 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
dem die Anlage oder Anlagenteile liegen. Zur Sicherung dieses Anspruchs sollte
eine Vormerkung im Grundbuch beantragt werden.
Der Antrag auf Bewilligung und Beantragung einer beschränkten persönlichen
Dienstbarkeit sollte möglichst weit gefasst sein, damit dem Anlagenbetreiber
möglichst ein Spielraum bleibt für erforderliche Abweichungen vom vorgesehenen
Trassenverlauf. So kann verhindert werden, dass einzelne Grundstückseigentümer
im Falle kleinerer Änderungen am Trassenverlauf oder am Stellplatz für eine
Trafostation überhöhte Forderungen stellen. Anderenfalls droht ein erhebliches
Erpressungspotential, wenn der Grundstückseigentümer durch Verweigerung
einer an sich unbedeutenden Änderung ein bereits begonnenes Projekt blockieren
kann. Zugleich müssen die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten so präzise
formuliert werden, dass das Grundbuchamt den Antrag als bestimmt genug ansieht.
Weiterhin müssen die Ausübungsrechte der Dienstbarkeit vollständig aufgenommen
werden.
Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist ein dingliches Recht. Sie besteht
unabhängig von einem schuldrechtlichen Vertrag. Die Dienstbarkeit wird durch
Einigung und Eintragung auf dem Grundbuchblatt des belasteten Grundstücks
begründet (Bassenge 2011, § 1018, Rn. 28). Anders als ein Pachtvertrag kann eine
beschränkte persönliche Dienstbarkeit nicht durch Kündigung beendet werden.
Vielmehr muss der Berechtigte gegenüber dem Grundbuchamt die Zustimmung zur
Löschung erklären. Das Ausübungsrecht an einer Dienstbarkeit erlischt auch nicht,
wenn der Begünstigte das Recht nicht mehr wahrnehmen kann, da die Ausübung
der dinglich gesicherten Rechte einem anderen zur Ausübung überlassen werden
kann.169 Somit bietet die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit
einen ausreichenden Schutz des Errichters dafür, dass er fremde Grundstücke für
seine Anlage in Anspruch nehmen kann.
Regelmäßig erfolgt der Projektablauf so, dass zuerst mit einem Grundstücks-
eigentümer ein Pachtvertrag vereinbart wird, in dem sich der Grundstücks-
eigentümer bereit erklärt, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eintragen zu
lassen. Später wird die Eintragung der Dienstbarkeit in das Grundbuch vollzogen.
Bei dieser Vorgehensweise ist es vor allem wichtig, dass sich der Inhalt der Dienst-
barkeit und der im Pachtvertrag vereinbarte Nutzungsinhalt decken.
Gerade im Falle von Wege- und Leitungsrechten werden häufig lediglich Ein-
malzahlungen für die Gewährung der Dienstbarkeit vereinbart und bei Unterschrift
unter den Antrag auf Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und
Eintragung in das Grundbuch die Zahlung entrichtet. In diesem Fall ist die Dienst-
barkeit bereits vollzogen.170 Eines schuldrechtlichen Pacht- oder Nutzungsvertrages
bedarf es dann nicht mehr.
Zwar ist es möglich, einen Nutzungsvertrag zusätzlich zu vereinbaren. Es ist
jedoch nicht erforderlich. Es ist auch keineswegs üblich, jeweils einen zusätzlichen
schuldrechtlichen Vertrag abzuschließen (Bassenge 2011, vor § 1018, Rn. 2).
Dennoch fordern Banken und Investoren häufig die Vorlage eines Pachtvertrages.
169
BGH, Urteil vom 19.01.2007, Aktenzeichen V ZR 163/05.
170
BGH, Urteil vom 13.11.1998, Aktenzeichen V ZR 29/98.
3.3 Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 149
Dies birgt jedenfalls das Risiko, dass ein nachträglich vereinbartes Rechtsverhältnis
als schuldrechtliche Begrenzung des Rechtsumfangs der Dienstbarkeit gewertet
werden kann. An die Formulierung eines solchen Vertrages sind deshalb besonders
hohe Anforderungen zu stellen.
Wichtig ist die Unterstützung des Vorhabens durch die Kommune. Dies gilt
sowohl für die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens als auch für den Erlass
eines Bebauungsplanes. Nicht immer dauert ein Verfahren, dem ein Bebauungs-
planverfahren vorausgeht, länger als ein Genehmigungsverfahren, wenn sich an
das Genehmigungsverfahren wegen Nachbarwidersprüchen ein Klageverfahren
anschließt. Auch die Genehmigungsbehörde wird die Unterstützung der Anwohner
und anliegenden Kommunen zu Gunsten des Anlagenbetreibers bewerten.
171
BVerwG, Urteil vom 3.11.1972, Aktenzeichen 4 C 9.70.
3.3 Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 151
172
BVerwG, Beschluss vom 29.12.2010, Aktenzeichen 7 B 6.10.
173
VG Oldenburg, Urteil vom 7. Dezember 2010, Aktenzeichen 1 A 2477/09; VG Saarlouis,
Beschluss vom 16.02.2011, Aktenzeichen 3 L 2343/10.
174
Eine ausführliche Darstellung in Gottwald und Herrmann (2011c), S. 118 f.
152 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
175
Ausführlich dazu Gottwald und Herrmann (2011a), S. 110 f.
154 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
176
BGH, Urteil vom 18.07.2007, Aktenzeichen VIII ZR 288/05.
177
LG Arnsberg, Urteil vom 6.05.2010, Az.: 4 O 434/09.
178
Anders beispielsweise die rechtlich nicht bindende Empfehlung der Clearingstelle, Beschluss
vom 11.02.2011, Nr. 2/2011.
3.3 Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 155
§ 13 Absatz 2 EEG die daraus resultierenden Mehrkosten erstatten. Ein Erstattungs-
anspruch wird aber nur dann erfolgreich sein, wenn der nach dem EEG richtige
Verknüpfungspunkt bekannt ist.
179
Ausführlich dazu BGH, Urteil vom 21.05.2008, Aktenzeichen VIII ZR 308/07.
180
BGH, Urteil vom 16.03.2011, Aktenzeichen VIII ZR 48/10.
181
OLG Brandenburg, Urteil vom 16.09.2010, Aktenzeichen 12 U 79/10; Clearingstelle EEG,
Empfehlung vom 1.06.2010, Aktenzeichen 2009/12.
182
OLG Brandenburg, Urteil vom 16.09.2010.
156 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
3.3.4.3 Gasnetzanschlussverträge
Der Anschluss einer Biogaseinspeiseanlage an das Gasversorgungsnetz erfolgt
unter anderen Bedingungen als der Netzanschluss einer Biogasanlage mit Direkt-
verstromung an das Stromnetz. Netzanschluss in diesem Sinne ist nach der
gesetzlichen Definition in § 32 Nr. 2 GasNZV „die Herstellung der Verbindungs-
leitung, welche die Biogasaufbereitungsanlage mit dem bestehenden Gasver-
sorgungsnetz verbindet, die Verknüpfung mit dem Anschlusspunkt des bestehenden
Gasversorgungsnetzes, die Gasdruck-Regel-Messanlage sowie die Einrichtungen
zur Druckerhöhung und die eichfähige Messung des einzuspeisenden Biogases“.
Im Gegensatz zur Rechtslage im Strombereich müssen Einspeiser und Netz-
betreiber im Gasbereich einen Netzanschlussvertrag schließen. Die GasNZV
ermöglicht weitergehende vertragliche Gestaltungen zwischen Anlagen- und Netz-
betreiber. Nach § 33 Abs. 2 Satz 3 GasNZV können Vereinbarungen über Dienst-
leistungen und deren Vergütung getroffen werden. Vereinbarungen über Wär-
melieferungen, einen gemeinsamen Stromanschluss oder Strombezug, über die
Gaskühlung und Brennwertanhebung sollen damit ermöglicht werden.185
Gesetzlich sind Netzbetreiber gemäß § 32 Nr. 1 GasNZV verpflichtet, Einspeise-
anlagen auf Verlangen des Betreibers, Projektentwicklers oder Errichters vorrangig
an ihr Gasversorgungsnetz anzuschließen.
Der Betreiber muss gemäß § 33 Abs. 1 GasNZV ein Viertel der Anschlusskosten
tragen. 75 % der Kosten zahlt der Netzbetreiber. Auf die Ermittlung der Anschluss-
kosten sollte ein Augenmerk gelegt werden. Zu den Anschlusskosten zählen auch
die Kosten für die Anlagen zur Qualitätsmessung und zur Verdichtung. Bei einem
Anschluss einschließlich Verbindungsleitung mit einer Länge von bis zu 1 km
muss der Anlagenbetreiber insgesamt höchstens 250.000 Euro zahlen. Bei einer
183
BGH, Urteil vom 21.05.2008, Aktenzeichen VIII ZR 90/06.
184
Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/8148, S. 52.
185
BR-Drs. 312/10, Begründung zu § 33.
3.3 Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 157
Verbindungsleitung mit über 10 km Länge zahlt der Anlagenbetreiber die Mehr-
kosten186.
Für die Kosten der Wartung und des Betriebes des hergestellten Netzanschlusses
trägt der Netzbetreiber die Kosten. Dies ist nur folgerichtig, da der Netzanschluss
nach § 33 Abs. 1 GasNZV in das Eigentum des Netzbetreibers übergeht. Der Netz-
betreiber muss auch für die Kosten der Mengen- und Leistungsmessung aufkommen
(Altrock und Schmeding 2008, S. 364).
Nach Mitteilung und Eingang des Anschlussbegehrens durch den Anschluss-
nehmer hat der Netzbetreiber gemäß § 33 Abs. 4 Satz 1 GasNZV zwei Wochen
Zeit, darzulegen, welche Prüfungen zur Vorbereitung einer Entscheidung über
das Netzanschlussbegehren notwendig sind und welche erforderlichen Kosten
diese Prüfungen verursachen werden. Im Folgenden muss der Anschlussnehmer
25 % der ermittelten Kosten vorschießen. Erst nach dem Zahlungseingang ist
der Netzbetreiber gemäß § 33 Abs. 5 Satz 4 GasNZV verpflichtet, unverzüglich
die mitgeteilten notwendigen Prüfungen durchzuführen. Er muss dem Anschluss-
nehmer ein verbindliches Netzanschlussangebot mit der Zusage einer garantierten
Mindesteinspeisekapazität vorlegen. Der Anschlussnehmer muss dann innerhalb
von 18 Monaten mit dem Bau der Anlage beginnen, so dass keine Netzkapazitäten
unnötig vorgehalten werden. Verstößt der Anschlussnehmer gegen diese zeitliche
Grenze und hat er dies zu vertreten, so wird der Netzanschlussvertrag nicht wirk-
sam.
Eine hohe Verfügbarkeit des Netzanschlusses ist entscheidend zur Gewähr-
leistung eines wirtschaftlichen Betriebs der Biogaseinspeiseanlage. § 33 Abs. 2
GasNZV verpflichtet den Netzbetreiber daher, die Verfügbarkeit des Netzan
schlusses dauerhaft, mindestens aber zu 96 %, sicherzustellen. Dies ist als ver-
schuldensunabhängige Garantie zu werten. Andernfalls hätte die Regelung keinen
Anwendungsbereich, denn bei Verschulden haftet der Netzbetreiber nach all-
gemeinem Zivilrecht. Der Netzbetreiber haftet im Falle einer Unterschreitung der
96 % für dadurch entstandene Schäden und zwar unabhängig davon, ob ihn Ver-
schulden trifft. Der Netzbetreiber riskiert gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 GasNZV bei
Nichteinhaltung dieser Grenze sogar ein Bußgeld. Die Festlegung auf 96 % berück-
sichtigt Ausfallzeiten zur Behebung technischer Mängel oder Schäden.187 Wartung
und Betrieb des Netzanschlusses sind Aufgabe des Netzbetreibers, der auch die
Kosten hierfür zu tragen hat.
Netzbetreiber können den Netzanschluss nur unter ganz engen Voraussetzungen
ablehnen. In der Praxis fordern Netzbetreiber z. T. überhöhte technische Standards
für den Netzanschluss.
Eine Ablehnung des Netzanschlusses ist gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 GasNZV nur
bei Vorliegen der Gründe aus § 17 Abs. 2 Energiewirtschaftsgesetz gerechtfertigt:
Danach müsste der Netzbetreiber nachweisen, dass ihm die Gewährung des Netz-
anschlusses aus betriebsbedingten oder sonstigen wirtschaftlichen oder technischen
186
S. hierzu auch die Ausführungen im Abschn. 3.1.2.2.
187
BR-Drs. 312/10, Begründung zu § 33 Abs. 2.
158 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Bei gesetzeskonformer Prüfung
wird diese Ausnahme nur sehr selten greifen.
188
BGH, Urteil vom 4.04.1973, Aktenzeichen VIII ZR 47/72.
3.3 Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 159
189
BGH, Urteil vom 19.11.2008, Aktenzeichen VIII ZR 138/07; Urteil vom 15.07.2009, Akten-
zeichen VIII ZR 225/07.
190
OLG Naumburg, Urteil vom 17.09.2009, Aktenzeichen 1 U 23/09.
160 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
191
BGH NJW 1989, S. 26.
192
BGH, Urteil vom 24.09.2002, Aktenzeichen KZR 10/01.
193
BGH NJW 2001, S. 815.
3.3 Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 161
und hinsichtlich der Fristsetzungen zur Mangelbehebung sind sinnvoll. Wir emp-
fehlen dringend, eine Regelung zur außerordentlichen Kündigung aufzunehmen,
die den Interessen beider Parteien an der Durchführung des Vertrages Rechnung
trägt.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 9.05.2008, Aktenzeichen 22 U 191/07; BGH, Beschluss vom
194
Im Falle der Übernahme einer Biogasanlage sind die Verträge mit allen an der
Errichtung und dem Betrieb beteiligten Firmen zu untersuchen. Je nach Aus-
gestaltung des Vorhabens ergeben sich unterschiedliche Risiken, die sich auf die
Verhandlungen über den Preis für die Beteiligung auswirken.195
195
S. dazu auch Gottwald und Herrmann (2011b), S. 116.
3.3 Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 163
196
BGH, Urteil vom 20.10.1999, Aktenzeichen VIII ZR 335/98; anders OVG NRW BRS 63 Nr.
150 (2000); Reese und Hampel (2009), S. 175 m. w. N.
197
OLG Koblenz, Urteil vom 21.09.2006, Aktenzeichen 5 U 738/06; OVG NRW BRS 63 Nr. 150
(2000).
164 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
198
OLG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.06.2009, Aktenzeichen 5 U 102/08.
199
OLG Schleswig, Urteil vom 26.05.2005, Aktenzeichen 14 U 9/05.
200
Zur vertraglichen Sicherung des Eigentums an einer Biogasanlage s. Abschn. 3.3.1.3.
3.3 Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 165
Nach unserer Erfahrung sind die Risiken bei einer Investition in Biogasprojekte
beherrschbar. Oft lassen sich Fehler nachträglich beheben – mit einem erheblichen
Mehraufwand an Zeit und Geld. Die typischen Fallstricke sollten die Projektbetei-
ligten deshalb schon bei der Umsetzung von Biogasprojekten vermeiden.
Vorsicht ist geboten hinsichtlich der ungeprüften Übernahme von Vertragsmustern,
weil diese rechtlich fehlerhaft oder veraltet sein und nicht die Besonderheiten des
Einzelfalls berücksichtigen können. Mit einem juristisch optimierten Projekt steigt
der wirtschaftliche Wert und es schwinden die Unsicherheiten der Umsetzung über
die gesamte Dauer des geplanten Anlagenbetriebes.
und Raumordnung des Landes Brandenburg, Zulässigkeit von Biomasseanlagen, November 2008,
S. 10; Erlass des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Hol-
stein vom 26.09.2007.
166 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Entscheidend ist, dass jeder einzelne Aspekt des gesamten Biogasprojektes sorg-
fältig geprüft und bearbeitet wird. Im Gegensatz zu Wind- oder Solarparks können
nicht Teile als nicht umsetzbar abgetrennt werden, ohne dass mehr als ein rein wirt-
schaftlicher Schaden für das Gesamtprojekt entsteht. Vergleichbar einem Mosaik
ist ein Biogasprojekt nur wirtschaftlich erfolgreich, wenn alle „Mosaiksteine“
vorhanden sind und zueinander passen. Treten in einem Bereich Probleme oder
Verzögerungen auf, so müssen daneben alle anderen „Mosaiksteine“ parallel mit
gleichbleibender Intensität weiter bearbeitet werden. Dass dies oft verkannt wird,
zeigt sich daran, dass es Mandanten in der Praxis immer wieder gelingt, günstig
werthaltige Projektrechte oder sogar fast fertige Anlagen aus gescheiterten Pro-
jekten zu übernehmen.
Bei den von uns von Anfang an begleiteten Projekten sind nachträglich noch
nie Probleme aufgetreten, die dazu geführt hätten, dass die Investoren ihre Ent-
scheidung bereut haben.
Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung soll sicherstellen, dass nicht nur
die Bedürfnisse der heutigen, sondern auch diejenigen künftiger Generationen
befriedigt werden können (vgl. United Nations 1987). Als Sinnbild, das ver-
schiedene Aspekte der Nachhaltigkeit vereint, werden das Nachhaltigkeitsdreieck
oder das Drei-Säulen-Modell verwendet, die den Prinzipien Ökologie, Ökonomie
und Soziales Rechnung tragen.
So spielen neben den in diesem Buch zahlreich beschriebenen Aspekten aus
Technik, Recht und Wirtschaft insbesondere auch ökologische und soziale Aspekte
eine wichtige Rolle für die Beurteilung der Nachhaltigkeit von Biogasvorhaben und
anderen innovativen Konzepten der energetischen Biomassenutzung.
Die energetische Nutzung von Biomasse kann durch die Form des Anbaus (bei-
spielsweise konventionell vs. ökologisch) und die Art des Substratinputs (beispiels-
weise Triticale- oder Roggen-Ganzpflanzensilage, Maissilage, Ackergrassilage,
Gülle) Auswirkungen auf ökologische Aspekte wie Bodenqualität, Wasser, Klima
oder Artenvielfalt haben. Auch der nötige Flächenbedarf kann von diesen Faktoren
abhängig variieren.
Die Nutzung von Biomasse hat ökonomische Auswirkungen zum einen für
einzelne Landwirte, die sich als Energiewirte ein weiteres Standbein neben der
Futter- und Nahrungsmittelproduktion sichern können. Zum anderen können
Wärmekunden profitieren, wenn sie günstigere Tarife für die Abwärme der
3.4 Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 167
203
Zusätzlich sollen bioenergetische Nutzungskonzepte für kontaminierte Standorte entwickelt
und die insgesamt sehr großen energetischen Potenziale von Holz und Stroh in das Gesamtkonzept
integriert werden. Um die Umweltverträglichkeit der Holz- und Strohverbrennung in kleinen wie
in großen Anlagen einschätzen zu können, werden die dabei freigesetzten Elemente und organische
Stoffe analysiert und bewertet. Aufbauend auf den Erfahrungen aus dem Bioenergiedorf Jühnde
werden Variationen kalkuliert, wie möglichst kostengünstig weitere Bioenergiedörfer realisiert
168 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
werden könnten. In der Summe werden aus der Vernetzung der Projektergebnisse Kriterien for-
muliert, um die ökologischen, ökonomischen, sozialen und technischen Auswirkungen unter-
schiedlicher Biomassenutzungskonzepte im Licht nachhaltiger Entwicklung bewerten zu können
und damit letztlich eine zukunftsorientierte energetische Nutzung der Biomasse zu verwirklichen,
welche auch die Nutzungskonkurrenzen berücksichtigt (www.bioenergie.uni-goettingen.de).
3.4 Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 169
3.4.2 Nachhaltigkeitsverständnis
Zu einer zukunftsfähigen Entwicklung, die ein Leben auf dieser Erde dauerhaft
ermöglicht, gehört, dass die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt,
ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürf-
nisse befriedigen zu können (vgl. United Nations 1987). Diese Definition liegt den
meisten Nachhaltigkeitsverständnissen zu Grunde. Im Allgemeinen setzt sich der
Begriff der Nachhaltigkeit außerdem aus drei Komponenten zusammen, die als
Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit bezeichnet werden. Spätestens seit Ende der
80er-Jahre und der Umweltkonferenz in Rio 1992 wird die ökologische Krise als
globale Krise betrachtet, die nicht losgelöst von ihren sozialen und ökonomischen
Zusammenhängen betrachtet werden kann:
• Der ökologische Fokus von Nachhaltigkeit umfasst dabei die Zieldimension,
Natur und Umwelt für die nachfolgenden Generationen zu erhalten. Dies
beinhaltet den Erhalt der Artenvielfalt, den Klimaschutz, die Pflege von Kul-
tur- und Landschaftsräumen in ihrer ursprünglichen Gestalt sowie generell einen
schonenden Umgang mit der natürlichen Umgebung.
• Die ökonomischen Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung beinhalten die
Forderung, dass die Wirtschaftsweise dauerhaft eine tragfähige Grundlage für
Erwerb und Wohlstand bietet. Besonders wichtig ist dabei der Schutz wirt-
schaftlicher Ressourcen vor Ausbeutung.
• Unter dem sozialen Fokus der Nachhaltigkeit wird die Entwicklung der Gesell-
schaft als ein Weg verstanden, der die Beteiligung (Partizipation) für alle Mit-
glieder einer Gemeinschaft ermöglicht. Dies umfasst einen Ausgleich sozialer
Kräfte mit dem Ziel, eine auf Dauer zukunftsfähige, lebenswerte Gesellschaft
zu erreichen.
Eine nachhaltige Entwicklung betrifft verschiedene Betrachtungsebenen, kann
also lokal, regional, national oder global verwirklicht werden. Während aus öko-
logischer Perspektive vermehrt ein globaler Ansatz verfolgt wird, steht bezüg-
lich der wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit oft der nationale oder sogar
regionale Blickwinkel (nach dem Motto „think global, act local“) im Vordergrund.
Desgleichen wird für immer mehr Bereiche eine nachhaltige Entwicklung postuliert,
sei es für den individuellen Lebensstil oder für ganze Sektoren wie Mobilität
oder Energieversorgung bzw. noch spezieller für den Bereich der „energetischen
Biomassenutzung“. Für diese Bereiche werden zunehmend spezifische Indikatoren-
oder Kriteriensätze entwickelt, da diejenigen aus den umfassenden Sammlungen
für konkrete Anwendungen zu pauschal sind. Mit der Generierung spezieller
Bewertungskriterien für verschiedene Biomassenutzungspfade als einem möglichen
Betätigungsfeld zur Förderung nachhaltiger Entwicklung wird der These von
Gehrlein (2004) Rechnung getragen, der argumentiert, man könne bestehende
Nachhaltigkeitsindikatorensysteme durch Spezifizierung verbessern. Beispiels-
weise sollten die Indikatoren nach Funktionen, nach kommunalen Handlungs-
feldern und nach Adressaten sowie Orientierungen an (kommunal) vereinbarten
Zielen strukturiert werden. Im vorliegenden Abschnitt wird darauf eingegangen,
170 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Im Folgenden wird dargelegt, welche Aspekte zur „sozialen Dimension“ der Nach-
haltigkeit gezählt werden und wie diese wiederum zusammenhängen.
Nachhaltigkeitsforschung verfolgt insgesamt eine integrative Perspektive. Der
Nachhaltigkeitsdiskurs in Deutschland war jedoch zunächst einseitig ökologisch
geprägt und erfuhr erst in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre des letzten Jahr-
hunderts eine stärkere Hinwendung zu sozialen und ökonomischen Problemlagen
(Weidner 1999). Diese Einseitigkeit führte dazu, dass primär ökologische Fragen
und Zielsetzungen bearbeitet wurden; ökonomische und soziale hingegen kaum
(Deutscher Bundestag 1998). Insbesondere im Bereich der Biomassenutzung
wurden soziale Aspekte bisher sehr wenig thematisiert (nähere Ausführungen dazu
im Abschn. 3.4.4.3).
Grundsätzlich verbirgt sich hinter dem Begriff der „Sozialen Nachhaltigkeit“ die
Erhaltung von sogenanntem „Sozialkapital“. Dazu gehören laut Goodland (2002)
Investitionen und Leistungen, die den grundlegenden Rahmen für die Gesellschaft
bilden: Bei einer angemessenen Berücksichtigung sozialer Nachhaltigkeit wird
3.4 Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 171
die Bildung von Vertrauen erleichtert, indem die Kosten für Kooperation gesenkt
werden, was nur durch systematische Partizipation in der Gemeinschaft möglich ist.
Nach Goodland sind Aspekte wie der Zusammenhalt einer Gemeinschaft, die Ver-
bundenheit zwischen Gruppen und einzelnen Menschen, gegenseitiger Austausch,
Toleranz, Mitgefühl, Geduld, Nachsichtigkeit, Kameradschaft, Liebe, gemeinhin
akzeptierte Standards von Ehrlichkeit, Disziplin und Ethik sowie gemeinschaftlich
geteilte Regeln, Gesetze und eine gemeinsame Ethik wesentliche soziale Aspekte
für eine nachhaltige Entwicklung einer Gesellschaft. Ergänzt werden diese Aspekte
um Gedanken von Brandl (2002), der eine selbstbestimmte Lebensführung als
wesentlich erachtet. Diese erfordere die Befriedigung materieller Grundbedürfnisse
in den Bereichen Nahrung, Wohnen, Kleidung, Mobilität und Information sowie
die Sicherung physischer und psychischer Gesundheit und die Möglichkeit lebens-
langer Lernprozesse. Anknüpfend an den Aspekt der Partizipation benennt Brandl
außerdem die Notwendigkeit der Möglichkeit persönlicher Entfaltung und aktiver
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben als Voraussetzungen für die Erfüllung der
sozialen Kriterien einer Nachhaltigen Entwicklung.
Nun gilt es, diese Aspekte bei der Beurteilung der sozialen Nachhaltigkeit von
Biogasanlagen zu berücksichtigen. Dazu sind die entscheidungsrelevanten Sach-
verhalte zum einen zu identifizieren und zum anderen zu quantifizieren.
Die Dimension der sozialen Komponente einer nachhaltigen Entwicklung und
die Beschreibung der sozialen Kriterien sollen in diesem Artikel im Vordergrund
stehen, gleichwohl auch die anderen Dimensionen in ihrer Bedeutung für die
Biomassenutzung einführend kurz skizziert werden und im Gesamtbewertungspro-
zess der Biomassepfade eine ebenso wichtige Rolle spielen. Die sozialen Aspekte im
Zusammenhang mit der Biomassenutzung wurden jedoch bisher in der Forschung
relativ wenig beleuchtet und von Praktikern kaum bis zur Anwendung konkretisiert
(Ausnahmen s. Abschn. 3.4.4.3), weshalb in diesem Fall hier der beschriebene
Schwerpunkt gesetzt wird.
(2008), WBGU (2008), UNCSD (2001) und Gamba (2008), die z. T. modifiziert, an
die Bedingungen der Biomassenutzung angepasst und aus eigenen Überlegungen
heraus ergänzt wurden. Die letztlich gewählten Kriterien mussten folgende
Bedingungen erfüllen:
1. Sie durften sich nicht überlappen, d. h. Redundanzen sollten vermieden werden;
2. sie mussten zwischen verschiedenen Biomassepfaden differenzieren, d. h.,
ein Kriterium wie „Vermeidung von Kinderarbeit“ war nicht relevant, da in
Deutschland grundsätzlich keine Kinderarbeit existiert und zwar bei keiner der
betrachteten Biomassealternativen;
3. die Kriterien dürfen bei der MCDA grundsätzlich auch qualitative Aspekte
beleuchten, d. h. die Daten können auch unterschiedliche Maßeinheiten haben,
solange diese zumindest auf einem ordinalen Skalenniveau abbildbar sind: Ein
ökologisches Kriterium kann einen Wert wie „54,0 g CO2-Äquivalente pro
Jahr“ annehmen, während ein soziales Kriterium z. B. einen Mittelwert von 3,6
Akzeptanzpunkte auf einer Skala von 0 bis 5 erreichen kann. Beide Werte können
mit Hilfe von MCDA-Methoden miteinander vergleichbar gemacht werden.
Es gibt einige wenige Ansätze, mit denen Nachhaltigkeitskriterien speziell für
die Biomassenutzung aufgestellt worden sind. Dazu gehören z. B. van Dam et al.
(2008), die verschiedene Biomassezertifizierungssysteme gegenübergestellt, oder
Lewandowski und Faaji (2004), die im Rahmen des sogenannten „fair biotrade pro-
ject“ spezielle Kriterien für die Niederlande aufgestellt haben. Fritsche et al. (2010)
haben einen Nachhaltigkeitsstandard zur Zertifizierung von Biomasse für den
internationalen Handel aufgestellt. Jedoch gibt es keine Bewertungssysteme für den
Biomassebereich, die speziell für bestimmte deutsche Regionen aufgestellt wurden
und es gibt zudem kaum einen Ansatz, in dem konkrete soziale Aspekte berück-
sichtigt werden, die auch zwischen den lokal in Deutschland nutzbaren Konzepten
unterscheiden. So wird für die soziale Dimension maximal davon gesprochen,
„Arbeitsbedingungen sollten human sein“ oder „Menschenrechte müssen einge-
halten werden“ – was in Deutschland grundsätzlich der Fall sein und sich somit bei
unterschiedlichen Nutzungspfaden in einer deutschen Region nicht unterscheiden
sollte. Weiter differenziert werden soziale Kriterien in Bezug auf Biomassenutzung
bei den vorliegenden Ansätzen jedoch nicht. Diese Differenzierung der sozialen
Kriterien wird mit dem hier beschriebenen Ansatz realisiert.
auch die Effizienz, weil bei einem Ausfall die Reparaturarbeiten schneller und
kostengünstiger zu erledigen sind.
2. Arbeitssicherheit. Je höher die Arbeitssicherheit in der Bioenergieanlage
(=> MAX), desto besser.
3. Umweltfreundlichkeit der Materialien. Je höher der Prozentsatz an Materialien,
die recycelbar fähig sind (=> MAX), desto besser im Sinne einer Nachhaltigen
Entwicklung.
4. Transportaktivitäten. Biomasse muss vom Feld zu den Anlagen transportiert
werden und der Gärrest wieder zurück auf den Acker. Hierzu werden meist
Traktoren mit Anhänger oder spezielle Lastwagen eingesetzt. Relevant ist hier
die Häufigkeit, mit der diese pro Woche fahren (=> MIN), da mit dem Transport
Lärm und Energieverbrauch verbunden sind, der Zeitpunkt der Fahrten (tagsüber
wird besser beurteilt als nachts) sowie die Art der Transportmittel: Je größer
dieses ist, desto leichter werden Zufahrtswege beschädigt (Größe => MIN).
5. Verwaltungsaufwand. Je nach Anlagengröße unterscheiden sich die
Biomassepfade in ihrem Verwaltungsaufwand in der Genehmigungsphase. Je
kürzer diese Phase rein zeitlich gesehen dauert (=> MIN), desto günstiger ist die
Wirkung auf die Planung der Anlage.
Ausführlicher erläutert sind die ökologischen, ökonomischen und technischen
Kriterien in Eigner-Thiel et al. (in Vorbereitung).
Sowohl die von der UNCSD (2001) als auch die von Fritsche et al. (2010) auf-
gelisteten Kriterien sind jedoch für die Bewertung der energetischen Biomassen-
utzung in Deutschland größtenteils ungeeignet, weil die meisten dieser genannten
sozialen Standards in Deutschland glücklicherweise erfüllt sind. Damit sind diese
Kriterien nicht entscheidungsrelevant, weil sie keine Unterscheidung von Biomasse-
Konzepten erlauben. Aus dem Grund wurden im Forschungsvorhaben „Biomasse
im Spannungsfeld“, ausgehend von den bekannten Indikatorenkatalogen, gemein-
sam mit Psychologen und Sozialwissenschaftlern andere, für Biomasse-Pfade in
Deutschland aussagekräftige soziale Kriterien erarbeitet.
Die sozialen Kriterien lassen sich in die vier Oberkategorien „Akzeptanz“, „Par-
tizipation“, „Psychologische Konsequenzen“ und „Arbeitsplätze“ unterteilen und
werden auf der untersten Ebene in 16 Attributen operationalisiert. Im Folgenden
werden diese spezifisch für die Biomassenutzung in Deutschland aufgestellten
sozialen Kriterien vorgestellt, erläutert und theoretisch begründet. Eine Übersicht
über die hierarchische Anordnung der Kriterien ist in Abb. 3.3 zu sehen.
Akzeptanz
„Akzeptanz“ stammt vom lateinischen „accipere“, was gutheißen, annehmen, bil-
ligen, anerkennen oder auch mit jemandem oder etwas einverstanden sein bedeutet.
Akzeptanz ist also die Bereitschaft, jemanden oder etwas, in diesem Fall die
energetische Biomassenutzung mit all seinen Facetten, zu akzeptieren. Akzeptanz
schließt die bewusste Entscheidung für eine Thematik ein. Nach Endruweit und
Trommsdorf (1989) ist Akzeptanz die „Eigenschaft einer Innovation, bei ihrer
Einführung positive Reaktionen der davon Betroffenen zu erreichen“. Betont wird
damit der Einführungsprozess, d. h. etwas Neues ist als akzeptiert zu betrachten,
wenn bei der Einführung zustimmend reagiert wird; nach dieser Definition gibt es
auf der anderen Seite keine (Nicht-)Akzeptanz von etwas Bestehendem. Hiermit
wird die Rolle der Akzeptanz vor allem in der Planungsphase von Bioenergie-
anlagen deutlich: Gerade zu diesem Zeitpunkt besteht die Notwendigkeit und die
Chance, die Akzeptanz verschiedener Aspekte zu fördern (vgl. dazu auch Stiehler
2010). Wichtig ist dabei aber, dass Akzeptanz nicht mit „Überstülpen“ gleichgesetzt
wird, sondern, wenn sie aktiv beeinflusst werden soll, eher als Überzeugungspro-
zess verstanden wird (für erfolgreiche Überzeugungsmethoden vgl. Eigner-Thiel
2011). Die Akzeptanz hängt mit der im folgenden Abschnitt beschriebenen Par-
tizipation (Beteiligung) zusammen: Nur wo Menschen beteiligt oder zumindest ernst
genommen werden, kann auch eine Akzeptanz entstehen. Mit der Berücksichtigung
von Akzeptanz wird auf Forderungen der Agenda 21 (Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1997) eingegangen, dass die Öffent-
lichkeit umfassend an der Entscheidungsfindung beteiligt wird. Um den Aspekt der
Akzeptanz bei der multikriteriellen Bewertung von Biomasse-Konzepten zu opera-
tionalisieren, werden vier Bereiche unterschieden:
Landschaftsästhetik
Anbaukonzepte bestehend aus den verschiedensten Kulturarten sind mit
unterschiedlicher Wahrnehmung in der Landschaft verbunden: Sie können bunt und
3.4 Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 177
Abb. 3.3 Hierarchie der sozialen Kriterien zum Vergleich von Biogas-Vorhaben in Deutschland
ansprechend sein, wenn beispielsweise Wildkräuter toleriert werden, oder wenn der
Anbau von Sonnenblumen sich mit dem von Triticale abwechselt. Sie können auf
der anderen Seite aber auch eintönig wirken und die Menschen stören. So werden
etwa Maismonokulturen eventuell negativ bewertet, da neben dem monotonen
Landschaftsbild eine mögliche Auszehrung des Bodens oder Wildschweinplagen
befürchtet werden. Aus diesen Gründen haben sich bereits zahlreiche Bürger-
initiativen gegen Biogasanlagen gebildet (vgl. Fachverband Biogas e. V. 2010).
