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Management von Biogas-Projekten

Jörg Böttcher (Hrsg.)

Management von
Biogas-Projekten
Rechtliche, technische und
wirtschaftliche Aspekte
Jörg Böttcher
Heikendorf, Deutschland

ISBN 978-3-642-20955-0 ISBN 978-3-642-20956-7 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-642-20956-7
Springer Heidelberg Dordrecht London New York

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Vorwort

Weltweit sind Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit mehreren krisenhaften Ent-
wicklungen konfrontiert – den Auswirkungen der abklingenden Finanz- und Wirt-
schaftskrise, der Schuldenkrise der EU und der USA, dem globalen Klimawandel
und einer seit den Unglücksfällen von Fukushima neuerlich angefachten Dis-
kussion über eine nachhaltige Energieversorgung. Die Krisen gehen an die Wurzeln
der gegenwärtigen Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen westlicher Prägung,
haben erhebliche volkswirtschaftliche Auswirkungen und stellen die Frage nach
einer Überwindung tradierter Strukturen.
Löst man sich von der übergeordneten politischen Dimension der erneuer-
baren Energien und betrachtet ihre Teilsegmente, so stellt man fest, dass sie sich
in unterschiedlichen Entwicklungsphasen befinden, was wiederum mit ihrer
Marktintegration und politischen Förderung korrespondiert. Onshore-Wind-
energie, Photovoltaik-Kraftwerke und Biogas-Vorhaben sind mittlerweile etablierte
Formen, während sich Offshore-Windenergie und solarthermische Kraftwerke in
einer frühen Marktphase befinden. Angesichts der umfangreichen bereits getätigten
Investitionen in die beiden letztgenannten Bereiche kann aber erwartet werden, dass
auch sie vor einem deutlichen Marktwachstum stehen. Wir wollen uns in dieser
Abhandlung mit dem Teilsegment der Biogaserzeugung beschäftigen, das in den
letzten Jahren durch ein kontinuierliches Wachstum insbesondere in Deutschland
getragen wurde.
Bei all der Fach- und Medienpräsenz der erneuerbaren Energien ist ein Aspekt
erstaunlich: Im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien wird nur sehr selten
das Thema ihrer Umsetzung angesprochen. Stattdessen fokussiert sich die Dis-
kussion zumeist auf einzelne Themenfelder wie ihre politischen, ökologischen
und technischen Aspekte. Eine zusammenhängende Darstellung der rechtlichen,
technischen und wirtschaftlichen Aspekte, die gleichermaßen erfüllt sein müssen,
damit ein Biogas-Vorhaben realisiert werden kann, liegt bislang nicht vor. Dies mag
damit zusammenhängen, dass Biogas-Vorhaben erst seit wenigen Jahren Größen-
ordnungen erreicht haben, die sie für Kapitalgeber interessant machen und sich in
einer jungen Branche im Anschluss an die Bewährtheit der Technik rechtliche und
wirtschaftliche Standards erst etablieren müssen.

V
VI Vorwort

Dieses Buch ist aus der Wahrnehmung entstanden, dass es eines gemein-
samen Verständnisses und konzertierten Vorgehens von Vertretern aus Technik,
Recht und Wirtschaft bedarf, um ein Biogasvorhaben zu realisieren. Daher wird in
dieser Publikation der Weg beschritten, verschiedene Experten aus den genannten
Bereichen zu Wort kommen zu lassen, so dass in der Gesamtschau vermittelt wird,
welche Aspekte bei der Realisierung von Biogasprojekten zu beachten sind.
Der Anspruch dieser Publikation ist zum einen aufzuzeigen, welche technischen
und rechtlichen Voraussetzungen zum derzeitigen Zeitpunkt erfüllt sein müssen,
um ein Biogasprojekt über die Finanzierungsmethode einer Projektfinanzierung zu
realisieren. Dabei muss man sich zunächst bewusst sein, dass sich insbesondere die
Technik ständig dynamisch weiterentwickelt und die rechtlichen Rahmendaten auf
die Marktgegebenheiten reagieren, so dass Biogasprojekte insbesondere während
der Planungs- und Realisierungsphase dynamisch und flexibel gesteuert werden
müssen. Zum anderen soll durch den bewussten interdisziplinären Ansatz auch er-
reicht werden, dass der Leser für die Anforderungen der verschiedenen Teilbereiche
sensibilisiert wird.
Zur Realisierung von Projektfinanzierungen in einer Branche müssen mindestens
zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Technik muss langfristig einen stabilen und
prognostizierbaren Output liefern können, und der Staat muss ein klares, planbares
und verlässliches Rechts- und Regulierungsumfeld vorgeben, das den Investoren
und Fremdkapitalgebern eine hinreichende Planungssicherheit für einen wirt-
schaftlichen Betrieb verschafft. Sind diese beiden grundsätzlichen Anforderungen
erfüllt, eröffnet sich die Möglichkeit für eine wirtschaftliche Umsetzung von Biogas-
Vorhaben, und zwar zumeist in Form einer Projektfinanzierung.
Zentrales Merkmal einer Projektfinanzierung ist die enge Verknüpfung des
Schicksals des Projektes mit der Rückführung der Darlehen. Es sind die zukünftigen
Cashflows des Vorhabens, die einzig für die Begleichung der operativen Kosten,
die Bedienung des Kapitaldienstes und für Ausschüttungen an die Investoren ver-
wandt werden können. Neben diese Cashflow-Orientierung der Projektbeur-
teilung tritt eine vertragliche Einbindung verschiedener Projektbeteiligter, die
den Erfolg des Vorhabens unterstützen sollten (Risk Sharing). Damit ist der
gesamte Risikomanagement-Prozess bei einer Projektfinanzierung ein gleichge-
richtetes Zusammenspiel der verschiedenen Teilaspekte Risikoidentifikation,
Risikoallokation und Risikoquantifizierung.
Damit Projektfinanzierungen im Biogasbereich realisiert werden können,
müssen konsequenterweise Experten aus den Bereichen Technik, Recht und Wirt-
schaft zusammenfinden und eine für ein Vorhaben passgenaue Lösung entwickeln.
Dieses in der Praxis bei jedem Vorhaben geübte Vorgehen war auch Ausgangs-
punkt der vorliegenden Arbeit. Ohne die zentralen Ergebnisse vorwegnehmen zu
wollen, lässt sich bereits an dieser Stelle festhalten: Biogas-Vorhaben basieren auf
bewährten Technologien. Anspruchsvoll sind die Fertigstellung und das nachhaltige
und wirtschaftliche Management der Stoffströme. Ein wesentlicher Vorteil gegen-
über anderen Formen der erneuerbaren Energien ist die Möglichkeit einer grundlast-
fähigen Energieproduktion und verhältnismäßig geringe Break-Even-Kosten.
Vorwort  VII

Der guten Ordnung halber sei angemerkt, dass die Autoren ihre individuelle
Meinung vertreten. Ihre Aussagen und Wertungen müssen weder notwendigerweise
die Meinung der Unternehmen oder Institutionen widerspiegeln, für die die Autoren
arbeiten, noch die Auffassung der übrigen Autoren treffen. Fehler habe ich selbst-
verständlich selbst zu vertreten.
Mein aufrichtiger Dank gilt den Autoren dieses Buches, die mit großem Enthu-
siasmus und Engagement seine Realisierung erst ermöglicht haben.

Kiel, im Juni 2012 Jörg Böttcher


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Zukunftsperspektiven und Herausforderungen


des Biogas-Marktes.................................................................................. 1
1.1 Biogas, der Joker im Energiemix...................................................... 2
1.2 Förderung der Erzeugung und Nutzung von
Biogas und Biomethan...................................................................... 4
1.3 Auf einem gutem Weg: Status quo der
Marktentwicklung von Biogas.......................................................... 5
1.4 Große Ziele, weiter Weg: Status quo der
Marktentwicklung von Biomethan................................................... 6
1.5 Die Akteure des Biogasmarkts.......................................................... 8
1.6 Zukunftsperspektiven und Herausforderungen................................. 9
1.7 Biogas und Biomethan im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2012....... 11
1.8 Weitere Impulse für die künftige Marktentwicklung
von Biogas und Biomethan............................................................... 12
1.9 Über den Tellerrand geblickt: Biogas und Biomethan
im europäischen Binnenmarkt.......................................................... 13
1.10 Fazit.................................................................................................. 14
Literatur............................................................................................ 14
2. Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes.......................................... 17
2.1 Einleitung.......................................................................................... 17
2.2 Biogas und Projektfinanzierung ....................................................... 20
2.3 Risikomanagement bei Biogasprojekten........................................... 26
2.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten..... 30
2.4.1 Das Rechts- und Regulierungsumfeld in Deutschland ......... 31
2.4.2 Zinsänderungsrisiko.............................................................. 33
2.4.3 Das Fertigstellungsrisiko – Einbindung eines
Generalunternehmers............................................................. 35
2.4.4 Das Funktionsrisiko – Bewährte Technologie?..................... 36
2.4.5 Das Management- und Betriebsrisiko................................... 38
2.4.6 Strukturierung der Beschaffungsseite – Ökonomische
und ökologische Anforderungen ........................................... 39
2.4.7 Zusammenfassende Würdigung der Einzelrisiken................ 43

IX
X Inhaltsverzeichnis

2.5 Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen


Risikomanagement............................................................................ 43
2.5.1 Grundsätzliche Überlegungen............................................... 43
2.5.2 Hinweise zur Optimierung aus Sicht der
Investoren und der Fremdkapitalgeber.................................. 46
2.5.3 Einbindung von Versicherungen in die
Finanzierungsstruktur............................................................ 47
Literatur............................................................................................ 49
3. Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen................... 51
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas – Genehmigung,
Vergütungssystem und Netzzugang.................................................. 51
3.1.1 Genehmigungsrecht............................................................... 51
3.1.2 Zugang zum Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetz............. 65
3.1.3 Stromeinspeisung und Einspeisevergütung........................... 80
3.1.4 Bestimmung der Einspeisevergütung.................................... 91
3.1.5 Alternative Vermarktungsmöglichkeiten............................... 105
3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und
Biomasseliefervertrag....................................................................... 110
3.2.1 Einführung............................................................................. 110
3.2.2 Der Generalunternehmervertrag............................................ 111
3.2.3 Der Biomasseliefervertrag..................................................... 127
3.2.4 Fazit....................................................................................... 141
3.3 Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des
Legal Advisers – Fallstricke und Lösungsmöglichkeiten................. 142
3.3.1 Fallstricke bei Verhandlungen mit
Grundstückseigentümern....................................................... 143
3.3.2 Fallstricke bei der Verhandlung mit der
Genehmigungsbehörde.......................................................... 149
3.3.3 Fallstricke bei der Verhandlung mit der Gemeinde............... 151
3.3.4 Fallstricke bei Verhandlungen mit Netzbetreibern................ 153
3.3.5 Fallstricke bei Verhandlungen mit Substratlieferanten.......... 158
3.3.6 Fallstricke bei der Vereinbarung mit
Generalunternehmern............................................................ 160
3.3.7 Fallstricke bei der Beteiligung an Biogasprojekten............... 162
3.3.8 Schlussfolgerung und Empfehlungen.................................... 165
3.4 Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit
unterschiedlicher Biomassepfade...................................................... 166
3.4.1 Hintergrund............................................................................ 166
3.4.2 Nachhaltigkeitsverständnis.................................................... 169
3.4.3 Soziale Nachhaltigkeit........................................................... 170
3.4.4 Kriterienentwicklung zur Bewertung der
Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade.................. 171
3.4.5 Alternativenvergleich in Bezug auf soziale Kriterien:
Biogaseinzelanlage, Bioenergiedorfkonzept und
Biogasgroßanlage.................................................................. 188
Inhaltsverzeichnis XI

3.4.6 Gewichtungsprozess.............................................................. 191


3.4.7 Methode, Ergebnisse und Fazit............................................. 193
3.4.8 Zusammenfassung................................................................. 196
Literatur............................................................................................ 197
4. Technische Aspekte.................................................................................. 205
4.1 Strukturierung des Biomasseangebots ............................................. 205
4.1.1 Substrat-Auswahl.................................................................. 206
4.1.2 Lieferverträge für Substrate................................................... 209
4.1.3 Substrat-Logistik................................................................... 212
4.1.4 Substrat-Anbau im Licht der öffentlichen Meinung.............. 218
4.1.5 Gegenüberstellung verschiedener Substrate.......................... 222
4.2 Biogas-Prozess und Biogaserträge ................................................... 225
4.2.1 Prozessbiologie und Prozessschritte...................................... 225
4.2.2 Anforderungen aus biologischer Sicht an den
Biogasproduktionsprozess..................................................... 226
4.2.3 Einflussgrößen auf den Prozess............................................. 226
4.2.4 Massenbilanzierung des Prozesses........................................ 226
4.2.5 Typische Biogaserträge.......................................................... 229
4.3 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen................................... 231
4.3.1 Forderungen an und Randbedingungen
für die Verfahrenstechnik....................................................... 231
4.3.2 Verfahrenstechnische Ansätze............................................... 234
4.3.3 Beispiele ............................................................................... 254
4.3.4 Entwicklungstendenzen......................................................... 257
4.4 Management zentraler Fertigstellungsrisiken................................... 263
4.4.1 Einleitung.............................................................................. 263
4.4.2 Grundsätzliches zur Projektplanung:
Die Vorbereitung des Projektes............................................. 263
4.4.3 Das Bauen beginnt................................................................. 265
4.4.4 Technische Voraussetzungen................................................. 265
4.4.5 Organisatorische Voraussetzungen........................................ 266
4.4.6 Persönliche Voraussetzungen................................................. 269
4.4.7 Der Projektverlauf – wichtige Anregungen für
die Projektdurchführung........................................................ 270
4.4.8 Der Projektabschluss............................................................. 273
4.5 Betriebserfahrungen.......................................................................... 274
4.5.1 Anlagenbestand und zu erwartender Ausbau inklusive
Repowering............................................................................ 274
4.5.2 Erfahrungen........................................................................... 285
Literatur............................................................................................ 300
5. Wirtschaftliche Aspekte........................................................................... 305
5.1 Risiko- und Versicherungsmanagement bei Biogasanlagen............. 305
5.1.1 Einleitung.............................................................................. 305
5.1.2 Die 7 Kernfragen des Risiko- und
Versicherungsmanagements................................................... 306
XII Inhaltsverzeichnis

5.1.3 Sachversicherungen............................................................... 312


5.1.4 Haftpflichtversicherung......................................................... 322
5.1.5 Zusammenfassung und Ausblick........................................... 323
5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten
Finanzierungsstruktur....................................................................... 323
5.2.1 Anforderungen an die Finanzierungsstruktur
aus Sicht von Investoren und Banken .................................. 323
5.2.2 Methodik und Zusammenspiel zwischen
Risikoidentifikation, Risikoallokation und
Risikoquantifizierung............................................................ 324
5.2.3 Darstellung der Reagibilität eines Biogasvorhabens
auf verschiedene Parameter-Änderungen.............................. 331
5.2.4 Verfahren der Risikoquantifizierung:
Cashflow-Modell und Rating-Verfahren .............................. 336
5.2.5 Entwicklung einer geeigneten Finanzierungsstruktur........... 345
Literatur............................................................................................ 353
Autoren

Kai Jens Basedow


Kai Jens Basedow ist seit 2010 Geschäftsführer der EES Nord GmbH. Er beschäftigt
sich mit der Planung und Ausführung von Energiekonzepten im Bereich erneuer-
bare Energien sowie mit Sicherheitstechnik und der Dokumentation bei Biogas-
anlagen. Neben anderen Funktionen ist er Mitglied des Firmenbeirats im Fachver-
band Biogas.
EES Nord GmbH, Lüchow, Deutschland; E-Mail: kai.basedow@eesnord.de

Dr. Jörg Böttcher


Dipl.-Ökonom und Bankkaufmann, ist seit 1995 bei der HSH Nordbank AG tätig.
Als Risk Adviser ist er dort mit der Strukturierung und dem Risikomanagement
von Projekten im Bereich erneuerbare Energien befasst. Nebenberuflich arbeitet
Jörg Böttcher als freier Mitarbeiter der Hans-Böckler-Stiftung. Er hat in den letzten
Jahren eine Reihe von Publikationen zu den Themen Projektfinanzierung und
erneuerbare Energien veröffentlicht.
HSH Nordbank AG, Kiel, Deutschland; E-Mail: joerg.boettcher@hsh-nordbank.
com

Dr. Swantje Eigner-Thiel


Dr. Swantje Eigner-Thiel, geboren in Kiel, studierte in Göttingen Psychologie. Sie
arbeitete an der FernUniversität Hagen am Lehrstuhl „Ökologische Psychologie“
und beim Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU),
bevor sie, wieder an der Georg-August-Universität Göttingen, das Projekt
„Bio¬energiedorf Jühnde“ mit initiierte und den Umbau der Energieversorgung des
Dorfes auf die Basis des erneuerbaren Energieträgers Biomasse wissenschaftlich
begleitete. Zu ihrem jetzigen Arbeits- und Forschungsfeld gehören soziale Aspekte
einer nachhaltigen Biomassenutzung und die Beratung von Bioenergiedörfern.
Georg-August-Universität Göttingen, Deutschland; E-Mail: seigner@gwdg.de

XIII
XIV Autoren

Nils Engler
Nils Engler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Abfall- und Stoff-
stromwirtschaft an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Univer-
sität Rostock.
Universität Rostock, Deutschland

Dr. Andreas Gabler


Dr. Andreas Gabler ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei RWP Rechtsanwälte
GbR in Düsseldorf. Er berät in- und ausländische Mandanten in allen Bereichen
des deutschen und europäischen Energierechts. Dr. Gabler verfügt über umfang-
reiche Erfahrung sowohl im Energievertragsrecht als auch bei der Planung und ver-
traglichen Ausgestaltung von Energieprojekten (Kraftwerksbau, Contracting). Ein
wesentlicher Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im Bereich erneuerbarer Energien
bei der Begleitung von Wind-, Photovoltaik- und Biomassekraftwerken. Dabei berät
er alle Projektverträge (Errichtung, Betriebsführung, Netzanschluss) sowie zu den
regulatorischen Rahmenbedingungen (Vergütungsansprüche, Direktvermarktung,
Abwicklung des Belastungsausgleichs).
RWP Rechtsanwälte GbR, Düsseldorf, Deutschland; E-Mail: a.gabler@rwp.de

Prof. Dr. Jutta Geldermann


Prof. Dr. Jutta Geldermann ist Inhaberin der Professur für Produktion und Logistik
an der Georg-August-Universität Göttingen seit 2006. Nach ihrer Ausbildung zur
Bankkauffrau bei der Deutschen Bank AG studierte sie Wirtschaftsingenieurwesen
an der Universität Karlsruhe (TH). Ihre Promotion zum Thema „Multikriterielle
Entscheidungsunterstützung zur integrierten Technikbewertung in der Eisen- und
Stahlindustrie“ erstellte sie ebenso wie ihre Habilitation am Institut für Industrie-
betriebslehre und Industrielle Produktion (IIP) und am Deutsch-Französischen
Institut für Umweltforschung (DFIU/IFARE) an der Universität Karlsruhe (TH)
(jetzt KIT – Karlsruher Institut für Technologie). Prof. Geldermann leitet die
Arbeitsgruppe „Entscheidungstheorie und -praxis“ der Gesellschaft für Operations
Research. Sie ist Gründungsmitglied des Energie-Forschungszentrums Nieder-
sachsen (EFZN), Goslar, und Leiterin des Forschungsbereichs „Energiewirtschaft“.
Georg-August-Universität Göttingen, Deutschland; E-Mail: geldermann@wiwi.
uni-goettingen.de

Dr. Thorsten Gottwald


Dr. Thorsten Gottwald vertritt seit 1991 ökologisch orientierte Verbände bei der
Beteiligung an Gesetzesvorhaben. Seit 2002 befasst er sich als Rechtsanwalt und
seit 2006 als Partner der Kanzlei Luther Nierer Rechtsanwälte Partnerschaft mit der
kompletten juristischen Beratung von Unternehmen und Privatpersonen im Bereich
erneuerbare Energien. Dr. Gottwald bietet mit seinem Team aus spezialisierten
Kolleginnen und Kollegen eine umfassende Beratung in allen Rechtsfragen an,
Autoren XV

insbesondere Vertragsprüfung und -gestaltung, Genehmigungsverfahren, Ener-


giesteuerrecht und Interessenvertretung gegenüber Netzbetreibern. Ziel sind die
Optimierung des gesamten Projekts und die konsequente Minimierung der Risiken.
Seine Mandanten haben insbesondere im Bereich Biogaseinspeisung in Deutsch-
land einen sehr hohen Marktanteil.
Luther Nierer, Berlin, Deutschland; E-Mail: dr.thorsten.gottwald@luthernierer.com

Matthias Grotsch
Matthias Grotsch ist Bankbetriebswirt (Frankfurt School of Finance & Manage-
ment) und bei der Sparkasse Holstein in Bad Oldesloe tätig. Nach über zwölf Jahren
Tätigkeit bei der HSH Nordbank AG (vormals LB Kiel) in den Bereichen Corporates
und Kreditrisikomanagement, wo er sich neben betriebswirtschaftlichen Fragestel-
lungen schwerpunktmäßig mit cashflowbasierten Projektfinanzierungen im Bereich
Windkraft und Solar und der Mitentwicklung von Finanzierungsstandards in diesen
Segmenten beschäftigt hat, wechselte er 2010 als Projektfinanzierer zur Hofkontor
AG in Büdelsdorf in die Branche der erneuerbaren Energien. Seit 2012 ist er als
Spezialkundenbetreuer bei der Sparkasse Holstein tätig.
Sparkasse Holstein, Bad Oldesloe, Deutschland; E-Mail: matthias.grotsch@
sparkasse-holstein.de

Dr. Michael Härig


Dr. Michael Härig arbeitet seit 2001 bei der Marsh GmbH, Düsseldorf, und ist
dort Leiter des Branchenteams Power Deutschland und Österreich. Ein Schwer-
punkt seiner Tätigkeit ist das Risiko- und Versicherungsmanagement (Vertrag und
Schaden) auf nationaler und internationaler Ebene mit den Branchenschwerpunkten
konventionelle und erneuerbare Energien sowie öffentliche Ver- und Entsorgung.
Darüber hinaus begleitet er Projekte zur Risk & Insurance Due Diligence.
Marsh GmbH, Düsseldorf, Deutschland; E-Mail: michael.haerig@marsh.com

Prof. Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt


Prof. Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt leitet seit 2006 das Institut für Umwelttechnik
und Energiewirtschaft (IUE) der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Von
2008 bis 2010 war er zusätzlich wissenschaftlicher Geschäftsführer des Deutschen
BiomasseForschungsZentrums (DBFZ) in Leipzig und zuvor Geschäftsführer des
Instituts für Energetik und Umwelt (IE) gemeinnützige GmbH. Davor leitete er
von 1993 bis 2000 die Abteilung „Neue Energietechnologien und Technikanalyse“
(NET) am IER der Universität Stuttgart, wo er sich auch auf dem Gebiet der
regenerativen Energien habilitierte. 1992 bis 1993 leitete er die Abteilung „Umwelt
und Energie“ beim KTBL in Darmstadt. Davor absolvierte er an der Technischen
Universität Clausthal ein ingenieurwissenschaftliches Studium und promovierte an
der Universität Stuttgart auf dem Gebiet der regenerativen Energien.
Technische Universität Hamburg-Harburg, Deutschland; E-Mail: kaltschmitt@tu-
harburg.de
XVI Autoren

Dr. Jörn Kassow


Dr. Jörn Kassow ist Rechtsanwalt und Local Partner der internationalen Sozietät
White & Case LLP. Er berät Mandanten auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts.
Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen insbesondere im Planungs-, Genehmigungs-
und Umweltrecht. Er weist umfangreiche Erfahrung in der rechtlichen Begleitung
von Großprojekten verschiedenster Art wie energiewirtschaftlichen Vorhaben (z. B.
konventionellen Kraftwerken oder Anlagen im Bereich der erneuerbaren Energien),
Einkaufszentren oder großflächigen Freizeit- und Tourismusprojekten auf. Dr. Jörn
Kassow verfügt über Prozesserfahrung in sämtlichen Instanzen der Verwaltungs-
gerichtsbarkeit. Er ist seit 2005 als Rechtsanwalt bei White & Case tätig.
White & Case, Hamburg, Deutschland; E-Mail: jkassow@whitecase.com

Dipl.-Ing. Benjamin Klausing


Herr Dipl.-Ing. Benjamin Klausing studierte von 2005 bis 2009 an der Technischen
Universität in Dresden Abfallwirtschaft und Altlasten. Von 2010 bis 2011 arbeitete
er im Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft an der Technischen Univer-
sität Hamburg-Harburg.
Technische Universität Hamburg-Harburg, Deutschland

Dr. Jan Liebetrau


Dr. Jan Liebetrau arbeitet am Deutschen BiomasseForschungszentrum gemeinnützige
GmbH (DBFZ) als Bereichsleiter des Bereiches Biochemische Konversion. Nach
dem Studium des Bauingenieurwesens in Weimar schloss sich ein Promotions-
stipendium der Deutschen Bundesstiftung Umwelt an. Nach erfolgreichem
Abschluss im Jahre 2006 folgte ein Forschungsaufenthalt am Alberta Research
Council, Alberta, Canada. Seit 2008 arbeitet Jan Liebetrau am DBFZ, aktuelle
Schwerpunkte liegen im Bereich Emissionsmessungen auf Biogasanlagen, Pro-
zessmodellierung und Prozessregelung sowie der Behandlung problematischer
Substrate.
Deutsches BiomasseForschungsZentrum, Leipzig, Deutschland

Dr. Gert Morscheck


Dr. Gert Morscheck ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Abfall- und
Stoffstromwirtschaft an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der
Universität Rostock.
Universität Rostock, Deutschland

Prof. Dr. Michael Nelles


Prof. Dr. Michael Nelles leitet seit 2006 den Lehrstuhl Abfall- und Stoffstrom-
wirtschaft und ist derzeit Prodekan an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen
Autoren XVII

Fakultät der Universität Rostock. Nach dem Studium der Umwelttechnik mit
Schwerpunkt Abfallwirtschaft an der TU Berlin waren die Montanuniversität
Leoben (wissenschaftlicher Mitarbeiter), Ingenieurbüro (TBUS bzw. INTUS) und
die Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Göttingen
die wesentlichen beruflichen Stationen. Ein Arbeitsschwerpunkt in den letzten 18
Jahren war und ist die stoffliche und energetische Verwertung von organischen
Abfällen und Reststoffen, wobei die Biogastechnik eine besondere Rolle spielt. Er
engagiert sich in zahlreichen wissenschaftlichen Beiräten von einschlägigen For-
schungsinstitutionen (z. B. DBFZ), Fachverbänden (z. B. BBE, ASA) sowie als
Mitveranstalter von nationalen und internationalen Fachtagungen (z. B. Rostocker
Bioenergieforum, VENICE).
Universität Rostock, Deutschland

Dipl.-Ing. Saskia Oldenburg


Frau Dipl.-Ing. Saskia Oldenburg studierte von 2003 bis 2009 an der Technischen
Universität Hamburg-Harburg Energie- und Umwelttechnik. Seit 2010 arbeitet sie
im Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft an der TUHH und schreibt
ihre Dissertation zum Thema „Anaerobe Fermentation von Mischgrün“.
Technische Universität Hamburg-Harburg, Deutschland; E-Mail: saskia.
oldenburg@tu-harburg.de

Dr. Sophie Oldenburg


Dr. Sophie Oldenburg ist als Rechtsanwältin für Luther Nierer Rechtsanwälte Part-
nerschaft in Berlin tätig. Luther Nierer Rechtsanwälte berät internationale und
nationale Projektentwickler, Betreiber, Erwerber und Finanzierer von Erneuerbare-
Energien-Projekten. Der Schwerpunkt der Tätigkeit von Dr. Oldenburg liegt in der
Beratung bei Fragen zur Planung und Genehmigung von Erneuerbare-Energien-
Projekten sowie in der Bewertung von öffentlich-rechtlichen Risiken in Projektver-
trägen. Sie ist Lehrbeauftragte der Humboldt-Universität zu Berlin für öffentliches
Umwelt- und Planungsrecht.
Luther Nierer, Berlin, Deutschland; E-Mail: sophie.oldenburg@luthernierer.com

Dipl.-Geogr. Nadja Rensberg


Dipl.-Geogr. Nadja Rensberg studierte Geografie an der Universität Leipzig.
Seit 2009 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen BiomasseFor-
schungsZentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ) im Bereich Biochemische Kon-
version. Ihre Arbeitsbereiche umfassen die Durchführung und Auswertung von
Betreiberbefragungen und die Analyse der Entwicklung der Energiebereitstellung
aus Biogas.
Deutsches Biomasse Forschungs Zentrum, Leipzig, Deutschland
XVIII Autoren

Sandra Rostek
Sandra Rostek ist seit 2009 bei der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) im
Geschäftsbereich regenerative Energien tätig. Seit 2011 verantwortet sie als Pro-
jektleiterin Kampagnen und Projekte im Bereich der Bioenergie, wie z. B. die Ini-
tiative „biogaspartner“, die 60 Akteure rund um die Einspeisung von Biogas in das
Erdgasnetz bündelt und in ihren Aktivitäten zur Beflügelung der Marktentwicklung
der Erzeugung und Nutzung des Energieträgers Biomethan unterstützt.
Deutsche Energie-Agentur, Berlin, Deutschland; E-Mail: rostek@dena.de

Meike Schmehl
Dipl.-Geoökol. Meike Schmehl studierte Geoökologie an der Technischen Univer-
sität Braunschweig. Seit 2007 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pro-
fessur für Produktion und Logistik der Universität Göttingen. Ihre Arbeitsbereiche
umfassen die Ökobilanzierung und die Mehrzielentscheidungsunterstützung bezüg-
lich nachwachsenden Rohstoffen.
Georg-August-Universität Göttingen, Deutschland

Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin


Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin ist Ingenieur für Landeskultur und Umweltschutz
(Universität Rostock) mit den Schwerpunkten Wasserversorgung und Abfallwirt-
schaft. Er promovierte im Bereich Abfallwirtschaft an der Bauhaus-Universität
Weimar und leitete am Deutschen BiomasseForschungsZentrum gGmbH (vor
deren Gründung 2008 dem früheren Institut für Energetik und Umwelt) seit 2004
den Bereich Biogastechnologie. Er wurde 2009 zum Honorarprofessor Bioenergie/
Biogas an die Universität Rostock berufen und ist seit Januar 2011 wissenschaftlicher
Geschäftsführer des Deutschen BiomasseForschungsZentrums.
Deutsches BiomasseForschungsZentrum, Leipzig, Deutschland; E-Mail: frank.
scholwin@dbfz.de

Dr. Andrea Schüch


Dr. Andrea Schüch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Abfall- und
Stoffstromwirtschaft an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der
Universität Rostock.
Universität Rostock, Deutschland

Dr. Britt Schumacher


Dr. Britt Schumacher studierte Landeskultur und Umweltschutz an der Univer-
sität Rostock und Abfallwirtschaft an der FH Nordostniedersachsen in Suderburg.
Sie arbeitete als Projektingenieurin im Siedlungswasserbau sowie im Abfall- und
Stoffstrommanagement. Sie promovierte zum Thema „Untersuchungen zur Auf-
bereitung und Umwandlung von Energiepflanzen in Biogas und Bioethanol“ an der
Autoren XIX

Landesanstalt für Landwirtschaftliches Maschinen- und Bauwesen an der Univer-


sität Hohenheim in Stuttgart. Sie ist seit 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin im
Bereich Biochemische Konversion am Deutsches BiomasseForschungsZentrum
gemeinnützige GmbH (DBFZ) in Leipzig.
Deutsches BiomasseForschungsZentrum, Leipzig, Deutschland; E-Mail: britt.
schumacher@dbfz.de

Kerstin Semmler
Kerstin Semmler, Rechtsanwältin; Studium der Rechtswissenschaften an der Uni-
versität des Saarlandes, Leiterin des Rechtsbereichs der Amprion GmbH seit 1.
Januar 2012. Zuvor war sie knapp vier Jahre Rechtsanwältin und Counsel bei Clif-
ford Chance, Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten, in Düsseldorf mit den
Beratungsschwerpunkten im Energiewirtschafts- und Energieumweltrecht (hierbei
insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien). Vor ihrer Beratungstätig-
keit war sie mehr als sechs Jahre in verschiedenen Positionen für die Energiewirt-
schaft im Bereich erneuerbare Energien tätig. Sie hat in den letzten Jahren mehrere
Publikationen zu verschiedenen energierechtlichen Themenkomplexen veröffent-
licht.
Amprion GmbH, Dortmund, Deutschland; E-Mail: kerstin.semmler@amprion.net

Dr. Florian-Alexander Wesche


Dr. Florian-Alexander Wesche ist seit 2004 Rechtsanwalt und Local Partner der
internationalen Sozietät White & Case LLP. Vor seinem Eintritt bei White & Case
im Jahre 2008 war er unter anderem in einer anderen führenden Energierechtspraxis
einer internationalen Sozietät. Zwischenzeitlich absolvierte er ein Secondment bei
einem der weltweit größten Energieunternehmen. Dr. Wesche berät in allen Fragen
des Energiewirtschaftsrechts und verfügt über besondere Erfahrungen im Bereich
der Gaswirtschaft und bei Pipeline- und Kraftwerksprojekten. Seine Schwerpunkte
liegen unter anderem im Bereich der deutschen und europäischen Gasnetzzugangs-
regulierung, Beratung bei Erneuerbare-Energien-Projekten sowie der Gestaltung
und Verhandlung von (Preis-)Anpassung von Energielieferverträgen.
White & Case, Düsseldorf, Deutschland; E-Mail: fwesche@duesseldorf.whitecase.
com
Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.1 Wertschöpfungskette Biomethan (dena 2011a).�����������������������������������������������������������4


Abb. 1.2 Entwicklung Biogaserzeugung seit 19999 (dena 2011, auf Basis
Fachverband Biogas e. V. 2011a).��������������������������������������������������������������������������������6
Abb. 2.1 Prognose der globalen installierten Stromerzeugung in TWh pro Jahr.���������������������18
Abb. 2.2 Stoffwechselprodukte des anaeroben Abbaus von organischem Substrat.�����������������21
Abb. 2.3 Verfahrensschema zur Vergasung biogener Abfälle.��������������������������������������������������22
Abb. 2.4 Vergleich Unternehmensfinanzierung und Projektfinanzierung
(In Anlehnung an Schmitt (1989), S. 22).������������������������������������������������������������������25
Abb. 2.5 Einflussfaktoren für die Wirtschaftlichkeit.���������������������������������������������������������������28
Abb. 2.6 Risikomanagementprozess bei einer Projektfinanzierung – Teil I.����������������������������30
Abb. 2.7 Auswirkung einer Zinsänderung auf den DSCR-Verlauf.������������������������������������������34
Abb. 2.8 Preisentwicklung von Weizen.�����������������������������������������������������������������������������������42
Abb. 2.9 DSCR eines Biogas-Projektes bei verschiedenen Parameteränderungen.�����������������44
Abb. 3.1 Prozessschritte zur Herstellung des Netzanschlusses I.���������������������������������������������79
Abb. 3.2 Prozessschritte zur Herstellung des Netzanschlusses II.��������������������������������������������79
Abb. 3.3 Hierarchie der sozialen Kriterien zum Vergleich von Biogas-Vorhaben in
Deutschland.������������������������������������������������������������������������������������������������������������177
Abb. 3.4 Nahwärmeversorgung in einem Bioenergiedorf.�����������������������������������������������������190
Abb. 3.5 Multikriterieller Entscheidungs¬unterstützungsprozess.�����������������������������������������191
Abb. 3.6 Relative Stärken und Schwächen verschiedener Biogas-Konzepte�������������������������194
Abb. 3.7 Spinnweb-Diagramm zum Vergleich verschiedener Biomassepfade�����������������������195
Abb. 4.1 Entwicklung des Dieselpreisindex seit 2005.�����������������������������������������������������������213
Abb. 4.2 Struktur der EE-Energiebereitstellung in Deutschland 2010 (BMU 2011).�������������219
Abb. 4.3 Aufteilung der landwirtschaftlichen Nutzflächen in Deutschland 2010
in tausend Hektar (Statistisches Bundesamt 2011; FNR e. V. 2011).����������������������221
Abb. 4.4 Substrate und Gasertrags-Eckdaten.�������������������������������������������������������������������������223
Abb. 4.5 Vereinfachter schematisierter Ablauf der anaeroben Vergärung.�����������������������������227
Abb. 4.6 Beispielhafte Massenbilanz der Biogasgewinnung aus Rindergülle
und Grassilage.���������������������������������������������������������������������������������������������������������229
Abb. 4.7 Beispiel für einen volldurchmischten Reaktor.��������������������������������������������������������241
Abb. 4.8 Schema eines Propfenstromreaktors (Kaltschmitt et al. 2009).�������������������������������242
Abb. 4.9 Schema eines Container- bzw. Boxenfermenters (Kaltschmitt et al. 2009).������������243
Abb. 4.10 Schema eines Folienschlauchfermenters.�����������������������������������������������������������������244
Abb. 4.11 Beispiele fermenterinterner Heizungssysteme.��������������������������������������������������������244
Abb. 4.12 Beispiele fermenterexterner Heizungssysteme.�������������������������������������������������������245
Abb. 4.13 Beispiel für Mischsysteme (Kaltschmitt et al. 2009).����������������������������������������������247
Abb. 4.14 Beispiel für eine Biogasanlage zur Vergärung nachwachsender Rohstoffe.������������255
Abb. 4.15 Beispiel für eine Biogasanlage zur Vergärung von Gülle.���������������������������������������257
Abb. 4.16 Beispiel für eine Biogasanlage zur Vergärung von stapelfähigen Substraten.���������258

XXI
XXII Abbildungsverzeichnis

Abb. 4.17 Die Top-Voraussetzungen.����������������������������������������������������������������������������������������266


Abb. 4.18 Biogasentwicklung in Deutschland.�������������������������������������������������������������������������275
Abb. 4.19 Regionale Verteilung der in Betrieb befindlichen Biogasanlagen����������������������������276
Abb. 4.20 Standorte der Biogasaufbereitungsanlagen in Deutschland�������������������������������������276
Abb. 4.21 Inanspruchnahme des Technologie-Bonus���������������������������������������������������������������278
Abb. 4.22 Massebezogener Substrateinsatz in Biogasanlagen (Gemäß DBFZ 2011).�������������279
Abb. 4.23 Massebezogener Substrateinsatz nachwachsender Rohstoffe
in Biogasanlagen (Gemäß DBFZ 2011).������������������������������������������������������������������280
Abb. 4.24 Energiebezogener Substrateinsatz in Biogasanlagen (Gemäß DBFZ 2011).�����������280
Abb. 4.25 Prozessführung der Biogasanlagen (Gemäß DBFZ 2010).��������������������������������������281
Abb. 4.26 Abdeckung von Gärrestlagern (Gemäß DBFZ 2011)����������������������������������������������284
Abb. 4.27 Verteilung der Ausfallzeiten�������������������������������������������������������������������������������������286
Abb. 4.28 Möglichkeiten der Verwertung/Behandlung von Bioabfall (Schüch 2010).������������293
Abb. 4.29 Bioabfallvergärungsanlagen in Deutschland (DBFZ 2011).������������������������������������294
Abb. 4.30 Zusammensetzung von Bioabfallvergärungsanlagen (Kern und Raussen 2011).����295
Abb. 5.1 Schadenzahlungen bezogen auf die betroffenen Komponenten.������������������������������307
Abb. 5.2 Verschiedene Absicherungskonzepte bei Beteiligung mehrerer Parteien.���������������311
Abb. 5.3 Symbolische Darstellung der Versicherungsgrundlagen.�����������������������������������������313
Abb. 5.4 Aufteilung der Entschädigung bei Fermenterschäden.��������������������������������������������315
Abb. 5.5 Bestandteile des Risikomanagementprozesses.��������������������������������������������������������326
Abb. 5.6 Risikoeinflüsse auf ein Biogasprojekt.���������������������������������������������������������������������328
Abb. 5.7 Risikomanagementprozess bei einer Projektfinanzierung – Teil II.�������������������������330
Abb. 5.8 DSCR-Verlauf Biogas-Projekt (Sponsors Case).�����������������������������������������������������332
Abb. 5.9 DSCR-Verlauf bei unterstellten konstanten Betriebskosten.������������������������������������333
Abb. 5.10 DSCR-Verlauf bei unterschiedlichen Zinssätzen.����������������������������������������������������333
Abb. 5.11 DSCR-Verlauf bei veränderten Betriebskosten.�������������������������������������������������������335
Abb. 5.12 DSCR-Verlauf bei Einnahmenveränderung.������������������������������������������������������������336
Abb. 5.13 Gegenüberstellung Interner Zinssatz/Debt Service Cover Ratio.����������������������������338
Abb. 5.14 Grundlegendes Cashflow-Modell mit Base- und Worst-Case
(Nevitt und Fabozzi 2000, S. 12).����������������������������������������������������������������������������340
Abb. 5.15 Variation der Laufzeit bei einem Biogasprojekt.������������������������������������������������������346
Abb. 5.16 DSCR-Verlauf bei Veränderung der tilgungsfreien Zeit������������������������������������������348
Abb. 5.17 DSCR bei Veränderung der Höhe der Schuldendienstreserve���������������������������������350
Abb. 5.18 DSCR bei Flexibilisierung der Wartungskosten.������������������������������������������������������351
Abb. 5.19 DSCR-Verlauf nach Verhandlungsprozess���������������������������������������������������������������352
Tabellenverzeichnis

Tab. 2.1 Erfolgsfaktoren einer Projektfinanzierung im Bereich Biogas.���������������������������������27


Tab. 2.2 Übersicht über exogene und endogene Risiken.��������������������������������������������������������29
Tab. 2.3 Auswirkung einer Zinsänderung aus Sicht der Kapitalgeber.������������������������������������34
Tab. 2.4 Verteilung von Fertigstellungsrisiken auf die Kapitalgeber.��������������������������������������35
Tab. 2.5 DSCR bei verschiedenen Parameteränderungen aus Sicht der Kapitalgeber.������������45
Tab. 3.1 Faktoren, die eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung auslösen.������������������53
Tab. 3.2 Pflicht zur Durchführung einer UVP.�������������������������������������������������������������������������57
Tab. 3.3 Übersicht über EEG-Vergütungssätze (EEG 2012).���������������������������������������������������93
Tab. 3.4 Bandbreiten für die Hemmstoffbelastung.
(Scholwin et al. 2009a, S. 863, soweit nicht anders a+ngegeben).��������������������������134
Tab. 3.5 Vergleichende Darstellung der 3 Biomasseszenarien.����������������������������������������������189
Tab. 3.6 Vergleichsdaten für die sozialen Kriterien dreier Biomassepfade.���������������������������192
Tab. 4.1 Zusammensetzung von Biogas (mifratis 2011).�������������������������������������������������������223
Tab. 4.2 Gasertrags-Eckdaten (nach KTBL 2006).����������������������������������������������������������������224
Tab. 4.3 Optische Darstellung Gasertrags-Eckdaten (nach KTBL 2006).�����������������������������225
Tab. 4.4 Wesentliche Einflussgrößen auf den biologischen Prozess der
Biogasproduktion (Verändert nach VDI 4631 2011).����������������������������������������������228
Tab. 4.4 (Fortsetzung) Wesentliche Einflussgrößen auf den biologischen Prozess
der Biogasproduktion (Verändert nach VDI 4631 2011).����������������������������������������229
Tab. 4.5 Beispielhafte Massenbilanz der Biogasgewinnung aus Rindergülle
und Grassilage.���������������������������������������������������������������������������������������������������������230
Tab. 4.6 Typische Biogaserträge (Verändert nach FNR 2010, verändert: ohne
Kartoffelfruchtwasser).��������������������������������������������������������������������������������������������230
Tab. 4.6 (Fortsetzung) Typische Biogaserträge (Verändert nach FNR 2010,
verändert: ohne Kartoffelfruchtwasser).������������������������������������������������������������������231
Tab. 4.7 Inanspruchnahme von Boni7.�����������������������������������������������������������������������������������277
Tab. 4.8 Mittlerer Substratmix in Biogasanlagen (Gemäß DBFZ 2011).������������������������������279
Tab. 4.9 Einsatzhäufigkeit der Verfahren zur Gasreinigung/ -entschwefelung.
(Gemäß DBFZ 2011).����������������������������������������������������������������������������������������������282
Tab. 4.10 Verteilung der Ursachen von Ausfallzeiten (Gemäß DBFZ 2011).��������������������������286
Tab. 4.11 Praxiserfahrungen bei verschiedenen Parametern.���������������������������������������������������287
Tab. 4.11 (Fortsetzung) Praxiserfahrungen bei verschiedenen Parametern.����������������������������288
Tab. 4.12 Bereiche für Konzentrationen von flüchtigen organischen Säuren.
(Lebuhn et al. 2008, S. 118–125).����������������������������������������������������������������������������288
Tab. 4.13 Mittlere Betriebsstunden- und Volllaststundenzahl (DBFZ 2011)���������������������������290
Tab. 4.14 Mittlerer Eigenstrombedarf und Standardabweichung (DBFZ 2011).���������������������290
Tab. 4.15 Mittlerer Eigenwärmebedarf (DBFZ 2011).�������������������������������������������������������������291
Tab. 4.16 Vergärungsverfahren für die Behandlung fester organischer Siedlungsabfälle.������297
Tab. 5.1 Risikoart, Risiko-Instrument und Risikoträger.��������������������������������������������������������327

XXIII
XXIV Tabellenverzeichnis

Tab. 5.2 Systematisches Vorgehen bei der Risikoquantifizierung.�����������������������������������������330


Tab. 5.3 Rahmendaten eines Biogas-Projektes in Deutschland.��������������������������������������������332
Tab. 5.4 Beurteilung des Sponsors Case aus Sicht der Kapitalgeber.������������������������������������332
Tab. 5.5 Beurteilung einer Betriebskostenvariation aus Kapitalgebersicht.��������������������������333
Tab. 5.6 Beurteilung einer Zinssatzvariation aus Kapitalgebersicht.�������������������������������������333
Tab. 5.7 Beurteilung einer Betriebskostenvariation aus Kapitalgebersicht.��������������������������335
Tab. 5.8 Beurteilung einer Einnahmenänderung aus Sicht der Kapitalgeber.������������������������336
Tab. 5.9 Beurteilung einer Laufzeitänderung aus Sicht der Kapitalgeber.�����������������������������346
Tab. 5.10 Beurteilung der Veränderung aus Sicht der Kapitalgeber.���������������������������������������348
Tab. 5.11 Beurteilung der Variation der Schuldendienstreserve aus Sicht
der Kapitalgeber.������������������������������������������������������������������������������������������������������350
Tab. 5.12 Beurteilung unterschiedlicher Wartungskosten aus Sicht
der Kapitalgeber.������������������������������������������������������������������������������������������������������351
Tab. 5.13 Beurteilung der verhandelten Finanzierungsstruktur aus Sicht
der Kapitalgeber.������������������������������������������������������������������������������������������������������352
Einleitung: Zukunftsperspektiven und
Herausforderungen des Biogas-Marktes 1
Sandra Rostek

Die energetische Nutzung von Biomasse bewegt sich im internationalen Spannungs-


feld unterschiedlicher Politikbereiche. Im Wesentlichen lassen sich die Ziele, die
mit dem Ausbau der Bioenergie verknüpft werden, in die Bereiche Energiepolitik,
Umweltpolitik, Agrarpolitik und Wirtschaftspolitik einordnen. Energiepolitische
Zielstellungen umfassen dabei international betrachtet hauptsächlich Aspekte
der Versorgungssicherheit und der Gesundheit durch Reduktion von Emissionen.
Umweltpolitische Parameter mit Bezug zur Bioenergie sind unter anderem Klima,
Biodiversität und der Erhalt bzw. die Entwicklung ländlicher Räume. Letzterer Aspekt
ist auch ein Ziel der Agrarpolitik; insbesondere in Armuts- und Schwellenländern zu
ergänzen um Armutsbekämpfung im ländlichen Raum. Der Fokus der Wirtschafts-
politik schließlich liegt auf der der Förderung und dem Export von Rohstoffen
und innovativen Technologien. Die einzelnen Aspekte und Ziele werden von Land
zu Land unterschiedlich gewichtet und können sich im Zusammenspiel teilweise
ergänzen, aber auch in konkurrierender Weise beeinflussen (DBFZ 2011, S. 5–7).
Wer sich also mit der Frage nach Zukunftsperspektiven und Herausforderungen im
Bereich der Biogaserzeugung und -nutzung beschäftigt, der sollte den Kontext, in
den diese eingebettet ist, stets mit berücksichtigen. So kommt etwa der Zielstellung
der Versorgungssicherheit in nahezu allen Nationen eine zentrale Rolle zu, während
klimapolitische Ziele in besonderem Maße in der Europäischen Union formuliert
und mithilfe entsprechender Umsetzungsinstrumente implementiert werden, wie
beispielsweise der EU Directive 2009/28/EG. Die EU hat sich bis 2020 zum Ziel
gesetzt, die Treibhausgasemissionen um mindestens 20 % zu senken, den Energie-
verbrauch durch Energieeffizienz-Maßnahmen um 20 % zu verringern und 20 % des
Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien zu decken (EU Directive 2009/28/EG).
Auf dieser Grundlage sollen die erneuerbaren Energien zukünftig auch in
Deutschland einen zentralen Beitrag zu der Energieversorgung übernehmen. Ihr
Anteil soll bis 2020 auf mindestens 35 % der Stromversorgung, 14 % der Wär-
mebereitstellung und 10 % des Kraftstoffverbrauches erhöht werden. Bis 2020
sollen auch die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 40 % verringert
werden.
Deutschland hat darüber hinaus weitere Zielstellungen formuliert: „Die Sicher-
stellung einer zuverlässigen, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Energiever-
sorgung ist eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“, so heißt es

J. Böttcher, Management von Biogas-Projekten,


DOI 10.1007/978-3-642-20956-7_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 1
2 1  Einleitung: Zukunftsperspektiven und Herausforderungen des Biogas-Marktes

im ersten Satz des Energiekonzepts der Bundesregierung, vorgelegt vom Bundesmi-


nisterium für Wirtschaft und Technologie und dem Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit am 28. September 2010 (BMWi/BMU, 2010).
Bei der Beantwortung der Frage nach Zukunftsperspektiven und Herausforderun-
gen des Biogasmarkts, der auf den folgenden Seiten nachgegangen werden soll,
bietet bereits dieser erste Satz eine wesentliche Orientierungshilfe: sicher, bezahlbar
und umweltfreundlich soll sie also sein, die Energie der Zukunft in Deutschland.
Das mit diesen drei Eckpfeilern formulierte Zieldreieck ist der Rahmen, in dem sich
der Ausbau der regenerativen Energien in Deutschland in den kommenden Jahren
und Jahrzehnten bewegen wird. Auch für den Biogasmarkt sind diese drei Aspekte
somit die Maßgabe und die Messlatte der künftigen Marktentwicklung und sollen
bei der Analyse der Zukunftsperspektiven und Herausforderungen im Rahmen die-
ses Beitrags herangezogen werden.

1.1 Biogas, der Joker im Energiemix

Doch zunächst eine Betrachtung der bisherigen Entwicklung des Biogasmarkts und
des Status quo. Auf Biogas entfielen im Jahr 2010 bei der Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energieträgern mit 13,3 TWh knapp 13 %, während der Anteil bei
der regenerativen Wärmebereitstellung mit 7,6 GWh ca. 6 % betrug (BMU 2011a).
Der Stellenwert von Biogas innerhalb der erneuerbaren Energieträger ist also
bereits heute groß – zu Recht, denn die Erzeugung und Nutzung von Biogas gehört
zu den effizientesten Formen der Energiebereitstellung auf Basis von Biomasse.
Effizienz ist gerade im Zusammenhang mit der Erzeugung und Verwertung von
Biomasse von grundlegender Bedeutung, denn Biomasse ist eine begrenzt ver-
fügbare Ressource, die neben der Erzeugung von Energie vielfältigen anderen
elementaren Zwecken zugeführt werden kann. Sie ist für die Nahrungs- und Fut-
termittelproduktion unerlässlich und findet vielfältigen industriellen Einsatz, wie
beispielsweise in der Papier-, Holz- und Möbelindustrie. Die für die Energieerzeu-
gung verbleibende Biomasse ist folglich ein kostbares Gut, das es umsichtig einer
möglichst effizienten Nutzung zuzuführen gilt.
Kaum ein anderer erneuerbarer Energieträger kann so flexibel erzeugt und ver-
wertet werden wie Biogas bzw. Biomethan. Da das regenerative Gas grundsätzlich
aus allen organischen Verbindungen erzeugt werden kann, ist die genutzte Biomasse
entsprechend vielfältig. Für die Erzeugung von Biogas speziell geeignet sind eigens
angebaute Energiepflanzen, also insbesondere schnell wachsende Pflanzen mit
einer hohen Photosyntheserate und einem hohen Methanertragspotenzial. Weit ver-
breitete Energiepflanzen in Deutschland sind Mais, Maiswurzelbohrer, Raps, Rog-
gen, Zuckerrübe oder die Durchwachsene Silphie. Aber auch organische Reststoffe
wie Bioabfälle, Gülle, überlagerte Lebensmittel, Schlachtabfälle und Klärschlamm
können zu Biogas verarbeitet und somit einer energetischen Nutzung zugeführt
werden. Durch fermentative Prozesse in der Biogasanlage wird aus dem Substrat
ein Gasgemisch, das je nach Substratmix etwa 45-70 % Methan enthält und einem
energetischen Zweck in der Nähe des Erzeugungsorts zugeführt werden kann. Als
1.1  Biogas, der Joker im Energiemix 3

Rückstand aus diesem natürlichen Prozess verbleibt ein Gärrest, der als wertvoller
Wirtschaftsdünger auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgebracht wird und
den Einsatz von künstlich hergestellten Düngemitteln reduziert. Die Biogaserzeu-
gung stellt somit einen geschlossenen Kreislauf dar. Sie kann darüber hinaus im
Unterschied zu anderen erneuerbaren Energieträgern kontinuierlich erfolgen und ist
weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen wie meteorologischen Bedingun-
gen. Als Ausgleichsenergie zu den fluktuierenden Energieträgern wie Windenergie
und Photovoltaik kann Biogas das Energiesystem stabilisieren und gesicherte Leis-
tung auf Basis regenerativer Quellen zur Verfügung stellen.
In den letzten Jahren hat sich zudem in Deutschland neben der klassischen Vor-
Ort-Erzeugung und Vor-Ort-Verstromung die Aufbereitung von Biogas zu Bio-
methan (oder Bioerdgas) und Einspeisung in das Erdgasnetz etabliert. Im Zuge der
Aufbereitung wird CO2 abgetrennt und der Methangehalt des Rohgases auf bis zu
98 % angereichert, um als Erdgasäquivalent in das Erdgasnetz eingespeist werden
zu können. Zur großtechnischen Anwendung kommen in Deutschland zumeist
wäschebasierte Verfahren wie die Aminwäsche oder druckbasierte Verfahren wie
die Druckwechseladsorption oder die Druckwasserwäsche. Im internationalen
Raum können auch Membranverfahren langjährige Erfahrung vorweisen. Das so
aufbereitete Biogas kann als Biomethan in das Erdgasnetz eingespeist werden und
so von dem Ort und der Zeit seiner Erzeugung entkoppelt werden. Durch diesen
Schritt eröffnen sich neue Nutzungs- und Speichermöglichkeiten, die bedarfs-
gerecht bedient werden können.
Biogas bzw. Biomethan stehen prinzipiell drei Anwendungspfade offen: Wär-
meerzeugung, gekoppelte Strom- und Wärmeerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung
sowie als Kraftstoff im Mobilitätssektor. Wie Erdgas kann es zur Wärmeversorgung
in Industriebetrieben und Haushalten eingesetzt werden. Hierfür bedarf es keiner
Anpassung der entsprechenden Endgeräte (z. B. Gasbrennwertkessel, Gasherde),
da das Biomethan über die gleichen Brenneigenschaften verfügt wie das Erdgas des
lokal vorhandenen Erdgasnetzes.
Für die Kraft-Wärme-Kopplung wird Biomethan in Verbrennungsmaschinen
genutzt (Gasmotoren, (Mikro-)Gasturbinen, Sterlingmotoren). Diese erzeugen
mechanische Energie und als Nebenprodukt Wärme. Die mechanische Energie
wird über Generatoren in elektrische Energie umgewandelt und in das Stromnetz
eingespeist. Die entstehende Wärme wird zu Heizzwecken genutzt. Die mit Biogas
betriebene KWK findet hauptsächlich in Blockheizkraftwerken Anwendung, wobei
die anfallende Wärmeenergie über ein Nahwärmenetz genutzt werden kann. Bezo-
gen auf die Energieausbeute erzielt die KWK sehr gute Werte, da die bei der Strom-
erzeugung prozessbedingt anfallende Wärme mit genutzt wird. KWK eignet sich
besonders bei Gebäuden und Einrichtungen, die über das Jahr einen hohen Wär-
mebedarf haben wie beispielsweise Schwimmbäder, Fabriken oder Krankenhäuser.
Schließlich kann Biomethan auch zur Betankung von Erdgasfahrzeugen genutzt
werden. Fahrzeugseitige Umrüstungen der Erdgasfahrzeuge sind hierfür nicht
erforderlich. Über die Einspeisung in das Netz wird das Biomethan deutschland-
weit verfügbar gemacht und kann über herkömmliche Erdgastankstellen bezogen
werden. Im Vergleich zu anderen Biokraftstoffen wie Bioethanol oder Biodiesel
4 1  Einleitung: Zukunftsperspektiven und Herausforderungen des Biogas-Marktes

Abb. 1.1 Wertschöpfungskette Biomethan. (dena 2011a)

ist Biomethan als hocheffizient einzustufen. Je Hektar Ackerland lässt sich eine
ähnlich hohe Reichweite erzielen wie bei Biomass-to-Liquid (BtL)-Kraftstoffen der
sogenannten zweiten Generation.

1.2 Förderung der Erzeugung und Nutzung von Biogas und


Biomethan

Biogas kann somit als Joker unter den regenerativen Energieträgern gelten. Folge-
richtig und da es preislich derzeit nicht mit fossilen Vergleichsenergieträgern kon-
kurrieren kann, bedient sich die Bundesregierung eines umfangreichen Instru-
mentenmix zur Förderung der Erzeugung und Nutzung.
Die Erfolgsgeschichte von Biogas ist sehr eng mit dem Erneuerbare-Energien-
Gesetz (EEG) verknüpft. Sinn und Zweck des erstmals am 1. April 2000 in Kraft
getretenen und 2004, 2009 und zum 1. Januar 2012 novellierten Gesetzes ist der
Klimaschutz, eine nachhaltige Energieversorgung, die Verringerung der volkswirt-
schaftlichen Kosten der Energieversorgung, die Schonung fossiler Ressourcen und
die Weiterentwicklung der Technologien zur Erzeugung von Strom aus erneuer-
baren Energien. Dazu soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung
bis zum Jahr 2020 auf 30 % erhöht werden. Zur Erreichung dieser Ziele sieht das
EEG erstens den vorrangigen Anschluss von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus
erneuerbaren Energien an die Stromnetze der allgemeinen Versorgung, zweitens die
vorrangige Abnahme, Übertragung und Verteilung des erzeugten Stroms sowie drit-
tens eine garantierte Einspeisevergütung vor, die für das Jahr der Inbetriebnahme
und weitere 20 Jahre zu einem festen Satz garantiert wird. Der auf Basis von Biogas
erzeugte Strom kann so, vorbehaltlich der Einhaltung umfangreicher Vergütungs-
tatbestände die Effizienz und Umweltverträglichkeit betreffend, eine auskömmliche
Vergütung erzielen. Die Biogaseinspeisung wird auf folgende Weise gefördert: Aus
einem Gasnetz entnommenes Gas gilt dann als Biomasse, wenn die Menge des
entnommenen Gases im Wärmeäquivalent der Menge von Biogas entspricht, das an
anderer Stelle in das Gasnetz eingespeist worden ist. Der Technologiebonus bzw.
ab 2012 der Bonus für Gasaufbereitung bilden den zusätzlichen Aufwand für die
Aufbereitung ab (EEG 2011).
1.3  Auf einem gutem Weg: Status quo der Marktentwicklung von Biogas 5

Für in das Erdgasnetz eingespeistes Biogas setzt zudem die Gasnetzzugangsver-


ordnung entscheidende Impulse. Sie definiert als Ausbauziel die Erschließung eines
Potenzials von 6 Mrd. Normkubikmetern Biomethan im Jahr 2020 und 10 Mrd.
Normkubikmetern im Jahr 2030. Des Weiteren gewährt die Verordnung vorrangi-
gen Netzanschluss und Netzzugang für Biomethan und regelt die Verantwortlich-
keiten und Kostenverteilung zwischen Einspeiser und Netzbetreiber. Letztere wurde
in der Neufassung aus dem Jahr 2010 nochmals zugunsten des Anschlusspetenten
angepasst: Er trägt bis zu 25 % der Kosten des Netzanschlusses, maximal jedoch
250.000 € (GasNVZ 2010).
Im Wärmesektor dient das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG)
als Anreizsystem für Biomethan. Eigentümer von nach dem 1. Januar 2009 neu
errichteten Gebäuden sind gemäß dem Gesetz verpflichtet, erneuerbare Energien für
ihre Wärmeversorgung zu nutzen. Die Pflicht trifft alle Eigentümer (Private, Staat,
Wirtschaft). Ausgenommen sind Gebäude, für die schon vor dem 1. Januar 2009
ein Bauantrag oder eine Bauanzeige eingereicht wurde. Für öffentliche Gebäude
gilt zudem seit der Novellierung des Gesetzes im Mai 2011 eine Nutzungspflicht
auch für Bestandsbauten im Sinne einer Vorbildfunktion. Genutzt werden können
alle Formen von erneuerbaren Energien, auch in Kombination. Bei der Nutzung von
Biogas gilt die Pflicht grundsätzlich als erfüllt, wenn der Wärmeenergiebedarf des
jeweiligen Gebäudes zu 30 % hieraus gedeckt wird (EEWärmeG 2011).
Im Kraftstoffsektor schließlich erfährt Biomethan eine Anreizung über das Bio-
kraftstoffquotengesetz. In diesem Artikelgesetz wird die Beimischung von Bio-
kraftstoffen in den Kraftstoff für Kraftfahrzeuge in Deutschland vorgeschrieben
und reguliert. Zum 1. Januar 2007 wurde erstmals eine Mindestquote zur Bei-
mischung von Biokraftstoffen eingeführt. Derzeit beträgt die energetische Gesamt-
quote für Biokraftstoffe 6,25 % der jährlich in Verkehr gebrachten Kraftstoffe,
wobei mindestens 2,8 % der Otto- und 4,4 % der Dieselkraftstoffe als sogenannte
Unterquote durch Biokraftstoffe ersetzt werden müssen. Im Zuge der am 18. Juni
2009 beschlossenen Novelle wurde Biomethan in diese Liste mit aufgenommen
(BioKraftFÄndG 2009).

1.3 Auf einem gutem Weg: Status quo der Marktentwicklung


von Biogas

Der Bestand an Biogasanlagen in Deutschland konnte seit dem erstmaligen Inkraft-


treten des EEG im Jahr 2000 kontinuierlich ausgebaut werden. Die Steigerungs-
raten korrelieren direkt mit der Novellierung des EEG im Jahr 2004 und der
letzten Neufassung im Jahr 2009. So umfasste der Biogasanlagenbestand Ende
2010 5.905 Biogasanlagen mit einer installierten elektrischen Anlagenleistung
von 2.291 MWel. Die durchschnittliche Anlagenleistung beläuft sich somit auf
380 kWel. Absoluter Spitzenreiter hinsichtlich der Anlagenzahl ist Bayern mit 2.030
installierten Biogasanlagen, was auf die Anreizsetzung für den Zubau kleinerer
und mittlerer Biogasanlagen unter 200 kWel zurückzuführen ist. Hinsichtlich der
installierten Leistung führt Niedersachsen mit 560 MWel. Der Fachverband Biogas
6 1  Einleitung: Zukunftsperspektiven und Herausforderungen des Biogas-Marktes

Abb. 1.2 Entwicklung Biogaserzeugung seit 1999. (dena 2011, auf Basis Fachverband Biogas
e.  V. 2011a)

geht davon aus, dass sich die Zubauraten auch 2011 weiter kontinuierlich steigern
werden, so dass für Ende 2011 ein Bestand von 7.000 Biogasanlagen und eine
installierte Leistung von 2.728 MWel prognostiziert werden (Fachverband Biogas
e.  V. 2011a). Die bisherige Marktentwicklung kann somit als sehr positiv bewertet
werden. Auch im internationalen Vergleich ist Deutschland unangefochtener
Spitzenreiter hinsichtlich der Erzeugung und Nutzung von Biogas.

1.4 Große Ziele, weiter Weg: Status quo der


Marktentwicklung von Biomethan

Der Markt für die Biogaseinspeisung in Deutschland ist vergleichsweise jung:


Die ersten beiden Anlagen zur Biogaseinspeisung in Deutschland wurden Ende
2006 in Betrieb genommen. Im Jahr 2007 wurden weitere vier Anlagen zugebaut.
Im Oktober 2011 speisen nach Informationen der dena 59 Anlagen in das Erd-
gasnetz ein. Ende 2011 werden nach derzeitigem Planungsstand voraussichtlich
etwa 100 Anlagen mit einer stündlichen Einspeisung von ca. 64.000 Normkubik-
metern Biomethan am Netz sein. Bis 2012 ist derzeit ein Zuwachs auf 117 Anlagen
mit rund 73.000 Normkubikmetern und bis 2013 auf 128 Anlagen mit rund
79.000 Normkubikmetern Einspeiseleistung pro Stunde geplant. Die durchschnitt-
liche Aufbereitungskapazität der Biomethananlagen beträgt ca. 700 Normkubik-
meter pro Stunde.
Auch wenn die Biogaseinspeisung somit bereits auf erste erfolgreiche Schritte
zurückblicken kann – um die Ziele der Bundesregierung von 6 Mrd. Kubikmetern
im Jahr 2020 zu erreichen, ist es noch ein weiter Weg. Hierzu wäre ein jährlicher
1.4  Große Ziele, weiter Weg: Status quo der Marktentwicklung von Biomethan 7

Abb. 1.3 Entwicklung der Biomethanerzeugung seit 2006. (dena 20121)

Zubau von etwa 120 Anlagen bei einer durchschnittlichen Aufbereitungskapazität


erforderlich.
Der Anlagenzubau der letzten Jahre war im Wesentlichen determiniert von
der sich trotz der implementierten Anreizinstrumente schleppend präsentierenden
Situation auf den Absatzmärkten für Biomethan:
Die wärmegeführte BHKW-Verstromung ist gegenwärtig der bedeutendste
Absatzmarkt für Biomethan. Maßgeblich beeinflusst wird dieser Markt durch das
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Dieses setzt konkrete Impulse zur Anrei-
zung des Einsatzes von Biomethan in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, da dieser
Absatzweg aus Perspektive des Klimaschutzes die effizienteste Nutzung für Biome-
than darstellt. Wenngleich die Mehrheit der erzeugten Biomethanmengen in Block-
heizkraftwerken nach EEG verwertet wird, ist die Entwicklung in diesem Sektor
hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Vor dem Hintergrund der aktuell niedrigen
Erdgaspreise ist die Entwicklung von wirtschaftlich attraktiven Standorten deutlich
schwieriger als etwa noch vor zwei Jahren. Darüber hinaus ist das Produkt Bio-
methan komplex und bedarf eines relativ umfangreichen Vorwissens, über das viele
potenzielle Marktteilnehmer derzeit noch nicht verfügen (dena 2011a). Transparenz
und Standardisierung hinsichtlich des Prozesses der Nachweisführung schafft seit
Februar 2011 das Biogasregister Deutschland, ein IT-basiertes Dokumentations-
system, das die dena gemeinsam mit führenden Akteuren der Biomethanbranche
entwickelt hat (dena 2011b).1
Der Wärmemarkt wird einerseits durch Anreizung durch das Erneuerbare-Ener-
gien-Wärmegesetz (EEWärmeG) bestimmt und andererseits durch Ökogasprodukte

1
Die Übersicht zur Marktentwicklung der Biogaseinspeisung in Deutschland auf der Website
des Projekts biogaspartner der dena (www.biogaspartner.de) wird regelmäßig aktualisiert.
8 1  Einleitung: Zukunftsperspektiven und Herausforderungen des Biogas-Marktes

auf freiwilliger Basis. Beide Anwendungsfälle stellen derzeit eher „schlafende Rie-
sen“ dar. Vom EEWärmeG geht nur ein geringer Impuls zum Einsatz von Biomethan
aus, da der Gebäudebestand von den hier greifenden gesetzlichen Regelungen weit-
gehend ausgeschlossen ist. Darüber hinaus wird Biomethan bundesweit im Wärme-
markt in sogenannten Beimischprodukten (zwischen 5 und 30 % Biomethananteil
im Erdgasbezug) sowie durch einzelne Anbieter auch als 100 %-Produkt angeboten.
Insbesondere von Interesse ist dies für Biomethan, das auf Basis von Reststoffen
erzeugt wurde, oder für nicht nach dem EEG vergütungsfähiges Biogas. Ähnlich
den „Grünstrom“-Angeboten im Stromsektor, besteht bei privaten Endkunden eine
prinzipielle Bereitschaft, für Beimischungen von Biomethan einen Aufpreis auf den
Erdgaspreis zu zahlen. Laut einer Umfrage der Hochschule Hildesheim unter 1.000
Endverbrauchern sagten 75 % der Befragten aus, prinzipiell Interesse am Bezug
von Biomethan zu haben. 37 % waren darüber hinaus bereit, mehr für ein solches
Produkt zu bezahlen. Die Zahl der Anbieter, die derartige freiwillige Ökogaspro-
dukte anbieten, nimmt demzufolge beständig zu (dena 2011a). Die dort absetzbaren
Biomethanmengen sind jedoch aufgrund der durch Kostendruck bestimmten im
Normalfall niedrigen Beimischungsquoten vergleichsweise gering.
Auch der Kraftstoffsektor stellt sich derzeit noch als Nischenmarkt für Biome-
than dar. Zwar zeichnet sich Biomethan unter den Biokraftstoffen durch besondere
Effizienz aus; die bislang nur schwach ansteigende Anzahl der Erdgasfahrzeuge in
Deutschland jedoch grenzt diesen Wachstumspfad derzeit ein: In 2010 betrug der
Anteil von Erdgas als Kraftstoff am Gesamtkraftstoffverbrauch ca. 0,3 %, aktuell
werden lediglich 89.000 der insgesamt rund 51 Mio. Fahrzeuge mit Erdgas betrie-
ben (dena 2011c).

1.5 Die Akteure des Biogasmarkts

Abschließend zu dieser Betrachtung des Status quo des Biogasmarkts sei noch kurz
der Blick auf die Akteure dieses Markts gerichtet. In den vergangenen Jahren lässt
sich hier eine beeindruckende Entwicklung feststellen: Die deutsche Biogasindustrie
hat im Bereich der Erzeugung und Verwertung von Biogas eine Vorreiterrolle inne.
Deutschland ist sowohl Markt- als auch Technologieführer, speziell im Bereich der
Vergasung auf Basis von organischen Abfällen und nachwachsenden Rohstoffen.
Die Exportrate liegt bei 10 %. Mit dem Bau und dem Betrieb von Biogasanlagen
sind sehr positive strukturelle Entwicklungen in den ländlichen Regionen und die
Schaffung von Arbeitsplätzen verbunden. So waren im Jahr 2010 nach Schätzungen
des Fachverbandes Biogas 39.100 Menschen in der deutschen Biogasindustrie
beschäftigt. Insgesamt wurden im Jahr 2010 in der Bundesrepublik schätzungs-
weise 5,1 Mrd. € mit Biogas umgesetzt (Fachverband Biogas e.  V. 2011a).
Die Akteursstruktur der im Biogasbereich aktiven Unternehmen weist eine ver-
gleichsweise hohe Diversität auf. So haben sich sowohl überregional agierende
Energieversorger in diesem Themenfeld bereits positioniert, als auch regionale,
eher mittelständisch geprägte Akteure. Da Projekte der Biogas- und Biomethaner-
zeugung eine relativ lange, komplexe Wertschöpfungskette aufweisen, kooperieren
1.6  Zukunftsperspektiven und Herausforderungen 9

häufig mehrere Unternehmen bei deren Umsetzung. So ist die Biogaserzeugung


geprägt von Kooperationen zwischen Landwirtschaft und Energiewirtschaft. Ins-
besondere im Bereich Handel und Absatz von Biomethan haben sich zudem in der
jüngeren Vergangenheit einige Neu- oder Ausgründungen mit speziellen Dienstleis-
tungen etabliert. Vermehrt lässt sich auch ein zunehmendes Interesse an der Projekt-
umsetzung durch Stadtwerke und Kommunen feststellen.
Im Januar 2011 beging die traditionelle Jahrestagung des Fachverbandes Biogas
ihr 20. Jubiläum. Die 342 Aussteller und 6.911 Besucher der Tagung und der beglei-
tenden Fachmesse zeigen deutlich, dass sich die Biogasindustrie zu einer etablierten
und florierenden Branche entwickelt hat (Fachverband Biogas e.  V. 2011b).

1.6 Zukunftsperspektiven und Herausforderungen

Nach dieser Bestandsaufnahme sei nun der Blick auf künftige Perspektiven und
Herausforderungen gerichtet. Zurück also zum eingangs bereits erwähnten Ziel-
dreieck der Bundesregierung und zu der zuverlässigen, wirtschaftlichen und
umweltverträglichen Energieversorgung, die sie im Energiekonzept skizziert hat
und für die sie am 6. Juni 2011 im Bundestag im Rahmen eines umfangreichen
Energiepakets die Weichen gestellt hat.
Zuverlässigkeit: Diesem Bedürfnis wird wohl kaum ein regenerativer Energie-
träger so gut gerecht wie Biogas. Vor dem Hintergrund des von der Bundesregie-
rung beschlossenen Ausstiegs aus der Atomenergie und dem damit verbundenen
Ausbau der erneuerbaren Energien wird dem Alleinstellungsmerkmal von Biogas,
bedarfsgerecht erzeugt und genutzt werden zu können, künftig eine wesentliche
Bedeutung beigemessen werden. Je mehr fluktuierende Leistung aus der Photovol-
taik und der Windenergie in unsere Netze gelangen wird, desto wichtiger wird auch
der stabilisierende Beitrag von Biogas werden. Durch die heimische Erzeugung von
Biomethan kann zudem die Versorgungssicherheit erhöht werden: Etwa 97 % des in
der Bundesrepublik Deutschland verbrauchten Erdöls und über 85 % des Erdgases
werden importiert. Ein Großteil der notwendigen Importe stammt aus Ländern,
deren politische Situation als angespannt einzustufen ist. Angesichts dieser geo-
politischen Rahmenbedingungen hat die Sicherung der Energieversorgung durch
den anteiligen Ersatz durch regenerativ erzeugtes Biomethan hohe strategische
Relevanz für Deutschland. Die Markt- und Systemintegration von Bioenergie, auf
der folgerichtig derzeit der gesetzliche Fokus liegt, ist in diesem Zusammenhang
als Paradigmenwechsel zu verstehen, der viele Chancen, aber auch Herausforderun-
gen birgt. Während bislang etwa Biogasanlagen auf Volllastbetrieb mit möglichst
hoher Auslastung ausgelegt, um Grundlast bereitzustellen, folgt die bedarfsgerechte
Erzeugung eher der Maßgabe „Qualität statt Menge“. Verbunden damit sind nicht
nur zusätzliche Anforderungen an den Betrieb, sondern auch eine entsprechende
technische Ausrüstung wie die Vorhaltung entsprechender Gas- und Wärmespei-
cher.
Wirtschaftlichkeit: Auf den Kontext der Biogaserzeugung und -nutzung über-
tragen heißt dies insbesondere, dass die Zukunftsperspektiven des Energieträgers
10 1  Einleitung: Zukunftsperspektiven und Herausforderungen des Biogas-Marktes

Biogas politisch motiviert und getrieben sein werden. Zwar werden womöglich
steigende Energiepreise, als auch Effizienzsteigerungen im Bereich der Technolo-
gieentwicklung sowie in der Substratbereitstellung mit Sicherheit positiven Einfluss
auf die Wirtschaftlichkeit von Biogasanlagen haben. Doch wird Biogas auch künftig
zu einem erheblichen Maße von wohlwollenden Förderbedingungen abhängen. Sie
werden die Entwicklung der Absatzmärkte bestimmen und damit auch, ob und in
welchem Umfang künftig Investitionen in Biogas- und Biomethananlagen getätigt
werden. Neben den faktischen Anreizen durch Fördersätze und Bestimmungen wird
es dabei auch wichtig sein, das Vertrauen der Investoren in die Beständigkeit des
Förderrahmens zu bestärken. So beispielsweise hinsichtlich des Bestandsschutzes,
einem der Eckpfeiler der Systematik des EEG. Nur durch die ausnahmslose Auf-
rechterhaltung dieses Vertrauensschutzes wird langfristige Investitionssicherheit
für Betreiber und Finanzierer gleichermaßen gewährleistet.
Umweltverträglichkeit: Die Erzeugung und Nutzung von Biogas, speziell auf
Basis nachwachsender Rohstoffe, unterliegt bereits heute in besonderem Maße
Anforderungen an eine nachhaltige, umweltfreundliche Energiebereitstellung. So
sind Flächen und Rohstoffbasis für die Energieerzeugung auf Basis von Biomasse
naturgemäß begrenzt, da, wie eingangs geschildert, Biomasse auch für andere
Zwecke von für unser Leben grundlegender Bedeutung eingesetzt wird. Bei einer
unkontrollierten Marktüberhitzung könnten hier Konflikte mit konkurrierenden
Nutzungsfeldern entstehen. Es ist daher im Kontext der Bioenergie zentrale Auf-
gabe des Gesetzgebers, Konfliktpotenziale zu erkennen und diesen durch entspre-
chende Reglementierungen vorzubeugen. Des Weiteren gilt es, die Nachhaltigkeit
der Erzeugung entsprechend zu fördern, aber auch durch Regularien zu fordern.
So sind vermeintliche Auswirkungen etwa auf Aspekte des Klima- und Umwelt-
schutzes, der Biodiversität, des Gewässerschutzes sowie auf das Landschaftsbild
ebenso zu berücksichtigen wie soziale Aspekte. Die Umsichtigkeit, mit der Politik
und Marktakteure sich diesen Herausforderungen stellen, wird zudem elementar
sein für die langfristige Sicherstellung von Akzeptanz gegenüber der Bioenergie-
erzeugung durch die allgemeine Öffentlichkeit. Und diese steht der Erzeugung und
Nutzung von Biogas nicht unkritisch gegenüber: Zwar finden laut einer Umfrage
von TNS Infratest im Juli 2011 rund 94 % der Deutschen den verstärkten Ausbau
erneuerbarer Energien generell „wichtig“ oder sogar „außerordentlich wichtig“;
die Akzeptanz gegenüber Biomasseanlagen in der eigenen Nachbarschaft hingegen
flacht ab: Nur 36 % würden dies in ihrem Umfeld begrüßen. Interessant ist dies ins-
besondere auch im Vergleich zu anderen Technologien: 76 % hätten nichts gegen
eine Solaranlage einzuwenden, immerhin noch 60 % würden auch eine Windener-
gieanlage in ihrer unmittelbaren Umgebung akzeptieren (TNS Infratest/Agentur für
Erneuerbare Enrgien 2011). Wie diese Werte zeigen, bestehen hinsichtlich der Bio-
energie vergleichsweise hohe Vorbehalte. Diese durch gute Praxis sowie kontinu-
ierliche Informationsarbeit zu beseitigen wird künftig eine der zentralen Heraus-
forderungen der Branche sein. Die positive Wahrnehmung von Biogas durch die
allgemeine Öffentlichkeit muss nicht nur auf lokaler Ebene, sondern auch im poli-
tischen Umfeld verbessert werden, um eine langfristige Flankierung der künftigen
Marktentwicklung sicherzustellen.
1.7  Biogas und Biomethan im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2012 11

1.7 Biogas und Biomethan im Erneuerbare-Energien-Gesetz


2012

Das zentrale Element und sprichwörtliches Zünglein an der Waage der Marktent-
wicklung von Biogas und Biomethan wird auch weiterhin das EEG sein. In ihm
werden all die soeben aufgeführten Aspekte direkt oder indirekt adressiert und durch
entsprechende Förderung und Förderbedingungen hinterlegt. Die Neufassung, die
am 30. Juni 2011 vom Bundestag beschlossen wurde, ist zum 1. Januar 2012 in
Kraft getreten. Neben der bereits erwähnten Weichenstellung für die Markt- und
Systemintegration von Biogas verfolgt die Novelle vor allem den Anspruch einer
vereinfachten und transparenten Vergütungsstruktur sowie der Unterbindung von
Überförderung und ökologischen Fehlanreizen, um den Belangen des Naturschutzes
Rechnung zu tragen (BMU 2011b).
Die Markt- und Systemintegration soll für Biogas über die Einführung einer
Marktprämie erreicht werden. Diese ergibt sich als Differenz zwischen der anlagen-
spezifischen EEG-Vergütung und dem monatlich rückblickend ermittelten Börsen-
preis. Die sich dadurch ergebenden zusätzlichen Anforderungen im Betrieb werden
mittels einer Managementprämie abgefedert. Für neu errichtete Biogasanlagen ab
750 kW ist die Marktprämie ab 2014 verpflichtend. Eine ebenfalls neu eingeführte
Flexibilitätsprämie soll Investitionen in größere Gasspeicher und Generatoren moti-
vieren, um so Biogasanlagen zu einer Verschiebung der Stromerzeugung um etwa
12 h zu befähigen. Das Grünstromprivileg bleibt bei einer Begrenzung auf 2 Cent je
Kilowattstunde erhalten. Mittels der Direktvermarktungsinstrumente Marktprämie
und Grünstromprivileg soll Biogasanlagen so auch die Teilnahme am Regelenergie-
markt ermöglicht werden.
Des Weiteren wurde das bisherige Vergütungssystem mit einer Vielzahl einzel-
ner Boni im EEG 2012 abgelöst durch vier leistungsbezogene Anlagenkategorien
und zwei Einsatzstoff-Vergütungsklassen. Die Einsatzstoffe können im Zuge der
Einführung einer anteiligen Einsatzstoffvergütung gemischt werden, um so den
Einsatz ökologisch vorteilhafter Substrate (wie beispielsweise Landschaftspflege-
material) zu erleichtern. Für die Biogaseinspeisung gibt es zudem eine nach Größe
gestaffelte Zusatzvergütung (1 bis 3 Cent je Kilowattstunde), um dem zusätzlichen
Aufwand für die Aufbereitung des Biogases zu Biomethan Rechnung zu tragen. Im
kleinen Leistungsbereich (150 kW) sinkt das Vergütungsniveau um etwa 15 %. Für
kleine Hofanlagen mit einem massebezogenen Gülleeinsatz von mindestens 80 %
wird dabei jedoch eine Sonderkategorie mit vorgesehen, um auch weiterhin den
Einsatz von Gülle zu beflügeln.
Zudem werden im Zuge des EEG 2012 etliche neue Anforderungen an die Bio-
gaserzeugung gestellt. So unterliegt der Einsatz von Mais und Getreidekorn als
Substrat künftig einer Begrenzung auf 60 Masseprozent. Weiterhin muss jede Bio-
gasanlage künftig entweder 60 % Wärmenutzung oder 60 % Güllenutzung nach-
weisen, um nach EEG vergütungsfähig zu sein. Andernfalls ist ein Wechsel in die
Direktvermarktung vorgeschrieben. Künftig genügt es also nicht mehr, nur Strom
zu produzieren, sondern der Nachweis eines Zusatznutzens ist erforderlich (EEG
2011).
12 1  Einleitung: Zukunftsperspektiven und Herausforderungen des Biogas-Marktes

Von Markt- und Verbandsakteuren wird die Novelle des EEG 2012 mit gemisch-
ten Gefühlen aufgenommen. Ambivalent wird bereits das Prozedere der Novel-
lierung beurteilt. Einerseits sehen viele in der Eile, mit der die Neufassung im
Zusammenhang mit der Kraftanstrengung rund um das umfangreiche Energiepaket
der Bundesregierung im Juni 2011 erarbeitet wurde, einen Garant für Fehler und
Unklarheiten, die sich in der Praxis als markthemmend erweisen könnten. Gleich-
zeitig bietet diese Schnelligkeit auch Chancen, denn durch die vergleichsweise früh
vorliegende Gesetzesfassung ergibt sich für die Branche mehr Zeit, um sich auf die
Veränderungen einzustellen. Ausdrücklich begrüßt wird allenthalben, dass das EEG
auch weiterhin an den zentralen Elementen des vorrangigen Netzzugangs, der fixen
Einspeisevergütung und dem Vertrauensschutz festhält. An den einzelnen Rege-
lungen freilich scheiden sich die Geister. So sind etliche Akteure der Ansicht, dass
die Vorkehrungen zur Direktvermarktung zu kurz greifen, um die geforderte Markt-
und Systemintegration in großem Stile anzureizen.
Auch die vermeintliche Vereinfachung des Vergütungssystems bildet sich
für viele nicht in der neuen Systematik ab. Der sogenannte Maisdeckel, also die
Begrenzung des Mais- und Getreidekornanteils auf 60 Masseprozent, erschwert
und die Projektentwicklung nach Ansicht vieler Akteure und führt zu höheren
Bereitstellungskosten, ohne dass dem eigentlichen Problem, der Beseitigung von
Monokulturen, damit gedient ist. Die Sicherstellung der Einhaltung der Fruchtfolge
nämlich, so sind sich weite Teile der Branche einig, kann nur über das Fachrecht
erfolgen. Die Mindestanforderungen an die Wärmenutzung stellen darüber hinaus
die Branche vor eine große Herausforderung.
Explizit begrüßt hingegen werden die Einführung der Sonderkategorie für gülle-
basierte Hofanlagen sowie die Ausweitung der Förderung für die Gaseinspeisung.
In beiden Anwendungsfällen wird in der Branche derzeit auch von den positivsten
Auswirkungen ausgegangen. Die Zubauraten, so steht zu vermuten, werden somit
besonders bei kleinen Gülleanlagen und Biomethananlagen im mittleren Leistungs-
bereich kontinuierlich steigen. Bei landwirtschaftlichen Biogasanlagen auf Basis
nachwachsender Rohstoffe ist davon auszugehen, dass der Ausbau weiterhin statt-
finden wird, aber vermutlich in geringerem Maße als in den Vorjahren, die durch
einen signifikanten Zubau gekennzeichnet waren.

1.8 Weitere Impulse für die künftige Marktentwicklung von


Biogas und Biomethan

Neben dem Einfluss, den das EEG auf die weitere Marktentwicklung von Biogas
und Biomethan hat, lassen sich im politischen Rahmen noch weitere Impulsgeber
ausmachen. So z. B. im Bereich der KWK-Förderung. Nach Willen der Bundes-
regierung soll bis 2020 der Anteil von KWK-Strom an der Stromversorgung 25 %
betragen. Zwar wird dieses Ziel mit der aktuellen Ausgestaltung des Kraft-Wärme-
Kopplungsgesetzes (KWKG) wohl verfehlt; Anpassungen könnten den Sektor
jedoch beflügeln und auch eine Unterstützung der Marktentwicklung von Biogas
nach sich ziehen (Nikionok-Ehrlich 2011).
1.9  Über den Tellerrand geblickt: Biogas und Biomethan im europäischen Binnenmarkt 13

Das Energiekonzept der Bundesregierung stellt zudem in Aussicht, die Bedin-


gungen für Biogas auch im Wärmemarkt verbessern zu wollen. Ein Anknüpfungs-
punkt hierfür könnte das EEWärmeG bieten, dessen Novellierung im Jahr 2012
erwartet wird. Zudem findet sich im Energiekonzept auch der Hinweis auf Impulse
im Kraftstoffsektor. So soll nicht nur ein steigender Anteil an Erdgasfahrzeugen
gefördert werden; die Bundesregierung will zudem prüfen, mit welchen Maß-
nahmen ein steigender Anteil an Biogas im Kraftstoffbereich erreicht werden kann
(BMWI/BMU 2010).
Auch durch die Biokraftstoffquote werden künftig neue Anreize gesetzt werden.
Ab 2015 wird die Biokraftstoffquote auf eine Treibhausgas (THG)-Minderungs-
quote umgestellt. Zunächst müssen durch das Inverkehrbringen von Biokraftstoffen
mindestens 3 %, bis 2020 sogar 7 % THG-Emissionen eingespart werden. Letzt-
genannter Anteil entspricht bei einer durchschnittlichen THG-Vermeidung von ca.
60 % je Liter Biokraftstoff gegenüber fossilen Kraftstoffen mehr als 10 % Bio-
kraftstoffe in Bezug auf den Energiegehalt. Die Menge an Biokraftstoffen, die in
Verkehr gebracht werden muss, steigt somit bis 2020 deutlich an. Biomethan, das
bereits heute die wesentlichen Anforderungen einer emissionsverringerten Mobili-
tät erfüllt, wird dabei eine zentrale Rolle spielen (dena 2011d).

1.9 Über den Tellerrand geblickt: Biogas und Biomethan im


europäischen Binnenmarkt

Ein kurzer Blick sei auch auf die internationale Marktentwicklung geworfen.
Auch wenn, wie bereits beschrieben, die Erzeugung und Nutzung von Biogas in
Deutschland besonders weit gediehen ist – andere Länder ziehen nach und bieten
erhebliches Potenzial für die deutsche Biogas- und Biomethanbranche. So wurden
2009 in der EU 27 insgesamt 25,2 TWh Biogas erzeugt (EurObserv’ER 2011).
Im Zuge der Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009/28/EG reizen
etliche Mitgliedsstaaten die Biogasproduktion zusätzlich mit Förderinstrumenten
wie Einspeisetarifen an. Besonders vielversprechend verläuft die Marktentwick-
lung in Italien, Österreich und Frankreich sowie in osteuropäischen Ländern wie
Polen, Tschechien und Ungarn. Deutsche Firmen haben diesen Trend erkannt und
befleißigen sich stetig wachsender Expansions- und Exportaktivitäten (dena 2009).
Es steht zu erwarten, dass sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren noch
verstärken wird. Darüber hinaus wird auch Biomethan künftig stärker im interna-
tionalen Raum präsent sein. Obgleich derzeit der grenzüberschreitende Handel ins-
besondere durch ungelöste Hemmnisse bei der Nachweisführung noch schleppend
vorankommt, so sind doch zwischen Deutschland und den Niederlanden und
Dänemark erste Handelsaktivitäten zu verzeichnen. Die EU-Kommission fördert
diese Entwicklung gezielt, beispielsweise durch das von der dena koordinierte und
EU-geförderte Projekt GreenGasGrids, das zehn europäische Länder bündelt und
in ihren Aktivitäten zur Beflügelung der Marktentwicklung von Biomethan im
europäischen Binnenmarkt unterstützt.2

2
Weitere Informationen zum Projekt GreenGasGrids sind zu finden auf www.greengasgrids.eu.
14 1  Einleitung: Zukunftsperspektiven und Herausforderungen des Biogas-Marktes

1.10 Fazit

Die Erzeugung und Nutzung von Biogas und Biomethan hat in Deutschland bislang
eine Erfolgsgeschichte geschrieben. In der vergangenen Dekade hat sich diese Tech-
nologie zu einem festen Bestandteil im deutschen Energiemix entwickelt. Flankiert
durch das EEG sowie weitere gesetzliche Impulse sind die Anlagenzahlen sowie
die installierte Leistung kontinuierlich, teilweise sogar in beeindruckendem Maße,
angestiegen. Damit einhergegangen ist auch die Etablierung einer florierenden,
mittelständisch geprägten Branche. Die künftigen Kapitel der Marktentwicklung
werden wesentlich bestimmt sein von der fortschreitenden Integration von Biogas
und Biomethan in das Gesamtsystem der Energieversorgung in Deutschland im
Zuge der Energiewende. Dies umfasst nicht nur den Ausbau der Erzeugungs-
kapazität und die Integration selbiger in das System, sondern auch die umsichtige
Weiterentwicklung der Anforderungen an die Nachhaltigkeit, um negative Begleit-
erscheinungen im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes zu verhindern und
Akzeptanz gegenüber der Technologie durch die Bevölkerung sicherzustellen. Das
EEG 2012 hat in dieser Hinsicht die Weichen gestellt und wird voraussichtlich
Impulse für einen moderaten, aber kontinuierlichen weiteren Ausbau von Biogas
und Biomethan geben. Darüber hinaus stehen weitere Impulse für die Marktent-
wicklung im Wärmemarkt sowie im Kraftsektor zu erwarten. Nicht zuletzt liegt die
Zukunft für Biogas und Biomethan auch im europäischen Binnenmarkt.