Wichtig ist, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Anbauformen von den Menschen
visuell wahrgenommen werden und Auswirkungen auf die Akzeptanz der gesamten
Biomassenutzungskette haben können. Eine Möglichkeit, damit umzugehen, ist die
transparente Kommunikation dieser Aspekte. Broggi (2002) stellte bei der Beant-
wortung der Frage „Welche Landschaft wollen wir?“ fest, dass fehlende oder
schlechte Kommunikation der Naturschützer mit der Bevölkerung oder Laien zu
fehlender Akzeptanz von Naturschutz führt. Dies lässt sich leicht auf die Bioenergie
übertragen. Denn faktisch betrug beispielsweise die gesamte Anbaufläche für Mais
im Nahrungsmittel-, Futtermittel und Energiebereich im Jahr 2010 2,3 Mio. ha. Dies
entspricht 19,4 % der gesamten Ackerfläche. Für die Produktion von Energiemais
wurden hiervon 0,5 Mio. ha (deutschlandweit im Durchschnitt 4 % der gesamten
Ackerfläche; regional kann dies jedoch variieren) benötigt (Fachverband Biogas
e. V. 2010). Eine Maßnahme gegen diese Erscheinungen ist beispielsweise der vom
178 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Anlagenästhetik
Für die Wahrnehmung der technischen Anlagen im Landschaftsbild gilt Ähnliches
wie für die Landschaftsästhetik. Oft existieren auch hier Bedenken bezüglich der
Erscheinung innerhalb des Dorfbildes. Verbunden hiermit ist die Frage des Stand-
ortes, der so ausgelotet werden sollte, dass neben den ökonomischen Bedingungen
auch die Akzeptanz der Bevölkerung sichergestellt ist. Indem die Menschen von
Anfang an am Planungsprozess beteiligt werden und kontinuierlich Transparenz
über den Planungsstand herrscht (vgl. Abschn. „Partizipation“), kann hier die
Akzeptanz erhöht werden.
Die Akzeptanz des äußeren Erscheinungsbilds der Biogasanlagen für die ver-
schiedenen energetischen Biomassenutzungskonzepte wird ebenfalls über einen
Fragebogen erhoben und über eine 5-Punkte-Skala operationalisiert. Je höher die
Akzeptanz – die sich durch eine höhere Punktezahl ausdrückt –, desto besser.
Wahrgenommener Geruch
Bei einer Biogasanlage können mehrere Geruchsquellen auftreten, nämlich bei
der Substratanlieferung und -lagerung, durch Leckagen und Verunreinigungen
(Sickerwasserpfützen aus Silagelagerung, Feststoffeinbringung, Substratreste auf
Fahrwegen), im Fermenter (Überdrucksicherung bei zu hoher Methanproduktion,
Ausfall Verbrennungsmotor, Leckagen), bei der Gärrestlagerung und -abfuhr (auch:
erhöhte Emissionen bei der Lagerung von nicht ausreichend vergorenem Substrat),
bei der Gärrestausbringung und durch das Abgas im Verbrennungsmotor.
Prinzipiell kann bei einem Vergleich zugelassener Biomassetechnologien in
Deutschland von einer Einhaltung der offiziellen Geruchs- (und auch Lärm-)Vor-
schriften (wie z. B. der „Geruchsimmissions-Richtlinie“, GIRL) ausgegangen
werden. Trotzdem bleibt der Geruch eine subjektiv erfahrbare Komponente, die bei
der Biomassebereitstellung, -verteilung, -nutzung und beim Transport eine Rolle
spielt und Auswirkungen auf die Akzeptanz haben kann (vgl. Informationsstelle
Biomasse 2005). Obwohl vergorene Gülle objektiv weniger riecht als unvergorene,
3.4 Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 179
kann das Vorurteil existieren, dass sich der „Gestank im Dorf durch eine Biogas-
anlage“ vergrößern könnte. Aus diesem Grund spielt der subjektive Aspekt des
„erwarteten“ oder „wahrgenommenen“ Geruchs eine Rolle bei der Bewertung.
Der wahrgenommene Geruch wird ebenfalls über einen Fragebogen auf einer
5-Punkte-Skala erhoben. Je geringer dabei der erwartete Geruch, desto besser.
Wahrgenommener Lärm
Objektive Lärmquellen sind der Biomassetransport und der Betrieb der Biogas-
anlage. Zum Transportlärm zählen der An- und Auslieferungsverkehr (landwirt-
schaftliche Nutzfahrzeuge, Tankwagen) auf dem Anlagengelände und auf der
öffentlichen Straße, die Einbringung von Substrat in die Biogasanlage (Radlader,
landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge, Förderschnecken, Annahmebunker), zum
Betriebslärm tragen die Rührwerke in Fermentern und Endlagern und die Ver-
brennungsmotoren bei. In der sogenannten „Technischen Anleitung Lärm“ (TA-
Lärm) werden unterschiedliche Richtwerte für Tages- (6.00–22.00 h) und Nachtzeit
(22.00–6.00 h) postuliert. Außerdem wird unterschieden zwischen Wohngebieten,
Mischgebieten und Gewerbegebieten. Je größer dabei eine Biogasanlage oder die
Bioenergieanlagen insgesamt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Lärm
als störend empfunden wird. Wichtig ist hier wie bei der Wahrnehmung des Geruchs,
dass nicht das objektive Ausmaß des Lärms entscheidend ist, sondern die subjektive
Empfindung und die Bewertung von Geräuschen als „Lärm“ (Guski 2000). Gelingt
es, den Anwohnern die mit der Biogasanlage verbundenen Geräusche als „sinnvoll
und nötig für die eigene, umweltfreundliche Energieversorgung“ nahezubringen,
kann es sein, dass diese nicht als störend empfunden werden. Erhöht wird die Wahr-
scheinlichkeit hierfür, wenn die Anwohner von Anfang an an den Planungen für
die Anlage beteiligt sind, dann haben sie nämlich das Gefühl, die Anlage sei Teil
ihrer eigenen Wünsche und Vorstellungen und die Auswirkungen solcher eigener
Bestrebungen werden seltener als störend empfunden (hier lässt sich das Phänomen
der „Vermeidung kognitiver Dissonanz“ nach Festinger (1957) beobachten). Ein
Tipp von Praktikern zur Akzeptanzerhöhung ist außerdem, die Anlage mit schnell-
wachsenden Pflanzen einzugrünen: Denn eine Anlage, die nicht gesehen wird,
riecht subjektiv weniger und macht weniger Lärm (sic!) (Einfeldt 2011).
Der wahrgenommene Lärm wird ebenfalls über einen Fragebogen auf einer
5-Punkte-Skala erhoben. Je geringer dabei der erwartete Lärm, desto besser.
Partizipation
„Partizipation“ kommt von lat. „participere“, teilnehmen und bedeutet 'Beteiligung,
Teilhabe, Teilnahme, Mitwirkung, Mitbestimmung, Einbeziehung'. Gemeint ist die
Einbeziehung von Individuen und Organisationen an Entscheidungs- und Willens-
bildungsprozessen. Ziel ist die Einflussnahme der unterschiedlichen Bevölkerungs-
gruppen unter anderem auf politische Prozesse. Dies kann im Rahmen von Bürger-
initiativen, Arbeitsgruppen, Runden Tischen, Petitionen und neuerdings auch über
E-Partizipation via elektronische Netzwerke geschehen (Heinrichs 2005). Dabei
kooperieren die gestaltenden Kräfte von Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Bürgerini-
tiativen, Interessenvertretungen und NGOs.
180 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Informierung
Die einfachste Art der Beteiligung oder das Minimum ist die kontinuierliche
Information der betroffenen Menschen über den Planungsstand. Dies kann über
öffentliche Veranstaltungen, Faltblätter, Informationsbroschüren oder öffentliche
Aushänge geschehen. Wichtig ist dabei nicht nur die Information selbst, sondern
vor allem auch die Tatsache, dass der Planungsprozess so transparent gemacht wird
und niemand das Gefühl hat, er werde übergangen. Es verstärkt das Vertrauen in
eine Planungsgruppe, wenn diese ihre Pläne offen darstellt und somit nicht den
Anschein erweckt, es würden Dinge heimlich durchgeführt oder die Menschen
sollten von etwas überrumpelt werden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die betroffenen Gruppen regelmäßig informiert
werden, ist bei den einzelnen Biogas-Vorhaben unterschiedlich (z. B. in Abhängig-
keit der Art des Betreibers). Je höher die Wahrscheinlichkeit, dass die einzelnen
Bevölkerungsgruppen über das Biomassenutzungskonzept regelmäßig informiert
werden, desto sozial nachhaltiger ist das Konzept. Da es sich um sieben mögliche
Gruppen handelt und alternativ auch die Möglichkeit besteht, dass niemand informiert
wird, werden 0 bis 7 Punkte für die entsprechende Anzahl der informierten Interes-
sengruppen bei der Bewertung vergeben (s. o., acht Möglichkeiten: 1. Landwirte,
2. Wärmekunden, 3. kommunale bzw. regionale Planungsebene, 4. die restliche
Dorfbevölkerung/Öffentlichkeit, 5. Naturschutzgruppen, 6. Wissenschaftler,
7. Männer und Frauen gleichermaßen, 8. Niemand (hier: Vergabe von 0 Punkten)).
Psychologische Konsequenzen
Verschiedene energetische Biomassenutzungskonzepte bieten unterschiedliche
Beteiligungsmöglichkeiten für die Bevölkerung und haben dadurch unterschiedliche
potenzielle soziale Auswirkungen auf die Individuen. Verschiedene mögliche Wirk-
mechanismen werden hier dargestellt, bevor weiter unten im Einzelnen auf die
Bewertungskriterien detaillierter eingegangen wird.
Die Auswirkungen von Partizipation wurden konkret von mehreren Forschern
untersucht. So hat sich Ulich (1998) beispielsweise mit den Auswirkungen von
Partizipation in teilautonomen Arbeitsgruppen in der Arbeitswelt beschäftigt und
festgestellt, dass in solchen Strukturen die intrinsische Motivation durch Aufgaben-
orientierung wächst, eine Verbesserung von Qualifikation und Kompetenzen ein-
tritt, sich die Flexibilität für die Mitarbeiter erhöht, dass sich die Zufriedenheit
qualitativ zum Positiven verändert, Stress durch gegenseitige Unterstützung abge-
baut wird und das Freizeitverhalten der Menschen aktiver wurde. Auf der anderen
Seite wurden auch mögliche Nachteile beschrieben, die sich durch Partizipation
für die Menschen ergeben können und die auch für ein Engagement bezüglich der
Bioenergie geltend gemacht werden können (vgl. Müller et al. 2004): Nämlich eine
zeitliche Überlastung, Überforderung, Frustration von Partizipationserwartung
(erlernte Hilflosigkeit, Seligman 1975), informelle Machtstrukturen (z. B. aufgrund
von Kompetenzgefälle, Engagement), hoher Entscheidungsaufwand durch Kon-
sensprinzip und Verantwortungsdiffusion. Auf die genannten Nachteile kann man
jedoch Einfluss nehmen durch die Art der Organisation des Beteiligungsprozesses.
Bezüglich der Wirkung von Partizipation gibt es unter anderem den kognitiven
3.4 Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 183
Spaß, Sinnerleben und ein verändertes Image des eigenen Ortes. Dass diese Aspekte
eine Rolle bei dem vorliegenden Thema spielen und miteinander in Beziehung
stehen, zeigten Interviewstudien der Erstautorin, die im Bioenergiedorf Jühnde
durchgeführt wurden (Eigner-Thiel 2005).
Wir-Gefühl
Untersuchungen des Wir-Gefühls bestehen bereits seit den 50er-Jahren des letzten
Jahrhunderts (Festinger 1954; Schachter 1959). Zum Wir-Gefühl zählen ver-
schiedene Facetten, die mit unterschiedlichen Fachbegriffen versehen sind. Dazu
gehören beispielsweise „Sense of Community“ (Chavis und Wandersman 1990)
oder die „Gruppenidentität“ (Henry et al. 1999), „soziale Identität“ (Tajfel und
Turner 1986), „soziale Unterstützung“ (Sommer 2000) oder „Gruppenkohäsion“
(Dion 2000). Gruppenkohäsion ist definiert als Eigenschaft einer Gruppe, die für
3.4 Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 185
die gegenseitige Bindung der Menschen untereinander sorgt und das Zuneigungs-
gefühl zwischen den Gruppenmitgliedern fördert. Unter „sozialer Unterstützung“
wiederum wird die Hilfe verstanden, die jemand durch das soziale Netz, in das er
eingebunden ist, erfahren kann und die wiederum positive emotionale und damit
gesundheitsförderliche Aspekte aufweist (Sommer 2000). Das Wir-Gefühl ist auch
heute immer noch wichtig (Keupp et al. 2006). Auch wenn es viele neue Formen von
sozialen Netzwerken im Internet gibt, bleibt die Bedeutung von Nachbarschaften
und realen Freundeskreisen erhalten. Ein Beispiel für ein neues Wir-Gefühl in
Deutschland ist die Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2006. Als Trendprognose wird
vom Zukunftsinstitut die These formuliert, dass Menschen sich weiter in Gruppen
organisieren werden, in Eigenregie neue Gemeinschaftsformen bilden. Außerdem
werde das Bedürfnis und die Motivation, sich sozial zu engagieren und Gemein-
sinn bewusst zu leben, auch in den nächsten Jahren nicht durch Digitalisierung und
Internet erstickt werden (Redaktion Zukunftsinstitut 2008).
Dieses Kriterium des Wir-Gefühls im Zusammenhang mit der Nutzung
unterschiedlicher Bioenergieformen hängt mit einem anderen sozialen Kriterium
zusammen, nämlich mit der „möglichen Partizipation“. Interviews haben ergeben,
dass bei aktiv für ein gemeinschaftliches Klimaschutzprojekt engagierten Menschen
das Wir-Gefühl, das Gefühl eines Zusammenhalts zwischen diesen Menschen
anwächst, was sich wiederum positiv auf das seelische Wohlbefinden und die
Gesundheit auswirkt (Eigner-Thiel & Schmuck 2010). Auch Schuster (2002)
beschreibt, wie bei dem Engagement für Nachhaltigkeitsprojekte ein Wir-Gefühl
entstehen kann, wenn engagierte Menschen zusammen kommen, um ein konkretes,
gemeinsames Ziel zu erreichen. Wenn die Wege zum Ziel nicht vorgegeben seien,
komme es zu offenen Prozessen, in denen ständig neue Personen zur Mitwirkung
gewonnen würden. Durch viele persönliche Gespräche und gemeinschaftliche
Diskussionen bei der Suche nach „Win-win-Situationen“ entstünden innovative
Ansätze und beständige Lösungen, aber eben auch eine Stärkung des Gemein-
schaftsgefühls. Die Biomassealternativen unterscheiden sich in dem Ausmaß,
inwieweit Menschen dabei überhaupt miteinander in Kontakt treten. Die Werte für
das Wir-Gefühl bei unterschiedlichen Nutzungspfaden werden wiederum per Fra-
gebogen auf einer 5-skaligen Rating-Skala erhoben. Je höher der Wert, desto höher
wird das Wir-Gefühl eingeschätzt.
Selbstwirksamkeitsüberzeugung
Kognitive, motivationale, emotionale und verhaltensrelevante Prozesse werden
nach der sozial-kognitiven Theorie von Bandura (1992, 1997) unter anderem
durch Selbstwirksamkeitserwartungen gesteuert. Diese sind definiert als subjektive
Erwartungen, ein für bestimmte erwünschte Konsequenzen notwendiges Verhalten
auszuführen und sie beeinflussen wiederum Denken, Fühlen und Handeln sowie
Zielsetzung und ausgeübte Anstrengung sowie Ausdauer einer Tätigkeit in der
Zukunft. Selbstwirksamkeitserwartungen lassen sich auf zwei Dimensionen weiter
unterteilen:
1. Auf der Generalitätsdimension lassen sich die situationsspezifische, die allgemeine
sowie die bereichsspezifische Selbstwirksamkeitserwartung unterscheiden. Die
186 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Arbeitsplätze
Wichtig im Zusammenhang mit der Bioenergienutzung ist die Schaffung, der Erhalt
oder auch die Verdrängung von Arbeitsplätzen. Von 300.000 Arbeitsplätzen, die im
Rahmen der Nutzung von erneuerbaren Energien bisher in Deutschland geschaffen
wurden, werden 100.000 der Bioenergie zugerechnet (BMELV 2010). Daher werden
zwei Kriterien zur Berücksichtigung der Schaffung von Arbeitsplätzen formuliert
und bei der Auswahl von Biogas-Vorhaben berücksichtigt.
188 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Arbeitsplätze netto
Die Biomassealternativen unterscheiden sich, je nach Größe und Betreibergesell-
schaft, darin, wie viele neu geschaffene Arbeitsplätze den ggf. verdrängten gegen-
überstehen. Bei einer kleinen Biogasanlage wird eine Teilzeitstelle mit einem
Umfang von ca. 10 h pro Monat geschaffen, bei einer sehr großen Anlage sind es fünf
bis zehn Vollzeitstellen. Auf der anderen Seite erhält bei bestimmten Konzepten wie
dem Bioenergiedorfkonzept beispielsweise der Schornsteinfeger weniger Aufträge,
weil die vielen einzelnen Kamine nicht mehr zu betreuen sind. Diese Neuschaffung
und der Wegfall von Arbeitsplätzen sind gegeneinander aufzurechnen. Je höher die
errechnete Zahl von Netto-Arbeitsplätzen, desto besser.
Teilzeitmöglichkeit
Für die Familienplanung und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist
es gut, wenn Unternehmen die Möglichkeit vorsehen, bei bestehendem Wunsch
auch Teilzeitjobs anzubieten. Denn wie in zahlreichen Studien festgestellt wurde,
können Teilzeitstellen zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf
für Männer und Frauen beitragen (BMFSJ 2008; OECD 2005, 2002; SEK 2006;
Caspar et al. 2005). Ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei Interesse auch reduzierte
Stellen angetreten werden können, bei einer Biomassealternative höher als bei einer
anderen, werden mehr Punkte vergeben.
3.4.5.1 Biogaseinzelanlage
Als „Biogaseinzelanlage“ wurde eine typische Anlage eines landwirtschaftlichen
Betriebs gewählt. Der Strom wird ins Netz eingespeist und die Abwärme wird für
die Beheizung des eigenen Wohnhauses sowie eines Nachbarhaus genutzt. Durch
Vergütung der Stromproduktion gemäß des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (2009)
wird die Anlage finanziert. Als Substratinput dient eine herkömmliche Mischung
aus Mais, einen geringen Anteil an Roggen und Gülle des landwirtschaftlichen
Betriebs, der mit konventionellen Anbaumethoden wirtschaftet.
3.4.5.2 Bioenergiedorf
In einem genossenschaftlich organisierten Bioenergiedorf werden die Strom- und
Wärmeversorgung über den erneuerbaren Energieträger Biomasse sichergestellt.
Eine Biogasanlage und ein Holzhackschnitzelheizwerk im Dorf sorgen über die
Vergärung feuchter Biomasse (Silage aus Energiepflanzen) und die Verbrennung
von Holz für die Bereitstellung von Strom und Wärme für die Dorfbevölkerung.
Der in der Biogasanlage produzierte Strom wird ins öffentliche Stromnetz einge-
speist. Bei der Stromproduktion entsteht Wärme, die von den Dorfbewohnern als
Grundlast zum Heizen genutzt wird. Für die kältere Jahreszeit reicht diese Wärme
nicht aus, weshalb mit der Holzverbrennung eine weitere Wärmequelle vorhanden
190 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
ist. Die Wärme wird in Form von heißem Wasser über ein Nahwärmenetz, das in
den Straßen verlegt wird, an die Haushalte verteilt. Die besondere Herausforderung
bei diesem Konzept liegt darin, genügend Menschen in den Häusern zu motivieren,
sich an das Nahwärmenetz anschließen zu lassen und eine Umstellung ihrer Hei-
zungsanlage vornehmen zu lassen. Das hier betrachtete Bioenergiedorf zeichnet
sich durch Einzelheiten aus, die in Tab. 3.5 vergleichend dargestellt sind (vgl. Pro-
jektgruppe Bioenergiedörfer 2010, Ruppert et al. 2008).
3.4.6 Gewichtungsprozess
die Wichtigkeit der einzelnen Kriterien über Vergabe der Zahlen 0 (niedrige
Bedeutung) bis 100 (hohe Bedeutung) auf den verschiedenen Ebenen der Kriterien-
hierarchie einzuschätzen. Die Einschätzung wurde dabei zunächst auf übergeord-
neten Ebenen, später auf der untersten, der sog. „Attribut-Ebene“, vorgenommen.
Die Gewichtungen wurden zunächst individuell schriftlich vorgenommen,
anschließend der kleinen Gruppe vorgestellt und diskutiert, abschließend gab es für
jeden individuell die Möglichkeit, seine Einschätzung noch einmal zu revidieren.
3.4 Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 193
Die Daten für die sozialen Kriterien rühren z. T. aus dem Aktionsforschungsprojekt
„Das Bioenergiedorf Jühnde“ (s. Eigner-Thiel 2005), z. T. aus einer großangelegten
Studie zur Akzeptanz unterschiedlicher Biomassepfade aus dem Jahr 2010 (vgl.
Wüste & Schmuck 2012). Die ermittelten Werte der Kriterienausprägungen
für die drei Alternativen „Bioenergiedorf“, „Biogas-Großanlage“ und „Biogas-
Einzelanlage“ zeigt Tab. 3.6.204 In der rechten Spalte sind die Gewichtungen der
jeweiligen Kriterien aufgeführt, die sich auf insgesamt 100 % addieren lassen. Eine
unmittelbare Ermittlung einer dominierten oder dominierenden Alternative ist nicht
unmittelbar möglich. Eine Alternative heißt dominiert, wenn eine andere Alternative
sie bezüglich eines oder mehrerer Kriterienausprägungen übertrifft und bezüglich
der anderen Attribute gleichwertig ist (Zimmermann & Gutsche 1991). Der Über-
blick wird vor allem deshalb erschwert, weil manche Kriterien zu maximieren und
andere zu minimieren sind.
Zur Bestimmung von Kompromisslösungen für derartige Entscheidungspro-
bleme, in denen mehrere und z. T. gegenläufige Ziele angestrebt werden, wird
die multikriterielle Optimierung verwendet. Mit Hilfe von multiattributiven Ent-
scheidungsmodellen (Multi Attribute Decision Making – MADM) können ver-
schiedene diskrete Alternativen oder Handlungsoptionen im Hinblick auf mehrere
Kriterien bewertet werden. Dabei werden mathematische Methoden angewendet,
um Kriterienbündel zu einer möglichst in reellen Zahlen ausgedrückten Ordnung
(Rangfolge) zu reduzieren (Zimmermann & Gutsche 1991; Geldermann 2006).
Um sich zunächst einen Überblick über mögliche Zielkonflikte in einem kon-
kreten Entscheidungsproblem zu verschaffen, genügt als einfachste Methode der
Mehrzielentscheidungsunterstützung das „Simple Additive Ranking“ (SAR), bei
der Rangfolgen der Alternativen für jedes Kriterium gebildet werden (Geldermann
& Schöbel 2011). Allerdings ist diese Methode anfällig für Fehlinterpretationen
sowie unerwünschte Rangtäusche, wenn irrelevante Alternativen aus der weiteren
Bewertung ausgeschlossen werden.
Daher wird im Folgenden das Ergebnis der Anwendung des Outranking-Ver-
fahrens PROMETHEE kurz vorgestellt. Outranking-Verfahren beruhen auf paar-
weisen Vergleichen der Alternativen hinsichtlich jedes Kriteriums mit Hilfe einer
Präferenzfunktion zur Quantifizierung der jeweiligen „Vorziehenswürdigkeit“
(Brans et al. 1986; Geldermann 2006). Ein erster Blick auf die Darstellung der
relativen Stärken und der relativen Schwächen der betrachteten Alternativen
hinsichtlich der berücksichtigten Kriterien (vgl. Abb. 3.6) zeigt, dass das Bioener-
giedorfkonzept mit Abstand am besten abschneidet. Um zu erkennen, welche
Herzlichen Dank an André Wüste, der bei der Datenbeschaffung geholfen und an Meike
204
Schmehl, die die Berechnungen für die multikriteriellen Analysen durchgeführt hat!
194 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
3.4.8 Zusammenfassung
In diesem Kapitel wurden soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit von
Biogas-Vorhaben vorgestellt. Anhand erster Ergebnisse eines Forschungsvorhabens
„Biomasse im Spannungsfeld“ wurde ein Vergleich zwischen einer Biogaseinzel-
anlage, einem Bioenergiedorf sowie einer Biogasgroßanlage bezüglich sozialer
Kriterien durchgeführt. Dabei weist das Bioenergiedorf einige Stärken auf: Die
Aspekte der Partizipation und ihre Auswirkungen, nämlich eine Erhöhung von Wir-
Gefühl, Selbstwirksamkeitsüberzeugung und Sinnerleben sind höher ausgeprägt
als bei den Vergleichsszenarien. Nur durch die Einbeziehung der Bevölkerung an
der Planung und an der Finanzierung wird der auch für andere Lebensbereiche so
wichtige Aspekt des „Empowerment“, der Ertüchtigung und Befähigung vieler
Individuen, gestärkt und damit Potenzial geschaffen für die tatsächliche Umsetzung
einer nachhaltigen Entwicklung durch zahlreiche einzelne Menschen. Auch die
bei den drei Alternativen objektiv vom Ausmaß her vergleichbaren Mengen an
Lärm, Geruch sowie auch das äußere Erscheinungsbild von technischen Anlagen
und Anbaukonzepten werden beim Bioenergiedorf eher akzeptiert und sogar sub-
jektiv als geringer belastend eingestuft, weil hier die Menschen von Beginn an
durch regelmäßige Informationen und Beteiligungsmöglichkeit an den Planungen
und an der Finanzierung „mitgenommen“ werden. Es herrschen Transparenz und
3.4 Literatur 197
Offenheit, die zu weniger Misstrauen seitens der Bevölkerung bezüglich der tech-
nischen Neuerungen führen.
In Zukunft wird zu untersuchen sein, wie eine Partizipation gelingen kann, ohne
dass mögliche Nachteile wie Überlastung, Überforderung, Frustration von Par-
tizipationserwartungen, informelle Machtstrukturen und Verantwortungsdiffusion
(vgl. Müller et al. 2004) zum Tragen kommen. Zwar ermöglicht die Schaffung
benutzerfreundlicher Werkzeuge (sog. „Tools“) auf der Basis von modernen Kom-
munikationsplattformen bereits eine partizipative Entscheidungsunterstützung
(Hämäläinen et al. 2010), doch sind diese Art von Werkzeugen häufig nur von
Experten intuitiv zu bedienen (Geldermann & Ludwig 2007). Hier gilt es, die geeig-
neten Methoden so zu kombinieren und den von der Entscheidung über Biogas-Vor-
haben betroffenen Personen nahezubringen, dass eine konsensfähige Lösung für
eine nachhaltige Energieversorgung gefunden werden kann. Wesentlicher Bestand-
teil ist dabei eine transparente und nachvollziehbare Aufbereitung der gesammelten
Daten zu den untersuchten Alternativen. Dazu leistet die Mehrzielentscheidungs-
unterstützung einen wichtigen Beitrag, indem sie ökologische, ökonomische, tech-
nische und soziale Kriterien, die in sehr unterschiedlichen Maßeinheiten gemessen
werden, in einer Gesamtschau als dimensionslose Präferenz- oder Nutzenwerte
zusammenfasst und insbesondere die getroffenen Annahmen bei der Gewichtung
der Kriterien offenlegt und visualisiert.
Literatur
Literatur zu 3.1
Bandelow. In: Gabler, A., Metzenthin, A.: EEG – Der Praxiskommentar. EW Medien und Kon-
gresse GmbH, Frankfurt a. M. (2011)
Bayerisches Landesamt für Umwelt: Tieffrequente Geräusche bei Biogasanlagen und Luftwärme-
pumpen, Stand: Februar 2011. Landesamt für Umwelt, Augsburg (2011)
Benfer, R.D., Gabler, A., Kohake, H., Wesche, F.-A.: Biogastransport und -verstromung: Probleme
und Lösungsvorschläge für die Praxis. ET 1–2 (2011)
BDEW: Leitfaden Bilanzierung Biogas, http://www.gaspool.de/fileadmin/download/allgemein/
archiv/Leitfaden_Bilanzierung_Biogas_090814.pdf (2009)
Böhmer, T. Weißenborn, C. (Hrsg.): Erneuerbare Energien. Perspektiven für die Stromerzeugung.
Energie im Dialog, Bd. 3. EW Medien und Kongresse GmbH, Frankfurt a. M. (2009)
Bönning, C.. In: Reshöft, J. (Hrsg.) EEG. Erneuerbare-Energien-Gesetz. Handkommentar. Nomos,
Baden-Baden (2009)
Gabler, A., Metzenthin, A.: EEG – Der Praxiskommentar. EW Medien und Kongresse GmbH,
Frankfurt a. M. (2011)
Gabler, A.: EEG 2009. Grundzüge der neuen Rechtslage für Anlagen- und Netzbetreiber. EW
Medien und Kongresse GmbH, Frankfurt a. M. (2010)
Graßmann, N. Manqua: Modelle der Gasäquivalentnutzung – Handel mit Biogas-Zertifikaten oder
Transport von Biogas im Erdgasnetz? ET 11 (2007)
Klinski, S., Longo, F.: Kommunale Strategien für den Ausbau erneuerbarer Energien im Rahmen
des öffentlichen Baurechts. ZNER 6, 41–47 (2007)
Meyer, M., Valentin, F.: Die Neufassung der GasNZV im Hinblick auf die Einspeisung von Biogas
in Erdgasnetze. ZNER, 548–549 (2010)
198 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Müller-Wiesenhaken, W., Kubicek, R.: Tieffrequenter Schall als zu bewältigender Konflikt u. a.
bei der Genehmigung von Biogasanlagen und Blockheizkraftwerken in der Nachbarschaft zur
Wohnbebauung. ZfBR (2011)
Salje, P. Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien (EEG). Kommentar. Heymann, München
(2009)
Schomerus, T.: Die Eigenverbrauchsregelung in § 33 Abs. 2 EEG nach der Photovoltaik-Novelle
2010. In: Frenz, W., Müggenborg, H.-J. (Hrsg.) Erneuerbare-Energien-Gesetz: EEG. Kom-
mentar. Schmidt, Berlin (2010)
Woxikon: http://synonyme.woxikon.de (2012)
Literatur zu 3.2
Abwasser und Abfall e. V., Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft (Hrsg.): Merkblatt DWA-M
376: Sicherheitsregeln für Biogasbehälter mit Membrandichtung (2006)
Altrock, M., Oschmann, V., Theobald, C.: EEG. Beck, München (2006)
Anspach, V.: Status quo, Perspektiven und wirtschaftliches Potential der Biogaserzeugung auf
landwirtschaftlichen Betrieben im ökologischen Landbau. Univ- Press, Kassel (2010)
Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) (Hrsg.): Tieffrequente Geräusche bei Biogasanlagen
und Luftwärmepumpen – Ein Leitfaden. LfU, Augsburg (2011)
Beck, R., Ebertsch, G., Erlei, B., Fiedler, A., Karrasch, T., Lehmann, R., Putz, E., Völk, E.: Formale
Anforderungen, Ablauf des Genehmigungsverfahrens. In: Bayerisches Landesamt für Umwelt
(LfU): Biogashandbuch Bayern – Materialienband, Kapitel 1–4, Augsburg, 2007–2011 (2010)
Bischofsberger, W., Dichtl, N., Rosenwinkel, K.-H., Seyfried, C.F.: Anaerobtechnik. Springer,
Berlin (2005)
Böhm, L.: Verwendung von Gärresten. In: Energie Technologie Initiative (ETI): Biogas in der
Landwirtschaft. http://eti-brandenburg.de/eti-arbeitsgruppen/biogas.html. Zugegriffen: 21. Juli
2011
Bruns, A., Plechinger, R., Knieps, P., Rasche, R., Weisz, A., Ziegler, F.: Anlagensicherheit und
Arbeitsschutz. In: Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU): Biogashandbuch Bayern – Mate-
rialienband, Kapitel 1–4, Augsburg, 2007–2011 (2009)
Busche, J. In: Säcker, F.J., Rixecker, R.: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch.