Literatur
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BMU: Erfahrungsbericht 2011 zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG-Erfahrungsbericht).
http://www.bmu.de/erneuerbare_energien/downloads/doc/47476.php (2011b)
BMWi/BMU: Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare
Energieversorgung, Fassung vom 28.09.2010. http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/
Energie/Energiepolitik/energiekonzept.html (2010)
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): Exporthandbuch Biogasmarkt International. Berlin
(2009)
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): Biomethan im KWK- und Wärmemarkt. Status Quo,
Potenziale und Handlungsempfehlungen für eine beschleunigte Marktdurchdringung. Berlin
(2010)
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): Das Biogasregister Deutschland. Berlin (2011b)
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): Erdgas und Biomethan im künftigen Kraftstoffmix.
Berlin (2011c)
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): biogaspartner – gemeinsam einspeisen. Markt, Technik
und Akteure der Biogaseinspeisung in Deutschland und Europa. Berlin (2011a)
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): Biomethan als Kraftstoff: Quotenübertragung. Berlin
(2011d)
Deutsche Energie-Agentur GmH (dena): Marktentwicklung in Deutschland. www.biogaspartner.
de (2012)
EurObserv'ER, Observatoire des énergies renouvelables: Biogas Barometer, 2010, http://www.
eurobserv-er.org/downloads.asp (2011)
Fachverband Biogas e.  V.: Biogas Branchenzahlen 2010, Stand 06/2011. http://www.biogas.org/
edcom/webfvb.nsf/id/DE_Branchenzahlen (2011a)
1.10 Literatur 15

Fachverband Biogas e.  V.: Veranstaltungsanalyse Biogas 2011. http://www.biogastagung.org/de/


(2011b)
Gesetz zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen (BioKraftFÄndG): Fassung vom
15.07.2009. http://www.biogaspartner.de/index.php?id=11875&L=0&fs=0%27%3Fiframe%3
Dtrue (2009)
Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (Erneuerbare-Energien-
Wärmegesetz – EEWärmeG): Fassung vom 01.05.2011. http://www.biogaspartner.de/index.
php?id=10229 (2011)
Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG): Fassung
vom 04.08.2011. http://www.biogaspartner.de/index.php?id=10078 (2011)
Nikionok-Ehrlich, A.: Stiefkind. Die Kraft-Wärme-Kopplung bleibt hinter den Erwartungen
zurück. Erneuerbare Energien 10/2011, 16–18 (2011)
Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Nutzung
von Energie aus erneuerbaren Quellen, Fassung vom 23.04.2009. http://www.erneuerbare-
energien.de/inhalt/44741/46475/ (2009)
Thrän, Daniela et al.: DBFZ Report Nr. 4, Leipzig (2011)
TNS Infratest/Agentur für Erneuerbare Energien: Umfrage: Bürger befürworten Energiewende
und sind bereit, die Kosten dafür zu tragen, 29.08.2011. http://www.unendlich-viel-energie.de/
de/detailansicht/article/4/umfrage-buerger-befuerworten-energiewende-und-sind-bereit-die-
kosten-dafuer-zu-tragen.html (2011)
Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzzugangsverordnung – GasNZV):
Fassung vom 03.09.2010. http://www.biogaspartner.de/index.php?id=10141&L=axdixyfwre%
2F%2Findex.php%3Foption%3Dcom_google (2010)
Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

Jörg Böttcher
2

2.1 Einleitung

Die International Energy Agency (IEA) prognostiziert in einer ihrer Studien (World
Energy Outlook 2009), dass der weltweite primäre Energiebedarf zwischen 2007
und 2030 mit einer jährlichen Wachstumsrate von 1,5 % ansteigen wird, wobei
Asien und der Mittlere Osten Hauptträger des Bedarfs sein werden. Die Strom-
nachfrage wird im gleichen Zeitraum sogar um 2,5 % ansteigen. Dieser erwartete
Energiebedarf lässt sich nur dann decken, wenn auch hinreichende Finanzierungs-
mittel zur Verfügung stehen, was vor dem Hintergrund der noch nicht gänzlich aus-
gestandenen Finanzkrise eine Herausforderung sein wird. Die IEA sieht bis 2030
einen kumulierten Kapitalbedarf von etwa 26 Billionen USD, wobei etwa die Hälfte
der Investitionen in Entwicklungsländern benötigt wird. Im gleichen Zeitraum
steigen die CO2-Emissionen – ohne einen Politikwechsel – ebenfalls mit einer jähr-
lichen Wachstumsrate von 1,5 % an mit den vielfach beschriebenen Folgen für
das globale Klima. Um den Temperaturanstieg unter 2 °C zu begrenzen, bedarf es
erheblicher politischer Anstrengungen und umfangreicher Investitionen in umwelt-
verträgliche Energieträger. Der Stern-Report hat darüber hinaus deutlich gemacht,
welche weltweiten ökonomischen Folgen sich aus dem Klimawandel ergeben: Die
jährlichen Kosten entsprechen, sofern nicht gehandelt wird, einem jährlichen Ver-
lust zwischen 5 % bis 20 % des globalen Bruttoinlandsprodukts, wobei Entwick-
lungs- und Schwellenländer noch wesentlich härter betroffen sein können.
Die genannten Aspekte umreißen das politische Spannungsfeld der Energie-
politik, die eine langfristige Versorgungssicherheit zu akzeptablen Preisen und öko-
logisch verträglichen Rahmenbedingungen sicherstellen will. Erneuerbaren Ener-
gien kommt in diesem Umfeld eine hohe Bedeutung zu, da sie benötigt werden,
um den Treibhauseffekt möglichst klein zu halten. Während bestimmte Formen
– wie Wasserkraft, Onshore-Windenergie, Photovoltaik und Biogas – mittlerweile
als etablierte Technologien angesehen werden können, befinden sich andere Tech-
nologien – wie Offshore-Windenergie und Solarthermie – in einer frühen Markt-
phase, die aber gleichwohl erhebliches Ausbaupotenzial versprechen.
Im Rahmen dieser Monographie soll untersucht werden, welche Rah-
menbedingungen bei der Realisierung von Biogas-Vorhaben in Form einer Projekt-
finanzierung zu beachten sind. Dies verlangt, wie im Vorwort beschrieben, eines

J. Böttcher, Management von Biogas-Projekten,


DOI 10.1007/978-3-642-20956-7_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 17
18 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

Abb. 2.1 Prognose der globalen installierten Stromerzeugung in TWh pro Jahr

abgestimmten Vorgehens von Spezialisten aus den Bereichen Recht, Technik und
Wirtschaft, was sich hier in einer Aufteilung in drei entsprechende Themenblöcke
widerspiegelt.
In der Einleitung hat Sandra Rostek skizziert, welche Zukunftsperspektiven
die Biogas-Branche hat und vor welchen Herausforderungen sie steht. In diesem
Übersichtskapitel beschreibt Jörg Böttcher die wesentlichen Aspekte einer Projekt-
finanzierung und leitet dabei auf die einzelnen Fachkapitel über.
Im rechtlichen Teil stellen Dr. Andreas Gabler, Dr. Florian-Alexander Wesche
und Dr. Jörn Kassow dar, wie das deutsche Regulierungssystem hinsichtlich
Genehmigung, Vergütungssystem und Netzzugang strukturiert ist. Kerstin Semmler
beleuchtet im Anschluss zwei wesentliche Projektverträge, den Generalunternehmer-
vertrag und den Biomasseliefervertrag, die für die rechtliche Strukturierung und
wesentliche Teile der Risikoallokation essentiell sind. Dr. Thorsten Gottwald und
Dr. Sophie Oldenburg beleuchten einzelne rechtliche Teilaspekte und Fallstricke,
die bei der Realisierung von Biogas-Projekten zu beachten sind. Abgeschlossen
wird dieser erste Block mit dem Beitrag von Dr. Swantje Eigner-Thiel, Prof. Dr.
Jutta Geldermann und Meike Schmehl, die die wesentlichen sozialen Aspekte einer
Biomassenutzung aufgreifen und angemessene Lösungsmöglichkeiten präsentieren.
Im technischen Teil stellen Dr. Britt Schumacher und Prof. Dr. Frank Schol-
win dar, welche Aspekte bei der Biomassebeschaffung und Biomasseaufbereitung
zu berücksichtigen sind. Saskia Oldenburg, Prof. Dr. Martin Kaltschmitt et
al. beschreiben die technischen Aspekte einer Biogas-Anlage. Kai Basedow
beschreibt, wie der Fertigstellungsprozess eines Biogasprojektes gemanagt werden
kann. Matthias Grotsch untersucht die Ausgestaltung der Beschaffungsseite eines
Biogasprojektes. Damit werden im Technik-Teil die Aspekte dargestellt, die für die
2.1 Einleitung 19

Beurteilung der langfristigen Geeignetheit der Technik und der Steuerung der Stoff-
ströme relevant sind.
Im wirtschaftlichen Teil wird auf den Ergebnissen der rechtlichen und tech-
nischen Darstellung aufgesetzt, die um verschiedene, komplementäre wirt-
schaftliche Teilaspekte ergänzt werden. Dem Thema Versicherung wird mit der
Darstellung gewerblicher Versicherungen (Dr. Michael Härig) umfangreich Raum
gegeben. Jörg Böttcher gibt Hinweise zur Optimierung der Finanzierungsstruktur.
Ein Blick auf die bisherige Entwicklung von Biogasanlagen in Deutschland
zeigt ein außerordentlich dynamisches Wachstum insbesondere in den letzten zehn
Jahren (s. Abb. 1.2). Fragt man nach den Gründen für die ausgeprägte Erfolgsstory
bei der Biogasnutzung, so wird man Folgendes festhalten können: Insbesondere
die relativ niedrigen Stromgestehungskosten begünstigen die Finanzierbarkeit von
Biogas-Projekten. Hinzu kommt die Speicherbarkeit von Biogas, aus der sich die
alternativen Möglichkeiten der Grundlastfähigkeit als auch ein nachfrageorientierter
Einsatz in der Spitzenlast ableiten. Grundsätzlich resultiert hieraus ein Risikoprofil,
das Biogas für eine Projektfinanzierung attraktiv macht. Und nicht zuletzt hat der
Gesetzgeber seit der Einführung des EEG Anreize gesetzt, die das Wachstum der
Branche überhaupt erst ermöglicht haben.
Den Vorteilen der Biogasnutzung stehen einige Nachteile entgegen: Zunächst
ist Biomasse ein begrenzter Rohstoff, um den ein Wettbewerb für andere Ver-
wendungszwecke besteht, der zu Nutzungskonflikten führen kann. Weiter besteht
ein „Wärmedilemma“: Im Sommer haben die Kraftwerksbetreiber kaum die
Möglichkeit, Wärme zu verkaufen, was ihre Wirtschaftlichkeit senkt. Schließlich
ist die Steuerung der Stoffströme und das Management der Biologie eine komplexe
Aufgabe, die viel Erfahrung und technisches Know-how verlangt.
Eine weitere dynamische Entwicklung der Biogas-Branche erscheint nur dann
möglich, wenn eine Kontinuität und Planbarkeit der staatlichen Fördersysteme
erhalten bleibt. Diese Entwicklung ist auch wünschenswert, weil Biogas eine
dezentrale, kostengünstige und grundlastfähige Erzeugungsform der erneuerbaren
Energien darstellt.
Der Anteil des Stromverbrauchs, der durch Biogas abgedeckt wird, lag im Jahr
2010 in Deutschland bei etwa 2,1 %1.
Regelmäßig werden Biogasvorhaben in Form einer Projektfinanzierung
realisiert, da für die Sponsoren eine Haftungsbeschränkung erreicht werden kann.
Dies gelingt aber nur, wenn die vom Projekt generierten Cashflows als so stabil
und vorhersagbar angesehen werden können, dass auf eine Mithaft der Initiatoren
über die gesamte Projektdauer verzichtet werden kann. Welche methodischen
Besonderheiten bei einer Projektfinanzierung dabei zu beachten sind, stellen wir im
Abschn. 2.2 vor.

1
S. hierzu die laufend aktualisierte Website der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.:
www.nachwachsenderohstoffe.de/service/daten-und-fakten/bioenergie/strom, abgerufen am
02.08.2011.
20 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

2.2 Biogas und Projektfinanzierung

Bioenergie weist von seinen Nutzungsmöglichkeiten, den technischen Verfahrens-


schritten und den möglichen Einsatzstoffen eine Vielfältigkeit und Komplexität auf,
die einzigartig ist im Bereich der erneuerbaren Energien. Dies gilt auch und gerade
für den Bereich von Biogas-Projekten.
Regelmäßig wird Biogas verstromt und über das EEG gefördert. Oftmals lässt
sich die erzeugte Wärme nutzen oder an Dritte verkaufen. Schließlich kann das
erzeugte Biogas auf Grundlage des Erneuerbare-Wärme-Gesetz in das Erdgas-
netz eingespeist werden. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, was den Erfolg von
Biogas-Vorhaben ausmacht: Zunächst die Einspeisung des erzeugten Stroms in das
Stromnetz auf Grundlage der Regelungen des EEG. Weiter der Standort, der eine
wirtschaftliche Verfügbarkeit der Rohstoffe erlaubt und einen hinreichenden Nach-
fragemarkt für die erzeugte Wärme vorfindet (Jung 2011, S. 448–450).
So verschieden die Nutzungsmöglichkeiten von Biomasse sind, so verschieden
sind die den Produkten zugrunde liegenden technischen Prozesse. Da sich aus diesen
unterschiedlichen Prozessen auch unterschiedliche technische Risiken ableiten
lassen, ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an eine Projektfinanzierung
und daraus auch unterschiedliche Formen der staatlichen Förderung.
In einer Biogasanlage werden organische Stoffe unter Sauerstoffabschluss ver-
goren (fermentiert). Biogas ist ein Stoffwechselprodukt von Bakterien, das entsteht,
wenn sie organisches Substrat abbauen. Es besteht zum größten Teil – zwischen 40
bis 80 % – aus Methan (CH4) und zu ca. 20 bis 60 % aus Kohlenstoffdioxid (CO2).
Der Abbauprozess besteht aus den vier Stufen Hydrolyse, Versäuerung, Essigsäure-
bildung und Methanbildung, wie in Abb. 2.2 dargestellt.
Der Behälter, in dem die Fermentation stattfindet (der Fermenter), ist der Haupt-
bestandteil einer Biogasanlage. Es gibt Biogasanlagen, die aus mehreren Fermentern
bestehen. Das Gas wird in der Regel in ein Blockheizkraftwerk (BHKW) geleitet,
wo daraus Strom erzeugt wird und als Nebenprodukt Wärme entsteht, die z. T.
zur Beheizung des Fermenters genutzt wird. Häufig wird ein Gasspeicher an den
oder die Fermenter angeschlossen. Denn je nach der Menge der eingebrachten
organischen Substanz wird manchmal mehr Biogas erzeugt als im BHKW umge-
setzt werden kann. Der eigentliche Verfahrensprozess ist in Abb. 2.3 abgebildet.
Wichtig zum Verständnis aus technischer Sicht ist, dass der organische Abbau in
die einzelnen Bestandteile und der Umbau zu Methan nur in einem feuchten Milieu
stattfinden, da die Bakterien nur gelöste Stoffe verarbeiten können. Im Rahmen des
Abbauprozesses müssen folgende wesentliche Aspekte beachtet werden:
1. Für jede Prozessstufe werden spezifische Bakterien benötigt, die sehr spezielle
Anforderungen an ihre Umwelt stellen und die auch miteinander interagieren2:
Beim Abbau sind die Stoffwechselprodukte der jeweiligen Bakteriengruppe

2
Zu den Anforderungen gehören ein feuchtes Milieu (mindestens 50 % Wasseranteil), Luftab-
schluss für die Methanbakterien, gleichmäßige Temperaturbereiche, eine bestimmte Bandbreite
von saurem oder basischem Milieu je nach Prozessstufe, eine bestimmte Nährstoffversorgung,
möglichst große Stoffoberflächen, eine gleichmäßige Zufuhr des Substrats und möglichst die
Abwesenheit von Hemm- oder Störstoffen.
2.2  Biogas und Projektfinanzierung 21

Abb. 2.2 Stoffwechselprodukte des anaeroben Abbaus von organischem Substrat

die Nahrung für die folgende Bakteriengruppe. Der Abbau der Organik in den
einzelnen Phasen verläuft aber mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Idealer-
weise pendelt sich in der gesamten Prozessbetrachtung aber zwischen den
Abbauphasen ein dynamisches Gleichgewicht der Stoffkonzentrationen ein. Ein
häufiger Fehler in der Praxis ist die Überfütterung der Bakterien durch schnell
abbaubares Substrat, was zu einer Anhäufung von Säuren durch die säure-
bildenden Bakterien führt. Dadurch kommt es zu einem raschen Abfall des pH-
Wertes, den die anderen Bakterien nicht vertragen, so dass der Produktionspro-
zess beeinträchtigt wird.
2. Das Fließgleichgewicht wird zudem durch die Abbaubarkeit der Substrate beein-
flusst. Zucker und Stärke werden aufgrund ihrer einfachen Struktur sehr schnell
abgebaut und benötigen nur eine kurze Zeit im Fermenter. Je komplexer die
Struktur des Substrates, umso länger dauert der Abbau. Die Abbaugeschwindig-
keit der Substrate beeinflusst direkt die technisch notwendige Verweilzeit, so
dass schon bei der Planung feststehen muss, welche Substrate vergoren werden
sollen.
Die Vielzahl verschiedener Biogasverfahren lässt sich auf wenige verfahrenstech-
nische Varianten zurückführen. Grundsätzlich können die Verfahren unterschieden
werden nach der Art der Beschickung (Batch- oder Durchflussverfahren), nach
der Art der Mischung (volldurchmischt oder Pfropfenstrom), ob einstufig oder
mehrstufig gearbeitet wird und nach der Konsistenz des Substrats (Feststoff- oder
Flüssigverfahren).
22 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

Abb. 2.3 Verfahrensschema zur Vergasung biogener Abfälle

1. Bei den Flüssig-Verfahren wird in der Praxis zumeist das Durchfluss-Verfahren


eingesetzt, entweder in reiner Form oder kombiniert mit dem Speicherverfahren.
Hier ist der Faulbehälter stets gefüllt und wird nur zur Reparatur oder Wartung
gelegentlich entleert. Aus einem kleinen Vorbehälter werden das flüssige Frisch-
substrat und die zu vergärenden Feststoffe aus entsprechenden Einbringvor-
richtungen mehrmals täglich in den Faulbehälter eingebracht, wobei gleichzeitig
und automatisch am Überlauf des Behälters eine entsprechende Menge von aus-
gefaultem Substrat in den Lagerbehälter austritt oder abgepumpt wird. Vorteil-
haft sind beim Durchflussverfahren die gleichmäßige Gasproduktion, die gute
Faulraumauslastung und damit eine kompakte Bauweise mit niedrigen Wär-
meverlusten.
2. Weiter wird im Regelfall das Substrat voll durchmischt, da ein Animpfen entfällt
und der Umsetzungsprozess sofort beginnen kann.
Ein weiteres Unterscheidungskriterium ist die Prozess-Temperatur, die während
des Prozesses möglichst gleich bleibend sein sollte, damit der biologische Prozess
stabil ablaufen kann und nicht umkippt. Da im Gegensatz zur Kompostierung –
die in Anwesenheit von Sauerstoff stattfindet – bei der Vergärung unter Sauerstoff-
abschluss zu wenig Wärme entsteht, muss der Fermenter mit einer Heizung ver-
sehen werden. Das Temperaturniveau bestimmt maßgeblich die Geschwindigkeit
des Abbauprozesses.
Bereits diese ersten Ausführungen zeigen, dass Biogas-Vorhaben eine wesentlich
höhere technische Komplexität aufweisen als etwa Solarprojekte, was wiederum
Auswirkungen auf ihre Finanzierbarkeit hat. Mehrheitlich werden Biogasvorhaben
in Form von Projektfinanzierungen realisiert, sofern sie eine hinreichende tech-
nische Stabilität aufweisen und über ein zugeschnittenes Rechts- und Regulierungs-
umfeld verfügen.
Bei einer Projektfinanzierung sind es das Vorhaben und dessen Cashflow, nicht
aber ein bestimmtes Unternehmen, das für die Finanzierung gerade steht. Das
2.2  Biogas und Projektfinanzierung 23

Vorhaben muss daher ein geschlossener, in sich rechtlich, technisch und wirt-
schaftlich tragfähiger Kreis sein, der den Investoren eine glaubwürdige Aussicht
auf eine angemessene Eigenkapitalverzinsung und den Fremdkapitalgebern aus-
reichende Sicherheit auf Rückführung des eingesetzten Kapitals bietet: Das Projekt
muss sich selbst tragen, sich selbst finanzieren. Dies ist der Grundgedanke einer
Projektfinanzierung.
Für den Begriff der Projektfinanzierung finden sich in der Literatur
unterschiedliche Definitionsansätze, wobei sich der von Nevitt und Fabozzi (2000,
S. 1) weitgehend durchgesetzt hat:

Definition
Projektfinanzierung ist die Finanzierung eines Vorhabens, bei der ein Darlehens-
geber zunächst den Fokus der Kreditwürdigkeitsprüfung auf die Cashflows des
Projekts als einzige Quelle der Geldmittel, durch die die Kredite bedient werden,
legt.3

Aus dieser Definition werden regelmäßig drei Merkmale einer Projektfinanzierung


abgeleitet, nämlich die Cashflow-Orientierung (Cash-Flow Related Lending), das
Prinzip der Risikoteilung zwischen den Projektparteien (Risk Sharing) und die Ver-
buchung der Projektkredite in der Projektgesellschaft (Off-Balance-Finanzierung)
(Schmitt 1989, S. 24).
Da die Cashflows die einzige Quelle der Kreditbedienung und Eigenmittel-
verzinsung sind, ergeben sich besondere Anforderungen an ihre Stabilität und
Verlässlichkeit. Neben einer intensiven Risikoidentifikation geht es darum, nach
ökonomischen Kriterien Risiken auf einzelne Projektbeteiligte zu verteilen. Im
Anschluss erfolgt eine Risikoquantifizierung in Form eines Cashflow-Modells
und eines Rating-Verfahrens, die unter anderem darüber Auskunft geben, wie
viel Fremdmittel einem Vorhaben zur Verfügung gestellt werden können, wie die
Tilgungsstruktur aussehen sollte und welche weiteren Gestaltungselemente Einzug
in die Struktur finden sollten. Die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur und die
Möglichkeiten ihrer Optimierung sind ein Hauptthema des Abschn. 5.2. Dabei muss
man sich bewusst sein, dass die jeweiligen Teilaspekte des Risikomanagement-
prozesses – Identifikation, Allokation und Quantifizierung von Risiken – nicht in
einer gerichteten zeitlichen Abfolge geschehen, sondern miteinander wechselseitig
in Verbindung stehen. Um die Aussagen zur Risikoquantifizierung angemessen
würdigen zu können, ist es daher notwendig, die verschiedenen Teilaspekte eines
Risikomanagements zu berücksichtigen. Dies werden wir – soweit nötig – in diesem
Kapitel tun und ansonsten auf die spezifischen Fachkapitel verweisen.

3
Auch wenn durch die Definition eine klare Betonung auf die Rolle der Kreditgeber gelegt
werden, wird im Folgenden die Methode der Projektfinanzierung aus dem Blickwinkel der ver-
schiedenen Projektbeteiligten vorgenommen, da ihr effizientes Zusammenspiel entscheidend für
den Erfolg einer Projektfinanzierung ist. Die deutliche Betonung der Rolle der Kreditgeber ist
gleichwohl sinnvoll, da sie den mit Abstand größten Anteil an der Gesamtfinanzierung überneh-
men sollen und damit ihre Akzeptanz dafür entscheidend ist, ob eine Projektfinanzierung zustande
kommt oder nicht.
24 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

Zum Verständnis des methodischen Ansatzes ist es hilfreich, kurz die


Unterschiede zwischen einer Unternehmensfinanzierung und einer Projekt-
finanzierung zu skizzieren: Kommt eine Unternehmensfinanzierung zum Ein-
satz, wird ein Investitionsvorhaben als Teil des Unternehmens betrachtet. Die
Bewertung des Investitionsvorhabens basiert auf der Kreditwürdigkeit des Gesamt-
unternehmens und nicht auf dem erwarteten Cashflow des Projekts an sich. Wird
dagegen eine Projektfinanzierung realisiert, ist die Bewertung der Fremdkapital-
geber ausschließlich an die Fähigkeit des Projekts geknüpft, einen eigenen Cashflow
zu generieren. Schematisch stellt sich die Unterscheidung zwischen einer Unter-
nehmensfinanzierung und einer Projektfinanzierung wie in Abb. 2.4 dar.
Da die Sponsoren bei einer Projektfinanzierung eine unbegrenzte Haftung für
das Fremdkapital ablehnen, wird für die Realisierung der Projekte die Gründung
einer eigenständigen Projektgesellschaft durch die Sponsoren als Gesellschafter
regelmäßig notwendig. Alleiniger Geschäftsgegenstand dieser Projektgesell-
schaft ist die Realisierung, also die Errichtung und der Betrieb des Projekts. Sie
nimmt als Einzweckgesellschaft die Fremdmittel auf und haftet unbeschränkt mit
ihrem Vermögen, so dass bei formaler Betrachtung ein Unternehmenskredit vor-
liegt. Materiell handelt es sich aber um einen Kredit für das konkrete Vorhaben.
Die Kreditgeber erwarten die Rückzahlung des Kapitaldienstes allein aus dem
Cashflow, der aus dem Projekt generiert wird. Als Sicherheit stehen allein die Aktiva
und der Cashflow des Projekts als Haftungsmasse den Gläubigern zur Verfügung.
Diese Haftungsmasse ist allerdings projekttypisch nur schwer verwertbar, was mit
Blick auf die hohen Investitionsspezifika (Kraftwerke, Mobiltelefonienetze, Trans-
portsysteme etc.) nicht näher erläutert werden muss. Daher wird im Krisenfall, in
dem der Cashflow zur Bedienung des Kapitaldienstes nicht ausreicht, nicht die
Sicherheitenverwertung im Vordergrund stehen, sondern die Fortführung des Pro-
jekts, erforderlichenfalls unter finanziellen Opfern aller Beteiligter (Böttcher und
Blattner 2006, S. 130–133).
Da die Cashflows die einzige Quelle der Kreditbedienung und Eigenmittelver-
zinsung sind, ergeben sich besondere Anforderungen an ihre Stabilität und Ver-
lässlichkeit. Neben einer intensiven Risikoidentifikation geht es darum, nach öko-
nomischen Kriterien Risiken auf einzelne Projektbeteiligte zu verteilen (s. hierzu
Böttcher 2009, S. 52–71). Im Anschluss erfolgt eine Risikoquantifizierung in Form
eines Cashflow-Modells, das unter anderem darüber Auskunft gibt, wie viel Fremd-
mittel einem Vorhaben zur Verfügung gestellt werden können, wie die Tilgungs-
struktur aussehen sollte und welche weiteren Gestaltungselemente Einzug in die
Struktur finden sollten.
Dabei muss man sich bewusst sein, dass die jeweiligen Teilaspekte des
Risikomanagementprozesses – Identifikation, Allokation und Quantifizierung
von Risiken – nicht in einer gerichteten zeitlichen Abfolge geschehen, sondern
miteinander wechselseitig in Verbindung stehen. Um die Aussagen zur
Risikoquantifizierung angemessen würdigen zu können, ist es daher notwendig, die
verschiedenen Teilaspekte eines Risikomanagements zu berücksichtigen, die in den
verschiedenen Kapiteln dargestellt werden.
2.2  Biogas und Projektfinanzierung 25

Abb. 2.4 Vergleich Unternehmensfinanzierung und Projektfinanzierung (In Anlehnung an


Schmitt (1989), S. 22)

Wesensmerkmal jeder Projektfinanzierung ist die Orientierung an den zukünftigen


Cashflows und der Einbindung der Projektbeteiligten, woraus sich folgende Kon-
sequenzen ableiten:
1. Zunächst ist bei einer Projektbeurteilung ein besonderes Augenmerk auf die
Faktoren zu legen, die den Cashflow beeinflussen. Als maßgebliche Cashflow-
Determinanten für ein Projekt kommen namentlich die Beschaffungsseite, die
Absatzmärkte, die Betriebskosten, die Finanzierungskonditionen und schließlich
Einflussgrößen des öffentlichen Sektors in Betracht.
2. In einem zweiten Schritt muss überprüft werden, inwieweit die Risikoüber-
nahmebereitschaft der einzelnen Projektbeteiligten in Relation zu ihrer Fähigkeit
steht, für Projektrisiken zu haften. Die Aufteilung der Risiken auf die Projektbe-
teiligten erfolgt dabei normalerweise nach dem Grundsatz, dass die Vertrags-
partei das Projektrisiko übernehmen sollte, das sie aufgrund ihrer Geschäfts-
tätigkeit am besten beurteilen und somit auch kontrollieren kann (Grundsatz der
Kontrollfähigkeit).
3. Dieser Grundsatz der Risikoverteilung ist aber nur dann anwendbar, wenn
außerdem der Grundsatz der Risikotragfähigkeit berücksichtigt wird: Es geht
dabei um die Frage, ob die vertraglich verpflichteten Projektbeteiligten auf-
grund ihrer Bonität und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch in der Lage
sind, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Insofern beinhaltet jede
Projektfinanzierung auch Bestandteile einer Unternehmensfinanzierung, da die
zumindest partielle Risikoübernahme durch die Projektbeteiligten wesentlich
für eine Projektfinanzierung ist und in jedem Fall auch eine Bonitätsbeurteilung
dieser Risikoträger erforderlich macht, wie sie für Unternehmensfinanzierungen
26 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

typisch ist. Die Bonität des Risikoträgers ist umso intensiver zu prüfen, je weit-
gehender sich ein Projektbeteiligter vertraglich gegenüber dem Projekt ver-
pflichtet. Diesbezüglich wird auf die einschlägige Literatur der Kreditnehmer-
beurteilung verwiesen.
4. Schließlich müssen zwingend die Anreizwirkungen der jeweiligen Vertrags-
gestaltung mit berücksichtigt werden. Aus einer Ex-post-Perspektive mag es dem
Auftraggeber gleichgültig sein, wie ein gutes Projektergebnis erzielt wurde. Ex
ante möchte er aber die Wahrscheinlichkeit eines guten Ergebnisses erhöhen und
das kann er nur, indem er Einfluss auf das Verhalten der beauftragten Partei nimmt.
Könnte er ihn beobachten, würde er ihn durch entsprechende Anweisungen zu
dem gewünschten Verhalten zwingen. Regelmäßig kann der Auftraggeber aber
nicht kostenlos kontrollieren, ob seine Anweisungen befolgt wurden. Wesentlich
ist daher, dem Auftragnehmer ein Anreizschema zu geben, das ihn aus eigenem
Interesse zu dem gewünschten Verhalten anhält. Dafür muss er in aller Regel am
Erfolg und auch am Risiko des jeweiligen Vorhabens beteiligt werden und zwar
unabhängig davon, über welche Risikotragfähigkeit er verfügt.
Die methodischen Besonderheiten einer Projektfinanzierung – Fokussierung auf
den Cashflow des Projektes, die Haftungsentlassung der Sponsoren nach erfolgter
Fertigstellung und die explizite vertragliche Einbindung der verschiedenen Pro-
jektbeteiligten – führen dazu, dass dem Risikomanagement eines Biogasvorhabens
eine besondere Bedeutung zukommt. Diese Teilaspekte skizzieren wir im folgenden
Abschn. 2.3.

2.3 Risikomanagement bei Biogasprojekten

In der betriebswirtschaftlichen Literatur existiert eine Vielzahl von Interpretations-


varianten für den Begriff des Risikos.4 Risiko soll hier als negative Abweichung
vom Planwert einer Zielgröße verstanden werden, da sie für jeden Beteiligten eine
Verlustgefahr bedeutet (in Anlehnung an Hupe (1995), S. 46).5
Durch das Risikomanagement soll ein systematischer und erfolgsorientierter
Ansatz zum Umgang mit Risiken erreicht werden. Dies gilt insbesondere für
Projektfinanzierungen, da die Neuartigkeit und Einzigartigkeit jedes Projekts
unbekannten Einflussfaktoren unterliegt, welche zu Risikopositionen führen
(Hupe 1995). Des Weiteren ergeben sich durch die zukunftsgerichtete Cashflow-
Orientierung und die damit verbundene Rückgriffsbegrenzung auf die Sponsoren
spezielle Anforderungen an das Risikomanagement, da hierdurch regelmäßig auch
unternehmerische Risiken auf die Fremdkapitalgeber übertragen werden (Hopfner
1995, S. 166 ff.).

4
Ausführlicher Hupe (1995), S. 43 ff.; Tytko (1999), S. 142 f.; Uekermann (1993), S. 23. Zum
Risikobegriff aus technischer Sicht s. Frohböse (2010), S. 13–16.
5
In einem breiteren Begriffsverständnis wird unter Risiko die Gefahr verstanden, dass ein
tatsächlich realisiertes Ergebnis vom erwarteten Ergebnis positiv oder negativ abweicht. Positive
Abweichungen werden dann als „Chance“ bezeichnet, negative Abweichungen als „Risiko im
engeren Sinn“. Dieser letztgenannten Interpretation des Risikobegriffs wollen wir hier folgen.
2.3  Risikomanagement bei Biogasprojekten 27

Tab. 2.1 Erfolgsfaktoren einer Projektfinanzierung im Bereich Biogas


1.   Verlässlichkeit und Prognostizierbarkeit des Rechts- und Qualitative
Regulierungsumfeldes/Durchsetzbarkeit von Verträgen Projekt-Prüfung
2.   Einsatz nur von bewährter Technik  
3.   Angemessene Risikozuweisung zu einzelnen  
Projektbeteiligten
4.   Rechnerische Wirtschaftlichkeit des Vorhabens  
  4.1 Volatilitäten des Hauptrisikotreiber  
    4.1.1 Einzahlungen und Auszahlungen CF-Modell/
Rating-Tool
    4.1.2 Volatilitäten Rating-Tool
    4.1.3 Makroökonomische Faktoren Rating-Tool
(i. w. Zinssatzentwicklung)
  4.2 Unsicherheiten über das Niveau der Prognose für die Rating-Tool
Cashflows, so genannte Banking Case Uncertainty (BCU)
    Korrelationen zwischen den Hauptrisikotreibern, insbesondere CF-Modell/
zwischen den Kosten und Erlösen Rating-Tool

Die Bedeutung der Behandlung von Risiken im Zusammenhang mit einer Pro-
jektfinanzierung ergibt sich unmittelbar aus ihrem Charakter: Da es allein das
Vorhaben ist, das als wirtschaftliche Basis für die angemessene Eigenkapitalver-
zinsung und die Bedienung des Kapitaldienstes dient, ist die Werthaltigkeit und die
Robustheit des Projekts von entscheidender Bedeutung. Da das Projekt aber erst
sukzessive entsteht, lässt sich die Wirtschaftlichkeit nur per Prognose bestimmen.
Da die Perspektive in die Zukunft zunehmend unsicher ist, hat sich die Prognose
mit dem Eintritt aller Arten von Einflüssen zu befassen, deren Wirkung auf das
Projekt einzuschätzen und nach Wegen zu suchen, ob und inwieweit einzelne Pro-
jektbeteiligte bereit sind, das Projekt von Risiken freizuhalten.
Dabei lassen sich die Erfolgsfaktoren von Biogasprojekten wie in Tab. 2.1
beschreiben.
Die ersten drei genannten Aspekte – Stabilität des Rechts- und Regulierungs-
umfeldes, Einsatz bewährter Technik und Risikoallokation – müssen bei jeder Pro-
jektfinanzierung vollumfänglich erfüllt sein. Sobald diese Anforderungen erfüllt
sind, geht es letztlich um eine finanzielle Optimierungsaufgabe, die in Abhängigkeit
von den Volatilitäten der verschiedenen Einflussgrößen zu lösen ist. Der erste Teil
der Projektprüfung ist damit eher grundsätzlicher Natur, der zweite Teil Gegenstand
der Risikoquantifizierung.
Am Anfang des Einsatzes von Projektfinanzierungen steht die Frage nach der
grundsätzlichen Geeignetheit der einzusetzenden Technik, die eine klare und lang-
fristig stabile Energieproduktion garantieren muss.

Definition
Die Risiken bei Projektfinanzierungen können von Projekt zu Projekt hinsichtlich
ihres Inhalts, ihrer Ursache, ihres Ausmaßes und ihrer Eintrittswahrscheinlich-
keit stark voneinander abweichen. Gleichwohl gibt es Gruppen von Risiken,
28 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

Abb. 2.5 Einflussfaktoren für die Wirtschaftlichkeit

die in gleicher oder ähnlicher Weise bei den meisten Projektfinanzierungen zu


einer Gefährdung des Cashflows führen können und insofern Gegenstand des
Risikomanagements sein müssen. Zur Visualisierung ist es häufig hilfreich, die
Einflussgrößen der Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens darzustellen, wie wir es
in Abb. 2.5 gemacht haben:
Eine zweckmäßige Unterteilung der Risiken kann so erfolgen, dass sie in Bezug
auf ihre Inhalte und ihre Ursachen weitgehend überschneidungsfrei ist und auf
die Möglichkeiten ihrer Beeinflussbarkeit durch die verschiedenen Projektbetei-
ligten abgestellt wird. Eine solche Gliederung erscheint sinnvoll, da sich in der
Praxis unterschiedliche Maßnahmen herausgebildet haben, die die Risiken meist
mit einem möglichst engen Bezug zu ihren Ursachen handhaben.6 Daher wird im
Folgenden unterschieden zwischen Risiken, die von der Projektgesellschaft oder
anderen Projektbeteiligten kontrolliert werden können (projektendogene Risiken)
und solchen Risiken, die außerhalb der Projektbeteiligten auf das Projekt einwirken
(projektexogene Risiken). Eine Besonderheit von projektexogenen Risiken stellen
Risiken dar, die von keiner der am Projekt beteiligten Parteien kontrolliert werden
können, so genannte Force-Majeure-Risiken.
Diese Unterteilung ist wirtschaftlich zweckmäßig, da die Methodik der Pro-
jektfinanzierung wesentlich darin besteht, belastbare Verträge zwischen der Pro-
jektgesellschaft und zentralen Projektbeteiligten zu strukturieren, die damit Risiken
vom Projekt fernhalten. Dies erfordert die vertragliche Einbindung von Projektbe-
teiligten in das Projekt, oder anders formuliert: Endogene Risiken sind aus Sicht
der Projektgesellschaft besser beherrschbar als exogene Risiken. In Tab. 2.2 haben
wir eine Klassifizierung der verschiedenen Projektrisiken angegeben und auch die
Abschnitte, die die jeweiligen Teilthemen in diesem Buch behandeln.
Wichtig ist: Es ist die Vertragsstruktur, die bei einzelnen Risikotypen darüber
entscheidet, ob es sich um endogene oder exogene Risiken handelt: So überführt
erst die vertragliche Verpflichtung des Abnehmers, Produkte der Projektgesellschaft

6
Auch eine ökonomische Analyse der Vertragsbeziehungen legt eine derartige Verknüpfung von
Risiko und Risikoträgerschaft nahe. Aus Effizienzgesichtspunkten ist es besser, wenn die Risiko-
zuweisung auf den Risikoeintritt konditioniert ist. S. hierzu Böttcher (2009), S. 67–69.
2.3  Risikomanagement bei Biogasprojekten 29

Tab. 2.2 Übersicht über exogene und endogene Risiken


Endogene Risiken Exogene Risiken
Fertigstellungsrisiko (4.4) Technisches Risiko im weiteren Sinne
Management- und Betriebsrisiko (3.2, 3.4) Ressourcenrisiko (4.2)
Absatzrisiko (3.1) Zuliefererrisiko (3.3, 4.1)
Abandonrisiko Marktrisiko (3.1)
Technisches Risiko i. e. S. (4.2, 4.3) Vertragsrisiko (3.1, 3.2, 3.3, 3.4 und 5.1)
  Wechselkursrisiko
  Rechts- und Regulierungsumfeld (3.1, 3.3)
  Inflationsrisiko
  Zinsänderungsrisiko
Force-Majeure-Risiko

zu einem bestimmten Preis, einer bestimmten Menge und Qualität abzunehmen,


ein exogenes Marktrisiko in ein endogenes Absatzrisiko. Die wesentlichen Projek-
trisiken haben wir in Tab. 2.2 dargestellt, wobei wir auch jeweils angegeben haben,
in welchem Teilabschnitt dieses Buches diese Themen behandelt werden.
In vielen Bereichen haben sich im Laufe der Zeit bestimmte Grundverteilungs-
regeln von Risiken etabliert. Da die Technik der Projektfinanzierung für bestimmte
Bereiche, z. B. Offshore-Windenergieprojekten – aber verhältnismäßig neu ist,
haben sich bestimmte Grundregeln noch nicht trennscharf herausgebildet und
zwingen zu neuen Diskussionen über eine angemessene Zuordnung von Chancen
und Risiken.
Die verschiedenen Einzelrisiken können adressiert und durch Einbindung der
verschiedenen Projektbeteiligten in ihren Auswirkungen auf das Projekt zumindest
gemildert werden. Gleichwohl verbleiben Restrisiken, die über übergeordnete
Sicherungssysteme aufgefangen werden müssen. Zu diesen Systemen zählen neben
dem Aufbau einer effizienten Informationsstruktur vor allem die Entwicklung einer
stabilen Projekt- und Finanzierungsstruktur. Abbildung 2.6 soll die Zusammenhänge
verdeutlichen.
Für ein erfolgreiches Risikomanagement ist es wichtig, ausgehend von den
identifizierten Risiken eines Projektes deren Auswirkungen auf die ökonomische
Leistungsfähigkeit und Belastungsfähigkeit zu erfassen. Dadurch lassen sich
Erkenntnisse für die Auswahl der risikopolitischen Maßnahmen und die erfolg-
reiche Bewältigung von Krisensituationen gewinnen. Hierzu bedarf es einer
Risikoquantifizierung, die den Einfluss der einzelnen Projektrisiken auf den
Cashflow abbildet.
Erkennbar ist aber auch, dass das Thema Risikomanagement eines gemein-
schaftlichen Antritts von Spezialisten aus Recht, Technik und Wirtschaft bedarf.
Die Projektbeteiligten eines Vorhabens werden die Teilaspekte ihrer Einbindung in
der Abb. 2.6 wieder finden, aber erst durch ihr abgestimmtes Zusammenspiel lässt
sich ein tragfähiges Projekt entwickeln und realisieren.
Im Anschluss an diese allgemeine Darstellung zum Risikomanagementprozess
werden wir im folgenden Abschn. 2.4 die verschiedenen Einzelrisiken skizzieren,
die bei Biogasvorhaben von besonderer Bedeutung sind.
30 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

Abb. 2.6 Risikomanagementprozess bei einer Projektfinanzierung – Teil I

2.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von


Verantwortlichkeiten

Wie eingangs beschrieben, erfordert eine erfolgreiche Projektfinanzierung eine


angemessene vertragliche Einbindung der Projektbeteiligten.
Das Grundprinzip eines an den Handlungsanreizen orientierten Risk Sharings
bei einer Projektfinanzierung ist, der Partei das Risiko zuzuordnen, die den Risiko-
eintritt am besten beeinflussen kann. Bei risikoaversen Projektbeteiligten ist bei
dieser Risikoübertragung allerdings der Trade-Off mit der vom jeweiligen Vertrags-
partner eingeforderten Risikoprämie zu berücksichtigen. Es gibt Fälle, in denen es
sich nicht lohnt, Handlungsanreize zu setzen, weil die Prämie dafür zu hoch wäre.
Im Ergebnis kommt es nicht auf einen maximalen, sondern auf einen optimalen
Risikotransfer an, der gerade ausreicht, die gewünschten effizienten Handlungs-
anreize zu setzen.
Wesentlich ist, der beauftragten Partei ein Anreizschema zu geben, das sie aus
eigenem Interesse zu dem gewünschten Verhalten anhält. Dafür muss sie in aller
Regel am Erfolg und damit auch am Risiko des jeweiligen Vorhabens beteiligt
werden und zwar unabhängig davon, über welche Risikotragfähigkeit sie verfügt.
Die Vereinbarungen zur Risikoallokation bilden ein komplexes Anreizschema, das
die Interessen der Projektbeteiligten harmonisieren und auf den Erfolg des Projekts
ausrichten soll. Danach noch verbleibende Risiken können nach dem Kriterium
der Risikotragfähigkeit verteilt werden, also z. B. an Versicherungen ausgelagert
werden oder bei den Financiers verbleiben. Zunächst kommt es aber darauf an, eine
Vertragsstruktur zu finden, bei der sich alle Beteiligten für das Projekt einsetzen.
2.4  Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten 31

Welche Verträge sich hierfür eignen, hängt davon ab, was zum Verhalten der
einzelnen Parteien gerichtsfest feststellbar ist.
In diesem Abschnitt werden die branchenspezifischen Besonderheiten von
Biogas-Vorhaben mit dem traditionellen Risikomanagementprozess einer Pro-
jektfinanzierung verzahnt. Die Darstellung ermittelt für verschiedene Formen von
Biogasprojekten das jeweilige Risikoprofil und beschreibt geeignete Maßnahmen
zur Risikobewältigung. Dazu starten wir zunächst mit zwei exogenen Risikofeldern
und betrachten danach die Risikofelder, die durch die Einbindung von Projektbetei-
ligten besser kontrollierbar erscheinen. Der Abschnitt endet mit einer bewertenden
Zusammenfassung der betrachteten Einzelrisiken (Abschn. 2.4.7).
In Abschn. 5.2 erfolgt die Risikoquantifizierung, bei der die zuvor dar-
gestellten Risikopotenziale der Einzelrisiken ganzheitlich untersucht werden und
unter diesen Aspekten eine tragfähige Finanzierungsstruktur entwickelt wird. Die
Risikoquantifizierung erfolgt anhand eines Fallbeispiels.

2.4.1 Das Rechts- und Regulierungsumfeld in Deutschland

Wie bereits eingangs beschrieben, kommt der Stabilität und Verlässlichkeit des
Regulierungsumfeldes eine herausragende Bedeutung zu. Dabei muss man bei
Biogas-Projekten bedenken, dass sich die gesetzlichen Bestimmungen nicht allein
in recht ausgefächerten Fördermöglichkeiten erschöpfen, sondern darüber eine
Reihe von Rechtsnormen zu beachten sind, die für die Durchführung und den
Betrieb eines Biogasprojektes relevant sind. Dies ist auch der Grund, dass wir das
Rechtsumfeld in dieser Darstellung recht umfangreich darstellen. Dabei gehen wir
davon aus, dass das Vorhaben eine Größe erreicht, die ein immissionsschutzrecht-
liches Genehmigungsverfahren notwendig macht.
Aus diesem Grund nehmen wir eine Differenzierung der Darstellung der recht-
lichen Rahmenbedingungen vor: In einem ersten Teil stellen Dr. Andreas Gabler,
Dr. Florian Wesche und Dr. Jörn Kassow die gesetzlichen und öffentlich-recht-
lichen Grundlagen einer Biogasnutzung vor. Dies beinhaltet die Darstellung der
Genehmigungen, der Vergütungsregelungen und des Netzzugangs. Kerstin Semmler
stellt im Anschluss die zentralen wirtschaftlichen Rechtsverträge und ihre recht-
lichen Implikationen vor. Dr. Thorsten Gottwald und Dr. Sophie Oldenburg weisen
im Anschluss auf besondere rechtliche Fallstricke bei der Gestaltung von Verträgen
im Biogas-Bereich hin.
Zentrale Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit eines Biogasprojektes haben in
diesem Zusammenhang die nationalen Branchen-Regulierungen, die regelmäßig in
Form von Mindestpreissystemen ausgestaltet sind und eine vorrangige Abnahme-
pflicht für „grünen Strom“ vorsehen.
Im Bereich der nach dem EEG vergüteten Biomasseverstromung ist seit dem
Inkrafttreten des EEG 2004 eine besondere Dynamik zu verzeichnen. Die Anlagen-
anzahl stieg von 2.000 in 2004 auf etwa 7.000 Ende 2011, wobei sich die elektrische
Gesamtleistung im gleichen Zeitraum auf 2.728 MWel mehr als versieben fachen
wird. Treiber dieser Entwicklung ist die Einführung eines Bonus für nachwachsende
32 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

Rohstoffe (NawaRo-Bonus), der derzeit von rund 90 % aller Biogasanlagen in


Anspruch genommen wird.7 Dabei handelt es sich sowohl um Neuanlagen, als auch
um Altanlagen, die auf den Einsatz industrieller und landwirtschaftlicher Reststoffe
umgestellt wurden.
Die Vergütung für Strom aus Biomasse ist überaus komplex, was wiederum mit
den vielfältigen Einsatzstoffen, Anwendungsmöglichkeiten und technischen Ver-
fahren zusammenhängt. Neben der auch hier bedeutsamen EEG-Regelung, auf
die gleich eingegangen wird,8 ist insbesondere die Umsetzung des Integrierten
Energie- und Klimaprogramms (IEKP) der Bundesregierung zu nennen. Durch die
Umsetzung der geänderten Gasnetzzugangsverordnung im April 2008 wurden die
Bedingungen wesentlich verbessert und die Zielsetzung für den Ausbau der Biogas-
einspeisung konkretisiert: Bis zum Jahr 2020 sollen jährlich 60 Mrd. kWh Biogas
und bis zum Jahr 2030 100 Mrd. kWh Biogas in das Gasnetz eingespeist werden.
Da aufbereitetes und eingespeistes Biogas derzeit noch nicht konkurrenzfähig zu
Erdgas ist, nutzt die Politik einen Instrumentenmix, um die Nachfragemärkte zu
entwickeln. Zu diesen Instrumenten zählen neben dem EEG das Wärmegesetz
(EEWärmeG), die Gasnetzzugangsverordnung und das Marktanreizprogramm
(MAP).
Das Wärmegesetz legt fest, dass spätestens im Jahr 2020 14 % des Wärmever-
brauchs in Deutschland aus erneuerbaren Energien stammen müssen. Wesentliche
Elemente des Gesetzes sind die Nutzungspflicht für erneuerbare Energien, die
finanzielle Förderung und der Ausbau von Wärmenetzen. Im Zuge der Verord-
nung zur Förderung der Einspeisung von Biogas wurde im April 2008 auch die
Gasnetzzugangsverordnung geändert. Ziel der Neuregelung ist es, die Einspeisung
von 6 Mrd. Kubikmetern Biomethan bis 2020 und 10 Mrd. Kubikmetern bis zum
Jahr 2030 zu ermöglichen. Biogas soll dabei verstärkt in der Kraft-Wärme-Kopp-
lung und als Kraftstoff eingesetzt werden. Das Marktanreizprogramm sieht unter
anderem Unterstützungen für Biogasaufbereitungsanlagen und Biogasleitungen für
unaufbereitetes Biogas vor. Diese Förderung ist nicht mit anderen Förderungen aus
öffentlichen Mitteln kumulierbar und bis Ende 2010 befristet.
Die EEG-Vergütungsvorschrift ist so aufgebaut, dass zunächst einheitlich für
alle Anlagen eine Grundvergütung zu zahlen ist. Daneben können verschiedene
Boni beantragt werden, wobei die Voraussetzungen für die Boni in sich recht kom-
plex sind und bei ihrer Anwendung eine Reihe von rechtlichen und wirtschaftlichen
Fragen aufwerfen. Die Detaillierung dieser Regelungen und ihre Voraussetzungen
werden in Abschn. 3.1 umfangreich dargestellt, hier nur so viel: Die Grundver-
gütung, die einer jährlichen Degression unterliegt, gilt für die gesamte Vergütungs-
dauer in unveränderter Höhe. Von der Degression sind auch sämtliche Boni – mit
Ausnahme des KWK-Bonus nach dem Wärmekonzept des EEG 2004 – betroffen.
Über das Vergütungssystem hinaus hat der deutsche Gesetzgeber durch die
geänderte Gasnetzzugangsverordnung und die Gasnetzentgeltverordnung die

7
S. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 4.5.1.1.
8
S. insbesondere die Ausführungen in Abschn. 3.1.4.1 und Abschn. 3.1.4.2 zu den Regelungen
des EEG 2012.
2.4  Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten 33

Möglichkeiten verbessert, Biogas in das Gasnetz einzuspeisen und das Äquivalent


an anderer Stelle wieder zu entnehmen, so dass eine räumliche Trennung der
Biogaserzeugung von der Stromproduktion möglich ist.
Das Vergütungssystem gibt einen ersten Eindruck über die Attraktivität des
deutschen EEG. Vorrangig muss aber sichergestellt werden, dass das Vorhaben
mit allen Rechten versehen ist, um errichtet und wie geplant betrieben werden zu
können (s. Abschn. 3.1). Zudem muss die Rechtsordnung es zulassen, dass die
jeweiligen Projektverträge auch durchgesetzt werden können. Damit kommen
der Ausgestaltung zentraler Projektverträge (s. Abschn. 3.2) eine herausragende
Bedeutung zu.
Basis eines Engagements in Projekte ist das Vertrauen darin, dass ein einmal
gesteckter rechtlicher Rahmen auch für die Laufzeit des Projektes respektiert wird
und nicht nachträglich auch für bestehende Engagements geändert wird. Dieses
Thema, das in der Literatur unter dem Aspekt der „unechten Rückwirkung“ dis-
kutiert wird, hat gegen Jahresende 2010 eine ungeahnte aktuelle Bedeutung erlangt,
nachdem die spanische Regierung ein Dekret erlassen hat, das unmittelbar Ein-
fluss auf bestehende Solarvorhaben nimmt und unter anderem eine projektbezogene
Absenkung der Vergütung in den Jahren 2011 bis 2014 zwischen 10 und 20 % vor-
sieht.
Die aus einem Projekt und seinem Regulierungssystem erwarteten Cashflows
können durch Veränderungen auf der Kostenseite wesentlich beeinflusst werden.
Während eine Vielzahl von Projektkosten weitgehend vertraglich fixiert und damit
gut planbar ist, kann über eine ungesicherte Zinsposition ein erhebliches finanzielles
Risiko auf ein Projekt einwirken.

2.4.2 Zinsänderungsrisiko

Vorhaben im Biogasbereich reagieren aufgrund ihrer Kapitalintensität sensibel


auf Änderungen der Zinskosten. Damit sind neben dem absoluten Zinsniveau
gleichermaßen die Zinssatzveränderungen abzusichern.
Das allgemeine Zinsniveau zum Zeitpunkt des Financial Close ist eine erste
Größe, die bei der Projektprüfung zu betrachten ist. Üblicherweise werden die Zins-
sätze zum Zeitpunkt des Financial Close zu einem Teil und für einen bestimmten
Zeitraum gesichert, so dass eine feste Kalkulationsbasis besteht. Regelmäßig wird
bei den Term Loans eine Zinsbindung über einen bestimmten Zeitraum verein-
bart. Nach Ablauf dieser Zinsbindung werden die Konditionen entsprechend den
dann geltenden Marktkonditionen neu festgelegt. Aus einem dann höheren Zinssatz
ergeben sich relativ höhere Zinszahlungen, die sich direkt auf den Cashflow aus-
wirken. Diese Gefahr wird als Zinsänderungsrisiko bezeichnet.
Wir haben in der folgenden Kalkulation (Abb. 2.7) dargestellt, wie sich eine Ver-
änderung des Zinsniveaus auf die Belastbarkeit und die interne Rendite auswirkt.
Erkennbar ist, dass die Abhängigkeit der Wirtschaftlichkeit vom Zinsniveau zum
Zeitpunkt des Financial Close bedeutsam ist und gleichermaßen Investoren wie
Sponsoren betrifft. Für die Investoren bedeutet eine selbst geringfügige Erhöhung
34 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

Abb. 2.7 Auswirkung einer Zinsänderung auf den DSCR-Verlauf

Tab. 2.3 Auswirkung einer Zinsänderung aus Sicht der Kapitalgeber


  Min. DSCR Ø DSCR IRR
Sponsors Case 1,05 1,99 24,92 %
Einnahmen bei 97 %: 0,97 1,90 22,05 %
Wie 1, Zinssatz plus 1 % p. a.: 1,04 1,81 22,86 %
Wie 1, Zinssatz plus 2 % p. a.: 1,04 1,68 20,75 %
Wie 1, Zinssatz plus 10 % p. a.: 1,00 1,16 2,22 %

des Zinssatzes eine deutliche Verschlechterung ihrer internen Rendite. Zusätzlich


müssen aber auch bestimmte Belastungsanforderungen der Fremdkapitalgeber
eingehalten werden. Sehen diese beispielsweise vor, dass eine bestimmte Belast-
barkeit erreicht wird, müsste bei der Gefahr einer Zinserhöhung eine Anpassung
der Finanzierungsstruktur angestrebt werden, die genau dies sicherstellt. Dies kann
auch über eine Eigenmittelerhöhung erfolgen, was wiederum zu einer Absenkung
der internen Rendite führen würde. Die hier diskutierte Darstellung spielt ins-
besondere dann eine Rolle, wenn die Projektgesellschaft aus bestimmten Gründen
mit dem Abschluss eines Zinssicherungsgeschäftes wartet.
Mit dem Auslaufen der Zinsbindungsfrist stellt sich dieses Thema wiederum von
neuem. Regelmäßig wird daher für den Großteil der langfristigen Darlehen und
meistens für den größten Teil der Laufzeit eine Zinssicherung vereinbart. Auf die
Darstellung entsprechender Szenarien verzichten wir hier allerdings. Hinsichtlich
weiterer Überlegungen zu Zinsänderungsrisiken verweisen wir auf das Fallbeispiel
in Abschn. 5.2.

2.4.3 Das Fertigstellungsrisiko – Einbindung eines


Generalunternehmers

Das Fertigstellungsrisiko beinhaltet alle Risiken und die daraus folgenden Verluste,
die realisiert werden, wenn die Projektanlage nicht mit vertragsgerechter Leis-
tung, verzögert, zu höheren Kosten oder gar nicht fertig gestellt wird (Böttcher
2.4  Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten 35

Tab. 2.4 Verteilung von Fertigstellungsrisiken auf die Kapitalgeber


  Fertigstellungsgarantien Nachschussverpflichtung
Gegenstand: Die Sponsoren stehen so  
lange für die Rückführung der
Kredite ein, bis das Projekt
fertiggestellt ist.
Umfang: Der Umfang der 1. Completion Undertaking: Die
Fertigstellungsgarantie kann Sponsoren müssen so lange weiteres
sich auf den Gesamtbetrag Kapital zuführen, bis die Fertigstellung
der Projektkredite oder auch erreicht ist. Ist diese Verpflichtung unbe-
nur auf einen bestimmten grenzt, entspricht dies wirtschaftlich einer
Prozentsatz beziehen. Fertigstellungsgarantie.
2. Pool-of-Funds-Vereinbarung:
Ökonomisch handelt es sich um eine
betragsmäßig begrenzteNachfinanzierungs-
verpflichtung der Sponsoren.

2009, S. 73–79). Das Fertigstellungsrisiko hat bei Biogas-Vorhaben eine recht hohe
Bedeutung, sollte aber bei einem professionellen Management im Regelfall gut zu
handhaben sein.
Das genannte Risiko kann erhebliche Auswirkungen auf das Projekt haben und
im schlimmsten Fall den wirtschaftlichen Betrieb unmöglich machen und somit
zum Abbruch des Projektes führen. Da die Banken eine Projektfinanzierung nur bei
ausreichend hohem und stabilem Projekt-Cashflow gewähren werden, verlangen
sie bei Identifizierung eines solchen Preisrisikos in der Regel eine umfangreiche
Haftung eines der Projektbeteiligten, der für den ggf. entstehenden Schaden auf-
kommen muss.
Um dem Fertigstellungsrisiko entgegenzuwirken, sind eine Reihe von Verträgen
entwickelt worden, die dieses Risiko – in unterschiedlichem Umfang – Sponsoren,
Kreditnehmern und Anlagenlieferanten zuweisen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass
bei Verfehlen eines Stichtages, der zu einem bestimmten Tarif berechtigt, eine
Strafzahlung vereinbart wird, die die Mindereinnahmen kompensiert. Dabei kann
die Pönale so gewählt werden, dass die Belastbarkeit des Vorhabens aus Banksicht
konstant bleibt.
Grundsätzlich können die üblichen finanziellen Möglichkeiten, die Folgen eines
Fertigstellungsrisikos zu begrenzen, wie in Tab. 2.4 dargestellt, klassifiziert werden.
Wegen des sehr weit reichenden Umfangs einer Fertigstellungsgarantie einer-
seits und den bei der Projekterstellung häufig kaum überschaubaren Risiken
andererseits werden häufig Regeln vereinbart, die die Verpflichtungen des Garanten
beschränken.
Im Regelfall der Limited-Recourse-Finanzierung wechselt die Risikotragung
mit der Fertigstellung der Anlage: Waren bis dahin die Sponsoren oder der
36 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

Anlagenbauer für die Fertigstellung verantwortlich und zumindest teilweise auch


den Kreditgebern gegenüber verpflichtet, ist es im Anschluss nur noch das Projekt,
das sich damit zu einer Non-Recourse-Projektfinanzierung wandelt.9 Diese zeitliche
Haftungsbeschränkung der Sponsoren ist der wesentliche ökonomische Grund für
diese, eine Projektfinanzierung statt einer Unternehmensfinanzierung zu wählen.
Da dieser Haftungswechsel für die Risikoallokation entscheidend ist, wird regel-
mäßig große Sorgfalt darauf verwandt zu definieren, wann „Fertigstellung“ erreicht
ist.10 Im Regelfall wird die Fertigstellung durch einen unabhängigen Gutachter fest-
gestellt, der neben der Feststellung der Errichtung auch bestimmte Leistungstests
vornimmt.
Bei Biogas-Anlagen ergibt sich eine verhältnismäßig hohe Komplexität der Fer-
tigstellung, da eine Vielzahl von Gewerken aufeinander abgestimmt werden muss,
so dass ein erhebliches Schnittstellenrisiko besteht. Um diesem Schnittstellenrisiko
zu begegnen, empfiehlt es sich, einen Generalunternehmer zu beauftragen. Dies
wird aber nicht unbedingt der Regelfall sein: Die Mehrkosten der Haftungsüber-
nahme müssen vom Projekt verkraftbar und ein Generalunternehmer muss über-
haupt verfügbar sein. Kai Basedow wird das Thema Fertigstellung aus praktischer
Sicht in Abschn. 4.4 darstellen.
Nach dieser kurzen Einstimmung auf das Thema Fertigstellung wenden wir uns
nunmehr einem verwandten Thema zu, dem technischen Risiko.

2.4.4 Das Funktionsrisiko – Bewährte Technologie?

Kommt es in der Startphase eines Projektes zu technischen Problemen, sind diese


häufig nicht trennscharf von dem Fertigstellungsrisiko abzugrenzen. Dies ist
insoweit relevant, als regelmäßig unterschiedliche Verpflichtete für das eine oder
das andere Risiko eintreten. Das Fertigstellungsrisiko betrachten wir in Abschn. 4.4.
Grundsätzlich verlangt eine Projektfinanzierung den Einsatz von bewährter
Technik. Würde eine neue, nicht bewährte Technologie eingesetzt werden, würden

9
Für die Projektprüfung bedeutet dies: Die Fremdkapitalgeber müssen sich nicht nur über die
Tragfähigkeit des Projektes aufgrund seines erwarteten Cashflow-Stroms in der Betriebsphase
Gedanken machen, sondern bis zum Abschluss der Fertigstellungsphase in ihren Analysen die
Bonität der Sponsoren mit berücksichtigen. Dabei muss man auch vor Augen haben, dass die Haf-
tung der Sponsoren oder des Generalunternehmers nicht unbeschränkt, sondern aus ökonomischen
Überlegungen regelmäßig betragsmäßig begrenzt ist.
10
Der frühestmögliche Zeitpunkt ist die Errichtung der Anlage, also das Ende der Bau- und
Montagearbeiten (physische Fertigstellung). Allerdings kommt es für den Wert einer Anlage auf
deren Funktionstüchtigkeit an – Fertigstellung meint in diesem Zusammenhang den Probelauf,
bei dem bestimmte Leistungsparameter nachgewiesen werden müssen. Darüber hinaus kann eine
gewisse Betriebszeit gefordert sein, in der stufenweise bestimmte Leistungsparameter nachgew-
iesen werden müssen. Am weitesten geht die Forderung, dass auch bestimmte Wirtschaftlichkeit-
skriterien des Anlagenbetriebs nachgewiesen werden (Economic Test). Sofern Parameter herang-
ezogen werden, die nicht mit der Anlage selbst zusammenhängen (z. B. realisierte Nachfrage),
verschiebt sich der Charakter einer Non-Recourse-Projektfinanzierung wieder in Richtung einer
Unternehmensfinanzierung.
2.4  Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten 37

sich die Kapitalgeber auf einen nicht prognostizierbaren Output einlassen, was mit
den fixierten operativen und finanziellen Zahlungsverpflichtungen eines Projektes
nicht harmonisiert. Dieser Leitsatz muss sich aber auch einer kritischen Würdigung
unterziehen, schließlich soll auch keine veraltete Technik finanziert werden. Würde
dies der Fall sein, so besteht für das Projekt im weiteren Zeitablauf die Gefahr,
an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Dies gilt insbesondere für die relativ jungen
Technologien des Biokraftstoffsektors, die nicht von einer Preisgarantie auf der
Absatzseite profitieren. Gerade in diesen Bereichen fordert der Wettbewerb auf den
Märkten die Anwendung neuer Technologien, um Produktionskosten zu reduzieren.
Die Frage ist dann nur, ob eine Projektfinanzierung die geeignete Methode ist.
Technische Fragestellungen treten bei Biomasse- und Biogas-Vorhaben häufig
erst nach einer gewissen Betriebsdauer auf. Gerade bei Biogas-Anlagen ist der
gesamte Stoffkreislauf wartungsanfällig. Häufig lassen sich derartige technische
Probleme nicht bei der Abnahme feststellen und zeigen erst im Dauerbetrieb
ihre negativen Auswirkungen. Fertigstellungsrisiken und technische Risiken sind
häufig nicht eindeutig voneinander zu trennen (s. hierzu auch die Beispiele von Kai
Basedow in Abschn. 4.4).
Bei allen verfahrenstechnischen Risiken treten inhaltliche Parallelen zu den Fer-
tigstellungsrisiken auf, so dass auch Überschneidungen bei den risikopolitischen
Maßnahmen möglich sind. Der Sponsor wird der Bank eine umfangreiche tech-
nische Studie („engineering and design study“ bzw. „feasibility study“) zur Ver-
fügung stellen, auf die sich die Bank bei ihren Analysen stützen wird. Die Bank
sollte darüber hinaus weitere Gutachten von Sachverständigen einholen, um eine
differenzierte Analyse der Verfahrenstechnik durchführen zu können. In Frage
kommen hier beispielsweise Ingenieurbüros, die nicht bei der Erstellung der Studie
involviert waren. Den besten vorbeugenden Schutz gegen Folgen des technischen
Risikos bietet eine sorgfältige Auswahl des Contractors hinsichtlich Know-how
und Erfahrungsschatz. Handelt es sich bei dem Projekt um eine bewährte Technik,
sollte sich der Contractor bereit erklären, entsprechende Garantien für die Betriebs-
bereitschaft der Anlage zu übernehmen. Der Contractor hat selbst ein Interesse
daran, dass keine verfahrenstechnischen Mängel auftreten, schließlich ist seine
Wettbewerbsfähigkeit auch mit seinem guten Ruf eng verbunden.11
Eine praktikable Absicherung gegen technische Risiken kann eine Verfügbarkeits-
garantie sein (Buljevich und Park 1999, S. 102). Durch eine solche Garantie, die im
Rahmen des Anlagenvertrages vereinbart werden kann, übernimmt der Contractor
für einen gewissen Zeitraum die Verantwortung, dass die Anlage die zugesicherten
Eigenschaften erfüllt. Hierzu zählen Leistungsmengen und -qualitäten, die ein-
deutig überprüfbar sein müssen. Im Garantiefall muss der Contractor, je nach Ver-
einbarung, nachbessern oder Schadenersatz leisten. Der Contractor übernimmt
demgemäß das Risiko technisch bedingter Einzahlungsminderungen bzw. Aus-
zahlungserhöhungen. Aus Bankensicht ist hier eine Bonitätsprüfung des Garan-
tiegebers zwingend, um die Werthaltigkeit dieser Garantie überprüfen zu können.

Zur Darstellung entsprechender vertraglicher Anreizmechanismen s. Böttcher (2009),


11

S. 52–71.
38 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

Es ist nicht die Technik allein, die darüber entscheidet, ob ein technisches Risiko
schlagend wird, sondern auch ein professionelles Management des Betriebs kann
zumindest rechtzeitig gegensteuern und einen Ausfall der Anlage vermeiden.

2.4.5 Das Management- und Betriebsrisiko

Als Betriebs- und Managementrisiko sind die Gefahrenquellen zusammengefasst,


welche die operative Funktionstüchtigkeit der Anlage nach der Fertigstellung
gefährden und durch das Management beeinflusst werden können (Schmidt 1989,
S. 145 ff.). Je nach Autor werden auch noch die verfahrenstechnischen und die
Zulieferrisiken zugerechnet. Da diese Risiken jedoch an anderer Stelle gesondert
betrachtet werden, sollen derartige Risiken hier keine weitere Beachtung finden.
Betriebs- und Managementrisiken können durch eine fehlerhafte Betriebs-
führung hervorgerufen werden, die z. B. zu unwirtschaftlichen Lagerhaltungen,
Logistikproblemen oder Fehlkalkulationen führt. Darüber hinaus kann unzu-
reichend qualifiziertes Personal Fehler bei der Anlagenwartung und -bedienung ver-
schulden. Dies kann dazu führen, dass die Projektanlage nicht die geplante Qualität
produziert oder die geplanten Mengen auf Grund von Produktionsunterbrechungen
nicht erreicht werden (Schulte-Althoff 1992, S. 118).
Die Folgen sind betriebsbedingte Erlösminderungen oder auch Betriebskosten-
steigerungen. Beide Ausprägungen wirken sich negativ auf den Cashflow und
somit auf die Stabilität des Projektes aus. Derartige Probleme haben häufig ihren
Ursprung in der mangelnden Erfahrung des Managements bei der Betriebsführung.
Die Risiken in der Betriebsphase sind je nach Form der Biomasse und der Biomasse-
Aufbereitung sehr verschieden.
Bei Biogasvorhaben erfordern die verschiedenen Prozessstufen, die unter­
schiedlichen technischen Umsetzungsmöglichkeiten und die Inhomogenität der
Einsatzstoffe eine sehr aufmerksame und kompetente Steuerung der Anlagen.
Dabei ist es klar, dass die im Betrieb auftretenden Probleme sehr vielschichtig aus-
fallen können.
Um das Betriebs- und Managementrisiko zu verringern, ist das Projekt auf ein
erfahrenes und qualifiziertes Management angewiesen, da für die Betriebsführung
wirtschaftliche und technische Kenntnisse erforderlich sind. Diese Aufgabe kann
von verschiedenen Projektbeteiligten oder von einer professionellen Manage-
mentgesellschaft wahrgenommen werden, die dafür ein Betriebsführungsentgelt
erhalten. Aus Anreizsicht sollte hier neben einem Fixbeitrag auch eine erfolgs-
bezogene Komponente vereinbart werden.
Aus Sicht der Bank sollte einer der Projektbeteiligten das Management über-
nehmen. Dafür kommt insbesondere ein Sponsor oder der Anlagenbauer in Frage.
Häufig wird der Anlagenbauer selbst diese Aufgabe übernehmen, schließlich hat er
im Rahmen der abgegebenen Verfügbarkeitsgarantie schon bestimmte Gewährleis-
tungen zu erfüllen. Zumindest in der Anfangsperiode können sich dadurch gewisse
Synergieeffekte ergeben. Des Weiteren erfordert die Wartung eines Biomassepro-
jektes entsprechendes Know-how, welches der Anlagenbauer zweifelsohne besitzt.
2.4  Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten 39

Häufig wird die Betriebsführung durch den Sponsor übernommen. Im Gegensatz


zu Windenergie- und Solarprojekten, bei denen häufig auch reine Finanzinvestoren
als Sponsoren auftreten, sind bei Biogas-Projekten regelmäßig Sponsoren vertreten,
die eine enge Verzahnung zum Biogas-Markt aufweisen. Dies wird wesentlich
mit dem technisch anspruchsvollen Handling der Anlage zusammenhängen: Zum
einen geht es darum, mit den eingesetzten Substraten und der Anlagentechnik
fachkundig umzugehen, da ansonsten Produktionsausfälle drohen, die eine auf-
wändige Reinigung der Fermenter erforderlich machen und sich ggf. auf etwaige
Bonusansprüche auswirken können. Soweit die Wartung durch Drittunternehmen
vorgenommen und die Substrate von Dritten geliefert werden, sind die jeweiligen
Pflichten vertraglich zu gestalten.

2.4.6 Strukturierung der Beschaffungsseite – Ökonomische und


ökologische Anforderungen

Grundsätzlich stellt sich bei Biomasse-Projekten regelmäßig die Aufgabe, die


erforderlichen Bezugsstoffe in ausreichender Qualität zu prognostizierten Preisen
termingerecht zu beschaffen. Weiter ist bei Biogas-Vorhaben auch eine ökologische
und ethische Komponente zu beachten: Vereinfacht gesprochen geht es darum, die
Nutzung der Biomasse umweltverträglich und sozial akzeptabel zu gestalten.
Diese Aufgabenstellung ist außerordentlich bedeutsam für den Erfolg und die
Akzeptanz von Biogas-Projekten und zudem grundsätzlich verschieden von dem
Risikoprofil von anderen Vorhaben im Bereich erneuerbare Energien, so dass wir
dieses Thema auch in Abschn. 3.4 und Abschn. 4.1.4 vertieft behandeln werden.
Zunächst zu dem ökonomischen Beschaffungsrisiko: Ist es nicht möglich, genug
Biomasse zu beschaffen, kann die prognostizierte Kapazitätsauslastung der Anlage
nicht erreicht werden und führt als Folge zu einem geringeren Output. Dies kann
wiederum, je nach Vertragsgestaltung, auf der Absatzseite zu Strafzahlungen führen,
da es nicht möglich ist, die zugesicherte Menge der Projektleistung an Kunden
zu liefern. Bei einzelnen Prozessanlagen gibt es darüber keine einfache lineare
Beziehung zwischen Biomasse-Bezug und Produktionsmenge: Vielfach lässt ein
Rückgang von Eingangsstoffen unter einen kritischen Wert den gesamten Prozess
zusammenbrechen oder führt zu Problemen an anderer Stelle des Produktionspro-
zesses.
Biogasprojekte haben etwa gegenüber Biokraftstoffprojekten einen Wett-
bewerbsvorteil, da die Stromerzeugung nach dem EEG gefördert wird und
dadurch Planungssicherheit für die nächsten zwanzig Jahre gegeben ist. Die daraus
resultierende hohe Sicherheit auf der Absatzseite vereinfacht die langfristige Ein-
bindung von Lieferanten in die Projektstruktur, was einen Beschaffungsvorteil
darstellt. Auch die Nahrungsmittelbranche bezieht Öle, Getreide, Zucker etc. und
ist somit ebenfalls als Wettbewerber um die Rohstoffe anzusehen. Darüber hinaus
existieren noch zahlreiche weitere Verfahren in der Strom- und Wärmeerzeugung,
die Biomasse als Rohstoff nutzen.
40 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

Ausreichende Biomasseressourcen sind die Grundvoraussetzung für die Ver-


sorgungssicherheit der Projektanlage. Daher ist eine permanente Marktbeob-
achtung über die gesamte Finanzierungsdauer notwendig, denn sollte Biomasse als
Energieträger, wie bisher, weiter an Bedeutung zunehmen, hat dies Konsequenzen.
Es kann zum einen schwierig werden, die geplanten Mengen einzukaufen, zum
anderen führt eine verstärkte Nachfrage im Regelfall zu steigenden Preisen. Grund-
sätzlich hat der Nachfrageboom der letzten Jahre zu einer Verknappung und als
Folge dieser zu einer Preissteigerung bei Biomasse geführt. Eine wesentliche Anfor-
derung an das Risikomanagement ist es, Lösungen zu finden, eine größtmögliche
Preisstabilität zu gewährleisten. Was als umfassende und langfristig notwendige
Absicherung angesehen werden kann, wird durchaus unterschiedlich beurteilt. Zum
Teil wird ein Absicherungszeitraum von 10 Jahren und 80 % der Inputstoffe genannt
(Fischer 2011, S. 752 f.), z. T. werden auch geringere Anforderungen formuliert12.
Letztlich gibt es hier einen Zielkonflikt zwischen Planbarkeit und auch preislicher
Flexibilität.
Eine Betrachtung des Marktes für Biomasse muss zwingend auch die ökologischen
und sozialen Restriktionen sowie die Substitutionskonkurrenz berücksichtigen.
Ein erster limitierender Faktor bei der Nutzung von Biomasse ist die verfügbare
Anbaufläche. Die Fläche zum Anbau von Energiepflanzen beträgt in Deutschland
etwa 1,6 Mio. ha. Legt man strenge Kriterien an, wie dies etwa die Europäische
Umweltagentur tut, dürfte eher nur von einer Fläche in der Größenordnung von rund
1,0 Mio. ha auszugehen sein. Durch den Bevölkerungsrückgang in Deutschland
sowie die zu erwartenden Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft dürfte zukünftig
allerdings weniger Fläche zur Produktion von Nahrungsmitteln erforderlich sein und
dementsprechend die verfügbare Anbaufläche zur alternativen Nutzung tendenziell
zunehmen. Mittelfristig halten die Experten entsprechend größere Flächen für nutz-
bar (rund 2 Mio. ha in 2020 bzw. 3 Mio. ha in 2030), auf der Bioenergie nachhaltig
produziert werden kann. Letztlich bleibt aber auch dann die Fläche die restriktive
Größe für die Biomassepotenziale. Dies gilt erst recht dann, wenn höhere Anteile öko-
logischen Landbaus angestrebt werden als heute. Zusätzlich ist zu beachten, dass neben
der Produktion von Nahrungsmitteln auch die stoffliche Verwertung von Biomasse,
z. B. für Dämmmaterial, Schmierstoffe, Spanplatten usw., zunimmt sowie die Konkur-
renz unter den verschiedenen energetischen Nutzungsrouten zu berücksichtigen ist.
Aus Effizienzgesichtspunkten kommt gerade der stofflichen Nutzung eine besondere
Bedeutung zu, wenngleich diese trotz der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten
bisher kaum in der öffentlichen Diskussion präsent ist. Aufgrund der Vielzahl der
unterschiedlichen Nutzungsformen der Biomasse einerseits und ihrer Begrenztheit
andererseits sollte die Zuweisung auf die verschiedenen Nutzungspfade so weit wie
möglich klaren Effizienzkriterien folgen, damit eine möglichst hohe Substitutions-
wirkung gegenüber konventionellen Energieträgern erzielt werden kann. Dabei sind
die heute vorherrschenden Nutzungsoptionen nicht unbedingt die effektivsten.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang die differenzierte Betrachtung der ver-
schiedenen Rohstoffe. Bei der Herstellung von Biodiesel und Pflanzenöl sind heute

12
S. hierzu etwa die Ausführungen von Matthias Grotsch in Abschn. 4.2.1.
2.4  Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten 41

bereits in Deutschland Grenzen erreicht. Bei Raps, dem Hauptrohstoff, müssen


bestimmte Fruchtfolgen beim Anbau eingehalten werden, was eine Ausweitung des
Anbaus begrenzt.
Höhere operative Kosten des Projektes, bedingt durch höhere Bezugskosten,
führen unmittelbar zu einer Verringerung des Cashflows, was das gesamte Projekt
gefährden kann. Es besteht die große Gefahr, dass aus dem Erlös des Endproduktes
nicht ausreichend Einzahlungen generiert werden, um den Kapitaldienst zu bedienen.
Entwickeln sich die Beschaffungspreise deutlich volatiler als vorhergesagt, kann
die Situation eintreten, dass die Produktion im Extremfall unwirtschaftlich wird.
Hat die Biomasse nicht die erwartete Qualität, kann es bei der Verarbeitung zu
operativen Mehrkosten oder zu Kapazitätsbeeinträchtigungen kommen. Sollte bei-
spielsweise feuchte Biomasse angeliefert werden, führt die Trocknung zu Mehr-
kosten und es kann sogar zu Produktionsunterbrechungen kommen.
Auf der Bezugsseite besteht also einerseits die Gefahr von Mindererlösen, falls
nicht ausreichend Biomasse für die Produktion beschafft werden kann, anderer-
seits können die operativen Kosten bei Preisänderungen steigen (Uekermann 1993,
S. 65). Die Risikoanalyse verdeutlicht, dass eine sorgfältige Strukturierung der
Beschaffungsseite eine notwendige Voraussetzung für eine Projektfinanzierung bei
Biokraftstoffprojekten darstellt.
Regelmäßig wird das Lieferkonzept an die jeweilige Biogasanlage und den Basis-
betrieb angepasst sein müssen. Zu regeln sind die zeitliche Abfolge der Lieferung,
die Preisanpassungsmöglichkeiten, die Qualitätskontrollen, die Kündigungsrechte
und die Haftungsverteilung.13 Aus dem Genehmigungsrecht können sich Anfor-
derungen an eine Mindestlaufzeit der Substratlieferverträge ergeben: So wird im
Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. I Nr. 6 BauGB zumindest eine mittelfristige
Sicherung der Biomasse gefordert.
Voraussetzungen für eine Beherrschung des Bezugsrisikos wären lang-
fristige Lieferverträge mit verlässlichen Lieferanten zu einem Festpreis. Alle
drei Beschaffungsziele wären erfüllt und eine adäquate Planungssicherheit wäre
gewährleistet. Preis-, Mengen- und Qualitätsrisiken wären somit vollständig auf die
Lieferanten übertragen (Uekermann 1993, S. 66). Im Folgenden werden die Voraus-
setzungen zur Erfüllung dieser Ziele beleuchtet.
Der Abschluss von langfristigen Lieferverträgen ist bei Biomasse mit mehreren
Schwierigkeiten verbunden. Derartige Verträge sollten mindestens die Darlehenslauf-
zeit abdecken, um einen Ausfall zukünftiger Lieferungen und somit die Gefährdung
des Cashflows zu vermeiden. Den Lieferanten müssten bei Vertragsabschluss bereits
Daten über zukünftige Ernteerträge vorliegen, um seriös kalkulieren zu können.
Zwar ist es möglich, langfristige Verträge zu schließen, angesichts schwankender
Ernteerträge können die Landwirte jedoch nur gewisse Mindestmengen zusichern,
die sich aus der Betrachtung vergangener Ernteerträge ergeben. Dies führt regel-
mäßig dazu, dass solche Verträge mit mehreren Lieferanten geschlossen werden

13
Aufgrund der hohen Schäden, die bei einem Stillstand der Anlage im Falle der nicht fristge-
rechten Belieferung oder bei einem Einsatz von Fremd- oder Störstoffen entstehen können, muss
die Haftungsregelung sehr sorgfältig geprüft werden.
42 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

Abb. 2.8
Preisentwicklung von
Weizen

müssen, um eine ausreichende Belieferung der Anlage gewährleisten zu können.


Dabei sollten Verträge abgeschlossen werden, die Strafzahlungen beinhalten, sofern
zugesicherte Mengen entsprechender Qualität nicht geliefert werden können. Die
Höhe sollte den aktuellen Marktpreis für eine Ersatzbeschaffung abdecken. Eine
Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse der Lieferanten ist daher notwendig, um
sicher zu stellen, dass derartige Zahlungen auch geleistet werden können.
Die Vereinbarung von Festpreisen wird hingegen kaum durchsetzbar sein, wofür
mehrere Gründe ausschlaggebend sind: In der Vergangenheit haben die Biomasse-
preise einen äußerst volatilen Verlauf genommen, der von diskontinuierlichen
Entwicklungen geprägt ist, so dass Prognosen für zukünftige Preisentwick-
lungen praktisch nicht möglich sind. Diskontinuierliche Entwicklungen für den
Biomassemarkt waren politische Entscheidungen auf nationaler und internationaler
Ebene zur Förderung der Biomasse als Energieträger, die Entwicklung der globalen
Nachfrage und – insbesondere in den letzten zwei Jahren – auch die Spekulation an
den Weltmärkten auf steigende Rohstoffpreise. Abgebildet ist beispielhaft die Ent-
wicklung des Weizenpreises14.
Eine noch nicht existierende Möglichkeit im Biomassemarkt zur Absicherung
solcher Preisschwankungen wären Termingeschäfte und vergleichbare Derivate
mit entsprechend langer Laufzeit. Durch solche vertraglichen Kaufpositionen auf
zukünftige Zeitpunkte ließen sich nachteilige Gegebenheiten bei Lieferterminen auf-
fangen. Somit ließe sich das Preisrisiko verkleinern und die Kalkulationsbasis ver-
bessern. Zum heutigen Zeitpunkt werden für Raps und Weizen Terminnotierungen
mit einjähriger Laufzeit, bei Soja und Mais lediglich mit halbjähriger Notierung
erhoben, was an nicht fixierbaren zukünftigen Ernteerträgen liegt. Daher eignen
sich solche Termingeschäfte lediglich für kurzfristige Absicherungen, stehen jedoch
als Sicherheit für die gesamte Finanzierungsdauer nicht zur Verfügung. Es bleibt

14
Weizenpreis an der CBOT (boerse.de 2011).
2.5  Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement 43

festzuhalten, dass weder langfristige Lieferverträge mit Festpreisgarantie am Markt


bestehen noch langfristige derivative Absicherungsinstrumente vorhanden sind.
Am sinnvollsten ist es, Biomasse aus dem nächstmöglichen Umfeld der Pro-
jektanlage zu beziehen. Zum einen sind die Logistikkosten deutlich günstiger, zum
anderen ist die Verlässlichkeit der Lieferanten besser einzuschätzen.15

2.4.7 Zusammenfassende Würdigung der Einzelrisiken

Während wir bislang die Risiken und die Risikoinstrumente isoliert betrachtet
haben, müssen diese in der Finanzierungspraxis hinsichtlich ihrer gesamten
Wirkung auf das Projekt analysiert und bewertet werden. Dies erfolgt im Rahmen
der Risikoquantifizierung des Projektes über ein Cashflow-Modell. Das Cashflow-
Modell dient dabei der Entwicklung einer projektbezogenen Finanzierungsstruktur,
die unter der Berücksichtigung eines zu definierenden Sicherheitsabschlages so
auszugestalten ist, dass die bankseitigen Anforderungen für die Gewährung einer
Projektfinanzierung über die gesamte Finanzierungslaufzeit stets erfüllt werden
können.
Aus Gründen der mangelnden Quantifizierbarkeit der nach Anwendung
von Risikoinstrumenten verbleibenden Einzelrisiken wird von den Banken ein
pauschaler Sicherheitsabschlag anhand von Erfahrungswerten aus dem jeweiligen
Anwendungsgebiet festgelegt. Der Sicherheitsabschlag für ein konkretes Projekt
kann in seiner Höhe folglich von Bank zu Bank unterschiedlich bemessen sein.
Letztlich folgt dieser Risikoabschlag dem Ergebnis einer Simulationsrechnung, die
– zumeist basierend auf einer Simulationsrechnung – wesentliche Einflussfaktoren
variiert und zu einer komprimierten Risikobewertung gelangt.
Den Untersuchungen in dieser Arbeit soll ein Sicherheitsabschlag von 20 % auf
den geplanten Jahresenergieertrag zu Grunde gelegt werden. Dieser Abschlag wird
als ausreichend angesehen, um auch das kombinierte Eintreten von Einzelrisiken
bei dem betrachteten Projekt Pleasant Valley (s. Abschn. 5.2) realistisch abbilden
und auffangen zu können.

2.5 Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem


bisherigen Risikomanagement

2.5.1 Grundsätzliche Überlegungen

Im Anschluss an die Prozessstufen Risikoidentifikation und Risikoallokation schließt


sich die Risikoquantifizierung an, die auch eine Überprüfung der Wirtschaftlich-
keit darstellt. Hierzu werden die monetären Konsequenzen der vertraglichen und
gesetzlichen Grundlagen eines Projektes über ein Cashflow-Modell abgebildet und
mit Blick auf mögliche Änderungen des Planablaufs untersucht. Dabei endet die

15
S. hierzu auch Abschn. 4.5.2.4.
44 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

Abb. 2.9 DSCR eines Biogas-Projektes bei verschiedenen Parameteränderungen

Risikoquantifizierung im Regelfall nicht mit einer statischen Cashflow-Bewertung,


sondern wird um ein Rating-Tool ergänzt, das über Simulationsrechnungen ver-
schiedene Umweltszenarien abbildet und zu einer Risikoeinschätzung des Vor-
habens gelangt.
Das Cashflow-Modell eines Projektes ist aber nicht nur für die Kreditgeber von
herausragender Bedeutung, sondern auch für die Investoren eines Projektes. Beide
Kapitalgebergruppen sind gleichermaßen am Erfolg eines Vorhabens interessiert,
wobei sie allerdings unterschiedliche Anspruchsebenen und Anspruchsgrund-
lagen haben. Während die Fremdkapitalgeber einen erfolgsunabhängigen und fixen
Anspruch auf Bedienung des Kapitaldienstes aus dem Projekt haben, erheben die
Eigenkapitalgeber einen erfolgsabhängigen und damit variablen Anspruch auf den
verbleibenden freien Cashflow. Das methodische Werkzeug, mit dem beide Gruppen
ein Vorhaben beurteilen, ist ein projektspezifisches Cashflow-Modell.
Allerdings markiert das Cashflow-Modell noch nicht den Endpunkt der wirt-
schaftlichen Betrachtung der Kreditgeber. In einem nächsten Schritt geht es darum,
eine Simulationsrechnung des Cashflow-Verlaufs vorzunehmen, die darüber
informiert, wie sich das Projekt unter einer Vielzahl von möglichen Umwelt-
szenarien entwickeln kann. Das Ergebnis dieser Simulationsrechnungen ist eine
Ratingeinschätzung, die eine Risikokategorie ausweist und damit über die Risiko-
prämie die Zinskosten bestimmt und somit auch die Finanzierungsstruktur maß-
geblich beeinflusst. Damit geht es in einem zweiten Teil darum herauszuarbeiten,
welche quantitativen und qualitativen Faktoren das Rating beeinflussen können.
Im Folgenden soll ein Windenergie-Vorhaben mittels einer Analyse seiner
Risikopotenziale auf seine Projektfinanzierungsfähigkeit hin untersucht werden.
Da die Ausprägung der Projektrisiken in großem Maße von dem jeweiligen
Finanzierungsobjekt abhängt, wird ein Fallbeispiel aus der Praxis betrachtet und
bewertet (s. hierzu Abschn. 5.2).
Im Regelfall werden dabei in einem ersten Schritt – ausgehend vom Basisfall
– verschiedene, zentrale Cashflow-relevante Parameter verändert und in ihrer Aus-
wirkung auf den Cashflow untersucht. Wir stellen im Folgenden nur die zentralen
Ergebnisse vor; eine detaillierte Diskussion erfolgt in Abschn. 5.2.
2.5  Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement 45

Tab. 2.5 DSCR bei verschiedenen Parameteränderungen aus Sicht der Kapitalgeber


  Min. DSCR Ø DSCR IRR
Sponsors Case 1,05 1,99 24,92 %
Einnahmen bei 97 %: 0,97 1,90 22,05 %
Operative Kosten plus 2,5 %: 0,91 1,88 21,69 %
Kombinationsfall (2 + 3): 0,76 1,79 18,54 %

Erkennbar ist, dass Biogasvorhaben sehr empfindlich auf eine Änderung des
Einnahmenniveaus und der Betriebskosten reagieren, während sie gegenüber
Änderungen des Zinsniveaus sehr robust sind. Die wesentliche Erklärung für dieses
Risikoprofil liegt in den verhältnismäßig geringen Kapitalkosten begründet, die
etwa drei Mal geringer sind als bei Solarprojekten, sowie den Betriebskosten, die
wiederum etwa drei Mal höher sind als bei Solarprojekten.
Die eigentliche zusammenfassende Quantifizierung eines Projektrisikos erfolgt
über ein Cashflow-Modell, das neben der Bewertung der Projektrisiken auch eine
Optimierung der Finanzierungsstruktur zulässt. Das Cashflow-Modell ist für die
Risikoquantifizierung von zentraler Bedeutung, aber die Risikoquantifizierung
endet nicht mit dem Cashflow-Modell. Zusätzlich erfolgen auf Basis des Cashflow-
Modells – zumeist separat vorgenommene – Simulationsrechnungen über ein
Rating-Tool, das verschiedene Projektverläufe bei unterschiedlichen Umwelts-
zenarien simuliert und aus Risikosicht der Banken bewertet. Die Simulationsrech-
nungen werden dabei im Biogasbereich wesentlich durch die Verfügbarkeit der
Eingangsstoffe sowie der prognostizierten Entwicklung der Zinsstrukturkurven
beeinflusst. Qualitative Faktoren, wie etwa die Bewertung des Fertigstellungsrisikos
und die Erfahrungen des EPC-Contractors, haben gegenüber den quantitativen Fak-
toren eine zumeist nachrangige Bedeutung.16
Das Cashflow-Modell dient einer ersten Abschätzung der Projektbelastbar-
keit und Wirtschaftlichkeit und das Rating-Verfahren ermöglicht es dann, die
Robustheit des Cashflow-Verlaufs angesichts verschiedener Umweltveränderungen
zu bewerten. Das Rating-Ergebnis korrespondiert mit einer Risikobepreisung.
Sofern diese von der im Cashflow-Modell verwandten Risikobepreisung abweicht,
die ja zunächst eine Schätzgröße abbildet, muss das Modell angepasst und die
Simulationsrechnung wiederholt werden. Im Bedarfsfall muss dieser Prozess so
lange wiederholt werden, bis Cashflow-Modell und Rating-Modell von denselben
Annahmen ausgehen. Insofern ist die Cashflow-Modellierung und die Bewertung
durch ein Rating-Tool ein iterativer Prozess.
Die Ziele, die mit einem Rating-Tool verfolgt werden, lassen sich wie folgt sub-
sumieren:
1. Objektive und standardisierte Risikobeurteilung eines Projektes.
2. Kalkulation eines Gesamtrisikos für eine Projektfinanzierung – Ermittlung einer
Ausfallwahrscheinlichkeit, die wiederum für die Risikobepreisung relevant ist.

16
Da es sich bei den Rating-Tools um separate Software-Anwendungen handelt, die für den
Benutzer lediglich Eingaben zulassen, können die Details des Verfahrens im Rahmen dieser Arbeit
leider nicht vorgestellt werden.
46 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

3. Regulatorische Anforderungen, insbesondere die Kapitaladäquanzanforderungen


nach Basel II, können eingehalten werden.17
Das Rating-Tool geht dabei wie folgt vor:
1. Simulation der wesentlichen Risikotreiber unter einem bestimmten Annahmen-
Set und unter Berücksichtigung von
2. makroökonomischen Faktoren: Zinssätze, Wechselkurse und Inflationsannahmen
sowie
3. branchenspezifischen Annahmen: basierend auf einem Random-Walk-Ansatz,
der auf historischen Volatilitäten und Korrelationen basiert.
In diesem Zusammenhang muss aus Rating-Sicht die Volatilität des Angebots an
Biomasse untersucht werden. Diese bezieht sich auf die Teilkomponenten Menge,
Preis und Qualität.
Dabei ergeben sich folgende Empfehlungen für die Beauftragung von Ertrags-
gutachten:
1. Es sollten standortspezifische Gutachten erstellt werden.
2. Des Weiteren sollte der Gutachter explizit angeben, mit welcher Unsicherheit
er bei seinem Gutachten rechnet, ansonsten erfolgt auch hier eine „Bestrafung“
des Projekts mit verhältnismäßig hohen Werten. Ggf. lässt sich auch über relativ
kostengünstige Maßnahmen eine Verbesserung der Prognosequalität erreichen,
etwa dem Einbezug von Daten benachbarter Windparks. Ein Standortbesuch
sollte ohnehin Standard sein, um die lokalen Verhältnisse abschätzen zu können.
Damit haben wir bereits erste Hinweise zur Verbesserung der Finanzierungs-
struktur gegeben. Dieses Thema werden wir nun etwas systematischer in
Abschn. 2.5.2 darstellen.

2.5.2 Hinweise zur Optimierung aus Sicht der Investoren und der
Fremdkapitalgeber

Investoren und Kreditgeber haben das gleichgerichtete Interesse, ein Projekt so


wirtschaftlich wie möglich zu gestalten. Ein hoher Cashflow-Überschluss bedeutet
einerseits, dass die Fremdkapitalgeber mit größerer Sicherheit ihre festen und
erfolgsunabhängigen Rückzahlungsansprüche erfüllt sehen, aber auch, dass die
Sponsoren mehr bzw. frühzeitigere Ausschüttungen realisieren können. Während
beide Gruppen ein gleichgerichtetes Interesse haben, den Projektwert zu steigern,
besteht ein Wettbewerb um die Verwendung der Cashflows. Wie bereits oben ange-
sprochen, haben die Sponsoren ein Interesse daran, möglichst viel Cashflow früh-
zeitig auszuschütten, während die Fremdkapitalgeber möglichst schnell getilgt
werden wollen. Die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur beinhaltet damit
immer auch einen Verhandlungsprozess zwischen den beiden Kapitalgebergruppen.