Beck, München (2009)
Diersch, H., Leipfinger, R., Maier, G., Müller, R., Rogusch-Sießmayr, T., Stubenvoll, J., Wend-
land, M.: Abfallwirtschaft. In: Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU): Biogashandbuch
Bayern – Materialienband, Kapitel 1–4, Augsburg, 2007–2011 (2007)
Ebertsch, G., Fiedler, A., Beck, R., Karrasch, T., Zell, B., Ruttka, B.: Immissionsschutz, ein-
schließlich Klimaschutz. In: Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU): Biogashandbuch Bay-
ern – Materialienband, Kapitel 1–4, Augsburg, 2007–2011 (2011)
Ekardt, F.: Begriffsbestimmungen. In: Frenz, W., Müggenborg, H.-J.: EEG. Erich Schmidt, Berlin
(2010)
Ellenberger, J.: Sachen und Tiere. In: Palandt, O.: Bürgerliches Gesetzbuch. Beck, München (2011)
Energie Technologie Initiative (ETI): Biogas in der Landwirtschaft. http://eti-brandenburg.de/eti-
arbeitsgruppen/biogas.html (2011). Zugegriffen: 21. Juli 2011
Erdmann, G., Zweifel, P.: Energieökonomik: Theorie und Anwendungen. Springer, Berlin (2010)
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.: Handreichung Biogasgewinnung und –nutzung.
http://www.fnr-server.de/ftp/pdf/literatur/HR_Biogas.pdf (2006). Zugegriffen: 22. Juli 2011
Giesberts, L., Reinhardt, M.: Beck'scher Onlinekommentar Umweltrecht. Beck, München (2011)
Graf, F., Bajohr, S. (Hrsg.): Biogas – Erzeugung, Aufbereitung, Einspeisung. Oldenbourg,
München (2011)
Grüneberg, C.: Schuldverhältnisse aus Verträgen. In: Palandt, O.: Bürgerliches Gesetzbuch. Beck,
München (2011)
Hoffmann, F.: Biogasanlagen mit Gaseinspeisung brauchen günstige Rahmenbedingungen. Dow
Jones Energy Weekly 21, 9 (2011)
3.4 Literatur 199
Holch, G. In: Säcker, F.J., Rixecker, R.: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch.
Beck, München (2009)
Jacoby, F. Peters, F. In: Staudinger, J. von: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Ein-
führungsgesetz und Nebengesetzen, Buch 2 – Recht der Schuldverhältnisse §§ 631–651
(Werkvertragsrecht), de Gruyter, Berlin (2008)
Kaltschmitt, H.: Biomasse als nachwachsender Energieträger. In: Kaltschmitt, M., Hartmann, H.,
Hofbauer, H.: Energie aus Biomasse. Springer, Berlin (2009)
Kapellmann, K.D.: Schlüsselfertiges Bauen: Rechtsbeziehungen zwischen Auftraggeber, Gener-
alunternehmer, Nachunternehmer. Werner, München (2004)
Kapellmann, K.D., Messerschmidt, B.: VOB, Teile A und B. Beck, München (2010)
Koeble, W. In: Koeble, W., Locher, U., Locher, H.: HOAI Kommentar. Werner, Düsseldorf (2010)
Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN – Normenausschuss KRdL (Hrsg.): Emis-
sionsminderung – Biogasanlagen in der Landwirtschaft – Vergärung von Energiepflanzen und
Wirtschaftsdünger (2010)
Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft: Technische Information 4. Sicherheitsregeln für
Biogasanlagen. (2008)
Linke, B., Mumme, J., Mähnert, P., Schönberg, M., Plogstiers, V.: Innovationen in der Biogas-
erzeugung. In: Energie Technologie Initiative (ETI): Biogas in der Landwirtschaft. http://eti-
brandenburg.de/eti-arbeitsgruppen/biogas.html (2011). Zugegriffen: 21. Juli 2011
Möhrle, H., Freilinger, B.: Wasserwirtschaft. In: Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU):
Biogashandbuch Bayern – Materialienband, Kapitel 1–4, Augsburg, 2007–2011 (2007)
Plöchl, M.: Planung und Errichtung von Biogasanlagen. In: Energie Technologie Initiative (ETI):
Biogas in der Landwirtschaft. http://eti-brandenburg.de/eti-arbeitsgruppen/biogas.html (2011).
Zugegriffen: 21. Juli 2011
Plöchl, M., Hanff, H.: Wirtschaftlichkeit von Biogasanlagen. In: Energie Technologie Initiative
(ETI): Biogas in der Landwirtschaft. http://eti-brandenburg.de/eti-arbeitsgruppen/biogas.html
(2011). Zugegriffen: 21. Juli 2011
Schendel, F.A., Scheier, M.: Rechtsverordnungen zur Gewässerbewirtschaftung. In:Giesberts, L.,
Reinhardt, M.: Beck'scher Onlinekommentar Umweltrecht. Beck, München (2011)
Scholwin, F., Edelmann, W.: Produkte und energetische Nutzung. In: Kaltschmitt, M., Hartmann,
H., Hofbauer, H.: Energie aus Biomasse, S. 910–932. Springer, Berlin (2009)
Scholwin, F., Liebetrau, J., Edelmann, W.: Biogaserzeugung und -nutzung. In: Kaltschmitt, M.,
Hartmann, H., Hofbauer, H.: Energie aus Biomasse, S. 851–874. Springer, Berlin (2009a)
Scholwin, F., Edelmann, W., Liebetrau, J.: Verfahrenstechnik. In: Kaltschmitt, M., Hartmann, H.,
Hofbauer, H.: Energie aus Biomasse, S. 875–909. Springer, Berlin (2009b)
Schuhmann, R.: Neuere Entwicklungen im Vertragsrecht des Anlagenbaus. Baurecht 2, 293 ff.
(2005)
Sprau, H.: Werkvertrag und ähnliche Verträge. In: Palandt, O.: Bürgerliches Gesetzbuch. Beck,
München (2011)
Thrän, H., Scholwin, F., Körner, I.: Sonstige Biomasse. In: Kaltschmitt, M., Hartmann, H., Hof-
bauer, H.: Energie aus Biomasse, S. 157–170. Springer, Berlin (2009)
Umweltbundesamt: Informationspapier: Zur Sicherheit bei Biogasanlagen, Juni 2006. http://www.
umweltbundesamt.de/uba-info-medien/3097.html
Vygen, K., Joussen, E.: Bauvertragsrecht nach VOB und BGB. Werner, Köln (2004)
Wagner, R.: Nachwachsende Rohstoffe in Biogasanlagen. http://www.carmen-ev.de/dt/hintergr-
und/biogas/liefervertrag.pdf (2003). Zugegriffen: 20. Juli 2011
Watter, H.: Nachhaltige Energiesysteme. Vieweg + Teubner, Wiesbaden (2009)
Weißenbach, F.: Wie viel Biogas liefern Nachwachsende Rohstoffe? Neue Landwirtschaft 11,
107 ff. (2009)
Wenzel, G. In: Gädtke, H., Czepuck, K. Johlen, M.: BauO NRW Kommentar. Werner, Köln (2011)
Westermann, H.P. In: Säcker, F.J., Rixecker, R. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetz-
buch. Beck, München (2009)
200 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Literatur zu 3.3
Altrock, M., Oschmann, V., Theobald, C.: Erneuerbare-Energien-Gesetz. Beck, München (2011)
Altrock, M., Schmeding, T.: Die aktuelle Gesetzesnovelle zur Erleichterung der Einspeisung von
Biogas in die Erdgasnetze. In: Loibl, H., Maslaton, M., Bredow, H.F. Von, Walter, R. (Hrsg.)
Biogasanlagen im EEG. Schmidt, Berlin (2009)
Asam-Peter, C.: Wann sind Ausführungsfristen verbindlich? IBR, 114 (1999)
Bassenge, P.: Palandt. Beck, München (2011)
Bienek, H., Krautzberger, M.: Aktuelle Fragen zum städtebaulichen Innenbereich nach § 34
BauGB und zum Außenbereich nach § 35 BauGB. UPR, 81 (2008)
Busche, J.: Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 1. Beck, München (2012)
Ebert, A.: Notfalls verweigern. DIB, 52 (2005)
Gottwald, T., Herrmann, M.: OLG gegen Clearingstelle, Erneuerbare Energien, 92 (2010a)
Gottwald, T., Herrmann, M.: Vorsicht bei Substratlieferverträgen. BIOGAS Journal, 128 (2010b)
Gottwald, T., Herrmann, M.: Wo sind Biogasanlagen ans Netz anzuschließen? BIOGAS Journal,
110 (2011a)
Gottwald, T., Herrmann, M.: Erwerb von Biogasprojekten. BIOGAS Journal, 116 (2011b)
Gottwald, T., Herrmann, M.: Bürgerbegehren gegen Biogasanlagen unzulässig. BIOGAS Journal,
118 (2011c)
Harke, D.: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 3. Beck, München (2008)
Heussen, B.: Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement. Schmidt, Köln (2007)
Kapoor, V.: Due Diligence – Die Unternehmensprüfung vor der Unternehmensakquisition.
Diplomica, Hamburg (2010)
Kraus, S.: Datum: Gesetzesbezug: BauGB/ROG. UPR, 218 (2008)
Krebs, P.: Verbraucher, Unternehmer und Zivilpersonen. Der Betrieb, 517 (2002)
Niederstadt, F.: Anmerkungen zum Urteil des OLG Brandenburg (Havel) vom 16.09.2010. NuR,
118 (2011)
Peine, F.-J.: BVerwG, Beschluss vom 29.12.2010 – BVerwG 7 B 6.10 – Zum Nachbarschutz gegen
die immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Biogasanlage. REE, 96 (2011)
Peine, F.-J., Knopp, L., Radcke, A.: Das Recht der Errichtung von Biogasanlagen. Lexxion, Berlin
(2009)
Reese, C., Hampel, C.: Frischer Wind auf fremdem Boden. RdE, 170 (2009)
Salje, P.: Erneuerbare-Energien-Gesetz: Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien (EEG).
Kommentar. Heymann, München (2009)
Literatur zu 3.4
Antonovsky, A.: Gesundheitsforschung versus Krankheitsforschung. In: Franke, A., Broda, M.
(Hrsg.) Psychosomatische Gesundheit, S. 3–14. DGVT, Tübingen (1993)
Bandura, A.: Exercise of Personal Agency through the Self-Efficacy Mechanism. In: Schwarzer, R.
(Ed.) Self-efficacy: Thought control of action, pp. 3–38. Hemisphere, Washington, DC (1992)
Bandura, A.: Self-Efficacy: The Exercise of Control. Freeman, New York (1997)
BMELV: Klöckner: Bioenergie schafft Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Pressemitteilung Nr.
188 vom 27.10.2010 (2010)
BMFSJ: Familienfreundlichkeit als Erfolgsfaktor für die Rekrutierung und Bindung von Fachkräften.
Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter Arbeitgebern und Beschäftigten. http://www.
bmfsfj.de/bmfsfj/generator/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=112440.
html (2008). Zugegriffen: 23. August 2010
Brandl, S.: Konzepte sozialer Nachhaltigkeit im deutschen Diskurs. In: Ritt, T. (Hrsg.) Soziale
Nachhaltigkeit: Von der Umweltpolitik zur Nachhaltigkeit?, S. 11–32. AK: Informationen zur
Umweltpolitik 149, Wien (2002)
Brans, J.P., Mareschal, B., Vincke, P.: How to Select and How to Rank Projects: The PROMETHEE
Method. EUR J OPER RES 24, 228–238 (1986)
Breitschuh, G., Breitschuh, T., Eckert, H.: Einfluss einer erhöhten Biomasseproduktion auf die
Nachhaltigkeitsparameter landwirtschaftlicher Betriebe. In: Kuratorium für Technik und
3.4 Literatur 201
Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL) (Hrsg.) Ökologische und ökonomische Bewer-
tung nachwachsender Energieträger. KTBL-Schrift 468, KTBL-Tagung vom 8.–9. September
2008 in Aschaffenburg, Darmstadt (2008)
Broggi, M.F.: Kämpft der Naturschutz mit der Akzeptanz? Schriftenreihe des Deutschen Rates für
Landespflege 74, 72–74 (2002)
Buchholz, T., Rametsteiner, E., Volk, T.A., Luzardis, V.A.: Multi-criteria analysis for bioenergy
systems assessments. Energ Policy 37 (2), 484–495 (2009)
Buer, J. van, Squarra, D.: Kontrollüberzeugungen und Lehrerwahrnehmungen von Beruf und
Unterricht. ZfPäd 44, 2, 273–293 (1998)
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Umweltpolitik. Agenda
21. Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de
Janeiro. Berlin (1997)
Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung: Bildung für eine
nachhaltige Entwicklung – Orientierungsrahmen. Materialien zur Bildungsplanung und zur
Forschungsförderung, 69 (1998)
Caspar, S., Kirchmann, A., Seibold, B., Stieler, S.: „Beruf UND Familie“ – wie gestalten wir das
UND? http://www.landesstiftung-bw.de/publikationen/files/sr-12_leitfaden_beruf_u_familie.
pdf (2005). Zugegriffen: 23. August 2010
Chavis, D.M., Wandersman, A.: Sense of community in the urban environment: A catalyst for par-
ticipation and community development. Am J Community Psychol 18, 55–81 (1990)
CSD (Commission for Sustainable Development): Indicators for Sustainable Development.
Framework and Methodology. http://www.un.org/esa/sustdev/isd.htm (1996). Zugegriffen:
14. Juni 2011
Dam, J. van, Junginger, M., Faaji, A., Jürgens, I., Best, G., Fritsche, U.: Overview of recent devel-
opments in sustainable biomass certification. Biomass Bioenerg 32, 8, 749–780 (2006)
Deutscher Bundestag (Hrsg.): Konzept Nachhaltigkeit. Vom Leitbild zur Umsetzung. Endbericht
der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des 13. Deutschen Bunde-
stages. Drucksache 13/11200. Bonn (1998)
Deutscher Rat für Landespflege: Die verschleppte Nachhaltigkeit: frühe Forderungen – aktuelle
Akzeptanz. Schriftenreihe des Deutschen Rates für Landespflege 74, 5–28 (2002)
Dion, K.L.: Group cohesion: From „field of forces“ to multidimensional construct. Group Dynam-
ics: Theory, Research, and Practice 4 (1), 7–26 (2000)
Dörner, D.: Die Logik des Misslingens – Strategisches Denken in komplexen Situationen. Row-
ohlt, Hamburg (2003)
Eigner, S.: The life goal of „protecting the environment“ and well-being. In: Schmuck, P., Shel-
don, K. (Eds.) Life Goals and Well-Being: Towards a Positive Psychology of Human Striving.
Hogrefe, Göttingen (2001)
Eigner-Thiel, S.: Kollektives Engagement für die Nutzung erneuerbarer Energieträger – Motive,
Mobilisierung und Auswirkungen am Beispiel des Aktionsforschungsprojektes „Das Bioener-
giedorf“. Kovac, Hamburg (2005)
Eigner-Thiel, S.: Mobilisierungs- und Kommunikationsstrategien für Bewohner von potenziel-
len Bioenergiedörfern. Institut für Bioenergiedörfer Göttingen e. V., Schriftenreihe „Fortschritt
neu denken“ 3 (2011)
Eigner-Thiel, S., Schmehl, M., Ibendorf, J., Geldermann, J.: Assessment of different bioenergy
concepts regarding sustainable Development. In: Ruppert, H., Kappas, M.: Sustainable Bio-
energy Production – An Integrated Approach (Chapter 3). Springer, Berlin (in Vorbereitung)
Eigner-Thiel, S., Schmuck, P.: Gemeinschaftliches Engagement für das Bioenergiedorf Jühnde:
Ergebnisse einer Längsschnittstudie zu psychologischen Auswirkungen auf die Dorfbev-
ölkerung. UMPS 14 (2), 27, 98–120 (2010)
Einfeldt, D.: Auf gute Nachbarschaft: Weniger Lärm und Geruch schafft mehr Akzeptanz. www.
biogas-infoboard.de/pdf/Einfeldt_AH_v3.pdf (2011). Zugegriffen: 19. Juni 2011
Eisenführ, F., Weber, M.: Rationales Entscheiden. Springer, Berlin (2003)
Endruweit, G., Trommsdorff, G.: Wörterbuch der Soziologie. Lucius & Lucius, Stuttgart (1989).
202 3 Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen
Fachverband Biogas e. V.: Hohe Akzeptanz von Energiepflanzen durch Blühstreifen. Wettbewerb
um die meisten, schönsten und artenreichsten Blühstreifen in Deutschland. http://www.farbe-
ins-feld.de/Wettbewerb-der-Regionen-und-Biogasanlagenbetreiber/460/ (2010). Zugegriffen:
30. Juni 2011
Festinger, L.: A theory of social comparison. Hum Relat 7, 117–40 (1954)
Festinger, L.: A Theory of Cognitive Dissonance. Stanford University Press, Stanford (1957)
Fritsche, U.R., Hennenberg, K.J., Hermann, A., Hünecke, K., Herrera, R., Fehrenbach, H., Roth,
E., Hennecke, A., Giegrich, J.: Entwicklung von Strategien und Nachhaltigkeitsstandards zur
Zertifizierung von Biomasse für den internationalen Handel, UBA-Texte 48/2010, Zusammen-
fassender Endbericht (2010)
Fritsche, U.R., Hünecke, K., Hermann, A., Schulze, F., Wiegmann, K.: Sustainability Standards
for Bioenergy. WWF, Berlin (2006)
Fuß, D., Boehnke, K.: „Tu was, dann geht’s dir besser“. Auswirkungen von Umweltengagement
auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen. Psychomed 10 (3), 138–145 (1998)
Gamba, L.: Erste Modellentwicklung zur nachhaltigen Nutzung von Biomasse. Unveröffentlichte
Dissertation an der Technischen Universität Berlin (2008)
Geldermann, J.: Mehrzielentscheidungen in der industriellen Produktion. Habilitationsschrift,
Universitätsverlag, Karlsruhe (2006)
Geldermann, J., Jahn, C., Spengler, T., Rentz, O.: Proposal for an integrated approach for the
assessment of cross-media aspects relevant for the determination of „Best Available Tech-
niques“ BAT in the European Union. Int J LCA 4 (2), 94–106 (1999)
Geldermann, J., Ludwig, J.: Some thoughts on weighting in participatory decision making and
e-democracy. Int J Tech Pol and Manag 7 (2), 178–189 (2007)
Geldermann, J., Rentz, O.: Multi-criteria analysis for the assessment of environmentally relevant
installations. J Ind Ecol 9 (3), 127–142 (2005)Geldermann, J., Schöbel, A.: On the similarities
of some multi criteria decision analysis methods. JMCDA (published online in wileyonlineli-
brary.com, DOI: 10.1002/mcda.468) (2011)
Gehrlein, U.: Nachhaltigkeitsindikatoren zur Steuerung kommunaler Entwicklung. Verlag für
Sozialwissenschaften, Wiesbaden (2004)
Girschner, W., Girschner-Woldt, I.: Diaphane Planung als Modell nachhaltigkeitsorientierter
Planungspraxis. In: Krauß, E.J.,Müller, M., Münchmeier, R. (Hrsg.) Soziale Arbeit zwischen
Ökonomisierung und Selbstbestimmung. University Press, Kassel (2007)
Goodland, R.: Sustainability: Human, social, economic and environmental. In: Munn, T. (Ed.)
Encyclopedia of Global Environmental Change, S. 489–491, Wiley, New York (2002)
Gottlieb, B.H.: Social Support Strategies. Sage, Beverly Hills (1983)
Guski, R.: Wahrnehmung. Eine Einführung in die Psychologie der menschlichen Information-
saufnahme. Kohlhammer, Stuttgart (2000)
Hämäläinen, R.P., Mustajoki, J., Marttunen, M.: Web-based decision support: Creating a culture
of applying multi-criteria decision analysis and web supported participation in environmen-
tal decision making. In: Rios-Insua, D., French, S. (Eds.) e-Democracy: A Group Decision
and Negotiation Perspective. Advances in Group Decision and Negotiation 5, S. 201–221,
Springer, Dordrecht (2010)
Haan, G. de, Harenberg, D.: Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Gutachten zum Programm.
Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK), Bonn
(1999)
Hauff, M. v., Kleine, A.: Nachhaltigkeit in 3D – Plädoyer für drei Nachhaltigkeitsdimensionen.
GAIA, 18/1, 29–31 (2009)
Heinrichs, H.: Kultur-Evolution: Partizipation und Nachhaltigkeit. In: Michelsen, G., Godemann,
J. (Hrsg.) Handbuch Nachhaltigkeitskommunikation. Grundlagen und Praxis, S. 709–720.
Oekom, München (2005)
Henry, K.B., Arrow, H., Carini, B.: A tripartite model of group identification: Theory and measure-
ment. SGR 30 (5), 555–581 (1999)
Hoffmann, D.: Regionale Wertschöpfung durch optimierte Nutzung endogener Biomassepotenzi-
ale. Unveröffentlichte Dissertation an der Universität des Saarlandes (2007)
3.4 Literatur 203
Matthias Grotsch
Je nach Größe einer Biogasanlage (BGA) werden große Mengen an Substrat für
eine Laufzeit von z. T. über 20 Jahren konstant benötigt. Die Wirtschaftlichkeit der
Anlage hängt zu großen Teilen von den Kosten der Substratversorgung und der
nachgelagerten Gärrestausbringung ab. Langfristige Verträge und ein geschickter
Substratmix können hier zur Optimierung der Substratkosten führen. Die dauer-
hafte, preislich belastbare Sicherstellung der Substratversorgung sollte oberste
Priorität und Vorrang vor einer „maximalen Chancenerzeugung/Spekulation“ beim
Preisgefüge haben.
Bei Biogasanlagen, die nachwachsende Rohstoffe (NawaRo) einsetzen, sieht
das EEG neben der festen Einspeisevergütung zusätzlich einen NawaRo-Bonus (ab
EEG 2012 im Prinzip Vergütungsklasse I) je erzeugter kWh Strom vor. Dadurch
wird die Nutzung von Energiepflanzen als Substrat profitabel. Die wohl bekannteste
und mittlerweile meist diskutierte Energiepflanze ist der Mais. Daneben werden
unter anderem auch Zuckerrüben, Grassilage oder Ganzpflanzensilage (GPS) als
Substrate eingesetzt. Viele weitere Pflanzen befinden sich in der Entwicklung oder
Erprobung. Neben den nachwachsenden Rohstoffen wird auf Milchvieh- oder Ver-
edelungsbetrieben regelmäßig auch die anfallende Gülle bei der Gasproduktion mit
verwendet.
Bei der Strukturierung des Biomasseangebotes sind auch aus kaufmännischer
Sicht diverse Punkte zu beachten. Die hier aufgeführte Reihenfolge stellt dabei
keine Rangfolge dar, vielmehr greifen alle Sachverhalte mehr oder weniger stark
ineinander über.
4.1.1 Substrat-Auswahl
Dies verdeutlicht sehr eindringlich, dass sorgfältig zu prüfen ist, ob die vor-
gesehenen Co-Substrate die eventuell bestehenden Boni-Ansprüche nicht
gefährden, damit aus einer „einmaligen Gelegenheit“ für günstiges Substrat kein
wirtschaftliches Desaster wird. Ein dauerhafter Verlust z. B. des NawaRo-Bonus
sollte unter allen Umständen vermieden werden.
Da in den meisten Fällen nicht alles benötigte Substrat auf eigenen Flächen ange-
baut wird, müssen die fehlenden Mengen in möglichst guter Qualität regelmäßig
von anderen Betrieben zugekauft werden. Hier gibt es grundsätzlich zwei Vor-
gehensweisen. Zum einen ist es möglich, die fehlenden Mengen kurzfristig mit
bis zu einem Jahr Vorlaufzeit sicher zu stellen. Auf der anderen Seite kann man
anstreben, die Lücken mit langfristigen Lieferverträgen zu schließen.
In vielen Fällen müssen dabei nicht nur kleinere Mengen, sondern erhebliche
Teile des Substrates zugekauft werden, daher kommt den Lieferverträgen eindeutig
eine Schlüsselposition bei der Wirtschaftlichkeit der gesamten BGA zu. Hier sind
also genaue Überlegungen und sorgfältige Verhandlungen obligatorisch.
Grundsätzlich sind mittel- und langfristige Lieferverträge für beide Seiten
interessant, damit auch der Lieferant in Zeiten sich schnell ändernder Preise für
Agrarerzeugnisse eine sichere Kalkulationsgrundlage hat. Nur sofern sich beide
Vertragsparteien darüber im Klaren sind, dass durch die Lieferverträge eine
gegenseitige Abhängigkeit besteht und Bedingungen geschaffen werden, die die
Interessen beider Parteien berücksichtigen, wird eine langfristige Zusammenarbeit
möglich sein.
Juristisch regelt der Liefervertrag nach BGB die Rechtsbeziehungen zwischen
dem Anlagenbetreiber und dem Lieferanten von Substraten (meistens Land-
wirte aus der Region). Bei der Formulierung der Lieferverträge müssen oftmals
Besonderheiten berücksichtigt werden, so dass Standardverträge nicht immer
brauchbar sind. Es macht oft einen deutlichen Unterschied, ob der Landwirt Mit-
eigentümer und/oder auch Anlagenführer oder „nur“ Substratlieferant ist. Je höher
das Interesse des Substratlieferanten ist, dass die BGA wirtschaftlich erfolgreich
betrieben werden kann, um so eher wird man sich auf für die BGA auskömmliche
Vertragskonditionen einigen.
Der Liefervertrag selbst sollte so präzise wie möglich formuliert sein, um
Unklarheiten und spätere Streitereien zu vermeiden. Neben der Art des Substrates
wird man hier auch dezidiert auf Mengen bzw. Tonnage (m³ bzw. t) sowie auf die
Qualität des Rohstoffes (Trockensubstanz, Schnittlänge, Fremdstoffe etc.) eingehen.
Da Ernten naturgemäß nicht genau im Voraus zu berechnen sind, sollten bei
Menge und Qualität auch gewisse Korridore bzw. Schwankungsbreiten vorgesehen
werden (mehr und minder). Sollten die vorgegebenen Korridore unterschritten bzw.
überschritten werden, ist im Vorwege festzulegen, wie dann das weitere Prozedere
aussieht. Denkbar sind Vertragsstrafen, Ersatzlieferungen oder einfach nur eine
rechtzeitige Meldepflicht etc.
Sofern das Risiko beim BGA-Betreiber liegt, sollte jedoch sichergestellt sein,
dass er genug Zeit hat, Ersatzlieferungen zu beschaffen bzw. Übermengen (sofern
er sie denn abnimmt oder abnehmen muss) zu veräußern.
Alternativ können auch Anbauflächen vereinbart werden. Ob hier dann zusätzlich
Mengen- und Qualitätsgrenzen mit vereinbart werden, bleibt der individuellen
Gestaltung überlassen. Ein zu enges Korsett wird aber nicht zu einer beidseitig
dauerhaften, befriedigenden Zusammenarbeit führen.
210 4 Technische Aspekte
4.1.2.1 Laufzeiten
Die Laufzeiten der Lieferverträge werden häufig Kompromisse sein. Der Anlagen-
betreiber wird versuchen, eine möglichst lange Laufzeit mit festgesetzten Preisen
bzw. Preisstaffeln zu vereinbaren, um Planungssicherheit zu erlangen (z. T. auch
Auflage der finanzierenden Bank (s. Abschn. 4.1.2.2).
Der Lieferant bzw. Landwirt wird – zumindest was die Preisgestaltung angeht –
eher kürzere Laufzeiten favorisieren, um auf Preisentwicklungen besser reagieren
zu können. Dies gilt insbesondere in Zeiten schlechter Ernten und steigender Sub-
stratpreise, in denen sich das verfügbare Substrat am Markt noch weiter verteuert.
In der Praxis variieren die Laufzeiten von Lieferverträgen daher erheblich. Als
Kompromiss sind Lieferverträge mit einer Laufzeit von 5 Jahren häufig anzutreffen.
bis „alles nach Lieferung“ verhandelt werden. Üblichere Varianten sind aber, dass
entweder nach Lieferung gezahlt wird oder Abschlagszahlungen geleistet werden.
Abschlagszahlungen erscheinen durchaus sinnvoll zu sein, da der Landwirt
bis zur Ernte erhebliche Vorlaufkosten hat (Bodenbearbeitung, Saatgut, Dünger,
Pflanzenschutz etc.). Ein Liquiditätsengpass beim Anbauer mit eventuell daraus
resultierenden Störungen in seinem Betriebsablauf würde vermutlich auch für den
BGA-Betreiber negative Folgen haben.
Zu guter Letzt sollte auch noch ein Blick auf die Lieferbedingungen erfolgen.
Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie aufgrund der eventuell zu berücksichtigenden
Transportkosten regelmäßig einen erheblichen Einfluss auf die Preisgestaltung
haben. Einige mögliche Varianten sind:
• Ab Halm (Eigentumsübergang ab Feld, Abnehmer trägt Kosten für Häckseln,
Transport zum Silo, Einsilieren, Verdichten, Abdecken, Silierverluste, Transport
zum Einfülltrichter)
• Frei Siloplatte (Eigentumsübergang ab Silo, Abnehmer trägt Kosten für Ein-
silieren, Verdichten, Abdecken, Silierverluste, Transport zum Einfülltrichter)
• Frei Eintrag (Eigentumsübergang ab Eintrag, Abnehmer trägt Kosten für den
Transport zum Einfülltrichter)
4.1.3 Substrat-Logistik
4.1.3.1 Anbaulogistik
Bei der Planung einer BGA spielen logistische Fragestellungen aufgrund der erheb-
lichen Stoffströme eine große Rolle. Neben der Betrachtung der Transportwege
gehört auch die sorgfältige Planung des Substratanbaus dazu.
Um die Substratversorgung einer BGA sicher zu stellen, werden regelmäßig
nicht unerhebliche Flächen benötigt. Ob der Betreiber selbst Flächen bewirtschaftet
oder Landwirte nur als Lieferanten auftreten: Die Entscheidung, welche Flächen
letztlich zum Anbau des Substrates dienen sollen, ist wichtig.
Wie bereits erwähnt, spielt neben der Länge der Transportwege zu und von den
Flächen auch die Bodenqualität eine wichtige Rolle, denn die Erträge pro ha haben
4.1 Strukturierung des Biomasseangebots 213
einen großen Einfluss auf den Substratpreis. Trotz geringer Bodenqualität ist der
Aufwand der Flächenbewirtschaftung nicht geringer als auf besseren Böden. Für die
Gewinnung einer bestimmten Menge Substrat werden bei geringer Bodenqualität
daher mehr Flächen benötigt, die eventuell gepachtet und bearbeitet werden müssen.
All das sorgt für höhere Kosten.
Bei der Flächenplanung ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass auf den zunächst
ausgewählten Flächen nicht ständig die gleichen Feldfrüchte angebaut werden
sollten/können. Eine vorausschauende Fruchtfolgeplanung ist daher sinnvoll, auch
um sicher zu stellen, dass langfristig genug Flächen für den Substratanbau zur Ver-
fügung stehen. Weiterhin ist es sinnvoll, auf den eigenen Flächen und nach eigenem
Bedarf abgestimmte Sorten von Substratpflanzen anzubauen. Beim Mais gibt es
inzwischen eine Vielzahl von Sorten mit spezifischen Eigenschaften, so dass durch
die Einbindung eines Anbauberaters Probleme im Vorwege minimierbar sind. Hier
kann man dann mit dessen Hilfe die Sorten wählen, die den eigenen Anforderungen
beim Preis-Leistungs-Verhältnis gerecht werden. An eine rechtzeitige Bestellung
einer ausreichenden Menge des Saatgutes sollte ebenfalls gedacht werden, so banal
das klingen mag.
Ebenso gehören eine Personalplanung und die rechtzeitige Vorbereitung des
Maschinenparks zu einem erfolgreichen und möglichst reibungslosen Anbau der
Substratpflanzen. Besonders die Wartung der Maschinen rechtzeitig vor Anbau-
beginn kann eine entscheidende Komponente sein, da in der Hochsaison oftmals mit
Wartezeiten zu rechnen ist, bis entsprechende Mechaniker zur Verfügung stehen.
214 4 Technische Aspekte
4.1.3.2 Erntelogistik
Die Herausforderung bei der Koordination der Erntelogistik besteht darin, dass
oftmals innerhalb kürzester Zeit große Mengen geerntet, gehäckselt, trans-
portiert und eingelagert werden müssen, um ein optimales Ertragsergebnis mit
einer Minimierung von Silier- und Lagerverlusten zu erzielen. Die z. T. extremen
Wetterbedingungen machen es dabei schwer, den Erntetermin frühzeitig fest-
zulegen. Umso wichtiger ist es, dass analog zu den Anbauvorbereitungen alle
Maschinen möglichst rechtzeitig voll einsatzbereit sind. Hier ist eine etwas frühere
Wartung zur Vermeidung von Maschinenausfällen sehr wahrscheinlich profitabler,
als die Wartung nach hinten zu schieben und in der kritischen Phase mit defektem
Gerät Ausfallzeiten hinnehmen zu müssen.
Bei der Planung der Transportkette vom Halm bis zur Silage ist es oftmals die
Geschwindigkeit der zur Verfügung stehenden Häcksler, die aufzeigt, wie viel
Masse in welcher Zeit abtransportiert und verarbeitet werden muss, um Stillstand-
zeiten des Häckslers zu vermeiden. Hier müssen dann Länge der Transportwege,
Ladekapazitäten und auch die Geschwindigkeit der Transportfahrzeuge mit ein-
bezogen werden (Handler et al. 2011). Sofern die Entfernungen zur BGA jedoch zu
groß werden, ist es unter Umständen sinnvoll, auch Wartezeiten beim Häckseln hin-
zunehmen, anstatt eine Vielzahl von Transportfahrzeugen einzusetzen. Sollte eine
große Zahl von Transportfahrzeugen eingesetzt werden, fallen viele Wartezeiten
an, sobald der Häcksler zum Tanken oder zum Verlegen auf andere Schläge unter-
brechen muss. Es ist damit zu rechnen, dass der Häcksler keine konstanten Mengen
produziert. Kleine Schläge oder nicht optimale bzw. wechselnde Bodenbedingungen
sorgen z. T. dafür, dass der Massestrom abnimmt. Welche Art von Maschinen zum
Einsatz kommt, hängt oft wesentlich davon ab, welches Budget für den Kauf oder
die Miete zur Verfügung steht.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass eine optimale Abstimmung der Ernte-
maschinen in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit Kosten vermeiden hilft. Aufgrund
der Vielzahl der Einflussfaktoren und der Tatsache, dass normalerweise nicht
immer die optimalen Maschinen zur Verfügung stehen, wird man das theoretische,
optimale Kosten-Nutzen-Verhältnis aber nie ganz erreichen.
4.1.3.3 Substrat-Einlagerung
Die Tendenz zu größer werdenden BGAs und die zunehmende Zahl von BGAs
sorgen für immer mehr Anbauflächen für Energiepflanzen. Diese erfordern eine
höhere Häckslerleistung, mehr Transportmittel und größere Silos bzw. mehr Lager-
kapazitäten. Die Lagerung an sich ist dabei ein Schlüsselelement: es ist die best-
mögliche Methode in Bezug auf Qualitätserhaltung anzustreben.