Der Baseler Ausschuss hat in 2004 ein Kapitalregelwerk verabschiedet (Basel II), das im
17

Kreditwesengesetz und der Solvabilitätsverordnung in deutsches Recht umgesetzt worden ist. S.


hierzu z. B. Cramme et al. (Hrsg.) (2007).
2.5  Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement 47

Die wichtigsten Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierungsstruktur liegen


in folgenden Aspekten:
• Eine Verlängerung der Laufzeit der Term Loans führt zu einer Verbesserung der
internen Rendite, aber auch zu einer höheren Belastbarkeit des Projektes. Die
Grenzen der Laufzeitwahl werden durch das Rechts- und Regulierungsumfeld
sowie die technische Lebensdauer der Anlagen abgesteckt.
• Bei der Wahl der optimalen tilgungsfreien Zeit ist es nicht ganz so einfach. Einer-
seits wird der Sponsor an einer möglichst langen tilgungsfreien Zeit interessiert
sein, die fremdfinanzierende Bank hingegen wird typischerweise einen Zeitraum
zwischen 18 und 24 Monaten präferieren. Dies liegt wesentlich darin begründet,
dass die Schuldendienstreserve mit hinreichender Sicherheit auch in einem
Belastungs-Szenario aufgebaut werden sollte.
• Dieser Aspekt bringt uns zur Wahl der Höhe der Schuldendienstreserve.
Tendenziell wird ein Sponsor dieses Konto so gering halten wie möglich,
andererseits würden die Banken bei einem vollständigen Verzicht auf dieses
Sicherungsinstrument ihre Eigenkapitalanforderungen wesentlich anheben.
• Sind Betriebskosten in ihrer Höhe an die Entwicklung des Einnahmenniveaus
gekoppelt, ergibt sich bei Einnahmenrückgängen ein natürlicher Puffer, der die
Belastbarkeit verbessert. Zudem ist eine entsprechende Regelung Anreiz kom-
patibel.
Die dargestellten Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierungsstruktur
können selbstverständlich noch weiter ausdifferenziert werden. Zusammen gefasst
geht es aber zumeist darum, die verfügbaren Cashflows so zu verteilen, dass die
Investoren eine akzeptable Wirtschaftlichkeit bei einer angemessenen Belastbarkeit
erreichen können.

2.5.3 Einbindung von Versicherungen in die


Finanzierungsstruktur

Ein auf das Projekt bezogenes Risikomanagement bedarf eines zugeschnittenen


Versicherungsprogramms während der Errichtungs- und Betriebsphase. Der
Erwerb von Versicherungsschutz ist der entgeltliche Transfer bestimmter eigener
Risiken in die Bilanzen von Versicherungen. Ökonomisch besteht damit kaum ein
Unterschied zwischen der Risikoübertragung auf eine Versicherung oder andere
Beteiligte, so dass die obigen Überlegungen zum Risikotransfer auch hier gelten.
Dr. Michael Härig stellt im Abschn. 5.1 verschiedene Aspekte der Einbindung von
Versicherungen in eine Projektfinanzierungsstruktur vor.
Bei der Einbindung von gewerblichen Versicherungen in ein Risikomanagement-
konzept sind folgende Aspekte zu beachten:
1. Bei Projektfinanzierungen gilt ein gestuftes Subsidiaritätsprinzip: Zunächst wird
nach ökonomischen Prinzipien verhandelt, welche Projektpartei welches Risiko
übernimmt, bevor die Einbindung einer Versicherung erfolgt. Die Entscheidung
ob, wann, zu welchen Konditionen und in welchem Umfang ein Risikotransfer
48 2  Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes

vorgenommen werden muss, ist keine isolierte Entscheidung, sondern Teil eines
geschlossenen Risikomanagementprozesses.
2. Versicherungen werden den Versicherungsnehmer regelmäßig auf bestimmte
Verhaltensweisen und Informationspflichten verpflichten, die wiederum Rück-
wirkung auf die Vertragserfüllung auch anderer Verträge haben werden. Neben
den Anforderungen an eine Versicherbarkeit von einzelnen Risiken, die für die
Planbarkeit der Cashflows von großer Bedeutung ist, tritt die Anforderung, über
den Umfang und die Ausgestaltung der Versicherungen die richtigen Anreize für
die Projektbeteiligten zu setzen.
Bei der Einbindung von Versicherungen in ein Risikomanagementkonzept sind
folgende Aspekte zu beachten: Zunächst einmal muss die Versicherung prüfen,
ob ein Risiko überhaupt versicherbar ist, wobei verschiedene Prüfungsebenen zu
unterscheiden sind. In einem ersten Schritt wird geprüft, ob die Risiken anreiz-
kompatibel verteilt sind: Dies verlangt, dass Projektbeteiligte, die ein Risiko auch
üblicherweise kontrollieren können, dies auch im konkreten Einzelfall tun. Umge-
kehrt: Eine Versicherung wird beispielsweise kaum ein Fertigstellungsrisiko über-
nehmen, wenn der Anlagenbauer nicht einen wesentlichen Teil dieses Risikos selbst
übernimmt.
Als weitere, versicherungs-mathematische Bedingungen werden dabei der
Zufallsgrad eines Schadenseintritts, die eindeutige Zurechenbarkeit des Ver-
sicherungsfalls auf ein versichertes Ereignis und die Abschätzbarkeit der finanziellen
Konsequenzen bei Risikoeintritt untersucht. Zentral für die Versicherbarkeit von
Projektrisiken ist, dass überhaupt ein Sachschaden an den versicherten Sachen ent-
standen ist und dass dieser unvorhergesehen eingetreten ist. Dies bedeutet zunächst,
dass einzelne Teile der Projektanlage zerstört oder beschädigt sein müssen; die
bloße Mangelhaftigkeit einer Sache genügt nicht (Hauke und Kottke 2010, S. 60 f.).
Ebenfalls wird kein Versicherungsschutz greifen, wenn ein Schadenereignis
unvermeidbar ist und definitiv eintreten wird. Die Zufälligkeit bzw. die Ungewiss-
heit über das Entstehen, den Zeitpunkt und/oder die Schadenhöhe sind zwingend
erforderlich. Zu den vorhersehbaren Schäden von Windvorhaben zählen ins-
besondere Schäden durch Abnutzung und Verschleiß. Es ist eindeutig, dass
einzelne Komponenten – wie etwa der Generator – nur eine begrenzte Lebensdauer
aufweisen und damit kein zufälliges Schadensereignis ursächlich ist. Der Ver-
sicherungsnehmer muss damit rechnen, dass Verschleißteile nach einer gewissen
Zeit zwangsläufig ausgetauscht werden müssen. Vorhersehbar sind etwa Schäden
durch bekannte Mängel, welche nicht versicherbar sind. Sind Mängel bekannt, so
ist die Projektgesellschaft verpflichtet, diese zu beseitigen. Ohne Versicherungs-
schutz käme der Sachschaden wahrscheinlich gar nicht erst zustande, da sofort
Maßnahmen zur Verhinderung eingeleitet worden wären. Aus diesem Grund kann
eine Versicherung nicht eine Entschädigung leisten, die grob fahrlässig aufgrund
der Kenntnis des Versicherungsschutzes verursacht worden ist.
In der Gesamtbetrachtung erweisen sich Versicherungen als äußerst vielschichtige
Strukturelemente für die Absicherung und Optimierung von Projektfinanzierungen.
Sie erlauben unter den beschriebenen Voraussetzungen eine notwendige residuale
2.5 Literatur 49

Absicherung gegenüber spezifischen Projektrisiken und sind damit ein unverzicht-


barer Bestandteil einer Risikoallokation.

Literatur
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Böttcher, J., Blattner, P.: Projektfinanzierung. Oldenbourg, München (2006)
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Uekermann, H.: Risikopolitik bei Projektfinanzierungen: Maßnahmen und ihre Ausgestaltung.
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Rechtliche und sozio-ökonomische
Rahmenbedingungen 3

3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Biogas –


Genehmigung, Vergütungssystem und Netzzugang

Dr. Andreas Gabler, Dr. Florian-Alexander Wesche,


Dr. Jörn Kassow
3.1.1 Genehmigungsrecht

Das Planungs- und Genehmigungsrecht ist für die Errichtung von Anlagen, die einer
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterliegen, von erheblicher
Bedeutung, da ohne das Vorliegen der erforderlichen planungs- und genehmigungs-
rechtlichen Voraussetzungen die Errichtung und der Betrieb dieser Anlagen nicht
zulässig sind. In der Praxis wird die Relevanz dieses Rechtsgebiets gleichwohl
häufig unterschätzt.
Dass Anlagen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unter-
stellt werden, findet seine Rechtfertigung letztlich darin, dass der Betrieb solcher
Anlagen regelmäßig mit erheblichen Immissionen verbunden ist. Auch wenn Bio-
gasanlagen – anders als beispielsweise Steinkohlekraftwerke – nicht zu den
Anlagen gehören, bei deren Errichtung regelmäßig überregionaler Protest (etwa
auch von Umweltverbänden) zu erwarten ist, ist es allein schon wegen der mit
Biogasanlagen verbundenen Geruchsimmissionen doch auch nicht selten, dass
solche Projekte von Anwohnern im Klagewege angegriffen werden. Stellt sich
(erst) vor Gericht heraus, dass die Genehmigung und/oder ein etwa erforderlicher
Bebauungsplan nicht den rechtlichen Anforderungen genügt und daher aufzuheben
ist, droht dem Vorhabenträger zumindest eine wesentliche zeitliche Verzögerung,
wenn nicht gar – im Extremfall – das endgültige Aus für sein Projekt, wie sich bei-
spielsweise gerade anschaulich im Falle der „Investitionsruine Datteln“ zeigt.1 Die
1
Der dort geplante und auch bereits begonnene Bau eines Steinkohlekraftwerks ist aufgrund von
Rechtsfehlern des Bebauungsplans und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen durch
Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts in Münster – zumindest vorerst – gestoppt worden.
S. dazu OVG Münster, Urteil vom 3.9.2009, Az. 10 D 121/07.NE; OVG Münster, Beschluss vom

J. Böttcher, Management von Biogas-Projekten,


DOI 10.1007/978-3-642-20956-7_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 51
52 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

sorgfältige Vorbereitung des Projekts auch im Hinblick auf die Fragen des öffent-
lichen Planungs- und Genehmigungsrechts ist damit von entscheidender Bedeutung
für seine erfolgreiche Umsetzung.2

3.1.1.1 Einleitung
Im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen soll zunächst erläutert werden, welche
Genehmigung(en) für die Errichtung einer Biogasanlage erforderlich ist (bzw. sind)
und welches Verfahren zum Erlangen dieser Genehmigung(en) zu durchlaufen ist.
Sodann soll aufgezeigt werden, welches die wesentlichen materiellen Anfor-
derungen an eine solche Anlage sind, um die Genehmigung(en) zu erhalten und die
Anlage im Einklang mit den rechtlichen Anforderungen betreiben zu können.
Schließlich soll kurz auf die möglichen Folgen eines illegalen Anlagenbetriebs
sowie die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten für den Anlagenbetreiber und
Dritte eingegangen werden.

3.1.1.2 Genehmigungspflichten für die Errichtung, Änderung und den


Betrieb von Biogasanlagen
Sowohl die Errichtung als auch die Änderung von Biogasanlagen sind in der
Regel genehmigungspflichtig. In vielen Fällen – namentlich bei Anlagen der vor-
liegend interessierenden Größenordnung – wird eine immissionsschutzrechtliche
Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) erforderlich
sein. In anderen Fällen – insbesondere bei kleineren Biogasanlagen – reicht hin-
gegen schon eine einfache Baugenehmigung aus.
Zum Teil können auch weitere Genehmigungen notwendig sein, etwa eine
wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung, die stets isoliert ergehen muss.

Immissionsschutzrechtliche Genehmigung
Einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf gemäß § 4 Abs. 1
BImSchG die Errichtung solcher Anlagen, die „auf Grund ihrer Beschaffenheit oder
ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen
hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu
gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen“.
Diese allgemeine Regelung wird durch den Anhang zur 4. BImSchV3 kon-
kretisiert, in dem die immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtigen Anlagen
enumerativ und abschließend aufgeführt werden. Abhängig von Faktoren wie
der Feuerungswärmeleistung, der Menge und Art der eingesetzten Substrate und
Abfallstoffe, der Kapazität der Lagerbehälter und dem möglichen Zusammen-
hang mit größeren landwirtschaftlichen (Tierhaltungs-)Anlagen werden die von
der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht erfassten Anlagentypen
in zwei verschiedenen Spalten aufgelistet. Für die in Spalte 1 gelisteten Anlagen

24.9.2009, Az. 8 B 1343/09.AK.


2
Zu einem jüngst gescheiterten Bebauungsplanverfahren für eine Biogasanlage vgl. etwa OVG
Lüneburg, Beschluss vom 4.1.2011, Az. 1 MN 130/10.
3
Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über
genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV).
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 53

Tab. 3.1 Faktoren, die eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung auslösen


Anhang zur 4. BImSchV Immissionsschutzrechtliche Genehmigung
Förmliches Verfahren Vereinfachtes Verfahren
Feuerungswärmeleistung einer zum ≥ 50 MW ≥ 1 MW
Zwecke der Stromerzeugung mit
dem erzeugten Biogas betriebenen
Gasturbine (Nr. 1.1, 1.2 bzw. 1.5)
Anlagen zur biologischen Behan- ≥ 10 t Durchsatzleistung ≥ 1 t Durchsatzleistung
dlung von gefährlichen Abfällen pro Tag pro Tag
(Nr. 8.6 a)
Anlagen zur biologischen Behand- ≥ 50 t Durchsatzleistung ≥ 10 t Durchsatzleistung
lung von nicht gefährlichen Abfällen pro Tag pro Tag
(Nr. 8.6 b)
Anlagen zur zeitweisen Lagerung Aufnahmekapazität Aufnahmekapazität von
von gefährlichen Abfällen (Nr. 8.12) von ≥ 10 t pro Tag oder ≥ 1 t pro Tag oder Gesamt-
Gesamtlagerkapazität von lagerkapazität von ≥ 30 t
≥ 150 t
Anlagen zur zeitweisen Lagerung – Gesamtlagerkapazität von
von nicht gefährlichen Abfällen ≥ 100 t
(Nr. 8.12 b)
Anlagen zur Lagerung von Gülle – Lagerkapazität von
(Nr. 9.36) ≥ 6.500 m³
Errichtung der Biogasanlage als Abhängig von der Abhängig von der
Nebeneinrichtung einer genehmi- Größe der Tierhaltungs- Größe der Tierhaltung-
gungsbedürftigen Tierhaltungsan- anlage z. B. ab 2.000 sanlage, z. B. ab 1.500
lage (Nr. 7.1 i. V. m. § 1 Abs. 2 der Mastschweineplätzen Mastschweineplätzen
4. BImSchV)4

ist ein förmliches, für in Spalte 2 gelistete Anlagen lediglich ein vereinfachtes
Genehmigungsverfahren erforderlich. Ist eine Anlage in keiner der beiden Spalten
aufgeführt, ist sie aus immissionsschutzrechtlicher Sicht genehmigungsfrei und
bedarf nur einer Baugenehmigung.
Tabelle 3.1 gibt eine Übersicht über einige der wichtigsten Faktoren, die vor-
liegend eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht auslösen können.

Förmliches Verfahren
Die Durchführung des förmlichen Verfahrens ist in § 10 BImSchG i. V. m. mit der
9. BImSchV4 geregelt.
Das förmliche Verfahren ist zwar deutlich komplexer und zeitaufwändiger als
das vereinfachte Verfahren, verschafft dem Antragsteller im Gegenzug aber auch
ein höheres Maß an Rechtssicherheit. Aus diesem Grunde steht es dem Vorhaben-
träger gemäß § 19 Abs. 3 BImSchG auch frei, die Durchführung eines förmlichen
Verfahrens zu beantragen, obwohl die Genehmigung im vereinfachten Verfahren
erteilt werden könnte.

4
Neunte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung
über das Genehmigungsverfahren – 9. BImSchV).
54 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Verfahrensablauf
Das förmliche Verfahren lässt sich grob in drei Verfahrensabschnitte gliedern:
• Vorabberatung
–– Bereits vor Stellung des Genehmigungsantrags kann der Vorhabenträger sich
im Hinblick auf den weiteren Ablauf des Genehmigungsverfahrens ratsuchend
an die zuständige Behörde wenden. Sobald die Genehmigungsbehörde über
das geplante Vorhaben unterrichtet wird, soll sie den Träger des Vorhabens
im Hinblick auf die Antragstellung beraten und mit ihm den zeitlichen Ablauf
des Genehmigungsverfahrens sowie sonstige für die Durchführung dieses
Verfahrens erhebliche Fragen erörtern (§ 2 Abs. 2 der 9. BImSchV).
–– Der Vorhabenträger wird im Rahmen des sog. „Scoping“ unter anderem
darüber informiert, welche Antragsunterlagen einzureichen sind, welche
Anforderungen im Hinblick auf die Nachbarschaft zu beachten sind, welche
Gutachten voraussichtlich eingeholt werden müssen und wie der zeitliche
Ablauf des Genehmigungsverfahrens ausgestaltet werden kann.
• Genehmigungsantrag und Vollständigkeitsprüfung
–– Das eigentliche Genehmigungsverfahren beginnt mit der Stellung des
schriftlichen Genehmigungsantrags (§ 2 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV).
Dem Antrag müssen die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen beigefügt
werden, die es der Behörde erlauben, das Vorliegen der Genehmigungs-
voraussetzungen zu prüfen. Eine Aufzählung der im Regelfall erforderlichen
Unterlagen enthalten die §§ 4 bis 4e der 9. BImSchV.
–– Die Genehmigungsbehörde hat dem Antragsteller den Eingang des Antrags
und der Unterlagen unverzüglich schriftlich zu bestätigen. Sodann hat sie
die Vollständigkeit der Antragsunterlagen zu prüfen, wofür ihr in der Regel
eine Frist von einem Monat zur Verfügung steht, die nur in begründeten Aus-
nahmefällen einmal um zwei Wochen verlängert werden kann (s. §§ 6 und 7
der 9. BImSchV).
–– Sind der Antrag oder die Unterlagen nicht vollständig, so hat die
Genehmigungsbehörde den Antragsteller unverzüglich aufzufordern, den
Antrag oder die Unterlagen innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen.
Lässt der Antragsteller diese Frist grundlos verstreichen, wird sein Antrag in
der Regel ohne weitere Prüfung abgelehnt.
–– Liegen die Unterlagen vollständig vor, unterrichtet die Behörde den Antrag-
steller schriftlich hierüber sowie über den geplanten weiteren zeitlichen Ablauf
des Genehmigungsverfahrens. Mit dieser Unterrichtung setzt sie zugleich die
vorgesehene Entscheidungsfrist in Gang. Im förmlichen Genehmigungsver-
fahren hat die Behörde ab Mitteilung der Vollständigkeit grundsätzlich sieben
Monate Zeit, um über den Genehmigungsantrag zu entscheiden. Die Frist
kann um drei Monate verlängert werden, wenn dies wegen der Schwierig-
keit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind,
erforderlich ist (§ 10 Abs. 6a BImSchG).
• Öffentlichkeitsbeteiligung
–– Wenn die Antragsunterlagen vollständig sind, führt die Behörde die nach § 10
Abs. 3 BImSchG verbindlich vorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 55

durch, die mit der öffentlichen Bekanntmachung des Vorhabens beginnt. Im


Anschluss werden die vorhabenbezogenen Unterlagen für einen Monat öffent-
lich zur Einsicht ausgelegt. Binnen dieser Auslegungsfrist kann jedermann
ohne Angaben von Gründen die Unterlagen einsehen und bis zwei Wochen
nach Ablauf der Auslegungsfrist schriftlich Einwendungen gegen das Vor-
haben erheben.
–– Parallel zur Öffentlichkeitsbeteiligung werden auch diejenigen Behörden,
deren Aufgabengebiet durch das Vorhaben berührt wird, über das Vorhaben
unterrichtet und aufgefordert, innerhalb eines Monats Stellungnahmen abzu-
geben.
–– Einwendungen, die nicht innerhalb der Einwendungsfrist erhoben worden
sind, können in der Folge weder im weiteren Genehmigungsverfahren
noch klageweise geltend gemacht werden. Diese sog. Präklusion von Ein-
wendungen hat eine erhebliche Einschränkung der Klagemöglichkeiten
Dritter zur Folge und verschafft im Gegenzug dem Antragsteller eine höhere
Planungs- und Rechtssicherheit. Die Präklusion erstreckt sich jedoch nicht
auf Tatsachen, die erst nach Ablauf der Einwendungsfrist eingetreten oder
bekannt geworden sind und daher innerhalb der Einwendungsfrist noch nicht
vorgebracht werden konnten.
Nach Ablauf der Einwendungsfrist werden die rechtzeitig gegen das Vorhaben
erhobenen Einwendungen von der Genehmigungsbehörde in der Regel mit dem
Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert (§ 10 Abs. 6
BImSchG). Dieser sog. Erörterungstermin findet üblicherweise circa drei bis sechs
Wochen nach Ende der Einwendungsfrist statt. Die Durchführung eines Erörterungs-
termins ist jedoch nicht zwingend. Ein Erörterungstermin kann etwa dann entfallen,
wenn die erhobenen Einwendungen nach Einschätzung der Genehmigungsbehörde
keiner Erörterung bedürfen (§ 16 Abs. 1 Nr. 4 der 9. BImSchV). Nachdem all diese
Verfahrensschritte durchlaufen sind, trifft die Behörde schließlich ihre verfahrens-
abschließende Entscheidung, die entweder in der Erteilung oder der Versagung der
beantragten Genehmigung besteht. Dabei handelt es sich um eine sog. gebundene
Entscheidung: Wenn alle Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen, steht der
Behörde kein Ermessen zu; sie muss die beantragte Genehmigung erteilen. In der
Praxis sind die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen allerdings regelmäßig
mit zahlreichen Nebenbestimmungen verbunden, die insbesondere die Einhaltung
der Genehmigungsvoraussetzungen sicherstellen sollen.

Umweltverträglichkeitsprüfung
Im Rahmen des förmlichen Verfahrens besteht darüber hinaus für bestimmte Vor-
haben die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).
Die UVP ist ein unselbstständiger Teil des förmlichen Genehmigungsverfahrens.
Insbesondere im Scoping- und im Erörterungstermin stehen, wenn das Vorhaben
UVP-pflichtig ist, erfahrungsgemäß oft die Umweltauswirkungen des Vorhabens im
Vordergrund der Diskussion und Betrachtung.
Die Erforderlichkeit einer UVP richtet sich nach Anlage 1 zum Gesetz über die
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). In dieser werden die UVP-pflichtigen
Vorhaben enumerativ aufgeführt, wobei das UVPG vielfach an ähnliche Faktoren
56 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

anknüpft wie die 4. BImSchV. Für die in der Anlage 1 zum UVPG genannten Vor-
haben kann entweder eine von vornherein zwingende Pflicht zur Durchführung
einer vollständigen UVP bestehen oder lediglich die Pflicht zu einer – allgemeinen
oder standortbezogenen – Vorprüfung des Einzelfalls. Im Falle der auch als „Scree-
ning“ bezeichneten Vorprüfung entscheidet die zuständige Behörde aufgrund einer
überschlägigen Prüfung, ob das konkrete Vorhaben erhebliche nachteilige Aus-
wirkungen auf die Umwelt haben kann und daher eine vollständige Umweltver-
träglichkeitsprüfung erforderlich erscheint.
Tabelle 3.2 veranschaulicht, wann insbesondere für Biogasanlagen eine Pflicht zur
Durchführung einer UVP – jedenfalls in Form einer Vorprüfung – in Betracht kommt.

Vereinfachtes Verfahren
Bei genehmigungspflichtigen Anlagen, die nur in Spalte 2 des Anhangs zur
4. BImSchV aufgeführt sind, wird von einem geringeren Gefährdungspotential aus-
gegangen, so dass gemäß § 19 BImSchG die Genehmigungserteilung im verein-
fachten Verfahren möglich ist.
Das vereinfachte Verfahren unterscheidet sich insbesondere darin vom förmlichen
Verfahren, dass es keine Öffentlichkeitsbeteiligung beinhaltet. Die Frist, die der
Behörde nach Vorliegen der vollständigen Antragsunterlagen zur Entscheidung
über die Genehmigungserteilung zur Verfügung steht, beträgt im vereinfachten
Verfahren nur drei Monate (statt sieben Monaten im förmlichen Verfahren). Dies
führt dazu, dass das vereinfachte Verfahren gegenüber dem förmlichen Verfahren
deutlich kürzer und weniger aufwändig ist.
Trotz der zu begrüßenden Verfahrensbeschleunigung birgt das vereinfachte Ver-
fahren allerdings auch Nachteile für den künftigen Anlagenbetreiber. Dem Vorteil
der Verfahrensbeschleunigung steht insbesondere die geringere Rechtssicherheit
des Antragstellers gegenüber Einwendungen privater Dritter entgegen. Da im
vereinfachten Verfahren keine formalisierte Öffentlichkeitsbeteiligung durch-
geführt wird, tritt im vereinfachten Verfahren auch keine Präklusionswirkung ein.
Betroffene Dritte können ihre Einwendungen hier daher auch erst nach Abschluss
des Genehmigungsverfahrens geltend machen, indem sie Rechtsmittel gegen die
Erteilung der Genehmigung einlegen.

Konzentrationswirkung
Sowohl im förmlichen als auch im vereinfachten Verfahren kommt der immissions-
schutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 13 BImSchG eine sog. Konzentrations-
wirkung zu. Dies bedeutet, dass die Genehmigung andere die Anlage betreffende
behördliche Entscheidungen – etwa die Baugenehmigung – mit einschließt. Der
Antragsteller muss somit keinen zusätzlichen Genehmigungsantrag bei der Bauauf-
sichtsbehörde stellen. Dieser Behörde wird im Genehmigungsverfahren gemäß § 10
Abs. 5 BImSchG i. V. m. § 11 der 9. BImSchV lediglich die Möglichkeit gegeben,
zu dem Vorhaben Stellung zu nehmen.
Nicht von dieser Konzentrationswirkung erfasst ist hingegen die Erlaubnis oder
Bewilligung nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG), die für den Fall benötigt
wird, dass im Zuge des Betriebs der Biogasanlage Gewässer benutzt werden sollen,
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 57

Tab. 3.2 Pflicht zur Durchführung einer UVP


Anlage 1 zum UVPG Pflicht zur Durchführung einer UVP
Feuerungswärmeleistung einer ≥ 200 MW: UVP-Pflicht
zum Zwecke der Stromerzeugung ≥ 50 MW: allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls
mit dem erzeugten Biogas betrie- ≥ 1 MW: standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls
benen Gasturbine (Nr. 1.1.1, 1.1.2,
1.1.4 bzw. 1.5.2)
Anlagen zur biologischen Behan- ≥ 10 t Durchsatzleistung pro Tag: UVP-Pflicht
dlung von gefährlichen Abfällen ≥ 1 t Durchsatzleistung pro Tag: standortbezogene Vorprü-
(Nr. 8.3.1 bzw. 8.3.2) fung des Einzelfalls
Anlagen zur biologischen Behand- ≥ 50 t Durchsatzleistung pro Tag: allgemeine Vorprüfung
lung von nicht gefährlichen Abfäl- des Einzelfalls
len (Nr. 8.4.1 bzw. 8.4.2) ≥ 10 t Durchsatzleistung pro Tag: standortbezogene Vor-
prüfung des Einzelfalls

etwa durch eine Entnahme von Wasser oder das Einbringen oder Einleiten von
Stoffen in Gewässer (s. dazu §§ 8 und 9 WHG).

Änderungen
Sollen bereits bestehende Biogasanlagen bloß geändert werden, hängt die immis-
sionsschutzrechtliche Genehmigungspflichtigkeit davon ab, ob es sich um eine
wesentliche Änderung handelt.
Wesentliche Änderungen bedürfen einer Änderungsgenehmigung nach
§ 16 BImSchG. Diese kann entweder im förmlichen oder im vereinfachten
Genehmigungsverfahren entsprechend den oben dargestellten Voraussetzungen
ergehen.
Andernfalls ist die Änderung gemäß § 15 BImSchG lediglich der zuständigen
Behörde spätestens einen Monat vor der geplanten Änderungsmaßnahme schriftlich
anzuzeigen. Die Behörde prüft sodann binnen eines Monats, ob die Änderung
wesentlich ist. Verneint sie dies, gibt sie die verbindliche Erklärung ab, dass für
die angezeigte Änderung keine Genehmigung erforderlich ist (sog. Freistellungs-
erklärung). Äußert die Behörde sich binnen eines Monats nach Eingang der Anzeige
nicht, so hat auch dies die Wirkungen einer Freistellungserklärung.
Der Freistellungserklärung kommt jedoch keine Konzentrationswirkung zu.
Sofern für das Vorhaben andere Zulassungen – z. B. eine Baugenehmigung –
notwendig sind, müssen diese somit eingeholt werden.

Baurechtliche Genehmigung
Sofern die Anlage nicht der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht
unterfällt, ist in der Regel eine Baugenehmigung nach der Landesbauordnung des
jeweiligen Bundeslandes zu beantragen. Die Baugenehmigung weist keine Kon-
zentrationswirkung auf. Die übliche Verfahrensdauer für ein Baugenehmigungsver-
fahren beträgt circa zwei bis fünf Monate.
58 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Wasserrechtliche Genehmigung
Nicht von der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Geneh-
migung umfasst werden die wasserrechtlichen Erlaubnisse und Bewilligungen.
Diese sind daher, soweit sie benötigt werden, immer eigenständig zu beantragen.
Eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung ist insbesondere dann
erforderlich, soweit eine Gewässerbenutzung i. S. d. WHG stattfindet (s. dazu §§ 8
und 9 WHG). Dies ist beispielsweise bei der Einleitung von Abwasser (etwa des
auf den Silagelagerflächen anfallenden Regenwassers) in ein Oberflächengewässer
der Fall.

3.1.1.3 Rechtliche Anforderungen an die Anlage


Ungeachtet der Frage, in welchem Verfahren die Genehmigung für die geplante
Biogasanlage zu erteilen ist, muss die Anlage den materiell-rechtlichen Anfor-
derungen sämtlicher einschlägiger Rechtsgebiete genügen.
Diese Anforderungen ergeben sich in erster Linie aus dem Immissionsschutz-
recht und dem Baurecht. Daneben kommen jedoch auch andere Anforderungen,
etwa aus dem Abfall-, Düngemittel- oder Veterinärrecht in Betracht.
Von zentraler Bedeutung für die Genehmigungsfähigkeit der Anlage ist dabei
die Wahl eines geeigneten Standortes. Während eine in einem gewissen Umfang
geruchs- und lärmemittierende Biogasanlage an einem bestimmten Standort
zulässig sein kann, kann sich ein und dieselbe Anlage an einem anderen Stand-
ort als unzulässig erweisen, etwa weil dieser Standort deutlich näher an schutz-
bedürftigen Nutzungen (wie z. B. Wohngebieten) gelegen ist, so dass sich für die
dortigen Anwohner unzumutbare Belästigungen ergeben. Ist bereits der Standort
– etwa aus bauplanungs- oder immissionsschutzrechtlichen Gründen – nicht für die
Errichtung einer Biogasanlage der geplanten Größe und Beschaffenheit geeignet,
wird das Projekt mit hoher Sicherheit zum Scheitern verurteilt sein.

Immissionsschutzrechtliche Anforderungen
Immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtige Biogasanlagen müssen gemäß
§ 5 Abs. 1 BImSchG insbesondere so errichtet und betrieben werden, dass
1. schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile
und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht
hervorgerufen werden können;
2. Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erheb-
liche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch
die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen.
Auch Anlagen, die keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht
unterliegen, sind gemäß § 22 Abs. 1 BImSchG so zu errichten und zu betreiben,
dass schädliche Umwelteinwirkungen, die nach dem Stand der Technik vermeid-
bar sind, verhindert und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche
Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
Als schädliche Umwelteinwirkungen kommen im Falle von Biogasanlagen ins-
besondere Luftverunreinigungen und Lärmbelastungen in Frage.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 59

Luftverunreinigungen
Durch die Vergärung der Biomasse kommt es bei dem Betrieb einer Biogasanlage
häufig in erhöhtem Maße zu Geruchsimmissionen. Da Geruchsimmissionen von den
Anwohnern oft als sehr störend empfunden werden, gibt es in diesem Zusammen-
hang vielfach Klagen von Nachbarn gegen eine erteilte Genehmigung. Für einen
gesicherten Anlagenbetrieb ist es daher unerlässlich, die bestehenden Grenzen
zulässiger Geruchsimmissionen einzuhalten.
Eine allgemein rechtsverbindliche Grenze, ab wann Geruchsimmissionen die
Schwelle der Unzulässigkeit überschreiten, existiert bislang allerdings nicht. Als
Hilfsmittel zur Beurteilung der Geruchsimmissionen wird von Gerichten und
Behörden jedoch regelmäßig die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) heran-
gezogen.
Die GIRL ist zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
nicht rechtlich verbindlich.5 Sie stellt aber eine zulässige Orientierungshilfe für die
Beurteilung der Frage dar, wann eine Geruchsbelästigung als unzumutbar anzu-
sehen ist.
Nach der GIRL liegt eine erhebliche Belästigung vor, wenn die Gesamtbelastung
einen bestimmten Immissionswert erreicht, der in Form der relativen Häufigkeit von
Geruchsstunden angegeben wird. Eine Geruchsstunde liegt vor, wenn in mindestens
10 % der Zeit (dies wären auf 1 h gerechnet also 6 min) Geruchsimmissionen wahr-
nehmbar sind. In Wohngebieten dürfen nicht mehr als 10 % der Stunden eines Jahres
Geruchsstunden sein. In Dorf- und Gewerbegebieten sind die Geruchsstunden auf
15 % der Jahresstunden begrenzt. Die Genehmigung für eine Anlage kann jedoch
auch bei Überschreitung dieser Werte nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt
werden, wenn der von der Anlage zu erwartende zusätzliche Immissionsbeitrag den
Wert von 2 % der Jahresstunden nicht überschreitet (sog. Irrelevanzkriterium).
Bei der Bewertung, ob eine Geruchsbelästigung als erheblich und damit unzu-
lässig anzusehen ist, sind daneben jedoch auch weitere Gesichtspunkte mit in die
Betrachtung einzubeziehen, etwa die Hedonik und Intensität der Geruchswirkung.
So können im Falle von Ekel und Übelkeit auslösenden Gerüchen trotz Einhaltung
der Immissionswerte schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden.
Umgekehrt kann bei Vorliegen eindeutig angenehmer Gerüche trotz Überschreitung
der Immissionswerte das Vorliegen einer erheblichen Belästigung durch Geruchs-
immissionen zu verneinen sein.
In der Praxis ist es üblich, bereits in der Planungsphase für eine Biogasanlage,
also im Vorfeld eines Genehmigungsverfahrens, entsprechende Geruchsgutachten
einzuholen, um möglichst frühzeitig Aufschluss über die Genehmigungsfähigkeit
der Anlage zu erlangen.

Lärmbelastungen
Störender Lärm kann sowohl durch den Betrieb einer Biogasanlage als auch durch
den der Anlage zurechenbaren Zulieferverkehr hervorgerufen werden.

5
BVerwG, Urteil vom 7.5.2007, Az 4 B 5.07.
60 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Wann Anlagenlärm als schädliche Umwelteinwirkung i. S. d. Immissionsschutz-


rechts zu qualifizieren ist, ergibt sich aus der TA Lärm.6 Diese enthält bestimmte
Richtwerte für den Geräuschpegel, die an den betroffenen Immissionsorten grund-
sätzlich nicht überschritten werden dürfen. In reinen Wohngebieten betragen
die Immissionsrichtwerte beispielsweise 50 dB(A) am Tag und 35 dB(A) in der
Nacht. In Kern-, Dorf- und Mischgebieten gilt hingegen ein höherer Richtwert von
60 dB(A) am Tag und 45 dB(A) in der Nacht. Noch höher liegen die Richtwerte in
Gewerbe- und Industriegebieten.
Auch in Bezug auf die zu erwartenden Lärmimmissionen kann sich die Anfer-
tigung eines Schallgutachtens bereits im Vorfeld des Genehmigungsverfahrens als
hilfreich erweisen.
Ein erst seit kurzem stärker in den Vordergrund tretendes Problem stellen
die tieffrequenten Geräusche unterhalb von 90 Hz dar, die bei dem Betrieb von
Biogasanlagen und den zugehörigen Blockheizkraftwerken auftreten können
(vgl. Bayerisches Landesamt für Umwelt 2011).7 Diese insbesondere im Bereich
unter 20 Hz für das menschliche Ohr kaum hörbaren Geräusche, die überwiegend
als Pulsation oder Vibration wahrgenommen werden, können bei Betroffenen
Symptome wie Ohrendruck, Kopfschmerzen, Dröhn- und Schwingungsgefühle im
Kopf, eine Herabsetzung der Atemfrequenz sowie Angstgefühle hervorrufen. Ent-
sprechende Beschwerden ergeben sich auch in Fällen, in denen die Immissions-
richtwerte der TA Lärm nachweisbar eingehalten werden. Die besondere Heraus-
forderung tieffrequenter Geräusche resultiert daraus, dass sie vor Errichtung einer
Anlage mitunter nur schwer prognostiziert werden können. Dadurch verbleibt für
den Anlagenbetreiber gegebenenfalls ein Risiko, dass die Problematik tieffrequenter
Geräusche im Genehmigungsverfahren nicht ausreichend erkannt, sondern erst
nach der Genehmigung und Inbetriebnahme der Biogasanlage offenbar wird. In der-
artigen Fällen bleibt der zuständigen Behörde oft nur die Möglichkeit, eine nach-
trägliche Anordnung nach § 17 BImSchG zu erlassen, um schädlichen Umweltein-
wirkungen durch tieffrequente Geräusche entgegenzutreten.

Vorsorgegrundsatz
Schließlich ist für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen
auch die Vorsorgepflicht zu beachten, die den Betreiber einer Biogasanlage nicht
nur verpflichtet, die Anlage zum Zeitpunkt der Genehmigung nach dem aktuellen
Stand zu errichten, sondern sie auch im Folgenden stets nach dem jeweils aktuellen
Stand der Technik zu betreiben und auf diese Weise Vorsorge gegen schädliche
Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche
Belästigungen zu treffen. Um dieser Pflicht gerecht zu werden, muss ein Betreiber
gegebenenfalls auch Nach- oder Umrüstungsmaßnahmen an der Anlage durch-
führen, sofern die dadurch entstehenden Kosten nicht außer Verhältnis zu dem
erzielbaren Erfolg stehen.

6
Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische
Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm).
7
Ausführlich zur Problematik tieffrequenten Schalls auch Müller-Wiesenhaken und Kubicek,
ZfBR 2011, S. 217 ff.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 61

Baurechtliche Anforderungen
Neben den immissionsschutzrechtlichen Voraussetzungen muss die Biogasanlage
auch den Anforderungen des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts entsprechen.

Bauplanungsrecht
Nach den bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen bestimmt sich, ob die geplante
Anlage an dem gewünschten Standort errichtet werden darf.
Die bauplanungsrechtlichen Anforderungen hängen von dem Bereich ab, in
dem die Anlage errichtet werden soll. Unterschieden wird zwischen Vorhaben im
Geltungsbereich eines Bebauungsplans (§ 30 des Baugesetzbuchs (BauGB)), Vor-
haben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB) und Vor-
haben im Außenbereich (§ 35 BauGB).

Anlagen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans


Bei Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans hängt die bauplanungs-
rechtliche Zulässigkeit einer Biogasanlage von den im Bebauungsplan enthaltenen
Festsetzungen ab. Dabei kommt der Festlegung bestimmter Baugebiete im Sinne
von § 1 Abs. 2 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) besondere Bedeutung zu.
Grundsätzlich kommt eine Zulässigkeit von Biogasanlagen vor allem dort in
Betracht, wo der Bebauungsplan ein Dorfgebiet im Sinne von § 5 BauNVO, ein
Gewerbegebiet im Sinne von § 8 BauNVO oder ein Industriegebiet im Sinne von § 9
BauNVO ausweist. Dabei hängt die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit allerdings
maßgeblich von der Größe und der damit verbundenen Störintensität der konkreten
Anlage ab. Bedarf die Errichtung der Anlage einer nur im förmlichen Verfahren zu
erteilenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, so wird sie üblicherweise
den Rahmen des in einem Dorfgebiet Zulässigen sprengen und möglicherweise nur
in einem ausgewiesenen Industriegebiet zulässig sein. Hier ist jeweils eine sorg-
fältige Einzelfallbetrachtung erforderlich.
Unproblematisch sind Biogasanlagen dort planungsrechtlich zulässig, wo der
Bebauungsplan ausdrücklich ein entsprechendes Sondergebiet festsetzt.8

Anlagen im unbeplanten Innenbereich


Besteht für den geplanten Standort kein Bebauungsplan, ist die nähere Umgebung
jedoch von einer bestimmten, zusammenhängenden Bebauung geprägt, kommt
es nach § 34 BauGB darauf an, ob sich die Biogasanlage nach Art und Maß der
baulichen Nutzung in die in der Umgebung vorhandene Bebauung einfügt. Da
Biogasanlagen je nach Größe und den eingesetzten biologischen Substraten bau-
planungsrechtlich als Annex zu einem landwirtschaftlichen Betrieb, als Gewerbe-
oder als Industrieanlage einzuordnen sein können, ist ihre Errichtung zulässig,
soweit die vorhandene Bebauung einem landwirtschaftlich geprägten Dorfgebiet
bzw. einem Gewerbe- oder Industriegebiet entspricht.

Zur Ausweisung eines Sondergebiets für eine Biogasanlage vgl. etwa OVG Lüneburg,
8

Beschluss vom 4.1.2011, Az. 1 MN 130/10.


62 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Anlagen im Außenbereich
Soll die Biogasanlage im sog. Außenbereich errichtet werden, also sowohl außerhalb
eines Bebauungsplans als auch einer vorhandenen Bebauungsstruktur, hängt die
Beurteilung der Zulässigkeit maßgeblich davon ab, ob es sich um ein privilegiertes
Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB oder ein nicht privilegiertes Vorhaben
im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB handelt.
• Privilegierte Vorhaben
–– In § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB hat der Gesetzgeber einen ausdrücklichen
Privilegierungstatbestand für bestimmte Arten von Biogasanlagen geregelt.
Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor, ist ein Vorhaben stets
zulässig, wenn nicht im Einzelfalle öffentliche Belange entgegenstehen.
–– Die Privilegierung erfasst jedoch nur Anlagen, die – neben weiteren Voraus-
setzungen – im Zusammenhang mit einem land- oder forstwirtschaftlichen
Betrieb stehen, bei denen die Biomasse überwiegend aus diesem Betrieb oder
überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben stammt und die
Feuerungswärmeleistung der Anlage nicht 2,0 MW bzw. die Kapazität der
Biogaserzeugungsanlage nicht 2,3 Mio. Nm³ Biogas pro Jahr überschreitet.
Die Möglichkeit einer privilegierten Errichtung im Außenbereich gilt dem-
nach allenfalls für eher kleinere Biogasanlagen.
• Nicht privilegierte Vorhaben
–– Von einer Bebauung mit nicht privilegierten Vorhaben ist der Außenbereich
grundsätzlich freizuhalten. Ist eine Biogasanlage nicht als privilegiertes Vor-
haben im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB einzustufen, kann sie gemäß § 35
Abs. 2 BauGB nur zugelassen werden, wenn öffentliche Belange, etwa solche
des Natur- und Landschaftsschutzes, nicht beeinträchtigt werden. Erfahrungs-
gemäß ergibt sich aber meist, dass öffentliche Belange negativ berührt und
damit die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Anlage im Außenbereich
nicht gegeben sind.
–– In derartigen Fällen bleibt für Vorhabenträger im Grunde nur die Möglichkeit,
auf die Aufstellung eines Bebauungsplans durch die zuständige Gemeinde
hinzuwirken, durch den die Errichtung von Biogasanlagen in dem betroffenen
Gebiet ausdrücklich für zulässig erklärt wird.

Bauordnungsrecht
Die bauordnungsrechtlichen Anforderungen ergeben sich aus der Landesgesetz-
gebung. Die jeweiligen Landesbauordnungen enthalten regelmäßig Vorgaben
etwa zu den einzuhaltenden Abstandsflächen, zum Brandschutz sowie zur Arbeits-
sicherheit. In den meisten Fällen werden diese Vorgaben nicht der Errichtung einer
Biogasanlage entgegenstehen, da oftmals eine entsprechende Anpassung der Anlage
an die Vorgaben möglich ist.

Weitere Anforderungen
Neben den Anforderungen des Immissionsschutzrechts und des öffentlichen Bau-
rechts prüft die Genehmigungsbehörde gegebenenfalls auch, ob die sonstigen
öffentlich-rechtlichen Vorgaben eingehalten sind. Inwieweit weitere Anforderungen
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 63

zu beachten sind, richtet sich insbesondere nach der konkreten Ausgestaltung der
geplanten Biogasanlage und den eingesetzten Substraten. Relevante Bestimmungen
können in diesem Zusammenhang etwa die Regelungen des Abfallrechts, des
Düngemittelrechts oder des Veterinärrechts sein.

Abfallrecht
Abfallrechtliche Vorgaben ergeben sich aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz
(KrWG) sowie den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen. Ob eine Biogasanlage
in Bezug auf die Einsatzstoffe den Anforderungen des Abfallrechts unterliegt,
ist abhängig von den eingesetzten Substraten. Werden beispielsweise Bioabfälle
pflanzlicher oder tierischer Herkunft eingesetzt9, sind die Bestimmungen der Bio-
abfallverordnung (BioAbfV) zu beachten, etwa die Verpflichtung gemäß § 3 Abs. 4
BioAbfV, Untersuchungen am Gärrückstand durchführen zu lassen.

Einsatz als Dünger.


Im Falle der Verwertung der Gärreste als Dünger können beispielsweise die Vor-
gaben aus der Düngeverordnung (DüV) sowie der Düngemittelverordnung (DüMV)
zu beachten sein.

Veterinärrechtliche Anforderungen
Wenn in der Biogasanlage tierische Nebenprodukte wie beispielsweise Gülle,
Festmist oder Hühnertrockenkot eingesetzt werden sollen, ergeben sich schließ-
lich auch aus der Verordnung (EG) Nr. 1774/200210, der Tierische Nebenprodukte-
Beseitigungsverordnung (TierNebV) und der Verordnung (EG) Nr. 181/200611
zusätzliche Anforderungen. Bestimmte tierische Nebenprodukte, die in Art. 4 der
Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 als besonders riskant eingestuft werden (beispiels-
weise Tiermaterial mit hohem seuchenhygienischem Risiko oder von Versuchs-
tieren), dürfen in keinem Fall in Biogasanlagen verwendet werden.

3.1.1.4 Folgen eines illegalen Anlagenbetriebes


Ein illegaler Anlagenbetrieb liegt nicht nur dann vor, wenn die Biogasanlage
ohne die erforderliche(n) Genehmigung(en) betrieben wird. Erfasst wird vielmehr
auch der Fall, dass die Biogasanlage anders errichtet oder betrieben wird, als der
Genehmigungsbescheid und die genehmigten Baupläne es vorsehen. Eine solche
Abweichung liegt beispielsweise schon dann vor, wenn mehr oder andere Einsatz-
stoffe eingebracht werden als genehmigt.

9
Welche Abfälle unter die BioAbfV fallen, richtet sich nach Anhang 1 der Verordnung (z. B.
Gülle, Mist, Fettabfälle).
10
Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.10.2002
mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Neben-
produkte, in: ABl. EG 2002, L 273/1.
11
Verordnung (EG) Nr. 181/2006 der Kommission vom 1.2.2006 zur Durchführung der Verord-
nung (EG) Nr. 1774/2002 hinsichtlich anderer organischer Düngemittel und Bodenverbesserungs-
mittel als Gülle sowie zur Änderung der genannten Verordnung, in: ABl. EU 2006, L 29/31.
64 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Im Falle eines illegalen Anlagenbetriebs kann die zuständige Behörde hiergegen


einschreiten, sei es durch eine Nutzungsuntersagung, nachträgliche Auflagen oder
im äußersten Falle gar durch eine Abrissverfügung. Im Übrigen kann ein illegaler
Anlagenbetrieb auch strafrechtliche Relevanz haben.

3.1.1.5 Rechtsschutz im Genehmigungsverfahren


Eine wichtige Bedeutung kommt auch dem möglichen Rechtsschutz im
Genehmigungsverfahren zu. Zu unterscheiden ist dabei zwischen den Rechtsschutz-
möglichkeiten des Vorhabenträgers einerseits und potentieller Drittbetroffener
andererseits.

Rechtsschutzmöglichkeiten für den Anlagenbetreiber


Für den Anlagenbetreiber kann sich ein Bedürfnis nach Rechtsschutz in zwei Fällen
ergeben:
Wird die Erteilung einer beantragten Genehmigung vollumfänglich versagt,
kann der Vorhabenträger Klage auf Erteilung der Genehmigung vor dem jeweiligen
Verwaltungsgericht erheben. Gegebenenfalls ist der Klage nach dem jeweiligen
Landesrecht ein Widerspruchsverfahren vorgeschaltet. Die sog. Verpflichtungs-
klage wird in der Regel Erfolg haben, wenn der Kläger nachweisen kann, dass die
Anlagenerrichtung und ihr Betrieb in Einklang mit den rechtlichen Anforderungen
erfolgen. In diesem Falle hat der Antragsteller grundsätzlich einen gebundenen
Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung.
Wird die Genehmigung unter Auflagen erteilt, steht es dem Anlagenbetreiber
offen, im Wege der Anfechtungsklage nur gegen die mit der Genehmigung ver-
bundenen Auflagen vorzugehen.

Rechtsschutzmöglichkeiten für Drittbetroffene


Ein Großteil der Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Errichtung und
dem Betrieb von Biogasanlagen betrifft sog. Nachbarklagen. Oftmals lehnen
betroffene Anwohner eine Biogasanlage wegen der befürchteten Immissionen in
ihrer Nachbarschaft ab und legen Widerspruch oder Anfechtungsklage gegen die
dem Anlagenbetreiber erteilte Genehmigung ein.
Die Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Nachbarn hängen dabei auch
von der immissionsschutzrechtlichen Verfahrensart ab. Im Falle des förmlichen Ver-
fahrens können grundsätzlich nur diejenigen Personen Anfechtungsklage erheben,
die bereits im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung schriftlich Einwendung gegen
das Vorhaben erhoben haben. Andere Betroffene sind nach § 10 Abs. 3 Satz 5
BImSchG präkludiert. Wurde hingegen nur ein vereinfachtes oder gar kein immis-
sionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt, steht grundsätzlich
allen Betroffenen der Klageweg offen.
Anwohner sind jedoch nur dann klagebefugt, wenn die Möglichkeit besteht,
dass die Errichtung und der Betrieb der Biogasanlage sog. nachbarschützende Vor-
schriften verletzt, die speziell ihrem Schutz dienen. Dies ist beispielsweise der Fall,
wenn einem Nachbarn erhebliche Lärm- oder Geruchsimmissionen drohen, die die
Schwelle des nach den einschlägigen Regelungen (wie etwa der TA Lärm oder der
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 65

GIRL) Zumutbaren überschreiten. Nicht rügen kann der Nachbar dagegen z. B.,
dass einer Anlage die nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB erforderliche Privilegierung
fehle, weil die Biomasse nicht überwiegend aus dem eigenen Betrieb des Anlagen-
betreibers stamme.12 Denn hierbei handelt es sich um eine allgemeine, bauplanungs-
rechtliche Anforderung, die nicht (zumindest auch) den Schutz der Nachbarschaft
bezweckt.
Die Klage eines Drittbetroffenen gegen eine nach Immissionsschutzrecht erteilte
Genehmigung hat gemäß § 80 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, dass der Anlagenbetreiber die Genehmigung
nicht vollziehen, also nicht mit dem Bau und dem Betrieb der Biogasanlage
anfangen darf. Möchte er lange Verzögerungen vermeiden, bleibt dem Anlagen-
betreiber in diesem Falle zwar die Möglichkeit, im Wege des einstweiligen Rechts-
schutzes eine Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zu beantragen. Der Antrag
ist zunächst gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO an die zuständige Behörde zu richten,
bevor gegebenenfalls nach § 80a Abs. 3 VwGO das zuständige Verwaltungsgericht
angerufen werden kann.13 Hat der Antrag Erfolg, kann der Anlagenbetreiber trotz
des laufenden Rechtsstreits mit dem Bau und dem Betrieb der Anlage beginnen. Es
besteht in diesem Falle allerdings die Gefahr, dass sich (erst) am Ende des Rechts-
streits herausstellt, dass die Errichtung der Biogasanlage rechtlich nicht zulässig
war und die Genehmigung nicht hätte ergehen dürfen. Wird die angefochtene
Genehmigung im Rahmen des Rechtsstreits aufgehoben, ist die bereits errichtete
Anlage grundsätzlich zurückzubauen, so dass der Anlagenbetreiber hier ein nicht
unerhebliches Risiko eingeht.

3.1.1.6 Zusammenfassung
Im Rahmen der Errichtung und des Betriebs von Biogasanlagen sind zahlreiche
Anforderungen des öffentlichen Rechts zu beachten. Nur eine sorgfältige Planung
und Vorbereitung des Genehmigungsverfahrens ermöglichen es, die begehrte
Genehmigung erfolgreich und ohne Verzögerung zu erlangen und die geplante
Biogasanlage rechtssicher errichten und betreiben zu können.

3.1.2 Zugang zum Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetz

Die Rahmenbedingungen für den Zugang zum Elektrizitäts- und Gasversorgungs-


netz richten sich, soweit es den Zugang zum Stromversorgungsnetz betrifft, nach
dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).14 Hinsichtlich des Gasnetzzugangs
regelt das EEG jedoch nichts. Insoweit ist deshalb auf die allgemeineren Rege-
lungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und der Gasnetzzugangsverord-
nung (GasNZV) zurückzugreifen.

12
OVG Koblenz, Urteil vom 7.10.2009, Az. 1 A 10872/07.
13
So jedenfalls OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.04.2010, Az. 1 ME 22/10.
14
Grundlage der Darstellung ist das Erneuerbare Energien Gesetz in der ab dem 1.1.2012 gel-
tenden Fassung.
66 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

3.1.2.1 Anschluss an das Elektrizitätsversorgungsnetz


Netzbetreiber sind verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren
Energien unverzüglich vorrangig an ihr Netz anzuschließen (§ 5 Abs. 1 EEG).

Gesetzlicher Anspruch auf Netzanschluss


Die Anschlusspflicht sowie deren Voraussetzungen sind in § 5 EEG geregelt. Ver-
pflichtet zum Netzanschluss sind Netzbetreiber, d. h. Betreiber von Netzen aller
Spannungsebenen für die allgemeine Versorgung mit Elektrizität (§ 3 Nr. 8 EEG).
Der Kreis der anzuschließenden Anlagen umfasst solche zur Erzeugung von Strom
aus erneuerbaren Energien i. S. d. EEG.

Vorrangiger und unverzüglicher Netzanschluss


Der Netzanschluss ist vorrangig und unverzüglich vorzunehmen. Netzbetreiber
müssen die Anlagen also „ohne schuldhaftes Zögern“ anschließen. Geschieht
dies nicht und hat der Netzbetreiber dies zu vertreten, kann daraus ein Schadens-
ersatzanspruch des Anlagenbetreibers gegen den Netzbetreiber nach § 280 BGB
resultieren.
Aus dem Merkmal „vorrangig“ ergibt sich, dass der Netzbetreiber Prioritäten
setzen muss, wenn mehrere Erzeugungsanlagen gleichzeitig den Anschluss an sein
Netz begehren. Anlagen, die Strom aus konventionellen Energien erzeugen, müssen
auf Grund dieser klaren gesetzlichen Regel zu Gunsten der erneuerbaren Energie
zurückstehen.

Gesetzliche Bestimmung des Verknüpfungspunktes


Der Netzbetreiber ist nach § 5 Abs. 1 EEG verpflichtet, die Anlage an dem Punkt an
das Netz anzuschließen, der
1. in der Luftlinie die kürzeste Distanz zu der Anlage aufweist und
2. im Hinblick auf die Spannungsebene geeignet ist,
3. wenn nicht ein anderes Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Ver-
knüpfungspunkt aufweist.
Kürzeste Distanz zur Anlage: Ausgangspunkt der Suche nach dem Ver-
knüpfungspunkt ist vom Wortlaut des Gesetzes zunächst das geografisch nächst-
gelegene Netz. Maßgeblich ist die „in der Luftlinie kürzeste Entfernung zum
Standort der Anlage“. Es kommt also nicht auf die Wegstrecke einer ordnungs-
gemäß verlegten Direktleitung an. Das Gesetz vermutet die Eignung eines Netzes
am in der Luftlinie nächstgelegenen Verknüpfungspunkt. Um die Vermutung zu
widerlegen, muss der Betreiber des betroffenen Netzes darlegen und ggf. beweisen,
dass sein Netz oder der Verknüpfungspunkt technisch ungeeignet ist. Damit enden
die Pflichten des in Anspruch genommenen Netzbetreibers aber nicht, denn er muss
zusätzlich einen technisch geeigneten Anschlusspunkt benennen. Ein lediglich all-
gemeiner Verweis auf ein anderes Netz ist damit nicht zulässig.
Eignung der Spannungsebene: Die Beurteilung der Frage, ob ein Netz tech-
nisch geeignet ist, Strom aus EEG-Anlagen aufzunehmen, orientiert sich wegen des
eindeutigen Gesetzeswortlauts anhand der Spannungsebene. Ob im entsprechenden
Netz die erforderliche Kapazität zur Aufnahme des Stroms vorhanden ist, tritt
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 67

dagegen nach dem Willen des Gesetzgebers in den Hintergrund. Der Netzbetreiber
ist aufgrund ausdrücklicher Anordnung auch dann zum Anschluss der Anlage ver-
pflichtet, wenn die Abnahme des Stroms erst durch eine wirtschaftlich zumutbare
Kapazitätserweiterung des Netzes möglich wird (§ 5 Abs. 4 EEG).
Gegebenenfalls muss der erzeugte Strom noch auf die Spannungsebene des
Netzes herauf transformiert werden, so dass die technische Eignung der Spannungs-
ebene ggf. durch Transformation hergestellt werden kann.
Gesetzliche Vermutung für Kleinanlagen: Der Gesetzgeber wollte verhindern,
dass überlange Anschlusswege und damit verbundene erhöhte Anschlusskosten
für Kleinanlagen zum Investitionshindernis werden. Er hat deshalb für Anlagen
bis 30 kW installierter Leistung, die sich auf einem Grundstück mit bestehendem
Netzanschluss befinden, unwiderleglich vermutet, dass der Verknüpfungspunkt des
Grundstückes mit dem Netz (Hausanschluss) der günstigste ist (§ 5 Abs. 1 Satz 2
EEG).
Wirtschaftlich günstigster Verknüpfungspunkt: Da die kürzeste Entfernung
aber nicht unbedingt die wirtschaftlich günstigste Lösung darstellen muss, kann
die geografische Entfernung nicht maßgeblich sein, wenn ein Anschluss an einem
anderen Verknüpfungspunkt desselben oder eines anderen Netzes mit geringeren
volkswirtschaftlichen Gesamtkosten verbunden ist.15 Dahinter steht das Anliegen
des Gesetzgebers, volkswirtschaftlich unsinnige Kosten zu vermeiden. Allerdings
ist der in Anspruch genommene Netzbetreiber insoweit darlegungs- und beweis-
pflichtig. Er muss belegen können, dass der Anschluss an einem anderen Ver-
knüpfungspunkt im selben Netz oder einem anderen Netz gesamtwirtschaftlich
geringere Kosten verursacht.
Maßgeblich ist ein gesamtwirtschaftlicher Kostenvergleich, der losgelöst von
der Kostentragungspflicht der Parteien vorzunehmen ist. Es kommt auf die Summe
der Kosten für die tatsächliche Verbindung der konkreten Anlage mit dem Netz und
den Kosten einer ggf. notwendigen Netzverstärkung an. Stehen mehrere Anschluss-
varianten zur Diskussion, sind die jeweils anzusetzenden Gesamtkosten aus Netz-
anschluss und Netzverstärkung zu ermitteln und sodann miteinander zu vergleichen.

Abweichender Anschlusspunkt
Das EEG sieht zwei Fälle vor, in denen der tatsächliche Anschlusspunkt von dem
gesetzlich vorgesehenen abweichen kann. Zunächst kann der Anlagenbetreibers,
einen anderen Verknüpfungspunkt als den gesetzlichen wählen (§ 5 Abs. 2 EEG).
Der Netzbetreiber kann seinerseits der Anlage einen anderen Verknüpfungspunkt
zuweisen (§ 5 Abs. 3 EEG).

Wahlrecht des Anlagenbetreibers


Die Motive für die Ausübung des Wahlrechts durch den Anlagenbetreiber können
vielfältig sein. In Betracht kommt etwa die Hoffnung auf günstigere Netzentgelte
für den späteren Eigenbedarfsbezug. Vorherrschend wird jedoch der Wille sein,
abweichend vom gesamtwirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt wieder zum

15
S. insbesondere BGH NVwZ-RR 2009, 104, 105; BGH NJW-RR 2007, 1645.
68 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

per Luftlinie kürzesten Verknüpfungspunkt mit dem Netz zurückzukehren und auf
diese Weise Anschlusskosten zu sparen (vgl. § 13 Abs. 1 EEG).
Die Beantwortung der Frage hängt maßgeblich davon ab, worauf sich der Begriff
des „anderen Verknüpfungspunktes“ bezieht. Viel spricht dafür, dass dies ein wei-
terer Punkt neben dem geografisch nächsten und dem gesamtwirtschaftlich güns-
tigsten sein muss. Der Gesetzgeber wollte dem Anlagenbetreiber kein völlig freies
Wahlrecht hinsichtlich des Anschlusspunktes geben. Andernfalls hätte es nicht
einer vorrangigen gesamtwirtschaftlichen Betrachtung im Rahmen des § 5 Abs. 1
EEG und der vom Gesetzgeber beabsichtigten Weitergeltung der dazu entwickelten
Rechtsprechung bedurft.

Zuweisung des Anschlusspunktes durch den Netzbetreiber


Dem Netzbetreiber steht wegen seines Zuweisungsrechts faktisch das Letztent-
scheidungsrecht über den Ort des Netzanschlusses zu. Dieser bestimmte Ver-
knüpfungspunkt muss für die Anlagenbetreibenden noch immer zumutbar sein,
d. h. insbesondere technisch und genehmigungsrechtlich erreichbar sein und für den
Netzbetreiber zu einer effizienteren Netzkonfiguration führen. Andernfalls wäre die
Zuweisung des Verknüpfungspunkts rechtsmissbräuchlich.
Dieses Zuweisungsrecht gilt ferner nur unter der Voraussetzung, dass der Strom
aus der betroffenen Anlage über den zugewiesenen Verknüpfungspunkt auch
tatsächlich abgenommen werden kann. Daher darf der Netzbetreiber insbesondere
keinen Verknüpfungspunkt zuweisen, an dem voraussichtlich Maßnahmen des Ein-
speisemanagements oder ähnliche Maßnahmen durchgeführt werden müssen.16
Zu beachten ist ferner, dass die Zuweisung des alternativen Netzanschlusses
dem Anlagenbetreiber auch im Hinblick auf die Netzanschlusskosten keine Nach-
teile zufügen darf. § 13 Abs. 2 EEG stellt deshalb klar, dass der Netzbetreiber
die resultierenden Mehrkosten selbst zu tragen hat. Im Ergebnis ist der Anlagen-
betreiber also so zu stellen, als wäre der Anschluss am wirtschaftlich günstigsten
Punkt erfolgt.

Ablauf des Netzanschlussverfahrens


Um einen Netzanschlussprozess zu eröffnen, bedarf es eines Netzanschlussbegeh-
rens seitens des (künftigen) Anlagenbetreibers.

Zeitpunkt zur Geltendmachung des Anspruchs


Anlagenbetreiber haben ein elementares Interesse daran, die Verbindung zwischen
ihrer Anlage mit dem Elektrizitätsversorgungsnetz bis zur Inbetriebnahme ihrer
Anlage herzustellen. Dies erfordert jedoch einen gewissen zeitlichen Vorlauf für
den Netzbetreiber, um notwendige Baumaßnahmen vorzunehmen und ggf. Trassen
zu sichern.
Der Gesetzgeber betont daher zu Gunsten des Anlagenbetreibers, dass der
Anspruch auf Anschluss der Anlage auch schon vor Errichtung der Anlage geltend

16
Gesetzesbegründung zum EEG 2009, BT-Drs. 16/8184, S. 41.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 69

gemacht werden kann.17 Dies ergibt sich aus dem Sinn der Regelung, den Anschluss
sicherzustellen. Könnte der Anspruch erst nach Errichtung der Anlage geltend
gemacht werden, würde sich ein deutliches Investitionshemmnis ergeben. Anlagen-
betreibende könnten vor Errichtung der Anlage nicht feststellen, ob ihre Anlage an
diesem Standort auch angeschlossen werden kann und sähen sich so einem Risiko
gegenüber, das die Finanzierung des Projekts gefährden würde.
Dies führt zu einem Interessenkonflikt zwischen Anlagen- und Netzbetreiber.
Während Anlagenbetreiber darauf drängen, die Arbeiten am Netzanschluss so früh
wie möglich zu beginnen, um eine zeitgerechte Einspeisung nicht zu gefährden,
werden Netzbetreiber zunächst ein gewisses Maß an Sicherheit dafür anstreben,
dass die anzuschließende Anlage auch tatsächlich gebaut wird.

Informationsansprüche und Informationspflichten


Netzbetreiber sind verpflichtet, dem Einspeisewilligen nach Eingang eines Netz-
anschlussbegehrens unverzüglich einen genauen Zeitplan für die Bearbeitung des
Netzanschlussbegehrens zu übermitteln (§ 5 Abs. 5 EEG).18 In diesem Zeitplan ist
anzugeben:
• in welchen Arbeitsschritten das Netzanschlussbegehren bearbeitet wird und
• welche Informationen der Einspeisewillige aus seinem Verantwortungsbereich
an den Netzbetreiber zu übermitteln hat, damit dieser den Verknüpfungspunkt
ermitteln oder ihre Planungen für einen eventuellen Netzausbau nach § 9 EEG
durchführen kann.
Liegen die vom Netzbetreiber angeforderten Informationen des Einspeisewil-
ligen vor, hat der Netzbetreiber unverzüglich, spätestens aber innerhalb von acht
Wochen, weitere Informationen und Daten an den Einspeisewilligen zu übermitteln
(§ 5 Abs. 6 EEG):19
• einen Zeitplan für die unverzügliche Herstellung des Netzanschlusses mit allen
erforderlichen Arbeitsschritten,
• alle Informationen, die der Einspeisewillige für die Prüfung des Verknüpfungs-
punktes benötigt, sowie auf Antrag die für eine Netzverträglichkeitsprüfung
erforderlichen Netzdaten,
• einen nachvollziehbaren und detaillierten Voranschlag der Kosten, die dem
Anlagenbetreiber durch den Netzanschluss entstehen; dieser Kostenvoranschlag
umfasst nur die Kosten, die durch die technische Herstellung des Netzanschlusses
entstehen und insbesondere nicht die Kosten für die Gestattung der Nutzung
fremder Grundstücke für die Verlegung der Netzanschlussleitung.

Anschlusserrichtung
Anlagenbetreiber sind berechtigt, den Anschluss der Anlagen sowie die Einrichtung
und den Betrieb von Messeinrichtungen einschließlich der Messung vom Netz-
betreiber oder einer fachkundigen dritten Person vornehmen zu lassen (§ 7 Abs. 1

17
Gesetzesbegründung zum EEG 2009, BT-Drs. 16/8184, S. 41.
18
Bandelow, in: Gabler/Metzenhein, Praxiskommentar EEG, § 5, Rn. 38 ff.
19
Bandelow, in: Gabler/Metzenhein, Praxiskommentar EEG, § 5, Rn. 41 ff.
70 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

EEG). Der Anlagenbetreiber verfügt hinsichtlich der Anschlusserrichtung also über


ein Wahlrecht. Er ist für die Errichtung der Anschlussleitung nicht auf den Netz-
betreiber angewiesen, sondern kann für sich selbst entscheiden, wer ihm die wirt-
schaftlichste Lösung anbietet.
Dass der Netzbetreiber bereits einen Kostenvorschlag erbracht hat, bindet den
Anlagenbetreiber nicht (§ 5 Abs. 6 Satz 2 EEG). Gerade bei kleineren Anlagen
wird aber dem Netzbetreiber häufig die Errichtung des Anschlusses, d. h. Verlegung
der Anschlussleitung und Einbindung der Anlage in das entsprechende Netz, über-
lassen.
Auch wenn Verträge für den Netzanschluss und die spätere Einspeisung des
erzeugten Stroms vom Netzbetreiber nicht verlangt werden dürfen (§ 4 Abs. 1
EEG), dürften gegen vertragliche Vereinbarungen zur Anschlusserrichtung keine
erheblichen Bedenken bestehen. Auch ein Dritter würde den Anschluss wohl
kaum ohne den Abschluss eines entsprechenden Werkvertrages errichten. Für die
Errichtung durch den Netzbetreiber kann deshalb nichts anderes gelten.

Einhaltung der technischen Vorgaben an die Biogasanlage


Anlagenbetreiber müssen ihre Anlagen mit einer installierten Leistung von über
100 kW mit technischen Einrichtungen ausstatten, mit denen der Netzbetreiber
jederzeit die Einspeiseleistung bei Netzüberlastung ferngesteuert reduzieren und
die jeweilige Ist-Einspeisung abrufen kann (§ 6 Abs. 1 EEG). Das Vorhandensein
entsprechender Mess- und Regeleinrichtungen ist Voraussetzung, um die Anlagen
in das Einspeisemanagement nach § 11 EEG einzubeziehen.
Gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist der Fall, dass eine Anlage in eine
zentrale Steuerung eingebunden ist. Der Gesetzgeber weist in der entsprechenden
Begründung jedoch darauf hin, dass den gesetzlichen Anforderungen an tech-
nische Einrichtungen zur Regelung der jeweiligen Anlage Genüge getan ist, wenn
die Anlage aus einer ständig, d. h. rund um die Uhr, besetzten Leitwarte betrieben
wird und die automatisierte Übertragung eines Signals des Netzbetreibers in die
Leitwarte sichergestellt ist, auf Basis dessen das Personal der Leitwarte dann die
Leistung der Anlage zu reduzieren hat.20
Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Biogas müssen darüber hinaus nach § 6
Abs. 4 EEG sicherstellen, dass bei der Erzeugung des Biogases
• ein neu zu errichtendes Gärrestlager am Standort der Biogaserzeugung technisch
gasdicht abgedeckt ist und die hydraulische Verweilzeit in dem gasdichten und
an eine Gasverwertung angeschlossenen System mindestens 150 Tage beträgt;
dies gilt nur dann nicht, wenn zur Erzeugung des Biogases ausschließlich Gülle
i. S. d. § 2 Satz 1 Nr. 4 des Düngegesetzes (DüngG)21 eingesetzt wird
• und zusätzliche Gasverbrauchseinrichtungen zur Vermeidung einer Freisetzung
von Biogas verwendet werden.

Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 63.


20

„Gülle“ ist demnach Wirtschaftsdünger aus tierischen Ausscheidungen, auch mit geringen
21

Mengen Einstreu oder Futterresten oder Zugabe von Wasser, dessen Trockensubstanzgehalt 15
vom Hundert nicht übersteigt.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 71

Die Einhaltung dieser Pflichten zielt auf die Vermeidung klimaschädlicher


Emissionen und bildet eine zwingende Voraussetzung für die Geltendmachung der
gesetzlich vorgesehenen Mindestvergütung. Werden diese Voraussetzungen nicht
eingehalten, entfällt der Anspruch auf die gesetzliche Mindestvergütung (§ 6 Abs. 6
i. V. m. § 17 Abs. 1 EEG).

Verpflichtung zur Erweiterung der Netzkapazität


Netzbetreiber sind auf Verlangen des Einspeisewilligen verpflichtet, unverzüglich
die Kapazität ihrer Netze entsprechend dem Stand der Technik zu erweitern (§ 9
Abs. 1 EEG). Mit Inkrafttreten des EEG 201222 erstrecken sich diese Ansprüche
auch über die Anschlussnetzebene hinaus auf vorgelagerte Netze mit einer Spannung
bis einschließlich 110 kV, wenn dies erforderlich ist, um die Abnahme, Übertragung
und Verteilung des Stroms sicherzustellen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EEG).

Begriff der Kapazitätserweiterung


Neue Transportkapazitäten sind zunächst durch die Optimierung und die Ver-
stärkung des bestehenden Netzes, d. h. durch den Austausch, die Anpassung und
die Erweiterung von Komponenten sicherzustellen und erst wenn dies nicht mehr
ausreicht, durch den Ausbau des Netzes (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EEG).
Zwischen den einzelnen Elementen einer Kapazitätserweiterung besteht ein
Stufenverhältnis. Netzoptimierung und Verstärkung stellen ein Minus gegenüber
dem Netzausbau dar. Die Netzoptimierung gilt als „mildestes Mittel“ der Kapazitäts-
erweiterung. Erfasst sind solche Maßnahmen, die ohne physischen Eingriff in
bestehende Netzanlagen realisiert werden können und eine bessere Auslastung des
Netzes ermöglichen (z. B. Temperaturleiter-Monitoring). Maßnahmen der Netzver-
stärkung gehen darüber hinaus und umfassen solche Maßnahmen, die vorhandene
Anlagen oder Leitungen durch leistungsfähigere Einheiten ersetzen und damit
zu einer Erhöhung nutzbarer Netzkapazität (und zur Beseitigung des Engpasses)
führen (z. B. Austausch regulärer Kabel durch Hochtemperatur-Leiterseile, die
auf die physikalisch bedingte Erwärmung von Stromleitern bei hohem Stromfluss
nur mit einer geringen Längenausdehnung reagieren und damit insbesondere im
Sommer eine höhere nutzbare Kapazität aufweisen).
Unter den Begriff des Netzausbaus lassen sich schließlich alle Maßnahmen
fassen, die über eine Optimierung oder Netzverstärkung hinausgehen, insbesondere
der Zubau von Netzkapazitäten.
Das EEG regelt allerdings nur das „ob“ und nicht das „wie“ des Netzausbaus.
Gleichwohl stellt der Gesetzgeber auf anderem Wege Mittel zur Verfügung, die
einen zügigen Netzausbau sichern sollen. Hier sind insbesondere das Infrastruktur-
planungsbeschleunigungsgesetz und das Energieleitungsausbaugesetz zu nennen,
die Planungsverfahren für Stromleitungen vereinfachen und zeitlich erheblich ver-
kürzen sollen.

22
Am 1.01.2012.
72 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Entstehen der Erweiterungsverpflichtung


Der Anspruch auf Kapazitätserweiterung besteht nicht ohne weiteres, sondern
erst dann, wenn der Einspeisewillige dies verlangt und die Erweiterung der Netz-
kapazität dem Betreiber wirtschaftlich nicht unzumutbar ist (§ 9 Abs. 1 und 3 EEG).
Das Verlangen einer Kapazitätserweiterung sollte durch eine ausdrückliche und –
aus Beweisgründen – schriftliche Willenserklärung des Berechtigten erfolgen. Aus
einem bloßen Netzanschlussbegehren wird ein Netzbetreiber nicht automatisch ein
entsprechendes Verlangen entnehmen müssen. Andernfalls würde der Netzbetreiber
automatisch mit jedem Anschlussbegehren faktisch in den Netzausbau getrieben,
auch wenn der Einspeisewillige diesen möglicherweise gar nicht begehrt hat.
Der Netzbetreiber kann die Kapazitätserweiterung ablehnen, wenn er beweisen
kann, dass die entsprechenden Maßnahmen für ihn unzumutbar sind (§ 9 Abs. 3
EEG). Die zur Beurteilung anzulegenden Kriterien sind allerdings nicht im Gesetz
geregelt, sondern sind durch die Rechtsprechung konkretisiert und vom Gesetz-
geber in der Gesetzesbegründung aufgegriffen worden.23 Der Ausbau des Netzes
soll demnach wirtschaftlich unzumutbar sein, wenn
• die Kosten hierfür 25 % der Kosten der Errichtung der Stromerzeugungsanlage
überschreiten bzw.
• die Vergütung für die Gesamtstrommenge aus den durch den Ausbau anschließ-
baren Erzeugungsanlagen im Vergütungszeitraum nicht die Kosten des Ausbaus
deutlich übersteigt.
In der Praxis lassen sich diese Beurteilungsrichtlinien durchaus anwenden, wie
vereinzelte Rechtsprechung und ein von der Clearingstelle EEG entschiedenes Ver-
fahren24 belegen.

Schadensersatz bei nicht rechtzeitiger Erweiterung der Netzkapazität


Kommt ein Netzbetreiber seinen Verpflichtungen aus § 9 EEG zu einer unver-
züglichen Erweiterung der Netzkapazität und der entsprechenden Information
zu drohenden Maßnahmen des Einspeisemanagements nicht nach, können Ein-
speisewillige den hierdurch entstehenden Schaden ersetzt verlangen (§ 10 EEG).
Nach dem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz des § 249 BGB, ist der Anlagen-
betreiber im Rahmen des Schadensersatzes so zu stellen, wie er stehen würde, wenn
der Netzbetreiber seine Pflichten erfüllt hätte.
Abgedeckt sind damit vor allem Einnahmeausfälle, die dem Anlagenbetreiber
durch eine dauerhaft eingesenkte Einspeisung entstehen.25 Der Anspruch ist in
diesem Fall auf den Ersatz der jeweils entgangenen Einspeiseerlöse gerichtet.
Der Anlagenbetreiber muss allerdings nachweisen, wie viel Strom er im ent-
sprechenden Zeitraum tatsächlich hätte erzeugen können. Im Gegenzug wird sich
der Betreiber einer Biogasanlage aber einen gegebenenfalls ersparten Einsatz von
Rohstoffen anrechnen lassen müssen. Denkbar sind daneben auch Ersatzansprüche

23
Gesetzesbegründung zum EEG 2004, BT-Drs. 2864, S. 34.
24
Votum der Clearingstelle EEG vom 19.09.2008 – 2008/14 – Anspruch auf Netzausbau,
wirtschaftliche Zumutbarkeit.
25
Gabler 2010, S. 52 f.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 73

für kurzfristige Einspeisereduzierungen. Diese werden aber auf der Grundlage der
spezielleren und deshalb vorrangigen Regelung in § 12 EEG abgewickelt.
Den in Anspruch genommenen Netzbetreiber trifft allerdings dann keine Ersatz-
pflicht, wenn er nachweisen kann, dass er
1. die Maßnahmen, zu denen er verpflichtet ist, unverzüglich ergriffen hat oder
2. die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
Das Gesetz gewährt dem Anlagenbetreiber darüber hinaus einen Anspruch
auf Auskunft gegenüber dem Netzbetreiber, ob und inwieweit dieser seinen Ver-
pflichtungen zur Optimierung, Verstärkung oder zum Ausbau seines Netzes nach-
gekommen ist (§ 10 Abs. 2 EEG). Die Vorschrift dient nicht nur der Sicherung
des Schadensersatzanspruches, sondern versetzt den anspruchstellenden Anlagen-
betreiber zunächst überhaupt in die Lage zu erkennen, ob überhaupt ein Anspruch
besteht.

Kostentragung
In der Vergangenheit gehörte die Frage nach den vom Netzbetreiber und von
Anlagenbetreiber jeweils zu zahlenden Kosten für Netzanschluss und Netzver-
stärkung zu den am heftigsten umstrittenen. Das Gesetz differenziert zwischen den
Anschlusskosten, die vom Anlagenbetreiber zu tragen sind und den Kosten der
Kapazitätserweiterung, die dem Netzbetreiber zur Last fallen.

Kosten für den Anschluss der Anlage


Die Kosten für den Anschluss der Anlage an den Verknüpfungspunkt hat grund-
sätzlich der Anlagenbetreiber zu tragen (§ 13 Abs. 1 EEG).
Dies gilt auch für die Kosten einer erforderlichen Umspannung und folgt aus
dem Grundsatz des § 448 BGB. Danach fallen die Kosten der Übergabe einer Kauf-
sache dem Verkäufer zur Last. Da der einzuspeisende Strom mittels Umspannung
„übergabebereit“ gemacht wird, fällt dieser Vorgang in den Verantwortungsbereich
des Anlagenbetreibers. Ferner gehören alle zum Betrieb notwendigen Mess-
einrichtungen zur Erfassung der von den Anlagen gelieferten sowie von diesen
bezogenen elektrischen Arbeit zu den Anschlusskosten.
Ausnahmsweise hat der Netzbetreiber (anteilige) Anschlusskosten zu tragen. Ins-
besondere dann, wenn der Netzbetreiber dem Anlagenbetreibenden einen anderen
als den nächsten Verknüpfungspunkt zuweist, muss er die hierdurch entstehenden
Mehrkosten tragen (§ 13 Abs. 2 EEG).

Kosten einer Kapazitätserweiterung


Gemäß § 14 EEG sind die Kosten der Optimierung, der Verstärkung und des Aus-
baus des Netzes vom Netzbetreiber zu zahlen.
Bei dieser Kostenverteilung ist unerheblich, ob die Kapazitätserweiterung auf-
grund einer neu angeschlossenen, einer reaktivierten, erweiterten oder in sons-
tiger Weise erneuerten Anlage erforderlich war. § 13 Abs. 2 EEG 2004 hatte dies
noch klargestellt; der Gesetzgeber hat die entsprechende Regelung aber nicht
in das geltende Recht übernommen. Die Gesetzessystematik spricht dennoch
dafür, dass keine Änderung der Rechtslage an dieser Stelle beabsichtigt war. Die
74 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Kostentragung nach § 14 EEG folgt dem Anspruch aus § 9 EEG, der den Anlagen-
betreibern unabhängig von der Frage eines Neuanschlusses, einer Reaktivierung,
Erweiterung oder sonstiger Erneuerung einen entsprechenden Anspruch auf
Kapazitätserweiterung gewährt.
Im Gegensatz zur Vorgängerregelung im EEG 2004 sieht der Wortlaut des § 14
EEG keine Beschränkung mehr auf die „notwendigen Kosten“ des Netzausbaus
vor – auch wenn die Gesetzesbegründung noch immer darauf verweist.26 Es stellt
sich daher die Frage, wer die „nicht notwendigen“ Kosten zu tragen hat. Dafür, dass
die Frage relevant ist, spricht der Umstand, dass der Netzbetreiber im Rahmen einer
effizienten Betriebsführung derartige Kosten nicht übernehmen dürfte und deshalb
auch nicht in die Netzentgelte einkalkulieren darf. Es spricht daher vieles dafür, die
Kosten für solche Maßnahmen, die über das technisch erforderliche Maß hinaus-
gehen und die der Anlagenbetreiber vom Netzbetreiber verlangt, auch dem Anlagen-
betreiber aufzuerlegen. Dem Verbot des § 4 Abs. 2 EEG wird dadurch Rechnung
getragen, dass der Vornahme bestimmter, technisch nicht zwingend erforderlicher,
vom Anlagenbetreiber aber dennoch gewünschter Maßnahmen eine entsprechende
Kostenerstattungspflicht gegenüber tritt und daher keine Nachteile für einen der
Beteiligten entstehen.

Vertragliche Vereinbarung über Kostentragung


Vertragliche Vereinbarungen über die Tragung der Netzanschlusskosten, die in der
Vergangenheit von der Rechtsprechung weitgehend toleriert wurden, sind unter
der Geltung von § 4 Abs. 2 EEG und dem damit verbundenen Abweichungsverbot
erschwert worden.
Dies gilt sowohl für Abweichungen zu Lasten des Anlagenbetreibers, falls diesem
mehr als die gesetzlich zugeordneten Kosten auferlegt werden sollen, als auch zu
Lasten des Netzbetreibers, wenn dieser etwa nicht alle dem Netzanschluss zuzu-
rechnenden Kosten vom Anlagenbetreiber einfordert. Für vertragliche Absprachen
ist deshalb nur dort Raum, wo das Gesetz keine ausdrückliche Regelung vorsieht,
z. B. für Leistungen, die der Netzbetreiber zwar im Auftrag des Anlagenbetreibers
ausführt, die aber nicht unmittelbar mit dem Netzanschluss der Erzeugungsanlage
zusammenhängen.

3.1.2.2 Anschluss an das Gasversorgungsnetz


Netzanschluss und Netzzugang zum Erdgasversorgungsnetz sind nicht Gegenstand
des EEG, sondern der Regulierungsvorschriften des EnWG. Dementsprechend findet
sich vor allem in der auf Grundlage des EnWG erlassenen GasNZV ein Regelungs-
geflecht zu Fragen des Anschlusses und Zugangs zum Erdgasversorgungsnetz. Um
das in der GasNZV erklärte Ziel der Biogaseinspeisung in Höhe von 6 Mrd. m³
jährlich bis zum Jahr 2020 und 10 Mrd. m³ jährlich bis zum Jahr 2030 zu erreichen
(vgl. § 31 GasNZV), hat der Verordnungsgeber eigene Netzanschluss- und Netz-
zugangsregelungen für Biogasanlagen geschaffen (§§ 31–37 GasNZV). Insoweit

26
Vgl. Gesetzesbegründung zum EEG 2009, BT-Drs. 16/8148, S. 48.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 75

gelten gem. § 32 GasNZV sogar eigene, z. T. vom EnWG und den übrigen Vor-
schriften der GasNZV abweichende Begrifflichkeiten.
Die Regelungen zum Netzanschluss betreffen dabei nur den physischen
Anschluss einer Anlage zur Aufbereitung von Biogas auf Erdgasqualität. Die Rege-
lungen zum Netzzugang betreffen demgegenüber vor allem den Transport des
eingespeisten Biogases.
Im Zusammenhang mit der Verwendung des eingespeisten Biogases zur Erzeugung
von Strom in Erzeugungsanlagen, die nicht am Standort der Biogasanlage stehen,
sondern das Biogas an einem entfernteren Standort aus dem Erdgasnetz entnehmen
(sog. Nutzung des Biogases i. S. d. EEG im Wärmeäquivalent), ist zu beachten, dass
das EnWG und die GasNZV keinerlei Regelungen im Hinblick auf die Förderung
der Stromeinspeisung nach dem EEG enthalten. Vielmehr sind die Regelungen von
GasNZV und EEG im Detail nicht aufeinander abgestimmt. Unter anderem ist der
Begriff des Biogases in § 3 Nr. 10c EnWG und somit auch in der GasNZV deutlich
weiter gefasst als der Biogasbegriff des EEG. Daher sind bei der Bestimmung,
inwieweit in einer Biogasanlage erzeugter Strom nach dem EEG förderfähig ist,
allein die Vorschriften des EEG maßgeblich. Insoweit sind die gaswirtschaftlichen
Regelungen zum Gasnetzanschluss und Gastransport in EnWG und GasNZV im
Grunde genommen „nur“ Abwicklungsregelungen für Einspeisung und Transport,
um die dezentrale Verwendung des hergestellten Biogases zu ermöglichen.27

Anspruch auf vorrangigen Netzanschluss (§ 33 GasNZV)


Es besteht ein verordnungsrechtlicher unmittelbarer Anspruch auf Netzanschluss
– dies ist unstreitig. Es gilt aber im Folgenden kurz aufzuzeigen, wer Anspruchs-
inhaber ist und was vom Netzanschluss überhaupt umfasst ist, um den Anspruchs-
inhalt genauer bestimmen zu können.
Im Rahmen von Biogasprojekten ist regelmäßig zu differenzieren, wer die
Biogasanlage zur Biogasproduktion, wer die Biogasaufbereitungsanlage betreibt
und wer Netzanschlussnehmer ist. Die GasNZV knüpft hier an die technischen
Gegebenheiten an und stellt beim Netzanschluss entscheidend auf den Anschluss
der Anlage zur Aufbereitung von Biogas auf Erdgasqualität (im Folgenden als
„Aufbereitungsanlage“ bezeichnet) ab und nicht etwa auf die Biogas(produktions)
anlage selbst. § 32 Nr. 1 GasNZV definiert daher den Anschlussnehmer und somit
Anspruchsinhaber auch sehr weit, als jede juristische oder natürliche Person, die
als Projektentwickler, Errichter oder Betreiber einer Aufbereitungsanlage den Netz-
anschluss der Aufbereitungsanlage begehrt.
Der Verordnungsgeber definiert auch den Begriff und Umfang des Netz-
anschlusses. Diese Definition ist insbesondere wichtig, wenn es um die entsprechende
Kostentragung geht. § 32 Nr. 2 GasNZV legt insofern fest, dass vom Netzanschluss
die Herstellung der Verbindungsleitung, die die Aufbereitungsanlage mit dem
bestehenden Gasversorgungsnetz verbindet, die Verknüpfung mit dem Anschluss-
punkt des bestehenden Gasversorgungsnetzes, die Gasdruck-Regel-Messanlage

Die Entnahme von Biogas aus dem Erdgasnetz zur Verwendung in Stromerzeugungsanlagen,
27

die den Strom einspeisen und die EEG-Vergütung erlangen, wird im Folgenden näher erläutert.
76 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

sowie die Einrichtungen zur Druckerhöhung und die eichfähige Messung des ein-
zuspeisenden Biogases umfasst sind.
Gemäß § 33 Abs. 1 GasNZV sind die aufnehmenden Netzbetreiber – in der
Regel die örtlichen Verteilnetzbetreiber – verpflichtet, die Aufbereitungsanlagen
vorrangig vor anderen Netznutzern an ihr Netz anzuschließen. Die aufnehmenden
Netzbetreiber sind daher Anspruchsgegner. Die Anschlusspflicht korrespondiert mit
einem unbedingten Netzanschlussanspruch desjenigen, der den Anschluss begehrt.
Gleichwohl führt das bloße Begehren eines Netzanschlusses nicht dazu, dass der
Netzbetreiber den Netzanschluss gewähren und herstellen muss. Wie die genau
geregelten Prozessschritte in § 32 Abs. 1 bis 7 GasNZV zeigen, sind noch einige
Handlungen auf Seiten des Netzbetreibers und des Anschlusspetenten notwendig,
unter anderem der Abschluss eines Netzanschlussvertrags sowie eine Vorschuss-
zahlung des Anschlusspetenten auf die Netzanschlusskosten. Nähere Einzelheiten
zu den einzelnen Schritten und Maßnahmen sind nachfolgend dargestellt.

Inhalt des Netzanschlussvertrags


Die in § 33 GasNZV geregelte Pflicht zum vorrangigen Anschluss von Auf-
bereitungsanlagen ist eine Konkretisierung der Netzanschlusspflicht nach § 17
EnWG. Neben der Kostenregelung und der Planung des Netzanschlusspunktes regelt
§ 33 Abs. 6 GasNZV dabei auch Einzelheiten zum Abschluss eines Netzanschluss-
vertrages. Dieser ist zwingend Voraussetzung für einen Netzanschluss. Insofern
konkretisiert § 33 GasNZV sowohl die gesetzlich formulierten Voraussetzungen,
nach denen Netzbetreiber Erzeugungsanlagen zu technischen und wirtschaftlichen
Bedingungen anzuschließen haben, die „angemessen, diskriminierungsfrei und
transparent“ sind sowie die Transparenzpflicht im Hinblick auf die technischen
Netzanschlussvorschriften nach § 19 EnWG.
Ausdruck der Transparenzpflicht und der Gleichbehandlung aller Netzanschluss-
nehmer bzw. Netzanschlusspetenten ist die von den Netzbetreibern ab dem Gas-
wirtschaftsjahr 2011/2012 (1.10.2011–1.10.2012) gemeinsam verabschiedeten all-
gemeinen Vertragsbedingungen eines Netzanschluss- und Anschlussnutzungsvertrags
Biogas.28 Erstmalig haben sich alle Netzbetreiber, die die sogenannte Kooperationsver-
einbarung29 unterzeichnet haben, auf einen gemeinsamen Vertragsstandard geeinigt.
Dieser Vertrag stellt einen Branchenstandard her, der zivilrechtlich als Allgemeine
Geschäftsbedingungen (AGB) i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB anzusehen ist und „ledig-
lich“ Ausdruck des Bestrebens der Netzbetreiber ist, diskriminierungsfrei zu handeln.
Obwohl § 8 Abs. 6 GasNZV ausdrücklich den Abschluss einer Kooperationsverein-
barung zwischen den Netzbetreibern für die Abwicklung netzübergreifender Trans-
porte vorschreibt, handelt es sich bei den hier behandelten Netzanschlussverträgen
nicht um von der Bundesnetzagentur festgelegte Bestimmungen im Sinne einer All-
gemeinverfügung. Die Verträge sind als AGB zum einen in zivilrechtlicher Hinsicht
nach den Vorschriften über AGB (§§ 305 BGB ff.) überprüfbar wie auch angreifbar

28
Kooperationsvereinbarung zwischen den Betreibern von in Deutschland gelegenen Gasver-
sorgungsnetzen, Änderungsfassung vom 30.6.2011, Inkrafttreten am 1.10.2011, Anlage 6.
29
S. Fn. zuvor.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 77

im Wege der Missbrauchsaufsicht durch die Bundesnetzagentur nach §§ 30 und 31


EnWG. Der Umstand, dass sich alle Netzbetreiber auf diese Vertragsbedingungen
geeinigt haben, bedingt zwar, dass eine Abweichung von diesem Vertragsstandard
durch einen Netzbetreiber grundsätzlich die Vermutung nahelegt, er diskriminiere
in diesem speziellen Fall den Netzanschlusspetenten. Jedoch streitet dies umgekehrt
nicht dafür, dass es sich im Einzelfall um im Rechtssinne einwandfreie, d. h. mit den
Vorschriften in der GasNZV und im EnWG vereinbarte Vertragsbedingungen handelt.
Der Inhalt dieses Standardnetzanschluss- und Anschlussnutzungsvertrags Biogas
sieht im Überblick wie folgt aus:30

Netzanschluss- und Anschlussnutzungsvertrag Biogas


I. Regelungsinhalt
1. Anschluss einer Biogasaufbereitungsanlage an das Gasversorgungs-
netz des Netzbetreibers (§ 1 Nr. 1)27
2. Nutzung des Netzanschlusses durch den Anschlussnutzer zwecks Ein-
speisung des aufbereiteten Biogases in das Gasversorgungsnetz des
Netzbetreibers (§ 1 Nr. 3)
3. Die Einspeisung in das Gasversorgungsnetz des Netzbetreibers wird
in einem gesonderten mit dem Transportkunden zu vereinbarenden
Einspeisevertrag geregelt (§ 3 Nr. 2)
II. Einzelne Regelungen
1. Netzanschluss (Teil 2)
a) Anschluss der Biogasaufbereitungsanlage (§ 4)
b) Einspeisekapazität (§ 5)
c) Grundstücksnutzungs- und Zutrittsrechte (§ 7)
d) Kosten für den Netzanschluss (§ 8)
2. Nutzung des Netzanschlusses zur Einspeisung (Teil 3)
a) Voraussetzung für die Nutzung des Netzanschlusses: Bestehen eines
Einspeisevertrages (§ 9)
b) Qualitätsanforderungen (§ 11)
3. Gemeinsame Bestimmungen (Teil 4)
a) Wartung und Betrieb des Netzanschlusses (§ 13)
b) Verfügbarkeit des Netzanschlusses: mindestens 96 % (§ 14)
c) Unterbrechung des Netzanschlusses (§ 16)
4. Abschließende Bestimmungen (Teil 5)
a) Vertragsbeginn und Vertragslaufzeit (§ 17)
b) Anpassung des Vertragsverhältnisses (§ 18)
c) Haftung (§ 21)
d) Höhere Gewalt (§ 22)

Die Verweise auf Paragrafen beziehen sich jeweils auf den Muster-Netzanschluss- und
30

Anschlussnutzungsvertrag Biogas (Anlage 6 zur Kooperationsvereinbarung, s. Fn. zuvor).