Nicht nur aus technischer Sicht ist die richtige Substratlagerung wichtig,
sondern auch wirtschaftlich betrachtet kann die Substrateinlagerung deutlichen Ein-
fluss auf die BGA haben. Neben den Transportwegen sind hier besonders die Art
und die Technik der Einlagerung zu beachten. Substrate werden dabei z. T. ganz
unterschiedlich behandelt und gelagert. Bereits bei der Wahl des Lagerplatzes gibt
es verschiedene Konzepte.
4.1 Strukturierung des Biomasseangebots 215
Üblich ist die zentrale Lagerung direkt auf dem Gelände der BGA. Aber auch
dezentrale Lösungen zur Lagerung des Substrates sind möglich. Der klare Vorteil
der zentralen Lagerung vor Ort ist der in der Regel deutlich geringere logistische
Aufwand während des regulären Betriebes der BGA. Zwischen den Ernten wird
üblicherweise nur ein Teleskoplader benötigt, um das Substrat von der Silageplatte
zum Einfüllbehälter zu fahren. Größeres Gerät ist meist nicht von Nöten. Daneben
hat das Substrat vor Ort oft eine sehr konstante Silagequalität, was die Steuerung
des biologischen Prozesses vereinfacht. Da die Silage vor Ort nicht noch einmal
zwischengelagert werden muss, bevor sie in den Fermenter eingebracht wird, sind
bei ansonsten gleicher Lagerung auch die Silierverluste etwas geringer als bei
dezentraler Lagerung. Allerdings sind bei der zentralen Lagerung zunächst höhere
Investitionskosten erforderlich, da zum einen mehr Fläche benötigt wird, um die
Siloplatten und eventuell Seitenwände (verringern Silierverluste) zu erstellen. Zum
anderen sind auch das Herrichten der Fläche und der Bau der Siloplatten etc. zu
berücksichtigen. Im Betrieb ist es ebenfalls wahrscheinlich, dass zumindest nach
einigen Jahren Reparaturbedarf bei der Siloanlage entsteht.
Bei der dezentralen Lagerung befindet sich die Silage nicht bei der BGA, sondern
sie wird ausgelagert, eventuell sogar an verschiedenen Plätzen (in der näheren
Umgebung). Diese Lösung bietet sich an, wenn in unmittelbarer Nähe bereits eine
BGA oder andere Betriebe mit entsprechenden Lagerkapazitäten für einen „Jahres-
vorrat“ der benötigten Silage vorhanden sind. Die Silage wird dann in kürzeren
Abständen bzw. kontinuierlich in kleineren Mengen zur BGA geliefert. Zwar spart
man bei den Investitionskosten Fläche und Siloanlage, dafür ist der logistische Auf-
wand aber dauerhaft relativ hoch. Obwohl im optimalen Fall die liefernden Lastzüge
gleich den Gärrest abfahren und somit Leerfahrten vermieden werden, ist der Per-
sonalaufwand höher als bei zentraler Lagerung. Sofern bei der BGA ohnehin kein
Platz für eine Siloanlage zur Verfügung steht, ist die dezentrale Lagerung, sofern sie
sich wirtschaftlich durchführen lässt, obligatorisch.
Sollte die Möglichkeit bestehen, zwischen zentraler und dezentraler Lagerung zu
wählen, sollte man neben der Zusammenstellung aller Kosten auch Silagequalität
und gesicherte Verfügbarkeit in die Überlegungen mit einbeziehen. Darüber
hinaus ist das höhere Verkehrsaufkommen bei dezentraler Lagerung bezüglich der
Akzeptanz der BGA bei der örtlichen Bevölkerung ein nicht zu unterschätzender
Nachteil.
Bei der Einlagerungstechnik gibt es ebenfalls Unterschiede. Energierüben z. B.
können während der kalten Jahreszeit als ganze Frucht in der Miete lagern, sie
können gewaschen und grob gehäckselt in einer Lagune oder in Schläuchen mit
Erde abgedeckten siliert oder zu Mus verarbeitet und dann in Tanks siliert werden
(Hartung 2011). Alle vier beispielhaft genannten Verfahren haben Vor- und Nach-
teile, die individuell auf das jeweilige Anlagenkonzept passen können/müssen.
Die vier hier erwähnten Verfahren werden in der genannten Reihenfolge
anspruchsvoller und teurer, jedoch verbessert sich damit die Lagerfähigkeit zuneh-
mend. Weiterhin nehmen die „Energie“-Verluste des Substrates während der
Lagerung bei den anspruchsvolleren Verfahren zunehmend ab. Ob der Einsatz der
teureren Verfahren wirtschaftlich sinnvoll ist, hängt sehr vom Anlagenkonzept bzw.
216 4 Technische Aspekte
den Gegebenheiten vor Ort und auch von genehmigungsrechtlichen Faktoren ab.
So scheidet z. B. die Lagune als Lösung sehr schnell aus, wenn sich Anwohner
über den Geruch beschweren, oder der Abwasserzweckverband bzw. die Umwelt-
behörde das Grundwasser etc. durch die offene Lagerung gefährdet sehen.
Fragen, die Einfluss auf die Menge und die Lagerung der zu verwendenden
Rüben haben, sind z. B.:
• Gibt das Anlagenkonzept vor, dass die Rüben nur als Nebensubstrat in der Ernte-
zeit bzw. der kalten Jahreszeit von Oktober bis Februar/März zugemischt werden
können?
• Soll die Rübe in der kalten Jahreszeit Hauptsubstrat sein, weil sie lokal zu güns-
tigen Konditionen zu bekommen ist?
• Soll die Rübe aufgrund ihres schnellen Ansprechverhaltens im Fermenter nur zur
Aussteuerung von Bedarfsspitzen genutzt werden?
• Soll die Rübe sogar ganzjährig in kleineren oder größeren Mengen eingesetzt
werden (bis hin zur Monovergärung)?
Mais hingegen wird klassischer Weise in gehäckselter und gepresster Form
als Ganzpflanzensilage gelagert. Obwohl es bei der Lagerung nicht so große
Unterschiede wie z. B. bei der vorgenannten Energierübe gibt, kann sie auch hier
großen Einfluss auf die Qualität und damit auf die Wirtschaftlichkeit der Anlage
haben. Zu fragen ist unter anderem:
• Wie ist die Beschaffenheit der Bodenplatte?
• Liegt die Silage nur als Haufen vor oder gibt es Wände zur Verringerung der
Silierverluste (Rück- und oder Seitenwände)?
• Wurde die Silage hinreichend verdichtet?
• Welche Qualität hat das Abdeckmaterial und wie schnell wurde abgedeckt?
4.1.3.4 Gärrest-Management
Bei dem Betrieb einer BGA fallen erhebliche Mengen Gärrest konstant über das
Jahr an. Überschlägig ist bei einer BGA auf z. B. Rohstoffbasis Mais mit ca. 80 %
der Menge, die als Frischmasse eingebracht wird, als Gärrest zu rechnen. Bei
10.000 t FM sind also der Verbleib und Transport für ca. 8.000 t Gärrest zu regeln.
Idealer Weise ist bereits in den Lieferverträgen geregelt, dass der Sub-
stratlieferant entsprechende Mengen Gärrest zurücknehmen und auf den eigenen
Flächen wieder ausbringen muss. Ohne weitere Behandlung des Gärrestes geht das
aber nur bei Gülle- und NawaRo-Anlagen. Anlagen, die auch Schlachtabfälle o. Ä.
verarbeiten, müssen den Gärrest gemäß der Bioabfallverordnung (BioAbfV) und
der EG-Hygieneverordnung als Biomüll behandeln und entsprechende abfallrecht-
liche Vorschriften erfüllen (Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft 2010).
Sofern möglich, sollte auch vereinbart werden, wann der Gärrest zurück
genommen werden muss und wer die Transport- und Ausbringungskosten trägt usw.
Daneben wird der BGA-Betreiber in der Zeit, in der das Ausbringen von Gärrest auf
Freiflächen verboten ist, für entsprechende Lagerkapazitäten sorgen müssen. Diese
oft als „Endlager“ bezeichneten Behälter sind demnach eher „Zwischenlager“.
Sie sind deshalb ausreichend groß zu dimensionieren, da in Deutschland Sperr-
fristen bezüglich der Gärrestausbringung zu beachten sind. Die Ausbringung von
4.1 Strukturierung des Biomasseangebots 217
Gärrest auf Ackerland ist vom 1. November bis zum 31. Januar, die Ausbringung
auf Grünland vom 15. November bis zum 31. Januar nicht erlaubt. Grundsätzlich
gilt zusätzlich, dass der Boden aufnahmefähig sein muss, d. h. nicht tiefgefroren,
schneebedeckt oder wassergesättigt. In Schutzgebieten können außerdem weitere
einschränkende Vorschriften zu beachten sein. Es kommt durchaus häufiger vor,
dass die Ausbringung noch länger als bis zum 31.01. unterbrochen werden muss.
Daher ist es empfehlenswert, für bis zu sechs Monate oder länger Lagerkapazitäten
für den Gärrest vorzuhalten.
Zusätzlich ist zu regeln, wer die notwendigen Untersuchungen des Gärrestes ver-
anlasst und bezahlt (inkl. notwendiger Dokumente nach Düngeverordnung für die
Düngebilanz).
Wichtig ist, dass der Gärrest wie auch die Gülle aus der Tierhaltung wertvolle
Nährstoffe enthält (z. B. Stickstoff), die man durch Ausbringen auf den für den Sub-
stratanbau genutzten Flächen in den Stoffkreislauf zurückgibt. Die Nährstoffe, die
so wieder auf die Flächen zurückkommen, müssen nicht teuer über anderen Dünger
zugekauft werden, sofern der Gärrest zum richtigen Zeitpunkt (z. B. im Frühjahr)
ausgebracht wird.
Auch die Klimabilanz kann durch den Einsatz von Gärrest anstatt von
Mineraldünger verbessert werden.
Der Gärrest sollte dann mit leistungsfähigen Systemen ausgebracht werden. Fester
Gärrest wird dabei mit Miststreuern verteilt, flüssiger Gärrest mit Güllefässern. Die
Verwendung von Tellerstreuern ist bei flüssigem Gärrest nicht ideal, weil durch die
Verwirbelung mit der Luft Nährstoffe verloren gehen und die Geruchsbelästigung
steigt. Besser sind Schleppschlauch, Schleppschuh oder sogar Injektoren. Eine wei-
tere Möglichkeit ist, den Gärrest mit Hilfe der Abwärme der BHKWs (Verstromung
vor Ort vorausgesetzt) zu trocknen und dann erst auf den landwirtschaftlichen
Flächen auszubringen. Dadurch wird die Transportwürdigkeit erhöht bzw. weiter
entfernt gelegene Flächen können zur Gärrestausbringung noch genutzt werden,
bevor die Transportkosten zu hoch werden. Durch die Abwärmenutzung erhöht sich
zudem die EEG-Vergütung durch Gewährung des KWK-Bonus (EEG 2009 und
früher). Mit dem EEG 2012 ist für neue Anlagen ab dem zweiten Betriebsjahr die
Nutzung von mindestens 60 % der Abwärme Pflicht, sofern man nicht erhebliche
Einschnitte bei der Grundvergütung hinnehmen will.
Ebenfalls ist die Trocknung und anschließende Verwendung des Gärrestes
als Brennstoff denkbar, wobei aber die enthaltenen Schwefel- und Stickstoffver-
bindungen die Kesselanlagen stark belasten und zu hohen Emissionen führen
(Wetter 2006). Werden sehr wasserarme Substrate wie z. B. Getreide eingesetzt,
kann die flüssige Phase aus dem Gärrest auch separiert und zum Anmaischen des
Substrates verwendet werden. Der verbleibende, festere Gärrest hat dann ebenfalls
eine höhere Transportwürdigkeit.
Abschließend ist positiv hervorzuheben, dass, sofern Gülle als Substrat mit ver-
wendet wird, die sonst üblichen Methanemissionen bei der Lagerung der Gülle ver-
ringert werden. Bei der Ausbringung ist daneben eine gegenüber unbehandelter Gülle
deutlich geringere Geruchsemmission zu erwarten, weil im Fermentationsprozess
218 4 Technische Aspekte
In den letzten Jahren hat die Anzahl der BGAs in Deutschland stark zugenommen.
Zum einen bietet das EEG Anreize über eine stabile Vergütungsstruktur, zum
anderen wollen sich immer mehr Landwirte neben ihrem originären Betrieb eine
weitere Möglichkeit schaffen, die Existenz des Hofes längerfristig zu sichern.
Einhergehend damit wurde der Energiepflanzenanbau – und hier im Besonderen
der Maisanbau – entsprechend ausgebaut. Dabei kommt es lokal zunehmend zur
Ballung von BGAs, so dass durch den damit verbundenen schwerpunktmäßigen
Anbau von Mais der Ausdruck der „Vermaisung der Landschaft“ immer häufiger zu
hören ist. Auch wird den BGA-Betreibern vorgeworfen, Flächen für den Anbau der
Energiepflanzen zu nutzen, die ursprünglich der Nahrungsmittelproduktion dienten.
Hierin sehen einige gern die Ursache dafür, dass die Lebensmittelpreise steigen
oder in anderen Teilen der Welt Hunger herrscht.
Darüber hinaus werden von BGA-Betreibern oftmals Flächen zur Produktion
der benötigten Energiepflanzen hinzu gepachtet. Die gebotenen Pachtpreise liegen
hierbei aufgrund der längeren Wertschöpfungskette nicht selten deutlich über den
sonst üblichen Pachtpreisen für landwirtschaftliche Nutzflächen, so dass andere
Landwirte, die ebenfalls Interesse an den Pachtflächen haben, nicht mehr zum Zuge
kommen. Daraus entsteht der Vorwurf, dass die BGA-Betreiber den anderen Land-
wirten die Flächen „wegnehmen“.
Abfälle aus der Atomindustrie haben noch längere Halbwertzeiten und aggressi-
vere Strahlung. Eine beachtliche Gefahrenquelle also, von der niemand ernsthaft
behaupten kann, dass sie kontrollierbar ist.
Für die Gewinnung von regenerativen Energien werden bis auf Ausnahmen
große Flächen benötigt. In Deutschland ist das Gebiet der regenerativen Ener-
giequellen hauptsächlich durch Wasserkraftwerke, Windkraft, Solarenergie und
Biogas besetzt. Gezeitenkraftwerke und Geothermie spielen hier eher eine unterge-
ordnete Rolle und stecken z. T. auch noch im Anfangsstadium der Entwicklung
(BMU 2011). (s. Abb. 4.2)
Wasserkraftwerke sind grundsätzlich grundlastfähig, jedoch sind die möglichen
Standorte in Deutschland auf eine überschaubare Anzahl von Regionen begrenzt.
Windkraftanlagen sind inzwischen sehr hoch und daher weit sichtbar. Trotz der
Bemühungen der Ingenieure verursachen die Rotoren nicht unerheblichen Lärm.
Um namhafte Energiemengen zu gewinnen, sind große Parks notwendig. Solarzellen
haben zurzeit noch eine eher dürftige Effizienz und es sind ebenfalls große Flächen
notwendig, sowie möglichst sonnenreiche Standorte. Solar- und Windenergie haben
darüber hinaus das Problem, dass sie grundsätzlich nicht grundlastfähig sind. Leis-
tungsfähige und bezahlbare Speichertechniken sind zurzeit noch nicht vorhanden.
Biogas ist aufgrund des Zeit und Wetter unabhängigen biologischen Prozesses
grundlastfähig. Zur Erzeugung der benötigten Energiepflanzen werden sehr große
landwirtschaftliche Flächen benötigt, so dass auch hier das Potenzial endlich ist.
Inzwischen gibt es einen breiten Konsens, dass nur ein intelligenter Mix der ver-
schiedenen Energieträger und eine internationale Vernetzung der Energiesysteme,
sowie ein möglichst effizienter und überlegter Einsatz der Energie langfristig zum
Ziel führen können. Eine Mammutaufgabe, die durch die verschiedenen Interessen
der Nationen teuer und sehr kompliziert ist.
Inzwischen ist einer breiten nationalen Öffentlichkeit klar, dass der Ausbau der
regenerativen Energien überlebenswichtig ist. Trotzdem stoßen die Projekte häufig
auf Widerstand. „Regenerative Energien ja, aber bitte woanders und nicht hier“,
220 4 Technische Aspekte
ist eine leider oft zu hörende Aussage. Zentrale Großkraftwerke werden nicht so
flächendeckend wahrgenommen wie die eher dezentrale Energieproduktion über
regenerative Quellen, ein nicht unerhebliches Verständnisproblem.
Auf internationaler Ebene potenzieren sich die Vorstellungen, Ansprüche und
Forderungen noch deutlich. Es gibt zur Zeit noch diverse Länder (z. B. China),
denen der Umwelt- und Klimaschutz offensichtlich nicht viel bedeutet und welche
die kostspieligen Bemühungen der Industrienationen eher als Chance sehen, wirt-
schaftlichen Boden gut zu machen, ohne Rücksicht auf Ressourcen oder die Klima-
entwicklung zu nehmen.
Bei unserer Betrachtung konzentrieren wir uns auf die nationale Sicht auf Bio-
gasvorhaben.
1
S. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 3.4.
4.1 Strukturierung des Biomasseangebots 221
Es gibt neben der reinen Faktenlage viele Einflussfaktoren, die die Akzeptanz
beeinflussen können. Das fängt beispielsweise schon bei den beteiligten Personen/
Initiatoren an und der Art und Weise, auf die die Anwohner erfahren, dass eine
BGA geplant bzw. gebaut werden soll. Wer Akzeptanz möchte, muss die Anlieger
„abholen“ und „mitnehmen“, ihnen aufzeigen, dass man versuchen wird, ihre
Interessen zu berücksichtigen. Fühlen sich die Anwohner „überfahren“ bzw. fremd-
bestimmt und ungehört, wird es schwer werden, sinnvolle Maßnahmen durch-
zusetzen, ohne dass es zu Streitigkeiten kommt.
Bereits die ersten Schritte in Richtung einer BGA bedürfen daher oftmals einer
nicht unerheblichen Portion Psychologie und Verhandlungsgeschick, damit der wei-
tere Verlauf nicht zu einem Spießrutenlauf wird. Hier kann es durchaus sehr sinn-
voll sein, sich die Hilfe externer Berater zu holen. Obwohl die Bürger z. T. den Bau
einer BGA aufgrund der Privilegierung von Hofanlagen nicht verhindern können,
wird der BGA-Betreiber kein Interesse daran haben, die nächsten Jahre unentwegt
(berechtigt oder unberechtigt) in der Kritik der Anwohner zu stehen.
Bei der Akzeptanz geht es nicht nur um eine eventuelle Geruchsentwicklung
oder zusätzliche Geräuschemissionen im Bereich der BGA. Sofern die BGA auf
bzw. in der Nähe eines existierenden Hofes errichtet wird, sollten das keine allzu
großen zusätzlichen Belastungen sein.
Verändern wird sich aber und hier kommen wir zurück zum Substratmanagement,
die Umstellung der Feldfrüchte auf einen großen Teil Mais und der zunehmende
Verkehr durch Ernte- und Gärresttransporte. Besonders das erhöhte Verkehrs-
aufkommen von LKW und Schleppern sorgt häufig für Auseinandersetzungen.
Besonders die Ernte- und Gärrestlogistik bietet also viel Angriffsfläche für öffent-
liche Kritik, besonders hier sollte man daher versuchen, kreativ die Belastungen der
Anlieger gering zu halten und für Verständnis zu werben.
Abschließend eine Übersicht einiger Maßnahmen, die helfen können, die Akzeptanz
einer BGA zu erhöhen, ohne dass diese einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:
222 4 Technische Aspekte
vor Ort ausgeglichen werden. Sofern es also die Dichte der erfassten Daten zulässt,
lohnt sich eine Analyse, wie hoch die Kosten für einen m³ Methan sein werden.
Beispielhaft seien in Tab. 4.2 einige Substrate mit ihren ca. Gasertrags-Eckdaten
erwähnt.
Hierbei ist zu berücksichtigen, wie viel t/ha Ernteertrag die jeweilige Region
erwarten lässt und wie viel Fläche für den Anbau von Substrat überhaupt zur Ver-
fügung steht. Es ist daher unter Umständen lohnend, den Gasertrag betreffende,
etwas ertragsschwächere Pflanzen anzubauen, wenn diese deutlich höhere FM-
Erträge in t/ha erwarten lassen. So liegt Mais z. B. bei rd. 50–55 t/ha, wohin-
gegen Zuckerrüben rd. 70–73 t/ha auf entsprechenden Böden erwarten lassen. Um
bei dem Beispiel zu bleiben, vergleichen wir Mais und Zuckerrübe in Gasertrag,
Methangehalt und FM t/ha und ermitteln so die Nm³ Methan, die im Idealfall pro
ha erzielbar sind:
Mais: 55 t x 202 m³ x 52 % = 5.777 m³/ha
Zuckerrübe: 73 t x 175 m³ x 53 % = 6.771 m³/ha
Das Beispiel zeigt auf, dass die Zuckerrübe einen deutlich höheren Methanertrag
pro ha erwarten lässt als Mais. Sollten die übrigen Rahmenbedingungen stimmen
und die höheren Anbaukosten für die Zuckerrübe durch den Methan-Mehrertrag
224 4 Technische Aspekte
zumindest annähernd ausgeglichen werden, kann die Zuckerrübe eine durchaus sinn-
volle und vor allem lohnende Ergänzung bei der Substratzusammenstellung sein.
In einer Querbetrachtung stellen sich die Vorteile und Nachteile der genannten
Energiepflanzen wie in Tab. 4.3 dargestellt dar.
4.2 Biogas-Prozess und Biogaserträge 225
Basis für die Auswahl der Substrate, der Technologie und letztlich auch für die
Nutzung des Biogases ist der mikrobiologische Prozess der Biogasbildung. Mikro-
organismen bauen organische Substanz zur Aufrechterhaltung ihrer eigenen Stoff-
wechsel- und Vermehrungsprozesse ab. Die Produkte dieses Prozesses sind Biogas,
organische Masse, die nicht weiter abgebaut wurde oder werden konnte sowie
anorganische Masse, die nicht durch die Mikroorganismen verwertet werden kann.
Darüber hinaus sterben die Mikroorganismen nach kurzer Lebenszeit wieder ab.
Die anaerob abbaubaren Anteile werden gleichermaßen wie die Substrate verwertet.
Die Anteile der Produkte, die durch eine Prozessbilanzierung beschrieben werden
können, sind neben der Substratzusammensetzung stark von der ausgewählten
Technologie und von den Lebensbedingungen für die Mikroorganismen abhängig.
Unter standardisierten Bedingungen werden auf dieser Basis übliche Biogaserträge
ermittelt, die für die Dimensionierung einer Biogasanlage verwendet werden können.
Aufgrund der Tatsache, dass hohe spezifische Biogaserträge (entspricht der Biogas-
ausbeute in Nm³/kg oTS) nur durch eine leistungsfähige Mikroorganismen-Gesell-
schaft geleistet werden können, stellt die Prozessbiologie klare Anforderungen an
den Biogasproduktionsprozess. Entscheidend sind hier das Substrat, das aus Sicht
der Nährstoffzusammensetzung optimal anaerob abbaubar sein sollte, aber auch
technologische Prozessparameter wie z. B. die hydraulische Aufenthaltszeit und
biochemische Einflussgrößen.
Die größte Herausforderung ergibt sich daraus, dass der mikrobiologische Pro-
zess heute noch vollkommen unzureichend beschrieben ist. Als abgesichert ist die
in Abschn. 4.2.1 dargestellte Abbaukette grundsätzlich anzusehen, welche Mikro-
organismen aber im Detail an der Abbaukette in welchem Maß beteiligt sind und
wie sich die verschiedenen Mikroorganismenarten untereinander beeinflussen
sowie von außen beeinflusst werden können, ist weitestgehend unbekannt. Aus
diesem Grund werden in der Regel bewährte – auf phänomenologischer Beob-
achtung beruhende – Praxiserfahrungen für die Prozessgestaltung herangezogen.
Die konkreten Anforderungen der Prozessbiologie können mit den marktgängigen
Verfahren bisher nicht berücksichtigt werden.
Aus diesem Grund lassen sich die prozessbiologischen Anforderungen an den
Prozess am besten anhand der im Abschn. 4.2.3 erläuterten Einflussgrößen auf den
Biogasproduktionsprozess beschreiben. Damit liegt es im Wesentlichen im Geschick
und Verständnis des verantwortlichen Anlagenfahrers, den Prozess so zu hand-
haben, dass die Mikroorganismen eine effiziente Biogasproduktion ermöglichen.
Von größter Bedeutung für die Stabilität des biologischen Prozesses und damit für
die Sicherstellung des Biogasertrages und letztlich auch die Wirtschaftlichkeit der
Investition ist die Berücksichtigung und Kontrolle wesentlicher Einflussgrößen auf
den Prozess der Biogasproduktion. Tabelle 4.4 fasst die für den biologischen Pro-
zess relevanten Einflussgrößen zusammen und gibt einen kurzen Überblick über
kritische Bereiche für Prozessparameter.
Der in Abschn. 4.2.1 beschriebene Prozess führt durch den Abbau der Biomasse zu
einer starken Veränderung des Stoffstromes durch eine Biogasanlage. Am Beispiel
4.2 Biogas-Prozess und Biogaserträge 227
von Grassilage wird dies nachfolgend veranschaulicht, um ein Verständnis für den
komplexen biochemischen Prozess zu wecken.
Grundsätzlich besteht jedes Substrat aus Wasser, anaerob abbaubarer organischer
Masse und nicht abbaubarer vorwiegend anorganischer Masse. Die organische
Masse wird anaerob unter Aufnahme von Wasser und Abgabe von Kohlenstoff-
dioxid teilweise zu Methan umgewandelt. Der Grad des Abbaus der organischen
Substanz hängt vom Substrat und den Prozessbedingungen ab, wobei für übliche
Grassilage in landwirtschaftlichen Biogasanlagen von einem Abbaugrad der
organischen Trockensubstanz von rund 80 % ausgegangen wird. Dies entspricht
einem Biogasertrag von 0,571 Nm³/kgoTS bei einem Methangehalt von rund 55 %.
Je nach Prozesstemperatur wird ein Teil des Wassers verdampfen und liegt gas-
förmig als Wasserdampf vor. Abbildung 4.6 gibt schematisch die Massebilanz des
beschriebenen anaeroben Abbaus wider. Die verwendeten Zahlenwerte werden in
Tab. 4.5 konkretisiert.
228 4 Technische Aspekte
Tab. 4.4 (Fortsetzung) Wesentliche Einflussgrößen auf den biologischen Prozess der Biogas-
produktion. (Verändert nach VDI 4631 2011)
Parameter Kritische Bereiche
Hydraulische Bei voll durchmischten Fermentern können Verweilzeiten unter 15 Tagen
Verweilzeit zum Auswaschen von Bakterien-Archaeen-Konsortien führen da die
Generationszeiten (d. h. Vermehrungsdauern) z. T. länger sind. In der Regel
nimmt die erforderliche Verweilzeit für die Umsetzung des Substrates zu
Biogas mit steigendem Rohfaseranteil des Substrats zu. Dem kann aber
durch eine Vorbehandlung des Substrats ggf. entgegengewirkt werden.
Durch den Einsatz von Rezirkulat können sich Änderungen der hydraulis-
chen Verweilzeit ergeben.
Raumbelastung Sie ist von der dem Fermentervolumen zugeführten Substratmenge und
deren Konzentration an organischer Trockensubstanz abhängig. Durch
Adaption der Mikroorganismenkonsortien kann die Raumbelastung beim
Anfahren einer Biogasanlage langsam bis zu einem Optimalwert gesteigert
werden. Bei Überschreitung eines systemspezifischen Maximalwerts gerät
das Mikroorganismenkonsortium in ein Ungleichgewicht und die Methan-
produktion kann zum Erliegen kommen.
Tab. 4.6 Typische Biogaserträge. (Verändert nach FNR 2010, verändert: ohne Kartoffelfrucht-
wasser)
Substrat TS oTS N* P2O5 K 2O Biogas- CH4- CH4-Aus-
ertrag Ertrag beute
[%] [% TS] [% TS] [Nm³/t [Nm³/t [Nm³/t
FM] FM] oTS]
Wirtschaftsdünger
Rindergülle 10 80 3,5 1,7 6,3 25 14 210
Schweinegülle 6 80 3,6 2,5 2,4 28 17 250
Rindermist 25 80 5,6 3,2 8,8 80 44 250
Geflügelmist 40 75 18,4 14,3 13,5 140 90 280
Pferdekot ohne 28 75 n. a. n. a. n. a. 63 35 165
Stroh
Nachwachsende Rohstoffe
Maissilage 33 95 2,8 1,8 4,3 200 106 340
Getreide-GPS 33 95 4,4 2,8 6,9 190 105 329
Grünroggensilage 25 90 150 79 324
Getreidekörner 87 97 12,5 7,2 5,7 620 329 389
Grassilage 35 90 4,0 2,2 8,9 180 98 310
Zuckerrüben 23 90 1,8 0,8 2,2 130 72 350
Futterrüben 16 90 n. a. n. a. n. a. 90 50 350
Sonnenblumen- 25 90 n. a. n. a. n. a. 120 68 298
silage
Sudangras 27 91 n. a. n. a. n. a. 128 70 286
Zuckerhirse 22 91 n. a. n. a. n. a. 108 58 291
Grünroggen** 25 88 n. a. n. a. n. a. 130 70 319
Substrate der verarbeitenden Agrarindustrie
Biertreber 23 75 4,5 1,5 0,3 122 70 313
Getreide- 6 94 8,0 4,8 0,6 39 22 385
schlempe
Kartoffels- 6 85 9,0 0,7 4,0 34 18 362
chlempe
Obstschlempe 2,5 95 n. a. 0,7 n. a. 15 9 285
Rohglycerin*** n. a. n. a. n. a. n. a. n. a. 250 147 185
Rapspresskuchen 92 87 52,4 24,8 16,4 660 317 396
Kartoffelpülpe 13 90 0,8 0,2 6,6 80 47 336
4.3 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 231
Tab. 4.6 (Fortsetzung) Typische Biogaserträge. (Verändert nach FNR 2010, verändert: ohne
Kartoffelfruchtwasser)
Substrat TS oTS N* P2O5 K 2O Biogas- CH4- CH4-Aus-
ertrag Ertrag beute
[%] [% TS] [% TS] [Nm³/t [Nm³/t [Nm³/t
FM] FM] oTS]
Z-Pressschnitzel 24 95 n. a. n. a. n. a. 68 49 218
Melasse 85 88 1,5 0,3 n. a. 315 229 308
Apfeltrester 35 88 1,1 1,4 1,9 148 100 453
Rebentrester 45 85 2,3 5,8 n. a. 260 176 448
Grün- und Rasenschnitt
Grünschnitt 12 87,5 2,5 4,0 n. a. 175 105 369
*N-Gehalte im Gärrest ohne Berücksichtigung von Lagerverlusten
**angewelkt;
***in der Praxis stark variierende Ergebnisse, abhängig vom Verfahren der Biodieselherstellung
Ausgehend von den bisherigen Ausführungen ist das Ziel dieses Abschnitts, die
(verfahrens-)technische Umsetzung einer anaeroben Vergärung von landwirt-
schaftlichen Substraten zu diskutieren. Dazu werden zunächst auf die Anfor-
derungen und Vorgaben an die Verfahrenstechnik eingegangen, die aus den Pro-
zessen des biologischen Abbaus resultieren. Anschließend werden unterschiedliche
technische Lösungsansätze, wie sie für bestimmte Teilkomponenten von Biogas-
anlagen für den landwirtschaftlichen Bereich in Deutschland entwickelt wurden
und am Markt angeboten werden, dargestellt und diskutiert. Darauf aufbauend
werden exemplarische Gesamtanlagensysteme für ausgewählte landwirtschaftliche
Anwendungsbereiche präsentiert und das Zusammenspiel der einzelnen Teilkom-
ponenten im gesamtsystemaren Zusammenhang erklärt. Abschließend werden die
sich abzeichnenden Entwicklungstendenzen aufgezeigt und erörtert.
und das nicht mehr energetisch nutzbare Gas Kohlenstoffdioxid (CO2) abge-
baut. Wird die Bilanz der chemisch in den Ausgangsmaterialien und den End-
produkten gebundenen Energie eines derartigen biologisch induzierten Abbau-
prozesses erstellt, zeigt sich, dass damit nur sehr wenig Energie verfügbar ist,
welche die Bakterien für ihr (Über-)Leben aus diesem Prozess nutzbar machen
können. Deshalb reicht beispielsweise die beim anaeroben Abbau frei werdende
Wärme i. Allg. nicht aus, das Substrat im Fermenter zu beheizen. Im Umkehr-
schluss muss damit das Biogassubstrat beheizt und auf einem Temperaturniveau
stabilisiert werden, auf dem die jeweils eingesetzten Bakterien einen substrat-
spezifisch optimalen Abbau zeigen.
• Bakterien vermehren sich durch Zellteilung, deren Geschwindigkeit sich unter
anderem nach Bakterientyp und Umweltbedingungen unterscheidet. Soll aus
verfahrenstechnischer Sicht die Abbauleistung eines Fermenters näherungs-
weise konstant gehalten werden, darf nicht mehr Bakterienbiomasse den Reaktor
verlassen (z. B. zusammen mit dem abgepumpten ausgefaulten Substrat) als
nachwächst. Folglich muss die mittlere Verweilzeit des Substrats im Fermenter
so angepasst werden, dass die aktive Bakterienbiomasse zumindest konstant
gehalten und nicht reduziert wird. Die Durchflussrate muss also geringer als die
Verdopplungsrate der Bakterien sein. Alternativ dazu können auch Einrichtungen
in den Fermenter eingebaut werden, welche die Mikroorganismen, die den anaer-
oben Abbau realisieren (und damit die aktive Biomasse), im Fermenter zurück
halten.
• Die Bakterienbiomasse, die für den Abbau zuständig ist, kann sich an ver-
ändernde Umweltbedingungen und eine sich ändernde Nahrungszusammenset-
zung anpassen. Dafür benötigt sie aber eine bestimmte Anpassungszeit. Deshalb
kann bei einer sich nur langsam ändernden Frischsubstratzusammensetzung ein
hohes Abbauniveau beibehalten werden, während dies bei einer sprunghaften
Änderung der Substratzusammensetzung nicht möglich ist. Aus Sicht eines ver-
fahrenstechnisch stabilen Betriebs einer Biogasanlage ist deshalb eine homogene
Substratzusammensetzung mit nur langsamen Veränderungen des Inputstroms
anzustreben.