78 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Während die nunmehr erstmalig verfügbaren Vertragsstandards im Rahmen von


Projektfinanzierungen eine gewisse Verlässlichkeit bringen und somit auch die
Risiken eindeutig identifiziert werden können, verhindern sie jedoch nicht, dass es
im Einzelfall weiterhin zu einer Verzögerung des Netzanschlusses einerseits und
andererseits auch zu Streitigkeiten etwa hinsichtlich einer eventuell möglichen
Rückspeisung und somit Deodorierung des Biogases sowie Streitigkeiten um die
Gasqualität und die insoweit einzuhaltenden Brennwerte geben kann.31
Ein Streitpunkt wird sicherlich die im Rahmen einer Projektfinanzierung nicht
unwesentliche „Garantie“ der Mindestverfügbarkeit des Netzanschlusses von 96 %
sein. Gemäß § 33 Abs. 2 GasNZV hat der Netzbetreiber „die Verfügbarkeit des
Netzanschlusses dauerhaft, mindestens aber zu 96 %, sicherzustellen“. Seit Inkraft-
treten der GasNZV ist umstritten, ob das „Sicherstellen“ eine Garantie im Rechts-
sinne mit der Folge einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung für den Netz-
betreiber bedeutet. § 14 i. V. m. § 21 der Anlage 6 der Kooperationsvereinbarung
(Netzanschluss- und Anschlussnutzungsvertrag Biogas) sieht insoweit keine Garan-
tiehaftung des Netzbetreibers für die 96-prozentige Verfügbarkeit vor. Insofern
beschränkt sich der Mustervertrag darauf, den Verordnungswortlaut wiederzugeben
und eine allgemeingültige Haftungsregelung aufzunehmen. Zwar spricht die Ver-
ordnungsbegründung davon, dass dem Biogaseinspeiser eine Verfügbarkeit „garan-
tiert“ werden soll und die 96 % Verfügbarkeit bereits unter Berücksichtigung von
Ausfallzeiten zur Behebung technischer Mängel oder Schäden erfolgt sei. Jedoch
bestehen erhebliche Zweifel daran, hieraus eine zivilrechtliche verschuldens-
unabhängige Haftung herzuleiten. Es ist insoweit fraglich, ob eine solche unbe-
dingte Haftung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar wäre. Dennoch
bleibt die Verfügbarkeit eine Kardinalpflicht des Netzanschlussvertrages, deren
Verletzung nach AGB-Recht nur bedingt begrenzt werden kann.

Herstellung des Netzanschlusses


Der Netzanschluss wird regelmäßig durch den Netzbetreiber hergestellt. Dem-
entsprechend steht der Netzanschluss auch im Eigentum des Netzbetreibers (§ 33
Abs. 1 GasNZV). Die Kosten für den Netzanschluss sind vom Netzbetreiber grund-
sätzlich zu 75 % zu tragen. Insofern trägt der Anschlussnehmer gemäß § 33 Abs. 1
GasNZV die verbleibenden 25 % der Netzanschlusskosten.32
Bevor der Netzanschluss errichtet wird, muss der Netzanschlusspetent ein Netz-
anschlussbegehren an den Netzbetreiber richten, vgl. § 33 Abs. 4 GasNZV. Durch
dieses Netzanschlussbegehren setzt der Netzanschlusspetent ein Prüfungsverfahren
in Gang, das nach Zahlung eines Vorschusses auf die Netzanschlusskosten in einer
Planung des Netzanschlusses durch den Netzbetreiber in Zusammenarbeit mit dem
zukünftigen Anschlussnehmer mündet und das auch einen Realisierungsfahrplan
enthält (vgl. § 33 Abs. 7 GasNZV). Unter anderem ist der Realisierungsfahrplan
der Regulierungsbehörde vorzulegen und die Kosten für Planung und Bau des
Netzanschlusses sind dem Netzanschlusspetenten offenzulegen. Bau und Betrieb

31
Vgl. hier hierzu unter anderem die Entscheidungen der Bundesnetzagentur, BK 7-10-191 vom
25.2.2011 und BK 7-09-005 vom 3.3.2010.
32
Näheres hierzu im folgenden Abschnitt.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 79

Abb. 3.1 Prozessschritte zur Herstellung des Netzanschlusses I

Abb. 3.2 Prozessschritte zur Herstellung des Netzanschlusses II

sind nach den Grundsätzen der effizienten Leistungserbringung vorzunehmen. Die


Prozessschritte bis zur Herstellung des Netzanschlusses sind in § 33 Abs. 3 bis 7
GasNZV ausführlich dargelegt und in den Abb. 3.1 und 3.2 zusammengefasst.

Kostentragung der Herstellung des Netzanschlusses


Nach § 32 Nr. 2 GasNZV besteht der Netzanschluss aus der Verbindungsleitung,
die die Aufbereitungsanlage mit dem bestehenden Gasversorgungsnetz verbindet,
der Verknüpfung mit dem Anschlusspunkt des bestehenden Gasversorgungsnetzes,
80 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

der Gasdruck-Regel-Messanlage sowie den Einrichtungen zur Druckerhöhung und


der eichfähigen Messung des einzuspeisenden Biogases. Nach § 33 Abs. 1 GasNZV
hat der Netzbetreiber diese Anlagen vollständig zu errichten und hiervon 75 % der
Kosten zu tragen.
Zugunsten des Anschlussnehmers hat der Verordnungsgeber einen Kostendeckel
eingezogen. Der Anschlussnehmer trägt nach § 33 Abs. 1 Satz 3 GasNZV lediglich
25 % der Netzanschlusskosten unter der Voraussetzung, dass die Verbindungsleitung
max. 1 km lang ist. Des Weiteren sind die Kosten auf 250.000 € gedeckelt. Dabei
bleibt unklar, ob der betragsmäßige Deckel in Höhe von 250.000 € auch gilt, wenn
es sich um Verbindungsleitungen handelt, die länger als 1 km sind. Denn in § 33
Abs. 1 Satz 4 GasNZV wird geregelt, dass, soweit eine Verbindungsleitung eine
Länge von 10 km überschreitet, der Anschlussnehmer die Mehrkosten zu tragen hat.
Insofern wird argumentiert, bei Verbindungsleitungen von mehr als einem bis zu
10 km gelte dieser betragsmäßige Deckel nicht. Die Bundesnetzagentur hat in einer
Stellungnahme die Ansicht geäußert, auch hier würde der betragsmäßige Deckel
gelten. Hiergegen sprechen aber die Systematik und der Wortlaut der Vorschrift.
Insofern bleibt abzuwarten, wann hier die erste Entscheidung getroffen wird.33 Die
Kosten des Netzanschlusses können sich nachträglich dann verringern, wenn wei-
tere Anschlüsse zu dem Netzanschluss hinzukommen. Dann ist der Netzbetreiber
verpflichtet, die Kosten so aufzuteilen, als wenn die Netzanschlüsse gleichzeitig
hergestellt worden wären und den Anschlussnehmern einen etwaig zu viel gezahlten
Betrag zurückzuerstatten (§ 33 Abs. 1 Satz 6 GasNZV).
Die Neuregelung zum Umfang des Netzanschlusses und zur Kostentragung führt
zur Klärung wesentlicher historischer Streitfragen zwischen Netzanschlussnehmern
und Netzbetreibern und wird somit zukünftig zu mehr Rechtssicherheit führen.

3.1.3 Stromeinspeisung und Einspeisevergütung

3.1.3.1 Anspruch auf Abnahme des erzeugten Stroms

Grundsatz der vorrangigen Abnahme


Netzbetreiber sind verpflichtet, den gesamten angebotenen Strom aus erneuerbaren
Energien unverzüglich vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen (§ 8
EEG). Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen in Betracht, wenn die Kapazität
der betroffenen Netzbereiche nicht zur vollständigen Aufnahme des Stroms aus-
reicht. In diesen Fällen muss der Netzbetreiber die Einspeisung aus den einzelnen
Erzeugungsanlagen in das Netz begrenzen (§ 11 EEG).

Vorrang
Die Pflicht, den gesamten angebotenen Strom aus Erneuerbaren Energien und
Grubengas vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen, wird in § 8
Abs. 1 EEG festgeschrieben.

33
vgl. Meyer und Valentin 2010, S. 548 f.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 81

Daraus folgt zum einen, dass konventionell erzeugter Strom im Konfliktfall


hinter Strom aus Erneuerbaren Energien zurückstehen muss. Netzbetreiber können
sich deshalb nicht darauf berufen, dass die Abnahme bzw. die Übertragung des
Stroms aus erneuerbaren Energien nicht möglich sei, weil andere als unter § 3 Nr. 1
EEG fallende Anlagen zuerst angeschlossen oder Strom aus diesen zuerst abge-
nommen oder übertragen werden müsste.
Problematisch war bislang das Rangverhältnis von Strom aus erneuerbaren
Energien und von Strom aus der ebenso geförderten Kraft-Wärme-Kopplung.
Dieses Verhältnis war nicht ausdrücklich geregelt und enthielt ein gewisses Kon-
fliktpotential. Das neue EEG sieht nun eine ausdrückliche Gleichstellung vor (§ 8
Abs. 1 Satz 2 EEG).
Darüber hinaus besteht der Anspruch auf vorrangige Abnahme nicht nur im
Verhältnis zwischen Anlagenbetreiber und aufnehmendem Netzbetreiber, sondern
wirkt entlang der Wertschöpfungskette fort (§ 8 Abs. 4 EEG). Die Vorrangregelung
soll damit für sämtliche Netze bzw. Netzebenen umgesetzt werden und sichert
damit den bundesweiten Ausgleichsmechanismus.

Vertragliches Abweichen vom Abnahmevorrang


Die Abnahme- und Übertragungspflicht kann vertraglich ausgeschlossen werden,
1. soweit dies einer besseren Integration der Anlage in das Netz dient (§ 8 Abs. 3
EEG): Bei dieser Möglichkeit handelt es sich um eine eng auszulegende Aus-
nahme von der Verpflichtung zur vorrangigen Abnahme von Strom aus erneuer-
baren Energien, oder
2. soweit eine entsprechende Vereinbarung von der AusglMechV zugelassen wird
(§ 8 Abs. 3a EEG).
Der Gesetzgeber begründet die Möglichkeit eines vertraglichen Abweichens
vom Abnahmevorrang auf der Grundlage des § 8 Abs. 3 EEG wie folgt:

„Die Vorschrift ist ausdrücklich nur als Angebot an die Beteiligten ausge-
staltet. Mit ihr wird den Beteiligten die Möglichkeit eröffnet, im Sinne eines
gegenseitigen Gebens und Nehmens Vereinbarungen zu treffen, die für beide
Seiten und letztlich für den Stromkunden vorteilhaft sind. Durch den par-
tiellen Verzicht des Anlagenbetreibers auf seine Rechte, z. B. zu bestimmten
Zeiten einzuspeisen, kann der Netzbetreiber unter Umständen Kosten – etwa
für notwendige Ausgleichsenergie – sparen. So ist es durchaus sinnvoll, wenn
Betreiber von Anlagen aus den verschiedenen Sparten der Erneuerbaren Ener-
gien oder auch zusammen mit sonstigen Anlagenbetreibern ein Erzeugungs-
management mit dem Ziel vereinbaren, eine kontinuierliche Einspeisung zu
ermöglichen. Eine solche Vereinbarung kann den Netzbetreiber in die Lage
versetzen, Kosten einzusparen und dem Anlagenbetreiber für seinen Verzicht
auf eine weitergehende Einspeisung einen finanziellen Ausgleich zu zahlen,
82 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

so dass dieser in der Summe nicht schlechter steht als bei einer unbeschränk-
ten Ausübung seiner Rechte. Letztendlich können so die Gesamtkosten für
die Stromerzeugung und -verteilung gesenkt werden, so dass die Verbraucher
von niedrigeren Preisen profitieren können.“34

Auf den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung besteht weder für


Anlagenbetreiber noch für den Netzbetreiber ein Anspruch. Die Abnahme des
Stroms kann daher auch nicht vom Netzbetreiber vom Abschluss einer derartigen
Vereinbarung abhängig gemacht werden. Das darauf gerichtete Verbot des § 4
Abs. 1 EEG gilt auch hier.“34
Entsprechende Vereinbarungen können sich neben Regelungen zum Ein-
speisemanagement insbesondere auf folgende Themen erstrecken:
1. Orientierung der Einspeisung am tatsächlichen Energiebedarf,
2. Bereitstellung benötigter Regelenergie durch Hochfahren oder Drosseln von
Anlagen,
3. Bereitstellung von zusätzlichen Leistungen durch die Anlagenbetreiber, wie
etwa die Lieferung von Blindstrom oder bestimmter für den Netzbetrieb vor-
teilhafter Daten und Informationen.
Kosten, die bei der Umsetzung individueller Vereinbarungen auf der Grundlage
von § 8 Abs. 3 EEG entstehen, können vom Netzbetreiber bei der Ermittlung der
Netzentgelte in Ansatz gebracht werden, soweit diese angemessen sind (§ 15 Abs. 1
EEG). Das Gesetz stellt aber zugleich klar, dass es sich im Rahmen der Anreiz-
regulierung hierbei um beeinflussbare Kosten handelt, die von der zuständigen
Regulierungsbehörde auf ihre Effizienz überprüft werden können (§ 15 Abs. 2
EEG).

Grundsätze des Einspeisemanagements


Mit dem zunehmenden Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien
können in Zeiten mit einer hohen Einspeisung aus entsprechenden Erzeugungs-
anlagen in einzelnen Regionen Deutschlands zunehmend Netzengpässe auftreten,
die vom Netzbetreiber im Rahmen seiner Systemverantwortung zu beseitigen sind.

Bedeutung und Ziel des Einspeisemanagements


Betroffen sind vorrangig Netzgebiete mit einem hohen Anteil an Windstrom in
Nord- und Ostdeutschland. Mit dem zunehmenden Ausbau der Photovoltaik und
Biomassenutzung auch in anderen Teilen der Bundesrepublik können vergleichbare
Probleme aber auch bundesweit drohen. Die Gründe hierfür liegen unter anderem
in der veränderten Erzeugungs- und Handelsstruktur, der fehlenden Netzsystem-
optimierung sowie im sich verzögernden Ausbau der Verteil- und Übertragungs-
netze. Das im Rahmen des EEG 2009 eingeführte Einspeisemanagement soll die
damit verbundenen Probleme lösen.

34
Gesetzesbegründung zum EEG 2009, BT-Drs. 16/8148, S. 44.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 83

Das Einspeisemanagement dient allerdings nicht dazu, den gesetzlich vor-


geschriebenen unverzüglichen Netzausbau zu beeinträchtigen. Vielmehr geht das
EEG davon aus, dass das Einspeisemanagement stets nur eine vorübergehende
Maßnahme zur Gewährleistung der Netzsicherheit ist. Nur wenn der Ausbau des
Netzes in Ausnahmefällen nicht in Betracht kommt – weil er bspw. nicht zumutbar
i. S. d. § 9 Abs. 3 EEG ist – kann eine dauerhafte Anwendung von Maßnahmen des
Einspeisemanagements in Betracht kommen.

Voraussetzungen des Einspeisemanagements


Dem Einspeisungsmanagement unterliegen Erzeugungsanlagen mit einer
installierten Leistung von mehr als 100 kW (§ 11 Abs. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 EEG).
Maßnahmen des Einspeisemanagements dürfen gegenüber diesen Anlagen „aus-
nahmsweise“ ergriffen werden, soweit
1. andernfalls im jeweiligen Netzbereich einschließlich des vorgelagerten Netzes
ein Netzengpass entstünde,
2. der Netzbetreiber den Vorrang des Stroms aus erneuerbaren Energien und Kraft-
Wärme-Kopplung sichergestellt hat; Ausnahmen gelten nur für solche (kon-
ventionellen) Anlagen, die zur Netzstabilisierung erforderlich sind,
3. vorab die verfügbaren Daten über die Ist-Einspeisung in der jeweiligen Netz-
region abgerufen wurden.
Die Formulierung als ausdrückliche Ausnahmeregelung verdeutlicht, dass vor
einer Regelung der betroffenen Erzeugungsanlage alle wirtschaftlich zumutbaren
Optimierungsmöglichkeiten des Netzes nach dem Stand der Technik ausgeschöpft
sein müssen.

Transparenzpflichten des Netzbetreibers


Die Maßnahmen des Einspeisemanagements werden durch Informations-, Ver-
öffentlichungs- und Nachweispflichten ergänzt.

Informationspflicht bei vorhersehbaren Maßnahmen


Sofern die Durchführung des Einspeisemanagements vorhersehbar ist, haben
Netzbetreiber die Anlagenbetreiber am Vortag, ansonsten unverzüglich über den
erwarteten Zeitpunkt, den Umfang und die Dauer einer Maßnahme des Einspeise­
managements zu unterrichten (§ 11 Abs. 2 EEG).
Ziel einer Vorabinformation ist es, Anlagenbetreibern bereits frühzeitig Informa­
tionen über eventuelle Netzengpässe zukommen zu lassen. Die Anlagenbetreiber
sollen dann ihrerseits Maßnahmen zur Reduzierung der Netzlast ergreifen können
und so Schäden im Fall einer Abregelung ihrer Anlagen vorbeugen können. Die
Informationspflicht des Netzbetreibers ist daher spiegelbildlich als Anspruch des
Anlagenbetreibers auf die entsprechende persönliche Information ausgestaltet.
Es genügt folglich nicht, eine Warnung für „alle Anlagenbetreiber“ in der ent-
sprechenden Netzregion auf der Internetseite zu veröffentlichen.
Der Gesetzgeber konkretisiert allerdings nicht, wie konkret die Gefahr von
Engpässen bereits sein muss, um die Informationspflicht auszulösen. Man wird
indes schon eine überwiegende Wahrscheinlichkeit entsprechender Maßnahmen
84 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

fordern müssen, die sich beispielsweise auf Wetterprognosen und – daraus abge-
leitet – auf entsprechende Prognosen der Windeinspeisung stützen lassen. Wollte
man bereits die abstrakte Gefahr einer Regelung genügen lassen, würde der Sinn
und Zweck der Vorabinformation durch gehäufte und überflüssige Informationen
verwaschen.

Informationspflicht im Fall eines Engpassmanagement


Werden Maßnahmen des Engpassmanagements tatsächlich getroffen, muss der Netz-
betreiber die betroffenen Anlagenbetreiber ebenfalls informieren. Die Information
muss den tatsächlichen Zeitpunkt, den Umfang, die Dauer und die Gründe der ent-
sprechenden Regelung enthalten (§ 11 Abs. 3 Satz 1 EEG).
Zur Art und Weise, wie die entsprechende Mitteilung an den Betreiber der
betroffenen Erzeugungsanlagen zu erfolgen hat, schweigt das Gesetz hingegen.
Berücksichtigt man aber, dass diesen Informationen nur kurzfristig verfügbare
Erkenntnisse über eine bestehende Regelgefahr zu Grunde liegen, scheidet etwa
eine schriftliche Mitteilung (durch Brief) von vornherein aus. Auch eine ledig-
lich mündliche Information wird nicht genügen. Unabhängig von den Schwierig-
keiten, den Zugang einer mündlichen Erklärung beim Anlagenbetreiber nachträg-
lich zu beweisen, dürfte dieses Vorgehen bei einer Vielzahl von Anlagenbetreibern
bereits aus praktischen und zeitlichen Gründen scheitern. Vorzusehen sind daher
standardisierte elektronische Verfahren, die die erforderlichen Informationen via
E-Mail versenden.

Nachträgliche Nachweispflicht
Über die konkrete Information der Anlagenbetreiber hinaus muss der Netzbetreiber
im Nachgang zu einer Maßnahme des Einspeisemanagements auf Verlangen
des Anlagenbetreibers den Nachweis über die Erforderlichkeit der Maßnahmen
erbringen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. EEG). Hierzu sind dem Anlagenbetreiber
innerhalb von vier Wochen geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die ein
sachkundiger Dritter ohne weiteres nachvollziehen kann. Zu diesen Unterlagen
zählen auch die Protokolle über die vor der Regelung abgerufene Ist-Einspeisung
der jeweiligen Anlagen in der Netzregion.

Härtefallregelung
Für Maßnahmen des Einspeisemanagements können Anlagenbetreiber eine Ent-
schädigung vom Netzbetreiber verlangen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 EEG). Hiermit sollen
einerseits die Finanzierbarkeit neuer Projekte durch gesicherte Einnahmen und
andererseits ein effizienter Einsatz des Einspeisemanagements durch den Netz-
betreiber gewährleistet werden. Allerdings ist kein „Härtefall“ im engeren Sinn
erforderlich, um als Anlagenbetreiber Ersatzleistungen beanspruchen zu können.
§ 12 EEG gilt für alle Anlagenbetreiber, die aufgrund von Maßnahmen des Ein-
speisemanagements Strom nicht einspeisen konnten. Es geht daher eher um einen
Nachteilsausgleich als um die Abfederung von Härtefällen.35

35
§ 12 EEG war noch im Referentenentwurf zum EEG 2009 als echte Härtefallregelung
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 85

Die Kosten der Entschädigung hat der Netzbetreiber zu tragen, in dessen Netz
die Ursache für Maßnahmen des Einspeisemanagements liegt (§ 12 Abs. 1 Satz 3
EEG). Die wirtschaftliche Belastung der Ersatzpflicht trifft also nicht unbedingt
den Netzbetreiber, an dessen Netz die Anlage angeschlossen ist. Allerdings muss
er neben dem verantwortlichen Netzbetreiber als Gesamtschuldner mithaften
(§ 12 Abs. 1 Satz 4 EEG). Aus Sicht des Anlagenbetreibers stellt dies eine erheb-
liche Erleichterung dar, weil er seine Ansprüche unmittelbar gegen „seinen Netz-
betreiber“ richten kann, der seinerseits Freistellung vom verantwortlichen Netz-
betreiber suchen muss.
Die konkrete Höhe der Entschädigung beträgt grundsätzlich 95 % der entgangenen
Einnahmen des Anlagenbetreibers (strom- und wärmeseitig) zuzüglich zusätzlicher
Aufwendungen (z. B. durch den Bezug von Reserveenergie oder eventuelle Ver-
tragsstrafen) und abzüglich ersparter Aufwendungen (z. B. für ersparten Brennstoff)
(§ 12 Abs. 1 Satz 1 EEG). Übersteigen die entgangenen Einnahmen allerdings in
einem Jahr 1 % der Einnahmen dieses Jahres, sind die Betreiber der betreffenden
Anlagen ab diesem Zeitpunkt in voller Höhe zu entschädigen (§ 12 Abs. 1 Satz 2
EEG). Der Netzbetreiber erhält dadurch einen finanziellen Anreiz, die Maßnahmen
des Einspeisemanagements in Anzahl und Umfang entsprechend zu begrenzen.
In der Praxis muss der Anlagenbetreiber Voraussetzungen und Umfang der bean-
spruchten Entschädigung nachweisen. Dabei ist absehbar, dass insbesondere bei der
Ermittlung nicht eingespeister Strommengen oder bei der Bewertung ersparter Auf-
wendungen Schwierigkeiten auftreten werden. Letztlich wird es sachverständiger
Hilfe bedürfen, um Streitfragen zu entscheiden.
Darüber hinaus ist unklar, für welchen Zeitraum und in welchen Intervallen die
Entschädigung jeweils ermittelt werden soll. Die Gesetzesbegründung geht von
einer jährlichen Betrachtungsweise aus. Dies spricht dafür, die Entschädigung
nicht nach jeder Einzelmaßnahme des Einspeisemanagements zu ermitteln und aus-
zuzahlen, sondern erst im Rahmen der Jahresabrechnung. Die Verpflichtung zum
Nachweis der Rechtmäßigkeit der Einzelmaßnahmen innerhalb von vier Wochen
nach Aufforderung (§ 11 Abs. 3 EEG) bleibt davon aber jedenfalls unberührt.
Weitergehende Schadensersatzansprüche des Anlagenbetreibers gegen den
Netzbetreiber aus sonstigem Recht bleiben neben der gesetzlichen Entschädigungs-
regel unberührt (§ 12 Abs. 3 EEG). Allerdings verbleibt für derartige Ansprüche
kaum ein Anwendungsbereich, wenn sich der Schaden auf entgangene Einspeise-
erlöse beschränkt. Insoweit ist die Entschädigungsregelung spezieller und tatsäch-
lich erfolgte Entschädigungszahlungen würden den zu ersetzenden Schaden von
vornherein ausgleichen. Schadensersatzansprüche haben aber dort Bedeutung, wo
durch Eingriffe des Netzbetreibers in den Betrieb einer Erzeugungsanlage echte,
physische Schäden entstanden sind, die wiederum zu Einnahmeausfällen führen.
Derartige Ansprüche können durch § 12 EEG nicht abgedeckt werden.

ausgestaltet, wurde jedoch in den späteren Entwurfsfassungen immer weiter verallgemeinert.


Geblieben ist lediglich die nunmehr eher verwirrende Überschrift des Paragrafen.
86 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

3.1.3.2 Einspeisung und Transport des erzeugten Biogases

Einspeise- und Transportvorrang für Biogasanlagen (§ 34 GasNZV)


Vom Netzanschluss der Aufbereitungsanlagen an (Verteil-)Netze ist der vorrangige
Netzzugang für Transportkunden von Biogas abzugrenzen. Die im Hinblick auf
den vorrangigen Netzzugang in § 34 GasNZV geregelten Rechte und Pflichten der
Marktteilnehmer beziehen sich dabei sämtlich auf die Nutzung des Gasnetzes und
somit auf den Transport des Biogases durch das Erdgasnetz.
Die Abwicklung des Netzzugangs erfolgt gemäß § 3 Abs. 1 GasNZV über Ein-
speise- und Ausspeiseverträge im Rahmen des sogenannten Zweivertragsmodells.
Insofern „beginnt“ der Netzzugang mit der Einspeisung des Biogases über den ent-
sprechenden Netzanschluss.
§ 34 Abs. 1 GasNZV verpflichtet die jeweiligen Gasnetzbetreiber, vorrangig
mit den Transportkunden von Biogas Ein- und Ausspeiseverträge abzuschließen.
Darüber hinaus werden die Netzbetreiber verpflichtet, das eingespeiste Biogas auch
vorrangig zu transportieren. Dementsprechend gibt es einen zweifachen Vorrang
im Hinblick auf produziertes und eingespeistes Biogas. Zum einen haben Trans-
portkunden von Biogas einen vorrangigen Anspruch auf den Abschluss eines Ein-
speise- bzw. Ausspeisevertrages. Der Vorrang bezieht sich insoweit auf einen Vor-
rang gegenüber anderen Transportkunden, die gewöhnliches Erdgas transportieren
wollen. Zum anderen sind die Netzbetreiber, die den Netzzugang gemeinschaftlich
gemäß § 20 Abs. 1b EnWG zu organisieren haben, verpflichtet, das Biogas vor-
rangig zu transportieren. Dies bedeutet, dass sämtliche Netzbetreiber, die den Trans-
port des eingespeisten Biogases zu ermöglichen haben – im Wesentlichen wird das
der Verteilnetzbetreiber sein, in dessen Netz der Netzanschluss gelegen ist sowie
die vorgelagerten Netzbetreiber in dem jeweiligen Marktgebiet oder Marktgebieten,
in denen das Gas zum Ausspeisepunkt transportiert wird – Biogas vorrangig (vor
Erdgas) zu transportieren haben. Im Falle von Netzengpässen, etwa im vorgelagerten
Netz, ist demnach zunächst Biogas zu transportieren, während bei konkurrierenden
Erdgasmengen unter Umständen der Gasfluss unterbrochen werden muss. Es bleibt
insofern festzuhalten, dass sich der Anspruch auf vorrangigen Transport von Biogas
nicht nur gegen einen Netzbetreiber richtet.36
Anspruchsinhaber des Anspruchs auf vorrangigen Netzzugang ist nicht etwa
der Netzanschlussnehmer wie in § 33 GasNZV, sondern der Transportkunde von
Biogas. Gemäß § 3 Nr. 31b EnWG ist ein Transportkunde im Gasbereich ein
Großhändler, ein Gaslieferant einschließlich der Handelsabteilung eines vertikal
integrierten Unternehmens oder die Letztverbraucher, die Gas durch das Erdgas-
netz transportieren wollen. Insofern können sowohl Anschlussnehmer als auch Ein-
speiser von Biogas (nach § 2 Nr. 8 GasNZV) und Transportkunde unterschiedliche
Personen sein. Maßgeblich für die Einordnung als Transportkunde ist dabei, wer

Wird das Biogas in einen Erdgasbilanzkreis eingestellt, dürfte der Transportvorrang nur für
36

die Einspeisung von Bedeutung sein. Denn in diesem Fall wird am virtuellen Handelspunkt das
Biogas als Erdgas bilanziert und auch weiter transportiert. Ein Transportvorrang bei der Ausspei-
sung dürfte in der Praxis daher nicht durchsetzbar, weil nicht umsetzbar aus Netzbetreibersicht,
sein.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 87

die Ein- und Ausspeiseverträge mit den jeweiligen Netzbetreibern abschließt.


Dies ist in praktischer Hinsicht eine sinnvolle Ausgestaltung des Netzzugangs-
anspruchs, da der Transport von Biogas über Bilanzkreise abgewickelt wird und
das Bilanzkreismanagement nicht von jedem Biogaseinspeiser oder Anschluss-
nehmer beherrscht wird. Insofern wird die Möglichkeit geschaffen, dass dritte
Unternehmen, die etwa das Biogas unmittelbar am Flansch (vor der Einspeisung)
erwerben, zugleich auch das Bilanzkreismanagement und die weiter mit dem Trans-
port von Biogas zusammenhängende Abwicklung übernehmen können. Dies ist für
die Marktfähigkeit von Biogas und die Vermarktung eine wichtige Regelung.
Zentrale Verpflichtung des Transportkunden ist es, das zu transportierende
Biogas „netzkompatibel“ im Sinne von § 36 Abs. 1 GasNZV bereitzustellen.
Grundsätzlich können die Netzbetreiber ausnahmsweise die Einspeisung von
Biogas verweigern, falls diese technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar
ist. Ein Verweigerungsgrund ist nach § 34 Abs. 2 GasNZV nicht gegeben, wenn in
einem mit den Anschlusspunkten direkt oder indirekt verbundenen Netz Kapazitäts-
engpässe vorliegen, soweit die technisch-physikalische Aufnahmefähigkeit des
Netzes gegeben ist. Der aufnehmende Netzbetreiber ist darüber hinaus nach § 34
Abs. 2 Satz 3 GasNZV verpflichtet, alle wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen zur
Kapazitätserweiterung im Netz durchzuführen, um die ganzjährige Einspeisung zu
gewährleisten sowie die Fähigkeit des Netzes sicherzustellen, die Nachfrage nach
Transportkapazitäten für Biogas zu befriedigen. Dies umfasst auch die in der Praxis
oft strittigen Fälle, dass das Netz ausreichende Fähigkeiten zur Rückspeisung in
vorgelagerte Netze sicherstellt sowie die Errichtung der insoweit ggf. erforderlichen
Einrichtungen, wie etwa solche zu Deodorierung und Trocknung des Biogases.
Mithin hat der Transportkunde von Biogas sehr weitgehende Rechte gegenüber
dem Netzbetreiber, die ihrerseits sehr weitgehend auch zu Kapazitätserweiterungs-
maßnahmen verpflichtet werden können. In der Praxis dürfte es aber trotz der
Novellierung der GasNZV weiterhin zu Schwierigkeiten und ggf. Verzögerungen
kommen, da die Verweigerungsgründe nicht abschließend aufgezählt sind und die
technische Unmöglichkeit und wirtschaftliche Unzumutbarkeit durchaus strittig
sein können.

Voraussetzungen für die Einspeisung von Biogas (§ 36 GasNZV)


In § 36 GasNZV sind nunmehr insbesondere die Qualitätsanforderungen für das
Biogas näher spezifiziert worden.
Es wird klargestellt, dass die ausschließliche Verpflichtung des Einspeisers von
Biogas darin besteht, das Gas am Einspeisepunkt und während der Einspeisung ent-
sprechend der Voraussetzungen der Arbeitsblätter G 260 und G 262 des Deutschen
Vereins des Gas- und Wasserfachs e. V. (Stand 2007) bereitzustellen. Hierfür trägt
insofern auch der Einspeiser die Kosten. Darüber hinaus ist der Einspeiser ver-
pflichtet, dem Netzbetreiber zum Zeitpunkt des Netzanschlusses nachzuweisen,
dass bei regelmäßigem Betrieb der Anlage bei der Aufbereitung des Biogases
bestimmte maximale Methanemissionen eingehalten werden.
Der Einspeisenetzbetreiber trägt sämtliche weiteren Verpflichtungen. Unter
anderem ist er gemäß § 36 Abs. 3 GasNZV verpflichtet, dass das Gas am
88 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Ausspeisepunkt den eichrechtlichen Vorgaben des Arbeitsblattes G 685 des DVGW


entspricht. Hierfür trägt der Netzbetreiber auch die Kosten. Darüber hinaus ist
der Netzbetreiber für die Odorierung und die Messung der Gasbeschaffenheit auf
eigene Kosten verantwortlich (§ 36 Abs. 4 GasNZV). Die Odorierung und Messung
der Gasbeschaffenheit war in vergangenen Verfahren vor der Bundesnetzagentur oft
streitig.
Die Einhaltung der Qualitätsanforderungen nach § 36 GasNZV ist aus Sicht des
Transportkunden von eminenter Bedeutung, da ansonsten der Anspruch auf vor-
rangigen Netzzugang gemäß § 34 Abs. 1 GasNZV nicht entsteht. Insofern müssen
Transportkunden, die das Biogas nicht selbst einspeisen, vertraglich Vorsorge treffen,
um die Einspeiser zur Einhaltung der Qualitätsanforderungen zu verpflichten. Dies
gilt z. B. dann, wenn ein Energieversorgungsunternehmen, das ein Biogasprodukt
gegenüber Endkunden anbietet (z. B. an Betreiber von KWK-Anlagen), das Biogas
bei einem Biogasproduzenten bezieht, der auch die Aufbereitungsanlage betreibt
und somit physisch das Gas einspeist. Wenn in diesem Fall das Energieversorgungs-
unternehmen aber den Einspeisevertrag abschließt und somit zum Transportkunden
wird, geht die Nichteinhaltung der Qualitätsanforderungen zulasten dieses Ener-
gieversorgungsunternehmens. In dem Vertragsverhältnis zwischen Energiever-
sorgungsunternehmen und Biogasproduzenten sollten insofern Rückgriffsmöglich-
keiten und Kompensationszahlungen vorgesehen werden.

Vermiedenes Netzentgelt für die Einspeisung von Biogas


Transportkunden von Biogas, die Biogas i. S. d. § 3 Nr. 10c EnWG in das Erd-
gasnetz einspeisen, erhalten vom Einspeisenetzbetreiber gemäß § 20a GasNEV
(Gasnetzentgeltverordnung) ein Entgelt für vermiedene Netzkosten in Höhe von
0,007 €/kWh. Dieses Entgelt ist für 10 Jahre ab Inbetriebnahme des jeweiligen Netz-
anschlusses „garantiert“. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu unterscheiden,
dass dieses Entgelt nur dem einspeisenden Transportkunden gezahlt wird. Das ist
derjenige, der den Einspeisevertrag abschließt und somit die Netznutzungsleistung
bei dem Einspeisenetzbetreiber in Anspruch nimmt.

Inhalt des Einspeisevertrags


Ähnlich wie der oben bereits beschriebene Biogas-Netzanschlussvertrag ist auch
der Inhalt des Einspeisevertrags für Biogas in der KOV IV in Anlage 7 als Muster-
vertrag enthalten. Somit haben die Netzbetreiber sich auf einen Mustervertrags-
text geeinigt, der als AGB dem Einspeisungswilligen regelmäßig vorgelegt werden
wird. Abweichungen von diesem Standard können also potentiell diskriminierenden
Charakter haben. In der Praxis bedeutet dies eine gewisse Rechtssicherheit und Ein-
heitlichkeit, so dass Einspeisewillige sich auf einen bestimmten Vertragstext bereits
einstellen können. Im Wesentlichen regelt der Einspeisevertrag die folgenden
Inhalte:37

Die Verweise auf Paragrafen beziehen sich jeweils auf den Muster-Einspeisevertrag Biogas für
37

Verteilernetzebene (Anlage 7 zur Kooperationsvereinbarung).


3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 89

Einspeisevertrag Biogas für die Verteilernetzebene (Anlage 7)


I. Regelungsinhalt
1. Zugang des Transportkunden zum Gasversorgungsnetz des
Netzbetreibers zwecks Einspeisung von auf Erdgasqualität auf-
bereitetem Biogas auf der Verteilernetzebene (§ 1)38
2. Dieser Vertrag regelt nicht das Verhältnis zwischen dem Anschluss-
nehmer und dem Transportkunden und auch nicht das Verhältnis
zwischen dem Anschlussnehmer und dem Netzbetreiber (§ 3 Nr. 1)
3. Voraussetzung für die Einspeisung ist das Vorliegen eines Netz-
anschlussvertrages zwischen dem Anschlussnehmer und dem Netz-
betreiber, der wiederum das Bestehen eines Netzanschlusses und
dessen Nutzung zur Einspeisung von aufbereitetem Biogas in das
Gasversorgungsnetz des Netzbetreibers voraussetzt (§ 3 Nr. 3)
II. Einzelne Regelungen
1. Hauptleistungspflichten (§ 2)
a) Vorhalt von Einspeiseleistung am Einspeisepunkt durch Netzbetreiber
b) Qualität Biogas muss Anforderungen des § 36 Abs. 1 GasNZV und
technischen Spezifikationen Anlage 1 entsprechen
2. Bilanzkreiszuordnung (§ 4)
Zuordnungspflicht zu jedem Zeitpunkt des Netzzugangs (§ 4 Nr. 1)
3. Pauschales Entgelt für vermiedene Netzkosten (§ 8) in der gem.
§ 20a GasNEV gesetzlich festgelegten Höhe
4. Unterbrechung Netzzugang (§ 9)
5. Haftung (§ 10)
6. Vertragsbeginn und Vertragslaufzeit (§ 11)

Abwicklung des Transports und der Lieferung von Biogas


Lieferanten für Biogas müssen das Biogas zunächst selbst beschaffen, also z. B.
bei einem Biogasproduzenten einkaufen. Darüber hinaus werden sie in der Regel
den Transport abwickeln und das Bilanzkreismanagement für die Belieferung über-
nehmen.
Biogaslieferanten können das Biogas aber auch von anderen Biogashändlern am
Virtuellen Handelspunkt des jeweiligen Marktgebietes beziehen. Hierbei werden
die Verträge derzeit unmittelbar zwischen den Akteuren ausgehandelt. Eine liquide
Marktplattform, wie etwa die EEX oder etwa branchenübliche Standardverträge für
den Bezug von Biogas, existiert noch nicht. Nachfolgend soll kurz skizziert werden,
wie der Transport und die Lieferung von Biogas abgewickelt wird. Dabei werden
im Hinblick auf die Bilanzierung die beiden Optionen, Erdgasbilanzkreis und Bio-
gasbilanzkreis, erörtert. Aus Sicht eines möglichen Kunden, der eine EEG-Anlage
betreibt, die über das Erdgasnetz geliefertes Biogas verfeuert, ist hier letztlich nur
die Herkunft und Entstehung des Biogases von Bedeutung.
90 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Abwicklung unter Einsatz eines Erdgasportfolios/Erdgasbilanzkreises


Die Abwicklung jedes (Bio-)Gastransports muss über Bilanzkreise erfolgen (§ 22
GasNZV). Für Biogas erfolgt dies entweder über einen besonderen Biogasbilanz-
kreis oder einen Erdgasbilanzkreis. Der Lieferant kann für die Belieferung mit
Biogas deshalb grundsätzlich auf seine bestehenden Erdgas-Bilanzkreise zurück-
greifen, die er in dem jeweiligen Marktgebiet (Gaspool oder NetConnect Germany)
unterhält und ein Biogas-BHKW über diese mit Brennstoff beliefern. Er verzichtet
dabei auf die durch die GasNZV eingeräumten Sonderrechte für die Biogas-
bilanzierung.
Die Entscheidung über die Nutzung des Biogas- oder des Erdgas-Bilanzkreises
hat – entgegen einer ersten Vermutung – keinen Einfluss auf die Vergütungsfähig-
keit des aus dem transportierten Gas erzeugten Stroms. Wie das eingespeiste Gas
aus Biomasse zu bilanzieren ist und der Transport abgewickelt wird, regelt das EEG
nicht. Denn das EEG macht im Rahmen der sog. Mengenabtauschsregelung keine
Vorgaben zur Abwicklung des Biogastransports. Der Wortlaut des § 27c Abs. 1
EEG stellt insoweit ausschließlich darauf ab, dass aus einem Gasnetz entnommenes
Gas als Gas aus Biomasse gilt, soweit die Menge des entnommenen Gases im Wär-
meäquivalent am Ende eines Kalenderjahres der Menge von Gas aus Biomasse ent-
spricht, das an anderer Stelle im Geltungsbereich des Gesetzes in das Erdgasnetz
eingespeist worden ist. Dem EEG kommt es insoweit ausschließlich darauf an, dass
überhaupt Gas aus Biomasse in das Erdgasnetz gelangt ist und auch nur die wär-
meäquivalente Menge an Gas wieder entnommen wird. In physikalischer Hinsicht
entspricht die Regelung in § 27c Abs. 1 EEG damit der Funktionsweise des Erdgas-
transports, bei dem die „Nämlichkeit des Gases“ nicht gewahrt zu bleiben braucht
(§ 8 Abs. 1 GasNZV).
Zur Erfüllung der Lieferverpflichtungen wird sich der Biogaslieferant seines
Biogasportfolios bedienen. Er wird in diesem Portfolio größere Mengen Biogas
mehrerer Produzenten zusammenfassen, um etwaige Lieferpflichten mit minimalem
Risiko erfüllen zu können und ggf. Potenziale zur Optimierung zu nutzen.
Die Lieferung von Biogas wird mit dem Kunden in einem üblichen Gaslieferver-
trag vereinbart, der als all-inclusive (mit Transportleistung unmittelbar zum Aus-
speisepunkt) oder desintegrierter Vertrag (mit Lieferort Virtueller Handelspunkt –
VHP) geschlossen werden kann.
Eine besondere Herausforderung ergibt sich, wenn sich unterschiedliche Bio-
gasqualitäten im Portfolio des Lieferanten befinden, d. h. bestimmte Teilmengen,
die z. B. für den Gasaufbereitungsbonus qualifiziert sind (vgl. Anlage 1 zum EEG).
So kann es bei der einen Biogasqualität zu einer Über-, bei einer anderen Qualität
zu einer Unterdeckung kommen. Der EEG-Anlagenbetreiber steht hier ggf. vor der
Problematik des endgültigen Verlustes der Vergütungsfähigkeit seines erzeugten
Stroms.

Abwicklung unter Einsatz eines Biogasbilanzkreises


Marktgebietsverantwortliche haben im Marktgebiet einen erweiterten Bilanzaus-
gleich für Biogasein- und -ausspeisungen anzubieten (§ 35 GasNZV). Es muss
daher einen Biogas-Bilanzkreis geben. Lieferanten sind aber nicht verpflichtet,
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 91

Biogaslieferungen über den Biogas-Bilanzkreis abzuwickeln. Es ist sogar zulässig,


Biogas aus dem Biogas-Bilanzkreis in einen Erdgas-Bilanzkreis zu überführen
(§ 35 Abs. 2 GasNZV).
Die Bilanzierungsperiode des Biogas-Bilanzkreises beträgt abweichend von
der üblichen Praxis38 grundsätzlich 12 Monate. Mit dem Marktgebietsverantwort-
lichen kann auch eine andere Vereinbarung getroffen werden. Die meisten Biogas-
lieferanten vereinbaren in der Praxis allerdings das Kalenderjahr, um so die EEG-
Nachweisperiode mit der Laufzeit des Biogas-Bilanzkreises in Einklang zu bringen.
Ein Biogas-Bilanzkreis verfügt über ein (kumuliertes) Toleranzband von ± 25 %
auf die eingespeiste Jahresmenge (§ 35 Abs. 3 GasNZV). Der kumulierte Saldo
zwischen Ein- und Ausspeisung darf also innerhalb der Bilanzierungsperiode max.
25 % betragen, ohne dass eine Pönalisierung erfolgt (die Abweichung kann sowohl
negativ als auch positiv sein; also Über- bzw. Unterspeisung). Die erforderliche Aus-
gleichsenergie wird durch Erdgas geleistet und ist für die tatsächlich in Anspruch
genommene Flexibilität mit 0,001 €/kWh zu vergüten. Das Toleranzband bezieht
sich auf die eingespeiste Jahresmenge und steht somit erst nach Abschluss des
Bilanzierungszeitraums – also im Folgejahr bzw. der Folgebilanzierungsperiode –
fest. Die Steuerung des Toleranzbandes ist daher nur eingeschränkt möglich, so dass
eine Verletzung des Toleranzbandes unterjährig nicht ausgeschlossen werden kann.
Sie ist aber unschädlich, solange der Biogas-Bilanzkreis am Ende der Bilanzierungs-
periode ausgeglichen ist (§ 35 Abs. 3 i. V. m. Abs. 7 GasNZV).39 Verbleibt am Ende
der Bilanzierungsperiode ein negativer Saldo im Biogas-Bilanzkreis (d. h. es wurde
mehr ausgespeist als eingespeist), erfolgt ein endgültiger Ausgleich des Biogas-
Bilanzkreises durch den Marktgebietsverantwortlichen mit Erdgas. Verbleibt
dagegen am Ende der Bilanzierungsperiode ein positiver Saldo, kann diese Menge
im Rahmen des Toleranzbandes (maximal 25 % der eingespeisten Jahresmenge) in
die nächste Bilanzierungsperiode übertragen (§ 35 Abs. 6 GasNZV) und auch wei-
terhin EEG-konform verwendet werden. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten,
dass auch die Abwicklung über Biogas-Bilanzkreise eines Bilanzkreismanagements
bedarf.

3.1.4 Bestimmung der Einspeisevergütung

Die Biomasse leistet neben der Windenergie die größten Beiträge zur Strom-
erzeugung aus erneuerbaren Energien. Ihr Anteil betrug im Jahr 2010 ca. 30 %
an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Auf Strom von Biogas entfiel
davon fast die Hälfte (12,9 % Anteil an der Gesamtstromerzeugung aus erneuer-
baren Energien). In der Vergangenheit hatte der Gesetzgeber das Vergütungssystem

38
Die Bilanzierungsperiode für Erdgas-Bilanzkreis ist der Gastag (6.00 Uhr bis 6.00 Uhr des
Folgetages) gem. § 23 Abs. 1 GasNZV.
39
Dies entspricht auch der gängigen Praxis der Marktgebietsverantwortlichen, vgl. BDEW
(2009), S. 8.
92 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

für Strom aus Biomasse allerdings immer weiter detailliert und ausdifferenziert, so
dass das gesamte Modell nur noch schwer zu überschauen war.
Mit dem novellierten EEG 2012 wurde deshalb eine neue Vergütungsstruktur
für Strom aus Biomasse eingeführt und dadurch die Förderung einfacher und über-
sichtlicher gestaltet. Auch sollen existierende Überförderungen sowie ökologische
Fehlanreize behoben werden.

3.1.4.1 Überblick über die neue Vergütungsstruktur


Das Vergütungssystem für Strom aus Biomasse/Biogas ist durch die Novelle des
EEG 2012 vereinfacht worden. Erhalten blieb eine leistungsbezogene Vergütung,
die sich durch einsatzstoffbezogene Zuschläge erhöht (§ 27 Abs. 1 und 2 EEG).
Neu eingeführt wurde eine besondere Vergütung für Bioabfallvergärungsanlagen,
die zu einer verstärkten Nutzung von Abfall- und Reststoffen führen soll (§ 27a
EEG). Zudem wurde eine Sonderkategorie für kleine Hofanlagen mit mindestens
80 % Gülleeinsatz (massebezogen) geschaffen (§ 27b EEG).
Die einzelnen Vergütungssätze sind in Tab. 3.3 überblicksartig zusammengefasst.
Gegenüber den Vergütungssätzen nach dem EEG 2009 hat der Gesetzgeber das
Vergütungsniveau für Neuanlagen unter Berücksichtigung aller Boni um 10–15 %
abgesenkt. Besonders davon betroffen sind Kleinanlagen. Für typische 150 kW-
Anlagen sinkt die Vergütung von bisher rund 26 Cent/kWh auf künftig 20–22 Cent/
kWh.
Parallel dazu wurde die Degression von 1 auf 2 % erhöht. In die regelmäßige
Absenkung der Vergütungssätze sind grundsätzlich alle Vergütungssätze und Auf-
schläge einbezogen. Eine Ausnahme bilden die einsatzstoffabhängigen Aufschläge.
Der Gesetzgeber berücksichtigt damit, dass die Preise für die jeweiligen Rohstoffe
marktabhängig gebildet werden und daher das typische Kostensenkungspotential
nicht gegeben ist.
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber auch eine Vielzahl spezieller Vorgaben für
die Vergütung von Strom aus Biomasseanlagen in das Gesetz aufgenommen, die
nachfolgend noch genauer dargestellt werden.

3.1.4.2 Allgemeine Vergütungsregelung für Strom aus Biomasse


Die Vergütung von Strom aus „Biomasse“ ist in § 27 EEG geregelt. Die Vorschrift
ist vor dem Hintergrund der wohl komplexesten und am variabelsten einsetzbaren
Energieform recht kompakt gehalten. Sie wird allerdings durch umfangreiche Ver-
ordnungen ergänzt.

Leistungsabhängige Grundvergütung (§ 27 Abs. 1 EEG)


Auf der Grundlage des § 27 EEG wird Strom aus „Biomasse“ vergütet. Dieser
Begriff umfasst eine Vielzahl von Energieträgern und technischen Verfahren, die zu
deren Umwandlung in Strom genutzt werden.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 93

Tab. 3.3 Übersicht über EEG-Vergütungssätze (EEG 2012)


  Vergütung für
  Biogasanlagen (ohne Bioabfall) und Bioabfall- kleine Gül-
Festbrennstoffanlagen vergärung- leanlagen
sanlagen
*****
Anlagenleis- Grund- Einsatz- Einsatz- Gasaufber-    
tungsäquivalent vergü- stoffver- stoffver- eitungs-
tung gütung I * gütung II ** bonus
[kWel] [Cent/kWhel]
≤ 75 **** 14,3 6 8 16 25****
≤ 150    
≤ 500 12,3 ≤ 700 14
Nm³/h: 3
≤ 750 11 5 8 / 6 *** ≤ 1.000
Nm³/h: 2
≤ 5.000 11 4 ≤ 1.400
Nm³/h: 1
≤ 20.000 6 -   -
* Nur 2,5 Cent/kWh für Strom aus Rinde und Waldrestholz ab 500 kW bis 5.000 kW
** Nur für ausgewählte, ökologisch wünschenswerte Einsatzstoffe und entsprechender Definition
*** Strom aus Gülle (nur Nr. 9,11 bis 15 der Anlage 3 BiomasseV) über 500 kW 6 Cent/kWh
**** Sonderkategorie für Gülleanlagen bis 75 kW installierte Leistung, nicht kombinierbar (d. h.
keine zusätzliche Grund- oder Einsatzstoffvergütung)
***** Gilt ausschließlich für Anlagen, die bestimmte Bioabfälle (nach § 27a Abs. 1) vergären
und unmittelbar mit einer Einrichtung zur Nachrotte der festen Gärrückstände verbunden sind.
Die nachgerotteten Gärrückstände müssen stofflich verwertet werden. Die Vergütung ist nur mit
der Zusatzvergütung für die Biomethaneinspeisung kombinierbar.

Begriff der Biomasse


Welche Substrate unter den Begriff der Biomasse fallen, regelt nicht das Gesetz,
sondern die Biomasseverordnung (BiomasseV), auf die § 27 Abs. 1 EEG ausdrück-
lich Bezug nimmt.
Der Regelungsgehalt der BiomasseV umfasst vier Elemente:
1. Stoffe, die als Biomasse eingesetzt werden können (Positivliste) und solche, für
die dies nicht zutreffen soll (Negativliste),
2. Festlegung der Energieerträge aus anerkannter Biomasse,
3. technische Verfahren zur Verstromung der Biomasse sowie
4. dabei einzuhaltende Umweltanforderungen.
Als Biomasse kommen beispielsweise in Betracht (§ 2 BiomasseV):
1. Pflanzen und Pflanzenbestandteile,
2. aus Pflanzen oder Pflanzenbestandteilen hergestellte Energieträger,
3. Abfälle pflanzlicher und tierischer Herkunft aus der Land-, Forst- und Fischwirt-
schaft.
94 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Nicht als Biomasse werden beispielsweise anerkannt (§ 3 BiomasseV):


1. fossile Brennstoffe sowie daraus hergestellte Neben- und Folgeprodukte,
2. gemischte Siedlungsabfälle aus privaten Haushaltungen,
3. Altholz (mit Ausnahme von Industrierestholz),
4. Papier, Pappe, Karton.
Grundsätzlich gilt Gas aus Biomasse als „Biomasse“ im Sinne der BiomasseV.
Wird Gas aus Biomasse über ein Gasnetz von der Aufbereitungsanlage hin zur
Strom- und Wärmeerzeugungsanlage geleitet, gilt auch das vor Ort entnommene
Gas als Biomasse, soweit die Menge des entnommenen Gases im Wärmeäquivalent
der Menge von an anderer Stelle in das Gasnetz eingespeistem Gas aus Biomasse
entspricht und das Gas von der Einspeisung in ein Gasnetz bis hin zu seiner Ent-
nahme in ein Massenbilanzsystem einbezogen ist (Gasabtausch, § 27c Abs. 1 EEG).
Erfasst ist damit sämtliches Gas aus Biomasse – auch solches aus der Holzver-
gasung – und nicht nur Biogas, das bei Vergärungsprozessen anfällt. Praktisch
bedeutsam dürfte aber nur letzteres sein, weil Pyrolyse- und Synthesegase in der
Regel einen zu geringen Methanwert aufweisen und erst sehr aufwändig aufbereitet
werden müssten.

Öffnung des Ausschließlichkeitsprinzips


Gerade im Zusammenhang mit der Nutzung von Biomasse zur Stromerzeugung
wird das strenge Ausschließlichkeitsprinzip des § 16 Abs. 1 EEG für einzelne Aus-
nahmefälle gelockert.

Hybrid-Anlagen
Der Vergütung für Strom aus Biomasse auf der Grundlage des EEG 2004 lag
noch das strenge Ausschließlichkeitsprinzip zu Grunde. Dieses wurde geöffnet, so
dass der gemeinsame Einsatz von nach der BiomasseV anerkannter Biomasse mit
Deponie- und Klärgas oder anderen Stoffen, die wegen ihres biogenen Ursprungs
zwar Biomasse sind, jedoch keine Biomasse im Sinne der BiomasseV darstellen,
möglich ist. Solche Kombinationen werden vom Gesetzgeber toleriert, weil sie die
energetische Effizienz der Anlage erhöhen und zu einer gleichmäßigeren oder regel-
baren Produktion von Strom beitragen können.
Wird hingegen Biomasse im Sinne der BiomasseV mit sonstiger Biomasse
kombiniert, führt dies zu einer nur anteiligen Vergütung auf Basis des jeweiligen
Energieträgers. Aus dem zwingend zu führenden Einsatzstoff-Tagebuch (vgl. § 27
Abs. 5 und 6 EEG), aus dem die entsprechenden Brennstoffe, deren Art, Menge
und Einheit sowie Herkunft ersichtlich sind (§ 27 Abs. 5 EEG), lassen sich die ent-
sprechenden Anteile ableiten.

Betriebshilfsmittel
Die Bindung des Vergütungsanspruchs nach § 27 Abs. 1 EEG an die Vorausset-
zungen der BiomasseV steht dem Einsatz von Betriebshilfsmitteln nicht entgegen,
die deren Voraussetzungen nicht erfüllen. Es handelt sich dabei um Betriebsmittel,
die der Anlagen- und Verfahrenstechnik zuzurechnen sind und nicht um Ein-
satzstoffe für die Stromerzeugung. Da mittels dieser Stoffe keine nennenswerte
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 95

Gas- bzw. Stromproduktion erfolgt, wird das Ausschließlichkeitsprinzip nicht ver-


letzt. Damit ist die z. T. gegenteilige Rechtsprechung überholt.

Ermittlung der Vergütungshöhe


Das EEG 2012 hat die bisherige Vergütungsregelung auf der Grundlage des EEG
2009 modifiziert.
Die Grundvergütung erfolgt in vier Leistungsklassen, wobei nunmehr klar-
gestellt ist, dass sich die Einordnung einer Anlage anhand der „Bemessungsleistung“
orientiert. Maßgeblich ist damit nicht die Nennleistung des Generators, sondern der
jährlich zu ermittelnde Quotient aus der Summe der in dem jeweiligen Kalenderjahr
erzeugten Kilowattstunden und der Summe der vollen Zeitstunden des jeweiligen
Kalenderjahres abzüglich der vollen Stunden vor der erstmaligen Erzeugung von
Strom aus erneuerbaren Energien durch die Anlage und nach endgültiger Stilllegung
der Anlage (§ 3 Nr. 2a EEG). Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage kommt es
also nicht mehr auf die „nach § 8 abgenommene Strommenge“ an, sondern auf die
erzeugte.
Die Leistungsklassen selbst sind gegenüber der Rechtslage nach dem EEG 2009
unverändert geblieben:
1. bis einschließlich 150 kW: 14,3 Cent/kWh,
2. über 150 kW bis einschließlich 500 kW: 12,3 Cent/kWh,
3. über 500 kW bis einschließlich 5 MW: 11,0 Cent/kWh,
4. über 5 MW bis einschließlich 20 MW: 6,0 Cent/kWh.
Anlagen mit einer Leistung von mehr als 20 MW werden nicht von der Ver-
gütungsregelung ausgeschlossen. Allerdings wird die Vergütung nur bis zu einer
Bemessungsleistung von 20 MW gezahlt. Für den übersteigenden Anteil erfolgt
keine Vergütung auf der Grundlage von § 27 EEG.
Die Höhe der Grundvergütung liegt z. T. über der des EEG 2009. Dies geht
zum einen auf die höheren anlagenbezogenen Kosten zurück, die sich aus den
gestiegenen Anforderungen des Fachrechts ergeben (Investitionen in Immissions-
schutzvorrichtungen, Sicherheits- und Automatisierungstechnik); zum anderen
wurde der bislang vorgesehene KWK-Bonus teilweise mit in die Grundvergütung
integriert.40

Entfall der Boni


Im Bestreben, die Vergütung von Strom aus Biomasse wieder transparenter und
handhabbarer zu machen, hat der Gesetzgeber die Vielzahl von Boni, die auf
der Grundlage des EEG 2004 oder EEG 2009 erzielt werden konnten, erheblich
reduziert. So wurde der Technologie-Bonus (§ 27 Abs. 4 Nr. 1 EEG 2009) auf
einen Gasaufbereitungsbonus (§ 27c Abs. 2 EEG) reduziert. Der Bonus für nach-
wachsende Rohstoffe (§ 27 Abs. 4 Nr. 2 i. V. m. Anlage 2 EEG 2009) ist ebenso wie
der Luftreinhaltungs-Bonus (§ 27 Abs. 5 EEG 2009) vollständig entfallen.
Auch der KWK-Bonus (§ 27 Abs. 4 Nr. 3 i. V. m. Anlage 3 EEG 2009) kann
künftig nicht mehr in seiner ursprünglichen Form geltend gemacht werden.

40
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 70.
96 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Allerdings ist dem Bestreben des Gesetzgebers, erneuerbare Energien besser im


Wärmemarkt zu platzieren, dadurch Rechnung getragen worden, dass die Nutzung
der Kraft-Wärme-Kopplung von vornherein als Voraussetzung einer Vergütungs-
zahlung gilt und nicht lediglich als besonderer Anreiz. Der bisherige KWK-Bonus
wurde daher anteilig in die Grundvergütung integriert.

Einsatzstoffabhängige Erhöhung der Vergütung (§ 27 Abs. 2 EEG)


Anlagen mit einer Bemessungsleistung von bis zu 5 MW können zusätzlich zur
Grundvergütung eine einsatzstoffbezogene Vergütung erhalten, um Mehrkosten
bestimmter Einsatzstoffe abzudecken, die von der Grundvergütung nicht abgedeckt
sind. Mit der Einführung einsatzstoffbezogener Vergütungssätze will der Gesetz-
geber die unterschiedlichen Rohstoffkosten der einzelnen Einsatzstoffe berück-
sichtigen.41 Die Zuordnung der einzelnen Einsatzstoffe zu den Einsatzstoffver-
gütungsklassen ergibt sich aus den Anlagen 2 und 3 zur BiomasseV.
Die Einsatzstoffvergütungsklasse I enthält im Wesentlichen die bislang über
den nunmehr gestrichenen „NawaRo-Bonus“ nach Anlage 2 des EEG 2009 geför-
derten Energiepflanzen, z. B. Getreideganzpflanzen einschließlich Mais oder Holz
aus Kurzumtriebsplantagen. Die zusätzliche Vergütung beträgt für Anlagen mit
einer Bemessungsleistung
1. bis einschließlich 500 kW: 6,0 Cent/kWh,
2. über 500 kW bis einschließlich 750 kW: 5,0 Cent/kWh,
3. über 750 kW bis einschließlich 5 MW: 4,0 Cent/kWh.
Anlagen mit einer Bemessungsleistung von mehr als 5 MW können die einsatz-
stoffbezogene Vergütung nicht geltend machen. Besonderheiten bestehen zudem
für Anlagen, die Rinde oder Waldrestholz einsetzen: für diese Anlagen beträgt die
zusätzliche Vergütung bei einer Bemessungsleistung von mehr als 500 kW bis ein-
schließlich 5 MW konstant 2,5 Cent/kWh. Der Gesetzgeber möchte damit einer-
seits Nutzungskonkurrenzen zur stofflichen Verwertung ausschließen und anderer-
seits die niedrigeren Einsatzstoffkosten berücksichtigen.42
Die Einsatzstoffvergütungsklasse II umfasst nach Anlage 3 zur BiomasseV
bestimmte, ökologisch wünschenswerte Einsatzstoffe, die geringe Nutzungskon-
kurrenzen aufweisen und deren Einsatz einen hohen Beitrag für den Klimaschutz
leisten kann. Hierzu gehören z. B. Gülle, Landschaftspflegematerial, Stroh, Klee-
gras oder Luzernegras. Die vom Gesetzgeber gewährten höheren Zusatzvergütungen
reflektieren die höheren Kosten der Bereitstellung der entsprechenden Stoffe.43 Für
Anlagen bis zu einer Bemessungsleistung von 5 MW beträgt die Zusatzvergütung
8,0 Cent/kWh (§ 27 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 lit. a) EEG). Eine weitere Differenzierung
erfolgt lediglich für die Stromerzeugung aus Gülle.44 Entsprechende Anlagen mit
einer Bemessungsleistung von mehr als 500 kW bis einschließlich 5 MW haben

41
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 70.
42
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 70.
43
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 71.
44
Erfasst sind: Geflügelmist, Geflügeltrockenkot, Pferdemist, Rinderfestmist, Rindergülle,
Schafmist, Ziegenmist, Schweinefestmist sowie Schweinegülle.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 97

demnach nur Anspruch auf einen reduzierten Zuschlag in Höhe von 6,0 Cent/kWh
(§ 27 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) EEG).
Sonstige Einsatzstoffe, die zwar von der BiomasseV als vergütungsfähig
anerkannt sind, jedoch keine oder nur geringe Bereitstellungskosten verursachen,
werden von keiner der beiden Einsatzstoffvergütungsklassen erfasst. Dies betrifft
z. B. Sägenebenprodukte, aussortierte Gemüse, Biertreber, Kartoffelschalen, Raps-
kuchen oder Getreideschlempe. Diese Stoffe haben daher auch keinen Anspruch auf
eine entsprechende Zusatzvergütung, sondern sind auf die Grundvergütung nach
§ 27 Abs. 1 EEG beschränkt.
Alle Einsatzstoffe nach der BiomasseV – d. h. Einsatzstoffe der Einsatzstoff-
vergütungsklassen I und II sowie sonstige Einsatzstoffe – können auch gemischt
eingesetzt werden. Das bislang für den NawaRo-Bonus geltende Ausschließlich-
keitsprinzip hat der Gesetzgeber ausdrücklich aufgegeben. Möglich wird damit
insbesondere der gemischte Einsatz von Energiepflanzen und Abfallstoffen. Die
Vergütung ist dann anteilig auf der Grundlage des Energiegehalts der jeweiligen
Einsatzstoffe im Verhältnis zur gesamten Stromerzeugung zu ermitteln.
Die anzusetzenden Energieerträge der verwendeten Einsatzstoffe werden jeweils
in der BiomasseV festgelegt. Für die zur Biogaserzeugung verwendeten Einsatzstoffe
sind die in den Anlagen 1 bis 3 zur BiomasseV festgelegten Standardmethanertrags-
werte maßgeblich. Für die zur Stromerzeugung aus Feststoffverbrennung oder thermo-
chemischer Vergasung verwendeten Einsatzstoffe sind die ebenfalls in den Anlagen 1
bis 3 zur BiomasseV festgelegten Heizwerte (Hi,N) der Einsatzstoffe maßgeblich.45

Einsatzstoffbezogene Restriktionen
Nicht auf den ersten Blick ersichtlich, sieht das Gesetz bestimmte Restriktionen für
die Verwendung bestimmter Einsatzstoffe vor.
Setzen Biogasanlagen zur Gasgewinnung Mais oder sonstiges Getreide ein,
erhalten sie nur dann einen Anspruch auf die gesetzliche Vergütung, wenn der
Anteil von Mais (als Ganzpflanze) und Getreidekorn einschließlich Corn-Cob-Mix
und Körnermais sowie Lieschkolbenschrot in jedem Kalenderjahr insgesamt höchs-
tens 60 Masseprozent beträgt (sog. „Maisdeckel“, § 27 Abs. 5 Nr. 1 EEG). Der
Gesetzgeber versucht mit dieser Regelung negative Auswirkungen eines flächen-
deckenden Anbaus der Energiepflanze Mais entgegenzuwirken.46 Anlagenbetreiber
sind daher gezwungen, verstärkt andere Einsatzstoffe zu mobilisieren.
Wird durch ein Gasversorgungsnetz durchgeleitetes Biomethan (vgl. § 27c EEG)
eingesetzt, besteht der Vergütungsanspruch zudem nur für den Anteil des Stroms,
der in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt wurde (§ 27 Abs. 5 Nr. 2 EEG). Dies gilt
auch, wenn der Strom nach § 33a EEG direkt vermarktet wird.47

45
Die jeweilige Lieferbescheinigung sollte deshalb den Heizwert Hi,N ausweisen. Gelingt
der Nachweis für eine Tranche nicht, kann die anteilige einsatzstoffbezogenen Vergütung nicht
berechnet werden. Im Ergebnis entfällt für alle verwendeten Einsatzstoffe der Anspruch auf die
zusätzliche einsatzstoffbezogene Vergütung nach § 27 Abs. 2 EEG (Gesetzesbegründung, BT-
Drs. 17/6071, S. 71).
46
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 72.
47
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 72.
98 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Besondere Anforderungen an die Anlagentechnik (§ 27 Abs. 3 und 4 EEG)


Das Gesetz sieht in § 27 Abs. 3 EEG Beschränkungen vor, die den Vergütungs-
anspruch für einzelne Anlagenkategorien unter besondere Vorbehalte stellen.

Begrenzung der Bemessungsleistung für Biogasanlagen


Biogasanlagen haben nur dann einen Anspruch auf die Grundvergütung und die ein-
satzstoffbezogene Mehrvergütung, wenn sie bis zum 31.12.2013 in Betrieb gehen.
Erfolgt die Inbetriebnahme später, darf die installierte Leistung der Anlage 750 kW
nicht überschreiten (§ 27 Abs. 3 EEG). Für größere Anlagen hält der Gesetzgeber
eine vollständige Förderung mit einer garantierten Mindestvergütung nicht mehr
für angemessen. Stattdessen ist der Strom aus diesen Anlagen nach dem Marktprä-
mienmodell direkt zu vermarkten.48 Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut
des § 27 Abs. 3 EEG, der für die betreffenden Anlagen lediglich die gesetzliche
Mindestvergütung ausschließt. Eine konkrete Form der zu praktizierenden Direkt-
vermarktung wird damit gerade nicht vorgegeben. Allerdings folgt die Beschränkung
der Direktvermarktungsmöglichkeiten mittelbar aus § 33c Abs. 3 EEG, denn nur für
die Direktvermarkung nach dem Marktprämienmodell wird auf das Bestehen eines
gesetzlichen Vergütungsanspruches (dessen es nach § 33c Abs. 2 Nr. 1 lit. a) EEG
grundsätzlich bedarf) verzichtet. Von einer Direktvermarktung zur Reduktion der
EEG-Umlage (§ 33b Nr. 2 EEG) sind die großen, nach dem 31.12.2013 in Betrieb
gehenden Biogasanlagen mithin ausgeschlossen.
Im Hinblick auf eine eventuelle Projektfinanzierung dieser Anlagen mit einer
Leistung von mehr als 750 kW stellen sich daher neue Fragen: Insbesondere sind
die zu erwartenden Erlöse nicht mehr über die gesamte Förderdauer der Anlage
mathematisch berechenbar, sondern werden volatiler. Zwar führen Marktprämie und
Managementaufschlag dazu, dass der Anlagenbetreiber prinzipiell Erlöse erzielen
kann, die die gesetzliche Einspeisevergütung übersteigen. Allerdings hängt dieses
Ergebnis auch ganz wesentlich von dem jeweils mit dem Stromaufkäufer verein-
barten Kaufpreis für den erzeugten Strom ab. Im Ergebnis dürfte die Finanzierung
von Biogasanlagen mit einer Leistung von mehr als 750 kW zumindest komplexer,
aber wohl auch schwieriger werden.

Mindestwärmenutzung
Darüber hinaus stehen die Grundvergütung und die einsatzstoffabhängige Ver-
gütung unter weiteren Vorbehalten. Der Gesetzgeber koppelt diese Vergütungen
im Sinne einer ressourcen- und klimaschonenden Bioenergienutzung an bestimmte
allgemeine Vergütungsvoraussetzungen (§ 27 Abs. 4 EEG). Diese gelten allerdings
nur im Rahmen der garantierten Einspeisevergütung. Wird der Strom aus diesen
Anlagen direkt vermarktet, müssen diese Restriktionen nicht berücksichtigt werden
(§ 33c Abs. 3, § 33 h Satz 2 EEG).
Um einen Anspruch auf die gesetzliche Einspeisevergütung zu erhalten, müssen
Biomasseanlagen zukünftig über das gesamte Kalenderjahr betrachtet eine Nut-
zung von mindestens 60 % der anfallenden Wärme entsprechend den Vorgaben für

48
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 71 und 81.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 99

anerkennungsfähige Wärmenutzung nach Anlage 2 des Gesetzes nachweisen (§ 27


Abs. 4 Nr. 1 EEG).49 Da viele Anlagen ihre volle Wärmeleistung in der Anlauf-
phase nach Inbetriebnahme noch nicht erreichen, genügt zur Vermeidung unbilliger
Härten bis zum Ende des ersten auf die Inbetriebnahme folgenden Kalenderjahres
eine Mindestwärmenutzung von nur 25 %.50 Die Anforderungen an die Mindest-
wärmenutzung entsprechen im Wesentlichen den bislang für den KWK-Bonus
geltenden Anforderungen, der im Gegenzug gestrichen wurde.51
Zur Erfüllung des Mindestanteils der Wärmenutzung kann der prozessinterne
Wärmebedarf der Anlage (z. B. zur Beheizung des Fermenters) von bis zu 25 Pro-
zentpunkten des in KWK erzeugten Stroms mit berücksichtigt werden.
Biogasanlagen sind ausnahmsweise von der Mindestwärmenutzung befreit,
wenn zur Gewinnung des eingesetzten Biogases im jeweiligen Kalenderjahr ein
durchschnittlicher Anteil von Gülle in Höhe von 60 % eingesetzt wird (§ 27 Abs. 4
Nr. 2 EEG). Der Gesetzgeber honoriert damit, dass durch die Güllevergärung
Methanemissionen vermieden werden, die ähnlich wie ein hoher Kraft-Wärme-
Kopplungs-Anteil einen besonders positiven Beitrag zum Klimaschutz leisten.52

Nachweisanforderungen (§ 27 Abs. 5 bis 8 EEG)


Um den gesetzlichen Vergütungsanspruch geltend zu machen, muss der Anlagen-
betreiber detaillierte Nachweise über die eingesetzten Rohstoffe führen. Im Einsatz-
stoff-Tagebuch sind deshalb die Angaben über Art, Menge, Einheit sowie Herkunft
der eingesetzten Stoffe mit den entsprechenden Belegen zu dokumentieren (§ 27
Abs. 5 EEG).53
Darüber hinaus sind bestimmte Nachweise zu festgelegten Zeitpunkten gegen-
über dem Strom aufnehmenden Netzbetreiber zu erbringen und zwar jeweils bei
erstmaliger Inbetriebnahme der Anlage und sodann fortlaufend jeweils bis zum
28.2. eines Jahres für das jeweils vorangegangene Kalenderjahr (vgl. § 27 Abs. 6
EEG):
• Voraussetzungen der einsatzstoffabhängigen Vergütung nach § 27 Abs. 2 EEG
durch Gutachten eines Umweltgutachters,
• Erfüllung der Mindestwärmeerzeugung nach Maßgabe von Nr. 2 der Anlage 2
zum EEG bzw. dem alternativen Gülleeinsatz durch das Gutachten eines
Umweltgutachters,
• Einhaltung der Mengenbegrenzung für den Einsatz von Mais und Getreidekorn
(§ 27 Abs. 5 Nr. 1 EEG) durch Vorlage einer Kopie des Einsatzstoff-Tagebuches,

49
Für Anlagen, die Biomethan zur Stromerzeugung einsetzen, besteht darüber hinaus der Vergü-
tungsanspruch nur, soweit der Strom in Kraft-Wärme-Kopplung nach Maßgabe der Anlage 2 zum
EEG erzeugt wird (vgl. § 27 Abs. 5 Nr. 2 EEG).
50
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 71.
51
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 71.
52
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 72.
53
Müssen Kopien des Einsatzstoff-Tagebuchs später zur Nachweisführung vorgelegt werden,
sind sämtliche personenbezogene Daten, die nicht für den Nachweis erforderlich sind, zu
schwärzen (§ 27 Abs. 8 EEG).
100 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

• Nachweis der Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung beim Einsatz von


Biomethan nach Maßgabe von N. 2 der Anlage 2 zum EEG.
Können die notwendigen Nachweise nicht erbracht oder nicht im geforderten
Umfang erbracht werden, so entfällt dadurch der gesetzliche Vergütungsanspruch
im Gegensatz zur Vorgängerregelung nicht vollständig. Allerdings reduziert er
sich für das gesamte Kalenderjahr auf den Marktwert des abgenommenen Stroms.
Maßgeblich ist der durchschnittliche Monatsmittelwert der Stundenkontrakte auf
dem Spotmarkt der Strombörse in Leipzig (§ 27 Abs. 7 Satz 1 EEG). Auch die
entsprechenden Zusatzvergütungen (einsatzstoffbezogene Vergütung sowie Gas-
aufbereitungsbonus) sind hiervon betroffen. Diese Reduktion ist allerdings nicht
endgültig. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche können im Folgejahr wieder auf-
leben, wenn dann die entsprechenden Voraussetzungen eingehalten werden.54
Da es in der Vergangenheit mehrfach vorgekommen ist, dass die Betreiber von
Biomasseanlagen ihren Wärmeabsatz im Laufe der Zeit nicht mehr im erforderlichen
Umfang sichern konnten (etwa weil ein zentraler Wärmekunde nach einigen Jahren
weggebrochen ist), stand jeweils in Frage, ob der gesamte Vergütungsanspruch
dadurch in Frage gestellt werden soll. Der Gesetzgeber hat sich nun vermittelnd
dagegen entschieden. Kann nach Ablauf von fünf Jahren nach Inbetriebnahme der
Anlage die Mindestwärmenutzung nach § 27 Abs. 4 EEG nicht mehr nachgewiesen
werden, so reduziert sich die Vergütung ab dem sechsten Jahr nicht mehr auf den
Marktpreis, sondern nur auf 80 % der gesetzlichen Vergütung für das jeweilige
Folgejahr. Voraussetzung ist allerdings, dass alle sonstigen Voraussetzungen wei-
terhin eingehalten werden (§ 27 Abs. 7 Satz 2 EEG).

Vergütung für Strom aus Biomassevergärungsanlagen (§ 27a EEG)


Alternativ zur Vergütung nach § 27 EEG können Anlagen, die pro Kalenderjahr
mindestens 90 Masseprozent Bioabfälle vergären und das hieraus erzeugte Biogas
zur Verstromung einsetzen, nach § 27a EEG einen eigenständigen Vergütungs-
anspruch geltend machen. Die besonderen Kostenstrukturen für diese Einsatzstoffe
rechtfertigen nach Ansicht des Gesetzgebers eine eigenständige Vorgabe von Ver-
gütungsätzen.55
Erfasst sind allerdings nur spezielle, getrennt erfasste Bioabfälle im Sinne der
Bioabfallverordnung mit den Schlüsselnummern
• 20 02 01 (Garten- und Parkabfälle, Landschaftspflegeabfälle, Gehölzrodungs-
rückstände sowie pflanzliche Bestandteile des Treibsels),
• 20 03 01 (im Hausmüll getrennt in Biotonnen erfasste Bioabfälle) und
• 20 03 02 (Marktabfälle).
Die Erfüllung dieser stofflichen Anforderungen ist gemäß § 27a Abs. 5 Nr. 1
EEG in entsprechender Anwendung von § 27 Abs. 5 EEG über das Einsatzstoff-
Tagebuch nachzuweisen.

54
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 72.
55
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 73.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 101

Bislang werden diese Abfälle überwiegend sofort kompostiert und sollen nun –
soweit dafür geeignet – vorab in einer Vergärung als Vorstufe der Kompostierung
auch einer energetischen Nutzung zugeführt werden. Der Anwendungsbereich ist
deshalb eng gefasst worden, um unerwünschte Umlenkungen von energiereichen
Reststoffen zu verhindern, die schon bislang vergoren wurden.56
Die Vergütung beträgt für Anlagen bis zu einer Bemessungsleistung von
• 500 kW: 16,0 Cent/kWh und
• 20 MW: 14,0 Cent/kWh.
Allerdings ist eine Vergütung für Strom aus Anlagen mit einer installierten Leis-
tung über 750 kW, die erst nach dem 31.12.2013 in Betrieb genommen werden,
ausgeschlossen (§ 27a Abs. 2 EEG). Größere Anlagen sollen den erzeugten Strom
dann direkt vermarkten. Wird das Marktprämienmodell gewählt, bestimmt § 33 h
EEG die entsprechende Höhe.
Voraussetzung ist schließlich, dass die Biogasanlage mit einer Einrichtung zur
Nachrotte der festen Gärrückstände verbunden ist und die nachgerotteten Gärrück-
stände stofflich verwertet werden (§ 27a Abs. 3 EEG). Diese Vorgabe ist nicht
neu, sondern entstammt dem nicht in das neue EEG übernommenen Technologie-
Bonus für Bioabfallvergärung nach der bisherigen Nummer II.1.i der Anlage 1 zum
EEG 2009.
Eine Kombination der Vergütung nach § 27a EEG mit einer Vergütung nach § 27
EEG ist nicht möglich. § 27 Abs. 4 EEG schließt dies ausdrücklich aus. Möglich ist
hingegen eine Kombination mit dem Gasaufbereitungs-Bonus nach § 27c Abs. 2
EEG. Dieser erfasst auch die Aufbereitung von Gas aus der Bioabfallvergärung.
Auf den Betrieb von Bioabfall-Vergärungsanlagen finden schließlich bestimmte
Regelungen des § 27 EEG entsprechende Anwendung (§ 27a Abs. 5 EEG). Es
handelt sich um:
• die Regelungen zur Wärmenutzung bei Biomethan-Anlagen nach § 27 Abs. 5
Nr. 2 EEG und zum Einsatz flüssiger Biomasse zur Anfahr-, Zünd- und
Stützfeuerung nach § 27 Abs. 5 Nr. 3 EEG sowie die diesbezüglichen Nachweis-
regelungen in § 27 Abs. 6 Nr. 4 und 5 EEG,
• bezüglich der Rechtsfolgen einer nicht nachgewiesenen Einhaltung der Ver-
gütungsvoraussetzungen die Regelungen des § 27 Abs. 7 Satz 1 EEG,
• die Pflicht zur Führung eines Einsatzstoff-Tagebuchs einschließlich der daten-
schützenden Regelung des § 27 Abs. 8 EEG.

Vergütung für Strom aus kleinen Gülle-Anlagen (§ 27b EEG)


Einen besonderen Vergütungsanspruch gewährt darüber hinaus § 27b EEG für
Strom aus Biogas, das durch die anaerobe Vergärung von Biomasse mit einem
Gülleanteil von kalenderjährlich im Durchschnitt mindestens 80 Masseprozent
erzeugt wurde.57

Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 73.


56

Als Gülle gelten Pferdemist, Rinderfestmist, Rindergülle, Schafmist, Ziegenmist, Schweinef-


57

estmist sowie Schweinegülle (vgl. § 27b Abs. 1 Nr. 3 EEG i. V. m. Nr. 9, 11 bis 15 der Anlage 3
zur BiomasseV). Nicht als Gülle für die Anrechnung auf den geforderten Anteil von 80 Massepro-
zent gelten hingegen Geflügelmist und Geflügeltrockenkot.
102 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Die Stromerzeugung muss in diesem Fall jedoch am Standort der Biogas-


erzeugungsanlage und in einer Anlage mit einer maximalen installierten elek-
trischen Leistung am Standort von höchsten 75 kW erfolgen (§ 27b Abs. 1 EEG).
Der Gesetzgeber zielt damit bewusst auf die Förderung kleinerer Hofanlagen ab, die
vor Ort anfallende Gülle unmittelbar verwerten. Sogenannte „Satelliten-BHKW“,
die an einem anderen Standort als dem Betriebsstandort der Biogaserzeugung
errichtet werden und das benötigte Biogas über eine längere Biogasdirektleitung
beziehen, sind daher nicht von dieser besonderen Vergütungsregelung erfasst.58
Zusätzlich gegen die Förderung größerer Anlagen spricht die Begrenzung
der installierten elektrischen Leistung „am Standort“ (§ 27b Abs. 1 Nr. 2 EEG).
Allerdings steht der Begriff des „Standorts“ nicht zweifelsfrei fest, sondern ist der
Interpretation zugänglich. Folgt man dem Willen des Gesetzgebers, der an einem
Standort mehrere einzelne Anlagen mit einer installierten elektrischen Leistung
von insgesamt mehr als 75 kW verhindern will, um die höhere Förderung nicht
ausufern zu lassen59, wird man den Begriff des Standortes weit und insbesondere
über Grundstücksgrenzen hinausgehend verstehen müssen. Erforderlich erscheint
eine Betrachtung, die aus Sicht eines objektiven Dritten nach der funktionalen
Zusammengehörigkeit verschiedener Anlagenkomponenten fragt. Selbst unmittel-
bar aneinander angrenzende Anlagen wird man daher als „getrennte Standorte“
betrachten müssen, wenn die Anlagen von unterschiedlichen Betreibern völ-
lig unabhängig voneinander betrieben werden (insbesondere eigene Rohstoff-
beschaffung aus eigenen Ställen). Dass derartige Anlagen gegebenenfalls den
gleichen Stromnetzanschluss zur Einspeisung des erzeugten Stroms nutzen, tritt
demgegenüber zurück, weil der Stromnetzanschluss in der Regel keine Aus- oder
Rückwirkungen auf die Größenbemessung einer Biogasanlage hat.
Auch die Vergütung von Strom von Anlagen zur Vergärung von Gülle erfolgt auf
der Grundlage einer speziellen Regelung, die hinsichtlich weiterer Voraussetzungen
und Nachweisanforderungen auf die allgemeinere Norm des § 27 EEG verweist
(§ 27b Abs. 3 EEG). Es handelt sich um
• die Regelungen zum Einsatz flüssiger Biomasse zur Anfahr-, Zünd- und
Stützfeuerung nach § 27 Abs. 5 Nr. 3 EEG sowie die diesbezüglichen Nachweis-
regelungen in § 27 Abs. 6 Nr. 5 EEG,
• bezüglich der Rechtsfolgen einer nicht nachgewiesenen Einhaltung der Ver-
gütungsvoraussetzungen die Regelungen des § 27 Abs. 7 Satz 1 EEG,
• die Pflicht zur Führung eines Einsatzstoff-Tagebuchs einschließlich der daten-
schützenden Regelung des § 27 Abs. 8 EEG.

Vergütung für Strom unter Einsatz von Biomethan (§ 27c EEG)


§ 27c Abs. 1 EEG enthält eine für die Praxis und vor allem für die weitere „Markt-
fähigkeit“ bzw. „Vermarktung“ der sogenannten Biogase wichtige gesetzliche
„Fiktion“. Das „Biogas“ (nach EEG-Definition), das an einer Stelle in der Bundes-
republik Deutschland in ein Erdgasnetz eingespeist wird, kann an irgendeiner

58
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 73.
59
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 73.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 103

anderen Stelle aus einem Gasnetz innerhalb der Bundesrepublik Deutschland


entnommen werden, um zur Stromerzeugung genutzt zu werden und dennoch
den Anspruch auf die EEG-Vergütung nach § 16 EEG begründen. Die physische
Identität des eingespeisten Gases mit dem entnommenen Gas – das in der Regel fak-
tisch Erdgas sein wird – muss aufgrund dieser Regelung nicht gewahrt sein. Diese
Regelung wurde im Zuge der EEG-Novellierung im Jahre 2004 eingeführt und in
der letzten Novelle 2011 in einem eigenen Paragraphen geregelt.60 Die wesentliche
praktische Bedeutung dieser Regelung besteht überwiegend darin, dass derjenige,
der das Biogas produziert, dieses nicht vor Ort zur Stromerzeugung nutzen muss,
sondern es auch etwa an einen dritten EEG-Anlagenbetreiber veräußern kann, der
nicht vor Ort ist.61

Gaseinspeisung
Nach § 27c EEG kann die Sammlung des Biogases örtlich – durch Einspeisung ins
Erdgasnetz – von dem Einsatz in einer EEG-Anlage getrennt werden. Damit wird
der Transport der Grundstoffe des Biogases zum Ort der EEG-Anlage vermieden
und durch den Transport in einer Erdgasleitung ersetzt.
Das EEG ersetzt hier das Erfordernis der physischen Identität von produziertem
Biogas mit dem in der EEG-Anlage eingesetzten Gas. Insofern wird das Aus-
schließlichkeitsprinzip durch das Wärmeäquivalent ersetzt. Nur mit dieser Fiktion
des § 27c Abs. 1 EEG kann der Zweck des ortsunabhängigen Einsatzes von Biogas
erreicht werden. Tatsächlich wird durch die Einspeisung in ein Erdgasnetz das
Biogas derart mit dem fossilen Erdgas untrennbar vermischt, dass eine ausschließ-
liche Nutzung von EEG-Einsatzstoffen physisch unverzüglich unmöglich wird.62
Die Fiktion setzt voraus, dass die Menge des entnommenen Gases im Wär-
meäquivalent der Menge des an anderer Stelle Eingespeisten entspricht.
Wie oben dargestellt, kommt der weite Begriff für Biogas nach dem EnWG im
Rahmen des EEG nicht zur Anwendung. Der Regelung nach § 27c Abs. 1 EEG
unterfallen nur Gasmengen im Wärmeäquivalent, deren Gegeneinspeisung tatsäch-
lich auf Gasen beruht, die im EEG definiert sind. Dabei kommt es nach dem EEG
ausschließlich darauf an, dass eine Einspeisung erfolgt ist. Der physische Transport
des Biogases spielt i. R. d. im EEG keine Rolle. Dies erfolgt nach den allgemeinen
Regeln der GasNZV und der Kooperationsvereinbarung der Netzbetreiber (KoV
IV).63

Nachweispflichten
In der Praxis kommt es darauf an, dass der EEG-Anlagenbetreiber die Einspeisung
der wärmeäquivalent entnommenen Mengen nachweisen kann. Dies kann auf
unterschiedliche Weise erfolgen.64 Das EEG stellt keine spezifischen Vorgaben

60
vgl. hierzu Klinski und Longo 2007, S. 155–157.
61
Umfassend zu den aktuellen Problemen in der Praxis Benfer et al. (2011), S. 121 ff.
62
vgl. v. Hesler, in: Gabler und Metzenthin 2011, § 27, Rn. 66.
63
„Vereinbarung über die Kooperation gemäß § 20 Abs. 1b) EnWG zwischen den Betreibern von
in Deutschland gelegenen Gasversorgungsnetzen, Änderungsfassung vom 30.06.2011“.
64
vgl. hierzu umfassend v. Hesler, in: Gabler und Metzenthin 2011, § 27, Rn. 77 ff.; Benfer et al.
2011, S. 121 ff.
104 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

für den Nachweis der Gasmenge im Wärmeäquivalent auf. Die aus dem Gasnetz
entnommene Wärmemenge wird durch die entsprechende Abrechnung des Gas-
netzbetreibers oder durch die Rechnung des Gaslieferanten nachgewiesen. Der
Nachweis über den konkreten Transportweg wird von § 27c EEG aber auch nicht
verlangt. Insofern reicht auch eine alternative Nachweismethode.65 Ausreichend ist
insoweit der Nachweis, dass eine der in der EEG-Anlage eingesetzten Gasmenge
entsprechende Gasmenge im Wärmeäquivalent in das Gasnetz eingespeist wurde
und diese Menge nicht einer anderen Verwendung zugeordnet wurde. Insoweit
hat beispielsweise die dena ein Biogasregister in Betrieb genommen, mit dem
– nach den Vorgaben eines Wirtschaftsprüfers zertifiziert zur Stromerzeugung
entnommene Gasmengen einer individualisierbaren Biogaserzeugungsanlage unter
Dokumentation der vom Biogasanlagenbetreiber angegebenen Qualifikation des
Biogases auch über mehrere Handelsstufen hinweg bis zur Ausspeisung bei einer
EEG-Anlage zugeordnet werden können.66 Da das EEG im Rahmen der Fiktion
nicht auf den tatsächlichen Einsatz der in das Gasnetz eingespeisten Biogasmenge
abstellt, sondern lediglich fordert, dass die betreffende Menge an anderer Stelle in
das Gasnetz eingespeist worden sein muss, stellt ein derartiges Register wohl ein
ausreichendes Nachweismittel für die erfolgte Einspeisung des benötigten Gases in
der jeweils bestätigten Qualität dar.
Des Weiteren ist wie bisher auch der Nachweis durch den Einsatz von
„Zertifikaten“ möglich. Dabei kommt es sowohl für den Biogaslieferanten als
auch den EEG-Anlagenbetreibern im Hinblick auf die durch das Zertifikat nach-
zuweisenden Eigenschaften darauf an, dass
• es sich um Gas aus Biomasse i. S. d. EEG handelt,
• das Gas aus Biomasse in das Gasnetz eingespeist worden ist,
• die eingespeiste Wärmemenge ausgewiesen wird,
• das Datum bzw. der Zeitraum der Einspeisung des Gases aus Biomasse erkenn-
bar ist.
Erforderlich ist jedenfalls, dass neben dem Beleg der absolut eingespeisten Ener-
giemenge in kWh auch der Nachweis erbracht wird, dass es sich dabei um Gas aus
Biomasse i. S. d. EEG handelt.
Der Nachweis der aus dem Gasnetz entnommenen Wärmemenge erfolgt durch
die Abrechnung des Gasnetzbetreibers oder durch die Rechnung des Gaslieferanten.
Auf der Rechnung ist die jeweils entnommene Wärmemenge in kWh ausgewiesen.
Allein mittels eines Biogasbilanzkreises nach § 35 GasNZV kann ein Nach-
weis nicht erfolgen. § 3 Nr. 10c EnWG und daher auch die GasNZV gehen von
einem weiteren Biogasbegriff als das EEG aus. Allein die Abwicklung der Ein-
speisung über einen Biogasbilanzkreis stellt daher keinen hinreichenden Nachweis
i. S. d. EEG dar. Insbesondere ermöglicht eine Zuordnung zu einem Biogasbilanz-
kreis nicht die Verifizierung von spezifischen Qualifikationen des betreffenden
eingespeisten Gases, da der Gasnetzbetreiber lediglich die Übereinstimmung des

65
So bereits zum EEG 2004 Graßmann und Manqua (2007), S. 100, 102 unter Entwicklung eines
„Zertifikatemodells“.
66
Näher hierzu Benfer et al. (2011), S. 121, 124.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 105

angelieferten Gases mit der von der GasNZV geforderten Erdgasqualität überprüft
und keine weiteren Angaben zur Art der Erzeugung des Biogases erhebt.

3.1.5 Alternative Vermarktungsmöglichkeiten

Neben der Gewährung einer gesetzlichen Mindestvergütung für den Strom aus
erneuerbarer Energie strebt der Gesetzgeber zunehmend die Integration ent-
sprechender Erzeugungsanlagen in die Energiemärkte an. Dementsprechend hat er
bei der Neufassung des EEG zum 1.1.2012 das hierfür maßgebliche Instrumentarium
gegenüber der ursprünglichen Verfahrensregelung zur Direktvermarktung (§ 17
EEG 2009) in den §§ 33a ff. EEG deutlich detaillierter ausgestaltet. Demgegen-
über enthält das EEG keine Vorgaben zur Vermarktung des Biogases selbst. Dieses
unterliegt keiner Förderung durch das Gesetz, so dass auch entsprechende Aus-
nahmeregelungen für einen Verkauf des Gases an Dritte nicht erforderlich sind.

3.1.5.1 Prinzipien und Funktionsweise der Direktvermarktung


Grundvoraussetzung einer Direktvermarktung ist es, dass der Betreiber einer
Biogasanlage einen Abnehmer für den von ihm erzeugten Strom findet. Hierbei
kommt ihm zugute, dass der Strom aus Biomasse im Gegensatz zu Strom aus
Wind und Sonne nicht an unkalkulierbare Witterungseinflüsse oder den Tag-Nacht-
Rhythmus gebunden ist. Strom aus Biomasse wird vielmehr zu den „verlässlichen“
und „planbaren“ Techniken der Stromerzeugung gerechnet, was sich auf die am
Markt erzielbaren Preise auswirkt.
Für die Direktvermarktung hat der Gesetzgeber drei verschiedene Verfahrens-
arten vorgesehen: das Marktprämienmodell, die Direktvermarktung zur Reduktion
der EEG-Umlage und die sonstige Direktvermarktung (§ 33b EEG).

Marktprämienmodell
Erfolgt die Direktvermarktung zur Inanspruchnahme der Marktprämie (§ 33b Nr. 1
EEG), wird der in der Anlage erzeugte Strom in das Netz eines Netzbetreibers
eingespeist und von einem Dritten (Händler) abgenommen. Der Netzbetreiber
ist dann verpflichtet, auf die entsprechend nachgewiesenen Strommengen eine
Prämie zu zahlen, um die Wertdifferenz zwischen der gesetzlichen Einspeisever-
gütung und dem erzielbaren67 Marktpreis auszugleichen (§ 33g Abs. 1 EEG). Die
Höhe der Marktprämie wird kalendermonatlich in Abhängigkeit von dem auf dem
Strommarkt für Biomassestrom erzielbaren Preis berechnet (§ 33g Abs. 2 i. V. m.
§ 33h und Anlage 4 zum EEG). Betreiber von Biogasanlagen können darüber hinaus
zusätzlich eine Flexibilitätsprämie erwerben (§ 33i EEG). Der Anlagenbetreiber
verfügt also über zwei Ansprüche: gegenüber dem Stromaufkäufer unmittelbar aus
Vertrag und gegenüber dem Netzbetreiber kraft Gesetzes auf die Marktprämie.

Es kommt also nicht auf den mit dem Stromaufkäufer tatsächlich erzielten, sondern den nach
67

objektiven Maßstäben erzielbaren Strompreis an.


106 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Ermittlung der Marktprämie


Ausgangspunkt der Berechnung der Marktprämie ist der „anzulegende Wert“
(§ 33h EEG). Hierbei handelt es sich um die gesetzliche Mindestvergütung, die eine
entsprechende Anlage nach den Regelungen der §§ 16 ff. EEG tatsächlich erzielen
könnte. Für Biogasanlagen von besonderer Bedeutung ist, dass die Vorgaben aus
§ 27 Abs. 3, § 27a Abs. 2 und § 27c Abs. 3 EEG (jeweils Größenbeschränkung
auf 750 kW) sowie § 27 Abs. 4 (Mindestwärmenutzung) nicht zu berücksichtigen
sind. Anlagen mit einer größeren installierten Leistung oder ohne eine ausreichende
Wärmenutzung wird damit der Weg in die Direktvermarktung gewiesen. Der anzu-
legende Wert ist für diese Anlagen dann so zu bestimmen, als würden sie die ent-
sprechenden gesetzlichen Einschränkungen einhalten bzw. nicht von der Vergütung
ausgeschlossen.
Die Höhe der Marktprämie („MP“) ergibt sich nach Anlage 4 zum EEG im
nächsten Schritt aus der Differenz zwischen dem anzulegenden Wert („EV“) und
dem energieträgerspezifischen Referenzmarktwert („RW“):
MP = EV − RW
Der energieträgerspezifische Referenzmarktwert variiert in Abhängigkeit von
der Steuerbarkeit der entsprechenden Stromerzeugung und ist deshalb für Strom aus
Wasserkraft, Deponiegas, Klärgas, Grubengas, Biomasse (einschließlich Biogas)
und Geothermie (insgesamt „steuerbare Energieformen“) anders zu berechnen als
für die fluktuierende Stromerzeugung aus Wind und Sonne. Hier maßgeblicher
Ausgangspunkt ist der tatsächliche Monatsmittelwert der Stundenkontrakte am
Spotmarkt der Strombörse EPEX Spot SE in Leipzig („MWEPEX“, in Cent/kWh).
Von diesem Wert wird eine Managementprämie („PMsteuerbare“) abgezogen, die die
notwendigen Kosten für Börsenzulassung, Handelsanbindung, die Transaktionen
und die Abrechnung, die IT-Infrastruktur etc. abbilden soll.
RW = MWEPEX − PMsteuerbare
Dieser Abzug bewirkt mathematisch eine Verringerung des Subtrahenden
(Managementprämie), der vom anzulegenden Wert (Minuend) abzuziehen ist. Im
Ergebnis handelt es sich also bei der Managementprämie tatsächlich um einen
Zuschlag, der dem Anlagenbetreiber zu Gute kommt – auch wenn die gesetzliche
Regelung dies nicht auf den ersten Blick erkennen lässt.
Die Höhe dieser Managementprämie ist von Anlage 4 zum EEG bereits vor-
gegeben und beträgt (vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 64f Nr. 3 EEG)
• im Jahr 2012: 0,30 Cent/kWh,
• im Jahr 2013: 0,275 Cent/kWh,
• im Jahr 2014: 0,25 Cent/kWh und
• im Jahr 2015: 0,225 Cent/kWh.
Die Höhe der Managementprämie und die zu ihrer Berechnung herangezogenen
Werte können künftig auf den Internetseiten der Übertragungsnetzbetreiber abge-
lesen werden. Eine entsprechende Veröffentlichungspflicht hat der Gesetzgeber den
Übertragungsnetzbetreibern in Ziffer 3 der Anlage 4 zum EEG auferlegt.

Flexibilitätsprämie
Betreiber von Biogasanlagen können vom Netzbetreiber zusätzlich zur Markt-
prämie eine Prämie für die Bereitstellung zusätzlicher installierter Leistung für eine
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 107

bedarfsgerechte Stromerzeugung (sog. Flexibilitätsprämie) verlangen (§ 33i Abs. 1


EEG).
Voraussetzung für die Inanspruchnahme ist nach § 33i Abs. 2 EEG, dass
• der in der Biogasanlage erzeugte Strom nach dem Marktprämienmodell direkt
vermarktet wird, also die Marktprämie in Anspruch genommen wird (eine
akzessorische Koppelung an die Zahlung der Marktprämie besteht jedoch nicht,
so dass in Fällen, in denen ausnahmsweise die Marktprämie entfällt, also ins-
besondere in den Fällen des § 33g Abs. 3 EEG, die Flexibilitätsprämie dennoch
gewährt wird, weil die Rechtsfolge des § 33g Abs. 3 EEG bereits ausreichenden
Sanktionscharakter hat68, allerdings muss die Direktvermarktung im Markt-
prämienmodell in dem gesamten Zeitraum, in dem die Prämie in Anspruch
genommen wird, eingehalten werden, da ein zwischenzeitlicher Ausstieg aus der
Marktprämie zu einem Entfallen des Anspruchs für die gesamte Zukunft führt.69
• die Bemessungsleistung der Biogasanlage in dem jeweiligen Kalenderjahr,
für das die Prämie in Anspruch genommen wird, mindestens das 0,2fache der
installierten Leistung beträgt; die Flexibilitätsprämie soll also nur solchen
Anlagen gewährt werden, die über eine gewisse Mindestauslastung verfügen.
• die Anlage in einem Anlagenregister angemeldet worden ist und ein Umwelt-
gutachter vorab die technische Eignung der Anlage für eine bedarfsorientierte
Stromerzeugung bescheinigt hat.
• die Inanspruchnahme der Prämie dem Netzbetreiber vorab angezeigt wurde
(§ 33i Abs. 3 EEG).
Die Höhe der Flexibilitätsprämie wird kalenderjährlich anhand der in Anlage 5
zum EEG vorgegebenen Formeln berechnet (§ 33i Abs. 3 EEG) und für einen
Zeitraum von 10 Jahren gezahlt (§ 33i Abs. 4 EEG).

Direktvermarktung zur Reduktion der EEG-Umlage (Grünstromprivileg)


Darüber hinaus kann der Strom auch im Wege des „Grünstromprivilegs“ zur Ver-
ringerung der EEG-Umlage direkt vermarktet werden (§ 33b Nr. 2 i. V. m. § 39
EEG). Der Anlagenbetreiber verlässt hier den gesetzlichen Anspruch formal völ-
lig zu Gunsten einer marktorientierten Vergütung des erzeugten Stroms. Faktisch
lassen sich für Anlagenbetreiber auf diese Weise durchaus höhere Erlöse als auf der
Grundlage der gesetzlichen Mindestvergütung erzielen. Ohne einen entsprechenden
finanziellen Anreiz in Form eines höheren Strompreises würde sonst kein Anlagen-
betreiber in diese Form der Direktvermarktung wechseln.
Der Netzbetreiber wird im Rahmen dieses Modells darauf reduziert, den
erzeugten Strom abzunehmen und gegebenenfalls noch zu messen. Zahlungen hat
er gegenüber dem Anlagenbetreiber nicht zu leisten. Der Anspruch auf gesetzliche
Mindestvergütung ist in diesem Fall ebenso ausgeschlossen wie die Zahlung einer
Marktprämie.

68
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 81.
69
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 81.
108 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Die Einzelheiten der Grünstromvermarktung i. S. d. § 39 EEG sollen hier jedoch
nicht näher dargestellt werden, weil es sich hierbei nicht mehr um biogasspezifische
Fragen handelt.

Abgrenzung zum Eigenverbrauch


Keine Direktvermarktung im vorgenannten Sinne ist die Veräußerung des erzeugten
Stroms an Dritte, die den Strom in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Anlage ver-
brauchen und der Strom nicht durch ein öffentliches Netz durchgeleitet wird (§ 33a
Abs. 2 EEG). Für diese Form der Vermarktung gelten die im Abschn. 3.1.5.2 dar-
gestellten Anforderungen an die Formen und Fristen nicht. Zweck dieser Regelung
ist die Privilegierung kleinräumiger Versorgungskonzepte, die unter Ausnutzung
der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien die vorgelagerten Energiever-
sorgungsnetze nicht belasten.
In der Praxis wird es deshalb häufig darauf ankommen, ob die vom Gesetz
geforderte „unmittelbare räumliche Nähe“ im konkreten Fall noch gegeben ist.
Allerdings ist dieser Terminus im EEG nicht definiert und auch aus der Gesetzes-
begründung lassen sich kaum konkrete Hinweise entnehmen. Aus den Bezügen
auf „regionale Ansätze“, eine „kleinräumige Lösung“, die Energieversorgung
„unmittelbar vor Ort“, oder die Stromerzeugung für ein „benachbartes Sägewerk“
lässt sich kaum eine belastbare Abgrenzung herleiten.
Allerdings wird der Begriff der „unmittelbaren räumlichen Nähe“ seit längerem
an anderer Stelle im EEG gebraucht, so dass sich eine vergleichende Betrachtung
anbietet. Insbesondere im Zusammenhang mit der Abgrenzung des Selbstver-
brauchs von Strom aus solarer Strahlungsenergie, der an oder auf Gebäuden
gewonnen wird, wird darauf Bezug genommen (vgl. § 33 Abs. 2 EEG 2009). Die
neue Rechtslage übernimmt diesen Ansatz und stellt klar, dass in diesen Fällen
keine Direktvermarktung vorliegt (vgl. § 33a Abs. 2 EEG 2012 sowie § 16 Abs. 3
Nr. 2 und § 33 Abs. 2 EEG 2012). Der Gesetzgeber hat in dieser Hinsicht kein neues
Recht geschaffen, sondern die derzeit geltende Rechtslage (§ 33 Abs. 2 EEG 2009)
„bestätigt“.70
Allerdings gehen die Rechtsansichten zum Begriff der „unmittelbaren räumlichen
Nähe“ im Rahmen des § 33 Abs. 2 EEG 2009 auseinander, so dass kaum von einer
„Bestätigung“ gesprochen werden kann. So wird z. T. sehr eng auf die Versorgung
von Abnehmern im selben Gebäude, auf demselben Grundstück bzw. zumindest auf
unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstücken abgestellt.71 Andere lassen bei der
Auslegung der unmittelbaren räumlichen Nähe im Rahmen des § 33 Abs. 2 EEG
noch die Belieferung von Wohnsiedlungen zu, solange diese nicht über das all-
gemeine Netz versorgt werden.72
Für das enge Verständnis spricht aber vor allem der Wortsinn der „unmittelbaren“
räumlichen Nähe: dicht gedrängt, direkt, eng beieinander, eng nebeneinander,

70
Gesetzesbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, S. 78.
71
Salje 2009, § 33, Rn. 49; Böhmer und Weißenborn (Hrsg.) 2009, S. 362.
72
Schomerus, in: Frenz und Müggenborg (Hrsg.) 2010, § 33, Rn. 35; Bönning, in: Reshöft
(Hrsg.) 2009, § 33, Rn. 21.
3.1  Das deutsche Regulierungssystem für Biogas 109

gequetscht, geschlossen, nahe, nahebei, dicht (Woxikon 2012). Hätte der Gesetz-
geber die Unmittelbarkeit der räumlichen Nähe lockern wollen, hätte er ohne Wei-
teres – ähnlich wie im Rahmen des § 37 Abs. 3 Nr. 2 lit b) EEG 2012 – nur von
einem „räumlichen Zusammenhang“ sprechen können. Gerade dies hat er aber
nicht getan. Für eine über das angrenzende Nachbargrundstück hinausgehende Aus-
legung der „unmittelbaren räumlichen Nähe“ dürfte daher kein Raum sein. Hin-
zuweisen ist allerdings auf die Empfehlung der Clearingstelle EEG, die eine funk-
tional wertbezogene Auslegung heranzieht. Dieser Ansatz erscheint schlüssig und
vorzugswürdig, ist bislang aber noch nicht gerichtlich bestätigt.73

3.1.5.2 Pflichten bei der Direktvermarktung


Um eine Direktvermarktung möglich zu machen, müssen bestimmte Anforderungen
des Gesetzes eingehalten werden (vgl. §§ 33c, 33d EEG).

Allgemeine Anforderungen an die Direktvermarktung


So muss der direkt vermarktete Strom dem Grunde nach trotzdem die gesetzlichen
Anforderungen an die Mindestvergütung einhalten. Auch darf der Netzbetreiber kein
vermiedenes Netzentgelt nach § 18 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV)
ausschütten. Unter technischen Gesichtspunkten muss die direkt vermarktende
Anlage – unabhängig von der installierten Leistung – mit Einrichtungen zur fern-
gesteuerten Reduktion der Einspeiseleistung sowie mit einer fernauslesbaren regis-
trierenden Leistungsmessung ausgestattet sein (§ 6 Abs. 1 EEG). Schließlich ist aus
Transparenz- und Nachweisgründen der direkt vermarktete Strom in einem Bilanz-
oder Unterbilanzkreis zu bilanzieren, in dem ausschließlich Strom bilanziert wird,
der in derselben Form der Direktvermarktung (entweder Marktprämienmodell oder
Grünstromprivileg) vermarktet wird.

Wechsel zwischen den Direktvermarktungsformen und der gesetzlichen


Vergütung
Angelehnt an § 17 EEG 2009 sieht auch die neu gefasste gesetzliche Regelung
ein besonderes Verfahren vor, nach dem der Wechsel zwischen den verschiedenen
Formen der Direktvermarktung und der gesetzlichen Mindestvergütung zu erfolgen
hat (§ 33d EEG).
Anlagenbetreiber müssen den geplanten Wechsel dem Netzbetreiber vor Beginn
des jeweils vorangegangenen Kalendermonats mitteilen, für eine geplante Direkt-
vermarktung ab dem 1.7.2012 also spätestens zum 30.5.2012. Entsprechendes gilt
für den Wechsel zurück in das System der gesetzlichen Mindestvergütung.
Beim Wechsel in die Direktvermarktung oder in eine andere Form der Direktver-
marktung muss die Anzeige weitere Details enthalten, nämlich
• die Form der Direktvermarktung, in die gewechselt wird (§ 33d Abs. 2 Nr. 1
EEG) und
• den Bilanzkreis, dem der direkt vermarktete Strom zugeordnet werden soll
(§ 33d Abs. 2 Nr. 2 EEG).

73
Clearingstelle EEG, Empfehlung 2011/2/1 vom 29.09.2011, Rn. 59 ff.
110 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Bislang kann diese Anzeige noch formlos geschehen. Das Gesetz selbst sieht
keine besonderen Vorgaben vor. Insbesondere hinsichtlich bestehender Nachweis-
fragen wäre aber die Text- oder besser die Schriftform zu empfehlen. Allerdings
plant der Gesetzgeber auch hier eine Vereinheitlichung. So hat er die Netzbetreiber
verpflichtet, unverzüglich, spätestens jedoch zum 1.1.2013 ein bundesweit ein-
heitliches, massengeschäftstaugliches elektronisches Verfahren und entsprechende
Datenformate zu entwickeln, um die anfallenden Geschäftsprozesse angemessen
zu bewältigen (§ 33d Abs. 3 EEG). Sind derartige Verfahren und Formate etabliert,
dann sind diese auch für die Anlagenbetreiber verpflichtend (§ 33d Abs. 4 EEG).

Konsequenzen von Verfahrensfehlern


Die Rechtsfolgen von Verstößen gegen diese Vorgaben richten sich nach den Rege-
lungen des § 33 g Abs. 3 EEG (Entfall der Marktprämie) und § 39 Abs. 2 EEG (Ver-
bot der Anrechnung auf die Grünstromquote). Die Rechtsfolgen treten sowohl bei
einem Verstoß gegen die allgemeinen Anforderungen an die Direktvermarktung ein
als auch bei einem Verstoß gegen die spezielleren Vorgaben zum Wechselprozess.

3.1.5.3 Rechtsfolgen einer Direktvermarktung


Solange Strom direkt vermarktet wird, entfällt der Anspruch auf die gesetzliche
Mindestvergütung (§ 33e EEG). Allerdings läuft die Frist, innerhalb derer der
Strom einer Anlage den gesetzlichen Anspruch geltend machen kann (vgl. § 21
Abs. 2 EEG: 20 Jahre zuzüglich Inbetriebnahmejahr), weiter. Eine zwischen-
zeitliche Direktvermarktung führt also nicht zu einer Verlängerung der Gesamtver-
gütungsdauer.

3.2 Projektverträge: Generalunternehmervertrag und


Biomasseliefervertrag

Kerstin Semmler

3.2.1 Einführung

Eine fachgemäße Ausgestaltung von Verträgen ist grundsätzlich wohl das beste
Mittel, um langfristig Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zwischen zwei Parteien
zu gewährleisten. Damit diese Wirkung erzielt werden kann, bedarf es nicht nur
der Beachtung der rechtlichen Grenzen, sondern insbesondere einer umfassenden
Berücksichtigung der tatsächlichen Bedürfnisse der Parteien. Diese zu analysieren ist
meist bereits aufwendig und durchaus auch langwierig. Innerhalb dieses Abschnittes
werden nachfolgend der Generalunternehmervertrag und der Biomasselieferver-
trag in Bezug auf Biogas vor diesem Hintergrund dargestellt und die wesentlichen
Elemente erläutert. Eine abschließende und umfassende Beschreibung aller
Eventualitäten ist allerdings nicht intendiert, da eine schier unendliche Zahl von
Einzelinteressen zu berücksichtigen wäre, die jeglichen Rahmen einer Publikation
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 111

sprengen würde. Die hier abgebildeten Punkte zu den Besonderheiten „Biogas“


bilden aber neben den klassischen Standardvertragsklauseln die wichtigsten Ele-
mente für eine tragfähige und belastbare vertragliche Konstruktion im Hinblick auf
Biogas-Projekte.

3.2.2 Der Generalunternehmervertrag

3.2.2.1 Vertragliche Vorüberlegungen


Die Wahl der richtigen Anlage
Die Errichtung einer Biogasanlage stellt den Projektträger vor eine Vielzahl
notwendiger Entscheidungen. Zunächst gilt es herauszufinden, was für eine
Anlagenart errichtet werden soll. Bei der Biogaserzeugung lässt sich dem Grunde
nach zwischen zwei Grundmodellen differenzieren. Einerseits kann das Ziel einer
Biogasproduktion ausschließlich in der Erzeugung und Veräußerung des Sekundär-
energieträgers Biogas liegen (reine Biogaserzeugung), andererseits kann die
Biogaserzeugung aber auch nur der Ausgangspunkt für eine angeschlossene End-
und/oder Nutzenergieproduktion sein (End- und Nutzenergieerzeugung mittels
Biogas). Eine Kombination beider Grundziele ist zwar grundsätzlich möglich,
wird in der Regel aber nicht verfolgt, da verbundene End- und/oder Nutzenergie-
erzeugungskapazitäten meist zu 100 % mit der Biogasproduktion korrelieren (vgl.
Scholwin und Edelmann 2009, S. 916). Weiterhin besteht die Möglichkeit einer
energetischen Verwertung der bei der Biogaserzeugung anfallenden Gärreste im
Wege der Befeuerung eines Biomasseheizkraftwerks (BHKW).
Aus den verschiedenen Anlagenarten ergeben sich wiederum unterschiedliche
Vergütungsregelungen aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2009).74 Diese
wurden durch die Novellierung des EEG in 201175 (nachfolgend: EEG 2012) unter
anderem durch Neufassung des § 27 EEG 2012 sowie die Einführung der §§ 27a,
27b und 27c EEG 2012 umfassend geändert.
Die Entscheidung, welcher Anlagentyp errichtet werden soll, hängt letztlich von
einer Vielzahl von Faktoren ab, wobei die zentrale Frage darin besteht, was für
ein Anlagentyp bei welcher Anlagengröße am Standort X am wirtschaftlichsten zu
betreiben ist.76 Neben den üblichen betriebswirtschaftlichen Erwägungen gilt es
im Hinblick auf die Errichtung einer Biogasanlage folgende besondere Faktoren
möglichst frühzeitig in die Planung einzubeziehen (vgl. hierzu Scholwin et al.
2009b, S. 906 ff.):

74
Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien (Eneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) vom
25. Oktober 2008, BGBl. I S. 2074, zuletzt geändert durch Art. 1 EuroparechtsAnpG Erneuerbare
Energien vom 12.04.2011 (BGBl. I S. 619).
75
Mit Annahme des Gesetzesentwurfs BT-Drs. 17/6071 durch den Deutschen Bundestages am
30.06.2011 (BGBl. Teil I Nr. 42 vom 04.08.2011) wurde im Zuge der sog. „Energiewende“ eine
umfassende Novellierung des EEG auf den Weg gebracht.
76
Ausführungen zur Wirtschaftlichkeit in Bezug auf Anlagenart und -größe finden sich bei Hoff-
mann (2011), S. 9.
112 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

• Welche planungs- und genehmigungsrechtlichen Anforderungen ergeben sich


aus der jeweiligen Anlagenart, -größe und dem geplanten Standort?77
• Sind die erforderlichen Substrate in ausreichender Menge verfügbar und bieten
sich ausreichende Lagerkapazitäten?78
• Welche Verwendungsmöglichkeiten bieten sich für die Gärreste?
• Wie gestaltet sich der Zugang zu den einzuspeisenden Netzen?
• Im Hinblick auf eine Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und Nutzung am
potenziellen Standort: Sind Wärmesenken vorhanden und wo befinden sich
diese?
• Kommt eine spätere Kapazitätserweiterung der Anlage in Betracht?
• Gibt es spezielle Förderprogramme für bestimmte Anlagentypen und welche
Fördervoraussetzungen sind zu erfüllen bzw. zu beachten?79

Die Art der Errichtung


An diese nötigen Vorüberlegungen anknüpfend stellt sich für den Projektbetreiber
die Frage, auf welche Art und Weise die Anlage errichtet werden soll.80 Neben der
individuellen Auftragserteilung besteht die Möglichkeit, einen Generalunternehmer
mit der Errichtung der geplanten Anlage zu beauftragen.
Hierbei kann bereits eingangs festgehalten werden, dass die Errichtung einer
modernen Biogasanlage aufgrund der technischen sowie technologischen Bege-
benheiten eines umfassenden Sachverstands bedarf. Daher bietet es sich an, die
Erbringung einer solchen komplexen Bauleistung durch einen Generalunternehmer
verwirklichen zu lassen (vgl. ETI 2011, S. 71). Insbesondere ermöglicht ein der-
artiges Vorgehen durch die Vereinbarung eines Pauschalpreises eine weitestgehende
Kostensicherheit des angestrebten Projektes (vgl. Kapellmann 2004, Rn. 5, 32).
Außerdem ist es auf diese Weise möglich, das Fertigstellungsrisiko hinsichtlich
des Bauwerks umfassend auf den Generalunternehmer abzuwälzen. Weiterhin
besteht zumindest die Aussicht, dass auf diese Weise Termin- und Qualitätsrisiken
minimiert werden und sich darüber hinaus die Projektrealisationsdauer minimieren
lässt.81 Schließlich kann durch die Einschaltung eines Generalunternehmers eine
einheitliche Mängelhaftung realisiert werden.

77
Für den Standort der Biogasanlage sollte neben der Klärung der grundsätzlichen Geeignetheit
der Fläche in baurechtlicher Hinsicht darüber hinaus ein sog. Baugrundgutachten durchgeführt
werden, um zu überprüfen, ob der geplante Standort auch die notwendige Tragfähigkeit für die
Errichtung der Anlage aufweist. Vgl. insoweit Plöchl (2011), S. 70. Damit die Genehmigung und
Umsetzung der geplanten Anlage möglichst zügig erfolgen können, hat sich in der Praxis das sog.
„Scoping-Verfahren“ etabliert. Vgl. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (2006), S. 141.
78
Ein Transport von Substraten über mehr als 20 km ist in der Regel auf Grund deren geringer
Energiedichte nicht wirtschaftlich (Erdmann und Zweifel (2010), S. 223).
79
Vgl. unter anderem Förderprogramm der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe e. V. mit
einem Fördervolumen von 53 Mio. € in 2011 (www.nachwachsenderohstoffe.de).
80
Im Falle einer öffentlichen Auftragsvergabe sind die vergaberechtlichen Anforderungen aus
dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) der Vergabeverordnung (VgV) bzw. der
Sektorenverordnung (SektVO) und die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A)
zu beachten.
81
Stichwort „fast track“.
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 113

Dass die Errichtung durch einen Generalunternehmer aber auch Nachteile in


sich birgt, liegt auf der Hand: So kann es, abhängig von der individuellen Vertrags-
ausgestaltung, passieren, dass der Projektbetreiber bzw. Auftraggeber Gestaltungs-
möglichkeiten hinsichtlich der konkreten Anlagenverwirklichung verliert. Auch
stellt sich die Frage, ob durch die Einschaltung eines Generalunternehmers die Pro-
jektkosten höher ausfallen als bei einer individuellen Auftragsvergabe (vgl. hierzu
Kapellmann 2004, Rn. 11 m. w. N.). Schließlich steht der Projektbetreiber einem
erfahrenen und regelmäßig professionell organisierten Vertragspartner gegenüber.
Insbesondere jedoch gilt es zu beachten, dass sich im Falle der Beauftragung eines
Generalunternehmers das Insolvenzrisiko allein bei diesem konzentriert.82
Zusammenfassend sprechen nach einer gründlichen Abwägung jedoch angesichts
des Zusammenspiels vielfältiger Regelungsmaterien, des Bau- und Immissions-
rechts, ebenso wie die Regelungen des EEG zu Einspeisung und Netzanschluss und
nicht zuletzt zu beachtende Bestimmungen des Abfall- und Gewässerrechts gute
Argumente dafür, die Verwirklichung des Vorhabens in die Hände eines General-
unternehmers zu legen.83 Sollte dagegen eine entsprechende Expertise auf Seiten
des Projektträgers vorhanden sein, mag eine Einzelvergabe der jeweiligen Bauleis-
tungen vorzugswürdig sein. Auch hier wird es aber letztendlich auf den Einzelfall
ankommen müssen.

Einordnung des Generalunternehmervertrages


Hat man sich nun für die Beauftragung eines Generalunternehmers entschieden, so
schließen sich in der Regel unmittelbar die Vertragsverhandlungen über die Aus-
gestaltung der jeweiligen Rechte und Pflichten an.

Begriff des Generalunternehmervertrages


Begrifflich handelt es sich bei dem Generalunternehmer um einen Bauunternehmer,
der in seinem Bauvertrag mit dem Bauherrn die Erstellung des gesamten Bauwerks
übernommen, also sämtliche Bauleistungen zu erbringen hat. Davon führt er in der
Regel einen Teil selbst aus, während er mit den übrigen Bauleistungen sogenannte
Subunternehmer (auch Nachunternehmer genannt) im eigenen Namen und auf
eigene Rechnung beauftragt (vgl. BGH, BauR 1974, S. 134).
Der Generalunternehmer ist im Verhältnis zum Projektträger (= Auftraggeber)
Auftragnehmer der Gesamtbauleistung; er ist diesem gegenüber folglich für die
gesamte Bauleistung verantwortlich. Geschuldet ist regelmäßig die sog. Schlüssel-
fertigkeit, was nach Ansicht des BGH dann der Fall ist, wenn das zu errichtende
Objekt „nach fachlicher Meinung komplett und funktionsfähig“ ist (BGH, BauR
1984, S. 395 f.). Unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber
und den Subunternehmern bestehen dagegen nicht. Der Subunternehmer ist vielmehr
für seinen vertraglichen Leistungsbereich Auftragnehmer des Generalunternehmers,

82
Angesichts dessen gebietet es sich, dem Generalunternehmer vertraglich die Pflicht aufzuerle-
gen, für einen geeigneten Versicherungsschutz zu sorgen.
83
So auch Plöchl (2011), S. 71.
114 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

der insoweit in eine „Auftraggeberstellung“ einrückt, allerdings ohne dadurch selbst


zum Bauherrn zu werden (so Vygen und Joussen 2004, Rn. 38).
Die Subunternehmer sind in Bezug auf den Auftraggeber als Erfüllungsgehilfen
des Generalunternehmers zu qualifizieren, mit der Folge, dass dieser im Verhältnis
zum Bauherrn für deren Verschulden einzustehen hat (§ 278 BGB). Aus dieser
Vertragskonstellation ergibt sich der bereits angesprochene Vorteil, dass für den
Bauherrn keine Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich der Verursachung eines
Mangels oder einer etwaigen Bauverzögerung entstehen können – vertraglicher
Schuldner des Bauherren ist ausschließlich der Generalunternehmer.
Von dieser grundsätzlichen Selbstständigkeit der jeweiligen Vertragsverhält-
nisse sind neben der Bestimmung in § 16 Abs. 6 VOB/B84, sofern diese überhaupt
zur Anwendung kommen sollte85, von Gesetzes wegen zwei bedeutende Durch-
brechungen zu beachten:
1. Der Vergütungsanspruch des Subunternehmers wird abweichend von § 641
Abs. 2 Satz 1 BGB spätestens fällig, wenn der Generalunternehmer seinerseits
für den Leistungsanteil eine Vergütung erhält (sog. Durchgriffsfälligkeit) (vgl.
Vygen und Joussen 2004, Rn. 51).
2. Die Selbstständigkeit vom Vertrag zwischen Auftraggeber und General-
unternehmer einerseits und Generalunternehmer zu Subunternehmer anderer-
seits kann außerdem durch den Gedanken der Vorteilsausgleichung durch-
brochen werden. Dies ist nach einer Entscheidung des BGH dann der Fall,
wenn der Generalunternehmer die Vergütung für eine mangelhafte Leistung des
Subunternehmers diesem vorenthält, obgleich er wegen wirksam vereinbarter
kürzerer Verjährungsfristen im Verhältnis zum Auftraggeber keinen Regress
mehr zu befürchten hat, die wirtschaftlichen Folgen des Mangels sich also defi-
nitiv nicht mehr zu seinen Lasten auswirken können.86
Seitens des Auftraggebers lässt sich die Beauftragung von Subunternehmern
durch die Auferlegung entsprechender Informationspflichten87 des General-
unternehmers sowie durch vertraglich festgeschriebene Zustimmungserfordernisse
regulieren. Um hierbei die gebotene Praktikabilität zu gewährleisten, sollte jedoch
darauf geachtet werden, dass ein Zustimmungserfordernis nur für bedeutende
Beauftragungen festgeschrieben wird.

Abgrenzung und Erscheinungsformen


Begrifflich wird häufig zwischen Bauunternehmer-, Generalunternehmer- und dem
sog. Anlagenvertrag88 differenziert. Obgleich natürlich Unterschiede hinsichtlich

84
§ 16 Abs. 6 VOB/B ermöglicht es dem Auftraggeber, direkt an den Subunternehmer zu zahlen,
wenn dieser wegen Zahlungsverzugs des Generalunternehmers die Fortsetzung seiner Leistung
berechtigterweise verweigert. Vgl. hierzu Kapellmann und Messerschmidt (2010), Rn. 337 ff.
85
Vgl. hierzu die Ausführungen unter Abschn. 3.2.2.3.
86
Vgl. BGH, NJW 2007, 2695, 2696 und BGH, NJW 2007, 2697, 2698; kritisch Vygen und Jous-
sen (2004), Rn. 52.
87
Normierung der Pflicht des Generalunternehmers, Kopien sämtlicher Subunternehmerverträge
dem Auftraggeber zur Verfügung zu stellen.
88
Vgl. Busche (2009), § 631, Rn. 235. Häufig wird der Begriff Anlagenvertrag auch für die
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 115

des Grades der baulichen Fertigstellung bestehen, handelt es sich letztlich um den
Versuch, eine Vielzahl möglicher Gestaltungsformen begrifflich zu erfassen, ohne
dadurch einen praktischen Mehrwert zu erreichen. Nachfolgend soll deshalb auf
eine dahingehende Differenzierung verzichtet werden.
Viel wichtiger erscheint dagegen eine Abgrenzung anhand der inhaltlichen Aus-
gestaltung eines Generalunternehmervertrages. Auch eine solche Kategorisierung
ist natürlich äußerst schematisch. Dennoch ist es für das Verständnis der nach-
folgenden Ausführungen in diesem Abschnitt sinnvoll, folgende Grundtypen als
Ausgangspunkt voranzustellen:
• Eine total-funktionale Leistungsbeschreibung (auch: Leistungsbeschreibung
mit Leistungsprogramm)89 ist eine Ausgestaltungsform, bei der Planen und Bauen
im Höchstmaß in eine Hand gelegt wird. Hierbei erstellt der Auftragnehmer
nicht nur die Ausführungsplanung und Bauausführung, sondern bereits auch die
Entwurfsplanung. Dies hat für den Auftraggeber den haftungsrechtlichen Vor-
teil, dass der Auftragnehmer auch für Fehler in der Planung einzustehen hat (so
auch Vygen und Joussen 2004, Rn. 835). Andererseits führt die Auftragsvergabe
auf Grundlage einer total-funktionalen Leistungsbeschreibung dazu, dass dem
Auftraggeber der Gestaltungsspielraum für das Projekt weitestgehend entzogen
ist. Nicht zuletzt deshalb ist diese Ausgestaltungsform in der Praxis selten und
scheint sich allenfalls dann anzubieten, wenn entweder die Realisierung eines
Standardobjekts angestrebt wird oder aber ein besonderes Interesse besteht,
vom besonderen Know-how des Auftragnehmers möglichst frühzeitig und voll-
umfänglich zu profitieren (vgl. insgesamt Kapellmann 2004, Rn. 17).
• Eine Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis stellt den Gegensatz
zur total-funktionalen Leistungsbeschreibung dar. Hierbei handelt es um die
tradierte Form der Einheitspreisvertragsausschreibung90, bei der sich die Rolle
des Auftragnehmers darauf beschränkt, das seitens des Auftraggebers vollständig
geplante Bauwerk zu errichten (Vygen und Joussen 2004, Rn. 833).
• Eine Vergabe auf Grundlage einer teil-funktionalen Leistungsbeschreibung
zeichnet sich dagegen dadurch aus, dass der Auftraggeber selbst den Entwurf ein-
bringt und ggf. sogar die notwendigen (öffentlich-rechtlichen) Genehmigungen
einholt, während sich der Auftragnehmer um die Ausführungsplanung und die
sich anschließende Verwirklichung im Wege des Bauprozesses kümmert. Auf
diese Art und Weise wird in der Praxis die große Mehrzahl der Aufträge erteilt
(vgl. Kapellmann und Messerschmidt 2010, Rn. 91 m. w. N.).

generalunternehmerische Planung und Errichtung anspruchsvoller Industrie- und Forschungsanla-


gen verwendet; vgl. Sprau (2011), Einf. v. § 631, Rn. 18; Schuhmann (2005), S. 293 f..
89
Das Leistungsprogramm gibt nach der Differenzierung in § 7 Abs. 9 bis 15 VOB/A nur Funk-
tionen vor, daher der Begriff „funktionale Leistungsbeschreibung“; vgl. Kapellmann und Messer-
schmidt (2010), Rn. 76 m. w. N.
90
Vgl. § 7 Abs. 9–12 VOB/A, wonach für öffentliche Auftraggeber die Vergabe auf Grundlage
eines Leistungsverzeichnisses noch immer als Regelfall normiert ist.
116 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Qualifizierung des Vertrages


Ausgehend von der zuvor vorgenommenen Kategorisierung setzt sich ein General-
unternehmervertrag aus verschiedenen Leistungspflichten zusammen. Versucht
man nun, einen solchen Generalunternehmervertrag juristisch unter einen der im
BGB geregelten Vertragstypen (beispielsweise: Dienstleistungs-, Werk- oder Kauf-
vertrag) zu subsumieren, so stößt man in tatsächlicher Hinsicht an Grenzen. Denn
letztendlich handelt es tatsächlich um einen sog. „gemischten Vertrag“ in dem Sinne,
dass unterschiedliche Vertragsarten dem Generalunternehmervertrag zugrunde zu
legen sind. In der Regel kann man aber schwerpunktmäßig davon ausgehen, dass
es sich jedoch schlicht um eine Summierung werkvertraglicher Leistungspflichten
handeln wird. Denn insbesondere Leistungen als Objektplaner haben wohl eher
werkvertraglichen Charakter (vgl. hierzu Kapellmann 2004, Rn. 48).
Ausgehend von der grundsätzlich geltenden zivilrechtlichen Gestaltungsfreiheit
haben die Vertragsparteien außerdem die Möglichkeit, individuelle Vereinbarungen
als auch andere Regelwerke ihrer Vertragsbeziehung zugrunde zu legen. Insoweit
wird auf Abschn. 3.2.2.3 dieses Kapitels verwiesen.
Nach diesen grundlegenden Ausführungen zur Anlagenerrichtung liegt nach-
folgend der Schwerpunkt darauf, dem potenziellen Betreiber eines Biogaspro-
jektes die relevanten Gesichtspunkte im Falle der Errichtung durch einen General-
unternehmer aufzuzeigen. Hierbei sollen die Besonderheiten bei einer vertraglichen
Ausgestaltung aufgezeigt und dabei die bereits angesprochenen Vorzüge, die
sich aus der Einschaltung eines Generalunternehmers ergeben, im Blick behalten
werden. Zwar können darüber hinaus nicht sämtliche Fragestellungen im Hinblick
auf den Abschluss eines Generalunternehmervertrages thematisiert werden. Einige
besonders relevant erscheinende Punkte sollen in den nachfolgenden Ausführungen
jedoch an geeigneter Stelle – in der gebotenen Kürze – Erwähnung finden.

3.2.2.2 Leistungspflichten des Generalunternehmers


Der Umfang der Leistungspflichten des Generalunternehmers hängt neben der zu
errichtenden Anlagenart maßgeblich davon ab, wie weitgehend man dem General-
unternehmer die Verwirklichung der Anlagenerrichtung auferlegen möchte (vgl.
Abschn. 3.2.2.1).

Errichtung der Anlage


Im Hinblick auf die vertragliche Ausgestaltung der Hauptleistungspflicht des
Generalunternehmers – die Errichtung der Biogasanlage – stellt sich bereits als zen-
trale Herausforderung die Definition der geschuldeten Leistung (Bausoll) dar (vgl.
Kapellmann 2004, Rn. 41, 76 ff.).
Hierfür ist zunächst zwischen der Auftragsvergabe nach Leistungsverzeichnis und
der funktionalen Leistungsbeschreibung zu differenzieren. Bei Ersterer erfolgt die
Definition des Bausolls bereits über das Leistungsverzeichnis, das die zu errichtende
Biogasanlage im Detail beschreibt. Gerade dies fehlt jedoch bei den in der Praxis
besonders relevanten total- bzw. teil-funktionalen Leistungsbeschreibungen.91 In

91
Diese werden auch als „globale“ Formen der Auftragserteilungen bezeichnet. Diese genügen
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 117

diesem Fall lässt sich die Festlegung des Bausolls beispielsweise mittels einer als
Anlage zum Generalunternehmervertrag beizufügenden Anlagenbeschreibung
erreichen. Zur Erstellung dieser Anlagenbeschreibung gilt es, sich neben den
geplanten Eckdaten der Biogasanlage auch die rechtlichen Anforderungen zu ver-
gegenwärtigen, die bei der Errichtung der einzelnen Bestandteile insbesondere (Sub-
stratanlieferung und -lagerung, Fermenter, Gärrestelager, Gas- und Stromleitungen,
Blockheizkraftwerk, Biogasaufbereitung etc.) zu beachten sind.
Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich an der typischen Aufbauweise
einer solchen Anlagenbeschreibung, welche ihrerseits wiederum der technischen
Funktionsweise einer klassischen Biogasanlage nachgebildet ist.
1. Anforderungen an die Lage und bauliche Gestaltung des Anlieferungsbereichs
und der Lager für Substrate, die durch eine entsprechende Berücksichtigung
in dem Generalunternehmervertrag sichergestellt werden sollten, können sich
vorrangig aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)92, der TA-Luft93,
der TA-Lärm94, dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG)95,
der Bioabfallverordnung (BioAbfV)96, dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG)97,
dem Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG)98 und der EG-Hygieneverordnung
1069/200999 ergeben.

nach Ansicht des BGH in der Entscheidung „Kammerschleuse“ (BGH, BauR 1997, 126) den
Anforderungen an die Bestimmtheit.
92
Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Ge-
räusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG),
in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3830), zuletzt geändert
durch Art. 2 G zur Anpassung der Rechtsgrundlagen für die Fortentwicklung des Emissionshan-
dels vom 21.07.2011 (BGBl. I S. 1475).
93
Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische
Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) vom 24.07.2002, (GMBl S. 511).
94
Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische
Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) vom 26.08.1998 (GMBl S. 503).
95
Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Besei-
tigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz – KrW-/AbfG), vom 27. September
1994 (BGBl. I S. 2705), zuletzt geändert durch Art. 8 G zur Umsetzung der DienstleistungsRL
auf dem Gebiet des Umweltrechts sowie zur Änd. umweltrechtl. Vorschriften vom 11.08.2010
(BGBl. I S. 1163).
96
Verordnung über die Verwertung von Bioabfällen auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich
und gärtnerisch genutzten Böden vom 21. September 1998 (BGBl. I S. 2995), zuletzt geändert
durch Art. 3 VO zur Ums. der DienstleistungsRL auf dem Gebiet des Umweltrechts sowie zur
Änd. umweltrechtl. Vorschriften vom 09.11.2010 (BGBl. I S. 1504).
97
Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) vom 31. Juli 2009
(BGBl. I S. 2585), zuletzt geändert durch Art. 12 G zur Umsetzung der DienstleistungsRL auf dem
Gebiet des Umweltrechts sowie zur Änd. umweltrechtl. Vorschriften vom 11.08.2010 (BGBl. I
S. 1163).
98
Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten
(Bundes-Bodenschutzgesetz – BBodSchG) vom 17. März 1998 (BGBl. I S. 502), zuletzt geändert
durch Art. 3 G zur Anp. von Verjährungsvorschriften an das SchuldrechtsmodernisierungsG vom
09.12.2004 (BGBl. I S. 3214).
99
Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober
2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Neben-
produkte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (ABl. Nr. L 300 S. 1), zuletzt
118 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Anlieferung und Lagerung von Substraten verursachen in der Regel immis-


sionsschutzrechtlich relevante Staub-, Geruchs- und Lärmbelastungen, woraus
sich eine Genehmigungsbedürftigkeit der Anlage nach dem BImSchG ergeben
kann.100 Der Frage der Abfalleigenschaft der verwendeten Substrate kommt in
diesem Zusammenhang ebenfalls eine entscheidende Bedeutung zu.101
Aus baulicher Sicht ist außerdem relevant, dass beispielsweise die Nr. 5.4.8.6.1.
und 5.4.9.36. der TA-Luft einen Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung
fordern bzw. die Lagerung der Substrate in geschlossenen Räumen oder abge-
deckten Lagerboxen erfolgen sollte (vgl. für Gülle beispielsweise 5.4.7.1 und
5.4.9.36 TA-Luft) (Ebertsch et al. 2011, S. 6 f.).
Die EG-Verordnung 1069/2009 legt des Weiteren in Art. 25 Abs. 1 e) fest,
dass bei der Verwendung von nicht für den menschlichen Verzehr bestimmten
tierischen Nebenprodukten geeignete Vorkehrungen für die Reinigung und
die Desinfektion von Containern und Fahrzeugen vorhanden sein müssen, um
die Risiken einer Kontamination zu vermeiden. Für den Anlieferungsbereich
für Substrate bedeutet dies, dass ein befestigter und desinfizierbarer Platz
vorhanden sein muss (vgl. Berger et al. 2007, S. 6 f.). Aufbauskizzen für die
bauliche Gestaltung des Anlieferbereichs unter diesen Voraussetzungen finden
sich im Anhang zum Abschn. 3.2.6.4 des Biogashandbuchs Bayern unter „B
Abbildungen“ (vgl. Berger et al. 2007, Anhang zu Kap. 2.2.6.4). In diesem
Kontext gilt es außerdem zu beachten, dass beispielsweise bei der Vermengung
von Bioabfällen und tierischen Nebenprodukten Schwefelwasserstoff (H2S) in
gefahrdrohenden Mengen entstehen kann (Umweltbundesamt 2006, S. 2). Dem-
entsprechend sollten Abliefer- und Lagerplätze für diese Stoffgruppen räumlich
getrennt werden.
Aus § 62 WHG ergibt sich ferner, dass Substratlager ohne die nachteilige Ver-
änderung der Eigenschaften von Gewässern errichtet, unterhalten und betrieben
werden müssen. Hieraus folgt in der Regel, dass Substrate auf flüssigkeits-
dichten und beständigen Bodenflächen gelagert werden müssen (vgl. Möhrle
und Freilinger 2007, S. 12). Angemerkt sei an dieser Stelle, dass eine Kon-
kretisierung des § 62 WHG durch eine entsprechende Bundes-Verordnung (VO
über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen – VAUwS) derzeit

geändert durch Art. 63 ÄndRL 2010/63/EU vom 22.09.2010 (ABl. Nr. L 276 S. 33).
100
Vgl. Nr. 9.36 (Errichtung einer Biogasanlage mit einem Güllelager), Nr. 8.12 (Zeitweilige
Lagerung von (gefährlichen) Abfällen) und Nr. 8.13 (Zeitweilige Lagerung von Schlämmen mit
Abfalleigenschaft) des Anhangs zur 4. BImSchV.
101
Diese als auch weitere Gesichtspunkte der Abfallwirtschaft ergeben sich weitestgehend aus
den Vorgaben des KrW-/AbfG und der BioAbfV unter Beachtung der Vorgaben des Düngemit-
telrechts (DüG und DüMV). Im Falle der Verwendung von tierischen Nebenprodukten können
sich weitere Anforderungen aus den Vorgaben des Veterinärrechtes (VO (EG) Nr. 1069/2009 [ehe-
mals VO (EG) 1774/2002], TierNebG, TierNebV, Verordnung (EG) Nr. 181/2006 und ggf. das
Tierseuchengesetz) ergeben. Des Weiteren ergeben sich bei der Mitvergärung von Siedlungsab-
fällen Anforderungen aus der Technischen Anleitung zur Verwertung, Behandlung und sonstigen
Entsorgung von Siedlungsabfällen (TASi). Alle beim Betrieb der Anlage anfallenden Abfälle, bei
den es sich nicht um die Gärrückstände handelt, wie beispielsweise aussortierte Fremdstoffe oder
Altöle, unterliegen dagegen ausschließlich den Vorgaben des KrW-/AbfG.
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 119

in Vorbereitung ist.102 Daneben ergeben sich auch aus dem WHG weitere Anfor-
derungen an einzuhaltende Abstandsflächen und Materialbeschaffenheiten.
2. Vor der Verbringung in den Fermenter werden die Substrate regelmäßig auf-
bereitet (Störstoffabtrennung, Zerkleinerung, Nassauflösung, Homogenisierung,
Hygienisierung etc.). Insoweit sind, abhängig vom Emissionspotenzial der einge-
setzten Stoffe, insbesondere bauliche Emissionsminderungsmaßnahmen wie
Kapselung oder Ausführung in geschlossener Bauweise in Betracht zu ziehen.
Der Hallenbereich ist sodann seinerseits wiederum auf geeignete Weise zu ent-
lüften, auch um den Bestimmungen zur Betriebssicherheit Rechnung zu tragen.
Im Falle der Verwendung von Biofiltern sind insoweit die Anforderungen der
Richtlinie VDI 3477103 zu beachten.
3. Die Substrate werden sodann in den Fermenter (häufig mehrere) verbracht.
Hinsichtlich des Eingabeverfahrens gilt es festzuhalten, dass das sog. „offene
Einspülverfahren“ nicht mehr dem Stand der Technik entspricht. Insbesondere
durch abgedeckte Eintragssysteme lassen sich bei diesem Prozessschritt Staub-
und Geruchsemmissionen wirkungsvoll vermeiden.104
Beim Fermentationsprozess selbst müssen insbesondere Vorgaben zur
Anlagensicherheit beachtet werden (vgl. Abwasser und Abfall e. V., Deutsche
Vereinigung für Wasserwirtschaft (Hrsg.) 2006; Landwirtschaftliche Berufs-
genossenschaft 2008), da es sich bei dem herzustellenden Biogas um ein leicht
brennbares und grundsätzlich explosionsfähiges Gas handelt. Zündquellen in
explosionsgefährdeten Räumen sind bereits bautechnisch zu vermeiden und dem
unkontrollierten Austritt von Biogas im Störfall sollte durch eine Oxidations-
möglichkeit mittels Überdrucksicherung105 und stationärer Gasfackel vor-
gebeugt werden. Die Installation einer solchen Gasfackel, nicht nur für Störfälle
und ausgelegt auf die maximale Biogasproduktion der Anlage, empfiehlt sich
außerdem im Hinblick auf die Anforderungen aus § 6 EEG 2009.106 Des Weiteren
schreibt § 6 Abs. 4 Nr. 2 EEG 2012 nunmehr ausdrücklich vor, dass zusätzliche

102
Zum derzeitigen Entwicklungsstand: Schendel und Scheier (2011), § 23 WHG, Rn. 8 f.
103
Richtlinie VDI 3477: Biologische Abgasreinigung Biofilter, Verein Deutscher Ingenieure
(VDI), von der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN – Normenausschuss KRdL,
November 2004.
104
Sollten Silagen als Substrate zum Einsatz kommen, kann die Geruchsbelastung insbesondere
durch eine hydraulische Bemessung verringert werden, da geruchsintensive Silagesickersäfte so
über geeignete Systeme aufgefangen und in geschlossenen Auffangbehältern gesammelt bzw. der
Vorgrube oder dem Fermenter zugeführt werden können. Vgl. zum Ganzen: Beck et al. (2011).
105
Die Emissionen aus Überdrucksicherungen sind über die Wandkrone des Behälters oder alter-
nativ mindestens 3 m über Grund und in mindestens 5 m Entfernung von betriebsfernen Gebäuden
und Verkehrswegen senkrecht nach oben abzuleiten. Vgl. Kommission Reinhaltung der Luft im
VDI und DIN – Normenausschuss KRdL (Hrsg.), August 2010.
106
Danach sind Anlagen, deren elektrische Leistung 100 kW übersteigt, mit einer technischen oder
betrieblichen Einrichtung zur ferngesteuerten Reduzierung der Einspeiseleistung bei Netzüber-
lastung auszustatten, auf die der Netzbetreiber zugreifen darf; vgl. Ebertsch et al. (2011), S. 10.
Anforderungen für den Betrieb solcher Fackeln ergeben sich außerdem aus der Nr. 5.4.8.1a.2.1
bzw. 5.4.8.1a.2.2 der TA Luft.
120 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Gasverbrauchseinrichtungen zur Vermeidung einer Freisetzung von Biogas ver-


wendet werden müssen.107
Abgesehen davon lässt sich nach Ansicht des VDI (Abwasser und Abfall e. V.,
Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft (Hrsg.) 2006, Nr. 4.3.2) bereits bau-
technisch ein unerwünschtes Austreten von Biogas durch eine entsprechende
Dimensionierung der Biogasanlagen (ausreichend große Gasspeicher) weit-
gehend vermeiden.
Insgesamt gilt es darüber hinaus bei der Errichtung der Anlage, Störfallszenarien
hinreichend zu berücksichtigen und das Betriebspersonal entsprechend zu
schulen.
Weiterhin spielen in Bezug auf den Fermenter immissionsschutzrechtliche
Gesichtspunkte eine bedeutende Rolle. So kann sich eine immissionsschutz-
rechtliche Genehmigungspflicht aus Nr. 8.6 Spalte 2 (Anlagen zur biologischen
Behandlung von (gefährlichen) Abfällen) sowie aus Nr. 8.11 b bb Spalte 2b
(Anlagen zur sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen) des
Anhangs zur 4. BImSchV ergeben.108
Außerdem kann der Fermentationsprozess die gesetzlich erforderliche Behand-
lung von Bioabfällen nach § 3 BioAbfV darstellen, sofern diese auf landwirt-
schaftlich oder gärtnerisch genutzten Böden aufgebracht werden sollen.109 Um
insoweit die seuchen- und phytohygienische Unbedenklichkeit zu gewährleisten,
werden im Anhang 2 der BioAbfV konkrete Anforderungen an die Prozess-
führung, Beschickungsintervalle sowie der Behandlungstemperaturverlauf des
Fermenters aufgestellt.
4. In Bezug auf die Gärreste stellen sich bauliche Anforderungen insbesondere
hinsichtlich deren ordnungsgemäßen Lagerung. Die Möglichkeiten der wei-
teren Nutzung der Gärreste sind dagegen im Kern keine Fragen der Errichtung,
sondern vielmehr des Betriebs der Anlage. Jedoch empfiehlt es sich und kann
die weitere Nutzung der Gärreste zu einem möglichst frühzeitigen Stadium in
die Anlagenplanungen mit einbezogen werden. Denn sofern sich eine bestimmte
Nutzung (z. B. als Düngemittel110) im Hinblick auf die Substrate oder die geo-
graphischen Begebenheiten anbietet, sollte dies bereits bei der Errichtung der
Anlage entsprechend berücksichtigt werden, um sich im Nachhinein kosten-
intensive Maßnahmen zu ersparen.
Hinsichtlich der Lagerung der Gärreste wurde nunmehr vom Gesetzgeber für
neu zu errichtende Anlagen als Voraussetzung für eine Vergütung nach dem EEG
in § 6 Abs. 4 Nr. 1 EEG 2012 normiert111, dass ein zu errichtendes Gärrestelager

107
Zur zeitlichen Geltung der Norm vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 3 EEG 2012.
108
Sofern es sich bei der zu errichtenden Anlage um eine genehmigungsbedürftige Abfallent-
sorgungsanlage i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG handelt, gilt es außerdem zu beachten, dass in
diesem Falle eine Sicherheitsleistung nach § 12 Abs.1 Satz 2 BImSchG auferlegt werden „soll“.
109
Hintergrund ist insoweit die Gewährleistung der Schadlosigkeit der Verwertung wie sich aus
§ 5 Abs. 3 KrW-/AbfG ergibt.
110
Vgl. hierzu auch Abschn. 3.2.3.5 und Abschn. 3.2.3.7 im Rahmen des Biomasseliefervertrags.
111
Im EEG 2009 findet sich dieser Ansatz in den Voraussetzungen für den „Bonus für
nachwachsende Rohstoffe“ (Nr. I.4 der Anlage 2 zum EEG 2009).
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 121

technisch gasdicht abgedeckt sein muss und die hydraulische Verweilzeit in dem
gasdichten und an eine Gasverwertung angeschlossenen System mindestens
150 Tage zu betragen hat112. Bei Nichteinhaltung dieser Vorgabe ergibt sich aus
§ 17 Abs. 1 EEG 2012, dass sich der Vergütungsanspruch aus dem EEG auf null
reduziert. Für bestehende Anlagen empfiehlt sich eine Orientierung an den Vor-
gaben der Nr. 4.3.3.2 der VDI 3475, Blatt 4.
Außerdem kann sich auch aus der Gärrestelagerung eine immissionsschutzrecht-
liche Genehmigungspflicht ergeben (vgl. insoweit die Ausführungen und den
Verweis unter Nr. 1 dieses Abschnitts) mit der Folge, dass es baulich getrennter
Lagerstätten und entsprechender baulicher Beschaffenheiten bedürfen kann.
Im Hinblick auf die Behandlungsmöglichkeiten der Gärreste sei abschließend
angemerkt, dass hierbei der Substratqualität eine entscheidende Bedeutung
zukommen kann. So stellt insbesondere der Schadstoffgehalt ein zentrales
Kriterium dar:113 Dieser kann den Gärprozess nachteilig beeinflussen und dadurch
die Verwertbarkeit der Gärrückstände sowie des Biogases beeinträchtigen. Dem
gilt es, bereits durch geeignete Maßnahmen im Betriebsablauf (Voruntersuchung
der Substrate) vorzubeugen (vgl. umfassend hierzu Diersch et al. 2011, S. 15 ff.).
5. Der Biogasnutzung im Wege der energetischen Verwendung kommt zunächst
immissionsschutzrechtliche Bedeutung zu. Eine Genehmigungspflicht kann sich
unter anderem aus Nr. 1.4 (Verbrennungsmotoren) des Anhangs zur 4. BImSchV
ergeben. Sofern es keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4
BImSchG bedarf, können jedoch die Anforderungen der Verordnung über kleine
und mittlere Feuerungsanlagen (1. BImSchV)114 zu beachten sein.
Für die Festlegung von Emissionsobergrenzen für Biogas-Verbrennungsmotor-
anlagen ist außerdem die Nr. 5.4.1.4 der TA Luft maßgebend. Die Errichtung
notwendiger Abgasleitungen hat unter Beachtung der Vorgaben aus Nr. 5.5 der
TA Luft zu erfolgen. Wegen Emissionsaspekten, aber auch aus Gründen des
Klimaschutzes sollte außerdem auf die richtige Motordimensionierung sowie
Abstimmung des Motors auf die zu erwartende Biogasqualität geachtet werden.
Schließlich kann eine schlechte Biogasqualität zu ansteigenden Emissionen von
Kohlenmonoxid und Formaldehyd bei gleichzeitig erhöhtem Methanschlupf115
und sinkendem motorischem Wirkungsgrad führen (vgl. Ebertsch et al. 2011,
S. 14).
Im Hinblick auf den Verbrennungsmotor können zudem Lärmschutzgesichts-
punkte eine entscheidende Rolle spielen (vgl. zum Ganzen Bayerisches

112
Biogasanlagen, die zur Biogaserzeugung ausschließlich Gülle mit einem Trockensubstanzge-
halt von weniger als 15 % nach § 2 Satz 1 Nr. 4 DüG einsetzen, sind von der Pflicht der gasdichten
Abdeckung des Gärrestelagers befreit, vgl. BT-Drs. 17/6071, S. 127.
113
Vgl. insoweit auch das Schadstoffminimierungsgebot aus § 1 Abs. 5 BioAbfV.
114
Erste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über
kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV), vom 26.01.2010 (BGBl. I S. 38).
115
„Methanschlupf“ ist die Methanmenge, die im Verlauf der Aufbereitung die Anlage verlässt.
Der Methanschlupf sollte bei neueren, emissionsarmen Motoren im Bereich von < 0,5 g/m³ liegen;
vgl. Ebertsch et al. (2011), S. 14. S. hierzu auch Abschn. 4.5.2.
122 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Landesamt für Umwelt (LfU) (Hrsg.) 2011). Um den gesetzlichen Anfor-


derungen116 zu genügen und Belästigungen der Nachbarschaft möglichst zu ver-
meiden, empfiehlt es sich, bereits bei der Errichtung der Anlage auf eine aus-
reichend dimensionierte Schalldämmung und Körperschallisolierung der Anlage
zu achten. Aber auch im Hinblick auf weitere lärmrelevante Komponenten
der Anlage (Luftkühler, Rührwerke, Substratdosierungseinrichtung, Substrat-
anlieferung) können (und sollten) bereits bei der Errichtung geeignete Schutz-
maßnahmen ergriffen werden.
6. Zu beachtende Gesichtspunkte hinsichtlich einer etwaigen Einspeisung können
sich, abhängig von der Anlagenart, in Bezug auf das Gas- als auch das Stromnetz
ergeben. Für eine etwaige Einspeisung von Biogas ins Erdgasnetz sind zunächst
die Vorgaben aus den §§ 31 ff. Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV)117 ein-
schlägig. Daraus ergibt sich, dass das Biogas vor Einspeisung in das Erd-
gasnetzt auf erdgasvergleichbare Qualität aufzubereiten ist. Hierbei werden
unerwünschte Bestandteile, insbesondere CO2 abgeschieden. Das entsprechende
Abgas enthält regelmäßig einen noch relevanten Methananteil, den es weitest-
möglich zu reduzieren gilt. In Betracht kommen derzeit die thermische Nutzung
des Abgases, beispielsweise in einem Schwachgaskessel oder andere Verfahren
wie die (katalytische) Schwachgasnachverbrennung (so Ebertsch et al. 2011,
S. 15).
Weiterhin ist zu beachten, dass externe Gasleitungen und Fernwärmeleitungen,
die im Zusammenhang mit immissions- und baurechtlich genehmigten Anlagen
stehen, nicht im Rahmen dieser Anlagengenehmigungen rechtlich geprüft
werden, dafür aber einer eigenständigen Genehmigung nach dem Energiewirt-
schaftsgesetz (EnWG)118 bzw. dem UVP-Gesetz119 bedürfen können.120 Für
Gasleitungen mit einem maximal zulässigen Betriebsdruck von über 16 bar ist
darüber hinaus die Verordnung über Gashochdruckleitungen (GasHDrLtgV)121
zu beachten.
Unabhängig davon sind Gasversorgungsleitungen, sofern es sich um Energie-
anlagen i. S. d. § 3 Nr. 15 i. V. m. Nr. 10c, 14 und 19a EnWG handelt,122 nach

116
Vgl. Immissionsrichtwerte der TA Lärm.
117
Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzzugangsverordnung – Gas-
NZV) vom 03.09.2010 (BGBl. I S. 1261).
118
Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) vom
7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970, ber. S. 3621), zuletzt geändert durch Art. 4 G zur Ums. der Dien-
stleistungsRL im EichG sowie im Geräte- und ProduktsicherheitsG und zur Änd. des Verwaltung-
skostenG, des EnergiewirtschaftsG und des EnergieleitungsausbauG vom 07.03.2011 (BGBl. I
S. 338).
119
Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vom 24.02.2010 (BGBl. I S. 94)
zuletzt geändert durch Art. 3 VO zur Anp. chemikalienrechtl. Vorschriften an die VO (EG)
Nr. 1005/2009 über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen, sowie zur Anp. des G über die
Umweltverträglichkeitsprüfung an Änd. der GefahrstoffVO vom 18.05.2011 (BGBl. I S. 892).
120
Vgl. § 43 Satz 1 Nr. 2 EnWG; § 43b Nr. 2 EnWG i. V. m. Nr. 19.2 der Anlage 1 zum UVPG
sowie vgl. § 20 UVPG i. V. m. der Anlage zum UVPG.
121
Verordnung über Gashochdruckleitungen (Gashochdruckleitungsverordnung – GasHDrLtgV)
vom 18.05.2011 (BGBl. I S. 928).
122
Es handelt sich um Energieanlagen i. S. d. § 3 Nr. 15 EnWG, wenn (1) gasführende
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 123

§ 49 EnWG so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit


gewährleistet ist123. Der bisher häufigste genutzte Anlagentyp, bei dem das
erzeugte Biogas innerhalb des Betriebsgeländes verbleibt, indem es z. B. als
Brennstoff für ein auf dem Hof befindliches Blockheizkraftwerk eingesetzt wird,
unterliegt dagegen nicht der Energieaufsicht.
Sofern hinsichtlich einer etwaigen Verstromung des Biogases die Möglichkeit
einer Direktvermarktung (§§ 33a–33i EEG 2012) offengehalten werden soll,
sind hierfür durch das EEG 2012 neu eingeführte, besondere technische Anfor-
derungen zu beachten. So ist beispielsweise nach § 33c Abs. 2 Nr. 3 EEG 2012
erforderlich, dass die gesamte Ist-Einspeisung der Anlage in viertelstündlicher
Auflösung mess- sowie bilanzierbar ist.
Aus sicherheitstechnischen Aspekten ist hinsichtlich der Strom- und Gas-
leitungen zwingend auf einen ausreichenden Beschädigungsschutz insbesondere
im Bereich der Verkehrswege zu achten (Bruns et al. 2009, S. 7 f.).
7. Ein weiterer Punkt, der in die Ausgestaltung eines Generalunternehmervertrags
bzw. die Anlagenbeschreibung einfließen sollte, sind Aspekte des Arbeits-
schutzes, insoweit diese bereits durch eine entsprechende bauliche Ausgestaltung
der Anlage sichergestellt werden können.124
Aus § 4 Abs. 4 Satz 2 ArbStättV ergibt sich beispielsweise, dass der Arbeit-
geber Vorkehrungen in der Hinsicht treffen muss, dass sich die Beschäftigten
bei Gefahr unverzüglich in Sicherheit bringen bzw. schnell gerettet werden
können. Als Orientierung für die bauliche Ausgestaltung von Fluchtwegen, Not-
ausgängen etc. kann auf die ASR A2.3 „Fluchtwege und Notausgänge, Flucht-
und Rettungsplan“125 zurückgegriffen werden (Bruns et al. 2009, S. 7 f.). In
diesem Kontext kann als Hygienemaßnahme außerdem erforderlich sein, dass
eine Luftströmung kontaminierter Luft aus dem Substratanlieferbereich in
andere Arbeitsbereiche baulich unterbrochen wird (Bruns et al. 2009, S. 11). Im
Hinblick auf die LärmVibrationsArbSchV sei erwähnt, dass sich aus den §§ 6 ff.
und §§ 9 f. die Maximalwerte ergeben, denen Beschäftigte in Bezug auf Lärm
und Vibration ausgesetzt werden dürfen.

Weitere Pflichten des Generalunternehmers


1. Von entscheidender Bedeutung ist es ferner, dem Generalunternehmer die Pflicht
zur Einholung aller für die funktionsgerechte Herstellung und den Betreib

Rohrleitungen zur Versorgung eines oder mehrerer Verbraucher den Bereich des Betriebsgeländes
verlassen und (2) das erzeugte Biogas auf Erdgasqualität aufbereitet und in das Netz der allge-
meinen Gasversorgung eingespeist wird.
123
Vgl. § 49 Abs. 1 und Abs. 2 EnWG.
124
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in diesem Kontext ergeben sich insbesondere aus dem
Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), der Betrieb-
ssicherheitsversordnung (BetrSichV), der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), der Lärm- und
Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV), der Gefahrstoffverordnung
(GefStoffV), der Biostoffverordnung (BioStoffV) sowie aus den berufsgenossenschaftlichen
Vorschriften und Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGV, BGR, BGI, BGG)
bzw. den landwirtschaftlichen Vorschriften über Sicherheit und Gesundheit (VSG).
125
Abrufbar unter: http://www.baua.de/.
124 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, sowie die Durchführung


aller hierzu erforderlichen Abnahmen aufzuerlegen. Die Genehmigungsart der
Anlage ist grundsätzlich abhängig von deren Art und Größe. Die zentrale Frage,
ob eine Baugenehmigung genügt oder ob es einer immissionsschutzrechtlichen
Genehmigung bedarf, bemisst sich nach den Bestimmungen des BImSchG
i. V. m. der 4. BImSchV. Hierbei kommt es im Wesentlichen auf die Größe der
Anlage, aber auch auf die Art der Substrate an (vgl. oben und die Ausführungen
in Abschn. 3.2). In diesem Zusammenhang ist § 1 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 der
4. BImSchV zu beachten, der besagt, dass bei Nebeneinrichtungen die gesondert
genehmigungspflichtig wären, es lediglich einer immissionsschutzrechtlichen
Genehmigung bedarf (vgl. hierzu Beck et al. 2011, Tab. 3, S. 13).
Nach § 13 Abs. 1 der 9. BImSchV holt die Genehmigungsbehörde Sachver-
ständigengutachten ein, soweit dies für die Prüfung der Genehmigungsvoraus-
setzungen notwendig ist. Da dies häufig einen entscheidenden Faktor für die
Dauer des Genehmigungsverfahrens darstellt, sollte dem Generalunternehmer
ein Vorgehen nach § 13 Abs. 2 der 9. BImSchV auferlegt werden.
In Abhängigkeit von Art, Größe und Leistung kann die zu errichtende Anlage auch
ein UVP-pflichtiges Vorhaben darstellen, mit der Folge, dass ein umfassendes
Prüfverfahren hinsichtlich der Umweltverträglichkeit der angestrebten Anlage
zu erfolgen hat.
Trotz der Konzentrationswirkung des Immissionsschutzrechts (§ 13 BImSchG)
ist die Einhaltung der baurechtlichen Bestimmungen von der zuständigen
Behörde zu überprüfen (Giesberts und Reinhardt 2011, § 13 BImSchG, Ein-
leitung). Die bauplanungsrechtlichen Anforderungen ergeben sich aus den §§ 30
Abs. 1, Abs. 2, 34, 35 BauGB. Insbesondere der Privilegierungstatbestand für
die „energetische Nutzung von Biomasse“ aus § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ist
insoweit beachtlich. Zwar hat die Norm grundsätzlich abschließenden Cha-
rakter126, jedoch können die beteiligten Gemeinden auf Grundlage des § 35
Abs. 3 Satz 3 BauGB durch die Einrichtung sogenannter Konzentrationszonen
die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit entsprechender Vorhaben ihren raum-
planerischen Bedürfnissen anpassen. Außerdem sind die einschlägigen bauord-
nungsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich Beschaffenheit und Anbindung
des Grundstücks, einzuhaltenden Abstandsflächen, erforderlichen Stellplätzen
oder die Baugestaltung einzuhalten.
2. Bei den Leistungspflichten des Auftragsnehmers sollte außerdem in jedem Fall
festgeschrieben werden, dass die funktionsgerechte Erstellung der Anlage auch
darin zu bestehen hat, dass die Tauglichkeit für den Erhalt der Vergütungen
und Boni nach dem EEG gegeben sein muss. Für Einzelheiten hinsichtlich der
Vergütungssätze und Boni, insbesondere im Hinblick auf die Novellierung des
EEG (EEG 2012) ist an dieser Stelle auf Abschn. 3.1 dieses Buches zu verweisen.
Bei einer derartigen vertraglichen Ausgestaltung des Generalunternehmerver-
trages obliegt es sodann dem Auftragnehmer, die ordnungsgemäße Einspeisung
nach den Vorschriften des EEG herbeizuführen. In diesem Zusammenhang bietet

126
Begründung zum Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau, BT-Drs. 15/2250, S. 55.
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 125

es sich außerdem an, bestehende Informationspflichten aus dem EEG gegen-


über dem Netzbetreiber (§ 46 EEG)127 sowie gegenüber der Öffentlichkeit (§ 52
Abs. 1 EEG) dem Generalunternehmer aufzuerlegen.
3. Dem Generalunternehmer können auch im Hinblick auf die tatsächliche
Ausführung der Leistung die Verantwortlichkeit nach den baurechtlichen
Bestimmungen, insbesondere der jeweils anwendbaren Landesbauordnung,
weitestmöglich zugewiesen werden. Bei Aufnahme einer entsprechenden ver-
traglichen Regelungen heißt das, dass der Generalunternehmer in die Rolle
des Unternehmers (§ 59 BauO NRW)128, des Bauleiters (§ 59a BauO NRW)
und ggf. auch des Entwurfsverfassers (§ 58 BauO NRW) mit den sich daraus
ergebenden Pflichten, einzurücken hat129. Dies umfasst dann Pflichten wie z. B.
die Erstellung maschinengeschriebener Bautageberichte, einer vollständigen
Anlagendokumentation sowie umfassender Beweissicherungsmaßnahmen.
Gerade der letztgenannte Aspekt stellt im Hinblick auf mögliche Haftungsfälle
einen nicht zu vernachlässigenden Gesichtspunkt dar und wird auf diese Weise
zu einem möglichen Anknüpfungspunkt für etwaige Regressansprüche gemacht.
4. Angesichts der Komplexität einer modernen Biogasanlage und der umfassenden
Dokumentations- und Überwachungspflichten130 ist seitens des Auftraggebers
ein besonderes Augenmerk auch darauf zu richten, dass das spätere Bedienungs-
personal frühzeitig131 (ggf. bereits anwesend während der Errichtung) und
umfassend in die Funktionsweise der Anlage eingewiesen wird (vgl. hierzu Linke
et al. 2011, S. 71). Dieser Aspekt wird aber letztendlich auch davon abhängen,
wer künftig die (technische) Betriebsführung übernehmen wird. Denn auch dies-
bezüglich kann sich der Anlagenbetreiber eines Betriebsführers bedienen.
5. Um etwaige Regelungslücken möglichst zu vermeiden, empfiehlt es sich,
abschließend mittels einer salvatorischen Klausel festzuhalten, dass im Übrigen
von den Leistungen, die für die Herstellung des vertragsgegenständlichen Bau-
vorhabens erforderlich sind, nur solche als vom Leistungsumfang des Auf-
tragnehmers ausgenommen anzusehen sind, die in den Vertragsbestandteilen
ausdrücklich dem Auftraggeber oder einem Dritten zugewiesen wurden.

3.2.2.3 Weitere Vertragsbestandteile/Sonstiges


Neben den zuvor (überblickartig) aufgeführten – unter besonderer Berücksichtigung
eines Biogas-Projektes ausgearbeiteten – Leistungspflichten dürfen die klassischen
Vertragsbestandteile eines Generalunternehmervertrages nicht vernachlässigt

127
Der Umfang dieser Informationspflicht wird durch das EEG 2012 (§ 46 Nr. 2 EEG 2012) ent-
sprechend der Änderungen in den §§ 27 ff. EEG 2012 erweitert.
128
Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – Landesbauordnung – (BauO NRW) vom
1. März 2000 (GV. NRW. S. 256), zuletzt geändert durch Art. 2 ÄndG vom 24.05.2011 (GV. NRW.
S. 272).
129
Die Zusammenfassung mehrerer Funktionen in einer Person ist zulässig. Vgl. Wenzel (2011),
§ 56 Rn. 17 f.
130
Vgl. bspw. § 11 BioAbfV.
131
Es sollte in Betracht gezogen werden, das Personal bereits während der Errichtung hinzuzu-
ziehen, damit ein umfassendes Verständnis hinsichtlich der technischen Funktionsweise entwickelt
werden kann. Auch dies gilt es sodann an geeigneter Stelle im Vertrag mit dem GU festzuschreiben.
126 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

werden und es gilt, auch diese zwischen den Vertragsparteien zu verhandeln und in
den Vertrag zu implementieren. Hierzu im Einzelnen:
1. Wie in Generalunternehmerverträgen über Bauleistungen üblich, obliegt es
den Vertragsparteien die Vertragsbestandteile, inklusive der maßgeblichen
Rangfolge, festzuschreiben. Nicht zuletzt deshalb sollte neben der Anlagen-
beschreibung ein Lageplan, ein Rahmenterminplan sowie ein Verhandlungspro-
tokoll zu festen Bestandteilen des Vertrages gemacht werden. Weiterhin emp-
fiehlt es sich, die einschlägigen Regelwerke, wie VDI- oder DIN-EN, sowie
ergänzend den „Stand der Technik“ (vgl. hierzu Linke et al. 2011, S. 25 ff.) in
den Vertrag einzubeziehen.
2. In diesem Zusammenhang stellt sich regelmäßig die Frage, inwieweit die VOB/B
auf den Generalunternehmervertrag zur Anwendung kommt bzw. kommen
sollte. Dies ist, solange es sich lediglich um die Erbringung gewerblicher Bau-
leistungen handelt, unproblematisch der Fall. Umstritten ist die Rechtslage hin-
gegen bei der gleichzeitigen Übernahme von mehr oder weniger umfangreichen
Planungsleistungen (vgl. Ausführungen bei Vygen und Joussen 2004, Rn. 41 f.
m. w. N.). Hier wird es letztendlich auf eine Einzelfallbetrachtung und -prüfung
ankommen. Im Ergebnis empfiehlt es sich, sofern man die VOB/B tatsächlich
einbezogen haben möchte, dies im Vertrag explizit festzuschreiben, um auf diese
Weise Rechtsklarheit zu schaffen. Dies gilt auch im Hinblick auf eine mögliche
Verkürzung der Verjährungsfrist auf vier Jahre durch die Einbeziehung des § 13
Abs. 4 VOB/B (vgl. Kapellmann 2004, Rn. 50 f.).132
3. Die Fertigstellung wird in der Regel durch einen umfassenden Leistungstest/Pro-
bebetrieb (z. B. vierzehntägige Leistungsfahrt) belegt und durch einen Gutachter
festgestellt werden. Diese gutachterliche Beurteilung ist sodann als Grundlage
für die (Gesamt-)Abnahme (§ 640 BGB) heranzuziehen. Des Weiteren bietet es
sich an, die bestandkräftige Genehmigung der Anlage, die Behördenabnahme
sowie die Erfüllung der sich aus dem EEG ergebenden Anforderungen für den
Erhalt der Vergütungen und Boni zur Voraussetzung der (Gesamt-)Abnahme zu
machen. Sofern Teil-Abnahmen vereinbart werden, sollte hierfür bereits zum
Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein detaillierter Plan erstellt und als Anhang
dem Generalunternehmervertrag beigefügt werden.
4. Neben der Festschreibung der Zahlungsmodalitäten bietet es sich außerdem an,
einen Zahlungsplan in den Vertrag einzubeziehen. Sofern ein Festpreis für die
Vertragsleistung vereinbart ist, sollte geklärt werden, inwieweit im Falle einer
Überschreitung des Zeitplans ein Anspruch auf Anpassung besteht.
5. Die gleiche Problematik stellt sich im Falle von Änderungen der Bauleistung.
Der Umstand, dass die HOAI133 im Verhältnis Auftraggeber/Generalunternehmer
in der Regel nicht gilt134, bedeutet nicht, dass in diesem Kontext nicht auf ihre

132
Sofern dies mittels AGB erreicht werden soll, gilt es die Änderung der §§ 309 Nr. 8b ff., 310
Abs. 1 S. 3 BGB zu beachten. Vgl. BT-Drs 16/9787 S. 18 sowie Grüneberg (2011), § 309, Rn. 74,
§ 310 Rn. 5; s. außerdem: BGH vom 24.07.2008 – VII ZR 55/07, ZIP 2008, 1729.
133
Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (Honorarordnung für
Architekten und Ingenieure – HOAI) vom 11.08.2009 (BGBl. I S. 2732).
134
BGH BauR 1997, 677; OLG Stuttgart NJW-RR 1989, 917; Koeble (2010), § 1, Rn. 10. Etwas
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 127

Regelungsmodelle bei der Berechnung der Vergütung modifizierter Leistungen


analog zurückgegriffen werden könnte (so auch Kapellmann 2004, Rn. 55).
Unabhängig davon empfiehlt es sich, nicht zuletzt angesichts der zügigen tech-
nologischen Weiterentwicklung und dem gesetzgeberischen Förderungswillen
hinsichtlich erneuerbarer Energien, geeignete Regelungen für eine etwaige
Änderung der Bauleistung inkl. der sich daraus ergebenden Kostentragung ver-
traglich zu normieren.
6. Eine zentrale (potenzielle) Haftungsfrage, nämlich diejenige nach dem Fertig-
stellungsrisiko, ist im Falle der Beauftragung eines Generalunternehmers weit-
gehend geklärt: Dieses als auch die Verantwortung für etwaige Verzögerungen
liegt grundsätzlich in dessen Verantwortungsbereich.135
7. Im Hinblick auf die Festlegung etwaiger Vertragsstrafen gilt es den in der Recht-
sprechung entwickelten Grundsatz zu beachten, dass eine Regelung dazu in
den AGB des Auftraggebers unter anderem nur dann wirksam ist, wenn für die
Summe aller verwirkten Vertragsstrafen eine Obergrenze von 5 % auf die Auf-
tragssumme vereinbart ist (vgl. Vygen und Joussen 2004, Rn. 60 mit Verweis auf
die Rn. 572 und 719).
8. Abschließend bleibt noch festzuhalten, dass auch der Generalunternehmervertrag
mit den (Standard-)Regelungen zum Gerichtsstand bzw. einer Schiedsabrede, zur
Übertragung von Rechten und Pflichten, zum anwendbaren Recht, zur Rechts-
änderung, zur Eigentum und Gefahrtragung, einem Schriftformerfordernis, einer
salvatorischen Klausel und einer Wirtschaftsklausel abgerundet werden sollte.
Sofern sich diesbezüglich Besonderheiten im Kontext von Biogas-Projekten im
Rahmen eines Generalunternehmervertrages ergeben, so wurden diese jeweils
zuvor dargestellt.

3.2.3 Der Biomasseliefervertrag

3.2.3.1 Primärbiomasse, biogene Sekundärenergieträger, Substrate


Biomasse ist generell ein dehnbarer und konturloser Begriff (vgl. Atrock et al.
2006, Rn. 22), der je nach Kontext einen anderen Inhalt annehmen kann. Dement-
sprechend ist eine Begriffsklärung notwendig.
In der Naturwissenschaft werden mit Biomasse ganz allgemein alle Stoffe
organischer Herkunft (d. h. kohlenstoffhaltige Materie) bezeichnet (vgl. Kalt-
schmitt 2009, S. 2). Diese extensive Grunddefinition wird für den Energiekontext
jedoch auf die in der Natur lebende Phyto- und Zoomasse (Pflanzen und Tiere),
die daraus resultierenden Rückstände (z. B. tierische Exkremente wie Gülle oder
Mist), abgestorbeneaber noch nicht fossilePhyto- und Zoomasse (z. B. Stroh
etc.) und alle sonstigen Stoffe, die aus den zuvor genannten Stoffen beispielsweise

anderes kann sich allenfalls dann ergeben, wenn sich die Tätigkeit des Generalunternehmers aus-
schließlich auf Planungsleistungen beschränkt; vgl. OLG Jena, BauR 2002, 1724, OLG Branden-
burg, BauR 2008, 118.
135
Umfassende Ausführungen hierzu finden sich unter Abschn. 2.4.3 und Abschn. 4.4 dieses
Werkes.
128 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

mittels technischer Umwandlung und/oder stofflicher Nutzung entstanden bzw.


angefallen sind (z. B. Schwarzlauge, Schlachtabfälle, organischer Hausmüll,
Papier, Zellstoff, Pflanzenöl, Alkohol, Biogas, Deponiegas, Klärgas, Holzpellets,
Hackschnitzel, Schredderholz, Holzkohle etc.), beschränkt (vgl. Kaltschmitt 2009,
S. 2), um mit dem Begriff Biomasse einen Abgrenzungsterminus zu den fossilen
Primärenergieträgern (Erdöl, Kohle und Erdgas)136 zu schaffen.
Der Europäische Gesetzgeber versteht unter Biomasse „den biologisch
abbaubaren Teil von Erzeugnissen, Abfällen und Reststoffen der Landwirtschaft
mit biologischem Ursprung (einschließlich pflanzlicher und tierischer Stoffe),
der Forstwirtschaft und damit verbundener Wirtschaftszweige einschließlich der
Fischerei und der Aquakultur sowie den biologisch abbaubaren Teil von Abfällen
aus Industrie und Haushalten“.
Die Reichweite dieser Definition hängt grundsätzlich davon ab, wie weit man
den Kreis der „verbundenen Wirtschaftszweige“ zieht. Wählt man ein breites Ver-
ständnis, ist die gemeinschaftsrechtliche Definition wohl deckungsgleich mit der
naturwissenschaftlichen (vgl. Ekardt 2010, § 3, Rn. 28 f.).
Der deutsche Gesetzgeber hat die gemeinschaftrechtliche Definition über-
nommen. Das EEG 2009 enthält zwar keine explizite Legaldefinition (vgl. § 3
und § 27 EEG 2009) und die Definition aus § 2 Abs. 1 der Biomasseverordnung
(BiomasseV)137 kann auf Grund ihres Standortes innerhalb einer Verordnung nicht
als allgemeine Begriffsbestimmung herangezogen werden. Aber aus der Gesetzes-
begründung zum EEG 2009 ergibt sich, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem
EEG 2009 unter anderem die Umsetzung der Richtlinie 2001/77/EG beabsichtigt
hat, welche der Ursprung der europarechtlichen Begriffsbestimmung ist.138
Legt man diese weite Definition nun dem Begriff „Biomasseliefervertrag“ zu
Grunde, ist das Spektrum des Begriffs identisch mit der Reichweite der Definition.
Ein Biomasseliefervertrag kann somit sowohl die Lieferung von lebender und/
oder abgestorbener Phyto- und Zoomasse sowie die daraus resultierenden Rück-
stände als auch die Lieferung von Stoffen zum Gegenstand haben, die aus den zuvor
genannten Stoffen hergestellt wurden. Auf den Biogaskontext bezogen bedeutet
dies, dass sowohl ein Vertrag über die Lieferung von Substraten zur Biogas-
erzeugung als auch ein Vertrag über die Lieferung von Biogas Biomasselieferver-
träge im weitesten Sinne sind.
Im Hinblick auf die Darstellung der Charakteristika des Biomasseliefervertrags
im Biogaskontext ist ein derartig weiter Terminus von Natur aus ungünstig, da es
ohne eine systematische Untergliederung in der Regel zu inhaltlichen Missver-
ständnissen und Ungenauigkeiten kommt. Im Folgenden werden daher in gebotener
Kürze die Verträge gruppiert, die sich unter dem Begriff Biomasseliefervertrag ver-
sammeln.

136
Erdöl, Kohle, Torf und Erdgas sind nach der ganz allgemeinen naturwissenschaftlichen Defini-
tion auch zur Biomasse zu zählen, da sie ebenfalls auf Grund organischer Stoffe entstanden sind.
137
Verordnung über die Erzeugung von Strom aus Biomasse vom 21. Juni 2001 (BGBl. I S. 1234)
zuletzt geändert durch Art. 1 Erste ÄndVO vom 9. August 2005 (BGBl. I S. 2419).
138
Gesetzesbegründung zum EEG 2009, BT-Drs. 16/8148, S. 39, linke Spalte.
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 129

Biomasse kann auf Grundlage der obigen Definition in Primärbiomasse und


biogene Sekundärenergieträger unterteilt werden. Der Begriff Primärbiomasse
umfasst alle organischen Stoffe, die ohne wesentliche Be- oder Verarbeitung, d. h.
dem Grunde nach in ihrer natürlich vorgefundenen Form, direkt in End- oder Nutz-
energie umgewandelt oder als Grundstoffe für die Erzeugung biogener Sekundär-
energieträger in mechanischen, thermochemischen, physikalisch-chemischen oder
biochemischen Umwandlungsprozesse eingesetzt werden können. Primärbiomasse
beinhaltet damit die in der Natur lebende Phyto- und Zoomasse (Pflanzen und Tiere),
die daraus resultierenden Rückstände (Gülle, Mist etc.), abgestorbene aber noch
nicht fossile Phyto- und Zoomasse (Stroh, abgestorbenes Holz, Tierkadaver etc.)
sowie Abfälle (organischer Haus- und Industriemüll: Industrieholz, Schlachthof-
abfälle, Klärschlamm etc.). Biogene Sekundärenergieträger sind all die Stoffe, die
am Ende eines mechanischen, thermochemischen, physikalisch-chemischen oder
biochemischen Umwandlungsprozesse stehen, in dem als Grundstoff ausschließlich
Primärbiomasse eingesetzt wurde. Damit umfasst der Begriff biogener Sekundär-
energieträger alle festen, flüssigen und gasförmigen Brennstoffe, die auf Grund-
lage von Primärbiomasse erzeugt wurden (z. B. Ethanol, Pflanzenöle, Palmölme-
thylester, Pyrolyseöl, Biogas, Deponiegas, Klärgas, Holzpellets, Hackschnitzel,
Schredderholz, Holzkohle, Maissilage etc.) (vgl. Kaltschmitt 2009, S. 4).
Entsprechend dieser Untergliederung können Biomasselieferverträge in
Primärbiomasselieferverträge und Lieferverträge über biogene Sekundär-
energieträger eingeteilt werden.
Auf den Biogaskontext bezogen ergibt sich hieraus nun, dass ein Vertrag über die
Lieferung von Biogas der letzteren Untervertragsart entspricht. Einen Vertrag über
die Lieferung von Substraten zur Biogaserzeugung stellt allerdings eine Mischform
der beiden Untervertragstypen dar, da die zur Vergärung eingesetzten Stoffe teils
der Primärbiomasse (z. B. Rindergülle, Rindermist, Hühnermist etc.) und teils den
biogenen Sekundärenergieträgern (z. B. Biertreber, Maissilage, Melasse, Press-
schnitzel etc.) zuzuordnen sind. Der Klarheit wegen wird daher im Folgenden für
diese Vertragsart ausschließlich der Begriff Substratliefervertrag verwendet.
Ein Liefervertrag über Biogas ist insoweit keine rechtliche Neuerung, da Gas-
lieferverträge seit der ersten energetischen Nutzung dieses Stoffes durch den
Menschen geschlossen werden und daher ausreichend rechtlich kommentiert sind.
Substratlieferverträge hingegen sind ein Produkt der jüngeren Vergangenheit und
derzeit rechtlich noch wenig ausgeleuchtet. Aus diesem Grund begrenzt sich die
Darstellung innerhalb der folgenden Abschnitte ausschließlich auf die Eigenheiten
des Substratliefervertrags.

3.2.3.2 Typisierung des Vertrages


Der Substratliefervertrag ist ebenso wie die übergeordneten Vertragstypen
gesetzlich nicht normiert. Dementsprechend steht entweder das Etikett sui generis
oder das eines der normierten Vertragstypen zur Verfügung. Betrachtet man die
rudimentären Vertragspflichten eines Substratliefervertrages (Lieferung von Sub-
straten in der Regel im Austausch gegen eine andere Leistung – meistens Geld)
entspricht das Grundnaturell des Vertrages auf den ersten Blick einem klassischen
130 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

zivilrechtlichen Kaufvertrag i. S. d. §§ 433 ff. BGB. Inwieweit diese erste Einschät-


zung tragfähig ist, hängt freilich davon ab, ob die allgemeinen Charakteristika des
Substratliefervertrags generell mit der Dogmatik des Kaufvertrages vereinbar sind
oder ob nicht eventuell ein anderer normierter Vertragstypus passender ist.
Der erste Ansatzpunkt in diesem Kontext ist das Gut Substrat selbst sowie die
Frage, ob Substrate überhaupt tauglicher Gegenstand eines Kaufvertrages sein
können. Gegenstand eines Kaufvertrages sind nach dem Gesetz Sachen (§ 433
BGB) oder Rechte (§ 453 BGB). Sachen i. S. d. § 433 BGB sind über die Legalde-
finition des § 90 BGB hinausgehend alle verkehrsfähigen, auch unkörperlichen
Vermögensgegenstände und Sachgesamtheiten (Westermann 2009, § 433, Rn. 10).
Der extensive Sachenbegriff wird in diesem Kontext allerdings nicht benötigt, da
Substrate auf Grund ihres Aggregatzustandes (fest oder flüssig) bereits unter den
engeren Sachenbegriff des § 90 BGB fallen (vgl. Holch 2009, § 90, Rn. 7; Ellen-
berger 2011, § 90, Rn. 1) und somit zweifelsfrei Gegenstand eines Kaufvertrags
sein können. Hinsichtlich der anderen dogmatischen Elemente des Kaufvertrags
ergeben sich in Bezug auf Substrate keine Besonderheiten, da wie bei jeder anderen
beweglichen Sache sowohl die Eigentums- und Besitzverschaffung durch den Ver-
käufer als auch die Entgegennahme durch den Käufer möglich ist. Außerdem ist
es möglich, den Austausch von Substraten in ein Gegenseitigkeitsverhältnis mit
einer Geldleistung des Käufers an den Verkäufer zu stellen. Folglich sind die Cha-
rakteristika des Substratliefervertrags mit der Dogmatik des Kaufvertrags i. S. d.
§§ 433 ff. BGB grundsätzlich vereinbar und somit kann der Substratliefervertrag
dem Grunde nach als Unterfall des Kaufvertrags charakterisiert werden.
In Anbetracht der Tatsache, dass Substrate auch planmäßig und zweckgerichtet
erzeugt, gesammelt und/oder verfügbar gemacht werden können, stellt sich
allerdings die Abgrenzungsfrage, ob der Substratliefervertrag nicht eher einem
Werklieferungsvertrag i. S. d. § 651 BGB entspricht. Grundsätzlich unterfällt dem
Tatbestandsmerkmal „erzeugen“ in § 651 BGB die Urproduktion (vgl. Jacoby
und Peters 2008, § 651, Rn. 12) und somit kann der Substratliefervertrag dem
Grunde nach auch diesen Vertragstypus darstellen. Der Anknüpfungspunkt für
die Abgrenzung zwischen Kauf- und Werklieferungsvertrag ist stets die Frage, ob
sich die Verpflichtung des Lieferanten lediglich auf die Eigentums- und Besitzver-
schaffung erstreckt oder ob daneben auch die Herstellung der Sache geschuldet ist
(vgl. Westermann 2009, § 433, Rn. 21; Jacoby und Peters 2008, § 651, Rn. 14).
Hier wird es auch wiederum auf den Einzelfall ankommen. Eine abstrakt-generelle
Klärung dieses Umstandes ist im Substratkontext wohl nicht möglich, da den Ver-
tragsparteien keinerlei rechtliche oder faktische Schranken gesetzt sind, einen Sub-
stratliefervertrag als reinen Kaufvertrag oder als Werklieferungsvertrag auszuge-
stalten. Die Abgrenzung ist insoweit auch rein akademischer Natur, da es sich bei
Substraten um vertretbare Sachen i. S. d. § 91 BGB handelt und somit gemäß § 651
Sätze 1 und 3 BGB Kaufrecht ohne Modifikationen Anwendung findet.
Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass der Substratliefervertrag sowohl als
Kaufvertrag oder als Werklieferungsvertrag typisiert werden kann. In der Regel
wird man den Substratliefervertrag aber wohl als Kaufvertrag bzw. Sukzessivliefer-
vertrag (eine Unterart des Kaufvertrags, vgl. Westermann 2009, § 433, Rn. 38)
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 131

i. S. d. §§ 433 ff. BGB klassifizieren müssen, da der Abnehmer gewöhnlich keinen


Wert auf die Erzeugung der Substrate durch seinen Vertragspartner legt, sondern
lediglich Interesse an den Substraten haben wird (vgl. Westermann 2009, § 433,
Rn. 21; Jacoby und Peters 2008, § 651, Rn. 14).