• Bakterien sind Lebewesen, die – um ihre maximale Leistungsfähigkeit zu
erreichen – auch eine möglichst ausgewogene Versorgung mit Nährstoffen
benötigen. Beispielsweise wird der Biogasprozess durch das Verhältnis der
Makronährstoffe C:N:P:S beeinflusst. Unter bestimmten Bedingungen ist für die
Hydrolyse ein C:N:P:S-Verhältnis von 500:15:5:3 und für die Methangärung von
600:15:5:3 optimal. Eine Besonderheit stellt der Bedarf an den Spurenelementen
Nickel (Ni), Kobalt (Co), Molybdän (Mo) und Selen (Se) dar. Diese sind für
den Zellaufbau unentbehrlich und führen bei einem Mangel zum Absterben der
Bakterien. Aus verfahrenstechnischer Sicht muss deswegen eine ausgewogene
Nährstoffversorgung ggf. über entsprechende Nährstoff- bzw. Spurenelement-
zusätze sichergestellt werden.
Mit dem Substrat können auch das Bakterienwachstum hemmende Substanzen
in den Reaktor eingetragen werden (z. B. Desinfektionsmittel aus der Stallbehand-
lung, Stickstoffverbindungen mit bestimmten Exkrementen). Dies behindert die
234 4 Technische Aspekte
Reproduktion der für den Abbau verantwortlichen Bakterien. Aus Sicht der Ver-
fahrenstechnik sollte daher eine Kontamination der Substrate mit Stoffen, die das
Bakterienwachstum hemmen können, vermieden werden. Sind derartige Stoffe
zwingend und nahezu unbeeinflussbar im Substrat vorhanden, müssen sie mit ent-
sprechenden Verfahren abgetrennt werden.
Durch entsprechende verfahrenstechnische Lösungen ist sicher zu stellen, dass
alle aufgezeigten Forderungen jederzeit sicher erfüllt werden.
Ausgehend von den bisherigen Ausführungen ist das Ziel dieses Abschnitts, die
einzelnen verfahrenstechnischen Lösungsansätze, wie sie heute in landwirt-
schaftlichen Biogasanlagen zum Einsatz kommen können, darzustellen. Dabei wird
zuerst auf die Substrataufbereitung eingegangen. Nachfolgend werden verschiedene
Fermentertypen diskutiert, bevor abschließend die Gärrest- und Biogasaufbereitung
vorgestellt werden (s. unter anderem Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe 2006,
2010; Kaltschmitt et al. 2009; Ottow und Bidlingmaier 1997; Kaiser 2007; Verein
Deutscher Ingenieure 2006; Taniguchi et al. 2005; Hendriks und Zeeman 2009;
Chandra et al. 2007; Zhu et al. 2010; Galbe und Zacchi 2007; Taherzadeh und
Karimi 2008; Friedrich et al. 2010; Jorgensen et al. 2007; Nickel und Neis 2007;
Thiem et al. 2001; Weiland 2001; Ultrawaves 2011; BioAbfV und EG-HygieneV).
4.3.2.1 Substrataufbereitung
Die Substrate, die in den Biogasreaktor eingebracht werden sollen, müssen – je
nach Substratzusammensetzung und -eigenschaften – ggf. aufbereitet werden.
Nachfolgend werden die dafür üblicherweise eingesetzten Verfahren diskutiert.
Anmaischung. Soll ein festes oder pastöses Substrat in einer Nassvergärung
eingesetzt werden, muss es ggf. angemaischt werden; d. h. der Wassergehalt wird
erhöht, so dass ein pumpfähiges Substrat entsteht. Ein derartiges Anmaischen findet
i. Allg. in einer Vorgrube kurz vor der Einbringung des Substrates in den Biogas-
reaktor statt. Um den Verbrauch an dem oft eingesetzten (teuren) Frischwasser zu
minimieren, wird z. T. aus dem vergorenen Substrat abgetrenntes Prozesswasser
verwendet; dadurch kann gleichzeitig der Prozess angeimpft werden. Von Nachteil
bei einer derartigen Rückführung kann aber die Anreicherung bestimmter Stoffe
im System „Biogasanlage“ sein, welche oberhalb bestimmter Konzentrationen der
Prozessbiologie schaden können.
Störstoffabtrennung. Störstoffe werden i. Allg. unterteilt in Stoffe, welche
leichter oder schwerer als das Substrat sind (d. h. die aufschwimmen oder absinken).
• Schwerstoffe. Häufig auftretende Störstoffe, die schwerer als das Biogassub-
strat sind, sind Steine oder Sand. Gelangen beispielsweise Steine in den Reaktor,
können sie bestimmte Einbauten (z. B. Rührwerke) beschädigen. Sie sollten
daher z. B. in einer Vorgrube abgetrennt werden, welche dann gleichzeitig als
Absetzbecken dient und von dessen Boden sie von Zeit zu Zeit entnommen
werden können. Der Eintrag von Sand kann zu einer Versandung des Reaktors
4.3 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 235
führen; d. h. Sand lagert sich auf dem Reaktorboden ab und dadurch wird das zur
Vergärung zur Verfügung stehende Reaktorvolumen geringer und zudem wird
der Verschleiß an den dort befindlichen bewegten Teilen erhöht. Ist das Substrat
stark mit Sand belastet, kann dieser durch Sandfänge oder Zyklone ausgetragen
werden. Insgesamt sollten derartige schwere Störstoffe durch mechanische,
hydromechanische oder manuelle Verfahren sicher aussortiert werden.
• Leichtstoffe. Leichte Stoffe (z. B. Stroh, Kunststoffe) neigen zur Bildung von
Schwimmdecken, zu Zöpfen an Rührwerken und zu Verstopfungen der Rohr-
leitungen. Behindern sie einen reibungslosen Betrieb, sollten sie ebenfalls abge-
trennt werden. Dies kann manuell oder durch eine nassmechanische Siebung
erfolgen. Auch besteht die Möglichkeit einer Schwimm-/Sink-Trennung; hier
wird der Dichteunterschied von Störstoff und Substrat genutzt, indem Störstoffe
aufschwimmen oder absinken und dann mit einem Räumer entfernt werden.
Flüssige Substrate (z. B. Wirtschaftsdünger, organisch belastete Abwässer) ent-
halten meist keine oder nur wenige Störstoffe; trotzdem kann bei bestimmten Sub-
straten eine Abtrennung erforderlich sein. Hierzu können Schwerstoffabscheider in
der Vorgrube eingesetzt werden. Bei einigen Substraten (z. B. Hühnerkot) kann es
jedoch vorkommen, dass der Störstoff stark an das Substrat gebunden ist und erst
im Fermenter frei wird; dann muss der Fermenter selbst mit einem Sedimentaus-
tragsystem ausgestattet werden. Beispielsweise kommen in stehenden Fermentern
Bodenräumer oder konische Fermenterböden zum Einsatz und in liegende Fermenter
lassen sich Austragsschnecken einbauen.
Wertstoffabtrennung. Bevor die Substrate dem eigentlichen anaeroben Abbau
in einer Biogasanlage zugeführt werden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit,
bestimmte Wertstoffe abzutrennen. Dies ist aber aus technisch/ökonomischen
Gründen nur dann sinnvoll, wenn das zu vergärende Substrat noch Inhaltsstoffe mit
merklichen Anteilen enthält, die durch einen hohen Marktwert gekennzeichnet sind
und/oder kostengünstig abgetrennt werden können.
Zerkleinerung. Sollen grobkörnige Substrate pumpfähig gemacht werden,
müssen sie zuvor oft zerkleinert werden. Dies hat den positiven Nebeneffekt, dass
durch die Zerkleinerung eine größere spezifische Oberfläche für den biologischen
Abbau zur Verfügung steht und schwer abbaubare Hüllen (z. B. von Körnern)
i. Allg. zerstört werden. Deshalb wird z. T. auch bereits pumpfähiges Substrat vor
dem Eintrag in den Biogasreaktor zerkleinert.
Die technische Auswahl des passenden Zerkleinerungswerkzeugs richtet sich
nach der Substratcharakteristik. Beispielsweise können Grünabfälle in einem
Häcksler – vor der Aufgabe in die Vorgrube – zerkleinert werden; gleichzeitig kann
dabei noch eine Siebung (z. B. zur Abtrennung von Steinen) realisiert werden.
Demgegenüber lassen sich halbfeste und pastöse Substrate (z. B. Festmist) gut mit
Schneidpumpen oder Schneidrührwerken in der Vorgrube zerkleinern.
Dabei sollten bei der Zerkleinerung langsam laufende Apparate eingesetzt
werden, um den Metallabrieb bzw. den Verschleiß zu minimieren. Eingesetzt
werden beispielsweise Schnecken-, Hammer- oder Trommelmühlen. Handelt es
sich um eine Nassaufbereitung, wird einer groben Zerkleinerung häufig eine wei-
tere Zerkleinerungsstufe mit einer schnell laufenden Schneidmühle („Mazerator“)
236 4 Technische Aspekte
nachgeschaltet. Es können auch Extruder zur Zerfaserung und Anlagen zur Thermo-
druckhydrolyse (Temperaturen bis 200 °C bei einem Druck bis 10 bar) eingesetzt
werden.
Aus verfahrenstechnischer Sicht kann eine Zerkleinerung an verschiedenen
Orten im Prozess stattfinden (z. B. vor Aufgabe des Substrates in die Vorgrube,
in der Vorgrube, in der Förderleitung). Die letztliche Entscheidung, welche Zer-
kleinerungstechnik und welche Anordnung innerhalb der Anlage realisiert werden
soll, wird dabei unter anderem von den zu erwartenden Substrateigenschaften,
ökonomischen Aspekten und der insgesamt angestrebten verfahrenstechnischen
Lösung bzw. deren Optimierung beeinflusst.
Hygienisierung. Bestimmte Substrate (z. B. Bioabfälle) müssen gesetzlichen
Anforderungen unter anderem an die Seuchen- und Phytohygiene erfüllen. Auch
sind in Grünabfällen häufig keimfähige Unkrautsamen enthalten, die eine Ver-
unkrautung von Kulturflächen, auf denen das vergorene Substrat ausgebracht wird,
verursachen können. In diesen Fällen muss das Substrat hygienisiert werden.
Unabhängig davon ist der eigentliche biochemische anaerobe Abbau mit einer
Hygienisierungswirkung verbunden, die abhängig ist von der Aufenthaltszeit des
Substrates in der Biogasanlage, der Betriebstemperatur des Fermenter und den
chemisch-physikalischen Bedingungen im Reaktor. Damit wird in jeder Biogas-
anlage bis zu einem bestimmten Ausmaß das Ausgangsmaterial hygienisiert. Reicht
dies aber z. B. aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht aus, muss dem Prozess
eine separate Hygienisierungsstufe vor- oder nachgeschaltet werden. Dies gilt
insbesondere bei hygienisch bedenklichen Substraten, die in voll durchmischten
Reaktoren vergoren werden, da durch Kurzschlussströmungen (s. Abschn. „Ver-
fahren mit Volldurchmischung“) ein Teil des frischen Substrates direkt wieder aus-
getragen werden kann, ohne dass die Aufenthaltszeit für die Abtötung von Viren
und Keimen ausreichend ist.
Eine solche separate Hygienisierung kann in einer Vorbehandlungsstufe vor
oder direkt im Reaktor oder in Ausnahmefällen auch in einer nachgeschalteten
Stufe realisiert werden. Zu den im Rahmen der Hygienisierung durchzuführenden
Maßnahmen gibt es konkrete gesetzliche Regelungen (z. B. Bioabfallverordnung
(BioAbfV), Europäische Hygiene-Versordnung (EG-Hygiene-VO)), in denen die
erforderlichen Verfahren und Betriebsbedingungen näher erläutert werden.
Eine derartige, dem anaeroben Abbauprozess vorgeschaltete Hygienisierung kann
beispielsweise durch eine thermische Vorbehandlung des Substrats erreicht werden.
Dazu muss die organische Masse nicht weniger als eine Stunde einer Temperatur
von mindestens 70 °C ausgesetzt werden. Zusätzlich werden – als ein gewollter
Nebeneffekt – durch eine solche Wärmebehandlung bestimmte organische Stoffe
thermisch aufgeschlossen; dadurch können sie anschließend einfacher, schneller
und vollständiger anaerob abgebaut werden. Nach der Hygienisierung hat das Sub-
strat aber eine höhere Temperatur als für eine thermo- und insbesondere mesophile
Fermentation erforderlich ist; dadurch wird ggf. eine Abkühlung notwendig. Um
unter diesen Bedingungen den Energieeigenverbrauch einer Biogasanlage zu
minimieren, ist eine optimale verfahrenstechnische Einbindung in die Gesamt-
anlage mit einer maximalen Nutzung der anfallenden Abwärmeströme anzustreben.
4.3 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 237
4.3.2.2 Biomasseaufschlussverfahren
Unterschiedliche Komponenten organischer Stoffe (z. B. Proteine, Fette,
Kohlehydrate, Cellulose, Hemicellulose, Lignin) sind anaerob mit verschieden-
artiger Geschwindigkeit zu einem unterschiedlichen Ausmaß abbaubar. Bei-
spielsweise werden Fette i. Allg. schnell und vollständig mit einem vergleichs-
weise sehr hohen Methanertrag vergoren. Im Unterschied dazu ist z. B. Lignin
anaerob nicht abbaubar; deshalb ist verholzte Biomasse nur sehr schwer und nur
z. T. in Biogasanlagen zersetzbar. Außerdem bildet Lignin durch die Verbindung
mit Hemicellulose über sogenannte Lignin-Kohlenhydrat-Komplexe eine Matrix,
welche die Cellulosefibrillen schützend umschließt. Dieser in der Natur wichtige
Schutz der Cellulose vor dem Angriff von Mikroorganismen hemmt die Zugäng-
lichkeit der Biokatalysatoren beim anaeroben Abbau.
Deshalb muss lignocellulosehaltige Biomasse vor dem Eintrag in den Fermenter
aufgeschlossen werden, um die Bioverfügbarkeit bzw. die Zugänglichkeit für die
Vergärung zu gewährleisten und Abbauraten zu erzielen, die eine technisch-wirt-
schaftliche Vergärung ermöglichen. Die jeweilige konkret zu realisierende ver-
fahrenstechnische Lösung wird dabei von der Substratart und dessen Eigenschaften
sowie vom gewünschten Ergebnis bestimmt. Nachfolgend wird eine Auswahl
unterschiedlicher Aufschlusstechniken erläutert.
Biologische Verfahren. Ein biologisch induzierter Substrataufschluss kann
durch Pilze (z. B. Braunfäulepilze, Weißfäulepilze) erreicht werden. Diese
Pilze bilden Enzyme, die in die Lignocellulose abgegeben werden und dort die
organischen Makromoleküle spalten. Dies hat den Vorteil geringer Energiekosten
und eines geringen Chemikalieneinsatzes. Allerdings benötigen diese Pilze viel
238 4 Technische Aspekte
Platz und vor allem viel Zeit, was bisher einen großtechnischen Einsatz – primär
aus Kostengründen – verhindert hat.
Physikalische Verfahren. Zu dieser Kategorie gehören neben dem „klassischen“
Zerkleinern Mikrowellen-, Extrusions-, Kavitations- und Ultraschallverfahren. Sie
werden im Folgenden kurz beschrieben.
Zerkleinerung. Durch das Zerkleinern wird die spezifische Oberfläche erhöht
und dadurch der Zugang der den anaeroben Abbau realisierenden Bakterien zu den
abbaubaren Lignocellulosekomponenten verbessert. Jedoch ist die Aufmahlung von
Lignocellulosebiomasse sehr energieaufwändig und daher allein bisher kaum sinn-
voll einsetzbar.
Mikrowellenbehandlung. Bei einer Bestrahlung von Lignocellulose mit
Mikrowellen wird der Polymerisationsgrad der Cellulose reduziert. Die lang-
kettigen Makromoleküle werden in kurzkettigere Oligosaccharide aufgespalten.
Dadurch sind sie für den anaeroben Abbau leichter zugänglich. Nachteilig ist, dass
der benötigte Energieaufwand sehr hoch und die großtechnisch erreichbaren Auf-
schlussgrade begrenzt sind. Deshalb befindet sich dieses Verfahren noch im For-
schungs- und Entwicklungs-Stadium.
Extrusion. Das Substrat wird hier mittels eines Extruders aufgeschlossen. Unter
Extrudern sind Fördergeräte zu verstehen, die vergleichbar einem Schneckenförderer
feste bis dickflüssige Massen unter hohem Druck und hoher Temperatur gleichmäßig
aus einer formgebenden Öffnung herauspressen (das Verfahren wird als Extrusion
bezeichnet). Dabei wird die Struktur der Lignocellulose aufgeschlossen. Die
organische Masse ist deshalb danach leichter anaerob abbaubar. Dieses Verfahren ist
jedoch ebenfalls energieintensiv und befindet sich noch in der Entwicklung.
Kavitation. Durch Kavitation entstehen Scherkräfte, die auf die Zellen der
Lignocellulose wirken und diese zerstören können. Diese Kräfte können durch eine
Strömung oder durch Ultraschall hervorgerufen werden, mit der gezielt Kavitations-
blasen erzeugt werden. Dabei hat sich gezeigt, dass bei geringeren Ultraschall-
frequenzen größere Kavitationsblasen entstehen und dadurch größere Scherkräfte
auftreten, die dann einen verbesserten Aufschluss versprechen.
Ultraschallbasierte Verfahren sind am Markt verfügbar. Sie können sowohl zu
dem hier diskutierten Biomasseaufschluss vor der Substratzuführung in den Reaktor
als auch zum Aufschluss eines aus dem Reaktor abgepumpten Teilstroms einge-
setzt werden, der nach der Ultraschallbehandlung wieder dem anaeroben Abbau
zugeführt wird.
Ultraschall. Neben dem Einsatz von so genanntem hartem Ultraschall (Frequenzen
bis 1 MHz), der Kavitationsblasen erzeugt (s. o.), kann auch weicher Ultraschall
(20 bis 100 kHz) helfen, Biomasse aufzuschließen. Bei diesen Frequenzen kommt
es jedoch nicht zur Kavitation, sondern lediglich zu einer mikrobiologischen
Anregung, welche ebenfalls die Abbaubarkeit fördert. Der Einsatz von weichem
Ultraschall in Biogasanalgen wird derzeit im Labormaßstab untersucht.
Chemische Verfahren. Diese Gruppe von Aufschlussverfahren lässt sich
in saure und alkalische Verfahren unterteilen. Dabei wird der pH-Wert der auf-
zuschließenden Biomasse jeweils kurzfristig in den sauren oder alkalischen Bereich
verschoben.
4.3 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 239
4.3.2.3 Fermentertechnik
Unabhängig vom jeweils gewählten Konzept, dem eingesetzten Substrat und der ggf.
realisierten Vorbehandlung muss ein Fermenter, in dem Teilstufen oder der gesamte
anaerobe Abbau stattfinden soll, folgende technische Einrichtungen aufweisen:
• Substratzufuhr. Damit jederzeit ausreichend Substrat für den mikrobiellen Abbau
zur Verfügung steht, ist ein geeignetes System zur Substratzufuhr zwingend
erforderlich.
• Substratabfuhr. Das vergorene Material muss wieder aus dem Fermenter aus-
getragen werden. Auch dazu müssen geeignete Systeme vorgesehen werden.
• Biogasabführung. Gleichzeitig müssen Vorrichtungen vorhanden sein, mit denen
das entstehende Biogas sicher abgeführt werden kann.
240 4 Technische Aspekte
Bereich des Fermenters Substrat abgezogen und auf Höhe des Substratspiegels
wieder in den Fermenter eingebracht. Die konkrete Auslegung des Substratabzugs
und der -rückführung hängen unter anderem ab vom Fermenterdesign, den Substrat-
eigenschaften und dem Gesamtkonzept (z. B. Kopplung mit einer fermenterexternen
Heizung). Da eine hydraulische Durchmischung i. Allg. sehr energieintensiv ist,
kommt diese Option im landwirtschaftlichen Bereich kaum zum Einsatz.
Durchmischung mittels Gaseinpressung. Bei bestimmten Substraten kann eine
Durchmischung auch durch eine Einpressung von Biogas realisiert werden. Bei-
spielsweise wird bei derartigen Systemen der Fermenterinhalt durch Einleiten von
Biogas durch Düsen in den unteren Bereich des Fermenters durchmischt. Dieses
Verfahren ist nur bei geringen Trockensubstanzgehalten (d. h. geringer Viskosität
des Fermenterinhalts) praktikabel und kommt deswegen bei landwirtschaftlichen
Substraten kaum zur Anwendung.
Gasspeicherung. Durch eine Gasspeicherung können Schwankung sowohl
in der anfallenden Gasmenge als auch bei der Energienachfrage ausgeglichen
werden (Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe 2006; Bundesverband der
248 4 Technische Aspekte
Spurengase werden meist zusammen mit dem CO2 sicher abgeschieden; ist das
aus technischen Gründen nicht möglich, können sie mithilfe von Aktivkohlefiltern
abgetrennt werden; deshalb werden derartige Filter auch oft als Polizeifilter ver-
wendet. Zur Brennwertanpassung kann ggf. eine Anreicherung mit Propan durch-
geführt werden.
Das Druckniveau, auf welches das Gas für eine Netzeinspeisung gebracht werden
muss, ist in der Regel gering und vom örtlichen Gasnetz abhängig. Die dazu ggf.
notwendige Verdichtung findet großtechnisch mit Kolben- und Radialkompressoren
statt. Für die Einspeisung kleinerer Gasmengen reichen auch Seitenkanalverdichter
aus.
4.3.2.6 Gasnutzung
Das methanhaltige Biogas kann direkt vor Ort in einem Blockheizkraftwerk
(BHKW) in Strom und Wärme umgewandelt werden (unter anderem Kaltschmitt
et al. 2009; Urban et al. 2009). Alternativ dazu ist eine Einspeisung in lokale Bio-
gasnetze möglich, mit denen dann umliegende Nachfrager versorgt werde können;
aber auch bei solchen Konzepten wird das Biogas i. Allg. in einem BHKW zur
gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung genutzt. Zusätzlich dazu ist – nach einer
entsprechenden Aufbereitung auf Erdgasqualität und einer Gasnetzeinspeisung –
auch eine beliebige Verteilung des Biomethans über das Erdgasnetz möglich. Dann
kann das Biomethan im ausschließlichen Wärmemarkt (z. B. Gasbrennwerttherme)
oder in KWK eingesetzt werden; letztere Option ist primär wieder das bereits dis-
kutierte BHKW, das dann aber so installiert werden kann, dass eine sehr weitgehende
Nutzung der in Koppelproduktion anfallenden Wärme möglich ist. Alternativ dazu
kann das Biomethan auch stofflich (z. B. in der chemischen Industrie) oder als Bio-
kraftstoff in CNG-Fahrzeugen eingesetzt werden. Nachfolgend wird, da dies die
wesentliche und mit Abstand am meisten eingesetzte Komponente der Gasnutzung
darstellt, das BHKW kurz dargestellt.
In Blockheizkraftwerken (BHKW) wird das Biogas bzw. das Biomethan in
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bei sehr hohen Wirkungs- bzw. Nutzungsgraden in
Strom und Wärme umgewandelt. Insgesamt können drei Prinzipien unterschieden
werden, nach denen sich BHKW's betreiben lassen: motorische BHKW's, BHKW's
mit Gasturbine und BHKW's mit Brennstoffzellen.
Die häufigste und bisher einzige kommerzielle Anwendung ist der Einsatz
von Biogas in motorischen BHKW's. Dabei handelt es sich um „klassische“ Ver-
brennungsmotoren (d. h. Gasmotoren), die mit Biogas bzw. Biomethan betrieben
werden und einen Generator zur Strombereitstellung antreiben. Zusätzlich werden
sowohl die Abgaswärme als auch die Abwärme des Motors genutzt.
254 4 Technische Aspekte
4.3.3 Beispiele
4.3.3.2 Güllevergärung
Auf einem viehhaltenden landwirtschaftlichen Betrieb fällt Gülle in einer erheb-
lichen Größenordnung an, die in einer Güllegrube am Stall gesammelt wird. Sie
wird über eine Vorgrube, in der auch ggf. anfallendes verdorbenes Futter und andere
organische Stoffströme, die nicht mehr stofflich genutzt werden können, dem Sub-
strat zugemischt. Dieses Substratgemisch wird dann mehrmals täglich in einen
Rührkesselreaktor gepumpt, in dem der biologische Abbauprozess stattfindet. Die
Vermischung des Substrats wird über ein Langachsrührwerk realisiert. Die Behei-
zung erfolgt über an der Innenwand des wärmegedämmten Fermenters angebrachte
Wärmeübertrager.
Der Fermenter ist so ausgelegt, dass im Gasraum (d. h. zwischen der Substrat-
oberfläche und der Unterseite der Fermenterabdeckung) das entstandene Biogas bis
zu einem gewissen Ausmaß zwischengespeichert werden kann. Hier findet auch
die biologische Entschwefelung durch die Eindüsung geringer Luftmengen statt.
Das entstandene Biogas wird an der Fermenteroberkante entnommen, mögliche
mitgerissene Partikel werden entfernt und anschließend wird das Gas getrocknet.
Es wird dann in einem BHKW, das in einem Container in unmittelbarer Nähe der
Anlage lokalisiert ist, verstromt. Der Strom wird ins Netz eingespeist. Die Wärme
dient der Fermenterbeheizung; die insbesondere im Sommer nicht nutzbare Wärme
wird an die Atmosphäre abgegeben. Fällt die Gasnutzung aus, so ist für den Notfall
eine Gasfackel vorgesehen, mit der das Biogas verbrannt wird, damit der Grenzwert
zum Ausblasen von Methan in die Atmosphäre nicht überschritten wird.
Das vergorene Substrat wird an der Unterseite des Fermenters entnommen und in
einen gasdichten Substratlagerbehälter gepumpt. Das hier noch entstehende Biogas
wird in den Gasspeicherraum des Fermenter rückgeführt. Zusätzlich kann der
Raum zwischen der Oberkante des vergorenen Substrates und der Lagerbehälter-
abdeckung als weiterer Gasspeicherraum genutzt werden. Zu den gesetzlich
256 4 Technische Aspekte
zulässigen Zeiträumen wird das vergorene Substrat mit den in der Landwirtschaft
üblichen Techniken und Verfahren auf die Felder ausgebracht. Das Schema einer
Biogasanlage zur Vergärung von Gülle ist in Abb. 4.15 dargestellt.
oder in unmittelbarer Nähe vorhanden, ist eine technische Nutzung möglich und aus
ökologischen Gründen auch sinnvoll.
Ist das Substrat weitgehend ausgegast, wie es beispielsweise bei Grassilage
nach etwa drei Wochen der Fall wäre, wird der Boxenfermenter nachbelüftet, damit
eine gefahrlose Entleerung ermöglicht wird. Dabei müssen die Gärgase abgezogen
werden, um eine Freisetzung in die Atmosphäre zu vermeiden.
Das Altmaterial wird dann mit einem Radlader aus dem Fermenter gefahren.
Der Teil, der nicht wieder als Animpfmaterial eingesetzt wird, kann auf landwirt-
schaftlichen Flächen als Dünger ausgebracht werden. Das Schema einer Biogas-
anlage zur Vergärung von stapelfähigen Substraten ist in Abb. 4.16 dargestellt.
4.3.4 Entwicklungstendenzen
Abb. 4.16 Beispiel für eine Biogasanlage zur Vergärung von stapelfähigen Substraten
1
Raumbelastung ist der Quotient aus der Menge an organischer Trockenmasse und dem
Fermentervolumen über die Zeit (Maßeinheit: m3/Tag).
260 4 Technische Aspekte
gleichen Zeit statt). Da bei einem derartigen System der Abbau in einem ein-
zigen Fermenter stattfindet, in dem durchschnittliche Bedingungen vorliegen,
läuft keiner oder nur wenige der einzelnen Umsetzungsschritte im optimalen
bzw. nahe dem optimalen Bereich ab. Der anaerobe Abbau kann damit insgesamt
nur in engen Grenzen maximiert werden. Dafür wird jedoch der technische Auf-
wand minimiert, da nur ein Fermenter benötigt wird. Ziel der technischen Wei-
terentwicklungen sollte es deshalb sein, kostengünstige Fermenterkonzepte zu
entwickeln und umzusetzen, in denen jede einzelne Abbaustufe optimal umge-
setzt werden kann. Derartige Konzepte sind vorhanden, aber bisher technisch
noch zu aufwändig und damit teuer. Mit dem Ziel einer weiteren Effizienz-
steigerung müssen derartige Konzepte – unter Kosteneffizienzgesichtspunkten
– aber forciert entwickelt werden.
• Gärrestaufbereitung. Der überwiegende Anteil des Gärrestes besteht aus Wasser,
das bei der Ausbringung (kostenintensiv) transportiert werden muss. Außerdem
benötigen einige Biogasanlagenkonzepte z. T. erhebliche Wassermengen dann,
wenn sie eine Anmaischung der Substrate mit Frischwasser realisieren. Eine
Gärrestaufbereitung kann hier eine Win-win-Situation schaffen, da mit dem
aus dem Gärrest abgetrennten Wasser eine Anmaischung des Frischsubstrats
realisiert werden kann und gleichzeitig noch ein Teil der aktiven Biomasse in
den Abbauprozess rückgeführt werden kann. Die Entwicklung entsprechender
Techniken und Konzepte, die den jeweils gegebenen Anforderungen möglichst
maximal Rechnung tragen, gewinnt deshalb in den kommenden Jahren zuneh-
mend an Bedeutung. Dies gilt insbesondere auch für die Kombination einer Ver-
gärung und einer Kompostierung.
Neben diesen Einzelaspekten müssen auch die den landwirtschaftlichen Biogas-
anlagen heute zugrunde liegenden Konzepte zukünftig weiterentwickelt werden,
um den sich ändernden Rahmenbedingungen und Anforderungen adäquat Rech-
nung zu tragen. Dies gilt unter anderem im Hinblick auf die folgenden Aspekte.
• Größere Anlagenleistungen. Steuert der Gesetzgeber dem nicht durch die Set-
zung der energie- und umweltpolitischen Rahmenbedingungen entgegen, wird
es – economy of scale folgend – zukünftig aufgrund von Kostenreduktions-
zwängen zu tendenziell größeren Anlagenleistungen kommen. Diese sind spezi-
fisch kostengünstiger und i. Allg. technisch ausgereifter, da eine aufwändigere
Anlagentechnik eher bei größeren Anlagen ökonomisch darstellbar ist und der
Betrieb hier i. Allg. von geschultem Fachpersonal realisiert wird. Insgesamt
werden die in Biogasanlagen installierten Leistungen aber immer in einem ver-
gleichsweise moderaten Leistungsbereich (d. h. der untere bis mittlere einstel-
lige MW-Bereich bezogen auf die installierte Gasleistung) bleiben, da die mit
steigender Leistung deutlich ansteigenden Biomassebereitstellungskosten einer
weiteren Leistungssteigerung entgegenstehen.
• Biogaseinspeisung. Der energiewirtschaftliche Rahmen (EEG) in Deutsch-
land forcierte bisher eine Biogasverstromung. Dies hat jedoch den Nachteil,
dass dadurch die in Koppelproduktion anfallende Wärme oft nur eingeschränkt
genutzt werden kann und dadurch die ökonomischen und ökologischen Parameter
der Gesamtanlage – trotz einer Vielzahl ökologischer Vorteile – eher bescheiden
4.3 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 261
ausfallen. Dieses Problem kann dann gelöst werden, wenn das Biogas an Stand-
orte transportiert wird, an denen eine entsprechende Wärmesenke gegeben ist
und die in Koppelproduktion anfallende thermische Energie (nahezu) voll-
ständig genutzt werden kann; dies kann durch eine Einspeisung des Biogases
in lokale Biogasnetze oder – nach einer entsprechenden Aufbereitung – in das
Erdgasnetz erreicht werden (aus ökonomischer Sicht sind diese Ansätze aber
nur bei einer entsprechend großen installierten Gasleistung der Biogasanlage
umsetzbar). Hinzu kommt, dass – ist das Biomethan im Gasnetz vorhanden – es
unter anderem auch als effizienter Biotreibstoff in CNG-Fahrzeugen eingesetzt
werden kann. Deshalb ist zu erwarten, dass durch die staatlich angestrebte Ver-
besserung der ökologischen Kenngrößen zukünftig die Biogaseinspeisung merk-
lich an Bedeutung gewinnen wird.
• Minimierung der gasförmigen Emissionen. Biogas ist bereits seit Jahren in der
Kritik, unter anderem bezüglich möglicher Methan-Leckagen und potenzieller
Stickstoffoxid- bzw. Lachgas-Emissionen, welche die Klimabilanz einer Biogas-
erzeugung deutlich verschlechtern können. Deshalb ist zu erwarten, dass der
Gesetzgeber die diesbezüglichen Umweltstandards entsprechend anpassen bzw.
verschärfen wird. Damit ist es wahrscheinlich, dass zukünftig die Anlagentech-
nik umweltfreundlicher – und das meint vor allem – klimaverträglicher aus-
geführt werden muss; dies ist mit potenziell höheren Investitions- und Betriebs-
kosten verbunden.
Neben diesen Maßnahmen an der eigentlichen Anlage gewinnt auch die
Optimierung der Substratproduktion und -aufbereitung an Bedeutung, da hier
ebenfalls Verbesserungspotenziale erschließbar sind. Nachfolgend werden einige
Beispiele diskutiert.
• Weitere Energiepflanzen. Zukünftig müssen bei der Produktion von Ener-
giepflanzen nicht nur die flächenspezifischen Aufwuchsraten erhöht werden,
sondern auch alternative Pflanzenarten und -sorten gefunden werden, die unter
den Bedingungen in Deutschland umweltverträglich und nachhaltig – und das bei
einem hohen Produktionsniveau – anbaubar sind (unter anderem gute Bodenbe-
deckung im Winter, Bodenerosion in der vegetationsarmen Zeit vermeiden)
und zusätzlich einen hohen Gehalt an leicht zu vergärenden Inhaltsstoffen auf-
weisen. Des Weiteren müssen Anbau- und Erntetechniken sowohl im Hinblick
auf eine Minimierung der energetischen Verluste als auch auf die Reduzierung
der unerwünschten ökologischen Folgen optimiert werden.