3.2.3.3 Vertragliche Vorüberlegungen


Im Vorfeld eines Substratliefervertrags sind generell die allgemeinen Ziele der
Biogasproduktion und die technischen Einzelheiten der Biogaserzeugungsanlage
sowie die daraus resultierenden und allgemeinen rechtlichen Möglichkeiten abzu-
stecken.
Abstrakt gesehen wird der Sekundärenergieträger Biogas – wie bereits ver-
anschaulicht – immer unter dem Gesichtspunkt hergestellt, in einem weiteren
Umwandlungsprozess Strom, Wärme oder Kraftstoff zu erzeugen (vgl. Scholwin
und Edelmann 2009, S. 914). Die weitere Umwandlung kann, muss aber nicht,
durch den Biogasproduzenten erfolgen (vgl. hierzu bereits die verschiedenen
Grundmodelle zum Betrieb einer Biogaserzeugungsanlage (reine Biogaserzeugung/
End- und Nutzenergieerzeugung mittels Biogas)). Auf den Substratliefervertrag
wirken sich die Grundmodelle einer Biogaserzeugungsanlage insoweit aus, dass
sich verschiedenste Verpflichtungen und Spielräume bei der wirtschaftlichen Ver-
wertung von Biogas, Strom, Wärme oder Kraftstoff ergeben können und diese bei-
spielsweise hinsichtlich Haftungs- und Regressfragen bereits im Rahmen eines
Substratliefervertrags zu berücksichtigen sind.
Des Weiteren sollten sich die konkreten technischen Einzelheiten der Biogas-
erzeugungsanlage im Substratliefervertrag an verschiedenen Stellen wider-
spiegeln, um einen optimalen und wirtschaftlichen Betrieb der Anlage zu
gewährleisten. Im Hinblick auf die Gestaltung von vertraglichen Regelungen zur
Qualität, Beschaffenheit und Handhabung von Substraten sind die Fermentations-
technik (Nass- oder Trockengärung) und der Substratmix (Monovergärung oder
Fermentation mehrerer Substrate) zu beachten. Für die Liefermenge und den
Mengenplan von Substraten sowie die Verwertung von Gärresten sind die Anlagen-
beschickung (kontinuierlich, quasikontinuierlich oder diskontinuierlich), die Auf-
enthaltszeit der Substrate im Fermenter sowie die Lagerkapazitäten für Substrate,
Gärreste, Biogas und Kraftstoff relevant. In diesem Kontext sollte sich zudem vor
Augen geführt werden, ob bereits ein oder mehrere Substratlieferanten vorhanden
sind bzw. für die die Versorgung der Biogasanlage in Anspruch genommen werden
sollen.
Hinsichtlich der gesetzlichen Möglichkeiten ist ferner darüber nachzudenken,
welche Förderungen und Absatzmöglichkeiten im konkreten Fall nutzbar sind. Ein
End- und Nutzenergieproduzent kann bereits mittels der Ausgestaltung seiner Sub-
stratlieferbeziehungen sicherstellen, dass die Vorgaben für den NawaRo-Bonus
(§ 27 Absatz 4 Nr. 2 EEG 2009 i. V. m. Anlage 2 zum EEG 2009, insbesondere sei
auf die Negativliste für nachwachsende Rohstoffe und den Güllebonus in Anlage 2
hingewiesen139) im Rahmen der Stromeinspeisevergütung (§ 16 EEG 2009) erfüllt

139
Vgl. hierzu auch die Neuerungen in §§ 27 ff. EEG 2012.
132 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

werden. Vergleichbares gilt für den reinen Biogasproduzenten, da dieser ebenfalls


durch eine NawaRo-Bonus-konforme Biogaserzeugung die Attraktivität seines Pro-
dukts gegenüber potenziellen Kunden erhöhen kann.

3.2.3.4 Präambel und Vertragsgegenstand


Die Präambel eines Substratliefervertrages sollte wie bei jedem anderen Vertrag
dazu genutzt werden, die Parteibeziehung näher zu beschreiben, um auf diese Weise
eine zusätzliche Auslegungs- und Konkretisierungshilfe zu schaffen. Für den Bio-
gaskontext bieten sich neben den allgemeinen Ausführungen zu den Parteien (Name,
Sitz/Betriebsort, Branche, kommunaler oder privatwirtschaftlicher Betreiber der
Biogasanlage, Funktion und Aufgabe innerhalb der Geschäftsbeziehung etc.) ins-
besondere mit Blick auf den Kontext der erneuerbaren Energien eine ausführliche
Beschreibung des Grundes und des Ziels der geschäftlichen Beziehung (Stärkung
der regionalen Substraterzeuger, Aufbau einer langfristigen Parteibeziehung für
die Biogasproduktion etc.) sowie eine Fixierung des Sinn und Zwecks der Biogas-
erzeugungsanlage (Versorgung einer kommunalen KWK-Anlage zur Stärkung der
regionalen Autonomie in Bezug auf Strom und Wärme, Verbesserung der regionalen/
lokalen Ökobilanz, Versorgung der Heizanlage eines kommunalen Schwimmbades,
Verkauf des Biogas an einen Erdgasversorger und Einspeisung in das regionale
Erdgasnetz, Herstellung von Biokraftstoff für Kraftfahrzeuge etc.) an.
Im Rahmen des Vertragsgegenstandes ist eingangs die Biogaserzeugungs-
anlage als Versorgungsobjekt mit einigen individualisierende Eigenheiten wie
Adresse, Lage, Flurnummer, Kontaktperson, Telefonnummer etc. zu benennen.
Des Weiteren sind die Substrate mittels einschlägiger Termini und deren garan-
tierter Lieferumfang eingehend zu beschreiben, wobei im Falle der Lieferung ver-
schiedener Substrate durch einen Verkäufer eine aussagekräftige Auflistung erfolgen
sollte. Als Maßeinheit für den Lieferumfang kann grundsätzlich eine Mengen-
angabe in z. B. metrischen Kilogramm (kg,) Tonnen (t) oder Kubikmetern (m3/
FM), der durchschnittliche Ertragswert einer Fläche (z. B. kg/m2 oder t/ha) oder
der durchschnittliche Gasertragswert eines Substrates140 (z. B. m3/kg organischer
Trockensubstanz (oTS) oder m3/t oTS) dienen. Die Wahl der Maßeinheit legt dem
Grunde nach die erste Risikoverteilung fest. Werden Mengenangaben oder Flächen-
ertragswerte als Referenzpunkt gewählt, trägt der Substratlieferant lediglich das
Mengenrisiko. Wird hingegen der Gasertragswert vereinbart, so obliegt dem Sub-
stratlieferanten das Gasertragsrisiko. Dieses stellt im Vergleich zum Mengenrisiko
ein höheres wirtschaftliches Risiko dar, da die Gasausbeute z. B. pro t oTS schwankt
und der Substratlieferant dementsprechend solange zur Lieferung von Substrat ver-
pflichtet ist, bis die vereinbarte Gasmenge erreicht ist.
Als letzter Punkt im Rahmen des Vertragsgegenstandes ist die Abrechnungsform
festzulegen, d. h. wird der Preis für ein Substrat in Euro pro Mengeneinheit oder
pro Gasertrag gezahlt. In diesem Kontext sollte zudem entschieden werden, ob die

In diesem Falle empfiehlt es sich, den Gasertragswert eines Substrates zuvor im Labor feststel-
140

len zu lassen.
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 133

Verwertung der Gärreste durch den/die Substratlieferanten erfolgt und ob sich dies
auf die Preisbildung für die Substrate auswirkt.

3.2.3.5 Substratqualität und Mengenmessung


Die Substratqualität ist von grundlegender Bedeutung für den Vergärungsprozess
und die Biogasausbeute (Scholwin et al. 2009, S. 851). Dementsprechend sind im
Substratliefervertrag Qualitätskriterien für die Substrate sowie eine Prozedur zu
deren Bestimmung und -sicherung festzulegen.
Wesentliche Bezugsgrößen für die Qualität eines Substrats sind im All-
gemeinen (Scholwin et al. 2009, S. 851 ff.):
1. der Trockensubstanzgehalt (TS),
2. der organische Trockensubstanzgehalt (oTS) bzw. der chemische Sauerstoff-
bedarf (CSB) bei Abwässern,141
3. die Zusammensetzung der oTS (z. B. nach Weender: Rohfaser, Rohprotein, Roh-
fett und stickstofffreie Extraktstoffe),
4. das Nährstoffangebot i. w. S. (Nährstoffe, Spurenelemente und Vitamine),
5. der Hemmstoffgehalt (Desinfektionsmittel, Antibiotika, Ammoniumfrachten,
Tenside, Schwermetalle, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Pestizide etc.) und
6. die Korngröße.
Hinsichtlich dieser Kriterien empfiehlt es sich, grundsätzlich Qualitätsband-
breiten (Mindest- und Maximalwerte) festzulegen, da die Substratqualität in der
Regel Schwankungen unterliegt.
Bezüglich der Festlegung der Bandbreiten für die TS, die oTS, die Zusammenset-
zung der oTS und das Nährstoffangebot eines Substrats kann als Grundlage eine
anerkannte Veröffentlichung zu Substratzusammensetzungen, beispielsweise die
Futterwerttabelle der Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft e. V. (DLG) (Schol-
win et al. 2009, S. 861), herangezogen werden. Im Hinblick auf die CSB-Werte von
Abwässern aus Haushalten, Gewerbe und Industrie (Scholwin et al. 2009, S. 861)
ist zu beachten, dass sich diese für eine anaerobe Vergärung erst ab einem Wert von
2.000 mg CSB/l eignen (Thrän et al. 2009, S. 167).
In Bezug auf Hemmstoffe und deren kritischer Konzentrationen im Fermenter
finden sich derzeit viele und z. T. widersprüchliche Daten (Scholwin et al. 2009,
S. 862). Dementsprechend können folgende Angaben nur als Groborientierung
dienen (Scholwin et al. 2009, S. 862), um Bandbreiten für die Hemmstoffbelastung
von Substraten zu bilden (s. Tab. 3.4).
Hinsichtlich der Korngröße gilt, dass feinkörnige Substrate in der Regel leichter
abgebaut werden (Scholwin et al. 2009, S. 853).
Neben den genannten Anhaltspunkten für die Bandbreitenbildung sind im Vor-
feld außerdem folgende Erwägungen in diesem Kontext anzustellen: So ist hinsicht-
lich der substratspezifischen TS-Bandbreite das konkrete Vergärungsverfahren,
d. h. Nassvergärung (TS-Gehalt im Fermenter ≤ 13%) oder Trockenvergärung (TS-
Gehalt im Fermenter 20–35 %) (Graf und Bajohr 2011, S. 97) und der Substratmix,

Der CSB-Wert erweist sich meist als der zuverlässigste Indikator für das Energiepotential eines
141

Abwassers (Scholwin et al. 2009, S. 861).


134 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Tab. 3.4 Bandbreiten für die Hemmstoffbelastung. (Scholwin et al. 2009, S. 863, soweit nicht
anders angegeben)
Natrium ab 6–30 g/l; bei angepassten Bakteriengruppen ab 60 g/l
Kalium ab 3 g/l
Calcium ab 2,8 g/l CaCl2
Magnesium ab 2,4 g/l Mg Cl2
Ammonium ab 2,7–10 g/l; bei angepassten Bakteriengruppen ab 30 g/l; Ammo-
niak ab 0,15 g/l
Schwefel ab 50 mg/l H2S, 100 mg/l S2- und 160 mg/l Na2S; bei angepassten
Bakteriengruppen ab 600 mg/l Na2S und 1.000 mg/l H2S
Schwermetalle freie Ionen: Nickel ab 10 mg/l, Kupfer ab 40 mg/l, Chrom ab
130 mg/l, Blei ab 340 mg/l, Zink ab 400 mg/l Carbonatform: Zink
ab 160 mg/l, Kupfer ab 170 mg/l, Cadmium ab 180 mg/l, Chrom3+
ab 530 mg/l, Eisen ab 1.750 mg/l
Iso-Buttersäure ab 50 mg/l
Höhere Fettsäuren ab 1,2 mMol C12 und C18
Petrochemische ab 0,1 mMol Kohlenwasserstoffe, aromatischen und halogenisierten
Produkte Verbindungen; bei angepassten Bakteriengruppen erfolgt der Abbau
hingegen sehr gut
Cyanid ab 5 mg/l; bei angepassten Bakteriengruppen ab 30 mg/l
Chlorierte Chloroform: Anpassung bis zu 40 mg/l; Fluor-Chlor-Kohlenwas-
Verbindungen serstoffe und andere halogenierte niedermolekulare organische
Verbindungen ab ca. 50 mg/l
Formaldehyd ab 100 mg/l; bei angepassten Bakteriengruppen ab 1.200 mg/l
Wasserstoff ab 1µMol/l
Kohlensäure ab 1 bar CO2-Partialdruck
Ethen & Terpen ab 50 mg/l bei Öl aus Zitrusfrüchten; ab ca. 1 mg/l
Desinfektionsmittel & ab 1–100 mg/l
Antibiotika
pH-Wert pH-Wert im Fermenter: 6,8–7 (neutral) (Watter 2009, S. 197; Graf
und Bajohr 2011, S. 77)

d. h. Mono- oder Kofermentation, der Biogaserzeugungsanlage sowie der Umstand


zu beachten, ob Primärbiomasse von einem oder mehreren Lieferanten bezogen
wird. Letzteres ist insoweit relevant, da eventuell verschiedene TS-Gehalte auf
einander abgestimmt werden müssen, um die biologische Prozessstabilität im
Fermenter nicht zu beeinträchtigen. In Bezug auf die oTS ist zu bedenken, dass
die bei der anaeroben Vergärung eingesetzten Bakteriengruppen (hydrolytische,
acidogene, acetogene und methanogene Bakterien) generell Substrate mit hohen
oTS-Werten bevorzugen, da sie sich in diesen ohne großen Energieaufwand mit
Nahrung versorgen können (Scholwin et al. 2009, S. 852). Zudem wird nur die
oTS im Fermenter zu Biogas umgewandelt (Graf und Bajohr 2011, S. 80).142 Neben

Die oTS als Bezugsgröße für das Biogaspotential bietet gegenüber dem Wert der Trocken-
142

substanz eines Substrates den Vorteil, dass es zu keiner falschen Gewichtung anorganischer Ver-
schmutzungen kommen kann, die nicht von den Mikroorganismen nicht zu Biogas verarbeitet
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 135

dem absoluten oTS-Wert eines Substrates ist des Weiteren auf die substratspezi-
fische Zusammensetzung der oTS zu achten, da Rohfaser, Rohprotein und Rohfett
unterschiedliche Mengen an Biogas liefern (Scholwin et al. 2009, S. 852; Graf und
Bajohr 2011, S. 80 f.). Grundsätzlich ergibt der Abbau von Rohfett den höchsten
Methanertrag gefolgt von Rohprotein und Rohfaser (Graf und Bajohr 2011, S. 81).
Bei der Festlegung der Bandbreiten für das Nährstoffangebot im weiten Sinne
gilt es sich vor Augen zu führen, dass die Mindest- und Maximalkonzentration an
Nährstoffen, Spurenelementen und Vitaminen dem Grunde nach schon durch die
im Fermenter zum Einsatz kommenden Bakteriengruppen vorgegeben werden, da
sowohl durch eine Über- als auch Unterschreitung der bakterienspezifischen Kon-
zentrationswerte der Stoffwechselprozess der Mikroorganismen hemmt und damit
die Biogaserzeugung negativ beeinflusst wird (vgl. Bischofsberger et al. 2005,
S. 45).143 Essentielle Nährstoffe für die am Biogaserzeugungsprozess beteiligten
Bakterien sind im wesentlichen Kohlenstoff (C), Stickstoff (N), Phosphor (P) und
Schwefel (S) (vgl. Scholwin et al. 2009, S. 851; Bischofsberger et al. 2005, S. 45;
Graf und Bajohr 2011, S. 88). Als optimales Konzentrationsverhältnis im Fermenter
wird derzeit das C:N:P:S-Verhältnis von 600:15:5:3 angegeben (Graf und Bajohr
2011, S. 88; Scholwin et al. 2009, S. 851). Dieser Wert ist allerdings aktuell in
der Wissenschaft zur Diskussion gestellt (Graf und Bajohr 2011, S. 88 f.). Weitere
wichtige Nährstoffe sind Natrium (Na), Kalium (K) und Kalzium (Ca) (Scholwin
et al. 2009, S. 851). Als Spurenelemente benötigen die bei der anaeroben Ver-
gärung eingesetzten Mikroorganismen Nickel (Ni), Kobalt (Co), Molybdän (Mo),
Eisen (Fe), Selen (Se), Wolfram (W), Zink (Zn), Kupfer (Cu) und Mangan (Mn)
(Bischofsberger et al. 2005, S. 47). Hinsichtlich der jeweiligen Konzentrations-
werte für die Bandbreitenbildung wird auf Tab. 3.4 verwiesen.
Letztlich ist noch zu bedenken, ob die Gärreste einer landwirtschaftlichen Ver-
wertung als Dünger zugeführt werden sollen (sog. Biogasgülle) (Wagner 2011,
S. 7). Grundlage des nationalen Düngerechts sind das Düngegesetz (DüG)144 und
die Düngemittelverordnung (DüMV)145. Aus letzterer ergibt sich, dass die Gärreste
selbst den Vorgaben des § 5 DüMV (Anforderung an die Seuchen- und Phytohygiene)
und den Vorgaben der Anlage 1 Abschn. 3 zur DüMV entsprechen müssen (Böhm
2011, S. 47). Zudem ergibt sich aus § 3 DüMV i. V. m. Anlage 2, dass nur gewisse
Ausgangsstoffe und Grenzwert von Inhaltsstoffen bei der Herstellung von Dünger
zulässig sind. Dementsprechend sind im Falle der Verwertung der Gärreste als
landwirtschaftlicher Dünger ein vertragliches Verbot bezüglich der Substrate fest-
zulegen, die nicht mit der DüMV vereinbar sind und die Qualitätskriterien an die
Grenzwerte der DüMV angepasst werden. Des Weiteren sind in diesem Kontext die
Bioabfallverordnung (BioAbfV), bzgl. dieser sollte an die Negativliste der Anlage 2

werden können (Graf und Bajohr (2011), S. 83).


143
Vgl. hierzu auch Tab. 3.4.
144
Düngegesetz vom 09.01.2009 (BGBl. I S. 54, ber. S. 136), zuletzt geändert durch Art. 10 Bun-
desrecht-AnpassungsG im Zuständigkeitsbereich des BMELV vom 9.12.2010 (BGBl. I. S. 1934).
145
Verordnung über das Inverkehrbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten
und Pflanzenhilfsmitteln vom 16. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2524), zuletzt geändert durch Art. 1
Erste ÄndVO vom 14.12.2009 (BGBl. S. 3905).
136 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

zum EEG 2009 gedacht werden, die EG-Hygieneverordnung 1069/2009 für nicht
für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte, die Wirtschafts-
düngerverordnung (WDüngV)146 und die Klärschlammverordnung (AbfKlärV)147
zu beachten (Böhm 2011, S. 47).
Hinsichtlich der Qualitätsbestimmung und -sicherung der gelieferten Sub-
strate sind mehrere Punkte zu regeln. Zunächst haben die Parteien ein Labor zu
benennen (Name, Adresse, Ansprechpartner etc.), das nicht nur die Qualitäts-
bestimmung bzgl. der zuvor festgelegten Kriterien durchführen soll, sondern auch
hierzu grundsätzlich in der Lage ist148. Im Weiteren bietet es sich dann an, einen
Laborplan aufzustellen, der insbesondere folgende Punkte regelt (Wagner 2011,
S. 9):
• Werden Substratproben bei jeder Lieferung oder nur nach einer gewissen Anzahl
von Lieferungen gezogen?
• Wie viele Proben werden gezogen und wie groß ist die jeweilige Probenmenge?
• Wer zieht die Proben: Lieferant, Abnehmer oder ein beauftragter Dritter149?
• Wer hält die Instrumente zur Probenentnahme und eine Lagermöglichkeit (z. B.
Tiefkühltruhe) vor?
• Wie lange dürfen die Proben zwischengelagert werden?
• Wer übernimmt den Transport zum Labor150 bzw. Abholung durch das Labor
selbst151?
• Sollen Rückstellproben angelegt werden?
In diesem Zusammenhang könnte dann zudem in Absprache mit dem Labor gere-
gelt werden, wie und durch wen die Probengefäße beschriftet werden (Laufende Pro-
bennummer, Entnahmedatum, Lieferant, Biogasanlage, Substratbezeichnung, Reife,
frisch/konserviert, Lagertemperatur, Unterschriften etc.) (Wagner 2011, S. 9). Des
Weiteren erscheint es durchaus sinnvoll, vertraglich festzuhalten, dass ein Substrat-
tagebuch152 anlegt wird, in welchem die Daten des Laborplans dokumentiert und die
Laborergebnisse zentral gesammelt werden. In diesem Zusammenhang ist dann zu
regeln, wer dieses Tagebuch führen soll und wo es hinterlegt wird. Grundsätzlich
bietet es sich an, diese Aufgabe auf den Probenentnehmer zu übertragen. Außerdem
könnte aus Transparenzgesichtspunkten festgelegt werden, dass der anderen Partei
regelmäßig Auszüge aus dem Substrattagebuch übersendet werden.

146
Verordnung über das Inverkehrbringen und Befördern von Wirtschaftdünger vom 21.07.2010
(BGBl. I S. 1062).
147
Klärschlammverordnung vom 15. April 1992 (BGBl. I S. 912), zuletzt geändert durch Art. 9
VO zur Ums. der DienstleistungsRL auf dem Gebiet des Umweltrechts sowie zur Änd. umwelt-
rechtl. Vorschriften vom 09.11.2010 (BGBl. I S. 1504).
148
Beispielsweise erfolgt die Bestimmung der TS- und oTS-Werte von Substraten grundsätzlich
in zwei Schritten. Zunächst wird durch die Trocknung des Substrates bei 105 °C über 24 h der
Trockensubstanzgehalt des Substrates bestimmt und anschließend die verbleibende Trockensub-
stanz (TS) bei 550 °C verascht (vgl. Graf und Bajohr 2011, S. 80.).
149
Hier ist dann eventuell zu regeln, wer den Beauftragten hinsichtlich der Probenentnahme ein-
weist (Wagner 2011, S. 9).
150
Evtl. sollte hier die Einhaltung der Kühlkette beachtet werden (Wagner 2011, S. 9).
151
Hier sollten der Abholort und die Abholzeiten spezifiziert werden.
152
Vgl. hierzu auch § 27 Abs. 5 EEG 2012.
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 137

Letztlich hat der Substratliefervertrag auf jedem Fall eine Kostentragungsregel


in Bezug auf die Qualitätsbestimmung und -sicherung zu enthalten sowie Rege-
lungen für den Fall einer Nichteinhaltung.
Neben diesen passiven Mitteln der Qualitätssicherung gilt es sich zusätzlich
zu überlegen, ob nicht bereits der Produktionsprozess der Substrate aktiv gere-
gelt wird. Dies könnte dadurch erfolgen, dass z. B. die Anpflanzung von spezi-
fischen Pflanzenarten oder gewisse Pflanz-, Dünge- oder Silagetechniken festgelegt
werden(vgl. hierzu Energie Technologie Initiative (ETI) 2011, S. 35 f.). Daneben
könnte auch der Erntezeitpunkt für manche Substrate geregelt werden, da sich z. B.
bei Mais beachtliche Stärkemengen mit der Vollreife bilden, die den Methangehalt
des Biogases drücken, oder der TS-Gehalt/kg bei jungen intensive gedüngten Grün-
pflanzen wesentlich höher ist als bei überständigen Pflanzen (Graf und Bajohr 2011,
S. 82). Außerdem wäre zu überlegen, auch eine maximale Vorlagerzeit der Sub-
strate beim Lieferanten festzulegen (Wagner 2011, S. 8).
Eine Mengenmessung der gelieferten Substrate in kg, t oder m3 vertraglich zu
vereinbaren, erscheint unabhängig von der für den Lieferumfang gewählten Maß-
einheit aus mehreren Punkten ratsam. Zunächst ist es auf diese Weise möglich,
die Lagerkapazitäten der Biogaserzeugungsanlage nicht zu überschreiten. Des
Weiteren können aus der gelieferten Substratmenge, den hieraus statistisch zu
erwartenden Gaserträgen und dem tatsächlichen Gasertrag erste Rückschlüsse auf
die Qualität der Substrate gezogen werden. Außerdem ergibt sich auf diese Weise
eine Übersicht zu den noch zu erfüllenden vertraglichen Pflichten. Als Annex zu
dieser Vereinbarung gilt es dann zu regeln, wo die Mengenmessung (z. B. Ort der
Waage, Öffnungszeiten) stattfinden (Wagner 2011, S. 8) soll und eventuell welche
Dokumente nach der Messung vorzuweisen sind. Ferner sollte vereinbart werden,
dass die gewonnenen Daten im Substrattagebuch mit aussagekräftigen Indivi-
dualisierungsmerkmalen der Lieferung (z. B. Name des Lieferanten, Kennzeichen
des Transportfahrzeugs, Name des Fahrers, Substratbezeichnung, Datum, Liefer-
zeit, Nummer des Wiegescheins etc.) notiert werden (Wagner 2011, S. 8). Um eine
einheitliche Dokumentation zu gewährleisten, kann dem Vertrag als Anlage ein
Musterformular für diesen Zweck beigefügt werden (Wagner 2011, S. 8). Letztlich
gilt es auch in diesem Kontext, eine Kostentragungsregel im Substratliefervertrag
niederzuschreiben.

3.2.3.6 Mengenplan und Anpassung


Für eine kontinuierliche Biogasproduktion ist ein auf die Biogasanlage abge-
stimmter Mengenplan mit Anpassungsmöglichkeiten vertraglich zu fixieren.
Ausschlaggebender Faktor hierfür ist der konkrete Bedarf der Anlage, der sich
im Wesentlichen aus dem Beschickungsintervall des Fermenters (kontinuierlich,
quasikontinuierlich oder diskontinuierlich), dessen Fassungsvermögen, der Lager-
kapazitäten der Biogaserzeugungsanlage für Substrate sowie Gärreste und der
durchschnittlichen Verweilzeit der Substrate im Fermenter bestimmt.
Die durchschnittliche Verweildauer eines Substrates im Fermenter liegt je
nach Substrattyp zwischen 40 und 60 Tagen (Watter 2009, S. 199). Werden
Batchreaktoren als Einzelreaktoren oder im Wechselbehälterverfahren (Fachagentur
138 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Nachwachsende Rohstoffe e. V., S. 37 f.) für die Erzeugung von Biogas einge-
setzt, gilt es zu beachten, dass auf Grund deren einmaliger vollständiger Befüllung
zu Prozessbeginn und der vollständigen Entleerung nach Ablauf der Verweilzeit
(diskontinuierliche Beschickung) als Substratmenge das Fassungsvermögen des
Reaktors zur Wiederbefüllung zur Verfügung stehen muss. Ähnlich verhält es sich
bei Reaktoren, die im Speicher-Verfahren (quasikontinuierliche Beschickung)
betrieben werden. Derartige Reaktoren werden zu Prozessbeginn vollständig befüllt
und nach Ablauf der Verweildauer wird der Fermenterinhalt bis auf einen kleinen
Rest zur Animpfung des neuen Inhalts in das in demselben Behälter befindliche
Gärrestelager verbracht (Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V., S. 38 f.).
Reaktoren, die im Durchfluss-Verfahren oder kombinierten Durchfluss-Speicher-
Verfahren (kontinuierliche Beschickung) betrieben werden, müssen hingegen mehr-
mals täglich mit frischem Substrat versorgt werden (Fachagentur Nachwachsende
Rohstoffe e. V., S. 38 f.). Dementsprechend ist der Mengenplan grundsätzlich so
auszurichten, dass unter Berücksichtigung der Lagerkapazitäten die Fermenterver-
sorgung nicht unterbrochen wird.
Neben den Eigenheiten der Anlage ist als weiterer Faktor allerdings auch zu
bedenken, dass manche Substrate nicht ganzjährig verfügbar sind, sondern auf
Grund der natürlichen Wachstumsperioden nur zu bestimmten Jahreszeiten
erhältlich sind153.
Ferner stellen Regelungen bzgl. der Anpassung und Feinjustierung des
Mengenplans im Substratliefervertrag regelmäßig einen festen Vertragsbestandteil
dar. Dies gilt insbesondere bei langfristigen Lieferverträgen. Hier sind vor allem
Anpassungssituationen und -gründe vertraglich zu regeln sowie eine Frist für die
Mitteilung eines Anpassungsverlangens.

3.2.3.7 Lieferung von Substraten und Abnahme von Gärresten


An Hand der im Mengenplan niedergeschriebenen Lieferintervalle und -mengen
ist im Folgenden die konkrete Lieferung der Substrate näher vertraglich aus‑
zugestalten.
Zunächst ist der allgemeine Lieferbeginn bzw. falls ein Lieferant in ver-
schiedenen Jahren verschiedene Substrate bereitstellt, der Lieferbeginn für jedes
Substrat einzeln zu benennen. Daneben sind Anlieferungsort und -zeit aussage-
kräftig insbesondere durch die Nennung von Öffnungszeiten, Zugang zum Lieferort,
Lagernummern, Einfüllstutzen etc. zu beschreiben. In diesem Zusammenhang ist
auch beachtlich, dass manche Substrate eventuell noch hygienisiert werden müssen,
bevor sie in den Fermenter eingebracht werden können. Dementsprechend sollte für
diesen Fall die Ausweisung des Anlieferungsortes besonders detailliert erfolgen,
damit andere Substrate nicht kontaminiert werden. Außerdem bietet es sich an,
eine Mindestliefermenge pro Anlieferung festzuschreiben (Wagner 2011, S. 3), um
unnötige Mengenmessungen und Mehrfachanlieferungen, die einen zusätzlichen
CO2-Ausstoß bedeuten, zu vermeiden. Ferner könnten auch Regelungen zur

Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur aktiven Qualitätssicherung.


153
3.2  Projektverträge: Generalunternehmervertrag und Biomasseliefervertrag 139

maximalen Lieferentfernung154 oder Grundstücksnutzung z. B. in Form von


zulässigen Höchstgewichten und Abmessungen von Lieferfahrzeugen oder der
Entfernung von Verunreinigungen am Lieferort durch den Lieferanten notwendig
sein (Wagner 2011, S. 3). Letztlich gilt es für den Fall von Störungen oder anderen
Problemen im Zusammenhang mit der Lieferung auf beiden Seiten ein Ansprech-
partner mit Kontaktdaten (Anschrift, Telefonnummer etc.) zu benennen.
Für den Fall, dass der Substratlieferant auch Abnehmer von Gärresten ist155,
sollte vergleichbar zu den Substraten eine Qualitätsbestimmung und -sicherung
zur monetären Gewichtung der Gärreste im Substratpreis sowie ein Mengenplan
und die konkrete Abnahme der Gärreste geregelt werden. Die Qualitätsbestimmung
und -sicherung hinsichtlich der Gärreste hängt grundsätzlich davon ab, in welcher
Form diese anfallen. Bei Biogasgülle ist das ineraldünger-Äquivalent (MDÄ) zu
bestimmen, um einen Referenzwert zu den Mineraldüngerpreisen zu schaffen
(Plöchl und Hanff 2011, S. 62 f.). Werden die Gärreste hingegen pelletiert und somit
im Weiteren als Festbrennstoff verwendet, zeigt die Praxis, dass als Referenzwert
des Energiegehalts der Pellets das Öläquivalent bestimmt werden kann. Generell
gilt auch hier wieder, eine Kostentragungsregel vertraglich zwischen den Parteien
zu vereinbaren.
Hinsichtlich des Mengenplans und der konkreten Abnahme ergeben sich bis
auf die Tatsache, dass die Lagerkapazität der Biogasanlage für Gärreste für den
Mengenplan ausschlaggebend sein sollte, keine besonders zu berücksichtigenden
Umstände im Vergleich zu den Substraten. Insoweit kann auf die obigen Aus-
führungen verwiesen werden.

3.2.3.8 Laufzeit und Kündigung


Die Laufzeit eines Substratliefervertrags oder der Substratlieferverträge ist dem
Grunde von dem Gedanken geleitet, dass für die angestrebte Inbetriebnahmezeit der
konkreten Biogaserzeugungsanlage Substrate in Form des gewählten Substratmix
zur Verfügung stehen (Scholwin et al. 2009, S. 907).
Daneben empfehlen sich grundsätzlich sowohl Regelungen zur ordentlichen
und außerordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisse als auch Regelungen
für eine eventuelle Vertragsverlängerung (Automatismus oder Nachverhandlung)
innerhalb des Vertragswerks. An dieser Stelle gilt es, insbesondere das AGB-Recht
zu berücksichtigen, falls der Vertrag mehrfach Verwendung finden soll.

3.2.3.9 Entgelte und Entgeltbildung


Die Entgelte für Substrate lassen sich dem Grunde nach auf zweierlei Arten
regeln. Einerseits können Festpreise unter Berücksichtigung der gewählten

154
Auf Grund des geringen Energiegehaltes der Substrate ist eine Lieferung über mehr als 20 km
in der Regel unwirtschaftlich (Erdmann und Zweifel (2010), S. 223).
155
Gärreste stehen z. B. in direkter Konkurrenz zu Mineraldüngern. Auf Grund der geringeren
Ertragswirkung und der im Vergleich teureren Ausbringung von Gärresten ist ein Transport über
mehr als 3 km in der Regel nur bei hohen Mineraldüngerpreisen wirtschaftlich. Anders stellt sich
die Situation allerdings dar, wenn durch die Gärreste ein zusätzlicher Effekt wie z. B. die Humus-
gehaltverbesserung erreicht werden kann (Plöchl und Hanff 2011, S. 62 f.).
140 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Abrechnungsform vereinbart und vertraglich fixiert werden, andererseits ist es


ebenso möglich, eine Preisformel zur Berechnung der Substratpreise festzulegen.
Festpreise bieten sich vor allem für Verträge mit kürzeren Laufzeiten (2–3 Jahre)
an. Allerdings sollte auch hier eine jährliche Preisanpassungsmöglichkeit unter
gewissen Voraussetzungen (z. B. Marktpreise verlassen einen definierten Preis-
korridor) vorgesehen werden, um das Preisrisiko für beide Vertragsparteien zu min-
dern. Hierbei wäre auch eine Preisminderung zu überlegen. Die Vereinbarung einer
dynamischen Preisformel zur Erfassung der Marktentwicklung erscheint hingegen
auf Grund der Komplexität der Materie in erster Linie für Langfristverträge (ab
3 Jahren bis zur Lebenszeit der Biogaserzeugungsanlage) sinnvoll.
Als Orientierungspunkte für die Entgeltbildung sollten insbesondere die bereits
besprochenen Qualitätskriterien, die Produktions- und Transportkosten sowie als
Rückkoppelung an den Markt regionale, überregionale oder internationale Preis-
indizes für Substrate herangezogen werden. Einer der wichtigsten Werte für die
Bestimmung der Wertigkeit eines Substrates ist der TS- oder oTS-Wert156, da sich
hieraus annährungsweise das Gaspotenzial eines Substrates mittels des Verdau-
ungsquotienten ableiten lässt (Anspach 2010, S. 78 f.; Weißenbach 2009, S. 107).
Neben der bereits genannten Futterwerttabelle des DLG kann in diesem Kontext
beispielsweise auch die Veröffentlichung „Faustzahlen Biogas“ des Kuratoriums
für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) herangezogen werden.
Als unabdingbarer und wesentlicher Vertragsbestandteil im Rahmen der Ent-
geltbildung sind Korrekturfaktoren für Abweichungen von Qualitätskriterien oder
Liefermengen zu vereinbaren (Wagner 2011, S. 3). Außerdem könnte für den Fall
der Abnahme von Gärresten eine Verrechnung der ersparten Mineraldüngerkosten
an Hand des MDÄ mit dem Substratpreis vereinbart werden.157
Zur Abwicklung der Entgeltzahlung hat der Vertrag Zahlungsfristen (nach
Lieferung innerhalb von x Tagen, quartalsmäßig, Rechnungsstellung etc.), Rege-
lungen zu Verzug (Verzugszinsen etc.) und die Kontodaten des Substratlieferanten
zu enthalten.

3.2.3.10 Haftung/Gewährleistung/Garantie
Neben den bisher behandelten Punkten ist ein weiterer Kernpunkt eines jeden Ver-
trags und somit auch des Substratliefervertrags die Ausgestaltung der vertraglichen
Haftung.
Im Biogaskontext gilt es sich in diesem Zusammenhang insbesondere vier
Aspekte vor Augen zu führen: die Prozessbiologie im Fermenter, das an sich
begrenzte Angebot von Substraten, das Grundmodell der Biogasanlage und die
anderweitige Verwertbarkeit der Substrate.
Wie bereits im Abschn. 3.2.3.5 erwähnt, ist die Einhaltung der Konzentrations-
werte der Nährstoffe im weiten Sinne und der Hemmstoffe für die Prozessbiologie

156
Die fermentierbare organische Trockenmasse (FoTS) sei als relative neue Kennzahl hier noch
erwähnt (Weißenbach 2009, S. 108 f.).
157
Ebenso denkbar ist die Verrechnung der Substratpreise mit der Lieferung von Biogas über das
regionale Gasnetz bzw. Strom und/oder Wärme.
3.2  Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 141

essentiell, da es im schlimmsten Falle zu einem vollständigen Erliegen des Ver-


gärungsprozesses kommen kann. Zwar ist es z. B. möglich, auf einen Spurenele-
mentemangel durch die Zugabe einer auf die Anlage abgestimmten Mineralstoff-
mischung (Graf und Bajohr 2011, S. 90) zu reagieren. Allerdings besteht immer
die Gefahr, das gesamte Fermentervolumen vollständig austauschen zu müssen.
Für einen solchen Fall sind vor dem Hintergrund, dass die Verfügbarkeit von Sub-
straten durch das landwirtschaftliche Potenzial der Region und die Wirtschaftlich-
keit des Transports über maximal 20 km (Erdmann und Zweifel 2010, S. 223)
begrenzt wird, Regelungen zu treffen, die eine adäquate Kompensation für die Neu-
beschaffung von Substraten und den Anlagenstillstand im Hinblick auf die reine
Biogasproduktion bzw. Strom- und/oder Wärmeproduktion darstellen.
Gleiches gilt für die Nichtabnahme der Substrate, da eine anderweitige Ver-
wertung z. B. als Futtermittel, auf Grund des Substratzustandes vermutlich aus-
geschlossen sein wird.
Hinsichtlich der Verschuldensmaßstäbe und der Beweislast sollte überlegt
werden, ob eine Abweichung von den gesetzlichen Maßstäben (§§ 434, 437, 280
BGB) in der Hinsicht vereinbart wird, dass der Anknüpfungspunkt für das Ver-
schulden die gute betriebliche Praxis ist und das Beweislastrisiko generell bei
derjenigen Partei liegt, die näher am Beweis ist. Dies wäre jedoch im Wege einer
Einzelfallprüfung abzuwägen.

3.2.3.11 Sonstiges
Abschließend bleibt noch festzuhalten, dass der Substratliefervertrag mit Rege-
lungen zum Gerichtsstand bzw. einer Schiedsabrede, zur Übertragung von Rechten
und Pflichten, zum anwendbaren Recht, zur Rechtsänderung, zur Eigentum und
Gefahrtragung, einem Schriftformerfordernis, einer salvatorischen Klausel und
einer Wirtschaftsklausel abgerundet werden sollte. Insoweit ergeben sich vorliegend
bei Biogas-Projekten keine Besonderheiten im Vergleich zu anderen Verträgen.

3.2.4 Fazit

Sowohl der Generalunternehmervertrag als auch der Substratliefervertrag haben


ein nicht unwesentliches Spektrum an technischen, betriebswirtschaftlichen und
rechtlichen Aspekten zu behandeln und adäquat abzudecken, um die jeweiligen
Interessen der Vertragsparteien abbilden zu können. Der Rückgriff auf Erfahrungs-
werte ist in diesem Bereich auf Grund der geringen Anzahl von zugänglichen
Verträgen, Literatur und Rechtsprechung derzeit nur begrenzt möglich. Dement-
sprechend gilt es bei Vertragsgestaltung um so mehr Sorgfalt walten zu lassen und
sich mit der Materie Biogas auseinanderzusetzen, um die für die konkrete Biogas-
anlage essentiellen Regelungspunkte herauszufiltern. Auch wird eine eingehende
Einzelfallprüfung unumgänglich sein, da in der Regel kein Biogas-Projekt dem
anderen zu 100 % gleicht.
142 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

3.3 Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal


Advisers – Fallstricke und Lösungsmöglichkeiten

Dr. Thorsten Gottwald, Dr. Sophie Oldenburg

Zur Einführung möchten wir ein fiktives Beispiel aus unserer Praxis als Rechts-
berater158 skizzieren: Ein Projektentwickler bittet uns um die juristische Begleitung
seines nächsten Biogasprojektes. Er hat schon erste vielversprechende Gespräche
mit einem Landwirt geführt, der eine Schweinemast betreibt. Nun will der Pro-
jektentwickler so schnell wie möglich einen Pachtvertrag mit dem Grundstücks-
eigentümer in unmittelbarer Nähe des Schweinemastbetriebes vereinbaren und mit
der Genehmigungsbehörde Kontakt aufnehmen. Dem Projektentwickler kommt es
auf einen reibungslosen Projektablauf an, denn er möchte das Projekt als Referenz
für zukünftige Vorhaben aufbauen und das Projekt später an Investoren veräußern.
In einem solchen Fall ergibt unsere Prüfung etwa, dass der Landwirt seine
Schweinemast in einem nicht genehmigten Umfang betreibt. Um jedes Risiko aus-
zuschließen, raten wir von einem Antrag des Projektentwicklers auf Genehmigung
der geplanten Biogasanlage als Außenbereichsvorhaben ab. Als Voraussetzung
für eine Genehmigung der Biogasanlage als Vorhaben im baurechtlichen Außen-
bereich müsste die Biogasanlage einem legal errichteten und betriebenen land-
wirtschaftlichen Betrieb im Außenbereich dienen. Es ist für den Fortbestand des
Schweinemastbetriebes des Landwirts und auch für den Anlagenbetreiber rechtlich
sicherer, das Vorhaben innerhalb eines aufzustellenden Bebauungsplanes umzu-
setzen. Wir begleiten dann das Bebauungsplanverfahren mit der Gemeinde. Auf
eine enge Bindung an den bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb kommt es
nicht an, wenn das Vorhaben nicht im unbeplanten Außenbereich, sondern in einem
Bebauungsplangebiet errichtet wird. In unserem Fall käme im Rahmen des Ver-
fahrens zum vorzeitigen Baubeginn für die Biogasanlage die planungsrechtliche
Zulässigkeit der Schweinemast also nicht zur Sprache. Bei den Verhandlungen des
städtebaulichen Vertrages mit der Gemeinde über den vorhabenbezogenen Bebau-
ungsplan stellt sich heraus, dass die Gemeinde auch ein Interesse an der Sub-
stratlieferung aus kommunalen Eigenbetrieben hat.
Im Pachtvertrag vereinbaren der Projektentwickler und der Grundstücks-
eigentümer, dass die Biogasanlage nicht durch Verbindung mit dem Grundstück
in das Eigentum des Grundstückseigentümers fallen kann und eine vorzeitige
ordentliche Kündigung des Pachtvertrages durch den Grundstückseigentümer aus-
geschlossen ist. Ein Interessent beteiligte sich noch vor Fertigstellung der Anlage
an dem Projekt.
Wie das fiktive Beispiel zeigt, sind die Risiken bei einer Investition in Biogas-
projekte beherrschbar. Oft lassen sich Fehler nachträglich beheben. Die typischen
Fallstricke sollten die Projektbeteiligten aber schon bei der Umsetzung von Biogas-
Projekten vermeiden.

Die Autoren sind Rechtsanwälte der Kanzlei Luther Nierer in Berlin. Dr. Thorsten Gottwald ist
158

Partner der Kanzlei.


3.3  Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 143

3.3.1 Fallstricke bei Verhandlungen mit Grundstückseigentümern

In unserer Praxis befassen wir uns häufig mit Pachtverträgen, die Projektentwickler
selbst entworfen oder vielmehr „angepasst“ haben. Wenn unsere Mandanten um
Prüfung von selbst erstellten Verträgen auf Rechtswirksamkeit und Bankenfinanzier-
barkeit bitten, stellt sich dies häufig als gute Entscheidung heraus. Je früher die Pro-
jektverträge auf Rechtssicherheit und Bankenfinanzierbarkeit geprüft wurden, desto
leichter und kostengünstiger ist eine Vertragsanpassung möglich. Je später in einem
Projekt Fehler entdeckt werden, desto teurer kann es für den Planer oder Betreiber
einer Biogasanlage werden.
Nach unserer Erfahrung bei der rechtlichen Einschätzung von Pachtverträgen
zur Vorbereitung der Kauf- oder Verkaufsentscheidung für Investoren, Käufer oder
Verkäufer eines Biogas-Projektes, also im Rahmen einer so genannten „legal due
diligence“, wirken sich wesentliche Mängel des Pachtvertrages regelmäßig auf den
Wert des Projektes aus (Kapoor 2010, S. 7).
Vertragswesentlich sind insbesondere die Sicherung der Wirksamkeit des Pacht-
vertrages, die Verhinderung einer Vertragsbeendigung durch den Grundstücks-
eigentümer vor Ablauf des Vergütungszeitraums für die Biogasanlage und die
Sicherung der Verfügungsbefugnis über die Biogasanlage als Eigentümer.

3.3.1.1 Sicherung der Wirksamkeit eines Pachtvertrages


Ein Pachtvertrag berechtigt den Betreiber zur Errichtung und zum Betrieb einer
Biogasanlage auf dem Grundstück des Eigentümers. Die Errichtung und der
Weiterbetrieb der Anlage sind gefährdet, wenn ein Pachtvertrag nicht wirk-
sam geschlossen wurde. Zur Behebung von Wirksamkeitsmängeln sind regel-
mäßig Nachverhandlungen mit dem Grundstückseigentümer erforderlich. Hat der
Anlagenbetreiber bereits in das Projekt an diesem Standort investiert, die Biogas-
anlage eventuell bereits errichtet, ist der Grundstückseigentümer in der besseren
Verhandlungsposition (Heussen 2007, S. 348 ff.). Soweit muss es nicht kommen.
Regelmäßig ergeben sich Bedenken an der Wirksamkeit von Pachtverträgen,
weil nicht erkennbar ist, dass sich die Parteien über die wesentlichen Vertrags-
bestandteile geeinigt haben, weil die Einhaltung der formalen Anforderungen an
Abgabe und Zugang von Willenserklärungen zum Abschluss eines Vertrages nicht
nachweisbar ist oder weil Widerrufsmöglichkeiten des Grundstückseigentümers
nicht rechtssicher ausgeschlossen werden können.
Ein Vertrag kommt nur wirksam zustande, wenn sich die Vertragsparteien über
die wesentlichen Vertragsbestandteile geeinigt haben. Die wesentlichen vertrags-
typischen Pflichten des Pachtvertrages regelt § 581 i. V. m. § 535 Abs. 1 Satz 2
BGB. Dem Verpächter obliegt die Hauptpflicht, dem Pächter einen zum Gebrauch
und Genuss der Früchte tauglichen Pachtgegenstand zu überlassen (Harke 2009,
§ 581, Rn. 36). Nun kommt es tatsächlich häufig vor, dass Pachtverträge abge-
schlossen werden, bevor der genehmigungsfähige Standort genau bezeichnet
werden kann. Das Problem lässt sich dadurch lösen, dass in einem Lageplan
die Pachtfläche verzeichnet wird, in der die Biogasanlage errichtet werden kann
und zugleich verzeichnet wird, wo die Parteien die Anlage nach gegenwärtigem
144 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Planungsstand platzieren wollen. Einigen sich die Vertragsparteien dagegen nicht


über die verpachtete Grundstücksfläche, sondern verschieben diese Festlegung auf
später, fehlt ein Vertragsschluss.159
Erklären die Vertragsparteien im Vertrag ausdrücklich, dass über bestimmte
Punkte noch keine Einigung erzielt ist, liegt ein „offener Einigungsmangel“ vor.
Die Parteien haben sich danach nicht über alle Punkte eines Vertrages geeinigt und
haben dies sogar schriftlich zum Ausdruck gebracht. Als Rechtsfolge bestimmt
§ 154 BGB, dass der Vertrag als nicht geschlossen gilt. Daran ändert auch eine Ver-
ständigung über einige Punkte und eine schriftliche Aufzeichnung nichts (Busche
2012, § 154, Rn. 4).
An einem wirksamen Vertragsschluss fehlt es auch dann, wenn die Vertrags-
urkunden auf schriftlichem Weg ausgetauscht wurden und eine Vertragspartei ver-
spätet ihre Unterschrift leistet. Eine verspätete Annahme eines Angebotes gilt nach
§ 150 BGB als neuer Antrag. Nach § 147 BGB ist eine Annahme verspätet, wenn
mit der Annahme unter regelmäßigen Umständen nicht mehr zu rechnen ist.
Die gesetzliche Annahmefrist umfasst die Zeit, die für eine Übermittlung,
Bearbeitung, Überlegung und Rücksendung erforderlich ist (Busche 2012, § 147,
Rn. 31 ff.). Wann mit einer Annahme nicht mehr zu rechnen ist, unterliegt am Ende
einer gerichtlichen Bewertung des Einzelfalls. In manchen Fällen haben Gerichte
zwei- bis vierwöchige Fristen zur Annahme als rechtzeitig angenommen,160 in
anderen Fällen haben sie auch nur fünf Tage als angemessene Zeit zur Annahme
und zum Zugang der Annahmeerklärung gelten lassen.161 Es besteht damit eine
rechtliche Unsicherheit. Es bedarf entweder der erneuten Annahme des Vertrages
oder es muss aus dem Verhalten der Parteien und der späteren Abwicklung auf den
Abschluss eines Vertrages geschlossen werden. Eine mündliche Annahme des Ver-
trages wirkt sich nachteilig aus, wenn die Einhaltung einer Schriftform erforderlich
ist, um beispielsweise die Kündbarkeit des Pachtvertrages auszuschließen.162
Handelt sich bei dem Verpächter um einen Verbraucher, sind die Regelungen
des Haustürwiderrufsrechts zu beachten. Bei einem Vertrag zwischen einem
Unternehmer und einem Verbraucher, zu dessen Abschluss der Verbraucher durch
mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz, im Bereich seiner Privat-
wohnung oder auf öffentlichen Straßen bestimmt worden ist, steht dem Verbraucher
ein Widerrufsrecht gemäß §§ 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 355 BGB zu.
Umstritten ist insoweit, ob auch juristische Personen als Verbraucher angesehen
werden können (Krebs 2002, S. 518). Nach der Rechtsprechung des BGH ist
selbst die Gesellschaft bürgerlichen Rechts keine juristische Person, sondern eine
natürliche Person, die folglich auch Verbraucher sein könnte.163 Auch bei Land-
wirten und Erbengemeinschaften ist im Einzelfall konkret zu prüfen, ob die Ver-
pachtung der gewerblichen Tätigkeit zuzuordnen ist oder zu privaten Zwecken

159
OLG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.04.2008, Aktenzeichen 3 U 124/05.
160
Bspw. BGH, Urteil vom 11.06.2010, Aktenzeichen V ZR 85/09.
161
KG Berlin, Urteil vom 27.03.2006, Aktenzeichen 8 U 57/05.
162
Dazu ausführlich unter Abschn. 3.3.1.2.
163
BGH, Urteil vom 29.01.2001, Aktenzeichen II ZR 331/00; BGH, Urteil vom 18.02.2002,
Aktenzeichen II ZR 331/00.
3.3  Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 145

erfolgt (Reese und Hampel 2009, S. 172). Hat der Betreiber den Verpächter nicht
schriftlich in ausreichendem Umfang über sein Widerrufsrecht belehrt, kann der
Vertrag widerrufen werden.
Die Belehrung muss rechtssicher erfolgen, also den Regelungen zum Haustür-
widerrufsrecht in §§ 312, 355, 357 BGB entsprechen. Widerrufsbelehrungen in
Pachtvertragsformularen sollten vor Verwendung darauf überprüft werden, ob sie
den hohen Anforderungen der Gerichte noch genügen.

3.3.1.2 Verhinderung eines vorzeitigen Vertragsendes


Die Regelung der Pachtzeit muss in einem Pachtvertrag über Flächen so rechts-
sicher sein, dass eine vorzeitige Beendigung ausgeschlossen ist. Pachtverträge für
Biogasprojekte enthalten deshalb regelmäßig Befristungsbestimmungen. Grund
für die Befristung ist § 584 BGB. Danach sind auf unbestimmte Zeit geschlossene
Verträge für den Schluss eines Pachtjahres kündbar. Die regelmäßige Kündigungs-
möglichkeit mit einer Frist zum Jahresende wird deshalb ordentliche Kündigung
genannt. Eine Kündigung des Pachtvertrages vor dem Ende der prognostizierten
Betriebsdauer, insbesondere vor Ablauf des durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG) gesicherten Vergütungszeitraums muss durch Bestimmung einer Geltungs-
dauer vermieden werden.
Der Vertrag muss also wirksam befristet sein. Dazu sind im Vertrag der Beginn
und das Ende einer Frist festzulegen. Diese Anforderungen werden in Pachtver-
trägen häufig nicht eingehalten. Dies liegt daran, dass selten eine Frist nach dem
Kalender bestimmt wird, sondern die Parteien den maximal zulässigen Befristungs-
zeitraum auszuschöpfen versuchen. Verträge mit einer Vertragsdauer von mehr
als 30 Jahren seit Überlassung des Pachtgegenstandes sind nach 30 Jahren gemäß
§§ 581 Abs. 2, 544 BGB kündbar. Folglich bewegt sich die Pachtzeit regelmäßig
zwischen 20 und 30 Jahren.
Ein Pachtvertrag wird regelmäßig am Beginn eines Projektes abgeschlossen, um
die Flächen zu sichern und Konkurrenten auszuschalten. Die Umsetzung des Vor-
habens selbst wird erst nach weiteren zeitintensiven Projektschritten realisiert.
Zum Streit zwischen den Vertragsparteien kann es kommen, wenn der Zeitraum
nicht nach dem Kalender bestimmt ist, sondern von Ereignissen abhängig ist, die in
der Zukunft liegen und die nicht sicher beweisbar sind. Im extremen Fall kann die
Frist in diesem Fall auch als unbestimmt angesehen werden und deshalb zu einer
ordentlichen Kündigung berechtigen.
Das weitaus größte Risiko besteht in der Praxis aus dem Umstand, dass ein
befristeter Pachtvertrag nach §§ 581 Abs. 2, 550, 126 BGB schriftlich geschlossen
sein muss. Ist er nicht schriftlich geschlossen, gilt er als für unbestimmte Zeit
geschlossen mit der Folge einer vorzeitigen Kündbarkeit. Von der Rechtsprechung
werden hohe Anforderungen an das Schriftformerfordernis gestellt: Danach ver-
stößt es gegen das Schriftformerfordernis, wenn in dem schriftlichen Vertrag der
Pachtgegenstand unbestimmt ist164 oder wenn nicht feststellbar ist, dass jemals eine

BGH, Urteil vom 27.06.1994, Aktenzeichen III ZR 117/93; BGH, Urteil vom 2.05.2007,
164

Aktenzeichen XII ZR 178/04; OLG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.12.2008, Aktenzeichen 3 U


146 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

einheitliche Vertragsurkunde existiert hat.165 Das ist der Fall, wenn keine körper-
liche Verbindung der einzelnen Bestandteile der Vertragsurkunde durch Heftung
oder Seitennummerierung besteht und wenn aus den Unterlagen nicht sicher her-
vorgeht, welche Vertragsanlagen die Bestandteile gedanklich verbinden.166 In der
Praxis fehlen regelmäßig Anlagen zum Vertrag. Der Vertragsgegenstand ist häufig
nicht hinreichend bestimmt. Dies begründet ein Kündigungsrecht zum Ende des
Pachtjahres.
Ist ein Vertrag befristet und kein ordentliches Kündigungsrecht vertrag-
lich vereinbart, kann der Pachtvertrag nur aus wichtigem Grund, also außer-
ordentlich, gekündigt werden. Was ein wichtiger Grund ist, bestimmt § 314 BGB.
Ein wichtiger Grund liegt danach vor, wenn dem kündigenden Vertragspartner
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der
beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur verein-
barten Beendigung nicht zugemutet werden kann. Die Kündbarkeit aus wichtigem
Grund kann vertraglich nicht völlig ausgeschlossen werden.167
Wir empfehlen unseren Mandanten, individuell zu vereinbaren, wann für die
Parteien ein solcher wesentlicher Grund zur Kündigung bestehen soll. Als außer-
ordentliche Gründe für eine Kündigung des Pachtvertrages für den Pächter kann bei-
spielsweise der Wegfall unabdingbarer Projektvoraussetzungen vereinbart werden.

3.3.1.3 Vertragliche Sicherung des Eigentums


Gibt ein Anlagenbetreiber die Errichtung einer Biogasanlage und ihrer wesentlichen
Nebenanlagen in Auftrag, möchte er mit Errichtung der Anlage Eigentum erwerben.
Dies kann er dann an ein Kreditinstitut zur Sicherung übertragen. Im Moment der
Errichtung der Biogasanlage auf dem fremden Grundstück wird die Anlage mit dem
Boden fest verbunden. Nach § 94 BGB sind alle fest mit dem Boden verbundenen
Sachen wesentliche Bestandteile des Grundstücks. Nach § 946 BGB erwirbt der
Grundstückseigentümer im Moment der Verbindung der Biogasanlage und ihrer
Teile Eigentum an der Biogasanlage.
Fällt einem Grundstückseigentümer durch eine solche Verbindung einer Sache
mit einem Grundstück das Eigentum gemäß § 946 BGB zu, kann der ehemalige
Eigentümer der Anlage gemäß § 951 BGB lediglich eine Entschädigung in Geld für
den erlittenen Rechtsverlust vom Eigentümer des Grundstücks verlangen. Deren
Höhe richtet sich nach der Steigerung des Verkehrswertes des Grundstücks durch
die darauf errichtete Biogasanlage. Der Wert kann damit erheblich niedriger sein als
der Wert der Anlage vor der Verbindung mit dem Grundstück und als die Kosten für
die Errichtung der Anlage.
Der Anlagenbetreiber kann eine Verbindung seiner Biogasanlage mit dem
Grundstück des Verpächters verhindern. § 95 Abs. 1 BGB setzt dafür voraus, dass

124/05.
165
BGH, Urteil vom 27.09.1997, Aktenzeichen XII ZR 234/95.
166
BGH, Urteil vom 18.12.2002, Aktenzeichen XII ZR 253/01.
167
BGH, Urteil vom 4.04.1973, Aktenzeichen VIII ZR 47/72.
3.3  Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 147

die Anlage nur zu einem vorübergehenden Zweck oder in Ausübung eines Rechts
an einem fremden Grundstück mit diesem verbunden wird.
Im Pachtvertrag sollten die Parteien ausdrücklich vereinbaren, dass eine Einig-
keit darüber besteht, die Biogasanlage nur zu einem vorübergehenden Zweck
mit dem Grundstück des Verpächters verbunden wird (Reese und Hampel 2009,
S. 171). Weiterhin sollte im Pachtvertrag vereinbart werden, dass der Grund-
stückseigentümer sich bereit erklärt, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu
Gunsten des Pächters in das Grundbuch einzutragen. Der Pächter sollte berechtigt
werden, alle Rechte aus dem Pachtvertrag, insbesondere das Recht zur Errichtung
und zum Betrieb der Biogasanlage auszuüben. Eine beschränkte persönliche
Dienstbarkeit begründet das Recht zum Anlagenbetrieb. Allerdings ist die Anlage
nur dann sicher ein Scheinbestandteil, wenn bereits die Errichtung in Ausübung
eines dinglichen Rechts am Grundstück erfolgte.168
Trotz aller Vorsicht kommt es in der Praxis vor, dass die Dienstbarkeiten zu spät
eingetragen sind. Wegen der rechtlichen Unsicherheit, ob die Vereinbarung über
die vorübergehende Einbringung der Anlage in das Grundstück der gerichtlichen
Überprüfung stand hält, ist es empfehlenswert, diesen Fall vertraglich weiter abzu-
sichern. Die Parteien können sich schon bei Abschluss des Pachtvertrages einigen,
im Falle der Verbindung der Biogasanlage mit dem Grundstück die Biogasanlage an
den Betreiber zurückzuübereignen.
Die Sicherungsübereignung der Biogasanlage an das finanzierende Kreditinstitut
sollte dadurch ermöglicht werden, dass der Grundstückseigentümer auf die Aus-
übung seines Vermieterpfandrechts gemäß § 562 BGB verzichtet.
Ein Pachtvertrag sollte weiterhin das Risiko des gutgläubigen lastenfreien
Erwerbs des Grundstücks und im schlimmsten Fall der Biogasanlage durch Dritte
ausschließen. Der Grundstückseigentümer sollte verpflichtet werden, im Falle der
Übertragung des Grundstücks eine Klausel aufzunehmen, mit der der Grundstücks-
eigentümer sicherstellen muss, dass er den Erwerber über das Bestehen des Nut-
zungsvertrages und der Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit
im Grundbuch nebst Vormerkung unterrichten wird. Zur Klarstellung sollte der
Eigentümer dem Erwerber aufgeben, in die Rechte und Pflichten aus dem Pacht-
vertrag einzutreten.

3.3.1.4 Dingliche Sicherung des Eigentums


Eine dingliche Sicherung sollte für alle Anlagen und Anlagenteile erfolgen, die auf
fremden Grundstücken errichtet werden. Der Anlagenbetreiber kann so eine Ver-
bindung der notwendigen Bestandteile der Biogasanlage und des Netzanschlusses
mit dem Grundstück des Verpächters verhindern. Dies betrifft alle Grundstücke,
auf denen die Biogasanlage, Umspannwerke und Trafostationen stehen sollen,
sowie die privaten Grundstücke, über die Kabelleitungen und notwendige Wege
verlaufen. Dazu werden in der Praxis beschränkte persönliche Dienstbarkeiten zu
Gunsten des Anlagenbetreibers in das Grundbuch des Grundstücks eingetragen, auf

OLG Koblenz, Urteil vom 21.09.2006, Aktenzeichen 5 U 738/06; dazu ausführlich unter
168

Abschn. 3.3.7.2.
148 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

dem die Anlage oder Anlagenteile liegen. Zur Sicherung dieses Anspruchs sollte
eine Vormerkung im Grundbuch beantragt werden.
Der Antrag auf Bewilligung und Beantragung einer beschränkten persönlichen
Dienstbarkeit sollte möglichst weit gefasst sein, damit dem Anlagenbetreiber
möglichst ein Spielraum bleibt für erforderliche Abweichungen vom vorgesehenen
Trassenverlauf. So kann verhindert werden, dass einzelne Grundstückseigentümer
im Falle kleinerer Änderungen am Trassenverlauf oder am Stellplatz für eine
Trafostation überhöhte Forderungen stellen. Anderenfalls droht ein erhebliches
Erpressungspotential, wenn der Grundstückseigentümer durch Verweigerung
einer an sich unbedeutenden Änderung ein bereits begonnenes Projekt blockieren
kann. Zugleich müssen die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten so präzise
formuliert werden, dass das Grundbuchamt den Antrag als bestimmt genug ansieht.
Weiterhin müssen die Ausübungsrechte der Dienstbarkeit vollständig aufgenommen
werden.
Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist ein dingliches Recht. Sie besteht
unabhängig von einem schuldrechtlichen Vertrag. Die Dienstbarkeit wird durch
Einigung und Eintragung auf dem Grundbuchblatt des belasteten Grundstücks
begründet (Bassenge 2011, § 1018, Rn. 28). Anders als ein Pachtvertrag kann eine
beschränkte persönliche Dienstbarkeit nicht durch Kündigung beendet werden.
Vielmehr muss der Berechtigte gegenüber dem Grundbuchamt die Zustimmung zur
Löschung erklären. Das Ausübungsrecht an einer Dienstbarkeit erlischt auch nicht,
wenn der Begünstigte das Recht nicht mehr wahrnehmen kann, da die Ausübung
der dinglich gesicherten Rechte einem anderen zur Ausübung überlassen werden
kann.169 Somit bietet die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit
einen ausreichenden Schutz des Errichters dafür, dass er fremde Grundstücke für
seine Anlage in Anspruch nehmen kann.
Regelmäßig erfolgt der Projektablauf so, dass zuerst mit einem Grundstücks-
eigentümer ein Pachtvertrag vereinbart wird, in dem sich der Grundstücks-
eigentümer bereit erklärt, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eintragen zu
lassen. Später wird die Eintragung der Dienstbarkeit in das Grundbuch vollzogen.
Bei dieser Vorgehensweise ist es vor allem wichtig, dass sich der Inhalt der Dienst-
barkeit und der im Pachtvertrag vereinbarte Nutzungsinhalt decken.
Gerade im Falle von Wege- und Leitungsrechten werden häufig lediglich Ein-
malzahlungen für die Gewährung der Dienstbarkeit vereinbart und bei Unterschrift
unter den Antrag auf Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und
Eintragung in das Grundbuch die Zahlung entrichtet. In diesem Fall ist die Dienst-
barkeit bereits vollzogen.170 Eines schuldrechtlichen Pacht- oder Nutzungsvertrages
bedarf es dann nicht mehr.
Zwar ist es möglich, einen Nutzungsvertrag zusätzlich zu vereinbaren. Es ist
jedoch nicht erforderlich. Es ist auch keineswegs üblich, jeweils einen zusätzlichen
schuldrechtlichen Vertrag abzuschließen (Bassenge 2011, vor § 1018, Rn. 2).
Dennoch fordern Banken und Investoren häufig die Vorlage eines Pachtvertrages.

169
BGH, Urteil vom 19.01.2007, Aktenzeichen V ZR 163/05.
170
BGH, Urteil vom 13.11.1998, Aktenzeichen V ZR 29/98.
3.3  Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 149

Dies birgt jedenfalls das Risiko, dass ein nachträglich vereinbartes Rechtsverhältnis
als schuldrechtliche Begrenzung des Rechtsumfangs der Dienstbarkeit gewertet
werden kann. An die Formulierung eines solchen Vertrages sind deshalb besonders
hohe Anforderungen zu stellen.

3.3.2 Fallstricke bei der Verhandlung mit der


Genehmigungsbehörde

Die Bedeutung der Verhandlungen mit Genehmigungsbehörden wird von Planern


leicht unterschätzt. Wird erst nach Erlass eines Ablehnungsbescheides Rechtsrat hin-
zugezogen, hat man die Möglichkeit einer frühzeitigen Berücksichtigung der eigenen
Interessen im Verwaltungsverfahren bereits verpasst. Dann drohen langjährige Klage-
verfahren mit ungewissem Ausgang. Häufig entscheiden sich Projektentwickler dann
für die Verwirklichung des Vorhabens an einem anderen Standort, ungeachtet der
Aufwendungen. Auch Investoren beteiligen sich kaum an einem Projekt, dem die
Genehmigung durch ein Verwaltungsgericht noch entzogen werden kann.

3.3.2.1 Verhandlungen mit der Genehmigungsbehörde


Unvorbereitete Verhandlungen mit der Genehmigungsbehörde bergen zahlreiche
erhebliche Risiken, die vermieden werden sollten.
Wie in unserem Ausgangsbeispiel kann es passieren, dass im Rahmen der
Frage, ob eine Biogasanlage im Außenbereich zulässig ist, erstmals durch die
Genehmigungsbehörde der aktuelle baurechtliche Status und Nutzungsumfang der
im Außenbereich betriebenen Landwirtschaft oder Tierhaltung untersucht wird.
Damit kann die Fortsetzung der im Außenbereich bisher betriebenen Nutzung
entfallen.
Planer von Biogasanlagen sollten sich auf die Verhandlungen mit Genehmigungs-
behörden vorbereiten. Dazu sollten sie selbst die Genehmigungsfähigkeit der
Anlagenerrichtung rechtlich prüfen lassen. Nur so können Schwachstellen vorab
erkannt und kritische Punkte argumentativ vorbereitet werden. Auf die Aussagen
der Behördenmitarbeiter allein sollten sie sich nicht ungeprüft verlassen.
Außerdem ist es nicht Aufgabe der Behörde, weitere Alternativen für die
Erlangung einer Genehmigung aufzuzeigen. Im Vorfeld der Verwirklichung eines
Vorhabens sind alle Optionen in die Betrachtung einzubeziehen, um strategisch ent-
scheiden zu können, welcher Weg zur erfolgreichen Verwirklichung eines Biogas-
vorhabens führt.
Eine politische Unterstützung und eine kooperative Zusammenarbeit mit den
Bürgern vor Ort sichern die Umsetzbarkeit und erweitern die Handlungsspielräume.
Die Akzeptanz der Bevölkerung für die Errichtung von immissionsschutzrechtlich
zu genehmigenden Biogasanlagen ist von großer Bedeutung. Das Verständnis für
eine Biogasanlage lässt sich durch Gespräche mit dem zukünftigen Betreiber sowie
durch Aufklärung und Gespräche über die Besorgnisse der Anwohner fördern.
Nachbarwidersprüche und Klageverfahren können so gegebenenfalls vermieden
werden.
150 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Wichtig ist die Unterstützung des Vorhabens durch die Kommune. Dies gilt
sowohl für die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens als auch für den Erlass
eines Bebauungsplanes. Nicht immer dauert ein Verfahren, dem ein Bebauungs-
planverfahren vorausgeht, länger als ein Genehmigungsverfahren, wenn sich an
das Genehmigungsverfahren wegen Nachbarwidersprüchen ein Klageverfahren
anschließt. Auch die Genehmigungsbehörde wird die Unterstützung der Anwohner
und anliegenden Kommunen zu Gunsten des Anlagenbetreibers bewerten.

3.3.2.2 Anlagenprivilegierung im Außenbereich


Werden Biogasanlagen im Außenbereich errichtet, stellt sich die Frage nach der
Anlagenprivilegierung. Ein Vorhaben liegt im Außenbereich, wenn für das Gebiet
kein Bebauungsplan besteht und wenn es sich außerhalb eines im Zusammenhang
bebauten Ortsteils befindet. Dies trifft auf die meisten Biogasanlagen zu.
Biogasanlagen sind im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegiert
zulässig. Um gegenüber anderen Belangen privilegiert zu sein, müssen strenge
Voraussetzungen eingehalten werden. Hier treten in der Praxis häufig Schwierig-
keiten auf.
Kritisch wird häufig das Erfordernis des § 35 Abs. 1 Nr. 6 Halbs. 1 BauGB, wenn
der Biogasanlagenbetreiber nicht zugleich selbst Landwirt ist, der ein privilegiertes
Vorhaben am Ort betreibt.
Die Biogasanlage muss nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 Halbs. 1 BauGB im Anschluss an
eine bereits bestehende privilegierte Anlage im Rahmen eines landwirtschaftlichen
Betriebes oder eines Betriebes der Tierhaltung errichtet und betrieben werden. Das
Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass ein Vorhaben einem landwirt-
schaftlichen Betrieb nur dient, wenn ein vernünftiger Landwirt dieses Vorhaben
mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb
errichten würde und wenn das Vorhaben durch die Zuordnung zu dem konkreten
Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wird.171
Ist der Betreiber der Biogasanlage eine Gesellschaft, kann deshalb fraglich sein,
ob die Biogasanlage noch im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes oder
Betriebes der Tierhaltung betrieben wird. Wann eine solche Kontrolle über die
Biogasanlage bzw. ein solcher maßgeblicher Einfluss gegeben ist, kann jeweils nur
für den Einzelfall festgestellt werden und wird in den Bundesländern unterschiedlich
gehandhabt und teilweise durch Verwaltungsvorschriften festgestellt (Peine et al.
2009, S. 119; Bienek und Kauzberger 2008, S. 91; Kraus 2008, S. 219).
Um den Umfang der Betreiberrechte und die Bindung der Biogasanlage an einen
im Außenbereich privilegierten Betrieb zu begrenzen und zu kennen, sollte schon
im Rahmen der Anhörung darauf hingewirkt werden, den Wortlaut der Neben-
bestimmungen, welche die Genehmigungsbehörde erlassen will, zu prüfen. Im
Rahmen der Antragstellung sollte versucht werden, eine Genehmigung ohne Auf-
lagen in Bezug auf die Beteiligung des Landwirts an der Betreibergesellschaft zu
erhalten. Weiterhin sollte geprüft werden, ob der Genehmigungsentwurf das Betei-
ligungsverhältnis an der Betreibergesellschaft und die Rechtslage richtig darstellt.

171
BVerwG, Urteil vom 3.11.1972, Aktenzeichen 4 C 9.70.
3.3  Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 151

3.3.2.3 Risiko von Drittwidersprüchen und Bürgerbegehren


Werden im Genehmigungsverfahren Bedenken von Nachbarn in Bezug auf
Geruchs- und Schallbelästigungen nicht ausgeräumt, so drohen Widersprüche und
Klagen gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid.
In Nachbarwidersprüchen und Klagen können Nachbarn beispielsweise ein-
wenden, dass von der Biogasanlage und vom Lieferverkehr unzumutbarer Lärm
zu erwarten sei und sie durch das Vorhaben von erheblichen Geruchsimmissionen
betroffen werden.
Die Einhaltung der zulässigen Grenzwerte für Lärmimmissionen ist oft durch
Nebenbestimmungen zum Lieferverkehr und zum zeitlichen Betriebsumfang der
Anlage zu regeln.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 29.12.2010 noch
einmal ausgeführt, dass es für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsimmis-
sionen aus Biogasanlagen bisher keine rechtsverbindliche Konkretisierung gibt.172
Die Geruchsimmissionsrichtlinie und die VDI-Richtlinie seien nicht unmittelbar
anwendbar. Das führt dazu, dass die Erheblichkeit der Geruchsimmissionen im
gerichtlichen Verfahren anhand einer umfassenden Würdigung jedes Einzelfalls
erfolgen muss. Gutachten oder Stellungnahmen von Sachverständigen sind deshalb
in der Regel erforderlich. Die Erfolgsaussichten sind offen (Peine 2011, S. 96).
Wenden sich Bürger mit gesammelten Unterschriften gegen ein Biogasprojekt
und beantragen bei der Gemeinde die Durchführung eines Bürgerentscheides oder
Bürgerbegehrens, stellt sich die Frage, ob ein Biogasprojekt auf diesem Weg ver-
hindert werden kann.
Die Landesverwaltungsgerichte haben bisher entschieden, dass sich Bürger
gegen eine bestimmte Biogasanlage oder ein anderes Projekt der erneuerbaren
Energien nicht mittels Bürgerbegehren und Bürgerentscheid wenden können.173
Zum kommunalen Aufgabenbereich gehöre es, Bauleitpläne aufzustellen und sich
am immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu beteiligen. Bürger-
begehren können auf diese Handlungsfelder keinen Einfluss ausüben, da die Ent-
scheidungskompetenzen, Beteiligungsrechte und -pflichten Bundesrecht betreffen.
Die Kommunen können sich darüber nicht hinwegsetzen.174

3.3.3 Fallstricke bei der Verhandlung mit der Gemeinde

Gemeinden sind Verhandlungspartner, wenn Biogasanlagen auf Gemeindegrund


errichtet werden oder Wege und Leitungen über gemeindlichen Boden verlegt
werden müssen. Verträge mit Gemeinden unterliegen besonderen gesetzlichen
Bindungen.

172
BVerwG, Beschluss vom 29.12.2010, Aktenzeichen 7 B 6.10.
173
VG Oldenburg, Urteil vom 7. Dezember 2010, Aktenzeichen 1 A 2477/09; VG Saarlouis,
Beschluss vom 16.02.2011, Aktenzeichen 3 L 2343/10.
174
Eine ausführliche Darstellung in Gottwald und Herrmann (2011c), S. 118 f.
152 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

3.3.3.1 Die Unwirksamkeit von Verträgen mit Gemeinden


Werden Verträge mit Gemeinden abgeschlossen, ergeben sich aus den Gemeinde-
ordnungen oder Landkreisordnungen sowie aus der Kommunalverfassung des
jeweiligen Bundeslandes Zustimmungserfordernisse und Formvorschriften, die das
Risiko der Unwirksamkeit von Verträgen mit Gemeinden begründen können.
Verträge mit Gemeinden unterliegen regelmäßig einem Schriftformerfordernis
aus den Gemeindeordnungen der Länder. Erfolgt keine Vertragsunterzeichnung,
kommt wegen des Schriftformerfordernisses kein Vertrag zu Stande.
Das Zustimmungserfordernis wird beispielsweise relevant, wenn bei Gemeinden
die Wirksamkeit des Vertrages von der Zustimmung einer Aufsichtsbehörde abhängt.
Ohne eine Zustimmung kann der Vertrag unwirksam sein (Ebert 2005, S. 52). Ein
Zustimmungserfordernis der Gemeindevertretung kann sich aus der Hauptsat-
zung der Gemeinde ergeben. Weiterhin sind in den Kommunalverfassungen der
Länder für bestimmte Verträge Genehmigungen der Kommunalaufsichtsbehörden
erforderlich.

3.3.3.2 Die Nichtigkeit von Verträgen mit Gemeinden


Problematisch sind städtebauliche Verträge, die in der Regel abgeschlossen werden,
wenn die Gemeinde zur Ermöglichung des Biogasprojektes einen Bebauungsplan
oder Flächennutzungsplan aufstellt oder ändert.
Bei Verträgen mit Kommunen sind bei Biogasprojekten Geldzahlungen ohne
Zweckbindung oft problematisch. Nach § 134 BGB sind Verträge nichtig, die gegen
ein gesetzliches Verbot verstoßen.
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist nichtig, wenn sich die Behörde eine unzu-
lässige Gegenleistung versprechen lässt, wenn sich die Nichtigkeit aus der ent-
sprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt
oder wenn ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre.
Nach § 56 Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG) sind Austausch-
verträge, die mit Behörden geschlossen werden, nur bei Vereinbarung eines ange-
messenen Zwecks zulässig. Alle Landesverwaltungsverfahrensgesetze enthalten
entsprechende Regelungen.
Unproblematisch können Zahlungen für Planungskosten vereinbart werden,
soweit sie entweder eine angemessene Pauschale oder die Übernahme der konkret
angefallenen Planungskosten umfassen.
Werden im Vertrag Zahlungen vereinbart für das Errichten und Betreiben der
Biogasanlage oder dafür, dass die Gemeinde ihr Einvernehmen erteilt, ist der Ver-
trag wegen Verstoß gegen die vertragliche Zweckbindung regelmäßig unwirksam.
Werden Zahlungen ohne eine wirksame Zweckbindung geleistet und ist dies
erkennbar, besteht zudem der Anfangsverdacht einer Vorteilsgewährung. Ein
Ermittlungsverfahren gegen den Amtsträger und den Vertragspartner ist damit nicht
auszuschließen. Dieses Risiko kann durch eine genaue Zweckbestimmung und
angemessene Zahlungsbeträge ausgeschlossen werden.
3.3  Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 153

3.3.4 Fallstricke bei Verhandlungen mit Netzbetreibern

Auf Verlangen des Anlagenbetreibers müssen Netzbetreiber Biogasanlagen unver-


züglich an ihr Netz anschließen. Erfüllt eine Biogasanlage die Voraussetzungen
des EEG, besteht keine Pflicht für den Anlagenbetreiber, einen Vertrag mit dem
Netzbetreiber abzuschließen. Die Netzanschlussverpflichtung ist gesetzlich in § 12
Abs. 1 EEG 2004, in § 4 Abs. 1 EEG 2009 und in § 4 Abs. 1 EEG 2012 geregelt. Im
EEG 2012 ist zusätzlich ausdrücklich festgelegt, dass von den Bestimmungen des
EEG nicht zu Lasten des Anlagenbetreibers oder des Netzbetreibers abgewichen
werden kann. Wird dem Anlagenbetreiber dennoch eine Vereinbarung angeboten,
sollte geprüft werden, ob sich Nachteile für den Anlagenbetreiber ergeben können.
Die Ermittlung des richtigen Netzverknüpfungspunktes ist ein grundsätzlicher
Interessenkonflikt und damit Streitgegenstand zwischen Anlagenbetreiber und
Netzbetreiber.175

3.3.4.1 Der richtige Netzverknüpfungspunkt


Der Netzverknüpfungspunkt wird dem Anlagenbetreiber in der Regel vom Netz-
betreiber genannt. Viele Betreiber akzeptieren den vom Netzbetreiber benannten
Netzverknüpfungspunkt ungeprüft. Im Nachgang zeigt sich seit 2001 in der anwalt-
lichen Praxis der Autoren regelmäßig, dass der nach dem EEG richtige Verknüpfungs-
punkt tatsächlich näher liegt. Relevant ist diese Entscheidung vor allem für die Frage
der Kostentragung. Nach allen Fassungen des EEG trägt der Anlagenbetreiber die
Kosten der Baumaßnahmen vom Standort der Anlage bis zum Versorgungsnetz und
dem Ort der Messung. Der Ort der Messung entscheidet über die Leitungs- und Trans-
formationsverluste. Mit steigender Entfernung des Netzverknüpfungspunktes zur
Anlage steigen die Anschlusskosten und Leitungsverluste für den Anlagenbetreiber.
Zur Begründung der Vorgabe eines weiter entfernten Verknüpfungspunktes ver-
weisen die Netzbetreiber auf die mangelnde Kapazität am vom Anlagenbetreiber
ermittelten Standort. Dies genügt indes nicht, um eine Pflicht zum dortigen
Anschluss zu begründen. Denn nach § 5 Abs. 4 EEG muss der Netzbetreiber
sein Netz in diesem Fall unverzüglich optimieren, soweit ihm dies zumutbar ist.
Vielmehr gibt das Gesetz die Grundstrukturen zur Ermittlung des richtigen Netzver-
knüpfungspunktes vor. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG erfolgt die Netzverknüpfung
grundsätzlich an derjenigen Stelle, die im Hinblick auf die Spannungsebene
geeignet ist und in der kürzesten Entfernung zum Standort der Anlage liegt. Hier-
von wird lediglich dann eine Ausnahme gemacht, wenn „ein anderes Netz einen
technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist“. Es erfolgt
eine gesamtwirtschaftliche Prüfung. Die Gesamtkosten der jeweiligen Standorte
werden unabhängig von der jeweiligen Kostentragungspflicht ermittelt und ver-
glichen. Dem günstigeren Verknüpfungspunkt ist der Vorzug zu geben. Für einen
in einem anderen Netz liegenden, technisch und wirtschaftlich günstigeren Ver-
knüpfungspunkt trägt der Netzbetreiber die Beweislast (Gottwald und Herrmann
2011a, S. 110 f.).

175
Ausführlich dazu Gottwald und Herrmann (2011a), S. 110 f.
154 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Dabei entstehen regelmäßig Streitigkeiten, denn es ist fraglich, ob ein technisch


und wirtschaftlich günstigerer Verknüpfungspunkt gemäß der zweiten Alternative
tatsächlich nur ermittelt werden muss, wenn es sich um ein anderes Netz handelt.
In der Praxis liegen zwei denkbare alternative Verknüpfungspunkte fast immer
in demselben Netz. Die Netzbetreiber halten eine Wirtschaftlichkeitsprüfung auch
bei alternativen Anschlusspunkten in demselben Netz für erforderlich. Diese Auf-
fassung ist jedoch angesichts des eindeutigen Wortlautes des § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG
fragwürdig. Sie stützen ihre abweichende Auffassung auf eine veraltete Recht-
sprechung des Bundesgerichtshofes. Dieser hatte zum EEG in den Fassungen
von 2000 und 2004 entschieden, der damals gleiche Wortlaut sei erweiternd aus-
zulegen.176
Die Rechtsprechung des BGH ist aber auf das seit dem 1.01.2009 geltende
EEG nicht übertragbar, was von zwei Gerichtsentscheidungen aus 2010177 bestätigt
wird. Das Landgericht Arnsberg und das Landgericht Duisburg stützen ihre
Argumentation auf die Gesetzesmaterialien. Darin werde festgelegt, wie der wirt-
schaftlich günstigste Verknüpfungspunkt zu bestimmen sei, aber nicht, dass diese
Vorgabe über den in § 5 Abs. 1 EEG genannten Fall hinaus vorzunehmen sei. Ent-
scheidend ist aber vor allem, dass der Gesetzgeber die veraltete Rechtsprechung
des BGH in das Gesetz hätte übertragen können. Indem er dies unterlassen hat,
belegt der Gesetzgeber, dass er in dieser Detailfrage die Rechtsprechung zum alten
EEG nicht übernehmen wollte. Zudem differenziert § 5 Abs. 2 EEG klar zwischen
„diesem“ und einem „anderen“ Netz – ein deutlicher Hinweis, dass in Abs. 1 nichts
anderes gelten soll. Weiterhin enthält § 5 Abs. 3 EEG nunmehr das einseitige Recht
des Netzbetreibers zur Zuweisung eines Verknüpfungspunktes. Mit dieser Regelung
will der Gesetzgeber volkswirtschaftlich unsinnige Kosten vermeiden. Es besteht
damit kein Grund mehr für eine erweiternde Auslegung des Gesetzes entgegen dem
Wortlaut.178
Um eine zeitliche Verzögerung des Projektes zu verhindern, kann der Anlagen-
betreiber die Anlage zunächst an dem vom Netzbetreiber gewünschten Punkt
anschließen lassen. Dann ist entscheidend, gegenüber dem Netzbetreiber vor Netz-
anschluss unmissverständlich klarzustellen, dass der realisierte Verknüpfungspunkt
vorbehaltlich des Ergebnisses einer abschließenden Prüfung als vom Netzbetreiber
zugewiesener Verknüpfungspunkt angesehen wird.
Im Übrigen räumt das Gesetz dem Anlagenbetreiber die Möglichkeit ein, ein-
seitig einen abweichenden Verknüpfungspunkt zu wählen, soweit die Ausübung des
Wahlrechts nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt (Salje 2009, § 5, Rn. 49). Dies führt
gemäß § 13 Abs. 1 EEG dazu, dass der Anlagenbetreiber die hierdurch ggf. ent-
stehenden Mehrkosten tragen muss. Auf der anderen Seite kann der Netzbetreiber
dem Anlagenbetreiber gemäß § 5 Absatz 3 EEG einen Verknüpfungspunkt ein-
seitig zuweisen. In diesem Fall muss er dem Anlagenbetreiber dann aber gemäß

176
BGH, Urteil vom 18.07.2007, Aktenzeichen VIII ZR 288/05.
177
LG Arnsberg, Urteil vom 6.05.2010, Az.: 4 O 434/09.
178
Anders beispielsweise die rechtlich nicht bindende Empfehlung der Clearingstelle, Beschluss
vom 11.02.2011, Nr. 2/2011.
3.3  Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 155

§ 13 Absatz 2 EEG die daraus resultierenden Mehrkosten erstatten. Ein Erstattungs-
anspruch wird aber nur dann erfolgreich sein, wenn der nach dem EEG richtige
Verknüpfungspunkt bekannt ist.

3.3.4.2 Falsche Bestimmung des Zeitpunktes der Inbetriebnahme


Nach § 21 EEG sind Vergütungen ab dem Zeitpunkt zu zahlen, ab dem der Generator
erstmals Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien oder Grubengas erzeugt
und in das Netz nach § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 EEG eingespeist hat oder der Strom
erstmals nach § 33 Abs. 2 EEG verbraucht worden ist. Die Vergütungssätze richten
sich nach dem EEG in der Fassung, die zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme galt.
Folglich kommt dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme eine große Bedeutung zu. Eine
falsche Bestimmung des Zeitpunktes der Inbetriebnahme hat erhebliche Folgen.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass es durch den Austausch eines Generators zur
Änderung des Zeitpunktes der Inbetriebnahme kommen kann.
Für jedes Biogasprojekt ist damit zu klären, wann die maßgebliche Inbetrieb-
nahme der Anlage tatsächlich erfolgt ist. Für Biogasanlagen treten in diesem
Zusammenhang Fragen zum Anlagenbegriff auf. Inbetriebnahme ist nach § 3 Nr. 5
EEG die erstmalige Inbetriebsetzung der Anlage nach Herstellung ihrer technischen
Betriebsbereitschaft, unabhängig davon, ob der Generator der Anlage mit erneuer-
baren Energien, Grubengas und sonstigen Energieträgern in Betrieb gesetzt wurde.
Die Inbetriebnahme einer Biomasseanlage setzt die technische Betriebs-
bereitschaft voraus. Die technische Betriebsbereitschaft ist bei einer Biogas-
anlage gegeben, wenn sie über eine Einrichtung zur Gewinnung und Aufbereitung
des jeweiligen Energieträgers verfügt.179 Dazu muss die Anlage über sämtliche
notwendige Einrichtungen zur Stromerzeugung verfügen.180 Biogasanlagen
bestehen aus einem Fermenter, in denen die eingesetzte Biomasse zu Biogas ver-
goren wird und Blockheizkraftwerken (Altrock et al. 2011, § 3, Rn. 18).
Praktische Fragen treten auf, wenn Generatoren ausgetauscht werden oder ein
Fermenter im Einzelfall nicht erforderlich war oder wenn die Anlage bei Inbetrieb-
nahme noch nicht in der Lage war, dauerhaft Strom zu erzeugen. Rechtsunsicherheit
besteht auch, wenn zum Zwecke der Vergütungs- und Leistungsermittlung eine
Zusammenfassung mehrerer Einzelanlagen zu einer Gesamtanlage in Frage kommt
(Niederstadt 2011, S. 118 ff.).181 Vor dem OLG Brandenburg (Gottwald und Herr-
mann 2010a, S. 92)182 konnten wir nicht durchsetzen, dass Blockheizkraftwerke mit
demselben Fermenter als getrennte Anlagen eingestuft werden.
Mit welchen Anlagenteilen die Biogasanlage ausgestattet sein musste, kann
klärungsbedürftig sein für die Feststellung des Inbetriebnahmezeitpunktes. Das von
uns erstrittene Urteil des BGH vom 21.05.2008 stellte fest, dass ein Fermenter und
dessen Gasleitung zum Blockheizkraftwerk als Bedingung für die Inbetriebnahme

179
Ausführlich dazu BGH, Urteil vom 21.05.2008, Aktenzeichen VIII ZR 308/07.
180
BGH, Urteil vom 16.03.2011, Aktenzeichen VIII ZR 48/10.
181
OLG Brandenburg, Urteil vom 16.09.2010, Aktenzeichen 12 U 79/10; Clearingstelle EEG,
Empfehlung vom 1.06.2010, Aktenzeichen 2009/12.
182
OLG Brandenburg, Urteil vom 16.09.2010.
156 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

zwingend erforderlich sind.183 Der Inbetriebnahmezeitpunkt ist entscheidend für die


Vergütungsdauer.
Fallen nach Inbetriebnahme der Anlage die Vergütungsvoraussetzungen weg, hat
dies keinen Einfluss auf die Vergütungsdauer der Anlage. Liegen die Vergütungs-
voraussetzungen für die Anlage zu einem späteren Zeitpunkt wieder bei demselben
Generator vor, so richtet sich die Vergütungsdauer dennoch nach der erstmaligen
Inbetriebnahme.
Wird ein Generator an einen anderen Ort versetzt, so richtet sich die Vergütungs-
dauer nach der erstmaligen Inbetriebnahme des Generators. Für die Anlage, welcher
der Generator entnommen wurde, führt der Austausch nach § 21 Abs. 3 EEG nicht
zu einem Neubeginn der Vergütungsdauer, selbst wenn ein neuer Generator einge-
baut wird. Der Einsatz eines gebrauchten Generators kann sich also vergütungsmin-
dernd auswirken.184

3.3.4.3 Gasnetzanschlussverträge
Der Anschluss einer Biogaseinspeiseanlage an das Gasversorgungsnetz erfolgt
unter anderen Bedingungen als der Netzanschluss einer Biogasanlage mit Direkt-
verstromung an das Stromnetz. Netzanschluss in diesem Sinne ist nach der
gesetzlichen Definition in § 32 Nr. 2 GasNZV „die Herstellung der Verbindungs-
leitung, welche die Biogasaufbereitungsanlage mit dem bestehenden Gasver-
sorgungsnetz verbindet, die Verknüpfung mit dem Anschlusspunkt des bestehenden
Gasversorgungsnetzes, die Gasdruck-Regel-Messanlage sowie die Einrichtungen
zur Druckerhöhung und die eichfähige Messung des einzuspeisenden Biogases“.
Im Gegensatz zur Rechtslage im Strombereich müssen Einspeiser und Netz-
betreiber im Gasbereich einen Netzanschlussvertrag schließen. Die GasNZV
ermöglicht weitergehende vertragliche Gestaltungen zwischen Anlagen- und Netz-
betreiber. Nach § 33 Abs. 2 Satz 3 GasNZV können Vereinbarungen über Dienst-
leistungen und deren Vergütung getroffen werden. Vereinbarungen über Wär-
melieferungen, einen gemeinsamen Stromanschluss oder Strombezug, über die
Gaskühlung und Brennwertanhebung sollen damit ermöglicht werden.185
Gesetzlich sind Netzbetreiber gemäß § 32 Nr. 1 GasNZV verpflichtet, Einspeise-
anlagen auf Verlangen des Betreibers, Projektentwicklers oder Errichters vorrangig
an ihr Gasversorgungsnetz anzuschließen.
Der Betreiber muss gemäß § 33 Abs. 1 GasNZV ein Viertel der Anschlusskosten
tragen. 75 % der Kosten zahlt der Netzbetreiber. Auf die Ermittlung der Anschluss-
kosten sollte ein Augenmerk gelegt werden. Zu den Anschlusskosten zählen auch
die Kosten für die Anlagen zur Qualitätsmessung und zur Verdichtung. Bei einem
Anschluss einschließlich Verbindungsleitung mit einer Länge von bis zu 1 km
muss der Anlagenbetreiber insgesamt höchstens 250.000 Euro zahlen. Bei einer

183
BGH, Urteil vom 21.05.2008, Aktenzeichen VIII ZR 90/06.
184
Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/8148, S. 52.
185
BR-Drs. 312/10, Begründung zu § 33.
3.3  Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 157

Verbindungsleitung mit über 10 km Länge zahlt der Anlagenbetreiber die Mehr-
kosten186.
Für die Kosten der Wartung und des Betriebes des hergestellten Netzanschlusses
trägt der Netzbetreiber die Kosten. Dies ist nur folgerichtig, da der Netzanschluss
nach § 33 Abs. 1 GasNZV in das Eigentum des Netzbetreibers übergeht. Der Netz-
betreiber muss auch für die Kosten der Mengen- und Leistungsmessung aufkommen
(Altrock und Schmeding 2008, S. 364).
Nach Mitteilung und Eingang des Anschlussbegehrens durch den Anschluss-
nehmer hat der Netzbetreiber gemäß § 33 Abs. 4 Satz 1 GasNZV zwei Wochen
Zeit, darzulegen, welche Prüfungen zur Vorbereitung einer Entscheidung über
das Netzanschlussbegehren notwendig sind und welche erforderlichen Kosten
diese Prüfungen verursachen werden. Im Folgenden muss der Anschlussnehmer
25 % der ermittelten Kosten vorschießen. Erst nach dem Zahlungseingang ist
der Netzbetreiber gemäß § 33 Abs. 5 Satz 4 GasNZV verpflichtet, unverzüglich
die mitgeteilten notwendigen Prüfungen durchzuführen. Er muss dem Anschluss-
nehmer ein verbindliches Netzanschlussangebot mit der Zusage einer garantierten
Mindesteinspeisekapazität vorlegen. Der Anschlussnehmer muss dann innerhalb
von 18 Monaten mit dem Bau der Anlage beginnen, so dass keine Netzkapazitäten
unnötig vorgehalten werden. Verstößt der Anschlussnehmer gegen diese zeitliche
Grenze und hat er dies zu vertreten, so wird der Netzanschlussvertrag nicht wirk-
sam.
Eine hohe Verfügbarkeit des Netzanschlusses ist entscheidend zur Gewähr-
leistung eines wirtschaftlichen Betriebs der Biogaseinspeiseanlage. § 33 Abs. 2
GasNZV verpflichtet den Netzbetreiber daher, die Verfügbarkeit des Netzan­
schlusses dauerhaft, mindestens aber zu 96 %, sicherzustellen. Dies ist als ver-
schuldensunabhängige Garantie zu werten. Andernfalls hätte die Regelung keinen
Anwendungsbereich, denn bei Verschulden haftet der Netzbetreiber nach all-
gemeinem Zivilrecht. Der Netzbetreiber haftet im Falle einer Unterschreitung der
96 % für dadurch entstandene Schäden und zwar unabhängig davon, ob ihn Ver-
schulden trifft. Der Netzbetreiber riskiert gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 GasNZV bei
Nichteinhaltung dieser Grenze sogar ein Bußgeld. Die Festlegung auf 96 % berück-
sichtigt Ausfallzeiten zur Behebung technischer Mängel oder Schäden.187 Wartung
und Betrieb des Netzanschlusses sind Aufgabe des Netzbetreibers, der auch die
Kosten hierfür zu tragen hat.
Netzbetreiber können den Netzanschluss nur unter ganz engen Voraussetzungen
ablehnen. In der Praxis fordern Netzbetreiber z. T. überhöhte technische Standards
für den Netzanschluss.
Eine Ablehnung des Netzanschlusses ist gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 GasNZV nur
bei Vorliegen der Gründe aus § 17 Abs. 2 Energiewirtschaftsgesetz gerechtfertigt:
Danach müsste der Netzbetreiber nachweisen, dass ihm die Gewährung des Netz-
anschlusses aus betriebsbedingten oder sonstigen wirtschaftlichen oder technischen

186
S. hierzu auch die Ausführungen im Abschn. 3.1.2.2.
187
BR-Drs. 312/10, Begründung zu § 33 Abs. 2.
158 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Bei gesetzeskonformer Prüfung
wird diese Ausnahme nur sehr selten greifen.

3.3.5 Fallstricke bei Verhandlungen mit Substratlieferanten

Betreiber von Biogasanlagen sind von einer langfristig gesicherten, zuverlässigen


Lieferung von Substraten abhängig. Rechtssichere, eindeutige Verträge sind von
besonderer Bedeutung zur Sicherung des dauerhaften Anlagenbetriebes. Ins-
besondere bei Substratlieferungen aus dem Ausland ist der Ausgestaltung der Sub-
stratlieferverträge besondere Beachtung zu schenken (Gottwald und Herrmann
2010b, S. 128 ff.).

3.3.5.1 Dauerhafte Absicherung


Wichtig sind Vereinbarungen zur Vertragsdauer. Lange Laufzeiten sind vor allem
im Interesse des Anlagenbetreibers, da die gesetzliche Vergütungsdauer für Strom
aus Biogasanlagen 20 Jahre zuzüglich des Inbetriebnahmejahres beträgt und für
die gesamte Dauer des Anlagenbetriebes eine preisstabile Belieferung mit Sub-
straten gewährleistet sein soll. Das Recht zur ordentlichen Kündigung sollte des-
halb wirksam ausgeschlossen werden. Die Kündigung aus wichtigem Grund sollte
beschränkt werden und jedenfalls die Interessen des Anlagenbetreibers angemessen
berücksichtigen. Ein Ausschluss des Rechts zur Kündigung aus wichtigem Grund
ist nicht möglich.
Zudem sollte der Vertrag die Rechtsnachfolge regeln und Lösungen für den Fall
bereit halten, dass der Lieferant zeitweise oder endgültig ausfällt. Die Vertrags-
verhandlungen können je nach Interessenlage geführt werden. Ein ausgewogener
Vertrag dient einer langfristigen Vertragsbeziehung und ist insbesondere dann emp-
fehlenswert, wenn der Lieferant wirtschaftlich an der Biogasanlage beteiligt ist.
Verhandlungsgeschick kann in anderen Fällen eine günstigere Ausgangsposition
und damit einen Wettbewerbsvorteil verschaffen – was einem langfristigen Ver-
tragsverhältnis nicht im Wege stehen muss, insbesondere wenn der Vertrag eine
vorzeitige Vertragsbeendigung erschwert.188

3.3.5.2 Ungenaue Bestimmung des Vertragsgegenstandes


Die Parteien sollten den Vertragsgegenstand möglichst konkret regeln, um
Unstimmigkeiten bei der Vertragsabwicklung zu vermeiden. Von besonderer
Bedeutung sind Regelungen zur Substratqualität.
Es empfiehlt sich, die anzubauenden Substratsorten festzulegen. Der Lieferant
kann dabei verpflichtet werden, bestimmte Sorten anzubauen. Weiterhin sollte die
Qualität der Substrate geregelt werden. Unabdingbar ist eine Vereinbarung zur Ein-
haltung der Konformität der Substrate mit den Anforderungen des EEG. Weiterhin
sollte eine Anpassungsklausel vereinbart werden, die im Falle der Änderungen der
Anforderungen des EEG die Art oder die Qualität der Substrate regelt. Auch eine

188
BGH, Urteil vom 4.04.1973, Aktenzeichen VIII ZR 47/72.
3.3  Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 159

Regelung zu den Dokumentationspflichten des EEG sollte vereinbart werden. Gere-


gelt werden sollte außerdem die Gärrestrücknahme durch den Lieferanten.
Das Pflichtenprogramm kann unterschiedlich umfangreich gestaltet werden.
Von der alleinigen Bereitstellung der benötigten Pflanzenmengen auf der Anbau-
fläche zur Ernte, über die Übergabe durch den Lieferanten ab Hof oder Feld an
den Abnehmer bis hin zur Anlieferung der Substrate können die Verpflichtungen
reichen. Je nach Variante sind Regelungen zur Ernte, zur Abholung der Ware, zu
den Modalitäten der Lieferung und Übergabe, insbesondere zur Tragung der Trans-
portkosten zu treffen. Zudem können Regelungen zur Lagerung, Konservierung
und Trocknung ratsam sein.
Der Lieferumfang kann entweder durch ein zu lieferndes Gewicht oder durch
eine vom Lieferanten bereit zu stellende Anbaufläche bestimmt werden. Für die
erste Variante ist es sinnvoll, Regelungen zur Gewichtsfeststellung und zu den
Wiegekosten zu treffen. In diesem Fall trägt der Lieferant das Ertragsrisiko und
hat gegebenenfalls mit Schadensersatz und Deckungskäufen zu rechnen, wenn der
Lieferumfang nicht bereitgestellt werden kann. In der zweiten Variante verlagert
sich das Risiko auf den Anlagenbetreiber. In beiden Varianten kann aber vertraglich
eine alternative Risikoverteilung vereinbart werden.
Wichtig sind Regelungen zur Substratqualität, die üblicherweise anhand des
Anteils der Trockensubstanz (TS) im Verhältnis zur gelieferten Menge an Masse
bestimmt wird. Es bietet sich jedoch an, darüber hinaus vertragliche Regelungen
zur Einhaltung genau definierter Qualitätsparameter, zum Ausschluss der Ver-
schmutzung der Substrate mit Fremdstoffen, wie z. B. Sand oder Erde und zur Min-
derung des Kaufpreises bei Abweichungen von bestimmten Qualitätsparametern
zu treffen. Den in der Praxis häufigen Streitigkeiten zur Qualitätsfeststellung kann
durch ein möglichst transparentes System der Mengenerfassung und Beprobung
vorgebeugt werden. Insbesondere sollte beiden Parteien das Recht eingeräumt sein,
die Probe etwa durch ein zertifiziertes Labor untersuchen zu lassen. Es ist weiterhin
ratsam, die Auswirkungen von Qualitätsabweichungen ab Anlieferung auf die Ent-
geltzahlung zu vereinbaren.

3.3.5.3 Unwirksamkeit von Preisanpassungsklauseln


Preisanpassungsklauseln werden regelmäßig im Interesse des Lieferanten verein-
bart, da die Preise für Energiepflanzen tendenziell eher steigen. Solche Klauseln
sind nicht in jedem Fall wirksam, insbesondere wenn sie einseitig belastend aus-
gestaltet sind.189 Regelmäßig gilt die Anpassung zwar automatisch auch nach unten,
so dass die Klausel keine einseitige Preisanpassung etwa durch einen Gasver-
sorger darstellt. Aber auch automatische Preisanpassungsklauseln sind nicht unpro-
blematisch. So hält das OLG Naumburg automatische Preisgleitklauseln unter
anderem dann für rechtswidrig, wenn die Auswahl des Bezugsindexes willkürlich
erscheint.190 Die Rechtsprechung war auf Wärmelieferverträge bezogen. Ungeklärt

189
BGH, Urteil vom 19.11.2008, Aktenzeichen VIII ZR 138/07; Urteil vom 15.07.2009, Akten-
zeichen VIII ZR 225/07.
190
OLG Naumburg, Urteil vom 17.09.2009, Aktenzeichen 1 U 23/09.
160 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

bleibt, ob ähnliche Maßstäbe an andere Lieferverträge gestellt werden. So könnten


Substratlieferträge, die den Preis für das zu liefernde Substrat an die Preisentwick-
lung für eine andere Energiepflanze koppeln, rechtswidrig sein. Denkbar ist die
Bindung des Maispreises an die Entwicklung des Getreidepreises. Ist eine solche
Klausel unwirksam, kann der gesamte Vertrag nichtig sein.191 Nach der Recht-
sprechung verhindere grundsätzlich auch die in Verträgen übliche salvatorische
Klausel nicht die Nichtigkeitsfolge für den gesamten Vertrag, denn die salvatorische
Klausel entbinde nicht von der Prüfung, ob die Parteien das teilnichtige Geschäft als
Ganzes verworfen hätten oder aber den Rest hätten gelten lassen.192 Nur wenn die
Aufrechterhaltung des gesamten Vertrages dem mutmaßlichen Willen der Parteien
entspricht, ist die Rechtsfolge der Gesamtnichtigkeit nicht zwingend.193 Sobald dem
Lieferanten der Nachweis gelingt, dass er den Vertrag ohne die Preisanpassungs-
klausel so nicht geschlossen hätte, tritt also die Nichtigkeitsfolge ein. Die Wirk-
samkeit der einzelnen Vertragsklauseln ist daher von enormer Bedeutung für alle
Biogas-Projekte.

3.3.6 Fallstricke bei der Vereinbarung mit Generalunternehmern

3.3.6.1 Unsichere Bindung der Parteien


Aufschiebende und auflösende Vertragsbedingungen sollten vermieden werden. Sie
haben sich in der Vertragsabwicklung nicht bewährt. Wird ein Vertrag unterzeichnet,
der aufschiebend von einer Bedingung abhängig ist, so ist der Vertrag bis zum Ein-
tritt der Bedingung nicht geschlossen. Typische Vertragsbedingungen sind bei-
spielsweise die Vereinbarung bestimmter weiterer Projektschritte als Bedingung
für das Bestehen des Vertrages. Werden die Bedingungen, wie beispielsweise der
Erhalt einer Finanzierungszusage oder der Erteilung einer Genehmigung, nicht oder
verspätet erfüllt, wurde von den Parteien kein Vertrag geschlossen. Nach Vertrags-
unterzeichnung verschwindet der Vertrag in der Schublade. Keine Partei prüft, ob
die Bedingungen des Vertrages auch rechtzeitig eingetreten sind oder sorgt für die
Dokumentation der Erfüllung der Bedingungen. Wickeln die Parteien den Vertrag
dennoch ab, ohne schriftlich eine heilende Vereinbarung abzuschließen, entstehen
Rechtsunsicherheiten und damit Risiken bei der Festlegung des Vertragsinhaltes,
der Realisierung und im Zweifel der gerichtlichen Durchsetzung.
Auch im Generalunternehmervertrag finden sich neben den gesetzlichen Rechten
auf vorzeitige Vertragsbeendigung aus wichtigem Grund weitere Möglichkeiten der
Vertragsbeendigung. Dies ist weder für den Generalunternehmer günstig, der seine
Dispositionen bereits getroffen hat, noch ist es für den Auftraggeber günstig, der
eventuell sein Vorhaben mit weiteren Unternehmern fertig stellen muss.
Die Kündigungsregeln sollten deshalb rechtlich ausgewogen gestaltet werden.
Eine Orientierung an den gesetzlichen Eskalationsschritten, Anzeige von Mängeln

191
BGH NJW 1989, S. 26.
192
BGH, Urteil vom 24.09.2002, Aktenzeichen KZR 10/01.
193
BGH NJW 2001, S. 815.
3.3  Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 161

und hinsichtlich der Fristsetzungen zur Mangelbehebung sind sinnvoll. Wir emp-
fehlen dringend, eine Regelung zur außerordentlichen Kündigung aufzunehmen,
die den Interessen beider Parteien an der Durchführung des Vertrages Rechnung
trägt.

3.3.6.2 Unverbindlichkeit von Fristenregelungen


Bei der Vereinbarung von Terminen kommt es häufig zu erheblichen Unsicherheiten,
ob die Termine auch verbindlich sind. Insbesondere wenn an das Überschreiten
von Fristen Schadensersatz und Vertragsstrafe geknüpft sind, ist eine genaue und
eindeutige Formulierung geboten. Ausführungsfristen sind nur dann echte Ver-
tragsfristen, wenn klare und eindeutige Regelungen vorliegen (Asam-Peter 1999,
S. 114). Ausführungsfristen in einem Bauzeitenplan sind in der Regel unver-
bindliche Einzelfristen. Erst durch eindeutige Vereinbarung zwischen Auftraggeber
und Auftragnehmer können sie zu verbindlichen Vertragsfristen gemacht werden.194
Verträge enthalten häufig keine eindeutigen Regelungen zum Baufortschritt,
dem Fristablauf oder Einzeltermine, deren Fristüberschreitung eine verbindliche,
mit Vertragsstrafen bewehrte Vertragsfrist auslösen. Sind keine nach dem Kalender
bestimmten Termine für den Baubeginn oder die Fertigstellung vereinbart oder
wird lediglich auf einen Bauzeitenplan verwiesen, ist das Risiko einer gerichtlichen
Auseinandersetzung groß. Eine Klarstellung der Regelung beseitigt die Risiken der
Unbestimmtheit und erleichtert die Vertragsabwicklung.

3.3.6.3 Mehrdeutiger Umfang der Wartungsvertragspflichten


In der Praxis schließen der Betreiber und der Generalunternehmer häufig einen
Wartungsvertrag. Ziel ist es, die Funktionsfähigkeit der Biogasanlage zu erhalten
und Stillstände der Anlage zu vermeiden. Das Fachwissen und die Erfahrung bei
dem Betrieb der einzelnen Anlage sollten auf Seiten des Generalunternehmers und
seiner Vertragspartner vorhanden sein. Ein Wartungsvertrag ist deshalb aus Sicht
beider Vertragsparteien sinnvoll.
Dabei hat sich gezeigt, dass ein Augenmerk auf die Beschreibung der Leistungs-
pflichten des Generalunternehmers zu richten ist. Erforderlich ist es deshalb, den
Leistungsumfang ausdrücklich, eindeutig und einheitlich im gesamten Wartungs-
vertrag festzulegen.
Der Begriff „Wartung“ ist gesetzlich nicht definiert. Eine Definition sollte des-
halb in den Vertrag aufgenommen werden. Nach DIN 31051 werden mit „Wartung“
die Maßnahmen bezeichnet, die zur Verzögerung des Abbaus des vorhandenen
Abnutzungsvorrates der Anlage dienen. Die Wartung ist Teil der Instandhaltung.
Gemäß DIN 31051 umfasst die „Inspektion“ die Maßnahmen zur Beurteilung
des Ist-Zustandes von technischen Mitteln eines Systems. Es empfiehlt sich, die
Regeln der Technik als nachrangige Vertragsgrundlage im Vertragsgegenstand fest-
zulegen, um den Umfang und Inhalt der Wartungspflicht zu begrenzen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 9.05.2008, Aktenzeichen 22 U 191/07; BGH, Beschluss vom
194

26.02.2009, Aktenzeichen VII ZR 121/08.


162 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Nach DIN 31051 ist die „Instandsetzung“ ebenfalls Bestandteil der


Instandhaltung, sie umfasst die Reparatur eines Gegenstandes nach einem auf-
getretenen Fehler.
Welche Instandsetzungsarbeiten beispielsweise mit einer Wartungspauschale
abgegolten sind und welche großen Instandsetzungsarbeiten zusätzlich zu vergüten
sind, müssen die Parteien festlegen.
Offen und unbestimmt sind Begriffe wie die „kleine“ Instandsetzung und „große“
Instandsetzung. Zwar wird der Begriff für das Qualitätsmanagement im Rahmen
der VDI-Richtlinie 2895 verwendet, aber diese Definition beschreibt und begrenzt
den Umfang der Leistung zu wenig: Die kleine Instandsetzung ist Austausch von
Verschleißteilen. Im Gegensatz dazu wird die Wiederherstellung des Sollzustandes
der Anlage als „große“ Instandsetzung bezeichnet.
Geregelt werden sollte zudem, ob eine Pflicht zur Instandsetzung für den Auf-
tragnehmer begründet wird, wenn die Maßnahme unerlässlich sind.
Auch der Zeitpunkt der Wartung ist festzulegen. Die Parteien sollten alle ver-
tragswesentlichen Punkte mit dem Wartungsvertrag auch tatsächlich klären. Lässt
sich aus dem Wortlaut nicht rechtssicher herleiten, ob Instandsetzungsarbeiten nur
anlässlich der durch den Auftragnehmer durchzuführenden jährlichen Wartung
bestehen, so kann der Betreiber im Interesse der Vermeidung von Ausfällen der
Biogasanlage nur selbst die erforderlichen Arbeiten durchführen. Dies kann sich
jedoch auswirken auf Beweisbarkeit von Verschuldensbeiträgen in der Garantiezeit
und auf die Frage, wann der Betreiber die unverzüglich erforderlichen Arbeiten
selbst durchführen kann, ohne zuvor den Vertrag für diese Teilleistung zu kündigen.
Wir empfehlen, einen Wartungsplan verbindlich zu vereinbaren, aus dem sich
der Zeitpunkt und die einzelnen Wartungstätigkeiten eindeutig ergeben.

3.3.7 Fallstricke bei der Beteiligung an Biogasprojekten

Im Falle der Übernahme einer Biogasanlage sind die Verträge mit allen an der
Errichtung und dem Betrieb beteiligten Firmen zu untersuchen. Je nach Aus-
gestaltung des Vorhabens ergeben sich unterschiedliche Risiken, die sich auf die
Verhandlungen über den Preis für die Beteiligung auswirken.195

3.3.7.1 Kaufpreisrelevante Risiken


Einmal ist zu prüfen, ob alle Verbindlichkeiten der zu erwerbenden Gesellschaft
bekannt sind. Insbesondere ist zu prüfen, ob noch Vergütungsansprüche oder
Schadensersatzansprüche bestehen.
Weiterhin ist zu prüfen, wer die jeweiligen Vertragspartner waren. Wurde die
Anlage mit einem Generalunternehmer errichtet, so ist zu prüfen, ob dieser noch
solvent ist und für offene Gewährleistungsansprüche gegebenenfalls einstehen
kann.

195
S. dazu auch Gottwald und Herrmann (2011b), S. 116.
3.3  Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 163

Wurden statt einem Generalunternehmer einzelne Gewerke beschäftigt, kann


sich dies auf die Mängelansprüche auswirken. Der Erwerber muss dafür in der Lage
sein, nachzuweisen, dass der Mangel durch den jeweiligen Unternehmer verursacht
wurde und nicht von einem vorher tätigen Unternehmer herrührt. Eine vollständige
Dokumentation der Abnahmeprotokolle ist dafür erforderlich. Die Verjährungs-
fristen für Gewährleistungsansprüche können im Falle der Tätigkeit mehrerer
Unternehmer zeitlich erheblich differieren.
Es ist außerdem zu prüfen, ob die Biogasanlage im Rahmen der Genehmigung
errichtet wurde und betrieben wird, ob alle Nebenbestimmungen erfüllt worden
sind und ob die Anlage im zulässigen Umfang und mit den genehmigten Betriebs-
mitteln betrieben wird. Schließlich ist zu prüfen, ob die Vergütungsvoraussetzungen
des EEG für die vom Netzbetreiber geleisteten Zahlungen tatsächlich vorlagen. Die
entsprechende Dokumentation ist genau zu prüfen.

3.3.7.2 Risiko verspätet eingetragener Dienstbarkeiten


Wurde die Biogasanlage auf einem fremden Grundstück errichtet, sollte der
Erwerber einer Biogasanlage prüfen, ob für die Errichtung und den Betrieb der
Anlage rechtzeitig Dienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen wurden. Bisher ist
die Eintragung der Dienstbarkeit in das Grundbuch vor Errichtung der Biogasanlage
der einzige rechtssichere Weg, um eine Verbindung der Anlage mit dem Grundstück
zu verhindern.
Errichter von Biogasanlagen stehen häufig unter erheblichem zeitlichen Druck,
nach Verhandlung der wesentlichen Projektverträge ein Vorhaben zu verwirklichen.
Es kommt vor, dass die Dienstbarkeitsbewilligung im Pachtvertrag mit dem Grund-
stückseigentümer vereinbart wurde, dann jedoch der Antrag auf Eintragung und
die Eintragung in das Grundbuch zu spät erfolgt sind. Wie schnell die Eintragung
erfolgt, kann für die rechtssichere Eigentumsfähigkeit der Biogasanlage von erheb-
licher Bedeutung sein.
Streng nach dem Wortlaut des § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB muss die Verbindung
der Anlage mit dem Grundstück „in Ausübung eines Rechts“ erfolgen. Dazu muss
die Dienstbarkeit eingetragen sein, bevor die Anlage auf dem Grundstück errichtet
wird.
Ursprünglich und wohl immer noch überwiegend wird in Rechtsprechung und
Schrifttum verlangt, dass bei der Errichtung der Anlage das dingliche Recht bereits
eingetragen war.196
Von einigen Oberlandesgerichten197 wird es mittlerweile als ausreichend
erachtet, wenn zum Zeitpunkt der Anlagenerrichtung die notarielle Bewilligung der
Bestellung der Dienstbarkeit vorlag. Da zudem unterschiedliche Ansichten darüber
bestehen, ob es bereits durch die Fundamentsetzung oder erst durch die Errichtung
der Anlage zur Verbindung mit dem Grundstück kommt, sollte die Eintragung ins

196
BGH, Urteil vom 20.10.1999, Aktenzeichen VIII ZR 335/98; anders OVG NRW BRS 63 Nr.
150 (2000); Reese und Hampel (2009), S. 175 m. w. N.
197
OLG Koblenz, Urteil vom 21.09.2006, Aktenzeichen 5 U 738/06; OVG NRW BRS 63 Nr. 150
(2000).
164 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Grundbuch bereits vor der Fundamentsetzung erfolgen. Andernfalls besteht bei


einem Rechtsstreit jedenfalls ein erhebliches Risiko.
Nach neuerer Rechtsprechung198 soll es auf die Eintragung eines Rechts zur
Errichtung und zum Betrieb der Anlage nicht mehr ankommen, wenn der Grund-
stückseigentümer in einem schuldrechtlichen Vertrag der Eintragung einer
beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugestimmt hat. Manche Gerichte lassen
auch eine nachträgliche Eintragung der Dienstbarkeit zu, um eine Verbindung
„in Ausübung eines Rechts“ nachträglich herzustellen.199 In diesem Fall käme es
wesentlich auf die Wirksamkeit der Pachtverträge mit den Grundstückseigentümern
an.
Das Risiko eines Eigentumsverlustes bleibt bis zu einer abschließenden höchst-
richterlichen Klärung bestehen und sollte durch entsprechende Sorgfalt und Kon-
trolle in der Phase der Projektentwicklung und durch Prüfung bewältigt werden.
Insbesondere sollten Klauseln zur Scheinbestandteilseigenschaft im Pachtvertrag
enthalten sein und vorsorglich eine Rückübereignung im Falle der gesetzlichen Ver-
bindung der Anlage mit dem Grundstück vereinbart werden.200
Erfolgt die Eintragung zu spät, fällt das Eigentum an der Biogasanlage mit
der Errichtung an den Grundstückseigentümer. Es besteht dann das Risiko, dass
der Grundstückseigentümer über die Anlage verfügt. Es besteht insbesondere ein
Risiko, wenn Dritte in das Eigentum des Grundstückseigentümers die Zwangsvoll-
streckung betreiben.
In dem Fall der Verbindung der Biogasanlage als wesentlicher Bestandteil
mit dem Grundstück entfällt auch die Möglichkeit, wirksam Sicherungseigentum
an der Biogasanlage zu begründen. Um die Finanzierung des Projektes nicht zu
gefährden, sollte ein wesentliches Augenmerk auf die rechtzeitige Eintragung einer
beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gerichtet werden. Gegenüber dem Notar
und dem Grundbuchamt sollte die Dringlichkeit der Eintragung kommuniziert
werden.
Der Verlust des Eigentums an der Biogasanlage durch Verbindung mit dem
Grundstück kann rechtssicher verhindert werden. Dafür ist vor der Fundamentset-
zung eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in das Grundbuch einzutragen.

3.3.7.3 Risiken für den Bestand der Genehmigung durch


Betreiberwechsel
Die Behörde kann eine Genehmigung für den Betrieb einer Biogasanlage unter den
Voraussetzungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes widerrufen. Eine immis-
sionsschutzrechtliche Genehmigung kann nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 Bundesimmis-
sionsschutzgesetz (BImSchG) unter anderem dann widerrufen werden, wenn die
Genehmigungsbehörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt
wäre, die Genehmigung nicht zu erteilen.

198
OLG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.06.2009, Aktenzeichen 5 U 102/08.
199
OLG Schleswig, Urteil vom 26.05.2005, Aktenzeichen 14 U 9/05.
200
Zur vertraglichen Sicherung des Eigentums an einer Biogasanlage s. Abschn. 3.3.1.3.
3.3  Realisierung von Biogas-Projekten aus Sicht des Legal Advisers 165

Die Genehmigung sollte deshalb im Falle einer Übernahme der gesamten


Biogasanlage oder dem Eintritt in die Gesellschaft genau geprüft werden. Wurde
die Genehmigung als eine für eine im Außenbereich privilegierte Anlage erteilt,
muss geprüft werden, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6
BauGB in der jeweils anwendbaren Fassung noch vorliegen. Anderenfalls entfällt
die bauplanungsrechtliche Privilegierung der Anlage (Peine et al. 2009, S. 119).201
Der Betreiber der privilegierten Tierhaltung oder Landwirtschaft im Außen-
bereich soll auch bei nachträglichem Eintritt von Investoren in das Projekt noch
maßgeblichen Einfluss auf die Biogasanlage haben. Die Anforderungen des § 35
Abs. 1 Nr. 6 BauGB werden in der Praxis unterschiedlich beurteilt. Es bestehen
differenzierte Ansichten dazu in den einzelnen Bundesländern. Der jeweils aktuelle
Stand der Rechtsprechung und die Anwendbarkeit von Landesverwaltungsvor-
schriften sind deshalb im Einzelfall zu prüfen. Unterschiedlich wird insbesondere
beurteilt, ob der maßgebliche Einfluss des Landwirts auch ohne dessen Beteiligung
an der Betreibergesellschaft begründet werden kann.202 So lange keine höchst-
richterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage existiert,
ob vertragliche Bindungen allein den maßgeblichen Einfluss begründen können,
wird hier ein Spielraum bestehen.
Fehlt es nach dem Betreiberwechsel an dem maßgeblichen Einfluss, liegt eine
Nutzungsänderung im Sinne der jeweiligen Landesbauordnung vor. Diese führt zu
einer baurechtlich formellen Illegalität der Anlage. Eine immissionsschutzrechtliche
Nutzungsänderung liegt nicht vor, da eine Änderung der bauplanungsrechtlichen
Belange nicht zu einer wesentlichen Änderung der Anlage i. S. d. § 16 Abs. 1 Satz 1
BImSchG führt. Um die formelle baurechtliche Illegalität der Anlage rechtssicher
zu beseitigen, ist eine nachträgliche Genehmigung der Nutzungsänderung zu bean-
tragen. Die Anlage muss dann die Bestimmungen des aktuellen Rechts einhalten. Es
besteht die Gefahr der Rücknahme der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.

3.3.8 Schlussfolgerung und Empfehlungen

Nach unserer Erfahrung sind die Risiken bei einer Investition in Biogasprojekte
beherrschbar. Oft lassen sich Fehler nachträglich beheben – mit einem erheblichen
Mehraufwand an Zeit und Geld. Die typischen Fallstricke sollten die Projektbetei-
ligten deshalb schon bei der Umsetzung von Biogasprojekten vermeiden.
Vorsicht ist geboten hinsichtlich der ungeprüften Übernahme von Vertragsmustern,
weil diese rechtlich fehlerhaft oder veraltet sein und nicht die Besonderheiten des
Einzelfalls berücksichtigen können. Mit einem juristisch optimierten Projekt steigt
der wirtschaftliche Wert und es schwinden die Unsicherheiten der Umsetzung über
die gesamte Dauer des geplanten Anlagenbetriebes.

Vgl. BVerwG BauR 2003, 1022.


201

VG Stade, Urteil vom 9.12.2008, Aktenzeichen 2 A 1457/07; Ministerium für Infrastruktur


202

und Raumordnung des Landes Brandenburg, Zulässigkeit von Biomasseanlagen, November 2008,
S. 10; Erlass des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Hol-
stein vom 26.09.2007.
166 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Entscheidend ist, dass jeder einzelne Aspekt des gesamten Biogasprojektes sorg-
fältig geprüft und bearbeitet wird. Im Gegensatz zu Wind- oder Solarparks können
nicht Teile als nicht umsetzbar abgetrennt werden, ohne dass mehr als ein rein wirt-
schaftlicher Schaden für das Gesamtprojekt entsteht. Vergleichbar einem Mosaik
ist ein Biogasprojekt nur wirtschaftlich erfolgreich, wenn alle „Mosaiksteine“
vorhanden sind und zueinander passen. Treten in einem Bereich Probleme oder
Verzögerungen auf, so müssen daneben alle anderen „Mosaiksteine“ parallel mit
gleichbleibender Intensität weiter bearbeitet werden. Dass dies oft verkannt wird,
zeigt sich daran, dass es Mandanten in der Praxis immer wieder gelingt, günstig
werthaltige Projektrechte oder sogar fast fertige Anlagen aus gescheiterten Pro-
jekten zu übernehmen.
Bei den von uns von Anfang an begleiteten Projekten sind nachträglich noch
nie Probleme aufgetreten, die dazu geführt hätten, dass die Investoren ihre Ent-
scheidung bereut haben.

3.4 Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit


unterschiedlicher Biomassepfade

Dr. Swantje Eigner-Thiel, Prof. Dr. Jutta Geldermann,


Meike Schmehl
3.4.1 Hintergrund

Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung soll sicherstellen, dass nicht nur
die Bedürfnisse der heutigen, sondern auch diejenigen künftiger Generationen
befriedigt werden können (vgl. United Nations 1987). Als Sinnbild, das ver-
schiedene Aspekte der Nachhaltigkeit vereint, werden das Nachhaltigkeitsdreieck
oder das Drei-Säulen-Modell verwendet, die den Prinzipien Ökologie, Ökonomie
und Soziales Rechnung tragen.
So spielen neben den in diesem Buch zahlreich beschriebenen Aspekten aus
Technik, Recht und Wirtschaft insbesondere auch ökologische und soziale Aspekte
eine wichtige Rolle für die Beurteilung der Nachhaltigkeit von Biogasvorhaben und
anderen innovativen Konzepten der energetischen Biomassenutzung.
Die energetische Nutzung von Biomasse kann durch die Form des Anbaus (bei-
spielsweise konventionell vs. ökologisch) und die Art des Substratinputs (beispiels-
weise Triticale- oder Roggen-Ganzpflanzensilage, Maissilage, Ackergrassilage,
Gülle) Auswirkungen auf ökologische Aspekte wie Bodenqualität, Wasser, Klima
oder Artenvielfalt haben. Auch der nötige Flächenbedarf kann von diesen Faktoren
abhängig variieren.
Die Nutzung von Biomasse hat ökonomische Auswirkungen zum einen für
einzelne Landwirte, die sich als Energiewirte ein weiteres Standbein neben der
Futter- und Nahrungsmittelproduktion sichern können. Zum anderen können
Wärmekunden profitieren, wenn sie günstigere Tarife für die Abwärme der
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 167

Biogaserzeugung als aus der zentralen Bereitstellung aus fossilen Energieträgern


nutzen können. Zudem wird die Unabhängigkeit von Importen aus politisch
potenziell instabilen Regionen positiv gesehen. Darüber hinaus kann die Biogas-
erzeugung auch für die Region aufgrund der Vergabe von Ingenieursleistungen und
Bauaufträgen, Notar- und Steuerberatereinnahmen von solchen Projekten vorteil-
haft sein.
Oft werden bei der Betrachtung von Bioenergieprojekten soziale Aspekte ver-
nachlässigt: Menschen müssen sich im Zuge des Baus von Biogasanlagen mit der
Ästhetik veränderter Landschaftsbilder, bedingt unter anderem durch den Anbau der
Energiepflanzen, auseinandersetzen, denn plötzlich entstehen z. B. vermehrt Mais-
monokulturen, wenn nicht auf heterogenere Fruchtfolgen gesetzt wird. Sie haben Vor-
urteile bezüglich entstehender Gerüche oder befürchten Lärmbelästigungen durch
den Transport und die Produktionsanlagen. Diese Aspekte können die Akzeptanz
von Bioenergieanlagen erheblich beeinflussen. Auf der anderen Seite kann sich
das Einbeziehen der Menschen durch Beteiligung an der Planung dieser Anlagen
wiederum positiv auf diese auswirken, wie in diesem Abschnitt beschrieben wird.
Dabei wird deutlich, wie komplex mögliche Auswirkungen der Biomassenutzung
sein können. Vor dem Hintergrund der großen Anzahl unterschiedlicher Formen der
Biomassenutzung, die heutzutage bereits existieren, werden in diesem Abschnitt
drei verschiedene Formen der Biogasnutzung im Hinblick auf die sozialen Aspekte
betrachtet:
• eine Biogaseinzelanlage,
• das sog. „Bioenergiedorfkonzept“ (vgl. Ruppert et al. 2008) und
• eine Biogasgroßanlage.
Die Untersuchung der sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit ist ein wichtiger
Bestandteil eines Forschungsverbundprojekts am Interdisziplinären Zentrum für
Nachhaltige Entwicklung (IZNE) der Georg-August-Universität Göttingen mit
dem Titel „Nachhaltige Nutzung von Energie aus Biomasse im Spannungsfeld von
Klimaschutz, Landschaft und Gesellschaft“, das vom Ministerium für Wissenschaft
und Kultur Niedersachsen seit 2009 gefördert wird. Ziel der sechs größeren Teil-
projekte dieses Forschungsverbundes ist es, die gesellschaftlichen und natürlichen
Veränderungen, die mit der vermehrten energetischen Nutzung von Biomasse ver-
bunden sind, zu untersuchen und modellhaft zu begleiten. Dazu wird unter anderem
die Umsetzung eines integrativen Energiepflanzenbaus, in dem Pflanzenerträge
unter Beachtung von bodenschonenden Fruchtfolgen, aber auch von Natur und
Umwelt optimiert werden, erforscht. Der Anbau soll konsensorientiert erfolgen,
indem die Belange der Bevölkerung, der Landwirte wie auch der Naturschützer
in Workshops zu neuen Bioenergieregionen in Niedersachsen zusammengeführt
werden203.

203
Zusätzlich sollen bioenergetische Nutzungskonzepte für kontaminierte Standorte entwickelt
und die insgesamt sehr großen energetischen Potenziale von Holz und Stroh in das Gesamtkonzept
integriert werden. Um die Umweltverträglichkeit der Holz- und Strohverbrennung in kleinen wie
in großen Anlagen einschätzen zu können, werden die dabei freigesetzten Elemente und organische
Stoffe analysiert und bewertet. Aufbauend auf den Erfahrungen aus dem Bioenergiedorf Jühnde
werden Variationen kalkuliert, wie möglichst kostengünstig weitere Bioenergiedörfer realisiert
168 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Um verschiedene Formen der Biomassenutzung miteinander vergleichen und für


konkrete Dörfer oder Regionen eine Entscheidungsunterstützung zu bieten, wird eine
multikriterielle Analyse, eine Methode des Operations Research (der angewandten
Mathematik) für die Bewertungsmethode vorgeschlagen. Diese Methode der
Mehrzielentscheidungsunterstützung (englisch: Multi Criteria Decision Analysis,
MCDA) eignet sich insbesondere für die Beurteilung von Umweltschutztechniken
und Energieversorgungskonzepten (vgl. Geldermann et al. 1999; Geldermann und
Rentz 2005; Geldermann 2006; Oberschmidt et al. 2010).
Bei der Einschätzung unterschiedlicher Biomassenutzungspfade in Bezug
auf ihre Nachhaltigkeit spielen zahlreiche, z. T. gegenläufige, Zielsetzungen und
Kriterien eine Rolle. In den meisten praktischen Entscheidungssituationen existiert
keine dominierende Alternative, die im Vergleich zu allen übrigen Alternativen
sämtliche Zielkriterien nachhaltiger Entwicklung am besten erfüllt und daher
von allen Entscheidern (wie Bürgermeistern, Landwirten, Verwaltungen …)
gewählt würde. Stattdessen weisen die meisten Alternativen sowohl Stärken als
auch Schwächen auf, die gegeneinander abzuwägen sind. Bei diesem Prozess der
Informationsverdichtung sind jedoch sehr viele Aspekte zu beachten, so dass der
„gesunde Menschenverstand“ hiermit schnell überfordert ist (Miller 1956, Dörner
2003, Vester 2003).
Der konkrete Prozess der Bewertung und der Entscheidungsfindung kann durch
den Einsatz von Methoden der Mehrzielentscheidungsunterstützung transparent
begleitet, strukturiert und dokumentiert werden (Buchholz et al. 2009; Oberschmidt
et al. 2010). Als Ergebnisse werden Nutz- bzw. Präferenzwerte für alle Konzepte
berechnet, anhand derer die Nachhaltigkeit der Alternativen beurteilt werden kann.
In diesem Abschnitt steht weniger der Ablauf einer kompletten Mehrzielent-
scheidungsunterstützung zur Auswahl geeigneter Bioenergiedorfkonzepte im Vor-
dergrund. Vielmehr liegt der Fokus auf der Auswahl geeigneter Kriterien, mit deren
Hilfe die Vorteilhaftigkeit bzw. der Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung
durch eine energetische Biomassenutzung bewertet werden kann. Ein besonderer
Schwerpunkt ist dabei die Darstellung und Begründung der sozialen Kriterien, die
bislang in Theorie und Praxis bei der Bewertung von Biogasanlagen nur wenig
fundiert berücksichtigt wurden. Dazu werden im Folgenden die Definitionen der
Nachhaltigkeit rekapituliert. Darauf aufbauend wird eine Kriterienliste für die Beur-
teilung unterschiedlicher Biomassenutzungspfade beschrieben, wie sie zum einen
anhand der Erfahrungen mit Bioenergiedörfern, zum anderen aus der Literatur
erarbeitet wurde. Ausführlich werden die sozialen Kriterien im Hinblick auf eine
Bewertung der Nachhaltigkeit von energetischen Biomassenutzungskonzepten
erläutert. Abschließend verdeutlicht eine exemplarische Fallstudie die Anwendung
der sozialen Kriterien beim Vergleich einer Biogaseinzelanlage, eines Bioenergie-
dorfs sowie einer Biogasgroßanlage.

werden könnten. In der Summe werden aus der Vernetzung der Projektergebnisse Kriterien for-
muliert, um die ökologischen, ökonomischen, sozialen und technischen Auswirkungen unter-
schiedlicher Biomassenutzungskonzepte im Licht nachhaltiger Entwicklung bewerten zu können
und damit letztlich eine zukunftsorientierte energetische Nutzung der Biomasse zu verwirklichen,
welche auch die Nutzungskonkurrenzen berücksichtigt (www.bioenergie.uni-goettingen.de).
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 169

3.4.2 Nachhaltigkeitsverständnis

Zu einer zukunftsfähigen Entwicklung, die ein Leben auf dieser Erde dauerhaft
ermöglicht, gehört, dass die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt,
ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürf-
nisse befriedigen zu können (vgl. United Nations 1987). Diese Definition liegt den
meisten Nachhaltigkeitsverständnissen zu Grunde. Im Allgemeinen setzt sich der
Begriff der Nachhaltigkeit außerdem aus drei Komponenten zusammen, die als
Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit bezeichnet werden. Spätestens seit Ende der
80er-Jahre und der Umweltkonferenz in Rio 1992 wird die ökologische Krise als
globale Krise betrachtet, die nicht losgelöst von ihren sozialen und ökonomischen
Zusammenhängen betrachtet werden kann:
• Der ökologische Fokus von Nachhaltigkeit umfasst dabei die Zieldimension,
Natur und Umwelt für die nachfolgenden Generationen zu erhalten. Dies
beinhaltet den Erhalt der Artenvielfalt, den Klimaschutz, die Pflege von Kul-
tur- und Landschaftsräumen in ihrer ursprünglichen Gestalt sowie generell einen
schonenden Umgang mit der natürlichen Umgebung.
• Die ökonomischen Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung beinhalten die
Forderung, dass die Wirtschaftsweise dauerhaft eine tragfähige Grundlage für
Erwerb und Wohlstand bietet. Besonders wichtig ist dabei der Schutz wirt-
schaftlicher Ressourcen vor Ausbeutung.
• Unter dem sozialen Fokus der Nachhaltigkeit wird die Entwicklung der Gesell-
schaft als ein Weg verstanden, der die Beteiligung (Partizipation) für alle Mit-
glieder einer Gemeinschaft ermöglicht. Dies umfasst einen Ausgleich sozialer
Kräfte mit dem Ziel, eine auf Dauer zukunftsfähige, lebenswerte Gesellschaft
zu erreichen.
Eine nachhaltige Entwicklung betrifft verschiedene Betrachtungsebenen, kann
also lokal, regional, national oder global verwirklicht werden. Während aus öko-
logischer Perspektive vermehrt ein globaler Ansatz verfolgt wird, steht bezüg-
lich der wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit oft der nationale oder sogar
regionale Blickwinkel (nach dem Motto „think global, act local“) im Vordergrund.
Desgleichen wird für immer mehr Bereiche eine nachhaltige Entwicklung postuliert,
sei es für den individuellen Lebensstil oder für ganze Sektoren wie Mobilität
oder Energieversorgung bzw. noch spezieller für den Bereich der „energetischen
Biomassenutzung“. Für diese Bereiche werden zunehmend spezifische Indikatoren-
oder Kriteriensätze entwickelt, da diejenigen aus den umfassenden Sammlungen
für konkrete Anwendungen zu pauschal sind. Mit der Generierung spezieller
Bewertungskriterien für verschiedene Biomassenutzungspfade als einem möglichen
Betätigungsfeld zur Förderung nachhaltiger Entwicklung wird der These von
Gehrlein (2004) Rechnung getragen, der argumentiert, man könne bestehende
Nachhaltigkeitsindikatorensysteme durch Spezifizierung verbessern. Beispiels-
weise sollten die Indikatoren nach Funktionen, nach kommunalen Handlungs-
feldern und nach Adressaten sowie Orientierungen an (kommunal) vereinbarten
Zielen strukturiert werden. Im vorliegenden Abschnitt wird darauf eingegangen,
170 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

indem geeignete Bewertungskriterien für das Handlungsfeld „Bioenergie“ im kon-


kreten kommunalen Kontext identifiziert und konkretisiert werden.
In der Diskussion um das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung wird zwischen
starker und schwacher Nachhaltigkeit unterschieden. „Schwache Nachhaltig-
keit“ bedeutet, dass unterschiedliche Arten von „Kapital“ (aus den verschiedenen
Dimensionen) gegeneinander ersetzbar sind, d. h., dass beispielsweise Stärken im
ökonomischen Bereich Schwächen im ökologischen Bereich ausgleichen können.
Das Konzept der „starken Nachhaltigkeit“ hingegen lässt keine Substitution
zwischen verschiedenen Kapitalarten zu. So versteht auch der Sachverständigenrat
für Umweltfragen das Konzept der „dauerhaft umweltgerechten Entwicklung“ als
ein „ökologisch fokussiertes Konzept von (im Grundsatz starker) Nachhaltigkeit,
bei dem soziale und ökonomische Bezüge zu berücksichtigen sind“ (SRU 2002, vgl.
dazu auch Ott 2003). Diesem Verständnis, dass keine Dimension eine andere ersetzen
kann, hat sich die Gruppe des Forschungsprojekts „Biomasse im Spannungsfeld“
angeschlossen. Dies schlägt sich auch in der Aufstellung der Bewertungskriterien
nieder: Zur Bewertung der verschiedenen Biomassenutzungskonzepte soll die Glie-
derung der Kriterien nach den klassischen drei oben genannten Nachhaltigkeits-
dimensionen vorgenommen werden, weil so auf sinnvolle Weise eine übersicht-
liche Strukturierung erreicht werden kann. Dabei werden die drei Dimensionen
nicht als isolierte Säulen voneinander betrachtet, sondern als zusammenwirkende
Dimensionen (vgl. auch von Hauff & Kleine 2009). Kritisch zu untersuchen wird
sein, inwieweit Überschneidungen der Kriterien bewusst in Kauf zu nehmen sind
oder aber vermieden werden können. Ferner werden die Dimensionen von Öko-
logie, Ökonomie und Sozialem um die vierte Dimension „Technik“ ergänzt, da diese
in Bezug auf das spezielle Untersuchungsobjekt „Biomassenutzung“ ebenfalls eine
entscheidungsrelevante Rolle spielt.

3.4.3 Soziale Nachhaltigkeit

Im Folgenden wird dargelegt, welche Aspekte zur „sozialen Dimension“ der Nach-
haltigkeit gezählt werden und wie diese wiederum zusammenhängen.
Nachhaltigkeitsforschung verfolgt insgesamt eine integrative Perspektive. Der
Nachhaltigkeitsdiskurs in Deutschland war jedoch zunächst einseitig ökologisch
geprägt und erfuhr erst in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre des letzten Jahr-
hunderts eine stärkere Hinwendung zu sozialen und ökonomischen Problemlagen
(Weidner 1999). Diese Einseitigkeit führte dazu, dass primär ökologische Fragen
und Zielsetzungen bearbeitet wurden; ökonomische und soziale hingegen kaum
(Deutscher Bundestag 1998). Insbesondere im Bereich der Biomassenutzung
wurden soziale Aspekte bisher sehr wenig thematisiert (nähere Ausführungen dazu
im Abschn. 3.4.4.3).
Grundsätzlich verbirgt sich hinter dem Begriff der „Sozialen Nachhaltigkeit“ die
Erhaltung von sogenanntem „Sozialkapital“. Dazu gehören laut Goodland (2002)
Investitionen und Leistungen, die den grundlegenden Rahmen für die Gesellschaft
bilden: Bei einer angemessenen Berücksichtigung sozialer Nachhaltigkeit wird
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 171

die Bildung von Vertrauen erleichtert, indem die Kosten für Kooperation gesenkt
werden, was nur durch systematische Partizipation in der Gemeinschaft möglich ist.
Nach Goodland sind Aspekte wie der Zusammenhalt einer Gemeinschaft, die Ver-
bundenheit zwischen Gruppen und einzelnen Menschen, gegenseitiger Austausch,
Toleranz, Mitgefühl, Geduld, Nachsichtigkeit, Kameradschaft, Liebe, gemeinhin
akzeptierte Standards von Ehrlichkeit, Disziplin und Ethik sowie gemeinschaftlich
geteilte Regeln, Gesetze und eine gemeinsame Ethik wesentliche soziale Aspekte
für eine nachhaltige Entwicklung einer Gesellschaft. Ergänzt werden diese Aspekte
um Gedanken von Brandl (2002), der eine selbstbestimmte Lebensführung als
wesentlich erachtet. Diese erfordere die Befriedigung materieller Grundbedürfnisse
in den Bereichen Nahrung, Wohnen, Kleidung, Mobilität und Information sowie
die Sicherung physischer und psychischer Gesundheit und die Möglichkeit lebens-
langer Lernprozesse. Anknüpfend an den Aspekt der Partizipation benennt Brandl
außerdem die Notwendigkeit der Möglichkeit persönlicher Entfaltung und aktiver
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben als Voraussetzungen für die Erfüllung der
sozialen Kriterien einer Nachhaltigen Entwicklung.
Nun gilt es, diese Aspekte bei der Beurteilung der sozialen Nachhaltigkeit von
Biogasanlagen zu berücksichtigen. Dazu sind die entscheidungsrelevanten Sach-
verhalte zum einen zu identifizieren und zum anderen zu quantifizieren.
Die Dimension der sozialen Komponente einer nachhaltigen Entwicklung und
die Beschreibung der sozialen Kriterien sollen in diesem Artikel im Vordergrund
stehen, gleichwohl auch die anderen Dimensionen in ihrer Bedeutung für die
Biomassenutzung einführend kurz skizziert werden und im Gesamtbewertungspro-
zess der Biomassepfade eine ebenso wichtige Rolle spielen. Die sozialen Aspekte im
Zusammenhang mit der Biomassenutzung wurden jedoch bisher in der Forschung
relativ wenig beleuchtet und von Praktikern kaum bis zur Anwendung konkretisiert
(Ausnahmen s. Abschn. 3.4.4.3), weshalb in diesem Fall hier der beschriebene
Schwerpunkt gesetzt wird.

3.4.4 Kriterienentwicklung zur Bewertung der Nachhaltigkeit


unterschiedlicher Biomassepfade

3.4.4.1 Grundsätzliche Aspekte der Kriterienentwicklung


Um die Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassenutzungspfade miteinander ver-
gleichen zu können, müssen Kriterien entwickelt werden, die sich speziell auf die
Biomassenutzung beziehen.
Die Kriteriensammlung für das Forschungsprojekt „Biomasse im Spannungsfeld“
wurde einerseits top down aus der Sichtung bereits vorhandener Indikatorensätze
durchgeführt. Zum anderen wurden Kriterien ergänzend bottom up in dem Sinne
gesammelt, indem von den zu vergleichenden Biomassealternativen ausgegangen
und geprüft wurde, anhand welcher Kriterien diese überhaupt sinnvoll unterscheid-
bar wären und welche Kriterien aus der Sicht verschiedener Experten hier über-
haupt eine Rolle spielen sollten. Quellen für die Top-down-Zusammenstellung der
im Folgenden darzustellenden Kriterien waren Hoffmann (2007), Breitschuh et al.
172 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

(2008), WBGU (2008), UNCSD (2001) und Gamba (2008), die z. T. modifiziert, an
die Bedingungen der Biomassenutzung angepasst und aus eigenen Überlegungen
heraus ergänzt wurden. Die letztlich gewählten Kriterien mussten folgende
Bedingungen erfüllen:
1. Sie durften sich nicht überlappen, d. h. Redundanzen sollten vermieden werden;
2. sie mussten zwischen verschiedenen Biomassepfaden differenzieren, d. h.,
ein Kriterium wie „Vermeidung von Kinderarbeit“ war nicht relevant, da in
Deutschland grundsätzlich keine Kinderarbeit existiert und zwar bei keiner der
betrachteten Biomassealternativen;
3. die Kriterien dürfen bei der MCDA grundsätzlich auch qualitative Aspekte
beleuchten, d. h. die Daten können auch unterschiedliche Maßeinheiten haben,
solange diese zumindest auf einem ordinalen Skalenniveau abbildbar sind: Ein
ökologisches Kriterium kann einen Wert wie „54,0 g CO2-Äquivalente pro
Jahr“ annehmen, während ein soziales Kriterium z. B. einen Mittelwert von 3,6
Akzeptanzpunkte auf einer Skala von 0 bis 5 erreichen kann. Beide Werte können
mit Hilfe von MCDA-Methoden miteinander vergleichbar gemacht werden.
Es gibt einige wenige Ansätze, mit denen Nachhaltigkeitskriterien speziell für
die Biomassenutzung aufgestellt worden sind. Dazu gehören z. B. van Dam et al.
(2008), die verschiedene Biomassezertifizierungssysteme gegenübergestellt, oder
Lewandowski und Faaji (2004), die im Rahmen des sogenannten „fair biotrade pro-
ject“ spezielle Kriterien für die Niederlande aufgestellt haben. Fritsche et al. (2010)
haben einen Nachhaltigkeitsstandard zur Zertifizierung von Biomasse für den
internationalen Handel aufgestellt. Jedoch gibt es keine Bewertungssysteme für den
Biomassebereich, die speziell für bestimmte deutsche Regionen aufgestellt wurden
und es gibt zudem kaum einen Ansatz, in dem konkrete soziale Aspekte berück-
sichtigt werden, die auch zwischen den lokal in Deutschland nutzbaren Konzepten
unterscheiden. So wird für die soziale Dimension maximal davon gesprochen,
„Arbeitsbedingungen sollten human sein“ oder „Menschenrechte müssen einge-
halten werden“ – was in Deutschland grundsätzlich der Fall sein und sich somit bei
unterschiedlichen Nutzungspfaden in einer deutschen Region nicht unterscheiden
sollte. Weiter differenziert werden soziale Kriterien in Bezug auf Biomassenutzung
bei den vorliegenden Ansätzen jedoch nicht. Diese Differenzierung der sozialen
Kriterien wird mit dem hier beschriebenen Ansatz realisiert.

3.4.4.2 Ökologische, ökonomische und technische Kriterien


Bevor ausführlich auf die sozialen Kriterien eingegangen wird, werden der Voll-
ständigkeit halber auch die ökologischen, die ökonomischen und die technischen
Kriterien kompakt vorgestellt, die im Projektteam für die Bewertung von Bioener-
giedorfkonzepten erarbeitet wurden (vgl. Eigner-Thiel et al. 2012). Dabei handelt
es sich um eine vorläufige Sammlung der entscheidungsrelevanten Kriterien, die
jedoch erst beim Vorliegen aller aussagekräftigen Kennzahlen einer abschließenden
Validierung unterzogen werden können.
Ökologische Kriterien. Als Ausgangspunkt für die Beurteilung der öko-
logischen Vorteilhaftigkeit von Biogasanlagen können Ökobilanzen (englisch Life
Cycle Assessment, LCA) herangezogen werden. Ziel einer Ökobilanz ist es, die
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 173

Umweltbelastungen, die durch Produkte oder Prozesse auf deren „Lebensweg“


von der Produktion bis zur Entsorgung entstehen, darzustellen und die damit ver-
bundenen potenziellen Auswirkungen solcher Umwelteinflüsse auf die Umwelt-
medien Luft, Boden und Wasser zu analysieren. Die ökologischen Kriterien wurden
unter Beteiligung von Geowissenschaftlern, Biologen, Nutzpflanzenkundlern und
Agrarwissenschaftlern zusammengestellt und diskutiert. Vorläufiges Ergebnis
ist eine Liste aus 20 Kriterien auf der untersten Ebene (Attributen), die sich fünf
Oberkategorien zuordnen lassen. Die identifizierten Kriterien werden im Folgenden
kurz genannt. Ferner wird angegeben, ob die Zielrichtung eine Minimierung
(=> MIN) wie bei Emissionen oder eine Maximierung (=> wie beim Bodenbe-
deckungsgrad) ist.
1. Luft und Klima: Zur Oberkategorie „Schutz des Klimas und der Luft“ zählen die
Attribute „Treibhauspotenzial“ als Indikator des durch die Bioenergie potenziell
verursachten Klimawandels (CO2-Äquivalente => MIN), „toxische Substanzen“
(Feinstaubmenge => MIN, „Menge organischer Schadstoffe“ => MIN, Menge
anorganischer Schadstoffe => MIN) und die „Versauerung“ (Versauerungs-
potenzial => MIN).
2. Wasser: Den Wasserschutz beschreiben zwei Indikatoren: Zum einen die durch
den Anbau von Energiepflanzen direkt oder indirekt hervorgerufene „aquatische
Eutrophierung“ (Menge applizierten Stickstoffdüngers => MIN) und zum
anderen der „Eintrag toxischer Substanzen“ (Menge applizierter Pestizide
=> MIN).
3. Boden: Der Boden ist zum einen durch „Erosion“ gefährdet (Bodenbear-
beitungsklasse => MIN, jährlicher Bodenbedeckungsgrad => MAX), zum
anderen auch durch „Eutrophierung“ (terrestrisches Eutrophierungspotenzial
=> MIN) und „toxische Substanzen“ (Schadstoffanreicherung => MIN, Schad-
stoffmobilisierung => MIN).
4. Ressourcenschutz: Wichtig für den Erhalt von Ressourcen ist der zu minimierende
„Energieverbrauch“ (kumulierter Energieverbrauch => MIN, benötigte Roh-
öläquivalente => MIN), der „Verbrauch von Mineralien“ für Herstellung von
Dünger (Phosphaterzmenge => MIN), der „Flächenverbrauch“ (=> MIN) und
der „Wasserbedarf“ für die Bewässerung der Energiepflanzen (=> MIN).
5. Schutz der Biodiversität: Zum Erhalt der Artenvielfalt spielt die „Kultur-
artenanzahl“ eine Rolle (Menge unterschiedlicher Sorten => MAX), dazu die
„Verwendung synthetischer Pestizide“ (Pestizidmenge => MIN) und die „Ver-
wendung synthetischer Düngemittel“ (Düngemittelmenge => MIN).
Ökonomische Kriterien. Die ökonomischen Kriterien wurden gemeinsam
mit Betriebswirtschaftlern, Wirtschaftsingenieuren und Agrarwissenschaftlern
zusammengestellt. Vorläufiges Ergebnis ist eine Liste aus 13 Kriterien, die sich
wiederum fünf Oberkategorien zuordnen lassen. Bei den ökonomischen Kriterien
wird die Gegenläufigkeit der Ziele besonders deutlich: Kriterien, die aus Sicht der
einen Interessengruppe minimiert werden sollten, sind aus Sicht einer anderen
Interessengruppe zu maximieren. Ein Beispiel sind die Rohstoffpreise für die
Energiepflanzen: Aus Sicht der Betreibergesellschaft und für die Wärmekunden
sollten diese möglichst niedrig sein; aus Sicht der Landwirte möglichst hoch. Ein
174 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

interessanter Interessenskonflikt kann sich in Bioenergiedörfern ergeben, wenn


Landwirte im Extremfall drei Rollen haben: als Erzeuger von Energiepflanzen
mit einem Interesse an hohen Erlösen, als Wärmekunden mit einem Interesse an
möglichst günstiger Wärmeversorgung, sowie aus Sicht der Genossen der Betrei-
bergesellschaft mit einem Interesse an günstigen Bezugspreisen für die Biomasse.
Im Folgenden sind die ökonomischen Kriterien nach Interessengruppe auf-
geführt. Diese Aufstellung greift weiter als die meist übliche Berücksichtigung
von ökonomischen Kriterien von Umweltschutzkonzepten, die im Wesentlichen
zwischen Investitionen und Betriebskosten unterscheiden.
1. Betreibergesellschaft: Aus Sicht der Betreibergesellschaft spielt der Kapitalwert,
also sämtliche abgezinsten Aus- und Einzahlungen einer Investitionsmaßnahme,
eine wichtige Rolle (=> MAX), aber auch die Länge der Lieferverträge mit den
Landwirten (=> MAX).
2. Wärmekunden: Die Wärmekunden sind an einer möglichst günstigen Wär-
meversorgung interessiert (Wärmepreispaket => MIN, Mindesteinlage in die
Betreibergesellschaft => MIN, Anschluss- und Umstellungskosten => MIN).
3. Arbeitnehmer: Die Möglichkeit einer Gewinnbeteiligung (=> ja/MAX) und die
Möglichkeit, dass zusätzliche Honorarkräfte auf den Anlagen arbeiten können
(=> ja/MAX), sind hier anzustreben. Aspekte wie „Höhe des Gehaltes“ oder
„Urlaubstage“ differenzieren in Deutschland nicht oder kaum zwischen ver-
schiedenen Anlagentypen und werden daher im Forschungsprojekt „Biomasse
im Spannungsfeld“ nicht weiter berücksichtigt.
4. Landwirte: Die Rohstoffpreise sollten aus Sicht der Landwirte möglichst hoch
sein (=> MAX), ebenso die Vertragslänge (=> MAX). Da der Anbau von Ener-
giepflanzen durch den Flächenverbrauch zu einem Anstieg der Pachtpreise
führen kann, sollte die Gesamtfläche für den Anbau von Energiepflanzen aus der
Sicht eines einzelnen Landwirts möglichst gering bleiben (Anteil Fläche Bio-
energie => MIN).
5. Region: Eine wichtige Rolle für die Region spielen regionale Investitionen
durch den Bau von Bioenergieanlagen (=> MAX). Dazu zählen Aufträge für
Ingenieure sowie das örtliche Handwerk und das Baugewerbe. Hinzu kommen
Einnahmen für die Region durch Wartungs- und Reparaturarbeiten, Kosten für
Notar und Steuerberater, Versicherungen sowie Gelder, die an die Landwirte
fließen (=> MAX). Außerdem generiert der Betrieb der Bioenergieanlagen
Steuereinnahmen (=> MAX).
Technische Kriterien. Die technischen Kriterien wurden gemeinsam mit
Naturwissenschaftlern sowie in Abstimmung mit technischen Experten formuliert.
Das vorläufige Ergebnis benennt elf Kriterien zu dieser Liste, die sich wiederum in
fünf Oberkategorien zählen lassen.
1. Anlageneffizienz. Ein Aspekt der Effizienz ist der Wirkungsgrad der Anlagen
(=> MAX). Dazu kommen die Standzeiten der Anlage, die anfallen, wenn
Reparaturarbeiten nötig sind (=> MIN) und die Anlagenhaltbarkeit (=> MAX).
Wenn die (Abfall-)Wärme genutzt wird (=> MAX), erhöht dies ebenfalls die
Effizienz und wenn die Anlage aus mehreren Modulen aufgebaut ist, erhöht dies
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 175

auch die Effizienz, weil bei einem Ausfall die Reparaturarbeiten schneller und
kostengünstiger zu erledigen sind.
2. Arbeitssicherheit. Je höher die Arbeitssicherheit in der Bioenergieanlage
(=> MAX), desto besser.
3. Umweltfreundlichkeit der Materialien. Je höher der Prozentsatz an Materialien,
die recycelbar fähig sind (=> MAX), desto besser im Sinne einer Nachhaltigen
Entwicklung.
4. Transportaktivitäten. Biomasse muss vom Feld zu den Anlagen transportiert
werden und der Gärrest wieder zurück auf den Acker. Hierzu werden meist
Traktoren mit Anhänger oder spezielle Lastwagen eingesetzt. Relevant ist hier
die Häufigkeit, mit der diese pro Woche fahren (=> MIN), da mit dem Transport
Lärm und Energieverbrauch verbunden sind, der Zeitpunkt der Fahrten (tagsüber
wird besser beurteilt als nachts) sowie die Art der Transportmittel: Je größer
dieses ist, desto leichter werden Zufahrtswege beschädigt (Größe => MIN).
5. Verwaltungsaufwand. Je nach Anlagengröße unterscheiden sich die
Biomassepfade in ihrem Verwaltungsaufwand in der Genehmigungsphase. Je
kürzer diese Phase rein zeitlich gesehen dauert (=> MIN), desto günstiger ist die
Wirkung auf die Planung der Anlage.
Ausführlicher erläutert sind die ökologischen, ökonomischen und technischen
Kriterien in Eigner-Thiel et al. (in Vorbereitung).

3.4.4.3 Soziale Kriterien


Nachdem die bei der Bewertung zu berücksichtigenden ökologischen, öko-
nomischen und technischen Kriterien zusammenfassend aufgezählt wurden, wird
nun die Auswahl der sozialen Kriterien ausführlich hergeleitet und begründet. Der
bekannteste derzeit existierende weltweit benutzte Kriterienkatalog, in dem auch
soziale Kriterien aufgelistet werden, ist derjenige der „Commission for Sustainable
Development“ (CSD 1996). In dieser Kommission haben über hundert Experten
von 1995 bis 2000 zunächst 134 Indikatoren für die Messung einer Nachhaltigen
Entwicklung aufgestellt. Diese wurden in 22 Ländern getestet und die Liste wurde
letztlich auf 58 zentrale Indikatoren gekürzt. Diese sind in die vier Bereiche
„sozial“, „Umwelt“, „Wirtschaft“ und „institutionell“ untergliedert. Davon betreffen
19 Attribute den Bereich der sozialen Kriterien, die sich wiederum zusammenfassen
lassen in die sechs Oberkategorien Gleichheit, Gesundheit, Bildung, Wohnung,
Sicherheit, Bevölkerung (UNCSD 2001).
Ähnliche soziale Kategorien werden im neuesten Nachhaltigkeitsstandard
zur Zertifizierung von Biomasse für den internationalen Handel von Fritsche
et al. (2010) genannt: Hier wird zwar betont, dass auch soziale Indikatoren eine
wichtige Rolle bei der Bewertung der Nachhaltigkeit der Biomassenutzung spielen,
bei deren Konkretisierung wird jedoch vor allem auf Sozialstandards verwiesen,
die vom sogenannten „Roundtable on Sustainable Biofuels“ (RSB) für Biotreib-
stoffe elaboriert wurden. Spezifische übergeordnete soziale Indikatoren sind hier
beispielsweise: Beratung, Planung und Überwachung, Menschen- und Arbeits-
rechte, Ernährungssicherheit, Ländliche und soziale Entwicklung, Wirtschaftliche
Effizienz, Technologie und dauernde Verbesserung und Sicherung der Landrechte.
176 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Sowohl die von der UNCSD (2001) als auch die von Fritsche et al. (2010) auf-
gelisteten Kriterien sind jedoch für die Bewertung der energetischen Biomassen-
utzung in Deutschland größtenteils ungeeignet, weil die meisten dieser genannten
sozialen Standards in Deutschland glücklicherweise erfüllt sind. Damit sind diese
Kriterien nicht entscheidungsrelevant, weil sie keine Unterscheidung von Biomasse-
Konzepten erlauben. Aus dem Grund wurden im Forschungsvorhaben „Biomasse
im Spannungsfeld“, ausgehend von den bekannten Indikatorenkatalogen, gemein-
sam mit Psychologen und Sozialwissenschaftlern andere, für Biomasse-Pfade in
Deutschland aussagekräftige soziale Kriterien erarbeitet.
Die sozialen Kriterien lassen sich in die vier Oberkategorien „Akzeptanz“, „Par-
tizipation“, „Psychologische Konsequenzen“ und „Arbeitsplätze“ unterteilen und
werden auf der untersten Ebene in 16 Attributen operationalisiert. Im Folgenden
werden diese spezifisch für die Biomassenutzung in Deutschland aufgestellten
sozialen Kriterien vorgestellt, erläutert und theoretisch begründet. Eine Übersicht
über die hierarchische Anordnung der Kriterien ist in Abb. 3.3 zu sehen.

Akzeptanz
„Akzeptanz“ stammt vom lateinischen „accipere“, was gutheißen, annehmen, bil-
ligen, anerkennen oder auch mit jemandem oder etwas einverstanden sein bedeutet.
Akzeptanz ist also die Bereitschaft, jemanden oder etwas, in diesem Fall die
energetische Biomassenutzung mit all seinen Facetten, zu akzeptieren. Akzeptanz
schließt die bewusste Entscheidung für eine Thematik ein. Nach Endruweit und
Trommsdorf (1989) ist Akzeptanz die „Eigenschaft einer Innovation, bei ihrer
Einführung positive Reaktionen der davon Betroffenen zu erreichen“. Betont wird
damit der Einführungsprozess, d. h. etwas Neues ist als akzeptiert zu betrachten,
wenn bei der Einführung zustimmend reagiert wird; nach dieser Definition gibt es
auf der anderen Seite keine (Nicht-)Akzeptanz von etwas Bestehendem. Hiermit
wird die Rolle der Akzeptanz vor allem in der Planungsphase von Bioenergie-
anlagen deutlich: Gerade zu diesem Zeitpunkt besteht die Notwendigkeit und die
Chance, die Akzeptanz verschiedener Aspekte zu fördern (vgl. dazu auch Stiehler
2010). Wichtig ist dabei aber, dass Akzeptanz nicht mit „Überstülpen“ gleichgesetzt
wird, sondern, wenn sie aktiv beeinflusst werden soll, eher als Überzeugungspro-
zess verstanden wird (für erfolgreiche Überzeugungsmethoden vgl. Eigner-Thiel
2011). Die Akzeptanz hängt mit der im folgenden Abschnitt beschriebenen Par-
tizipation (Beteiligung) zusammen: Nur wo Menschen beteiligt oder zumindest ernst
genommen werden, kann auch eine Akzeptanz entstehen. Mit der Berücksichtigung
von Akzeptanz wird auf Forderungen der Agenda 21 (Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1997) eingegangen, dass die Öffent-
lichkeit umfassend an der Entscheidungsfindung beteiligt wird. Um den Aspekt der
Akzeptanz bei der multikriteriellen Bewertung von Biomasse-Konzepten zu opera-
tionalisieren, werden vier Bereiche unterschieden:

Landschaftsästhetik
Anbaukonzepte bestehend aus den verschiedensten Kulturarten sind mit
unterschiedlicher Wahrnehmung in der Landschaft verbunden: Sie können bunt und
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 177

Abb. 3.3 Hierarchie der sozialen Kriterien zum Vergleich von Biogas-Vorhaben in Deutschland

ansprechend sein, wenn beispielsweise Wildkräuter toleriert werden, oder wenn der
Anbau von Sonnenblumen sich mit dem von Triticale abwechselt. Sie können auf
der anderen Seite aber auch eintönig wirken und die Menschen stören. So werden
etwa Maismonokulturen eventuell negativ bewertet, da neben dem monotonen
Landschaftsbild eine mögliche Auszehrung des Bodens oder Wildschweinplagen
befürchtet werden. Aus diesen Gründen haben sich bereits zahlreiche Bürger-
initiativen gegen Biogasanlagen gebildet (vgl. Fachverband Biogas e. V. 2010).
Wichtig ist, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Anbauformen von den Menschen
visuell wahrgenommen werden und Auswirkungen auf die Akzeptanz der gesamten
Biomassenutzungskette haben können. Eine Möglichkeit, damit umzugehen, ist die
transparente Kommunikation dieser Aspekte. Broggi (2002) stellte bei der Beant-
wortung der Frage „Welche Landschaft wollen wir?“ fest, dass fehlende oder
schlechte Kommunikation der Naturschützer mit der Bevölkerung oder Laien zu
fehlender Akzeptanz von Naturschutz führt. Dies lässt sich leicht auf die Bioenergie
übertragen. Denn faktisch betrug beispielsweise die gesamte Anbaufläche für Mais
im Nahrungsmittel-, Futtermittel und Energiebereich im Jahr 2010 2,3 Mio. ha. Dies
entspricht 19,4 % der gesamten Ackerfläche. Für die Produktion von Energiemais
wurden hiervon 0,5 Mio. ha (deutschlandweit im Durchschnitt 4 % der gesamten
Ackerfläche; regional kann dies jedoch variieren) benötigt (Fachverband Biogas
e. V. 2010). Eine Maßnahme gegen diese Erscheinungen ist beispielsweise der vom
178 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Fachverband Biogas ausgeschriebene Wettbewerb „Farbe ins Feld“. Hiermit wird an


die Biogasanlagenbetreiber appelliert, die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen
und zur Aussaat 2011 und den Folgejahren viele Blühstreifen am Rande von Ener-
giepflanzenfeldern anzulegen. Von den Wettbewerbsausschreibern wird betont, dass
dies neben ökologischen Vorteilen auch „die Akzeptanz der Öffentlichkeit für die
Energieerzeugung aus Biomasse“ fördere, indem die Blühstreifen auch das Land-
schaftsbild und den Erholungswert der Landschaft sowie die Lebensqualität der
Menschen beeinflussen. Mit der positiven Wahrnehmung der Blühstreifen gehe ein
„Imagegewinn für die gesamte Landwirtschaft“ einher, der dabei helfe, die „ange-
schlagene Akzeptanz für Biogas wieder zu verbessern“ (Fachverband Biogas e. V.
2010).
Im Forschungsvorhaben „Biomasse im Spannungsfeld“ wird die Akzeptanz
des Landschaftsbildes für die verschiedenen Biomassealternativen über einen
Fragebogen erhoben und über eine 5-Punkte-Skala operationalisiert. Je höher die
Akzeptanz – die sich durch eine höhere Punktezahl ausdrückt –, desto besser.

Anlagenästhetik
Für die Wahrnehmung der technischen Anlagen im Landschaftsbild gilt Ähnliches
wie für die Landschaftsästhetik. Oft existieren auch hier Bedenken bezüglich der
Erscheinung innerhalb des Dorfbildes. Verbunden hiermit ist die Frage des Stand-
ortes, der so ausgelotet werden sollte, dass neben den ökonomischen Bedingungen
auch die Akzeptanz der Bevölkerung sichergestellt ist. Indem die Menschen von
Anfang an am Planungsprozess beteiligt werden und kontinuierlich Transparenz
über den Planungsstand herrscht (vgl. Abschn. „Partizipation“), kann hier die
Akzeptanz erhöht werden.
Die Akzeptanz des äußeren Erscheinungsbilds der Biogasanlagen für die ver-
schiedenen energetischen Biomassenutzungskonzepte wird ebenfalls über einen
Fragebogen erhoben und über eine 5-Punkte-Skala operationalisiert. Je höher die
Akzeptanz – die sich durch eine höhere Punktezahl ausdrückt –, desto besser.

Wahrgenommener Geruch
Bei einer Biogasanlage können mehrere Geruchsquellen auftreten, nämlich bei
der Substratanlieferung und -lagerung, durch Leckagen und Verunreinigungen
(Sickerwasserpfützen aus Silagelagerung, Feststoffeinbringung, Substratreste auf
Fahrwegen), im Fermenter (Überdrucksicherung bei zu hoher Methanproduktion,
Ausfall Verbrennungsmotor, Leckagen), bei der Gärrestlagerung und -abfuhr (auch:
erhöhte Emissionen bei der Lagerung von nicht ausreichend vergorenem Substrat),
bei der Gärrestausbringung und durch das Abgas im Verbrennungsmotor.
Prinzipiell kann bei einem Vergleich zugelassener Biomassetechnologien in
Deutschland von einer Einhaltung der offiziellen Geruchs- (und auch Lärm-)Vor-
schriften (wie z. B. der „Geruchsimmissions-Richtlinie“, GIRL) ausgegangen
werden. Trotzdem bleibt der Geruch eine subjektiv erfahrbare Komponente, die bei
der Biomassebereitstellung, -verteilung, -nutzung und beim Transport eine Rolle
spielt und Auswirkungen auf die Akzeptanz haben kann (vgl. Informationsstelle
Biomasse 2005). Obwohl vergorene Gülle objektiv weniger riecht als unvergorene,
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 179

kann das Vorurteil existieren, dass sich der „Gestank im Dorf durch eine Biogas-
anlage“ vergrößern könnte. Aus diesem Grund spielt der subjektive Aspekt des
„erwarteten“ oder „wahrgenommenen“ Geruchs eine Rolle bei der Bewertung.
Der wahrgenommene Geruch wird ebenfalls über einen Fragebogen auf einer
5-Punkte-Skala erhoben. Je geringer dabei der erwartete Geruch, desto besser.

Wahrgenommener Lärm
Objektive Lärmquellen sind der Biomassetransport und der Betrieb der Biogas-
anlage. Zum Transportlärm zählen der An- und Auslieferungsverkehr (landwirt-
schaftliche Nutzfahrzeuge, Tankwagen) auf dem Anlagengelände und auf der
öffentlichen Straße, die Einbringung von Substrat in die Biogasanlage (Radlader,
landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge, Förderschnecken, Annahmebunker), zum
Betriebslärm tragen die Rührwerke in Fermentern und Endlagern und die Ver-
brennungsmotoren bei. In der sogenannten „Technischen Anleitung Lärm“ (TA-
Lärm) werden unterschiedliche Richtwerte für Tages- (6.00–22.00 h) und Nachtzeit
(22.00–6.00 h) postuliert. Außerdem wird unterschieden zwischen Wohngebieten,
Mischgebieten und Gewerbegebieten. Je größer dabei eine Biogasanlage oder die
Bioenergieanlagen insgesamt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Lärm
als störend empfunden wird. Wichtig ist hier wie bei der Wahrnehmung des Geruchs,
dass nicht das objektive Ausmaß des Lärms entscheidend ist, sondern die subjektive
Empfindung und die Bewertung von Geräuschen als „Lärm“ (Guski 2000). Gelingt
es, den Anwohnern die mit der Biogasanlage verbundenen Geräusche als „sinnvoll
und nötig für die eigene, umweltfreundliche Energieversorgung“ nahezubringen,
kann es sein, dass diese nicht als störend empfunden werden. Erhöht wird die Wahr-
scheinlichkeit hierfür, wenn die Anwohner von Anfang an an den Planungen für
die Anlage beteiligt sind, dann haben sie nämlich das Gefühl, die Anlage sei Teil
ihrer eigenen Wünsche und Vorstellungen und die Auswirkungen solcher eigener
Bestrebungen werden seltener als störend empfunden (hier lässt sich das Phänomen
der „Vermeidung kognitiver Dissonanz“ nach Festinger (1957) beobachten). Ein
Tipp von Praktikern zur Akzeptanzerhöhung ist außerdem, die Anlage mit schnell-
wachsenden Pflanzen einzugrünen: Denn eine Anlage, die nicht gesehen wird,
riecht subjektiv weniger und macht weniger Lärm (sic!) (Einfeldt 2011).
Der wahrgenommene Lärm wird ebenfalls über einen Fragebogen auf einer
5-Punkte-Skala erhoben. Je geringer dabei der erwartete Lärm, desto besser.

Partizipation
„Partizipation“ kommt von lat. „participere“, teilnehmen und bedeutet 'Beteiligung,
Teilhabe, Teilnahme, Mitwirkung, Mitbestimmung, Einbeziehung'. Gemeint ist die
Einbeziehung von Individuen und Organisationen an Entscheidungs- und Willens-
bildungsprozessen. Ziel ist die Einflussnahme der unterschiedlichen Bevölkerungs-
gruppen unter anderem auf politische Prozesse. Dies kann im Rahmen von Bürger-
initiativen, Arbeitsgruppen, Runden Tischen, Petitionen und neuerdings auch über
E-Partizipation via elektronische Netzwerke geschehen (Heinrichs 2005). Dabei
kooperieren die gestaltenden Kräfte von Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Bürgerini-
tiativen, Interessenvertretungen und NGOs.
180 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Partizipation spielt insbesondere im Rahmen der Unterstützung einer Nach-


haltigen Entwicklung eine Rolle. In der nach der Umweltkonferenz von Rio de
Janeiro 1992 veröffentlichten Agenda 21, in der in 40 Kapiteln alle wesentlichen
Politikbereiche einer umweltverträglichen, nachhaltigen Entwicklung ange-
sprochen werden, wird der Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entscheidungs-
findung große Bedeutung eingeräumt (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit 1997). Unterstützt wird die Forderung nach Partizipation im
Zusammenhang mit einer Nachhaltigen Entwicklung von vielen Autoren (z. B.
Deutscher Rat für Landespflege 2002). Aufgenommen wurden Bestrebungen der
Unterstützung von partizipativen Ansätzen auch von Bildungsforschern, bei denen
sich dieser Aspekt in der Etablierung neuer Lernziele niederschlägt (z. B. Bund-
Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung 1998). Opera-
tionalisiert wird dies im Bildungssektor z. B., indem „Gestaltungskompetenz“
erlernt werden soll, wozu nach de Haan und Haarenberg (1999) unter anderem die
„Partizipationskompetenz“ und die „Kompetenz zu weltoffener Wahrnehmung“
gehören. Partizipation gilt als gesellschaftlich relevant, weil sie zum Aufbau von
sozialem Kapital führen kann und dann soziales Vertrauen verstärkt (Girschner und
Girschner-Woldt 2007). Hiermit wird bereits der Bogen zu den psychologischen
Auswirkungen der Beteiligung angedeutet, der im nächsten größeren Abschnitt zu
finden ist (s. „Psychologische Konsequenzen“). Entscheidend für eine gelingende
Partizipation ist, dass Menschen nicht einfach nur angehört werden, sondern dass
sie echte Entscheidungsbefugnis erhalten. Im Forschungsvorhaben „Biomasse im
Spannungsfeld“ werden die Entscheidungsbereiche in drei verschiedene Qualitäten
eingeteilt (1. Beteiligung über reine Information, 2. Beteiligung an der Planung,
3. Beteiligung an der Finanzierung). Außerdem werden verschiedene Interessen-
gruppen angeführt, die bei der Planung von Bioenergieanlagen berücksichtigt
werden sollten (s. u.). Weitere potenzielle Aspekte der Systematisierung von Par-
tizipation sind die Partizipationsintensität, die Inhalte und die zeitliche Phase, in der
die Menschen das Entscheidungsrecht bekommen. Diese werden in unserem Ansatz
jedoch nicht berücksichtigt.
Die wichtigsten zu beteiligenden Gruppen bei der Planung einer Bioenergie-
anlage sind die folgenden:
• Landwirte,
• Wärmekunden,
• die kommunale bzw. regionale Planungsebene,
• die übrige Dorfbevölkerung/Öffentlichkeit,
• Naturschutz,
• Wissenschaftler (zum Aufgreifen offener Fragen, Herausdestillieren von neuem
Wissen und Aufbereitung von Schulungsmaterial) sowie
• Männer und Frauen gleichermaßen.
Je mehr dieser Gruppen beteiligt sind, desto eher werden die Partizipations-
möglichkeiten tatsächlich ausgeschöpft. Für die Bewertung der verschiedenen Bio-
energiepfade wird überprüft, an welchen Phasen wie viele Interessengruppen betei-
ligt werden.
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 181

Informierung
Die einfachste Art der Beteiligung oder das Minimum ist die kontinuierliche
Information der betroffenen Menschen über den Planungsstand. Dies kann über
öffentliche Veranstaltungen, Faltblätter, Informationsbroschüren oder öffentliche
Aushänge geschehen. Wichtig ist dabei nicht nur die Information selbst, sondern
vor allem auch die Tatsache, dass der Planungsprozess so transparent gemacht wird
und niemand das Gefühl hat, er werde übergangen. Es verstärkt das Vertrauen in
eine Planungsgruppe, wenn diese ihre Pläne offen darstellt und somit nicht den
Anschein erweckt, es würden Dinge heimlich durchgeführt oder die Menschen
sollten von etwas überrumpelt werden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die betroffenen Gruppen regelmäßig informiert
werden, ist bei den einzelnen Biogas-Vorhaben unterschiedlich (z. B. in Abhängig-
keit der Art des Betreibers). Je höher die Wahrscheinlichkeit, dass die einzelnen
Bevölkerungsgruppen über das Biomassenutzungskonzept regelmäßig informiert
werden, desto sozial nachhaltiger ist das Konzept. Da es sich um sieben mögliche
Gruppen handelt und alternativ auch die Möglichkeit besteht, dass niemand informiert
wird, werden 0 bis 7 Punkte für die entsprechende Anzahl der informierten Interes-
sengruppen bei der Bewertung vergeben (s. o., acht Möglichkeiten: 1. Landwirte,
2. Wärmekunden, 3. kommunale bzw. regionale Planungsebene, 4. die restliche
Dorfbevölkerung/Öffentlichkeit, 5. Naturschutzgruppen, 6. Wissenschaftler,
7. Männer und Frauen gleichermaßen, 8. Niemand (hier: Vergabe von 0 Punkten)).

Beteiligung an der Planung


Die genannten sieben Interessengruppen können bei der Planung einer Anlage oder
eines Anlagenkonzepts beteiligt werden oder nicht. Konkret kann das bedeuten,
dass sie mitentscheiden über den Anlagenstandort, die Größe der Anlage oder die
Form der Betreibergesellschaft, die wiederum mit unterschiedlichem Ausmaß von
Partizipationsmöglichkeiten assoziiert sind: Die Form einer Genossenschaft bringt
z. B. ein ausgewogenes Stimmrecht für alle Teilhaber mit sich, während bei anderen
Gesellschaftsformen das Stimmrecht abhängig ist von der Höhe der eingelegten
Geldsumme.
Durch die Beteiligung an der Planung werden die Bedürfnisse und Wünsche der
Menschen in unterschiedlichem Maße berücksichtigt, was wiederum Auswirkungen
auf die Zufriedenheit der Anwohner, auf ihre Selbstwirksamkeitsüberzeugungen
etc. haben kann (Eigner-Thiel 2005; Antonovsky 1993). Die verschiedenen
Biomassepfade unterscheiden sich darin, inwieweit die verschiedenen Interessen-
gruppen bei der Planung mit einbezogen werden und damit auch in ihrer Nach-
haltigkeit. Zu einem Bioenergiedorfkonzept gehört es beispielsweise unabdingbar,
dass dieses unter Beteiligung möglichst aller genannten Gruppen entwickelt wird.
Bei einer Großanlage ist diese Wahrscheinlichkeit geringer. Je höher bei einem
Biomassenutzungskonzept die Wahrscheinlichkeit ist, dass alle genannten Gruppen
in der Praxis in die Planungen einbezogen werden, als desto nachhaltiger wird es
eingestuft. Die Operationalisierung geschieht über die Vergabe von 0 bis 7 Punkten
für die Anzahl der beteiligten Interessengruppen an der Informierung.
182 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Beteiligung an der Finanzierung


Biomassenutzungskonzepte können durch einen Einzelinvestor finanziert werden,
aber beispielsweise auch durch Beteiligung von Institutionen (Kommunen, Ver-
waltungen) oder durch Gruppen von Individuen (z. B. in der Organisationsform einer
Genossenschaft). Wenn Individuen sich an der Finanzierung beteiligen können, hat
das mehrere positive Konsequenzen: Zum einen kann so zusätzliches Investitions-
volumen akquiriert werden; zum anderen haben diese Individuen ein bestimmtes
Mitsprache- und -entscheidungsrecht bezüglich der Mittelverwendung. So können
die Genossen beispielsweise bei der Festlegung der Wärmepreise mitbestimmen.
Diese Form der Beteiligung kann wiederum die Selbstwirksamkeitsüberzeugung
(Annahme, dass sie persönlich etwas bewirken können, s. auch Abschnitt „Psycho-
logische Konsequenzen“) erhöhen; und schließlich werden die Beteiligten meistens
auch an den Gewinnen bzw. dem Umsatz oder den Rabatten beteiligt. Das heißt,
Biomassepfade, bei denen die Möglichkeit der Beteiligung mehrerer Bevölkerungs-
gruppen an ihrer Finanzierung gegeben ist, lassen sich als nachhaltiger bewerten
als solche, bei denen keine Beteiligung an der Finanzierung durch die Bevölkerung
gegeben ist. Je heterogener die Gruppe derer, die sich finanziell beteiligen können,
desto partizipativer das Konzept. Die Operationalisierung geschieht wieder über die
Vergabe von 0 bis 7 Punkten für die Anzahl der beteiligten Interessengruppen an der
Finanzierung (Hintergrund für diese Skala sind wiederum sieben mögliche Gruppen
plus die Möglichkeit, dass niemand an der Finanzierung beteiligt wird).

Psychologische Konsequenzen
Verschiedene energetische Biomassenutzungskonzepte bieten unterschiedliche
Beteiligungsmöglichkeiten für die Bevölkerung und haben dadurch unterschiedliche
potenzielle soziale Auswirkungen auf die Individuen. Verschiedene mögliche Wirk-
mechanismen werden hier dargestellt, bevor weiter unten im Einzelnen auf die
Bewertungskriterien detaillierter eingegangen wird.
Die Auswirkungen von Partizipation wurden konkret von mehreren Forschern
untersucht. So hat sich Ulich (1998) beispielsweise mit den Auswirkungen von
Partizipation in teilautonomen Arbeitsgruppen in der Arbeitswelt beschäftigt und
festgestellt, dass in solchen Strukturen die intrinsische Motivation durch Aufgaben-
orientierung wächst, eine Verbesserung von Qualifikation und Kompetenzen ein-
tritt, sich die Flexibilität für die Mitarbeiter erhöht, dass sich die Zufriedenheit
qualitativ zum Positiven verändert, Stress durch gegenseitige Unterstützung abge-
baut wird und das Freizeitverhalten der Menschen aktiver wurde. Auf der anderen
Seite wurden auch mögliche Nachteile beschrieben, die sich durch Partizipation
für die Menschen ergeben können und die auch für ein Engagement bezüglich der
Bioenergie geltend gemacht werden können (vgl. Müller et al. 2004): Nämlich eine
zeitliche Überlastung, Überforderung, Frustration von Partizipationserwartung
(erlernte Hilflosigkeit, Seligman 1975), informelle Machtstrukturen (z. B. aufgrund
von Kompetenzgefälle, Engagement), hoher Entscheidungsaufwand durch Kon-
sensprinzip und Verantwortungsdiffusion. Auf die genannten Nachteile kann man
jedoch Einfluss nehmen durch die Art der Organisation des Beteiligungsprozesses.
Bezüglich der Wirkung von Partizipation gibt es unter anderem den kognitiven
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 183

und den motivationalen Erklärungsansatz (vgl. Wagner et al. 1997). Im kognitiven


Erklärungsansatz wird davon ausgegangen, dass durch partizipative Strukturen
mehr Informationen ausgetauscht werden und sich dadurch ein gründlicheres
Problemverständnis entwickelt. Durch die Möglichkeit, eigenes Wissen und
eigene Erfahrungen einzubringen, erweitert sich insgesamt die Qualifikation der
Menschen. Partizipation, so die These, wirke sich stärker auf Produktivität aus als
auf Zufriedenheit. Demgegenüber wird im motivationalen Erklärungsansatz davon
ausgegangen, dass durch Partizipation Bedürfnisse höherer Ordnung befriedigt
werden und dass kein direkter Zusammenhang zwischen Partizipation und Pro-
duktivität besteht. Stattdessen wird postuliert, dass durch die Reduktion von Wider-
stand ein Anwachsen der Motivation zu beobachten sei. Partizipation wirke vor
allem bei jenen Menschen positiv, wo Bedürfnisse nicht durch andere Aspekte der
Arbeit befriedigt werden. Die Grundthese ist, dass sich Partizipation stärker auf
Zufriedenheit auswirkt als auf Produktivität. Für den motivationalen Ansatz gibt es
etwas mehr empirische Belege als für den kognitiven, obwohl beide Wirkweisen in
der Praxis anzutreffen sind (Wagner et al. 1997). Beide Erklärungsansätze bergen
jedoch positives Potenzial im Rahmen der Bioenergienutzung: Wenn sich Par-
tizipation positiv auf die Produktivität auswirkt, heißt das, dass die Qualität des
Energiekonzepts steigt. Eine Steigerung der Zufriedenheit hingegen kommt den
Individuen, letztlich über die Motivation auch wieder der Sache zu Gute und unter-
stützt damit eine Nachhaltige Entwicklung.
Ein anderer Ansatz lässt sich indirekt auf die Auswirkungen von Partizipation
anwenden. Antonovsky (1993) beschreibt in seinem Konzept der Salutogenese
das sogenannte „Kohärenzgefühl“ als ein Gefühl, die Welt als zusammenhängend,
stimmig und sinnvoll anzusehen, das notwendig für die Gesunderhaltung der
Menschen sei. Das Kohärenzgefühl setzt sich aus drei Komponenten zusammen:
Dem Gefühl von Verstehbarkeit (als kognitives Verarbeitungsmuster: die Fähig-
keit von Menschen, Stimuli – auch unbekannte – als konsistente, strukturierte
Informationen verarbeiten zu können), dem Gefühl von Handhabbarkeit bzw.
Bewältigbarkeit (als kognitiv-emotionales Verarbeitungsmuster: die Überzeugung
des Menschen, dass Schwierigkeiten lösbar sind) und dem Gefühl von Sinn-
haftigkeit bzw. Bedeutsamkeit (als emotional-motivationale Komponente: das
Gefühl, dass bestimmte Probleme im Leben es wert sind, sich ihnen mit Energie
zuzuwenden, dass sie Herausforderungen darstellen, dessen Überwindung mehr
Lust als Last ist). Nach Antonovsky (1993) beeinflusst das soziale Umfeld das
Kohärenzgefühl. So beschreibt er beispielsweise die Teilhabe an Entscheidungs-
systemen als eine ideale Herausforderung des Einzelnen (wenn keine Unter- und
keine Überforderung stattfindet) als sehr förderlich für die Erhöhung des Kohärenz-
gefühls. Damit in Zusammenhang steht die Selbstwirksamkeitserwartung, die unten
als ein gesonderter Aspekt der psychologischen Konsequenzen aufgeführt wird.
In den folgenden Abschnitten werden sechs Aspekte näher beschrieben, die als
psychologische Konsequenz der Implementierung unterschiedlicher Bioenergienut-
zungsformen auftreten können: das Gefühl der Unabhängigkeit von großen Ener-
gieversorgungsunternehmen, das Gefühl der Unabhängigkeit von endlichen Roh-
stoffen, das Wir-Gefühl, die Selbstwirksamkeitsüberzeugung, die Aspekte Stolz,
184 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Spaß, Sinnerleben und ein verändertes Image des eigenen Ortes. Dass diese Aspekte
eine Rolle bei dem vorliegenden Thema spielen und miteinander in Beziehung
stehen, zeigten Interviewstudien der Erstautorin, die im Bioenergiedorf Jühnde
durchgeführt wurden (Eigner-Thiel 2005).

Gefühl der Unabhängigkeit von Energieversorgungsunternehmen


Insbesondere, wenn der Betreiber einer Biomasseanlage eine lokale, eventuell sogar
gemeinschaftlich organisierte Institution ist, kann das Gefühl der Unabhängig-
keit von großen Energieversorgern steigen. Dies zeigten zahlreiche Diskussionen
auf Dorfversammlungen und Interviewergebnisse mit in einem Bioenergiedorf
engagierten Personen und mit Personen aus Dörfern, die anstrebten, Bioenergiedorf
zu werden (Eigner-Thiel, 2005). Das Gefühl der Unabhängigkeit von großen Ener-
gieversorgern wird im Hinblick auf die soziale Nachhaltigkeit positiver bewertet,
weil es mehr Autarkie und weniger Fremdbestimmung bezüglich Preisbestimmung,
Versorgungssicherheit, aber auch bezüglich Unfallrisiken der Kernenergie oder
Risiken von Tankerunfällen mit unsicherem Ausgang bedeuten kann. Bei der diesem
Projekt zugrundeliegenden Fragebogenerhebung wurde dieses Gefühl auf einer
5-stufigen Skala eingeschätzt. Je höher die Punktzahl, desto höher das Unabhängig-
keitsgefühl.Unabhängigkeit von endlichen Rohstoffen
Wenn den Anwohnern bewusst ist, dass ihre Wärmeversorgung aus Biomasse
als einem erneuerbaren Energieträger stammt, kann das Gefühl der Unabhängigkeit
von endlichen Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas usw. steigen. Da die endlichen Roh-
stoffe immer knapper, als Rohstoff wertvoller für die Herstellung anderer Produkte
als zur ausschließlichen Wärmeversorgung sowie auch teurer werden und außerdem
Biomasse (Energiepflanzen, Holz, Gülle) für die energetische Nutzung die beste
Ökobilanz hat, ist diese Unabhängigkeit im Sinne der Nachhaltigkeit anzustreben.
Offen ist die Frage, ob dieses Gefühl bei verschiedenen Biomassenutzungskon-
zepten unterschiedlich ausgeprägt ist – es handelt sich ja bei allen Varianten um
denselben erneuerbaren Energieträger, nämlich um Biomasse. Relevant wäre dieses
Kriterium nur, wenn bei einzelnen Nutzungskonzepten das Bewusstsein, dass es
sich um einen erneuerbaren Energieträger handelt, besonders geschärft würde und
bei anderen nicht. Dabei wird angenommen, dass bei allen Konzepten, die unter
Planungsbeteiligung der Bevölkerung realisiert werden, dieses Bewusstsein eher
ausgeprägt ist als bei anderen. In einer Fragebogenerhebung wird auch dieses
Gefühl auf einer 5-stufigen Skala eingeschätzt. Je höher die Punktzahl, desto höher
wird das Unabhängigkeitsgefühl bewertet.