• Erweiterung der nutzbaren Rückstände, Nebenprodukte und Abfälle. Da
von der Stoffgruppe der Rückstände, Nebenprodukte und Abfälle (d. h. Rest-
stoffe) in landwirtschaftlichen Biogasanlagen bislang hauptsächlich Gülle einge-
setzt wird, kann hier die Ressourcenbasis erweitert werden. Deshalb werden
heute teilweise schon Gras von Landschaftspflegeflächen und andere landwirt-
schaftliche Nebenprodukte (z. B. Stroh) als Substrate in landwirtschaftlichen
Anlagen eingesetzt; dies gilt auch für andere agrarische Stoffströme, für die
bisher keine stoffliche und/oder energetische Verwertungsmöglichkeit vor-
handen ist (z. B. diverse Ernterückstände); bei derartigen Substraten besteht
auch keine Konkurrenz zu der Nahrungsmittelindustrie. Weiterhin könnten auch
262 4 Technische Aspekte
4.4.1 Einleitung
Viele Wege führen nach Rom und ebenso viele führen zu einer gut funktionierenden
effizienten Biogasanlage. Wer heute eine Biogasanlage bauen möchte, kann zur
Realisierung verschiedene Wege einschlagen. War vor zehn Jahren noch das Kon-
zept der Selbstbauanlage das Mittel der Wahl, werden die Biogasanlagen heute als:
• schlüsselfertige Biogasanlage vom Generalunternehmer oder
• vom Fachplaner ausgelegte Biogasanlage
realisiert. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile und je nach Typ des
Betreibers auch die besseren Realisierungschancen. Der folgende Artikel will Vor-
und Nachteile, Risiken und Vermeidungsstrategien für den erfolgreichen Weg von
der Idee bis zur fertigen Biogasanlage aufzeigen.
Zunächst ist die Frage: Baue ich eine „Planeranlage“ mit Ausschreibung der
Gewerke an viele einzelne Bauabschnittslieferanten oder wird alles an einen
Generalunternehmer vergeben?
Im ersten Fall kann man mit regelmäßigen Baubesprechungen rechnen. Der
Bauherr selbst ist in die Planung meist sehr viel mehr eingebunden und kann auf
kurzem Weg seine Wünsche an den Planer weitergeben. Der Nachteil ist, dass
solche Anlagen von den Erfahrungen leben, die in jüngster Vergangenheit am Markt
Anwendung gefunden haben. Der „Betreibertyp Planeranlage“ hat meist klare Vor-
stellungen, wie seine Anlage aussehen soll. Er hat eigene Lösungsansätze, die er
umgesetzt wissen will und ist vom ersten bis zum letzten Schritt dicht am Projekt.
Generalunternehmen leisten sich häufig eine gehörige Portion Forschung und
Entwicklung, um in der Entwicklung einen Schritt weiter zu sein. Individuelle
Wünsche können nur in geringen Grenzen berücksichtigt werden, da die meisten
Anlagenkonfigurationen standardisiert sind. Zwischen Angebotsanfrage und Unter-
schrift liegt oft nur wenig Informationsaustausch und welche Komponenten zum
Einsatz kommen, ist nur im geringen Maße beeinflussbar. Gute Generalunternehmer
setzen sich intensiv damit auseinander, was nicht geht und warum es nicht geht. Sie
264 4 Technische Aspekte
haben ein Projektmanagement, das für Sie als Kunden das Beste herausholt. Die
meisten Fertigstellungsrisiken dürften damit ausgeschlossen sein. Der Betreibertyp
Generalunternehmeranlage möchte also sicher gehen. Er setzt auf standardisierte
Anlagenkonzepte und etablierte Technik, die schlüsselfertig übergeben werden.
Sicher gibt es nicht nur die beiden Typen Hersteller und Betreiber, sondern eine
breite Palette individueller Menschen. Man wird jedoch feststellen, dass der eine
mehr in die, der andere mehr in jene Richtung tendiert. Der Erfolg der Anlage hängt
sicher zu einem großen Teil von der Biogasanlage ab. Aber vergessen wir nicht: Ob
„Planeranlage“ oder „Generalunternehmeranlage“ – der spätere Betrieb der Anlage
trägt einen maßgeblichen Anteil zum Gelingen des Projektes bei.
Nun kann das Bauen beginnen. Der Hersteller/Planer ist ausgewählt und die
Genehmigung liegt vor. Egal, ob Generalunternehmer oder Planeranlage, die
Errichtung einer Biogasanlage bedarf Planung und Koordination. Bei der General-
unternehmeranlage liegt alles in der Hand des Anlagenbauers. Bei der Planeranlage
ist der Betreiber eng eingebunden und oft selbst gefragt. Die Probleme sind aber oft
dieselben.
Der Hocker in Abb. 4.17 steht nicht ohne Grund auf drei Beinen. Alle drei Kom-
ponenten – die technischen, die organisatorischen sowie die persönlichen Vorausset-
zungen – sollten ausreichend und ausgewogen beachtet und wertgeschätzt werden.
Kommt eine Voraussetzung zu „kurz“, gerät der gesamte Hocker in „Schieflage“.
Schlimmstenfalls kippt er um. Dieses Bild lässt sich sehr einfach auf jedes Projekt
übertragen.
Zur Verarbeitung vor Ort können verschiedenste Geräte und Materialien zum Einsatz
kommen. Über folgende Fragen sollten man sich zum Beginn jeder Unternehmung
Gedanken machen.
• Passen Aufgabe und Werkzeug zusammen?
• Sind die entsprechenden Werkzeuge zum Zeitpunkt des Bedarfes verfügbar?
• In welchem Zustand befinden sich die technischen Komponenten?
Passen Aufgabe und Werkzeug zusammen? Beispiel Tiefbau
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Rohrleitungsgräben vorzubereiten, die
auch im Preis bisweilen deutlich unterschiedlich sind. Ein Minibagger ist häufig
unumgänglich, wenn der Platz räumlich sehr eingeschränkt ist. Er ist aber fast nie
die Lösung für den gesamten Tiefbau. Es kommt aber vor, dass die Verfügbarkeit
der anderen Bagger, Pflüge oder Fräsen nicht gegeben ist. Nicht selten bekommt
der Planer den spontanen Anruf, dass die Baustelle vorverlegt werden muss, da eine
andere Baustelle mit Problemen behaftet ist, die einen Baustopp verursacht haben.
Sind die entsprechenden Werkzeuge zum Zeitpunkt des Bedarfes verfüg-
bar? Meist führt das sofort zu einem organisatorischen Problem. Dann ist abzu-
wägen, wann auf die Technik verzichtet, ob sie substituiert oder ob sie zeitlich
verschoben werden kann. Dann ist vielleicht die Verfügbarkeit gegeben, aber der
technische Zustand nicht akzeptabel.
In welchem Zustand befinden sich die technischen Komponenten? Kaum
ein Unternehmen zieht den Bautrupp von einer abgeschlossenen Baustelle nach
Hause und macht eine Werkzeugrevision. Ein Arbeitsmittel wird meist so lange
betrieben, bis es kaputt ist. Dies passiert in aller Regel nicht am Ende der Arbeit,
sondern vielmehr genau dann, wenn es im härtesten Einsatz ist und am dringendsten
gebraucht wird. Manchmal ist das unvermeidbar. Dennoch sollte bei den aus-
führenden Firmen bekannt sein, wie lange eine Ersatzbeschaffung dauern würde.
Hier ist Vorplanung unabdingbar. Für alles sofort einen Ersatz zu haben, wäre
266 4 Technische Aspekte
Beispiel
Ein sehr großer Hersteller von Baugruppen im Bereich Heizungstechnik hat es
über mehrere Wochen nicht geschafft, sein Angebot zu unterbreiten. Im Angebot
wurde mehrfach das Lastenheft ignoriert. Die Inhalte mussten mehrfach
angepasst werden. Geliefert wurde in Etappen, deutlich nach dem verabredeten
Liefertermin, obwohl die Zusagen so verbindlich waren, dass der Hauselektriker
zu den versprochenen Terminen vor Ort gewesen ist. Diese Zeit hat der Elek-
triker in Rechnung gestellt.
Warum lief dieses Projekt gut? Die Stärke dieses Herstellers war es, sich auf
die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Projektes und Kunden einstellen zu
können. Ein Kunde beschreibt am Telefon eine Aufgabenstellung und der Planer
hat gelernt, sich in den Kunden hinein zu versetzen. Er war nicht darauf reduziert,
alles mit Bestandsbauteilen abzuwickeln. Er hat das Einzelteil für den Kunden so
entworfen, wie er es brauchte.
Beispiel
Und noch ein Beispiel speziell zum Punkt „Zeitliche Abfolge mit Menschen, auf
die sie keinen direkten Einfluss haben“:
Ein Kunde will eine Versorgungsleitung über mehrere fremde Grundstücke
legen. Die Eigentümer stimmen mündlich zu. Weil die Zeit drängte, wurden Bau-
planung und Vertragsabwicklung parallel voran getrieben. Die Baumaßnahme
stand bevor und der Vertrag sollte unterzeichnet werden, als ein Eigentümer
plötzlich absagte. Infolgedessen wird die Baumaßnahme abgebrochen. Erheb-
liche Verzögerungen und Mehrkosten gefährden nun den Erfolg.
• Elektrotechnik
• Betriebsführung
• etc.
In der Unterhierarchie kann dann in Teilbereiche aufgeteilt werden. Bei themen-
orientierter Vorgehensweise, z. B. den Fermenterbau in: Tiefbau, Betonbau, Gas-
speicher, Sicherheitstechnik, Elektrotechnik, Rührwerke etc. Ablauforientiert
würde man innerhalb des Gewerkes in Bauphasen der Hauptkomponenten unter-
teilen, z. B. Elektrotechnik: Fütterung, Rührwerke, BHKW, Beleuchtung etc. Auf
diese Weise lässt sich das Projekt gut strukturieren. Der Projektplan muss regel-
mäßig in Frage gestellt und gepflegt werden. Folgende Fragen sollten regelmäßig
gestellt werden:
• Läuft alles nach Plan?
• Wenn nein: Ist das schlimm? Hat das inakzeptable Konsequenzen?
• Wie kann die Differenz ausgeglichen werden?
• Ist ein „Plan B“ wirtschaftlich tragbar?
Auch bei guter Planung kann es zu unvorhersehbaren und außerplanmäßigen
Problemen kommen. Es ist nicht leistbar, alle Projektphasen hintereinander zu
legen. Es ist immer mit Überschneidungen zu rechnen, die einem ein Ausweichen
erlauben müssen. Bei allem gilt: Durchführung einer Rückwärtsterminierung und
Schaffung stiller Reserven. Wichtig ist, dass jede Phase für sich eine gewisse Puffer-
fähigkeit mit bringt. Es muss klar sein, dass verfügbare Ressourcen meist voll aus-
geschöpft werden. Wenn man für eine Bauphase eine gewisse Zeit zur Verfügung
hat, kann man sicher davon ausgehen, dass diese auch benötigt wird. Hat man eine
Woche mehr Zeit, wird auch diese verbraucht, ohne dass sich jemand dabei gelang-
weilt hätte oder gar die Qualität der Ausführung gestiegen wäre. Wichtig ist, dass
die Reserven wirklich „still“ sind. Andernfalls sind sie im Arbeitsfortschritt als
freies Gut verbraucht, bevor sie dazu freigegeben werden. Dazu nimmt man bei-
spielsweise nicht den absolut letzten Termin als Zieltermin, sondern einen Termin
einige Tage zuvor. Diesen Termin sollte man schlüssig begründen können, ohne den
zeitlichen Puffer zum tatsächlichen Zieltermin preis zu geben.
Beispiel
Ein Beispiel zur Ein- und Aufteilung der täglichen Arbeiten:
Das Melken kann ich nicht verschieben (Gesetzte Arbeitszeit)
Meine Konzentration ist von 10–12 am besten (dort sollte ich wichtige Arbeiten
verrichten)
Warum klingelt immer mittags das Telefon? (Telefon stumm stellen oder Mittag
verschieben)
Die Mittagsmüdigkeit haut mich um (Mittagspause oder leichte Aufgaben)
Beispiel
Gasleitungen sind heute in aller Regel oberirdisch aus Edelstahl und unter-
irdisch aus PE-Rohr. Dies wird in der TI 4 der landwirtschaftlichen Berufs-
genossenschaft so vorgegeben. Welche Qualifikation derjenige haben muss,
der Gasleitungen verlegt, ist nur festgelegt, wenn die Gasleitung das Betriebs-
gelände verlässt. Dann gelten automatisch die Regeln der DVGW. Die können
aber als adäquate Basis herangezogen werden, was unter Umständen aber auch
zu Kostensteigerungen führen kann.
Beispiel:
Für ein Wärmenetz soll das Material der Wärmeleitungen festgelegt werden. Auf
dem Markt sind sowohl Stahlleitungen als auch Kunststoffleitungen erhältlich.
Die Summe der Kosten für Material und Verarbeitung ist bei einfachen Netzen
bei beiden Werkstoffen ähnlich. Meist überwiegen die Vorteile der Stahlleitung:
Die Lecküberwachung ist einfach zu realisieren und hohe Temperaturen können
dem Medienrohr nichts anhaben und führen nicht zu einer stärkeren Alterung des
Materials. Es gilt aber trotzdem, sich die örtlichen Gegebenheiten genau anzu-
schauen, um den für den Anwendungsfall geeignetsten Werkstoff auszuwählen.
• Die Leitung wird – wie so häufig – erst im späten Herbst verlegt. Wir haben also
niedrige Temperaturen und viel Regen. Das verzögert den Bau erheblich und
lässt die Kosten explodieren.
• Der Tiefbauer, der Rohrleitungshersteller, der Verleger, der Schweißer und der
Hersteller der Isolierung sind in diesem Projekt nicht ein Team, sondern kommen
häufig aus verschiedenen Firmen. Jede Firma hat weitere Kunden und die Anfahrt
soll sich schließlich lohnen. Jede Folgefirma bedeutet Wartezeit auf das jeweils
nächste Gewerk. Aber es muss doch schnell gehen – Straßen werden gesperrt,
die Leitungsgräben fallen ein, der Grundwasserspiegel kann steigen und der
Koordinator versucht, die gerade genannten Firmen aufeinander abzustimmen.
Nicht selten kommt es dabei zu einem Baustopp wegen Wintereinbruch. Weiter
machen bitte erst im Frühjahr.
• Sie haben den Unmut der Anlieger auf sich gezogen, schließlich ist die gesamte
Ortschaft über Monate ein Baustellenschlachtfeld.
• Sie haben während des schönen langen Winters keine Wärme verkauft, eventuell
sind Sie Ihren Vertragsverpflichtungen nicht nachgekommen und weil die Gräben
eingefallen sind, kommt noch einiges an Handarbeit dazu.
Mit erheblichen Mehrkosten, einem Winter Verspätung, einer Menge Frust im
Ort und eventuellen Konventionalstrafen bezüglich der Lieferverträge ist nun alles
geschafft, oder?
Das Stahlnetz ist unter schwierigen Bedingungen gebaut und die Kompensations-
fähigkeit des Rohres bezüglich der Wärmeausdehnungen ist nur begrenzt. Alles ist richtig
ausgelegt, Ausdehnungspuffer wurden eingeplant. Leider ist die Wärmequelle nicht
redundant ausgelegt und fällt regelmäßig aus. Und zwar so lange, dass das Netz signifikant
auskühlt. Mit der Folge, dass die Schweißnähte regelmäßig Spannung und Dehnung aus-
gesetzt werden. Den Maschinenbauern unter den Lesern ist die Wöhlerkurve ein Begriff.
Natürlich hat dieses Rohr, von dem man dachte, es sei schier unverwüstlich, längst nicht
die Fähigkeit, Spannungen und Dehnungen zu kompensieren, wie das alternative Kunst-
stoffrohr. Die Folge: Nach einigen Jahren – dabei ist es nicht eine Frage der Zeit, sondern
vielmehr eine Frage der Anzahl der Last- bzw. Temperaturwechsel – wird das Netz an den
Schweißnähten undicht. Wie gut, dass eine Lecküberwachung vorgesehen ist. Das macht
die Suche nach dem Schaden leichter, die Reparatur ist trotzdem fällig. Und weil alle
Nähte dieser Belastung ausgesetzt sind, kann es durchaus passieren, dass nun regelmäßig
diese Schadensfälle behoben werden müssen.
Dieser inszenierte Verlauf ist sicher eine Ansammlung von möglicherweise auf-
tretenden Schwierigkeiten. An dieser Stelle soll auch das Stahlnetz nicht verteufelt
werden. Dieses Beispiel soll vielmehr zeigen, wie wichtig es ist, genau die Bedingungen
zu prüfen, unter denen die jeweilige Komponente eingesetzt werden soll.
Zusammengefasst heißt das:
• Setzen Sie sich im Vorfeld mit den Details der Aufgabenstellung an die Kom-
ponenten auseinander und entscheiden Sie sich, bezogen auf Ihre Aufgaben-
stellung, für das entsprechende Konzept.
• Holen Sie sich eine neutrale Beratung bei einem Ingenieurbüro.
• Wählen Sie Ihr Material projektbezogen aus.
4.4 Management zentraler Fertigstellungsrisiken 273
Bei einem so großen Projekt wie einer Biogasanlage kann es passieren, dass bei
Projektübergabe noch nicht alles zu 100 % passt. Ein klarer Termin und ein Über-
gabe-Protokoll, in dem Restarbeiten mit Datum der Erledigung schriftlich fixiert
werden, hilft Streitigkeiten und Missverständnisse zu vermeiden. Die wesentlichen
Inhalte werden im Vorfeld absehbar sein und können entsprechend zu diesem
Termin bereinigt sein.
Unanständig sind Formulierungen wie: „Mit der ersten Einspeisung haben wir
eine virtuelle Inbetriebnahme vollzogen“ oder „können die Restarbeiten erst voll-
ziehen, wenn die Schlussrechnung bezahlt wurde.“
274 4 Technische Aspekte
Im Vertrag ist jedoch Vorsicht geboten. Solch ein Verhalten lässt darauf rück-
schließen, dass dies nicht die einzigen Punkte sind, bei denen man nicht einer
Meinung ist. Persönliches Fazit: Ein Patentrezept für den Bau einer Biogasanlage
gibt es nicht. Nur selten werden so viele unterschiedliche Gewerke zusammen
geführt. Nur selten gibt es so viele Einflussfaktoren auf Erfolg oder Misserfolg in
der Bauphase. Es kann noch so viele wichtige Punkte geben, die nicht aufgeführt
sind. Das Wesentliche aus meiner Sicht ist nach wie vor: Das Projekt steht und fällt
mit dem Menschen, der die Fäden in der Hand hält. In der Regel können Sie am
besten Risiken erkennen und durch Präsenz und Sensibilität darauf einwirken.
4.5 Betriebserfahrungen
2
Anlagenzahl differenziert nach Leistungsklassen und installierter elektrischer Anlagenleistung
4.5 Betriebserfahrungen 275
Abb. 4.19 Regionale
Verteilung der in Betrieb
befindlichen Biogas-
anlagen3
Gasleistung von rund 341 MW. Die regionale Verteilung der Biogasanlagen mit
Gasaufbereitung und -einspeisung kann der Abb. 4.20 entnommen werden.
Genehmigungsrechtlich sind ca. 54 % der BGA dem Verfahren nach Baurecht
(BauGB) und etwa 45 % dem nach Immissionsschutzrecht (BImSchG) zuzuordnen.
4.5 Betriebserfahrungen 277
Nur in Einzelfällen ist bei letzterem Verfahren noch zusätzlich eine Umweltverträg-
lichkeitsprüfung (UVP) erforderlich (DBFZ 2011).5
5
Angegeben ist zusätzlich die Vergütungserhöhung für Emissionsminderung für Biogasanlagen
(Betreiberbefragung DBFZ 2010). S. auch DBFZ (2011).
278 4 Technische Aspekte
Abb. 4.21 Inanspruch-
nahme des Technologie-
Bonus6
ein sehr differenziertes Bild. Anlagen mit einer installierten elektrischen Leistung
von mehr als 500 kW beziehen in ihrer Größenklasse mehrheitlich diese Vergütung.
Wohingegen Anlagen bis 500 kWel in ihrer Größenklasse diese Vergütungserhöhung
meist nicht erhalten (DBFZ 2011).6
4.5.1.2 Substrateinsatz
Durch die Einführung des NawaRo-Bonus im EEG 2004 wurde der Einsatz von
nachwachsenden Rohstoffe (NawaRo) forciert und kontinuierlich gesteigert.
Auch das EEG 2009 wirkte sich positiv auf den Einsatz von NawaRo und von
Exkrementen (Gülle und Mist) aus. Mit zusammen 91 % bezogen auf die Masse
werden in deutschen Biogasanlagen lt. Betreiberbefragung 2010 (DBFZ 2011)
gegenwärtig überwiegend Exkremente und NawaRo eingesetzt, s. auch Abb. 4.22.
Dagegen sind Bioabfälle mit 7 Masse-% sowie industrielle und landwirtschaftliche
Reststoffe mit 2 Masse-% bisher von untergeordneter Bedeutung. Der Substratmix
in Biogasanlagen unterscheidet sich dabei jedoch in den verschiedenen elektrischen
Leistungsklassen.
In Kleinanlagen bis 70 kWel werden überwiegend Exkremente vergoren,
während in BGA bis 500 kWel NawaRo und Exkremente nahezu gleichrangig sind.
Größere Anlagen über 500 kWel setzen zu mehr als 55 % NawaRo ein, während der
Exkrementanteil mit steigender Anlagengröße sinkt und der Anteil der Bioabfälle
steigt (s. Tab. 4.8) (DBFZ 2011). Da es in Deutschland bisher eine klare Abgrenzung
zwischen Anlagen mit NawaRo-Bonus und Anlagen gibt, die Substrate einsetzen,
die NawaRo-Bonus-abträglich sind, werden Bioabfälle nur in relativ wenigen BGA
eingesetzt, dort tragen sie aber zu mehr als 70 % zum Substratmix bei (DBFZ 2011).
6
Jeweils differenziert nach Technologie-Bonus 2004 und Technologie-Bonus 2009 (DBFZ
2011).
4.5 Betriebserfahrungen 279
Abb. 4.22
Massebezogener Substrat-
einsatz in Biogasanlagen.
(Gemäß DBFZ 2011)
7
Bezugsgröße: spezifische Methanerträge der eingesetzten Substrate.
280 4 Technische Aspekte
Abb. 4.23
Massebezogener Substrat-
einsatz nachwachsender
Rohstoffe in Biogas-
anlagen. (Gemäß DBFZ
2011)
Abb. 4.24 Ener-
giebezogener Substrat-
einsatz in Biogasanlagen.
(Gemäß DBFZ 2011)7
4.5.1.4 Prozessführung
Die Nassfermentation ist hinsichtlich der Prozessführung von Biogasanlagen die
Technologie, die am häufigsten in Biogasanlagen eingesetzt wird. Der Anteil soge-
nannter Trockenfermentationsverfahren8 am Anlagenbestand ist demgegenüber
gering und liegt zwischen 7 und 12 % (FNR 2009; FNR 2010). Von den klassisch
betriebenen Trockenfermentationsanlagen mit sogenannten Garagenverfahren
(Boxenfermenter) im landwirtschaftlichen Sektor dürften in Deutschland Ende 2010
etwa 60 Anlagen existieren. Nach Angaben der Hersteller sind im vergangenen Jahr
etwa 6 bis 10 neue klassische Trockenfermentationsanlagen in Betrieb gegangen.
Dabei handelt es sich vor allem um Anlagen, die Bioabfälle einsetzen. Da mit dem
EEG 2009 kein Technologie-Bonus für die Trockenfermentation gewährt wurde,
bestanden für neue Anlagen ab diesen Zeitpunkt keine zusätzlichen Anreize, diese
(jetzt auch als Feststoffvergärung bezeichneten) Verfahren in größerem Umfang
einzusetzen.
8
Nach der für den Erhalt des Technologie-Bonus nach EEG 2004 gültigen Definition: diskon-
tinuierlich betrieben: unter anderem Boxen und Garagenfermenter/Batchverfahren; kontinuierlich
betrieben: Pfropfenstromverfahren.
4.5 Betriebserfahrungen 281
Abb. 4.25 Prozess-
führung der Biogas-
anlagen (Gemäß DBFZ
2010)
4.5.1.5 Gasreinigung
Da Rohbiogas neben Methan und Kohlendioxid unter anderem auch Schwefel-
wasserstoff enthält und wasserdampfgesättigt ist, muss es vor der Verwertung in
einem Blockheizkraftwerk (BHKW) getrocknet und entschwefelt werden, um
Schäden am Motor zu vermeiden und eine effektive Verbrennung zu gewährleisten.
Am häufigsten wird nach Angaben der Betreiber (DBFZ 2011) die Luftein-
blasung (88,5 %) als Verfahren der biologischen Entschwefelung eingesetzt.
Dieses wird z. T. noch mit einem weiteren Verfahren der Entschwefelung wie dem
Aktivkohleeinsatz oder der Eisenzudosierung kombiniert. Weitere Verfahren und
ihre Einsatzhäufigkeiten sind in Tab. 4.9 aufgeführt.
4.5.1.6 Gasverwertung
Die Biogasverwertung erfolgt in der Regel als gekoppelte Erzeugung von Strom und
Wärme in Blockheizkraftwerken (BHKW). Die Anwendung in Verbrennungsmotoren
ist Stand der Technik. Als Verbrennungsmotoren werden vorwiegend Gas-Otto-
Motoren oder Zündstrahlaggregate eingesetzt. Diese erreichen elektrische Wirkungs-
grade bis über 40 %. In der Praxis werden beide Motorenarten in unterschiedlichen
Leistungsklassen oftmals kombiniert. Während Gas-Otto-Motoren überwiegend im
mittleren und höheren Leistungsbereich (> 250 kWel) zum Einsatz kommen, werden
Zündstrahlmotoren im Leistungsbereich bis 500 kWel eingesetzt. Für Zündstrahl-
Anlagen, die nach 2007 in Betrieb gegangen sind, sind nur noch Pflanzenöl oder
Pflanzenölmethylester als Zünd- und Stützfeuerung für Zündstrahlmotoren zulässig,
um den Vergütungsanspruch nicht zu verlieren (Scholwin et al. 2009).
Nach Angaben der Betreiber im Rahmen der Betreiberbefragung (DBFZ 2011)
kommen als Verbrennungsmotoren mit 67 % überwiegend Gas-Otto-Motoren zum
Einsatz. Bei etwa 23 % der Biogasanlagen wird zur Verstromung des Biogases ein
Zündstrahl-BHKW eingesetzt. Eine Kombination beider Motorenarten wird nach
Angaben der Betreiber bei etwa 10 % der Biogasanlagen vorgenommen. Bei den
Neuanlagen (Inbetriebnahme 2010, 2011) ist diese Verteilung mit 83 % deutlich
zugunsten der Gas-Otto-Motoren verschoben.
282 4 Technische Aspekte
4.5.1.7 Abgasbehandlung
Mit der Neufassung des EEG im Jahr 2009 wurde die Vergütungserhöhung für
Emissionsminderung neu eingeführt. Demnach haben alle Biogasanlagen, die
nach Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt sind und Biogas zur Verstromung
im BHKW einsetzen, Anspruch auf eine Vergütungserhöhung, sofern die Form-
aldehydgrenzwerte nach dem Emissionsminderungsgebot der TA Luft eingehalten
werden. In diesem Zusammenhang wurden seit der Neufassung des EEG 2009 an
zahlreichen Biogasanlagen im Zuge der Abgasbehandlung Oxidationskatalysatoren
oder eine Thermische Nachverbrennung installiert. Gegenwärtig erhalten knapp
36 % der Betreiber die Vergütungserhöhung für Emissionsminderung (DBFZ 2011).
Nach Angaben der Betreiber sind bei rund 28 % der Biogasanlagen eine
Abgasbehandlung mit Oxidationskatalysator oder thermischer Nachverbrennung
installiert. Die Mehrheit der Biogasanlagen (etwa 72 %) verfügt nach Angaben der
Betreiber über keine weitere Abgasreinigung. Diesbezüglich konnten 604 Rück-
meldungen der Betreiber berücksichtigt werden. Bei den Neuanlagen ist nach
Angaben der Betreiber bei nahezu der Hälfte der Biogasanlagen eine zusätzliche
Abgasbehandlung installiert, bei der anderen Hälfte der Anlagen wird von den
Betreibern angegeben, dass keine weitere Abgasbehandlung erfolgt (n = 37). Eine
Differenzierung nach Art der Abgasbehandlung zeigt, dass bei rund 92 % der
Biogasanlagen ein Oxidationskatalysator zur weiteren Abgasbehandlung installiert
wurde. Die thermische Nachverbrennung spielt als Verfahren zur Abgasbehandlung
nach Angaben der Betreiber eher eine untergeordnete Rolle (DBFZ 2011).
Für die Neuanlagen nach EEG 2009 zeigt sich eine abweichende Vertei-
lung (Abb. 4.26). Die Mehrheit der Neuanlagen, die nach EEG 2009 in Betrieb
gegangen sind, verfügt über ein gasdicht abgedecktes Gärrestlager. Nach Angaben
der Betreiber sind 22 % der Gärrestlager offen.
4.5.1.10 Ausblick
Insbesondere durch die Nutzung organischer Reststoffe wie z. B. Gülle und Fest-
mist und der vollständigen Nutzung der anfallenden Wärme des BHKW wird die
Bedeutung des Energieträgers Biogas hinsichtlich seines Beitrages zu Klimaschutz
und Energieeffizienz gesteigert. Die Einspeisung von Biomethan und dessen Nut-
zung in direkter Nähe zu Wärmesenken ist hier eine Möglichkeit der vollständigen
Nutzung der chemischen Energie des Gases und wird somit weiter an Bedeutung
gewinnen. Gerade die vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten des Biogases für die
Strom-, Wärme- und Kraftstoffbereitstellung sind ein großer Vorteil gegenüber
anderen Energieträgern. Für das Jahr 2011 wird ein erneut starker Biogasanlagen-
zubau erwartet. Ende 2011 wird der Anlagenbestand auf rund 7.000 Biogas-
anlagen mit einer installierten elektrischen Anlagenleistung von rund 2.700 MWel
geschätzt. Daneben werden rund 70–90 Biogasaufbereitungsanlagen auf Erdgas-
qualität aufbereitetes Biogas in das Erdgasnetz einspeisen. Mit dem Inkrafttreten
des novellierten EEG am 1.1.2012 ist für die nächsten Jahre von einem moderaten
Anlagenzubau auszugehen.
Bei Neuanlagen nach EEG 2012 ist weiterhin mit einem hohen Einsatz von
nachwachsenden Rohstoffen zu rechnen, wobei durch die Novellierung eine Ver-
schiebung des Anteils weg von Maissilage und Getreidekorn hin zu Getreide-
ganzpflanzensilage (Getreide-GPS), Grassilage, Zuckerrübe und ggf. auch Hirse
zu erwarten ist. Auch kleine Hofanlagen (höchstens 75 kW) zur regionalen Nut-
zung von Exkrementen und der daraus erzeugten Energie werden, bedingt durch
4.5.2 Erfahrungen
Das Biogas-Messprogramm II (FNR 2009) hat deutlich gezeigt, dass vor allem für
den landwirtschaftlichen Sektor der Betriebszweig Biogaserzeugung von großem
Interesse ist. Wesentliche Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Erfolg
liegen hierbei in einer Anlagentechnik und Betriebsweise, die auf die eingesetzten
Substrate abgestimmt sind. Des Weiteren müssen am Standort der Biogasanlage
eine effiziente und kostengünstige Substratbereitstellung/-ausnutzung sowie die
umfassende Verwertung des Biogases oder die Einspeisung in das Gasnetz gewähr-
leistet sein. In der Praxis hat sich gezeigt, dass häufig noch Optimierungspotenziale
ausgeschöpft werden können (FNR 2009).
Die Anlagenverfügbarkeit und damit die Volllaststundenzahl der Biogasanlagen
sind stark von den Ausfallzeiten entlang der gesamten Prozesskette abhängig.
Das BHKW, die Eintragstechnik und die Rührtechnik wurden von den Anlagen-
betreibern (DBFZ 2011) als die drei häufigsten Ursachen für Ausfallzeiten im
Jahr 2010 genannt, s. auch Tab. 4.10. Bei mehr als 70 % der Biogasanlagen führte
das BHKW zu Ausfallzeiten. Wesentlich seltener wurden Schaum, Schwimm-
schichten, Übersäuerung und Korrosion als Ursachen für Ausfallzeiten angegeben.
Damit liegen die Ursachen für Ausfallzeiten an Biogasanlagen überwiegend in der
Anlagentechnik und nicht in der Prozessbiologie.
Der Umfang der Ausfallzeiten im Jahr 2010 an den befragten Biogasanlagen
liegt im Mittel bei 7,2 Tagen. Nach Angaben von 447 Betreibern lagen die Ausfall-
zeiten bei der Hälfte der Biogasanlagen insgesamt unter vier Tagen, bei der anderen
Hälfte darüber (Median: 4 Tage). Ein Betreiber gab an, dass die Ausfallzeit im ver-
gangenen Jahr bei 100 Tagen lag. Es wurden jedoch keine Angaben zum Grund
dieses langen Ausfalls gemacht. 28 Betreiber gaben an, dass es im vergangenen
Jahr an ihrer Anlage zu keinen Ausfallzeiten gekommen ist. Abbildung 4.27 ver-
deutlicht, dass die Mehrheit der Anlagen Ausfallzeiten bis zu 5 Tagen im Jahr auf-
weisen. Bei über 30 % der Anlagen liegen die jährlichen Ausfallzeiten zwischen 3
und 5 Tagen. Eine Differenzierung der Ausfallzeiten nach Größenklassen hat keine
wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der auftretenden Ausfallzeiten gezeigt.
286 4 Technische Aspekte
4.5.2.1 Prozessbiologie10
In Tab. 4.11 werden die Mittelwerte und Spannweiten verschiedener Parameter
der Prozessbiologie betrachtet, die in Messprogrammen an Praxisanlagen erhoben
wurden.
Bei 1.000 NawaRo-Anlagen wurde in Tab. 4.12 ausführlich Beschriebenes,
bezüglich der flüchtigen organischen Säuren festgestellt (Hölker 2008b).
4.5.2.2 Anlagentechnik
In Abschn. 4.5.1 wurde ein Überblick zum Biogasanlagenbestand in Deutschland
gegeben, der an dieser Stelle noch ergänzt werden soll. Im Rahmen des Biogas-
Messprogramms II (FNR 2009) wurden bundesweit die Daten von 413 Biogas-
anlagen erhoben. Bei der Einbringung von Feststoffen werden bei 84 % der Anlagen
Schneckensysteme benutzt und bei 9 % eine Vorgrube. Presskolben, Einspülschacht
und Radlader (nur bei Boxenfermentern zur direkten Einbringung) sind dagegen
10
Jeweils bezogen auf die Rückmeldungen gemäß DBFZ (2011).
4.5 Betriebserfahrungen 287
Tab. 4.12 Bereiche für Konzentrationen von flüchtigen organischen Säuren. (Lebuhn et al.
2008, S. 118–125)11
Säure Mittelwert (g/l) Empfohlener Bereich (g/l)
Essig- 1,46 0–2,99
Propion- 0,65 0–0,60
Butter- 0,07 0–0,05
Isobutter- 0,08 0
Valerian- 0,03 0–0,11
Isovalerian- 0,12 0
Capron- 0,02 0–0,02
Dargestellt sind die Mittelwerte und die empfohlenen Bereiche anhand von 1000
11
NawaRo-Anlagen.
4.5 Betriebserfahrungen 289
Betriebsstunden
Nach Angaben der Betreiber erreichen die Biogasanlagen eine mittlere Betriebs-
stundenanzahl von 8.225 h im Jahr. Der statistische Median liegt dabei bei 8.500 h/a.
Das zeigt, dass laut dieser Befragung die Hälfte der Biogasanlagen eine Betriebs-
stundenzahl von > 8.500 aufweist. Die mittlere Volllaststundenzahl der Biogas-
anlagen liegt nach Angaben der Betreiber bei 7.673 h/a. Der statistische Median
liegt dabei bei 8.000 h/a (DBFZ 2011).
Eine Aufschlüsselung der Volllaststunden nach dem Inbetriebnahmejahr der
Anlage zeigt, dass jüngere Biogasanlagen nach Angaben der Betreiber eine höhere
Volllaststundenzahl erreichen als ältere Biogasanlagen. Während 50 % der Biogas-
anlagen, die vor 2000 in Betrieb gegangen sind, eine Volllaststundenzahl von über
7.900 h/a erreichen, erzielen 50 % der Biogasanlagen, die im Jahr 2009 in Betrieb
gegangen sind, eine Volllaststundenzahl von über 8.200 h/a (Tab. 4.13). Zudem ist
290 4 Technische Aspekte
der Schwankungsbereich der erzielten Volllaststunden bei älteren größer als bei
neueren Biogasanlagen (Tab. 4.13) (DBFZ 2011).
Eigenstrombedarf
Der Eigenstrombedarf der deutschen Biogasanlagen liegt im Durchschnitt bei
7,8 %. Der mittlere Eigenstrombedarf der Anlagen bezogen auf die installierte Leis-
tung ist in Tab. 4.14 detaillierter dargestellt. Es ist zu erkennen, dass insbesondere
im kleineren Leistungsbereich (≤ 70 kWel) die Biogasanlagen einen höheren Anteil
des Eigenstrombedarfs an der produzierten Strommenge aufweisen. Ein genereller
Zusammenhang zwischen der Anlagengröße und dem Eigenstrombedarf der
Anlagen ist jedoch nicht erkennbar (DBFZ 2011).
Eigenwärmebedarf
Der Eigenwärmebedarf einer Biogasanlage ist stark abhängig vom einge-
setzten Substrat, dem Fermentervolumen und der Anlagengröße. Im Ergebnis der
Betreiberbefragung liegt der mittlere Eigenwärmebedarf der betrachteten Biogas-
anlagen nach Angaben der Betreiber bei 27 % der produzierten Wärmemenge. Bei
12
Standardabweichung und Median in Abhängigkeit von dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme der
Anlage.
13
In Abhängigkeit von der installierten elektrischen Anlagenleistung.
4.5 Betriebserfahrungen 291
68,3 % der Anlagen wurde ein Eigenwärmebedarf zwischen 9 und 44 % (x–± σ)
ermittelt. Diesbezüglich konnten 228 Rückmeldungen der Betreiber berücksichtigt
werden. Es ist zu beachten, dass zahlreiche Betreiber darauf hinwiesen, dass der
Eigenwärmeverbrauch der Anlage nicht gemessen wird. Die Angaben der Betreiber
sind somit oft mit großen Unsicherheiten behaftet (DBFZ 2011).14
Bezogen auf die installierte Anlagenleistung variiert der Eigenwärmebedarf der
Biogasanlagen in Abhängigkeit von der Anlagengröße. In Tab. 4.15 ist der mittlere
Eigenwärmebedarf bezogen auf die installierte Leistung abgebildet. Der Zusammen-
hang zwischen installierter Anlagenleistung und Eigenwärmebedarf wird dabei
sehr deutlich. Biogasanlagen im kleinen Leistungsbereich haben einen deutlich
höheren Wärmebedarf als Anlagen im größeren Leistungsbereich (> 500 kWel). Das
ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich im kleineren Leistungsbereich das
Verhältnis der Anlagengröße zum Output und Volumen zur Fermenteroberfläche
ungünstig darstellt. Zudem hat bei kleinen Anlagen Gülle eine große Bedeutung als
Einsatzsubstrat, das aufgrund des hohen Wasseranteils einen höheren Wärmebedarf
als andere Substrate hat (DBFZ 2011).
Störungen
Wie einleitend in Abschn. 4.5.2 beschrieben, werden von den Betreibern eher
technische als biologische Störungen als Ursachen für Ausfallzeiten der BGAs
angegeben (DBFZ 2011). Auch beim Biogas-Messprogramm II zeigte sich, dass
BHKW, Feststoffeintrag, Rührwerke und Pumpen mit zusammen mehr als 80 %
den größten Teil der Arbeitszeit zur Störungsbeseitigung beanspruchen (FNR 2009).
Einleitung
Die Vergärung von organischen Abfällen spielt, verglichen mit der Anzahl und der
Kapazität von Biogasanlagen, die nachwachsende Rohstoffe und oder tierische
Exkremente einsetzen, bisher nur eine untergeordnete Rolle in Deutschland.
14
Dargestellt ist zusätzlich die Standardabweichung in Abhängigkeit von der installierten elek-
trischen Anlagenleistung
292 4 Technische Aspekte
Organischer Abfall/Bioabfall stellt aber eine wichtige Ressource dar, die nicht in
Konkurrenz zur Nahrungsmittel- und Futterproduktion steht (BMU 2009). Durch
die Nutzung des geschätzten Biogaspotenzials der organischen Abfälle könnte in
Deutschland ca. 1 % des Endenergiebedarfs gedeckt werden (Ramesohl et al. 2006).
Bis zum Jahr 2005 wurden organische Abfälle, die nicht schon über Biotonnen
gesammelt wurden, in Deutschland zusammen mit dem Restabfall in gesicherten
Deponien abgelagert. Das Ablagerungsverbot für unvorbehandelte Abfälle aus dem
Jahr 1993 gab der Abfallwirtschaft einen deutlichen Impuls, sich gezielter mit der
im Siedlungsabfall enthaltenen Organik zu beschäftigen. Daraus haben sich ver-
schiedene Herangehensweisen entwickelt, die bis heute Bestand haben.
Zur Behandlung des Restabfalls haben sich Müllverbrennungsanlagen (MVA)
und mechanisch-biologische Behandlungsanlagen (MBA) nebeneinander etabliert.
So werden beträchtliche Mengen biologisch abbaubarer Abfälle als organischer
Bestandteil des Restabfalls in den MVA mit verbrannt bzw. in MBA biologisch
(anaerob/aerob) behandelt. Erst seit dem Jahr 2008 wird die organische Fraktion
des Restabfalls in einer steigenden Zahl von MBA in einer zusätzlichen Vergärungs-
stufe behandelt, um Biogas zu gewinnen. MBA, die die anaerobe Behandlung des
Restabfalls vorsehen, gibt es schon seit 2005.
Die getrennte Sammlung und Behandlung von organischen Abfällen entstand in
den 80er Jahren zum Zweck, den Anteil an Organik im Restabfall und damit die bis
dahin stetig wachsende Restabfallmenge zu reduzieren und stattdessen einen wert-
vollen organischen Dünger zu produzieren. In der DDR wurden Küchenabfälle zu
Fütterungszwecken flächendeckend erfasst.
Auch heute noch werden getrennt gesammelte Bioabfälle fast ausschließlich
kompostiert. 90 % werden aerob und nur 10 % anaerob behandelt, dieses Verhältnis
soll sich deutlich zu Gunsten der Vergärung ändern. Das Potential vergärbarer Bio-
abfälle beträgt ca. 4,1 Mio. Mg (Knappe et al. 2007).
Es wird nur noch so viel Elektroenergie am Standort erzeugt, wie nötig ist, um den
Wärmebedarf der Gärreaktoren mittels der Abwärme der BHKW zu decken.
Die Restabfallvergärung stellt wegen des großen Anteils an groben Störstoffen
und abrasiven mineralischen Bestandteilen besondere Anforderungen an die
Anlagenbetreiber. Beschädigungen, Verstopfungen und massive Sedimentations-
prozesse werden erst nach und nach beherrscht. Feststoffvergärungsverfahren
scheinen mit dem zu vergärenden Restmüll bzw. den organischen Teilströmen
besser klar zu kommen.
Die vergorenen Substrate werden i. d. R. aerob nachbehandelt und dann auf
Deponien abgelagert. MBA erzeugen keinen für den Einsatz in der Landschaft geeig-
neten organischen Output. Für die Ablagerung auf Deponien muss der behandelte
Abfall ausreichend inert sein, d. h. er darf in der Deponie nicht mehr mit anderen
Substanzen oder Medien reagieren und sich nicht weiter abbauen. Überprüft wird
diese Stabilität mit einem Gärtest (Gasbildungsrate in 21 Tagen – GB21) oder der
Feststellung noch vorhandenen Abbaupotentials im aeroben Milieu (Atmungs-
aktivität innerhalb von 4 Tagen – AT4). Es gelten die Regelungen der Deponiever-
ordnung (2009).
MBA-Betreiber prüfen derzeit, den behandelten organischen Teilstrom nicht
mehr zu deponieren, sondern mit Abwärme zu trocknen und anschließend ther-
misch zu nutzen.
Abb. 4.29 Bioabfall-
vergärungsanlagen in
Deutschland. (DBFZ
2011)
Abb. 4.30 Zusammenset-
zung von Bioabfallver-
gärungsanlagen. (Kern
und Raussen 2011)
abschöpfbaren organischen Anteil auf ca. 4 Mio. Mg jährlich, ein Großteil davon
sollte vergärbar sein.
Eine Studie von Kern und Raussen (2011) ergab eine Gesamtkapazität der 92
untersuchten Bioabfallvergärungsanlagen (Anlagen, die Abfälle verwerten, die der
Bioabfallverordnung unterliegen) von ca. 2,6 Mio. Mg/a (davon 450.000 Mg Gülle)
und eine installierte Leistung von 85 MWel. Abbildung 4.30 zeigt die Zusammenset-
zung der Inputstoffe der in der Studie untersuchten Bioabfallvergärungsanlagen.
Laut H&K (2009) machen die Biotonnenabfälle aber nur einen Anteil von 23 % am
Input von Vergärungsanlagen aus.
Werden kommunale Bioabfälle vergoren, gelten die Anforderungen der Bio-
abfallverordnung (1998) (vgl. Abb. 4.30).
Neben den vergärbaren Abfällen, die in den Haushalten anfallen, entstehen
auch Abfälle in Industrie und Gewerbe, die unter Beachtung der rechtlichen und
hygienischen Anforderungen, vergärbar sind. Diese Abfälle stammen aus der Her-
stellung, dem Vertrieb und der Zubereitung von Lebensmitteln (Lebensmittelindus-
trie, Handel, Großküchen). Diese Abfälle werden als „Nicht für den menschlichen
Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte“ häufig in Kategorie 3 der Verord-
nung (EG) Nr. 1774/2002 und des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz
(TierNebG 2004) eingeordnet. Besonders zu beachten sind die hohen Anfor-
derungen an die Hygienisierungsleistung der Anlagen, die „nicht für den mensch-
lichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte“ behandeln bzw. verwerten.
Der Co-Vergärung sind dann recht enge Grenzen gesetzt. Eine Co-Vergärung
muss immer die Anforderungen der am strengsten reglementierten Abfallfraktion
erfüllen, die eingesetzt wird.
Werden Klärschlämme ausgefault (vergoren), gelten die Anforderungen der
Klärschlammverordnung (1992).
4.5.2.4 Umweltwirkungen
Die Biogasgewinnung und -nutzung stellt grundsätzlich und gegenüber fossilen
Energieträgern einen ökologisch sehr vorteilhaften Pfad der Energiebereitstellung
dar. Hierbei ist festzustellen, dass die Nachhaltigkeit der Biogaserzeugung und -nut-
zung vorwiegend von der Wahl der Substrate, der Qualität (Effizienz und Emis-
sionen) der Anlagentechnik und der Effizienz der Nutzung des Energieinhaltes des
produzierten Biogases abhängig ist. Beispielsweise werden durch den Gülleeinsatz
im Biogasprozess nicht nur verfügbare und anderweitig nicht energetisch nutzbare
Substratmengen sinnvoll genutzt; gleichzeitig werden auf diese Weise resultierende
Emissionen der konventionellen Güllelagerung vermieden. Treibhausgasemissionen
von etwa 500 g CO2-Äquvalent/kWh Strom werden bei der Biogasgewinnung aus
Gülle gegenüber einer reinen Güllelagerung vermieden (Jungmeier et al. 1999,
S. 150, 320, Appendices). Rechnet man zu diesem Wert noch die Treibhausgasemis-
sionen des deutschen Strommix hinzu, werden insgesamt Emissionen von 1.100 g
CO2-Äquivalent/kWh Strom eingespart. Während bei Ökobilanzierungen Abfällen
keine Umwelteffekte der Produktion zugerechnet werden, da diese meist allein
4.5 Betriebserfahrungen 297
15
Enthält operierende oder geplante Anlagen, die folgende Substrate behandeln; Restabfall,
Küchenabfall, Nahrungsmittelabfall, Garten- oder Grünabfall, auch bei Co-Fermentation von
anderen biogenen Abfällen oder Klärschlamm
16
Ohne Umrechnung von metrischen Tonnen
298 4 Technische Aspekte
Literatur
Literatur zu 4.1
Agentur für Erneuerbare Energien e. V. (Hrsg.): Der volle Durchblick in Sachen Energiepflanzen
(2011)
Bundesamt für Strahlenschutz (Hrsg.): Plutonium. http://www.bfs.de/ion/wirkungen/plutonium.
html (2010), Zugegriffen: August 2011
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Erneuerbare Energien
in Zahlen – Nationale und internationale Entwicklung. Berlin (2011)
Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e. V. (Hrsg.):
Dieselpreisinformation (Großverbraucher) vom 19.08.2011 (2011)
Erneuerbare Energien Gesetz (EEG): Fassung vom 04.08.2011. http://www.bmu.de/erneuerbare_
energien/downloads/doc/47585.php (2011)
Fachverband Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR): Maisanbau in Deutschland (2011)
Hartung, E.: Lagerung/Konservierung & Fermentation von Zuckerrüben, Vortrag an der Christian
Albrechts Universität Kiel vom 10.06.2011 (2011)
Handler, F., Blumauer E., Stürmer, B., Eder, M.: Bei der Ernte muss die Logistik stimmen. www.
landwirt.com (2011)
KTBL (Hrsg.): Datensammlung Energiepflanzen (2006)
mifratis: Biogaszusammensetzung. www.mifratis.de (2011). Zugegriffen: August 2011
Statistisches Bundesamt Wiesbaden (Hrsg.): Ackerland nach Hauptfruchtgruppen und Fruchtarten.
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/
LandForstwirtschaft/Bodennutzung/Tabellen/Content75/AckerlandHauptfruchtgruppenFrucht
arten,templateId=renderPrint.psml (2011). Zugegriffen: August 2011
top agrar online: Maisanbau in Deutschland: 500.000 ha für Biogas. www.topagrar.com (2011).
Zugegriffen: 27. Mai 2011
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (Hrsg.): Merkblatt Rechtsgrundlagen für den Einsatz
von Biogasgülle und Gärresten aus der Biogaserzeugung in der Landwirtschaft. http://www.tll.
de/ainfo/pdf/biog0910.pdf (2010). Zugegriffen: September 2010
Wetter, C.: Machbarkeitsstudie zur Verwertung von Gärresten aus landwirtschaftlichen
Biogasanlagen. Fachhochschule Münster (2006)
Literatur zu 4.2
FNR: Leitfaden Biogas. Gülzow (2010)
VDI 4631: VDI-Richtlinie 4631: Gütekriterien für Biogasanlagen. Beuth 2011
Literatur zu 4.3
Ahrens, T.: Vergleichende Bewertung von Verfahren zur Biogasaufbereitung. Dissertation.
Papierflieger, Clausthal (2007)
Bioferm (Hrsg.): Das BIOFerm System. http://www.bioferm-energy.com/de/Technologie/Heizen_
mit_Holz.html (2011). Zugegriffen: August 2011
Bischofsberger, W.: Anaerobtechnik. Springer, Berlin (2004)
Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (Hrsg.): Biogaserzeugung durch Trockenvergärung
von organischen Rückständen, Nebenprodukten und Abfällen aus der Landwirtschaft. Rostock
(2007)
4.5 Literatur 301
Weiland, P.: Grundlagen der Methangärung – Biologie und Substrate. In: Biogas als regenera-
tive Energie – Stand und Perspektiven, S. 19–32. Tagung Hannover, 19. und 20. Juni 2001.
Düsseldorf: VDI-Verl. (VDI-Berichte, 1620), Bd. 1620 (2001)
Wiese, L.: Energetische, exergetische und ökonomische Evaluierung der thermochemischen
Vergasung zur Stromerzeugung aus Biomasse. In: Reihe Energietechnik VDI-Verlag, Nr. 569
(2007)
Zhu, J., Pan, X., Zalesny, R: Pretreatment of woody biomass for biofuel production: energy effi-
ciency, technologies, and recalcitrance. AEM, 1–11 (2010)
Literatur zu 4.5
Aschmann, V., Effenberger, M., Gronauer, A.: Elektrischer Wirkungsgrad biogasbetriebener
Blockheizkraftwerke: Theorie und Praxis. 20. Biogasjahrestagung und Fachmesse, Nürnberg,
11.-13.1.2011.
Bioabfallverordnung: Verordnung über die Verwertung von Bioabfällen auf landwirtschaftlich,
forstwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Böden (BioAbfV) vom 21. September 1998.
BGBl. I (1998)
BMU: Ökologisch sinnvolle Verwertung von Bioabfällen. http://www.bmu.de/files/pdfs/allge-
mein/application/pdf/bioabfaelle_verwertung.pdf (2009)
California Environmental Protection Agency: Current Anaerobic Digestion Technologies Used
for Treatment of Municipal Organic Solid Waste. http://www.calrecycle.ca.gov/publications/
Organics/2008011.pdf (2008). Zugegriffen: 29. September 2011
DBFZ: Deutsches BiomasseForschungsZentrum gGmbH: Monitoring zur Wirkung des
Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG) auf die Entwicklung der Stromerzeugung aus Biomasse.
5. Zwischenbericht. Leipzig (2011)
Deponieverordnung: Verordnung über Deponien und Langzeitlager DepV; vom 27. April 2009;
(BGBl. I Nr. 22 vom 29.04.2009 S. 900)
Dornack, C., Nelles, M., Morscheck, G.: Vergärung kommunaler und industrieller Abfälle – stof-
fliches und energetisches Potenzial – Verfahrenstechniken und Praxisbeispiele, 6. Fachtagung
Biogas 2011 Energieträger der Zukunft am 08. und 09. Juni 2011 in Braunschweig (2011)
FNR (Hrsg.): Biogas-Messprogramm II. 61 Biogasanlagen im Vergleich. Gülzow (2009)
FNR (Hrsg.): Leitfaden Biogas, Gülzow (2010)
Fricke, K.,Bahr, T., Thiel, T.,Kugelstadt, O.: Ressourceneffizientes Handeln in der Abfallwirtschaft.
In: Schriftenreihe des ANS 50, S. 9–44. Orbitverlag, Weimar (2008)
H&K: Humuswirtschaft & Kompost aktuell 7/8 (2009)
H&K: Bioabfallverwertung auf hohem Niveau. Humuswirtschaft & Kompost aktuell 4, 1–2 (2010)
Hölker, U.: Prozessbiologische Untersuchungen an über 1000 Biogasanlagen – Interpretation von
Analysedaten. Vortrag im Forum Bioenergietechnik 13.11.2008, EUROTIER (2008a)
Hölker, U.: Gerüchteküche schließen. Biogas Journal 4, 22 ff. (2008b)
Hölker, U.: Nicht zu heiß vergären. Biogas Journal 2, 24–27 (2009)
Hölker, U.: Das Salz in der Suppe. Joule 31.01.2011
Jungmeier, G., Canella, L., Spitzer, J., Stiglbrunner, R.: Treibhausgasbilanz der Bioenergie:
Vergleich der Treibhausgasemissionen aus Bioenergie-Systemen und fossilen Energiesystemen.
In: Joanneum Research Institut für Energieforschung, Graz (1999)
Kern, M., Raussen, T.: Biogas-Atlas 2011/12 – Anlagenhandbuch der Vergärung biogener Abfälle
in Deutschland. Witzenhausen (2011)
Klärschlammverordnung: AbfKlärV; vom 15. April 1992
Knappe, F., Böß, A., Fehrenbach, H., Giegrich, J., Vogt, R., Dehoust, G., Schüler, D., Wiegmann,
K., Fritsche, U.: Stoffstrommanagement von Biomasseabfällen mit dem Ziel der Optimierung
der Verwertung organischer Abfälle. http://www.umweltbundesamt.de (2007)
Lebuhn, M., Bauer, C., Gronauer, A.: Probleme der Biogasproduktion aus nachwachsenden
Rohstoffen im Langzeitbetrieb und molekularbiologische Analytik S. 118-125. VDLUFA-
Schriftenreihe 64 (2008)
4.5 Literatur 303
5.1.1 Einleitung
Auf die Begriffe Risiko und Risikomanagement ist bereits an anderer Stelle in
diesem Buch eingegangen worden. Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit dem
Transfer von Risiken auf Versicherungen, was neben den anderen in diesem Buch
aufgezeigten Möglichkeiten einen Weg der Risikoabsicherung darstellt.
Die anhaltend schlechten Erfahrungen der Versicherer mit Biogasanlagen durch
hohe Schadenquoten und schlecht kalkulierbare Risiken führten dazu, dass sich
viele Versicherer aus dem Markt der Biogasanlagen zurückgezogen haben oder nur
stark eingeschränkten Versicherungsschutz anbieten.
Für die große Anzahl von Schäden gibt es verschiedene Gründe. So wurden z. B.
– vor allem bei älteren Anlagen – Komponenten auf Biogas umgerüstet und ohne
ausreichende Betriebserfahrung in den Anlagen eingesetzt. Andere Schäden ent-
standen durch eine unsachgemäße oder nachlässige Betriebsführung. Um solche
nicht kalkulierbaren Risiken zu vermeiden, sind die Anforderungen der Versicherer
an Anlage und Betriebsführung gestiegen. Beispielsweise wird der Abschluss eines
Wartungsvertrages fast durchgängig verlangt.
Kurz: Es ist nicht einfach, adäquaten Versicherungsschutz zu erhalten. Dabei
ist ein umfassender Versicherungsschutz unter Einbeziehung aller Gefahren für die
komplette Biogasanlage äußerst wichtig, wie die Schadenserfahrungen der ver-
gangenen Jahre zeigen. Die Ergebnisse einer Studienarbeit (Gleichmann 2005), die
vom Risikoberater und Versicherungsmakler Marsh gemeinsam mit der Universität
Flensburg durchgeführt wurde und die eine Analyse der eingetretenen Schadenfälle
enthält, bestätigt dies ebenfalls. Sollte man daher unter Berücksichtigung der
eigenen Risiko- und Versicherungsphilosophie zur Eigentragung von Risiken
tendieren, empfiehlt es sich, den Selbstbehalt der Versicherung entsprechend zu
erhöhen, anstatt bestimmte Gefahren in Kauf zu nehmen bzw. Teile der Biogas-
anlage nur eingeschränkt zu versichern.
Dieser Abschnitt beschäftigt sich hauptsächlich mit Sachversicherungen. Diese
werden zum Schutz der eigenen Anlage sowie zur Deckung des mit den Sach-
schäden verbundenen Vermögensschaden (entgangene EEG-Vergütung oder
andere Einnahmeausfälle) abgeschlossen. Am Markt werden Konzepte mit der
traditionellen Trennung von Feuer- und Maschinenversicherung sowie Allgefahren-
versicherungen angeboten. Auf die Unterschiede gehen wir im Rahmen dieses
Abschnitts ebenfalls ein.
Die Biologie spielt bei einer Biogasanlage eine ganz besondere Rolle. Da es nach
einem Ausfall Monate dauern kann, bis sie wieder voll funktionsfähig ist, sollte die
Biologie bei den Versicherungen berücksichtigt werden. Oft ist jedoch die Mitver-
sicherung der Biologie in den Konzepten der verschiedenen Versicherer nicht vor-
gesehen und „Verzögerungen durch Biologie“ sind explizit ausgeschlossen.
Auch wenn der Schwerpunkt dieses Abschnitts auf den Sachversicherungen
liegt, dürfen Haftpflichtversicherungen, die Schäden bei Dritten abdecken, nicht
vernachlässigt werden. Einerseits können diese Schäden sehr große Dimensionen
annehmen, andererseits ist die Prüfung, ob überhaupt ein gerechtfertigter Anspruch
einer dritten Partei vorliegt, eine wichtige Aufgabe der Haftpflichtversicherung. Ihr
kommt somit also auch eine passive Rechtsschutzfunktion zu.
Auf Versicherungen zum Schutz der Unternehmensorgane wie die D&O
(Directors & Officers) oder die Rechtsschutzversicherung wird in diesem Abschnitt
nicht eingegangen, da hier keine Eigenschaften zu beachten sind, die für den Betrieb
von Biogasanlagen in besonderem Maße relevant sind.
Abb. 5.1 Schadenzah-
lungen bezogen auf die
betroffenen Komponenten
dauern, bis nach einer Neubefüllung des Fermenters, Aufheizung und Impfung
desselben wieder Gas in früherer Menge und Qualität erzeugt wird.
Wenn durch den Sachschaden kein Gas bzw. Strom erzeugt werden kann, laufen
dennoch Fixkosten wie z. B. Personalkosten oder die Kreditfinanzierung weiter. Ein
Sachschaden zieht also in der Regel einen Vermögensschaden nach sich. Hier ist zu
beachten, dass der Sachschaden in der Regel unerwartet eintritt und daher weder Per-
sonal noch Ersatzmaterial vorgehalten werden. Die Betriebsunterbrechung dauert
daher in der Regel länger als eine geplante Reparatur unter optimalen Bedingungen.
Verletzungen von Personal sind in der Regel über die Berufsgenossenschaft
oder die Krankenversicherung abgedeckt. Es sind jedoch auch Verletzungen von
Personen außerhalb der Biogasanlage oder Beschädigungen von Sachen Dritter
möglich.
Nicht zu vernachlässigen sind die Umgebung und Umwelt, die durch die
Errichtung oder den Betrieb der Biogasanlage gefährdet werden. Durch das 2007 in
Kraft getretene Umweltschadensgesetz wird auch für Ansprüche öffentlich-recht-
lichen Inhalts gehaftet.
Geschädigt werden kann auch die Reputation der Verantwortlichen einer Biogas-
anlage. Sei es durch die Insolvenz der Gesellschaft nach einem nicht versicherten
Großschaden oder durch Vergehen beim Betrieb der Anlage, die mit Bußgeld oder
Freiheitsstrafen geahndet werden. Die Strafen an sich sind kaum versicherbar, aber
entsprechende Rechtsschutzversicherungen ermöglichen, dass rechtlicher Beistand
geleistet werden kann.
jedoch sichergestellt sein, dass die Wartung des Blockheizkraftwerkes von fach-
kundigen Personen durchgeführt wird.
• Regelmäßige Ölanalysen geben Auskunft über den Zustand des Motors. Diese
können z. B. nach jedem zweiten Ölwechsel durchgeführt werden. Alternativ
können auch zwischen den Ölwechseln Analysen durchgeführt und die
Ölwechselintervalle auf die Ölqualität abgestimmt werden.
von einem Gewerk auf das andere übergreifen, Verhandlungen mit mehreren
Versicherern zu führen. Die Versicherer werden zunächst die Schuld- und
Haftungsfrage prüfen. Es kann zu Verzögerungen kommen und der Baufrieden
ist gefährdet. Bei der Vielzahl der an einem Bauvorhaben beteiligten Personen
und Firmen ist ein Schadenverursacher oft gar nicht festzustellen und die Kosten
könnten dann beim Auftraggeber verbleiben.
• Bei einer umfassenden Police ist die Gefahr von Deckungslücken zwischen den
Parteien auf ein Minimum reduziert. Gleichzeitig werden Doppelversicherungen,
die mehr Prämie, aber nicht mehr Schutz bedeuten, vermieden.
• Auch wenn die Errichtung an einen Generalunternehmer vergeben wird, um
Schnittstellen zu vermeiden, hat dieser Schäden durch höhere Gewalt in seinen
Liefer- und Leistungsverträgen oft ausgeschlossen. Da der Auftragnehmer für
diese Gefahren nicht haftet, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er sie nicht ver-
sichert hat. Die Kosten könnten damit ebenfalls beim Auftraggeber verbleiben.
Der Auftraggeber sollte also auch bei „schlüsselfertiger“ Bestellung eine Ver-
sicherung abschließen.
• Selbst wenn der Auftragnehmer die Interessen des Auftraggebers mitversichert
hat, weiß dieser nicht, ob die Police zum Zeitpunkt des Schadeneintritts noch in
Kraft ist. Eventuell wurde sie aufgrund eines Schadens auf einer anderen Bau-
stelle gekündigt oder der Auftragnehmer ist mit den Prämienzahlungen im Rück-
stand.
• Entschädigungszahlungen des Versicherers stehen grundsätzlich dem Ver-
sicherungsnehmer, also dem Auftraggeber, zu. Im Fall einer Insolvenz des
Auftragnehmers ist er besser geschützt und kann, wenn dem Auftragnehmer
die finanziellen Mittel zur Reparatur fehlen, eine andere Partei beauftragen.
Zusätzlich ist der Auftraggeber über jeden Schaden und die durchgeführte Repa-
ratur informiert. Somit sind ihm bei Abnahme der Anlage alle relevanten Details
bekannt.
312 5 Wirtschaftliche Aspekte
5.1.3 Sachversicherungen
Abb. 5.3 Symbolische
Darstellung der Ver-
sicherungsgrundlagen
Abb. 5.4 Aufteilung
der Entschädigung bei
Fermenterschäden
5.1.3.3 Versicherungsort
Schäden an Teilen der Biogasanlage werden nur entschädigt, wenn der Schaden
an dem im Versicherungsvertrag angeführten Versicherungsort eingetreten ist.
Das heißt, der Versicherungsort, in der Regel der Standort der Biogasanlage, muss
explizit angegeben werden.
In Policen mit weiter gehendem Deckungsschutz werden als Versicherungsort
alle genutzten Grundstücke bezeichnet und – von der Erstanlieferung abgesehen –
gilt dies auch bei Transporten. Diese Deckungserweiterung ist zu empfehlen, um
durchgehenden Versicherungsschutz sicherzustellen. In der Regel weiß man nicht,
wieweit ein mit Transporten beauftragtes Unternehmen versichert ist, oder ob es
nur bei Verschulden haftet. Mit der weiter gehenden Klausel bleibt das BHKW auch
versichert, wenn es z. B. wegen einer Revision transportiert und an anderen Stellen
gelagert wird.
Es ist möglich, dass die Versicherer die Erweiterung des Begriffes Versicherungs-
ort mit einer Summenbegrenzung verbinden. Dies ist aus ihrer Sicht nachvollzieh-
bar, da sie bei dieser kundenfreundlichen Vorgehensweise keine Informationen
mehr haben, wo sich die versicherten Sachen befinden. Im ungünstigsten Fall ergibt
sich für die Versicherer eine Kumulation hoher Werte an einem Ort.
Ende der Policenlaufzeit festgestellt wird. Kann dann nachgewiesen werden, dass
er während der Laufzeit eingetreten ist, haftet der Versicherer. Hierbei ist jedoch die
Verjährungsfrist zu beachten.
Um während der Laufzeit eines Vertrages Diskussionen über den Schadeneintritt
zu vermeiden, kann in den Policen vereinbart werden, dass Schäden versichert sind,
wenn sie während der Laufzeit erstmalig festgestellt werden. Damit müssen keine
Diskussionen mit einem früheren Versicherer geführt werden, zu dem heute keine
vertragliche Bindung mehr besteht.
definieren, sondern bereits den Beginn der Fermenterbefüllung. Dies ist lange vor
dem Zeitraum, in dem die Anlage das Erfüllen der Leistungsparameter nachweisen
kann. Da somit die Montageversicherung des Lieferanten nicht mehr haftet, muss
der Auftraggeber unbedingt mit seinem Maschinenversicherer den früheren Ver-
sicherungsschutz vereinbaren. Dies gilt insbesondere dann, wenn er selbst keine
Montageversicherung abgeschlossen hat. Es ist gerechtfertigt, dass der Versicherer
für den vorgezogenen Zeitraum eine höhere Prämie nimmt, da er nun bereits im
besonders riskanten Probebetrieb in der Haftung steht.
Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass bei einigen Anbietern
Versicherungen abgeschlossen werden können, die nicht zwischen Montage- und
Betriebsphase unterscheiden. Damit entfällt auch das oben angeführte Schnitt-
stellenrisiko.
Es sei hier nochmals auf das Beispiel aus Abschn. 5.1.3.1 verwiesen. Der Beton
eines Fermenters wurde beschädigt, weil die schützende Beschichtung fehlte. Der
Schaden am Beton ist ersatzpflichtig und der Versicherer übernimmt die Kosten zur
Sanierung.
Wenn die Beschichtung nie aufgetragen worden war, würde mit einer neuen
Beschichtung eine Verbesserung der Anlage vorliegen. Der Versicherer übernimmt
daher nicht die Kosten.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Betreiber dennoch
nach dem Schaden den Beton beschichten lassen sollte; auch wenn er die Kosten
selbst übernehmen muss. Andernfalls würde der Versicherer den nächsten
Betonschaden wegen Vorhersehbarkeit ablehnen.
5.1.4 Haftpflichtversicherung
Auch wenn der Schwerpunkt dieses Abschnitts auf der Sachversicherung liegt, soll
die Haftpflichtversicherung der Vollständigkeit halber erwähnt werden.
Versicherungsschutz im Rahmen einer Betriebs- und Umwelthaftpflichtver-
sicherung besteht für den Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen eines Schaden-
ereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus
ergebenden Vermögensschaden zur Folge hat, aufgrund gesetzlicher Haftpflicht-
bestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in
Anspruch genommen wird.
Der Haftpflichtversicherer übernimmt hierbei drei wichtige Aufgaben:
• Prüfung der Haftungsanfrage
• Regulierung der berechtigten Ansprüche
• Abwehr der unberechtigten Ansprüche, was einer Rechtsschutzfunktion gleich-
kommt.
Ausgeschlossen sind üblicherweise Vorsatz, Schäden an eigenen Sachen,
Schäden aus vertraglichen Zusagen, wenn diese über die gesetzliche Haftpflicht
hinausgehen, sowie Vertragserfüllungsansprüche.
Die Haftpflichtversicherung schützt nicht nur den Versicherungsnehmer, sondern
in der Regel auch dessen gesetzlichen Vertreter und Betriebsangehörige, wenn sie
Schäden in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtung für den Versicherungsnehmer
verursachen.
Der Versicherungsschutz für Personen-, Sach- und Vermögensschäden kann
entweder als eigenständige Versicherung oder, wenn der Betrieb schon eine Ver-
sicherung hat, als Ergänzung abgeschlossen werden. Bei letzterem ist zu beachten,
dass die Betriebsbeschreibung in den bestehenden Policen auch den Betrieb der
Biogasanlage vorsieht und für den Fall, dass eine eigene Gesellschaft gegründet
wird, diese Gesellschaft im Vertrag der Haftpflichtversicherung angeführt wird.
Die Betriebshaftpflichtversicherung bietet Schutz für Schäden aus dem Betrieb
der Biogasanlage (Betriebsrisiko oder auch sog. Betriebsstättenrisiko), während die
Umwelthaftpflichtversicherung die gesetzliche Haftpflicht wegen Personen- und
Sachschäden durch Umwelteinwirkungen auf Boden, Luft und Wasser absichert.
Relativ neu ist in Deutschland das Umweltschadensgesetz, das 2007 gemäß
einer EU-Richtlinie in Kraft trat. Ein Umweltschaden ist die Schädigung von
geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen, von Gewässern und des Bodens.
Nach der Richtlinie soll ein Betreiber, der durch seine Tätigkeit einen Umwelt-
schaden verursacht hat, dafür finanziell verantwortlich sein. Bei der Umwelt-
schadensversicherung handelt es sich um Ansprüche öffentlich-rechtlichen Inhalts.
Die Umwelthaftpflichtversicherung bietet hierfür keinen Versicherungsschutz, da
dort die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts als versichert gilt. Daher
ist es wichtig, dass die Umweltschadensversicherung eigens abgeschlossen wird.
Meistens geschieht dies in Kombination mit der Betriebs- und Umwelthaftpflicht-
versicherung.
5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 323
Die bisherigen Abschnitte haben deutlich vor Augen geführt, dass es zur Reali
sierung von Biogasprojekten einer verlässlichen Technologie und eines belast-
baren Rechts- und Regulierungsumfeldes bedarf. Sind diese beiden grundsätzlichen
Anforderungen erfüllt, eröffnet sich die Möglichkeit für eine wirtschaftliche Nut-
zung der Energie aus Biogas und zwar zumeist in Form einer Projektfinanzierung.
Da bei einer Projektfinanzierung die Cashflows die einzige Quelle der Kreditbe
dienung und Eigenmittelverzinsung sind, ergeben sich besondere Anforderungen
an ihre Stabilität und Verlässlichkeit. Neben einer intensiven Risikoidentifikation
geht es darum, nach ökonomischen Kriterien Risiken einzelnen Projektbetei-
ligten zuzuweisen. Im Anschluss erfolgt eine Risikoquantifizierung in Form eines
Cashflow-Modells, das unter anderem darüber Auskunft gibt, wieviel Fremdmittel
einem Vorhaben zur Verfügung gestellt werden können, wie die Tilgungsstruktur
aussehen sollte und welche weiteren Gestaltungselemente Einzug in die Struktur
finden sollten. Die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur und die Möglichkeiten
ihrer Optimierung sind Gegenstand dieses Abschnitts.
Allerdings markiert das Cashflow-Modell noch nicht den Endpunkt der Pro-
jektbewertung der Kreditgeber. In einem weiteren Schritt geht es darum, eine
Simulationsrechnung des Cashflow-Verlaufs vorzunehmen, die darüber Auskunft
324 5 Wirtschaftliche Aspekte
gibt, wie sich das Projekt unter einer Vielzahl von möglichen Umweltszenarien ent-
wickeln kann. Ein Ergebnis dieser Simulationsrechnungen ist ein Rating-Ergebnis,
das eine Risikokategorie ausweist und damit über die Risikoprämie die Zinskosten
bestimmt und auch die Finanzierungsstruktur maßgeblich beeinflusst. Damit
geht es in einem zweiten Teil darum herauszuarbeiten, welche quantitativen und
qualitativen Faktoren das Rating beeinflussen können.
Dabei muss man sich bewusst sein, dass die jeweiligen Teilaspekte des
Risikomanagementprozesses – Identifikation, Allokation und Quantifizierung
von Risiken – nicht in einer gerichteten zeitlichen Abfolge geschehen, sondern
miteinander wechselseitig in Verbindung stehen. Um die Aussagen zur
Risikoquantifizierung angemessen würdigen zu können, ist es daher notwendig,
die verschiedenen Teilaspekte eines Risikomanagements zu berücksichtigen. Dies
werden wir – soweit nötig – im Folgenden tun und ansonsten auf die spezifischen
Fachkapitel verweisen. Anders ausgedrückt: Die Ermittlung einer Finanzierungs-
struktur erfordert eine vorherige Klärung und Zuordnung der Risikoaspekte eines
Vorhabens.
Das Cashflow-Modell eines Projektes ist aber nicht nur für die Kreditgeber von
herausragender Bedeutung, sondern auch für die Investoren eines Projektes. Beide
Kapitalgebergruppen sind gleichermaßen am Erfolg eines Vorhabens interessiert,
wobei sie allerdings unterschiedliche Anspruchsebenen und Anspruchsgrund-
lagen haben. Während die Fremdkapitalgeber einen erfolgsunabhängigen und fixen
Anspruch auf Bedienung des Kapitaldienstes aus dem Projekt haben, haben die
Eigenkapitalgeber einen erfolgsabhängigen und damit variablen Anspruch auf den
verbleibenden freien Cashflow. Das methodische Werkzeug, mit dem beide Gruppen
ein Vorhaben beurteilen, ist ein projektspezifisches Cashflow-Modell.
Starten wollen wir mit einem Blick auf die methodischen Grundsätze, mit dem
die Kapitalgebergruppen – Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgeber – Projekte im
Biogasbereich beurteilen.
Jede unternehmerische Tätigkeit ist durch die Existenz von Unsicherheit und
unvollkommener Informationen im Rahmen des betrieblichen Handelns Risiken
ausgesetzt. Das Unternehmen ist allerdings nicht gezwungen, diese Risiken hin-
zunehmen, sondern vielmehr gefordert, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Bezogen auf eine Projektfinanzierung bedeutet dies in erster Linie die Sicherung
der Projektexistenz. Dies ist darin begründet, dass nur durch das Betreiben des Pro-
jektes ein Cashflow generiert werden kann, der die in den meisten Fällen einzige
bzw. werthaltigste Sicherheit darstellt, die zur Bedienung der Finanzierung zur Ver-
fügung steht. Bevor wir auf den Aspekt der Risikoquantifizierung bei einem Bio-
gasvorhaben eingehen, wollen wir das Thema Risikoquantifizierung im gesamten
Zusammenhang des Risikomanagementprozesses mit seinen verschiedenen
5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 325
methodischen Hilfsmitteln darstellen. Dazu verweisen wir auf Kap. 2 und das
Schaubild „Erfolgsfaktoren einer Projektfinanzierung“ (Tab. 2.1).
Im Rahmen einer qualitativen Projektprüfung müssen zunächst bestimmte
Fragen grundsätzlich positiv beantwortet werden:
1. Ist das Rechts- und Regulierungsumfeld hinlänglich verlässlich und prog-
nostizierbar? Die relevanten Fragestellungen sind dabei in mehreren rechtlichen
Fachkapiteln aufgegriffen worden.
2. Wird ausschließlich bewährte Technik eingesetzt? Dieses Thema haben wir in
Abschn. 4.1 und Abschn. 4.3.
3. Wie können die verschiedenen, zentralen Projektbeteiligten angemessen an den
Chancen und Risiken des Vorhabens partizipieren? Einige grundsätzliche Über-
legungen finden sich in Kap. 1.
Für mindestens diese Fragen müssen zufrieden stellende Antworten gefunden
werden, bevor eine Cashflow-Modellierung erfolgen kann, die dann wiederum in
eine Finanzierungsstruktur einmündet.
Methodisch erfolgt im Anschluss an die drei genannten Fragen eine Über-
prüfung der Wirtschaftlichkeit, die im Dialog zwischen dem Projekt und der fremd-
finanzierenden Bank über ein Cashflow-Modell erfolgt, wobei die Bank intern die
Cashflow-Struktur zusätzlich über ein separates Rating-Tool bewertet, woraus sich
wiederum Änderungen an der Finanzierungsstruktur ergeben können. Dabei basiert
diese zweite Analysestufe auf anderen methodischen Werkzeugen und ist auch von
außen her wenig transparent. Dies ist durchaus bedauerlich, da sich häufig durch
relativ kleine Änderungen an den Vertrags- und Finanzierungsstrukturen deutliche
Rating-Verbesserungen ergeben können, die in Vorteilen bei den Zinskosten und der
Finanzierungsstruktur resultieren können.
Wir starten in diesem Abschnitt mit der Darstellung des Risikomanagement-
prozesses bei einer Projektfinanzierung. In der betriebswirtschaftlichen Literatur
existiert eine Vielzahl von Interpretationsvarianten für den Risikobegriff. Im Rahmen
dieses Beitrages soll Risiko als negative Abweichung vom Planwert einer Zielgröße
verstanden werden, da sie für jeden Beteiligten eine Verlustgefahr bedeutet. Die
Bedeutung der Behandlung von Risiken im Zusammenhang mit einer Projekt-
finanzierung ergibt sich unmittelbar aus ihrem Charakter: Da es allein das Vorhaben
ist, das als wirtschaftliche Basis für die angemessene Eigenkapitalverzinsung und
die Bedienung des Kapitaldienstes dient, sind die Werthaltigkeit und die Robustheit
des Projektes von entscheidender Bedeutung. Da das Projekt aber erst sukzessive
entsteht, lässt sich die Wirtschaftlichkeit nur per Prognose bestimmen. Da die Per-
spektive in die Zukunft zunehmend unsicher ist, hat sich die Prognose mit dem
Eintritt aller Arten von Einflüssen zu befassen, deren Wirkung auf das Projekt ein-
zuschätzen und nach Wegen zu suchen, ob und inwieweit einzelne Projektbeteiligte
bereit sind, das Projekt von Risiken freizuhalten.
Die Risiken einer Projektfinanzierung sind mit dem Instrumentarium des
Risikomanagements zu steuern, das versucht, Risiken den Projektbeteiligten zuzu-
ordnen, die diese zu verantworten haben und damit auch kontrollieren können.
Wesensmerkmal jeder Projektfinanzierung ist die Orientierung an den
zukünftigen Cashflows und der Einbindung der Projektbeteiligten, wie wir es in
Kap. 1 skizziert haben.
326 5 Wirtschaftliche Aspekte
steht. Die Kreditgeber beurteilen das Projekt danach, ob bei einer Worst-Case-
Betrachtung die Bedienung des Kapitaldienstes gesichert erscheint. Hierzu über-
prüfen sie zum einen die Reagibilität des Projektes gegenüber möglichen adversen
Projektänderungen – z. B. verspätete Fertigstellung, Minder-Performance der
Anlagen oder Preisverfall auf der Marktseite – und bewerten zum anderen die
Möglichkeiten und Verpflichtungen des Projektes und der Projektbeteiligten, bei
negativen Planabweichungen unterstützend einzuspringen. Eine Möglichkeit, von
Seiten des Projektes gegenzusteuern, kann dabei z. B. die Verpflichtung sein, bei
Unterschreitung bestimmter Trigger Events – typischerweise Unterschreiten eines
bestimmten Schuldendienstdeckungsgrades – eine beschleunigte Tilgung der
Darlehen vorzunehmen (cash sweep).
Die verschiedenen Verpflichtungen der Projektbeteiligten gegenüber dem Projekt
haben wir im Zusammenhang mit der Diskussion der Einzelrisiken diskutiert. Im
Zusammenhang mit der Risikoquantifizierung geht es nunmehr darum, die vertrag-
lichen Verpflichtungen der Projektbeteiligten zu bewerten, was neben dem Umfang
der möglichen Verpflichtungen auch eine Bonitätsbeurteilung der Verpflichteten
erfordert. Darüber hinaus signalisiert die Verpflichtung der Projektbeteiligten ein
Interesse am Projekterfolg, was über die Ebene der Quantifizierbarkeit hinaus von
qualitativer Bedeutung ist.
Damit wird ersichtlich, dass Risikoquantifizierung und Risikoallokation in
einem engen Wechselverhältnis zueinander stehen. Eine Risikoquantifizierung ist
erst dann vollständig, wenn neben der isolierten Projektbetrachtung auch die ver-
schiedenen Beiträge der Projektbeteiligten mit betrachtet werden, die bestimmte
Projekt-Risiken übernehmen und das Projekt insoweit freihalten. Nach der
5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 329
In Tab. 5.3 soll ein Biogas-Vorhaben mittels einer Analyse seiner Risikopotenziale
auf seine Projektfinanzierungsfähigkeit hin untersucht werden. Da die Ausprägung
der Projektrisiken in großem Maße von dem jeweiligen Finanzierungsobjekt
abhängt, soll ein Fallbeispiel aus der Praxis betrachtet und bewertet werden (Name
und Beträge geändert).
Auf Basis dieser Daten wurde von den Sponsoren ein erstes Cashflow-Modell
als Sponsors Case erstellt. Dieses Modell stellt die Ausgangsbasis für die Analyse
einzelner Projektrisiken dar, bevor es später im Rahmen der Risikoquantifizierung
unter Berücksichtigung sämtlicher zu bewertenden Risiken zur Entwicklung
einer geeigneten und tragfähigen Projektfinanzierungsstruktur dient. (s. Abb. 5.8,
s. Tab. 5.4)
Erkennbar ist, dass das Vorhaben unter den genannten Rahmendaten einen wirt-
schaftlichen Betrieb bei allerdings sehr knapper Belastbarkeit zulässt. Die interne
Rendite liegt bei 24,92 %, die Belastbarkeit bei einem Einnahmenniveau von
98,0 %.
Der DSCR-Verlauf weist hier abnehmende Deckungsrelationen auf, was für
die Mehrzahl üblicher Projektfinanzierungen eher ungewöhnlich ist. Dies erklärt
sich aus dem hohen Anteil der Betriebskosten an den Einnahmen einerseits und
einer angenommenen Preissteigerung des Materialaufwandes etwa in Höhe der
Inflationsrate andererseits. Zur Einordnung: Bei heutigen Photovoltaik-Projekten
liegen die operativen Kosten bei etwa 13 bis 20 % der Einnahmen, bei Biogas-Pro-
jekten liegt diese Quote bei etwa 80 %.
Das Bild ändert sich deutlich, wenn wir unterstellen, dass die Materialkosten auf
ihrem anfänglichen Nominalwert verbleiben. In diesem Fall ergeben sich eher ver-
traute DSCR-Verläufe (s. Abb. 5.9, s. Graph 2) und auch Belastbarkeiten, wie man
sie üblicherweise erwarten würde (s. Graph 3). (s. Tab. 5.5)
Die Ergebnisse zeigen aber auch, wie vorsichtig man bei der Planung mit
bestimmten Annahmen umgehen muss: der Unterschied zwischen den DSCR-
Verläufen liegt lediglich darin begründet, dass in einem Fall eine moderate
Inflationierung der Kosten von 2 % p. a. unterstellt wurde, im anderen Fall nicht.
Das wirtschaftliche Ergebnis bei Biogasprojekten hängt damit wesentlich von den
Annahmen zur anfänglichen Höhe der Materialkosten ab und deren zukünftiger
Entwicklung. Zum Vergleich: Bei PV-Projekten in Deutschland liegt die interne
Rendite im Jahr 2011 etwa in einer engen Spanne zwischen 6 und 9 %.
Die bisherigen Aussagen gelten unter der Prämisse, dass die genannten
Finanzierungsparameter auch für die Banken akzeptabel sind. Dies sehen wir uns
im weiteren Verlauf an. Zunächst analysieren wir im Folgenden aber die Aus-
wirkungen von einzelnen Parameter-Änderungen auf die Wirtschaftlichkeit des
Vorhabens.
332 5 Wirtschaftliche Aspekte
5.2.3.1 Zinssatzänderung
Anhand des Fallbeispiels werden die Auswirkungen von Zinsänderungen in ver-
schiedenen Abstufungen dargestellt. Dabei werden ausgehend von der von den
Sponsoren vorgeschlagenen Finanzierungsstruktur der Zinssatz des Projekt
finanzierungskredites in diesem Modell verändert und die hieraus resultierenden
Ergebnisse im Folgenden (s. Abb 5.10, s. Tab. 5.6) beschrieben.
Die Erhöhung der Zinssätze führt dazu, dass der DSCR durchgängig über die
gesamte Finanzierungslaufzeit unterhalb der Ausgangslage im Sponsors Case liegt.
Bei einem Anstieg des Zinssatzes des Projektfinanzierungskredites um 10,0 Pro-
zentpunkte auf einen Satz von 15,05 % jährlich beträgt der DSCR im letzten
Betriebsjahr noch 1,0, was bedeutet, dass der Kapitaldienst gerade noch geleistet
werden kann. Bei einem noch höheren Zinsanstieg wäre dies nicht mehr sicher-
gestellt und die bankseitigen Anforderungen der jederzeitigen und vollständigen
Leistung des Kapitaldienstes würden verfehlt. Die betrachtete Höhe des Zins-
anstieges stellt somit die Grenze der Projektbelastbarkeit dar.
Die Erhöhungsdifferenz von 10 Prozentpunkten bis zur Erreichung der Pro-
jektbelastbarkeitsgrenze kann als Sicherheitspuffer des Projektes für das Zins-
änderungsrisiko verstanden werden. Die Höhe dieses Sicherheitspuffers zeigt dabei,
dass das Projekt Pleasant Valley recht unempfindlich auf einen Zinsanstieg reagiert.
Diese Beobachtung kann generell bei Projektfinanzierungen im Bereich Bioenergie
gemacht werden, da diese eine relativ geringe Kapitalintensität aufweisen und damit
von einem Zinsänderungsrisiko wesentlich geringer betroffen sind als Vorhaben in
den Bereichen Windenergie oder Solarenergie. Diese Erkenntnis korrespondiert mit
334 5 Wirtschaftliche Aspekte
5.2.3.2 Betriebskostenänderung
Die Folgen aus dem Eintritt des Betriebs- und Managementrisikos werden über eine
Variation der Betriebskosten dargestellt und die hieraus resultierenden Ergebnisse
im Folgenden beschrieben. Die jährlichen Betriebskosten werden in verschiedenen
Szenarien um jeweils 5 %-Punkte erhöht. Die genannten Beträge beziehen sich auf
den Ausgangswert der Betriebskosten im ersten Betriebsjahr ohne Berücksichtigung
des im Modell generell kalkulierten Betriebskostenanstieges von 2 % jährlich.
Die entgegen der Ausgangslage im Sponsors-Case zusätzlich anfallenden Betriebs-
kosten müssen durch den unveränderten Projekt-Cashflow gedeckt werden. Dadurch
sinkt der Teil des Projekt-Cashflows, der für die Bedienung des Kapitaldienstes zur
Verfügung stehen kann. Die Kapitaldienstfähigkeit in Form des DSCR sinkt folglich
über die gesamte Finanzierungslaufzeit, wie es die Abb. 5.11 veranschaulicht.
Es zeigt sich, dass auch hier der DSCR durch die vorgenommene Veränderung
durchgängig unterhalb der Ausgangslage im Sponsors-Case liegt. Selbst bei
geringen Kostensteigerungen ist die Bedienung des Kapitaldienstes gefährdet, so
dass die bankseitigen Anforderungen der jederzeitigen und vollständigen Leistung
des Kapitaldienstes verfehlt werden.
5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 335
Insgesamt zeigt sich das Projekt Pleasant Valley sehr empfindlich gegenüber
Betriebskostenanstiegen, weil die Betriebskosten im Verhältnis zu Investitions-
volumen, Projekt-Cashflow und Kapitaldienst einen erheblichen Anteil ausmachen.
In diesem Fall erreichen die Betriebskosten knapp 80 % der Einnahmen. Zum Ver-
gleich: Bei Windenergieprojekten liegt diese Quote üblicherweise zwischen 25
und 30 %, bei Solarprojekten sogar nur bei etwa 20 %. Diese Relation erklärt auch
die geringe Zinsreagibilität des Biogasprojektes: Der gesamte Kapitaldienst macht
etwa 9,1 % der gesamten Einnahmen aus, so dass Änderungen des Zinssatzes nur
eine geringe Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens haben.
Diese Empfindlichkeit gegenüber Biogasprojekten ist nicht nur in diesem
speziellen Fall zu beobachten, sondern eine generelle Eigenschaft von Biogas-Pro-
jekten.
5.2.3.3 Einnahmenrückgang
Die dargestellten Folgen aus dem Eintritt des Ressourcenrisikos und die sich
hierdurch ergebenden Auswirkungen haben wir im Folgenden über eine Variation
des Jahresenergieertrages in mehreren Szenarien abgebildet. Die Kapitaldienst-
fähigkeit in Form des DSCR sinkt folglich über die gesamte Finanzierungslaufzeit,
wie es die Abb. 5.12 veranschaulicht.
Durch die vorgenommene Veränderung liegt der DSCR durchgängig unterhalb
der Ausgangslage im Sponsors-Case. Da das Vorhaben bereits im Sponsors Case
nur einen Rückgang der Einnahmen von 2 % verkraften konnte, erübrigt sich an
dieser Stelle eine Diskussion der DSCR-Verläufe der ungünstigeren Szenarien.
336 5 Wirtschaftliche Aspekte
Die Differenz von 2 % bis zum Erreichen der Projektbelastbarkeitsgrenze aus
Sicht des Sponsors-Case kann somit auch als dessen Sicherheitspuffer im Hinblick
auf das Ressourcenrisiko verstanden werden. Die Höhe des Sicherheitspuffers bei
Pleasant Valley ist dabei als sehr knapp zu bewerten, wenn man sich vor Augen
hält, dass die Liefermengen der benötigten Biomasse regelmäßig preislich nicht
langfristig fixiert werden können und es keine preisliche Anpassungsmöglichkeiten
auf der Absatzseite gibt.
Nach dieser ersten Einstimmung der Reagibilität eines Biogas-Projektes auf
verschiedene Parameter-Änderungen betrachten wir im Abschn. 5.2.4 die Möglich-
keiten einer Risikoquantifizierung.
Herangehensweisen muss dringend abgeraten werden: Zum einen sollte klar sein,
dass eine statische Betrachtung künftige Veränderungen von Einzahlungen und
Auszahlungen nicht abbilden und damit zu einer gravierenden Fehleinschätzung der
Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens führen kann. Zum anderen sind es lediglich die
zahlungswirksamen Größen, die für die Begleichung der operativen Kosten und des
Kapitaldienstes herangezogen werden können, nicht aber eine aus der Gewinn- und
Verlustrechnung stammende Größe, die für Rechnungslegungszwecke entwickelt
wurde. Es sollte daher Standard sein, auf dynamische Verfahren zu setzen und nur
Nach-Steuer-Cashflows zu betrachten (Abb. 5.13).
Aus Sicht des Investors werden regelmäßig die Ein- und Auszahlungen, die er
leisten muss bzw. erhält, auf den Zeitpunkt der Investitionsentscheidung mit einem
geeigneten Kalkulationszinssatz abgezinst. Ergibt sich ein positiver Kapitalwert,
erscheint das Vorhaben vorteilhaft. Alternativ – wenn auch mit gewissen theo-
retischen Nachteilen – kann der interne Zinssatz den Investor darüber informieren,
ob eine bestimmte Mindestverzinsung seines Eigenkapitals erreicht oder über-
schritten wird. In der Praxis wird hierfür meist der interne Zinssatz (Internal Rate
of Return) herangezogen. Bei dieser Methode wird der Zinssatz berechnet, bei dem
die Barwerte der Einzahlungen und Auszahlungen des Investitionsvorhabens gleich
groß sind. Daraus ergibt sich folgende Formel, wobei die Zielgröße der interne
Zinssatz r ist:
n
∑ (Et − At) • (1 + r)−t = 0
t=0
Et: Einzahlungen in Periode t
At: Auszahlungen in Periode t
t: Periode
n: Nutzungsdauer des Investitionsobjektes
r: interner Zinssatz
Auf diese Weise erhält man die Effektivverzinsung eines Investitionsvorhabens.
Die Investition wird unter der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes dann
durchgeführt, wenn der interne Zins über dem Kapitalmarktzins liegt. Für die
Berechnung wird außerdem die Annahme getroffen, dass etwaige Zahlungsdefizite
oder Zahlungsüberschüsse zum jeweiligen internen Zinssatz verzinst werden.
Allerdings sind die so abgeleiteten Kennzahlen nicht geeignet, die Dimensionierung
und Struktur der Fremdmittel zu bestimmen. Hier kommt die Sichtweise der Fremd-
kapitalgeber ins Spiel. Aus Sicht der Fremdkapitalgeber interessiert primär die
Frage, wie sicher es ist, dass Zinsen und Tilgung aus dem Cashflow des Projektes
erbracht werden können – je höher hier die Überdeckung ist, um so robuster sollte
das Projekt auf Planänderungen reagieren. Die interne Rendite und die Belastbar-
keit eines Projektes stehen im folgenden Verhältnis zueinander: Solange das Projekt
einen positiven Leverage-Effekt aufweist, sollte einem Vorhaben mehr Fremdkapital
zugeführt werden, damit die interne Rendite maximiert werden kann. Damit stehen
beide Ziele im Regelfall in einem Trade-Off zueinander: Die Fremdkapitalgeber
bevorzugen Projekte mit einem hohen Eigenmittelanteil, der ihr Risiko reduziert,
aber andererseits die interne Rendite des Vorhabens verringert. Im Regelfall stehen
338 5 Wirtschaftliche Aspekte
Abb. 5.14 Grundlegendes Cashflow-Modell mit Base- und Worst-Case. (Nevitt und Fabozzi
2000, S. 12)
hier andere Konten als die Schuldendienstreserve eingerechnet werden, wie z. B.
eine Wartungskostenreserve. Der Schuldendienstdeckungsgrad ist eine hochgradig
verdichtete Kennzahl, da sie sämtliche Einzahlungen und Auszahlungen eines Vor-
habens vor dem Hintergrund der Kapitaldienstfähigkeit darstellt.
In jedem Fall sei davor gewarnt, allein auf den minimalen Schuldendienst-
deckungsgrad eines Vorhabens zu sehen. Dies ist ein eher allgemeiner Merksatz,
der bereits in einer Reihe von Rechnungslegungssystemen festgeschrieben ist: Es
existiert keine Möglichkeit, die Performance eines Unternehmens in einer Kenn-
zahl auszudrücken. Daher sollte keine alleinige, übertriebene Bedeutung auf eine
noch so wichtige Kennzahl gelegt werden, sondern zusätzlich untersucht werden,
welche Parameter realistischerweise wie weit schwanken können und welche Kon-
sequenzen sich insoweit auf die Belastbarkeit des Vorhabens ergeben.
Je nach Risikoeinschätzung kann der festgesetzte Mindestdeckungsgrad stark
variieren, wobei er umso höher sein wird, je größer die Risikoübernahme der Pro-
jektbeteiligten ist. Entsprechend schwanken die Überdeckungsverhältnisse in
Abhängigkeit von den Erfahrungen der Branche und dem jeweiligen Risikoprofil
eines Projektes. Wichtig ist die Frage, wie robust das Projekt gegenüber negativen
Planabweichungen reagiert und welche Sicherungsmechanismen greifen, um daraus
eine Mindestdeckungsrelation für die Vergabe von Projektkrediten zu ermitteln.
Die Bedeutung der Risikoabsicherung nach dem Kriterium des Schuldendienst-
deckungsgrades zeigt auch eine Schwäche dieses Verfahrens: Sein Ausgangspunkt
ist nicht die Analyse der Risiken als solche und ihre Bemessung, sondern die auf
die möglichen Folgen abgestellte Bemessung eines Risikopolsters, mit dem die
verbleibenden Risiken pauschal abgesichert werden sollen. Solange das pauschal
bestimmte Sicherheitspolster eine ausreichende Abfederung verschafft, mag dies
genügen. Je dünner allerdings die Polster werden, umso stärker rücken wiederum
die Einzelrisiken und die spezifischen Risikoinstrumente in den Vordergrund.
5.2.5.1 Laufzeit-Variation
Während bei der ursprünglichen Struktur eine Laufzeit von 16 Jahren vorgeschlagen
wurde, ist diese nunmehr um zwei Jahre erhöht worden. Damit ergibt sich das in
Abb. 5.15 dargestellte Schaubild:
346 5 Wirtschaftliche Aspekte
3. Es lässt sich der allgemeine Hinweis ableiten, die Laufzeit des Term Loans so
lange zu wählen, wie es die anderen Beteiligten zulassen.
4. Die für eine Bank maximale Laufzeit des Term Loans ist noch aus einem anderen
Grunde interessant: Aus ihrer Kenntnis und der Kenntnis des geforderten Belast-
barkeitsabschlages lässt sich mit dem restlichen Annahmen-Set ableiten, wie die
Eigenkapital-/Fremdkapitalausstattung aussehen sollte.
2. Die Auswirkungen auf die Belastbarkeit fallen umso größer aus, je flacher der
DSCR-Verlauf ist.
3. Für die meisten Projekte ist eine tilgungsfreie Zeit von 18 Monaten eine erste
gute Näherung; die allermeisten Vorhaben sollten mit einer tilgungsfreien Zeit
zwischen 18 und 24 Monaten realisiert werden.
Die Dimensionierung der tilgungsfreien Zeit muss auch im Zusammenhang mit
der Höhe und Dotierung der Schuldendienstreserve gesehen werden, wie wir im
Folgenden darstellen werden.
Tab. 5.11 Beurteilung der Variation der Schuldendienstreserve aus Sicht der Kapitalgeber
Min. DSCR Ø DSCR IRR
Sponsors Case 1,05 1,99 24,92 %
Einnahmen bei 97 %: 0,97 1,90 22,05 %
Wie 1, SDR von 8 Monaten: 1,05 2,62 21,11 %
Kombinationsfall (2 + 3): 1,00 2,29 9,04 %
Belastungsfall zunächst die Einnahmen, allerdings reduziert sich auch ein Teil der
operativen Kosten, so dass sich die Belastbarkeit des Vorhabens gegenüber dem
Basisfall mit fixierten operativen Kosten auf einen Wert von 97,0 % verbessert.
Graphisch stellt sich die Situation wie in Abb. 5.18 dargestellt dar.
Operative Kosten – Erkenntnisse
1. Der Vergleich der beiden Ausgangsfälle (1 und 3) zeigt keine Veränderung. Dies
liegt darin begründet, dass die Flexibilisierung der Wartungskosten im Basisfall
noch keine Auswirkung hat, sondern nur in den vom Basisfall abweichenden
Szenarien.
2. Obwohl die vertragliche Veränderung scheinbar gering ist und sich nur auf etwa
ein Siebtel der gesamten operativen Kosten bezieht, ergibt sich doch eine merk-
liche Verbesserung der Belastbarkeit.
3. Ob sich die interne Rendite verbessert, hängt von der tatsächlichen Performance
ab. Ist sie schlechter als im Basisfall, verbessert sie relativ zu dem Szenario ohne
Flexibilisierung, ist sie besser, verschlechtert sie sich relativ.
4. Insgesamt kann der Rat gegeben werden, möglichst weitgehend performance-
abhängige Verträge (mit einem angemessenen niedrigen Floorpreis) abzu-
schließen. Dies ist meist für die Vertragspartei nicht mit übermäßigen Ein-
schränkungen verbunden, verbessert aber die Belastbarkeit des Vorhabens
erheblich und eröffnet so die Chance auf eine höhere Fremdkapitalausstattung
für das Projekt.
Die Beispiele zeigen, dass die angesprochenen Veränderungen einzelner
Finanzierungsparameter hinsichtlich der Verwendung der Cashflows in einem
352 5 Wirtschaftliche Aspekte
Literatur
Literatur zu 5.1
Gleichmann, K.: Technische Mindestanforderungen an Biogasanlagen und deren Betrieb aus Sicht
eines Versicherers. Universität Flensburg, Internationales Institut für Management, Studiengang
Energie- und Umweltmanagement in Zusammenarbeit mit der Marsh GmbH (2005)
Literatur zu 5.2
Fischer, J.-U.: Finanzierung von Bioenergieprojekten: Risikomanagement und Finanzierungs
strukturierung. In: Gerhard, M., Rüschen, T., Sandhövel, A. (Hrsg.) Hdnbuch Finanzierung
Erneuerbarer Energien, S. 743-759. Frankfurt a. M. (2011)
Nevitt, P.K., Fabozzi, F.J.: Project Financing. Euromoney Books, London (2000)