Wir-Gefühl
Untersuchungen des Wir-Gefühls bestehen bereits seit den 50er-Jahren des letzten
Jahrhunderts (Festinger 1954; Schachter 1959). Zum Wir-Gefühl zählen ver-
schiedene Facetten, die mit unterschiedlichen Fachbegriffen versehen sind. Dazu
gehören beispielsweise „Sense of Community“ (Chavis und Wandersman 1990)
oder die „Gruppenidentität“ (Henry et al. 1999), „soziale Identität“ (Tajfel und
Turner 1986), „soziale Unterstützung“ (Sommer 2000) oder „Gruppenkohäsion“
(Dion 2000). Gruppenkohäsion ist definiert als Eigenschaft einer Gruppe, die für
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 185

die gegenseitige Bindung der Menschen untereinander sorgt und das Zuneigungs-
gefühl zwischen den Gruppenmitgliedern fördert. Unter „sozialer Unterstützung“
wiederum wird die Hilfe verstanden, die jemand durch das soziale Netz, in das er
eingebunden ist, erfahren kann und die wiederum positive emotionale und damit
gesundheitsförderliche Aspekte aufweist (Sommer 2000). Das Wir-Gefühl ist auch
heute immer noch wichtig (Keupp et al. 2006). Auch wenn es viele neue Formen von
sozialen Netzwerken im Internet gibt, bleibt die Bedeutung von Nachbarschaften
und realen Freundeskreisen erhalten. Ein Beispiel für ein neues Wir-Gefühl in
Deutschland ist die Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2006. Als Trendprognose wird
vom Zukunftsinstitut die These formuliert, dass Menschen sich weiter in Gruppen
organisieren werden, in Eigenregie neue Gemeinschaftsformen bilden. Außerdem
werde das Bedürfnis und die Motivation, sich sozial zu engagieren und Gemein-
sinn bewusst zu leben, auch in den nächsten Jahren nicht durch Digitalisierung und
Internet erstickt werden (Redaktion Zukunftsinstitut 2008).
Dieses Kriterium des Wir-Gefühls im Zusammenhang mit der Nutzung
unterschiedlicher Bioenergieformen hängt mit einem anderen sozialen Kriterium
zusammen, nämlich mit der „möglichen Partizipation“. Interviews haben ergeben,
dass bei aktiv für ein gemeinschaftliches Klimaschutzprojekt engagierten Menschen
das Wir-Gefühl, das Gefühl eines Zusammenhalts zwischen diesen Menschen
anwächst, was sich wiederum positiv auf das seelische Wohlbefinden und die
Gesundheit auswirkt (Eigner-Thiel & Schmuck 2010). Auch Schuster (2002)
beschreibt, wie bei dem Engagement für Nachhaltigkeitsprojekte ein Wir-Gefühl
entstehen kann, wenn engagierte Menschen zusammen kommen, um ein konkretes,
gemeinsames Ziel zu erreichen. Wenn die Wege zum Ziel nicht vorgegeben seien,
komme es zu offenen Prozessen, in denen ständig neue Personen zur Mitwirkung
gewonnen würden. Durch viele persönliche Gespräche und gemeinschaftliche
Diskussionen bei der Suche nach „Win-win-Situationen“ entstünden innovative
Ansätze und beständige Lösungen, aber eben auch eine Stärkung des Gemein-
schaftsgefühls. Die Biomassealternativen unterscheiden sich in dem Ausmaß,
inwieweit Menschen dabei überhaupt miteinander in Kontakt treten. Die Werte für
das Wir-Gefühl bei unterschiedlichen Nutzungspfaden werden wiederum per Fra-
gebogen auf einer 5-skaligen Rating-Skala erhoben. Je höher der Wert, desto höher
wird das Wir-Gefühl eingeschätzt.

Selbstwirksamkeitsüberzeugung
Kognitive, motivationale, emotionale und verhaltensrelevante Prozesse werden
nach der sozial-kognitiven Theorie von Bandura (1992, 1997) unter anderem
durch Selbstwirksamkeitserwartungen gesteuert. Diese sind definiert als subjektive
Erwartungen, ein für bestimmte erwünschte Konsequenzen notwendiges Verhalten
auszuführen und sie beeinflussen wiederum Denken, Fühlen und Handeln sowie
Zielsetzung und ausgeübte Anstrengung sowie Ausdauer einer Tätigkeit in der
Zukunft. Selbstwirksamkeitserwartungen lassen sich auf zwei Dimensionen weiter
unterteilen:
1. Auf der Generalitätsdimension lassen sich die situationsspezifische, die allgemeine
sowie die bereichsspezifische Selbstwirksamkeitserwartung unterscheiden. Die
186 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Selbstwirksamkeitsüberzeugung, die für Aktivitäten im Klimaschutz relevant


ist, wäre dann eine bereichsspezifische für den Aspekt der „Möglichkeiten im
Klimaschutz durch die Umsetzung von Bioenergieanlagen“.
2. Daneben kann man individuelle von kollektiven Erwartungen differenzieren.
Kollektive Selbstwirksamkeitserwartungen sind überindividuell, betreffende
Formulierungen zeichnen sich aus durch „wir“. Dahinter steht die Annahme, dass
die Gruppe bei einer hohen kollektiven Selbstwirksamkeitserwartung Vertrauen
in die Kapazitätsreserven des Teams und eine optimistische Auffassung von der
gemeinschaftlichen Bewältigung zukünftiger, auch stresserzeugender Ereignisse
hat. Diese kollektive Selbstwirksamkeitserwartung wird dann bei künftigen Vor-
haben Zielsetzungen, Anstrengungsbereitschaft oder den Umgang mit Wider-
ständen beeinflussen. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen entwickeln sich nach
van Buer und Squarra (1998) unter anderem in Abhängigkeit vom eigenen
Bewältigungsverhalten und von Sozialisationserfahrungen in Bezug auf eigene
Bewältigungsmöglichkeiten von Umweltereignissen. Schwarzer und Schmitz
(1999) verstehen unter der „kollektiven Selbstwirksamkeitsüberzeugung“ die
subjektive Gewissheit, neue oder schwierige Anforderungssituationen auf
Grund gemeinsamer Kompetenzen einer Gruppe bewältigen zu können. Das
ist bei der Beteiligung von Menschen an der Konzeption von Bioenergiepro-
jekten die kollektive Erwartung, das Bioenergie-Projekt auf Grund gemeinsamer
Kompetenzen der Menschen auch bei auftretenden Schwierigkeiten umsetzen zu
können.
Nicht bei jeder Biomassenutzungsalternative existieren die gleichen Betei-
ligungsmöglichkeiten und von daher unterscheiden sich die Alternativen in dem
Ausmaß, in dem dort Selbstwirksamkeitserfahrungen gemacht werden können.
Die Werte für die Selbstwirksamkeitserwartung werden per Fragebogen auf einer
5-skaligen Rating-Skala erhoben. Je höher der Wert, desto höher wird die Selbst-
wirksamkeitsüberzeugung bewertet.

Stolz, Spaß, Sinnerleben (psychische Gesundheit)


Ehrenamtliches Engagement, wie es bei der Partizipation an einem Bioenergieprojekt
stattfindet, kann mit seelischer Gesundheit und Zufriedenheit zusammenhängen, wie
zahlreiche Studien zeigen. Legewie und Janßen (1997) untersuchten beispielsweise
Auswirkungen von Engagement auf Mitglieder von Bürgerinitiativen. Sie fanden,
dass persönliches Engagement nach Einschätzung aktiver Mitglieder überwiegend
positive Auswirkungen auf Wohlbefinden und Gesundheit hat. Diese Effekte lassen
sich als Empowerment-Effekte (Rappaport 1984, 1985; Stark 1994; Antonovsky
1993) beschreiben: Durch das Engagement wird das Empfinden gestärkt, Einfluss
auf das eigene Leben nehmen zu können. Neue eigene Kompetenzen können ent-
deckt und ausgebaut sowie neue, befriedigende Sozialkontakte aufgebaut werden.
Empirische Ergebnisse zu diesem Zusammenhang lieferten auch Sohr und Boehnke
(1994) bzw. Fuß und Boehnke (1998): Sie fanden bei Befragungen von umwelt-
engagierten Jugendlichen, dass sich im Laufe eines Engagements die Hoffnungs-
losigkeit bezüglich des Umweltzustands vermindert und die seelische Gesundheit
der Engagierten verbessert, was sie unter anderem auf die positive Wahrnehmung
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 187

der eigenen Umweltaktivitäten zurückführten. Ähnliche empirische Befunde zum


Zusammenhang zwischen Umweltengagement und Wohlbefinden berichten auch
Eigner (2001) und Sohr (2001). Perkins et al. (1996) zeigten, dass ehrenamtliches
Engagement Auswirkungen unter anderem auf verschiedene Wohlbefindens-
indikatoren hat, nämlich auf Fähigkeiten, Selbst-Identität und auf Intra- und Inter-
gruppenprozesse wie Kommunikationsfähigkeiten, Gruppendynamik, Gruppen-
identität, Koalitionsbildung und generell auf Empowerment-Gefühle (vgl. Perkins
1995; Zimmermann 1990). Diese Faktoren wirken als antizipierte Auswirkungen
z. T. auch motivierend, überhaupt ein Engagement aufzunehmen.
Ein wesentlicher Schutzfaktor für die körperliche und seelische Gesundheit
ist außerdem genügend Kontakt mit anderen Menschen und ein sicheres Gefühl
sozialer Geborgenheit (Mittag 1996). Durch Partizipation, wie sie im Kontext
mit der Planung von Bioenergieanlagen stattfinden kann, kann dieser Kontakt mit
seinen positiven Effekten hergestellt werden. In einer Vielzahl an Studien ist der
schützende Effekt der sozialen Unterstützung durch Familie, Freunde und Nach-
barschaft belegt (z. B. Gottlieb 1983; Keupp & Röhrle 1987). Zimmermann und
Zahniser (1991) haben Zusammenhänge gefunden zwischen „sozialpolitischen
Kontrollerfahrungen“ (bzw. Selbstwirksamkeitserfahrungen) und psychischem
Wohlbefinden und Empowerment. Auch Interviews im Bioenergiedorf Jühnde
haben ergeben, dass Arbeitsgruppen-Engagement mit erhöhtem Stolz, Spaß an
Planung und Umsetzung, Lernerfolgen, Zufriedenheitsgefühlen und Sinnerleben
einhergeht (Eigner-Thiel & Schmuck 2010).
Da die Biomassealternativen mit unterschiedlichen Partizipationsmöglichkeiten
einhergehen, unterscheiden sie sich auch im Ausmaß potenziell erreichbarer Gefühle
von Sinnerleben, Stolz und Spaß. Je höher die Werte bei möglicher Partizipation,
desto höher auch die Werte hier und desto nachhaltiger ist das Biomassenutzungs-
konzept in Bezug auf dieses Kriterium.

Positives Image des Ortes


Mit der Nutzung der Bioenergie kann das Image eines Ortes sich verändern. Vor-
bildlich funktionierende Anlagen, die sich eventuell schon jahrelang etabliert haben,
oder die als Modellanlagen bekannt sind wie das Bioenergiedorf Jühnde (Ruppert
et al. 2008), können das Image des Ortes verbessern. Andere Anlagentypen, wie
beispielsweise eine Großanlage, können das Image des Ortes verschlechtern, wenn
damit der vermehrte Anbau von Monokulturen verbunden ist. Zur Bewertung der
Alternativen wird das Image des Ortes wiederum auf einer 5-stufigen Skala einge-
schätzt.

Arbeitsplätze
Wichtig im Zusammenhang mit der Bioenergienutzung ist die Schaffung, der Erhalt
oder auch die Verdrängung von Arbeitsplätzen. Von 300.000 Arbeitsplätzen, die im
Rahmen der Nutzung von erneuerbaren Energien bisher in Deutschland geschaffen
wurden, werden 100.000 der Bioenergie zugerechnet (BMELV 2010). Daher werden
zwei Kriterien zur Berücksichtigung der Schaffung von Arbeitsplätzen formuliert
und bei der Auswahl von Biogas-Vorhaben berücksichtigt.
188 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Arbeitsplätze netto
Die Biomassealternativen unterscheiden sich, je nach Größe und Betreibergesell-
schaft, darin, wie viele neu geschaffene Arbeitsplätze den ggf. verdrängten gegen-
überstehen. Bei einer kleinen Biogasanlage wird eine Teilzeitstelle mit einem
Umfang von ca. 10 h pro Monat geschaffen, bei einer sehr großen Anlage sind es fünf
bis zehn Vollzeitstellen. Auf der anderen Seite erhält bei bestimmten Konzepten wie
dem Bioenergiedorfkonzept beispielsweise der Schornsteinfeger weniger Aufträge,
weil die vielen einzelnen Kamine nicht mehr zu betreuen sind. Diese Neuschaffung
und der Wegfall von Arbeitsplätzen sind gegeneinander aufzurechnen. Je höher die
errechnete Zahl von Netto-Arbeitsplätzen, desto besser.

Teilzeitmöglichkeit
Für die Familienplanung und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist
es gut, wenn Unternehmen die Möglichkeit vorsehen, bei bestehendem Wunsch
auch Teilzeitjobs anzubieten. Denn wie in zahlreichen Studien festgestellt wurde,
können Teilzeitstellen zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf
für Männer und Frauen beitragen (BMFSJ 2008; OECD 2005, 2002; SEK 2006;
Caspar et al. 2005). Ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei Interesse auch reduzierte
Stellen angetreten werden können, bei einer Biomassealternative höher als bei einer
anderen, werden mehr Punkte vergeben.

3.4.5 Alternativenvergleich in Bezug auf soziale Kriterien:


Biogaseinzelanlage, Bioenergiedorfkonzept und
Biogasgroßanlage

Ziel des Forschungsvorhabens „Biomasse im Spannungsfeld“ ist neben der


Untersuchung der gesellschaftlichen und ökologischen Veränderungen, die mit
der vermehrten energetischen Nutzung von Biomasse verbunden sind, eine Ent-
scheidungsunterstützung beim Vergleich verschiedener Formen der energetischen
Biomassenutzung bei der Auswahl einer Investitionsalternative für konkrete
Dörfer oder Regionen. Um die herausgearbeiteten Bewertungskriterien zu testen,
wird zunächst eine exemplarische Fallstudie zum Alternativenvergleich hinsicht-
lich der sozialen Kriterien durchgeführt, wie sie im Folgenden beschrieben wird.
Dazu werden als drei unterschiedliche Biogas-Vorhaben eine Biogaseinzelanlage,
ein Bioenergiedorfkonzept und eine Biogasgroßanlage miteinander verglichen. Die
Daten zu den sozialen Kriterien stammen z. T., nämlich bezüglich der Partizipation
und der sozialen Auswirkungen, aus Untersuchungen des Forschungsprojekts
„Bioenergiedorf Jühnde“ (vgl. Eigner-Thiel 2005), zum anderen aus Befragungen
zur Akzeptanz der energetischen Nutzung von Bioenergie, die im Rahmen des
beschriebenen Projekts „Biomasse im Spannungsfeld“ im Jahr 2010 durchgeführt
wurden (vgl. Wüste & Schmuck, in Vorbereitung). Dazu wurden ca. 800 Menschen
von acht Standorten in Deutschland zu ihrer Akzeptanz des speziellen Biomasse-
konzepts befragt, das in ihrer Region genutzt wird.
Die drei gewählten Szenarien werden im Folgenden kurz skizziert und in Tab. 3.5
mit ihren speziellen Einzelheiten detaillierter beschrieben.
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 189

Tab. 3.5 Vergleichende Darstellung der 3 Biomasseszenarien


  Bioenergiedorf Biogasgroßanlage mit Biogaseinzelanlage
(BED) Einspeisung (BGE) (BGA)
Elektrische Leistung 716 kW 2,5 MW 225 kW
Anzahl zuliefernde 9 42 1
Landwirte
Benötigte Fläche 320 ha 900 ha 60 ha
Summe Substratinput 19.000 t/a 60.000 t/a 5.400 t /a
Art des Substratinputs Mais: 23 % Mais: 67 % Mais: 65 %
Triticale: 29 % Roggen: 17 % Roggen: 8 %
Ackergras: 4 % Gülle: ca. 16 % Gülle: 27 %
Gülle: 44 %
Biogasproduktion 2,6 Mio. Nm3/a 8,6 Mio. Nm3/a 500.000 Nm3/a
Prozentuale viel mittel wenig
Wärmenutzung
Umkreis Herkunft der 8 km 15 km 5 km
Biomasse
Anzahl der an den ca. 40 von 780 ca. 5 von 3.000 ca. 1–2
Planungen beteiligten
Menschen
Angeschlossene 150 0, aber 6 industrielle 2
Haushalte Standorte werden
virtuell mit Wärme
versorgt
Art der Genossenschaft GmbH & Co. KG Gesellschaft
Betreibergesellschaft bürgerlichen Rechts

3.4.5.1 Biogaseinzelanlage
Als „Biogaseinzelanlage“ wurde eine typische Anlage eines landwirtschaftlichen
Betriebs gewählt. Der Strom wird ins Netz eingespeist und die Abwärme wird für
die Beheizung des eigenen Wohnhauses sowie eines Nachbarhaus genutzt. Durch
Vergütung der Stromproduktion gemäß des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (2009)
wird die Anlage finanziert. Als Substratinput dient eine herkömmliche Mischung
aus Mais, einen geringen Anteil an Roggen und Gülle des landwirtschaftlichen
Betriebs, der mit konventionellen Anbaumethoden wirtschaftet.

3.4.5.2 Bioenergiedorf
In einem genossenschaftlich organisierten Bioenergiedorf werden die Strom- und
Wärmeversorgung über den erneuerbaren Energieträger Biomasse sichergestellt.
Eine Biogasanlage und ein Holzhackschnitzelheizwerk im Dorf sorgen über die
Vergärung feuchter Biomasse (Silage aus Energiepflanzen) und die Verbrennung
von Holz für die Bereitstellung von Strom und Wärme für die Dorfbevölkerung.
Der in der Biogasanlage produzierte Strom wird ins öffentliche Stromnetz einge-
speist. Bei der Stromproduktion entsteht Wärme, die von den Dorfbewohnern als
Grundlast zum Heizen genutzt wird. Für die kältere Jahreszeit reicht diese Wärme
nicht aus, weshalb mit der Holzverbrennung eine weitere Wärmequelle vorhanden
190 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Abb. 3.4 Nahwärmeversorgung in einem Bioenergiedorf

ist. Die Wärme wird in Form von heißem Wasser über ein Nahwärmenetz, das in
den Straßen verlegt wird, an die Haushalte verteilt. Die besondere Herausforderung
bei diesem Konzept liegt darin, genügend Menschen in den Häusern zu motivieren,
sich an das Nahwärmenetz anschließen zu lassen und eine Umstellung ihrer Hei-
zungsanlage vornehmen zu lassen. Das hier betrachtete Bioenergiedorf zeichnet
sich durch Einzelheiten aus, die in Tab. 3.5 vergleichend dargestellt sind (vgl. Pro-
jektgruppe Bioenergiedörfer 2010, Ruppert et al. 2008).

3.4.5.3 Biogasgroßanlage (mit Gasaufbereitung und -einspeisung)


In der beschriebenen Biogasgroßanlage werden in mehreren Fermentern
ca. 50.000 t Getreide- und Maissubstrat jährlich vergoren. Das Rohbiogas wird zur
Aufbereitung an das regionale Energieversorgungsunternehmen verkauft, nach dem
Verfahren der Aminwäsche aufbereitet und anschließend in das bereits bestehende
Erdgasnetz eingespeist. Das eingespeiste Bioerdgas wird anschließend dem Gas-
netz an sechs Standorten „virtuell“ wieder entnommen und dort mit Blockheiz-
kraftwerken in Strom und Wärme umgewandelt. Die Rohstoffe stammen von über
40 lokal ansässigen landwirtschaftlichen Betrieben, die langjährige Verträge mit
den Betreibern geschlossen haben. Betreibergesellschaft für die Herstellung des
Rohbiogases ist eine GmbH & Co KG; die Aminwäsche zur Aufbereitung wird
vom lokalen Energieversorgungsunternehmen vorgenommen.
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 191

Abb. 3.5 Multikriterieller Entscheidungsunterstützungsprozess

3.4.6 Gewichtungsprozess

Abbildung 3.5 zeigt den generellen Ablauf einer multikriteriellen Entscheidungs-


unterstützung. Nachdem die Zielsetzung, die Auswahl eines für ein Dorf oder
eine Region am besten geeigneten, nachhaltigen Biogas-Vorhabens, formuliert
wurde, sind grundsätzlich durchführbare technische Lösungen als Alternativen aus-
zuwählen, wie etwa eine Biogaseinzelanlage, Bioenergiedorfkonzept und Biogas-
großanlage. Die Auswahl der heranzuziehenden Bewertungskriterien für die vor-
liegende Fragestellung wurde in diesem Kapitel ausführlich beschrieben. Während
techno-ökonomische und ökologische Kriterienausprägungen berechnet oder
gemessen werden können, werden die Ausprägungen der sozialen Kriterien meistens
durch Fragebogen anhand von Punkte-Skalen ermittelt. Um die gesammelten Daten
zu allen untersuchten Alternativen zusammenzuführen, ist eine Gewichtung der
Kriterien notwendig, um ihre Bedeutsamkeit im Hinblick auf die übergeordnete
Zielsetzung der Entscheidung zu differenzieren.
Hierzu existieren verschiedene Methoden. Im vorliegenden Fall wurde auf
die sog. SWING-Methode zurückgegriffen (vgl. Eisenführ 2003). Dazu wurden
sieben Experten (in diesem Fall: Sozialwissenschaftler und Psychologen) gebeten,
192 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Tab. 3.6 Vergleichsdaten für die sozialen Kriterien dreier Biomassepfade


Kriterium Bioenergie- Biogas- Biogas- Gewicht
dorf großanlage einzelanlage (Prozent)
Akzeptanz: Landschaftsbild Anbau- 3,85 2,85 3,10 6,1 %
konzepte (Werte: 1 bis 5: => MAX)
Akzeptanz: Landschaftsbild Prod.anlagen 3,32 2,70 2,60 4,9 %
(Werte: 1 bis 5: => MAX)
Akzeptanz: wahrgenommener Geruch 1,42 1,21 2,00 6,0 %
(Werte: 1 bis 5 => MIN)
Akzeptanz: wahrgenommener Betrieb- 1,3 1,66 2,13 7,2 %
slärm (Werte: 1 bis 5: => MIN)
Akzeptanz: Verkehrsbelästigung 1,65 2,57 2,67 7,2 %
(Werte: 5 bis 1: => MIN)
Partizipation: Planung 5,00 2,00 1,00 8,2 %
(Werte: 0 bis 7:=> MAX)
Partizipation: Informiertheit 6,00 3,00 1,00 6,4 %
(Werte: 0 bis 7: => MAX)
Partizipation: Finanzierung 7,00 0,00 0,00 8,1 %
(Werte: 0 bis 7: => MAX)
Psych. Auswirkungen: Gefühl der Unab- 3,05 1,72 3,07 4,7 %
hängigkeit von großen EVU
(Werte: 1 bis 5: => MAX)
Psych. Auswirkungen: Gefühl der Unab- 2,91 2,00 2,97 5,6 %
hängigkeit von endlichen Rohstoffen
(Werte: 1 bis 5: => MAX)
Psych. Auswirkungen: Wir-Gefühl 3,03 1,17 2,17 6,3 %
(Werte: 1 bis 5 => MAX)
Psych. Auswirkungen: Selbstwirksam- 3,05 1,34 2,60 7,2 %
keitsüberzeugung
(Werte: 1 bis 5: => MAX)
Psych. Auswirkungen: Stolz, Spaß, Sin- 2,00 0,00 1,00 7,4 %
nerleben (Werte: 0 bis 2: => MAX)
Psych. Auswirkungen: Positives Image 3,26 3,26 2,83 4,2 %
Ort (Wert: => MAX)
Arbeitsplätze: netto 1,92 2,00 0,50 4,5 %
(Wert: Absolutzahl: => MAX)
Arbeitsplätze: Teilzeitmöglichkeit 1,28 0,12 0,00 5,9 %
(Wert: Absolutzahl: => MAX)
Summe der Gewichte       100 %

die Wichtigkeit der einzelnen Kriterien über Vergabe der Zahlen 0 (niedrige
Bedeutung) bis 100 (hohe Bedeutung) auf den verschiedenen Ebenen der Kriterien-
hierarchie einzuschätzen. Die Einschätzung wurde dabei zunächst auf übergeord-
neten Ebenen, später auf der untersten, der sog. „Attribut-Ebene“, vorgenommen.
Die Gewichtungen wurden zunächst individuell schriftlich vorgenommen,
anschließend der kleinen Gruppe vorgestellt und diskutiert, abschließend gab es für
jeden individuell die Möglichkeit, seine Einschätzung noch einmal zu revidieren.
3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 193

Aus den individuellen Gewichtungen wurde pro Kriterium ein Gruppenmittelwert


gebildet, der in Tab. 3.6 zu sehen ist.

3.4.7 Methode, Ergebnisse und Fazit

Die Daten für die sozialen Kriterien rühren z. T. aus dem Aktionsforschungsprojekt
„Das Bioenergiedorf Jühnde“ (s. Eigner-Thiel 2005), z. T. aus einer großangelegten
Studie zur Akzeptanz unterschiedlicher Biomassepfade aus dem Jahr 2010 (vgl.
Wüste & Schmuck 2012). Die ermittelten Werte der Kriterienausprägungen
für die drei Alternativen „Bioenergiedorf“, „Biogas-Großanlage“ und „Biogas-
Einzelanlage“ zeigt Tab. 3.6.204 In der rechten Spalte sind die Gewichtungen der
jeweiligen Kriterien aufgeführt, die sich auf insgesamt 100 % addieren lassen. Eine
unmittelbare Ermittlung einer dominierten oder dominierenden Alternative ist nicht
unmittelbar möglich. Eine Alternative heißt dominiert, wenn eine andere Alternative
sie bezüglich eines oder mehrerer Kriterienausprägungen übertrifft und bezüglich
der anderen Attribute gleichwertig ist (Zimmermann & Gutsche 1991). Der Über-
blick wird vor allem deshalb erschwert, weil manche Kriterien zu maximieren und
andere zu minimieren sind.
Zur Bestimmung von Kompromisslösungen für derartige Entscheidungspro-
bleme, in denen mehrere und z. T. gegenläufige Ziele angestrebt werden, wird
die multikriterielle Optimierung verwendet. Mit Hilfe von multiattributiven Ent-
scheidungsmodellen (Multi Attribute Decision Making – MADM) können ver-
schiedene diskrete Alternativen oder Handlungsoptionen im Hinblick auf mehrere
Kriterien bewertet werden. Dabei werden mathematische Methoden angewendet,
um Kriterienbündel zu einer möglichst in reellen Zahlen ausgedrückten Ordnung
(Rangfolge) zu reduzieren (Zimmermann & Gutsche 1991; Geldermann 2006).
Um sich zunächst einen Überblick über mögliche Zielkonflikte in einem kon-
kreten Entscheidungsproblem zu verschaffen, genügt als einfachste Methode der
Mehrzielentscheidungsunterstützung das „Simple Additive Ranking“ (SAR), bei
der Rangfolgen der Alternativen für jedes Kriterium gebildet werden (Geldermann
& Schöbel 2011). Allerdings ist diese Methode anfällig für Fehlinterpretationen
sowie unerwünschte Rangtäusche, wenn irrelevante Alternativen aus der weiteren
Bewertung ausgeschlossen werden.
Daher wird im Folgenden das Ergebnis der Anwendung des Outranking-Ver-
fahrens PROMETHEE kurz vorgestellt. Outranking-Verfahren beruhen auf paar-
weisen Vergleichen der Alternativen hinsichtlich jedes Kriteriums mit Hilfe einer
Präferenzfunktion zur Quantifizierung der jeweiligen „Vorziehenswürdigkeit“
(Brans et al. 1986; Geldermann 2006). Ein erster Blick auf die Darstellung der
relativen Stärken und der relativen Schwächen der betrachteten Alternativen
hinsichtlich der berücksichtigten Kriterien (vgl. Abb. 3.6) zeigt, dass das Bioener-
giedorfkonzept mit Abstand am besten abschneidet. Um zu erkennen, welche

Herzlichen Dank an André Wüste, der bei der Datenbeschaffung geholfen und an Meike
204

Schmehl, die die Berechnungen für die multikriteriellen Analysen durchgeführt hat!
194 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

Abb. 3.6 Relative Stärken und Schwächen verschiedener Biogas-Konzepte205

Kriterien ausschlaggebend für eine bessere oder schlechtere Bewertung einer


Alternative sind, ist ein Spinnweb-Diagramm gut geeignet. Abbildung 3.7 illustriert,
dass besondere Stärken des Bioenergiedorfkonzepts im Bereich der Partizipation
und im Bereich der psychologischen Konsequenzen liegen. Einzig bezüglich des
Kriteriums „Geruchswahrnehmung“ schneidet die Großanlage noch besser ab, was
plausibel ist: Eine Großanlage steht nicht direkt im Dorf, die vergorene Gülle wird
auf die Äcker von über 40 Landwirten verteilt, so dass sich auch die Gerüche über
ein weiteres Gebiet verteilen.205
Fast gleich, aber beide deutlich schlechter als das Bioenergiedorfkonzept
schneiden die Biogaseinzelanlage und die Biogasgroßanlage mit Einspeisung ab.
Für beide Konzepte überwiegen die relativen Schwächen, so dass auch der Gesamt-
wert (Phi-netto) sich negativ darstellt.
Verursacht ist dies bei der Einzelanlage vor allem durch die geringe Anzahl von
Arbeitsplätzen, die zusätzlich geschaffen werden, außerdem durch die geringen
Möglichkeiten für die Bevölkerung, sich an den Planungen zu beteiligen und die als
relativ hoch eingeschätzten Werte für den Betriebslärm (s. Spinnweb-Diagramm,
Abb. 3.7).
Das Spinnweb-Diagramm zeigt, dass die Schwächen der Großanlage vor allem
in fehlenden Möglichkeiten zur Erhöhung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung,
fehlenden Gelegenheiten zur Erhöhung des Wir-Gefühls und fehlendem Gefühl von

Verglichen wurden ein „Bioenergiedorf“ (BED), eine „Biogasgroßanlage mit Einspeisung“


205

(BGE) und eine „Biogasanlage eines einzelnen Landwirts“ (BGA).


3.4  Soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Biomassepfade 195

Abb. 3.7 Spinnweb-Diagramm zum Vergleich verschiedener Biomassepfade206

Autarkie bezüglich Rohstoffen und Energieversorgungsunternehmen liegen. Auch


die wenigen Möglichkeiten zur Partizipation wirken sich hier sehr negativ aus.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist jedoch methodisch festzuhalten, dass eine
Spinnweb-Darstellung einen irreführenden visuellen Eindruck vermitteln kann, weil
durch die gleichen Winkel zwischen allen Kriterienstrahlen eine Gleichgewichtung
aller Kriterien suggeriert wird und die Fläche unter der Alternativenlinie möglicher-
weise als eine Art Präferenzwert interpretiert wird. Im Hinblick auf die exem-
plarische Fallstudie ist es außerdem durchaus als kritisch zu werten, dass nur eine
Dimension des Entscheidungsproblems, nämlich die der sozialen Kriterien der
Nachhaltigkeit, betrachtet wird.
Eine ganzheitliche Einschätzung der Eignung bestimmter Biogaskonzepte für
eine bestimmte Region ist nur möglich, wenn letztlich auch die ökologischen, die
ökonomischen und die technischen Kriterien mit einbezogen werden. Weiter müssen
beispielsweise auch die geographischen Gegebenheiten wie Bodenbeschaffenheit,
klimatische Bedingungen oder aber Möglichkeiten der wirtschaftlichen Nutzung

Verglichen wurden ein „Bioenergiedorf“ (BED), „Biogaseinzelanlage“ (BGA) und „Biogas-


206

großanlage mit Einspeisung“ (BGA-Einspeisung).


196 3  Rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

der Abwärme berücksichtigt werden, wie es im Forschungsprojekt „Biomasse


im Spannungsfeld“ angestrebt wird. Ein allgemeingültiger Vergleich der drei
betrachteten Alternativen (Bioenergiedorf, Biogas-Einzelanlage, Biogas-Groß-
anlage) ist schwerlich möglich. Da das Forschungsvorhaben „Biomasse im
Spannungsfeld“ auf das Forschungsprojekt „Bioenergiedorf Jühnde“ aufbaut,
liegen für diese Alternative detaillierte Daten vor bzw. werden unter anderem in
aktuellen landwirtschaftlichen Anbauversuchen erforscht. Hingegen sind aus
betrieblichen Geheimhaltungsinteressen Daten für Biogaseinzelanlagen sowie ins-
besondere für Biogasgroßanlagen schwer mit der gleichen Genauigkeit zu ermitteln.
Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen
Größendimensionen. So haben Biogasgroßanlagen einen weit größeren Biomasse-
Einzugsbereich. Um eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen, wird das Konzept
der „funktionalen Einheit“, wie es aus der Ökobilanzierung bekannt ist, genutzt.
Sämtliche Kriterienausprägungen müssten dann nach Möglichkeit auf die Agrar-
fläche normiert werden. Dies ist insbesondere für die Bewertung der ökologischen
und ökonomischen Nachhaltigkeit wichtig, aber weniger für die Erprobung der
sozialen Kriterien, deren Bewertung deshalb hier schon durchgeführt werden
konnte.
Trotz dieser einschränkenden Anmerkungen stellt die bewusste Fokussierung
auf die sozialen Kriterien bei der Bewertung von Biomassenutzungskonzepten in
diesem Beitrag einen Kontrapunkt zu vielen anderen Studien dar, die genau diese
Dimension der Nachhaltigkeit ausklammern.

3.4.8 Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurden soziale Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit von
Biogas-Vorhaben vorgestellt. Anhand erster Ergebnisse eines Forschungsvorhabens
„Biomasse im Spannungsfeld“ wurde ein Vergleich zwischen einer Biogaseinzel-
anlage, einem Bioenergiedorf sowie einer Biogasgroßanlage bezüglich sozialer
Kriterien durchgeführt. Dabei weist das Bioenergiedorf einige Stärken auf: Die
Aspekte der Partizipation und ihre Auswirkungen, nämlich eine Erhöhung von Wir-
Gefühl, Selbstwirksamkeitsüberzeugung und Sinnerleben sind höher ausgeprägt
als bei den Vergleichsszenarien. Nur durch die Einbeziehung der Bevölkerung an
der Planung und an der Finanzierung wird der auch für andere Lebensbereiche so
wichtige Aspekt des „Empowerment“, der Ertüchtigung und Befähigung vieler
Individuen, gestärkt und damit Potenzial geschaffen für die tatsächliche Umsetzung
einer nachhaltigen Entwicklung durch zahlreiche einzelne Menschen. Auch die
bei den drei Alternativen objektiv vom Ausmaß her vergleichbaren Mengen an
Lärm, Geruch sowie auch das äußere Erscheinungsbild von technischen Anlagen
und Anbaukonzepten werden beim Bioenergiedorf eher akzeptiert und sogar sub-
jektiv als geringer belastend eingestuft, weil hier die Menschen von Beginn an
durch regelmäßige Informationen und Beteiligungsmöglichkeit an den Planungen
und an der Finanzierung „mitgenommen“ werden. Es herrschen Transparenz und
3.4 Literatur 197

Offenheit, die zu weniger Misstrauen seitens der Bevölkerung bezüglich der tech-
nischen Neuerungen führen.
In Zukunft wird zu untersuchen sein, wie eine Partizipation gelingen kann, ohne
dass mögliche Nachteile wie Überlastung, Überforderung, Frustration von Par-
tizipationserwartungen, informelle Machtstrukturen und Verantwortungsdiffusion
(vgl. Müller et al. 2004) zum Tragen kommen. Zwar ermöglicht die Schaffung
benutzerfreundlicher Werkzeuge (sog. „Tools“) auf der Basis von modernen Kom-
munikationsplattformen bereits eine partizipative Entscheidungsunterstützung
(Hämäläinen et al. 2010), doch sind diese Art von Werkzeugen häufig nur von
Experten intuitiv zu bedienen (Geldermann & Ludwig 2007). Hier gilt es, die geeig-
neten Methoden so zu kombinieren und den von der Entscheidung über Biogas-Vor-
haben betroffenen Personen nahezubringen, dass eine konsensfähige Lösung für
eine nachhaltige Energieversorgung gefunden werden kann. Wesentlicher Bestand-
teil ist dabei eine transparente und nachvollziehbare Aufbereitung der gesammelten
Daten zu den untersuchten Alternativen. Dazu leistet die Mehrzielentscheidungs-
unterstützung einen wichtigen Beitrag, indem sie ökologische, ökonomische, tech-
nische und soziale Kriterien, die in sehr unterschiedlichen Maßeinheiten gemessen
werden, in einer Gesamtschau als dimensionslose Präferenz- oder Nutzenwerte
zusammenfasst und insbesondere die getroffenen Annahmen bei der Gewichtung
der Kriterien offenlegt und visualisiert.

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Technische Aspekte
4

4.1 Strukturierung des Biomasseangebots

Matthias Grotsch

Je nach Größe einer Biogasanlage (BGA) werden große Mengen an Substrat für
eine Laufzeit von z. T. über 20 Jahren konstant benötigt. Die Wirtschaftlichkeit der
Anlage hängt zu großen Teilen von den Kosten der Substratversorgung und der
nachgelagerten Gärrestausbringung ab. Langfristige Verträge und ein geschickter
Substratmix können hier zur Optimierung der Substratkosten führen. Die dauer-
hafte, preislich belastbare Sicherstellung der Substratversorgung sollte oberste
Priorität und Vorrang vor einer „maximalen Chancenerzeugung/Spekulation“ beim
Preisgefüge haben.
Bei Biogasanlagen, die nachwachsende Rohstoffe (NawaRo) einsetzen, sieht
das EEG neben der festen Einspeisevergütung zusätzlich einen NawaRo-Bonus (ab
EEG 2012 im Prinzip Vergütungsklasse I) je erzeugter kWh Strom vor. Dadurch
wird die Nutzung von Energiepflanzen als Substrat profitabel. Die wohl bekannteste
und mittlerweile meist diskutierte Energiepflanze ist der Mais. Daneben werden
unter anderem auch Zuckerrüben, Grassilage oder Ganzpflanzensilage (GPS) als
Substrate eingesetzt. Viele weitere Pflanzen befinden sich in der Entwicklung oder
Erprobung. Neben den nachwachsenden Rohstoffen wird auf Milchvieh- oder Ver-
edelungsbetrieben regelmäßig auch die anfallende Gülle bei der Gasproduktion mit
verwendet.
Bei der Strukturierung des Biomasseangebotes sind auch aus kaufmännischer
Sicht diverse Punkte zu beachten. Die hier aufgeführte Reihenfolge stellt dabei
keine Rangfolge dar, vielmehr greifen alle Sachverhalte mehr oder weniger stark
ineinander über.

J. Böttcher, Management von Biogas-Projekten,


DOI 10.1007/978-3-642-20956-7_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 205
206 4  Technische Aspekte

4.1.1 Substrat-Auswahl

4.1.1.1 Substrat-Verfügbarkeit vor Ort


Schon bei den ersten Überlegungen, eine BGA zu errichten, wird neben der auf
die Örtlichkeiten (inkl. Wärmekonzept) abgestimmten Nennleistung die Frage
zu klären sein, welche Substrate überhaupt zum Einsatz kommen sollen. Hier ist
zunächst zu klären, was der Betrieb (Hofanlage unterstellt) selbst an Substraten
wirtschaftlich sinnvoll liefern kann und was darüber hinaus an Substrat benötigt
wird, um die geplante Auslastung zu erreichen. Neben der Monovergärung von
Mais ist eine häufig anzutreffende Kombination z. B. die Verwertung von Gülle
aus dem eigenen Veredelungs- oder Milchbetrieb sowie Mais aus eigenem Anbau.
Der Anbau auf eigenen Flächen bietet hier den nicht zu unterschätzenden Vor-
teil, dass die BGA nicht von anderen Zulieferern abhängig ist. Die BGA soll z. T.
über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren betrieben werden und obwohl das EEG
Preissicherheit für große Teile des Umsatzes bietet, wird eine Kostensicherheit über
diesen langen Zeitraum beim Substratzukauf bzw. bei der Höhe der Pachten kaum
zu gewährleisten sein.
Nur wenige Betriebe haben ausreichend eigene Flächen, um die Substratver-
sorgung komplett übernehmen zu können, da neben dem Maisanbau auch oft noch
der Futtermittelanbau für den eigenen Tierbestand zu gewährleisten ist. Daher
sollten Pachtverträge bzw. Liefer- und Abnahmeverträge über einen möglichst
langen Zeitraum geschlossen werden, um Planungssicherheit zu erhalten. Lange
Wege zu den Flächen erhöhen die Kosten und sollten daher vermieden werden
(s. Abschn. 4.1.2 und Abschn. 4.1.3).

4.1.1.2 Substrat-Mix: Machbarkeit versus Zweckmäßigkeit


Nachdem prinzipiell klar ist, welche Substrate vor Ort grundsätzlich zum Ein-
satz kommen können, ist festzulegen, welche Substrate davon tatsächlich einge-
setzt werden sollen. Hier sind neben biologisch/chemischen Aspekten der Sub-
strate untereinander auch mechanische bzw. verfahrenstechnische, finanzielle und
regulatorische Aspekte sowie das öffentliche Interesse zu berücksichtigen. Dabei
kann man die einzelnen Sachfelder oft nicht isoliert betrachten, da z. B. Änderungen
im biologischen Prozess oft auch mechanisch/verfahrenstechnische Anpassungen
etc. erforderlich machen.
Einer der wichtigsten Punkte, die beachtet werden müssen, ist auch aus kauf-
männischer Sicht, wie sich die Biologie im Fermenter verhält, sofern verschiedene
Substrate eingesetzt werden, weil ein reibungslos funktionierender biologischer
Prozess die Grundlage für wirtschaftlich profitable BGAs ist. Ohne auf die Biologie
im Detail einzugehen, seien hier einige Schlagworte für den Einsatz von Co-Sub-
straten genannt:
• Ändert sich der pH-Wert mit entsprechenden Auswirkungen auf die Biologie
(Gegenmaßnahmen erforderlich)?
• Ändert sich die Reaktionsgeschwindigkeit/ Verweilzeit/ Durchlaufgeschwindig-
keit (häufigere Kontrollen erforderlich)?
4.1  Strukturierung des Biomasseangebots 207

• Muss das Co-Substrat besonders aufgeschlüsselt werden, damit es im


Fermentationsprozess verfügbar ist (Hydrolyse, Nasszerkleinerer etc.)?
• Werden andere Spurenelemente oder andere Mengen an Spurenelementen
benötigt?
• Ändert sich die Gasausbeute je t Frischmasse (FM) signifikant?
• Ändert sich der Methangehalt des erzeugten Gases signifikant?
• Kann das Co-Substrat auch ad hoc abgesetzt werden, ohne dass der biologische
Prozess gefährdet wird?
Auch bei den mechanischen Aspekten sind einige Fragen bei der Verwendung
verschiedener Substrate zu berücksichtigen, die direkten oder indirekten Einfluss
auf die Wirtschaftlichkeit der BGA haben. Einige davon sind:
• Stellt die Lagerung des Co-Substrates besondere Anforderungen?
• Ist dies der Fall, ist zu prüfen, ob der eventuelle (Preis-)Vorteil durch höhere
Lager/Logistikkosten nicht wieder aufgezehrt wird
• Wie kann/muss die Einbringung in den Prozess erfolgen?
• Kann das Co-Substrat z. B. über den normalen Dosierer mit zugefüttert werden?
• Oder werden spezielle Zusatztechnik/Investitionen benötigt (Lagertank, extra
Leitungsanbindung, Pumpentechnik, Steuerung)?
• Welche Auswirkungen hat das Co-Substrat auf die Konsistenz der Gärmasse im
Faulraum (zunehmende Viskosität führt zu schlechterem Durchmischungsver-
halten, höherem Stromverbrauch, höheren mechanischen Belastungen der Trans-
portsysteme, Mischwerke und Pumpen etc.)?

4.1.1.3 Variabel gehaltener Substrat-Mix versus


Zuschuss-Berechtigungen
Der grundsätzlich zu begrüßende, variabel gehaltene Substratmix birgt neben
biologischen, mechanischen und lagertechnischen Herausforderungen noch wei-
tere Fragen, welche geklärt werden sollten, sofern man einen problemlosen Betrieb
der jeweiligen BGA gewährleisten will. Obwohl nüchtern betrachtet ein variabel
gehaltener Substratmix besonders im Hinblick auf die öffentliche Meinung sehr
sinnvoll erscheint, sind die EEG-Leitplanken einzuhalten.
• Kann das geplante Co-Substrat eingesetzt werden, ohne dass ich einen der
eventuell vorhandenen Boni nach EEG 2009 Anhang 2 verliere (NawaRo Bonus,
Gülle-Bonus, Landschaftspflegematerial-Bonus)?
• Von 2004 bis 2008 errichtete Biogasanlagen konnten unter bestimmten
Bedingungen den durch das EEG 2004 garantierten Technologiebonus für die
Trockenfermentation (TF-Bonus) in Anspruch nehmen, der eine um 2 Cent pro
eingespeister kWh Strom erhöhte Vergütung für 20 Jahre ermöglichte.
Sollten die noch gültigen Boni bei der Novellierung des EEG für neue Anlagen
an Bedeutung verlieren, so sind sie für die Wirtschaftlichkeit vieler bestehender
Anlagen von entscheidender Bedeutung. Regelmäßig ist das ursprüngliche Anlagen-
konzept extra so ausgelegt worden, um einen oder mehrere Boni zu erhalten.
Ebenfalls im EEG 2009 Anhang 2 ist geregelt:„Sobald die Voraussetzungen
nicht mehr erfüllt sind, entfällt der Anspruch auf den Bonus endgültig, soweit sich
nicht aus der Rechtsverordnung nach § 64 Absatz 2 etwas anderes ergibt.“
208 4  Technische Aspekte

Dies verdeutlicht sehr eindringlich, dass sorgfältig zu prüfen ist, ob die vor-
gesehenen Co-Substrate die eventuell bestehenden Boni-Ansprüche nicht
gefährden, damit aus einer „einmaligen Gelegenheit“ für günstiges Substrat kein
wirtschaftliches Desaster wird. Ein dauerhafter Verlust z. B. des NawaRo-Bonus
sollte unter allen Umständen vermieden werden.

4.1.1.4 Substrat-Variabilität versus Monovergärung


Aus biologischer Sicht kann „Vielfalt im Fermenter“ Vorteile bringen. So kann
die Verwendung von Co-Substraten zu einer stabileren Biologie führen und z. T.
können dann auch die Beigaben von Nährstoffen/Spurenelementen etwas reduziert
werden, wenn das Co-Substrat diese liefern kann. Allerdings sollte das Gemisch der
Substrate möglichst konstant gehalten werden, da der Wechsel von Substraten bzw.
dessen Zusammensetzung zu Schwankungen im Gasproduktionsprozess führen
kann.
Auch eine zumindest temporäre Steigerung des Methangehaltes ist möglich. So
hat z. B. die Zugabe von Zuckerrübensilage in Mais-/Gülleanlagen bereits kurz-
fristige Steigerungen des Methangehaltes des Biogases auf über 56 % zur Folge
gehabt. Obwohl diese Werte nicht dauerhaft gehalten wurden bzw. nicht als
repräsentativ anzusehen sind, zeigen sie doch auf, dass die Kombination von ver-
schiedenen Substraten unter Umständen positive Wechselwirkungen auf die Gas-
produktion hat.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann die Verwendung von verschiedenen
Substraten ebenfalls Vorteile bringen, sofern diese günstig zugekauft werden, bzw.
wenn sie sowieso zur Verfügung stehen. Des Weiteren sollte neben praktischen
Überlegungen auch bedacht werden, ob die Verwendung von verschiedenen Sub-
straten für die individuelle Situation sinnvoll ist, denn:
• Die Verwendung von verschiedenen Substraten erhöht oftmals den Verwaltungs-
aufwand
• Evtl. müssen andere Nährstoffe oder andere Mengen von Nährstoffen verwendet
werden
• Die Kosten der Lagerhaltung können steigen, da Co-Substrate regelmäßig
separat gelagert werden
• Die richtige Dosierung der Substrate zueinander muss z. T. erst herausgefunden
werden, um die Biologie nicht zu gefährden (Kompatibilität)
• Die Durchlaufgeschwindigkeit bzw. die Verweilzeit der Substrate muss
zueinander passen. Dies kann man eventuell durch Aufbereitung erreichen
(Hydrolyse etc.)
• Sofern die Gasausbeute je t Frischmasse (FM) bei Co-Substraten signifikant ver-
schieden ist, ist dies bei der Kalkulation der Gärrestlager-Kapazitäten etc. zu
berücksichtigen
• Muss mehr Volumen gelagert oder bewegt werden, sollte dies bei der Kalkulation
(Logistikaufwand) zur Entscheidungsfindung für oder gegen das Co-Substrat
berücksichtigt werden.
4.1  Strukturierung des Biomasseangebots 209

4.1.2 Lieferverträge für Substrate

Da in den meisten Fällen nicht alles benötigte Substrat auf eigenen Flächen ange-
baut wird, müssen die fehlenden Mengen in möglichst guter Qualität regelmäßig
von anderen Betrieben zugekauft werden. Hier gibt es grundsätzlich zwei Vor-
gehensweisen. Zum einen ist es möglich, die fehlenden Mengen kurzfristig mit
bis zu einem Jahr Vorlaufzeit sicher zu stellen. Auf der anderen Seite kann man
anstreben, die Lücken mit langfristigen Lieferverträgen zu schließen.
In vielen Fällen müssen dabei nicht nur kleinere Mengen, sondern erhebliche
Teile des Substrates zugekauft werden, daher kommt den Lieferverträgen eindeutig
eine Schlüsselposition bei der Wirtschaftlichkeit der gesamten BGA zu. Hier sind
also genaue Überlegungen und sorgfältige Verhandlungen obligatorisch.
Grundsätzlich sind mittel- und langfristige Lieferverträge für beide Seiten
interessant, damit auch der Lieferant in Zeiten sich schnell ändernder Preise für
Agrarerzeugnisse eine sichere Kalkulationsgrundlage hat. Nur sofern sich beide
Vertragsparteien darüber im Klaren sind, dass durch die Lieferverträge eine
gegenseitige Abhängigkeit besteht und Bedingungen geschaffen werden, die die
Interessen beider Parteien berücksichtigen, wird eine langfristige Zusammenarbeit
möglich sein.
Juristisch regelt der Liefervertrag nach BGB die Rechtsbeziehungen zwischen
dem Anlagenbetreiber und dem Lieferanten von Substraten (meistens Land-
wirte aus der Region). Bei der Formulierung der Lieferverträge müssen oftmals
Besonderheiten berücksichtigt werden, so dass Standardverträge nicht immer
brauchbar sind. Es macht oft einen deutlichen Unterschied, ob der Landwirt Mit-
eigentümer und/oder auch Anlagenführer oder „nur“ Substratlieferant ist. Je höher
das Interesse des Substratlieferanten ist, dass die BGA wirtschaftlich erfolgreich
betrieben werden kann, um so eher wird man sich auf für die BGA auskömmliche
Vertragskonditionen einigen.
Der Liefervertrag selbst sollte so präzise wie möglich formuliert sein, um
Unklarheiten und spätere Streitereien zu vermeiden. Neben der Art des Substrates
wird man hier auch dezidiert auf Mengen bzw. Tonnage (m³ bzw. t) sowie auf die
Qualität des Rohstoffes (Trockensubstanz, Schnittlänge, Fremdstoffe etc.) eingehen.
Da Ernten naturgemäß nicht genau im Voraus zu berechnen sind, sollten bei
Menge und Qualität auch gewisse Korridore bzw. Schwankungsbreiten vorgesehen
werden (mehr und minder). Sollten die vorgegebenen Korridore unterschritten bzw.
überschritten werden, ist im Vorwege festzulegen, wie dann das weitere Prozedere
aussieht. Denkbar sind Vertragsstrafen, Ersatzlieferungen oder einfach nur eine
rechtzeitige Meldepflicht etc.
Sofern das Risiko beim BGA-Betreiber liegt, sollte jedoch sichergestellt sein,
dass er genug Zeit hat, Ersatzlieferungen zu beschaffen bzw. Übermengen (sofern
er sie denn abnimmt oder abnehmen muss) zu veräußern.
Alternativ können auch Anbauflächen vereinbart werden. Ob hier dann zusätzlich
Mengen- und Qualitätsgrenzen mit vereinbart werden, bleibt der individuellen
Gestaltung überlassen. Ein zu enges Korsett wird aber nicht zu einer beidseitig
dauerhaften, befriedigenden Zusammenarbeit führen.
210 4  Technische Aspekte

4.1.2.1 Laufzeiten
Die Laufzeiten der Lieferverträge werden häufig Kompromisse sein. Der Anlagen-
betreiber wird versuchen, eine möglichst lange Laufzeit mit festgesetzten Preisen
bzw. Preisstaffeln zu vereinbaren, um Planungssicherheit zu erlangen (z. T. auch
Auflage der finanzierenden Bank (s. Abschn. 4.1.2.2).
Der Lieferant bzw. Landwirt wird – zumindest was die Preisgestaltung angeht –
eher kürzere Laufzeiten favorisieren, um auf Preisentwicklungen besser reagieren
zu können. Dies gilt insbesondere in Zeiten schlechter Ernten und steigender Sub-
stratpreise, in denen sich das verfügbare Substrat am Markt noch weiter verteuert.
In der Praxis variieren die Laufzeiten von Lieferverträgen daher erheblich. Als
Kompromiss sind Lieferverträge mit einer Laufzeit von 5 Jahren häufig anzutreffen.

4.1.2.2 Preisgestaltung, Zahlungs- und Lieferbedingungen


Energiepflanzen, die als Substrat für BGAs dienen, haben aus logistischer Sicht
nur einen relativ geringen Preis je m³ und damit eine geringe Transportwürdigkeit.
Daher sind weite Transportstrecken schnell unrentabel für den Betrieb einer BGA.
Somit ist klar, dass die Märkte, auf denen Substrate gehandelt werden, regional
sind. Übergeordnete Preisnotierungen gibt es hier nicht, bzw. die Preise in anderen
Regionen oder anderen Bundesländern haben auf den Preis vor Ort wenig bis
keinen Einfluss. Das bedeutet, dass die Landwirte vor Ort und der BGA-Betreiber
einen Preis verhandeln müssen.
Dabei sind der Preisspanne nach oben und unten Grenzen gesetzt. Sofern der
Landwirt keinen Gewinn mit dem Anbau der Energiepflanzen erzielt, oder dieser
deutlich unter dem Gewinn liegt, den er mit dem Anbau von anderen Pflanzen
erzielen könnte, wird er sehr wahrscheinlich keinen Liefervertrag mit dem BGA-
Betreiber schließen. Hier spielt auch die Bodenqualität eine wichtige Rolle, denn
der Bearbeitungsaufwand auf leichten Böden ist normalerweise nicht geringer als
der auf Böden mit höherer Punktzahl. Die Erträge in t/ha sind hier oftmals geringer,
so dass zwangsläufig ein höherer Preis/t zu veranschlagen ist. Sofern die geforderten
Preise für die anzubauenden Energiepflanzen aber so hoch liegen, dass die BGA
keinen angemessenen Gewinn mehr erzielen kann, wird sich der BGA Betreiber
seinerseits nach anderen Lieferanten umsehen (müssen).
Wie oben schon beschrieben, sollte beiden Vertragspartnern klar sein, dass sie
sich z. T. in eine gegenseitige Abhängigkeit begeben und überzogene Forderungen
keine dauerhaft erfolgreiche Geschäftsbeziehung erwarten lassen. Sobald ein Basis-
preis inkl. entsprechender Qualitätsanforderungen verhandelt ist, wird zumindest
bei mittel- und langfristigen Verträgen die Frage zu klären sein, wie sich der Preis
zukünftig ergeben soll. Mögliche Varianten sind z. B.:
• Fixpreis (eher kurzfristige Verträge)
• Preisstaffel (eventuell orientiert an der Preisentwicklung der Vergangenheit)
• Preisbindung an einen Index (eventuell mit Deckelung nach oben und Unter-
grenze nach unten)
• Preisbindung an tatsächliche Produktionskosten
Daneben sind die Zeitpunkte der Bezahlung zu regeln. Auch hier sind den Ver-
handlungen keine Grenzen gesetzt. Vertraglich kann alles von „alles im Voraus“
4.1  Strukturierung des Biomasseangebots 211

bis „alles nach Lieferung“ verhandelt werden. Üblichere Varianten sind aber, dass
entweder nach Lieferung gezahlt wird oder Abschlagszahlungen geleistet werden.
Abschlagszahlungen erscheinen durchaus sinnvoll zu sein, da der Landwirt
bis zur Ernte erhebliche Vorlaufkosten hat (Bodenbearbeitung, Saatgut, Dünger,
Pflanzenschutz etc.). Ein Liquiditätsengpass beim Anbauer mit eventuell daraus
resultierenden Störungen in seinem Betriebsablauf würde vermutlich auch für den
BGA-Betreiber negative Folgen haben.
Zu guter Letzt sollte auch noch ein Blick auf die Lieferbedingungen erfolgen.
Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie aufgrund der eventuell zu berücksichtigenden
Transportkosten regelmäßig einen erheblichen Einfluss auf die Preisgestaltung
haben. Einige mögliche Varianten sind:
• Ab Halm (Eigentumsübergang ab Feld, Abnehmer trägt Kosten für Häckseln,
Transport zum Silo, Einsilieren, Verdichten, Abdecken, Silierverluste, Transport
zum Einfülltrichter)
• Frei Siloplatte (Eigentumsübergang ab Silo, Abnehmer trägt Kosten für Ein-
silieren, Verdichten, Abdecken, Silierverluste, Transport zum Einfülltrichter)
• Frei Eintrag (Eigentumsübergang ab Eintrag, Abnehmer trägt Kosten für den
Transport zum Einfülltrichter)

4.1.2.3 Anforderungen finanzierender Banken


Die Anforderungen der finanzierenden Banken an die Substratversorgung sind sehr
unterschiedlich. In der Tendenz ist aber erkennbar, dass Banken sich zunehmend
die Sicherstellung größerer Teile des benötigten Substrates mittel- bis langfristig
nachweisen lassen (Auszahlungsvoraussetzung), bevor sie einer Valutierung von
Darlehensmitteln zustimmen.
75–80 % des benötigten Substrates für mindestens 5–7 Jahre gesichert zu haben,
ist in der Praxis eine nicht selten anzutreffende Auflage der Banken. Einige Banken
sehen da mehr Spielraum nach unten, einige weniger. Zum Teil wird auch gefordert,
dass z. B. mindestens 40 % des Substrates auf eigenen oder auf länger als 10 Jahre
gepachteten Flächen selbst angebaut werden muss.
Eine einheitliche Struktur gibt es hier natürlich nicht, da die Institute dies
unterschiedlich handhaben. Sofern größere Mengen des Substrates auf eigenen
Flächen angebaut werden, ist das aus Sicht der Bank immer sehr positiv, da nicht
nur das Marktpreisrisiko für das Substrat entfällt, sondern auch das Pachtpreisrisiko.
Dass Banken auch Qualitätsklauseln in den Lieferverträgen verlangen, scheint
eher selten zu sein. Oft reicht die Sicherstellung großer Teile der benötigten Sub-
stratmengen. Die Aufnahme von Qualitätsstandards in die Lieferverträge sollte
mehr im Interesse des BGA-Betreibers liegen.
Sobald Substrate an eine BGA geliefert werden, welche ganz oder teilweise durch
eine Bank finanziert werden (Darlehen oder Kreditlinie), ist zu berücksichtigen,
dass das Kreditinstitut die Sicherungsübereignung (incl. Anschlusszession) des
Rohstoffes verlangen wird.
212 4  Technische Aspekte

4.1.3 Substrat-Logistik

In Zeiten steigender Transportkosten ist es besonders für BGAs wichtig, die


Betriebskosten stetig zu analysieren und – wenn möglich – zu optimieren. Im
Gegensatz zu den Transportunternehmen, die z. B. steigende Dieselpreise oder die
LKW-Maut an den Kunden weiter geben können, ist der Umsatz einer BGA durch
das EEG – abgesehen von Wärmeerlösen – nach oben begrenzt bzw. festgelegt. So
stiegen z. B. die Dieselpreise inkl. Umsatzsteuer seit 2005 bis Juli 2011 um 28,9 %
(BGL 2011).
Unter wirtschaftlichen und umwelttechnisch-/energetischen Gesichtspunkten
sollten daher die Transportwege des einzulagernden Substrates bzw. des abzu-
fahrenden Gärrestes möglichst kurz gehalten werden. Da zur Zeit das Gros der
BGAs mit dem Rohstoff Mais als Hauptsubstrat betrieben wird, der neben der
energetischen Verwendung in der Hauptsache als Futtermittel angebaut wird, kann
es in der Aussaat- und Erntezeit durchaus zu Engpässen bezüglich der benötigten
Maschinen kommen.
Neben rein landwirtschaftlichen Maschinen betrifft dies auch die Transportmittel.
Es erscheint also ratsam, frühzeitig die Verfügbarkeit aller benötigten Maschinen
sicher zu stellen. Sofern nicht der komplett benötigte Fuhrpark im Eigentum der
erntenden und liefernden Landwirte steht, sollten auch einige Tage für Schlecht-
wetterpausen extra eingeplant werden.
Bei der Wahl der Transportmittel kommt es entscheidend auf die Entfernung
an, über die die Ernte bis zur BGA transportiert werden muss. Bei kürzeren Dis-
tanzen ist der Einsatz von Schleppern mit Anhängern durchaus sinnvoll, da das Sub-
strat nach dem Häckseln nicht noch einmal umgeladen werden muss. Über größere
Distanzen ist der Einsatz von Schleppern hingegen oft nicht sinnvoll, hier bringen
Lastzüge trotz des nötigen Umladens häufig Kosten- und Zeitvorteile (Handler et
al. 2011). Grundsätzlich wird man jedoch bestrebt sein, das Substrat in der näheren
Umgebung zu erzeugen und nur in Ausnahmefällen Substrat auch bei größeren Dis-
tanzen hinzu zu kaufen.
Darüber hinaus sind gewerbliche Transporte steuerlich schlechter gestellt, denn
die Vergünstigungen für die Land- und Forstwirtschaft (Stichwort: Agrardiesel)
gehen hier verloren. Sofern aber vereinbart wird, dass der Eigentumsübergang erst
„ab Siloplatte“ erfolgt, kann dies unter Umständen vermieden werden.

4.1.3.1 Anbaulogistik
Bei der Planung einer BGA spielen logistische Fragestellungen aufgrund der erheb-
lichen Stoffströme eine große Rolle. Neben der Betrachtung der Transportwege
gehört auch die sorgfältige Planung des Substratanbaus dazu.
Um die Substratversorgung einer BGA sicher zu stellen, werden regelmäßig
nicht unerhebliche Flächen benötigt. Ob der Betreiber selbst Flächen bewirtschaftet
oder Landwirte nur als Lieferanten auftreten: Die Entscheidung, welche Flächen
letztlich zum Anbau des Substrates dienen sollen, ist wichtig.
Wie bereits erwähnt, spielt neben der Länge der Transportwege zu und von den
Flächen auch die Bodenqualität eine wichtige Rolle, denn die Erträge pro ha haben
4.1  Strukturierung des Biomasseangebots 213

Abb. 4.1 Entwicklung des Dieselpreisindex seit 2005

einen großen Einfluss auf den Substratpreis. Trotz geringer Bodenqualität ist der
Aufwand der Flächenbewirtschaftung nicht geringer als auf besseren Böden. Für die
Gewinnung einer bestimmten Menge Substrat werden bei geringer Bodenqualität
daher mehr Flächen benötigt, die eventuell gepachtet und bearbeitet werden müssen.
All das sorgt für höhere Kosten.
Bei der Flächenplanung ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass auf den zunächst
ausgewählten Flächen nicht ständig die gleichen Feldfrüchte angebaut werden
sollten/können. Eine vorausschauende Fruchtfolgeplanung ist daher sinnvoll, auch
um sicher zu stellen, dass langfristig genug Flächen für den Substratanbau zur Ver-
fügung stehen. Weiterhin ist es sinnvoll, auf den eigenen Flächen und nach eigenem
Bedarf abgestimmte Sorten von Substratpflanzen anzubauen. Beim Mais gibt es
inzwischen eine Vielzahl von Sorten mit spezifischen Eigenschaften, so dass durch
die Einbindung eines Anbauberaters Probleme im Vorwege minimierbar sind. Hier
kann man dann mit dessen Hilfe die Sorten wählen, die den eigenen Anforderungen
beim Preis-Leistungs-Verhältnis gerecht werden. An eine rechtzeitige Bestellung
einer ausreichenden Menge des Saatgutes sollte ebenfalls gedacht werden, so banal
das klingen mag.
Ebenso gehören eine Personalplanung und die rechtzeitige Vorbereitung des
Maschinenparks zu einem erfolgreichen und möglichst reibungslosen Anbau der
Substratpflanzen. Besonders die Wartung der Maschinen rechtzeitig vor Anbau-
beginn kann eine entscheidende Komponente sein, da in der Hochsaison oftmals mit
Wartezeiten zu rechnen ist, bis entsprechende Mechaniker zur Verfügung stehen.
214 4  Technische Aspekte

4.1.3.2 Erntelogistik
Die Herausforderung bei der Koordination der Erntelogistik besteht darin, dass
oftmals innerhalb kürzester Zeit große Mengen geerntet, gehäckselt, trans-
portiert und eingelagert werden müssen, um ein optimales Ertragsergebnis mit
einer Minimierung von Silier- und Lagerverlusten zu erzielen. Die z. T. extremen
Wetterbedingungen machen es dabei schwer, den Erntetermin frühzeitig fest-
zulegen. Umso wichtiger ist es, dass analog zu den Anbauvorbereitungen alle
Maschinen möglichst rechtzeitig voll einsatzbereit sind. Hier ist eine etwas frühere
Wartung zur Vermeidung von Maschinenausfällen sehr wahrscheinlich profitabler,
als die Wartung nach hinten zu schieben und in der kritischen Phase mit defektem
Gerät Ausfallzeiten hinnehmen zu müssen.
Bei der Planung der Transportkette vom Halm bis zur Silage ist es oftmals die
Geschwindigkeit der zur Verfügung stehenden Häcksler, die aufzeigt, wie viel
Masse in welcher Zeit abtransportiert und verarbeitet werden muss, um Stillstand-
zeiten des Häckslers zu vermeiden. Hier müssen dann Länge der Transportwege,
Ladekapazitäten und auch die Geschwindigkeit der Transportfahrzeuge mit ein-
bezogen werden (Handler et al. 2011). Sofern die Entfernungen zur BGA jedoch zu
groß werden, ist es unter Umständen sinnvoll, auch Wartezeiten beim Häckseln hin-
zunehmen, anstatt eine Vielzahl von Transportfahrzeugen einzusetzen. Sollte eine
große Zahl von Transportfahrzeugen eingesetzt werden, fallen viele Wartezeiten
an, sobald der Häcksler zum Tanken oder zum Verlegen auf andere Schläge unter-
brechen muss. Es ist damit zu rechnen, dass der Häcksler keine konstanten Mengen
produziert. Kleine Schläge oder nicht optimale bzw. wechselnde Bodenbedingungen
sorgen z. T. dafür, dass der Massestrom abnimmt. Welche Art von Maschinen zum
Einsatz kommt, hängt oft wesentlich davon ab, welches Budget für den Kauf oder
die Miete zur Verfügung steht.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass eine optimale Abstimmung der Ernte-
maschinen in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit Kosten vermeiden hilft. Aufgrund
der Vielzahl der Einflussfaktoren und der Tatsache, dass normalerweise nicht
immer die optimalen Maschinen zur Verfügung stehen, wird man das theoretische,
optimale Kosten-Nutzen-Verhältnis aber nie ganz erreichen.

4.1.3.3 Substrat-Einlagerung
Die Tendenz zu größer werdenden BGAs und die zunehmende Zahl von BGAs
sorgen für immer mehr Anbauflächen für Energiepflanzen. Diese erfordern eine
höhere Häckslerleistung, mehr Transportmittel und größere Silos bzw. mehr Lager-
kapazitäten. Die Lagerung an sich ist dabei ein Schlüsselelement: es ist die best-
mögliche Methode in Bezug auf Qualitätserhaltung anzustreben.
Nicht nur aus technischer Sicht ist die richtige Substratlagerung wichtig,
sondern auch wirtschaftlich betrachtet kann die Substrateinlagerung deutlichen Ein-
fluss auf die BGA haben. Neben den Transportwegen sind hier besonders die Art
und die Technik der Einlagerung zu beachten. Substrate werden dabei z. T. ganz
unterschiedlich behandelt und gelagert. Bereits bei der Wahl des Lagerplatzes gibt
es verschiedene Konzepte.
4.1  Strukturierung des Biomasseangebots 215

Üblich ist die zentrale Lagerung direkt auf dem Gelände der BGA. Aber auch
dezentrale Lösungen zur Lagerung des Substrates sind möglich. Der klare Vorteil
der zentralen Lagerung vor Ort ist der in der Regel deutlich geringere logistische
Aufwand während des regulären Betriebes der BGA. Zwischen den Ernten wird
üblicherweise nur ein Teleskoplader benötigt, um das Substrat von der Silageplatte
zum Einfüllbehälter zu fahren. Größeres Gerät ist meist nicht von Nöten. Daneben
hat das Substrat vor Ort oft eine sehr konstante Silagequalität, was die Steuerung
des biologischen Prozesses vereinfacht. Da die Silage vor Ort nicht noch einmal
zwischengelagert werden muss, bevor sie in den Fermenter eingebracht wird, sind
bei ansonsten gleicher Lagerung auch die Silierverluste etwas geringer als bei
dezentraler Lagerung. Allerdings sind bei der zentralen Lagerung zunächst höhere
Investitionskosten erforderlich, da zum einen mehr Fläche benötigt wird, um die
Siloplatten und eventuell Seitenwände (verringern Silierverluste) zu erstellen. Zum
anderen sind auch das Herrichten der Fläche und der Bau der Siloplatten etc. zu
berücksichtigen. Im Betrieb ist es ebenfalls wahrscheinlich, dass zumindest nach
einigen Jahren Reparaturbedarf bei der Siloanlage entsteht.
Bei der dezentralen Lagerung befindet sich die Silage nicht bei der BGA, sondern
sie wird ausgelagert, eventuell sogar an verschiedenen Plätzen (in der näheren
Umgebung). Diese Lösung bietet sich an, wenn in unmittelbarer Nähe bereits eine
BGA oder andere Betriebe mit entsprechenden Lagerkapazitäten für einen „Jahres-
vorrat“ der benötigten Silage vorhanden sind. Die Silage wird dann in kürzeren
Abständen bzw. kontinuierlich in kleineren Mengen zur BGA geliefert. Zwar spart
man bei den Investitionskosten Fläche und Siloanlage, dafür ist der logistische Auf-
wand aber dauerhaft relativ hoch. Obwohl im optimalen Fall die liefernden Lastzüge
gleich den Gärrest abfahren und somit Leerfahrten vermieden werden, ist der Per-
sonalaufwand höher als bei zentraler Lagerung. Sofern bei der BGA ohnehin kein
Platz für eine Siloanlage zur Verfügung steht, ist die dezentrale Lagerung, sofern sie
sich wirtschaftlich durchführen lässt, obligatorisch.
Sollte die Möglichkeit bestehen, zwischen zentraler und dezentraler Lagerung zu
wählen, sollte man neben der Zusammenstellung aller Kosten auch Silagequalität
und gesicherte Verfügbarkeit in die Überlegungen mit einbeziehen. Darüber
hinaus ist das höhere Verkehrsaufkommen bei dezentraler Lagerung bezüglich der
Akzeptanz der BGA bei der örtlichen Bevölkerung ein nicht zu unterschätzender
Nachteil.
Bei der Einlagerungstechnik gibt es ebenfalls Unterschiede. Energierüben z. B.
können während der kalten Jahreszeit als ganze Frucht in der Miete lagern, sie
können gewaschen und grob gehäckselt in einer Lagune oder in Schläuchen mit
Erde abgedeckten siliert oder zu Mus verarbeitet und dann in Tanks siliert werden
(Hartung 2011). Alle vier beispielhaft genannten Verfahren haben Vor- und Nach-
teile, die individuell auf das jeweilige Anlagenkonzept passen können/müssen.
Die vier hier erwähnten Verfahren werden in der genannten Reihenfolge
anspruchsvoller und teurer, jedoch verbessert sich damit die Lagerfähigkeit zuneh-
mend. Weiterhin nehmen die „Energie“-Verluste des Substrates während der
Lagerung bei den anspruchsvolleren Verfahren zunehmend ab. Ob der Einsatz der
teureren Verfahren wirtschaftlich sinnvoll ist, hängt sehr vom Anlagenkonzept bzw.
216 4  Technische Aspekte

den Gegebenheiten vor Ort und auch von genehmigungsrechtlichen Faktoren ab.
So scheidet z. B. die Lagune als Lösung sehr schnell aus, wenn sich Anwohner
über den Geruch beschweren, oder der Abwasserzweckverband bzw. die Umwelt-
behörde das Grundwasser etc. durch die offene Lagerung gefährdet sehen.
Fragen, die Einfluss auf die Menge und die Lagerung der zu verwendenden
Rüben haben, sind z. B.:
• Gibt das Anlagenkonzept vor, dass die Rüben nur als Nebensubstrat in der Ernte-
zeit bzw. der kalten Jahreszeit von Oktober bis Februar/März zugemischt werden
können?
• Soll die Rübe in der kalten Jahreszeit Hauptsubstrat sein, weil sie lokal zu güns-
tigen Konditionen zu bekommen ist?
• Soll die Rübe aufgrund ihres schnellen Ansprechverhaltens im Fermenter nur zur
Aussteuerung von Bedarfsspitzen genutzt werden?
• Soll die Rübe sogar ganzjährig in kleineren oder größeren Mengen eingesetzt
werden (bis hin zur Monovergärung)?
Mais hingegen wird klassischer Weise in gehäckselter und gepresster Form
als Ganzpflanzensilage gelagert. Obwohl es bei der Lagerung nicht so große
Unterschiede wie z. B. bei der vorgenannten Energierübe gibt, kann sie auch hier
großen Einfluss auf die Qualität und damit auf die Wirtschaftlichkeit der Anlage
haben. Zu fragen ist unter anderem:
• Wie ist die Beschaffenheit der Bodenplatte?
• Liegt die Silage nur als Haufen vor oder gibt es Wände zur Verringerung der
Silierverluste (Rück- und oder Seitenwände)?
• Wurde die Silage hinreichend verdichtet?
• Welche Qualität hat das Abdeckmaterial und wie schnell wurde abgedeckt?

4.1.3.4 Gärrest-Management
Bei dem Betrieb einer BGA fallen erhebliche Mengen Gärrest konstant über das
Jahr an. Überschlägig ist bei einer BGA auf z. B. Rohstoffbasis Mais mit ca. 80 %
der Menge, die als Frischmasse eingebracht wird, als Gärrest zu rechnen. Bei
10.000 t FM sind also der Verbleib und Transport für ca. 8.000 t Gärrest zu regeln.
Idealer Weise ist bereits in den Lieferverträgen geregelt, dass der Sub-
stratlieferant entsprechende Mengen Gärrest zurücknehmen und auf den eigenen
Flächen wieder ausbringen muss. Ohne weitere Behandlung des Gärrestes geht das
aber nur bei Gülle- und NawaRo-Anlagen. Anlagen, die auch Schlachtabfälle o. Ä.
verarbeiten, müssen den Gärrest gemäß der Bioabfallverordnung (BioAbfV) und
der EG-Hygieneverordnung als Biomüll behandeln und entsprechende abfallrecht-
liche Vorschriften erfüllen (Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft 2010).
Sofern möglich, sollte auch vereinbart werden, wann der Gärrest zurück
genommen werden muss und wer die Transport- und Ausbringungskosten trägt usw.
Daneben wird der BGA-Betreiber in der Zeit, in der das Ausbringen von Gärrest auf
Freiflächen verboten ist, für entsprechende Lagerkapazitäten sorgen müssen. Diese
oft als „Endlager“ bezeichneten Behälter sind demnach eher „Zwischenlager“.
Sie sind deshalb ausreichend groß zu dimensionieren, da in Deutschland Sperr-
fristen bezüglich der Gärrestausbringung zu beachten sind. Die Ausbringung von
4.1  Strukturierung des Biomasseangebots 217

Gärrest auf Ackerland ist vom 1. November bis zum 31. Januar, die Ausbringung
auf Grünland vom 15. November bis zum 31. Januar nicht erlaubt. Grundsätzlich
gilt zusätzlich, dass der Boden aufnahmefähig sein muss, d. h. nicht tiefgefroren,
schneebedeckt oder wassergesättigt. In Schutzgebieten können außerdem weitere
einschränkende Vorschriften zu beachten sein. Es kommt durchaus häufiger vor,
dass die Ausbringung noch länger als bis zum 31.01. unterbrochen werden muss.
Daher ist es empfehlenswert, für bis zu sechs Monate oder länger Lagerkapazitäten
für den Gärrest vorzuhalten.
Zusätzlich ist zu regeln, wer die notwendigen Untersuchungen des Gärrestes ver-
anlasst und bezahlt (inkl. notwendiger Dokumente nach Düngeverordnung für die
Düngebilanz).
Wichtig ist, dass der Gärrest wie auch die Gülle aus der Tierhaltung wertvolle
Nährstoffe enthält (z. B. Stickstoff), die man durch Ausbringen auf den für den Sub-
stratanbau genutzten Flächen in den Stoffkreislauf zurückgibt. Die Nährstoffe, die
so wieder auf die Flächen zurückkommen, müssen nicht teuer über anderen Dünger
zugekauft werden, sofern der Gärrest zum richtigen Zeitpunkt (z. B. im Frühjahr)
ausgebracht wird.
Auch die Klimabilanz kann durch den Einsatz von Gärrest anstatt von
Mineraldünger verbessert werden.
Der Gärrest sollte dann mit leistungsfähigen Systemen ausgebracht werden. Fester
Gärrest wird dabei mit Miststreuern verteilt, flüssiger Gärrest mit Güllefässern. Die
Verwendung von Tellerstreuern ist bei flüssigem Gärrest nicht ideal, weil durch die
Verwirbelung mit der Luft Nährstoffe verloren gehen und die Geruchsbelästigung
steigt. Besser sind Schleppschlauch, Schleppschuh oder sogar Injektoren. Eine wei-
tere Möglichkeit ist, den Gärrest mit Hilfe der Abwärme der BHKWs (Verstromung
vor Ort vorausgesetzt) zu trocknen und dann erst auf den landwirtschaftlichen
Flächen auszubringen. Dadurch wird die Transportwürdigkeit erhöht bzw. weiter
entfernt gelegene Flächen können zur Gärrestausbringung noch genutzt werden,
bevor die Transportkosten zu hoch werden. Durch die Abwärmenutzung erhöht sich
zudem die EEG-Vergütung durch Gewährung des KWK-Bonus (EEG 2009 und
früher). Mit dem EEG 2012 ist für neue Anlagen ab dem zweiten Betriebsjahr die
Nutzung von mindestens 60 % der Abwärme Pflicht, sofern man nicht erhebliche
Einschnitte bei der Grundvergütung hinnehmen will.
Ebenfalls ist die Trocknung und anschließende Verwendung des Gärrestes
als Brennstoff denkbar, wobei aber die enthaltenen Schwefel- und Stickstoffver-
bindungen die Kesselanlagen stark belasten und zu hohen Emissionen führen
(Wetter 2006). Werden sehr wasserarme Substrate wie z. B. Getreide eingesetzt,
kann die flüssige Phase aus dem Gärrest auch separiert und zum Anmaischen des
Substrates verwendet werden. Der verbleibende, festere Gärrest hat dann ebenfalls
eine höhere Transportwürdigkeit.
Abschließend ist positiv hervorzuheben, dass, sofern Gülle als Substrat mit ver-
wendet wird, die sonst üblichen Methanemissionen bei der Lagerung der Gülle ver-
ringert werden. Bei der Ausbringung ist daneben eine gegenüber unbehandelter Gülle
deutlich geringere Geruchsemmission zu erwarten, weil im Fermentationsprozess
218 4  Technische Aspekte

die geruchsbildenden Schwefelverbindungen und die organischen Säuren bis auf


den Ammoniak normalerweise stark abgebaut werden.

4.1.4 Substrat-Anbau im Licht der öffentlichen Meinung

In den letzten Jahren hat die Anzahl der BGAs in Deutschland stark zugenommen.
Zum einen bietet das EEG Anreize über eine stabile Vergütungsstruktur, zum
anderen wollen sich immer mehr Landwirte neben ihrem originären Betrieb eine
weitere Möglichkeit schaffen, die Existenz des Hofes längerfristig zu sichern.
Einhergehend damit wurde der Energiepflanzenanbau – und hier im Besonderen
der Maisanbau – entsprechend ausgebaut. Dabei kommt es lokal zunehmend zur
Ballung von BGAs, so dass durch den damit verbundenen schwerpunktmäßigen
Anbau von Mais der Ausdruck der „Vermaisung der Landschaft“ immer häufiger zu
hören ist. Auch wird den BGA-Betreibern vorgeworfen, Flächen für den Anbau der
Energiepflanzen zu nutzen, die ursprünglich der Nahrungsmittelproduktion dienten.
Hierin sehen einige gern die Ursache dafür, dass die Lebensmittelpreise steigen
oder in anderen Teilen der Welt Hunger herrscht.
Darüber hinaus werden von BGA-Betreibern oftmals Flächen zur Produktion
der benötigten Energiepflanzen hinzu gepachtet. Die gebotenen Pachtpreise liegen
hierbei aufgrund der längeren Wertschöpfungskette nicht selten deutlich über den
sonst üblichen Pachtpreisen für landwirtschaftliche Nutzflächen, so dass andere
Landwirte, die ebenfalls Interesse an den Pachtflächen haben, nicht mehr zum Zuge
kommen. Daraus entsteht der Vorwurf, dass die BGA-Betreiber den anderen Land-
wirten die Flächen „wegnehmen“.

4.1.4.1 Grundsätzliche Problemstellungen


Parteiübergreifende Einigkeit besteht inzwischen darüber, dass die Bundesrepublik
die Energiegewinnung aus regenerativen Quellen weiter fördern will. Nicht zuletzt
die Katastrophe in Fukushima hat einer noch breiteren Öffentlichkeit klar gemacht,
dass eine Energiewende nicht nur notwendig ist, weil die fossilen Brennstoffe end-
lich sind, sondern auch weil sich durch deren Einsatz das Erdklima schädlich ver-
ändert. Es ist klar geworden, dass andere, vermeintliche-alternative, nicht fossile
Energiequellen (Atomkraft) hochgradig gefährlich sein können.
Selbst wenn im Prozess keine Unfälle passieren, ist hier die Endlagerthematik
des hochradioaktiven Materials ungeklärt. Kein Forscher oder Politiker kann sich
ernsthaft vor die Öffentlichkeit stellen und behaupten, dass es tatsächlich sinn-
volle, bezahlbare Möglichkeiten gäbe, die brisanten Abfälle für mehrere tausend
Jahre sicher zu verwahren. Die Halbwertszeit von Plutonium 239 z. B. (Bundes-
amt für Strahlenschutz 2010) (einer der giftigsten Stoffe der Welt, benannt nach
dem römischen Gott des Totenreichs „Pluto“) beträgt 24.110 Jahre. Nach Ablauf
dieses Zeitraums ist immer noch die Hälfte des Materials vorhanden. Es bedarf
10 Halbwertzeiten, also 241.100 Jahre, bis „nur“ noch 0,1 % der Ausgangsmenge
vorhanden ist. Selbst diese ist dann noch genauso tödlich wie zum Startzeitpunkt.
Bereits wenige Milligramm sind für einen Menschen tödlich. Andere radioaktive
4.1  Strukturierung des Biomasseangebots 219

Abb. 4.2 Struktur der EE-Energiebereitstellung in Deutschland 2010. (BMU 2011)

Abfälle aus der Atomindustrie haben noch längere Halbwertzeiten und aggressi-
vere Strahlung. Eine beachtliche Gefahrenquelle also, von der niemand ernsthaft
behaupten kann, dass sie kontrollierbar ist.
Für die Gewinnung von regenerativen Energien werden bis auf Ausnahmen
große Flächen benötigt. In Deutschland ist das Gebiet der regenerativen Ener-
giequellen hauptsächlich durch Wasserkraftwerke, Windkraft, Solarenergie und
Biogas besetzt. Gezeitenkraftwerke und Geothermie spielen hier eher eine unterge-
ordnete Rolle und stecken z. T. auch noch im Anfangsstadium der Entwicklung
(BMU 2011). (s. Abb. 4.2)
Wasserkraftwerke sind grundsätzlich grundlastfähig, jedoch sind die möglichen
Standorte in Deutschland auf eine überschaubare Anzahl von Regionen begrenzt.
Windkraftanlagen sind inzwischen sehr hoch und daher weit sichtbar. Trotz der
Bemühungen der Ingenieure verursachen die Rotoren nicht unerheblichen Lärm.
Um namhafte Energiemengen zu gewinnen, sind große Parks notwendig. Solarzellen
haben zurzeit noch eine eher dürftige Effizienz und es sind ebenfalls große Flächen
notwendig, sowie möglichst sonnenreiche Standorte. Solar- und Windenergie haben
darüber hinaus das Problem, dass sie grundsätzlich nicht grundlastfähig sind. Leis-
tungsfähige und bezahlbare Speichertechniken sind zurzeit noch nicht vorhanden.
Biogas ist aufgrund des Zeit und Wetter unabhängigen biologischen Prozesses
grundlastfähig. Zur Erzeugung der benötigten Energiepflanzen werden sehr große
landwirtschaftliche Flächen benötigt, so dass auch hier das Potenzial endlich ist.
Inzwischen gibt es einen breiten Konsens, dass nur ein intelligenter Mix der ver-
schiedenen Energieträger und eine internationale Vernetzung der Energiesysteme,
sowie ein möglichst effizienter und überlegter Einsatz der Energie langfristig zum
Ziel führen können. Eine Mammutaufgabe, die durch die verschiedenen Interessen
der Nationen teuer und sehr kompliziert ist.
Inzwischen ist einer breiten nationalen Öffentlichkeit klar, dass der Ausbau der
regenerativen Energien überlebenswichtig ist. Trotzdem stoßen die Projekte häufig
auf Widerstand. „Regenerative Energien ja, aber bitte woanders und nicht hier“,
220 4  Technische Aspekte

ist eine leider oft zu hörende Aussage. Zentrale Großkraftwerke werden nicht so
flächendeckend wahrgenommen wie die eher dezentrale Energieproduktion über
regenerative Quellen, ein nicht unerhebliches Verständnisproblem.
Auf internationaler Ebene potenzieren sich die Vorstellungen, Ansprüche und
Forderungen noch deutlich. Es gibt zur Zeit noch diverse Länder (z. B. China),
denen der Umwelt- und Klimaschutz offensichtlich nicht viel bedeutet und welche
die kostspieligen Bemühungen der Industrienationen eher als Chance sehen, wirt-
schaftlichen Boden gut zu machen, ohne Rücksicht auf Ressourcen oder die Klima-
entwicklung zu nehmen.
Bei unserer Betrachtung konzentrieren wir uns auf die nationale Sicht auf Bio-
gasvorhaben.

4.1.4.2 Tatsächliche Flächen für Energiepflanzen versus lokale Ballung


In der Psychologie gibt es den Ausdruck der „Überstrahlung“. Gemeint sind
einzelne positive oder negative Ereignisse, die die Beurteilung einer Person oder
einer Situation „überstrahlen“ und so den Gesamteindruck unverhältnismäßig
beeinflussen.
Ähnliches gilt bei der Beurteilung des Maisanbaus in Deutschland. Die
Dominanz des Maises ist längst nicht so groß, wie man aufgrund der derzeitigen
Berichterstattung meinen könnte. Besonders, was den Anbau von Mais für BGAs
betrifft. So wurden in 2010 in Deutschland rund 1,8 Mio. ha zum Anbau von Ener-
giepflanzen genutzt (top agrar online 2011). Das sind 15,2 % der Ackerflächen bzw.
rd. 10 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche (Statistisches Bundesamt
2011). (s. Abb. 4.3)
Energiepflanzen sind nicht nur Mais, sondern es zählen auch z. B. Energierüben,
Raps, Sonnenblumen, Hirse, Sudangras und viele andere dazu. Daneben werden in
BGAs auch Gülle, Mist und Abfälle etc. verwertet. Betrachtet man den Mais all-
gemein, so wurde er 2010 auf einer Fläche von rund. 2,3 Mio. ha bzw. 19,4 % der
gesamten Ackerflächen angebaut (Statistisches Bundesamt 2011), allerdings nicht
nur zur Gewinnung von Substrat für BGAs, sondern hauptsächlich als Futterpflanze
und zur Nahrungsmittelherstellung.
Für BGAs wurden dabei aber lediglich 0,5 Mio. ha bzw. rd. 4 % der Acker-
flächen verwendet (FNR e. V. 2011), der Rest verteilt sich auf die anderen Ver-
wendungszwecke, die schon vor den Biogasanlagen vorhanden waren und nicht
kritisiert wurden. Aber wie schon beschrieben, kommt es regional zu Ballungen,
die durch die Berichterstattung die tatsächliche Faktenlage für ganz Deutschland
überstrahlen.

4.1.4.3 Erhöhung der Akzeptanz


Eine Erhöhung der Akzeptanz lässt sich nur durch Aufklärung und einen intensiven
Dialog mit den Anwohnern im Bereich von BGAs und der breiten Öffentlichkeit
erzielen. Nur wenn diese die Sinnhaftigkeit (z. B. günstiger Wärmebezug) bzw.
auch die Notwendigkeit erkennen, dass die Strom- und Wärmeproduktion zukünftig
immer mehr aus regenerativen Quellen erfolgen muss, kann dies gelingen1.

1
S. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 3.4.
4.1  Strukturierung des Biomasseangebots 221

Abb. 4.3 Aufteilung der landwirtschaftlichen Nutzflächen in Deutschland 2010 in tausend


Hektar. (Statistisches Bundesamt 2011; FNR e. V. 2011)

Es gibt neben der reinen Faktenlage viele Einflussfaktoren, die die Akzeptanz
beeinflussen können. Das fängt beispielsweise schon bei den beteiligten Personen/
Initiatoren an und der Art und Weise, auf die die Anwohner erfahren, dass eine
BGA geplant bzw. gebaut werden soll. Wer Akzeptanz möchte, muss die Anlieger
„abholen“ und „mitnehmen“, ihnen aufzeigen, dass man versuchen wird, ihre
Interessen zu berücksichtigen. Fühlen sich die Anwohner „überfahren“ bzw. fremd-
bestimmt und ungehört, wird es schwer werden, sinnvolle Maßnahmen durch-
zusetzen, ohne dass es zu Streitigkeiten kommt.
Bereits die ersten Schritte in Richtung einer BGA bedürfen daher oftmals einer
nicht unerheblichen Portion Psychologie und Verhandlungsgeschick, damit der wei-
tere Verlauf nicht zu einem Spießrutenlauf wird. Hier kann es durchaus sehr sinn-
voll sein, sich die Hilfe externer Berater zu holen. Obwohl die Bürger z. T. den Bau
einer BGA aufgrund der Privilegierung von Hofanlagen nicht verhindern können,
wird der BGA-Betreiber kein Interesse daran haben, die nächsten Jahre unentwegt
(berechtigt oder unberechtigt) in der Kritik der Anwohner zu stehen.
Bei der Akzeptanz geht es nicht nur um eine eventuelle Geruchsentwicklung
oder zusätzliche Geräuschemissionen im Bereich der BGA. Sofern die BGA auf
bzw. in der Nähe eines existierenden Hofes errichtet wird, sollten das keine allzu
großen zusätzlichen Belastungen sein.
Verändern wird sich aber und hier kommen wir zurück zum Substratmanagement,
die Umstellung der Feldfrüchte auf einen großen Teil Mais und der zunehmende
Verkehr durch Ernte- und Gärresttransporte. Besonders das erhöhte Verkehrs-
aufkommen von LKW und Schleppern sorgt häufig für Auseinandersetzungen.
Besonders die Ernte- und Gärrestlogistik bietet also viel Angriffsfläche für öffent-
liche Kritik, besonders hier sollte man daher versuchen, kreativ die Belastungen der
Anlieger gering zu halten und für Verständnis zu werben.
Abschließend eine Übersicht einiger Maßnahmen, die helfen können, die Akzeptanz
einer BGA zu erhöhen, ohne dass diese einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:
222 4  Technische Aspekte

• Frühzeitige Information und eventuell auch Einbindung der Anwohner


• Höfliches Auftreten mit dem ehrlichen Bemühen, sich die Wünsche und Vorstel-
lungen der Anwohner anzuhören und – sofern sinnvoll und möglich – auch zu
berücksichtigen
• Bereits im Vorwege die Gemeindemitglieder mit größerem Einfluss ansprechen
und positiv für das Projekt stimmen (Verbündete suchen)
• Evtl. Anreize schaffen durch das Angebot einer gegenüber dem Heizöl oder
Erdgas günstigeren (Fern-)Wärmeversorgung
• Arbeitsplätze schaffen, also die benötigten zusätzlichen Arbeitskräfte (auch
saisonal) versuchen, aus der eigenen Region/Ortschaft zu rekrutieren
• Auf die zukünftigen Steuereinnahmen der Gemeinde hinweisen
• Anlagenstandort und Anbauflächen – wenn möglich – so wählen, dass die Ernte-
und Gärresttransporte möglichst wenig durch den Ort fahren müssen
• Sofern wirtschaftlich machbar, eventuell eine eigene Zuwegung zur BGA bauen,
um die Transporte durch den Ort gering zu halten
• Sofern wirtschaftlich machbar, im Vorwege bereits die Reparatur der durch die
notwendigen Transporte entstehenden Straßenschäden zusichern
• Durch Offenheit Vorurteile abbauen, z. B. durch Führungen auf der Anlage bzw.
Veranstaltungen für die Anwohner
• Es mag merkwürdig anmuten: Versuchen, die Anlage stets sauber und ordentlich
zu halten, denn ein gut geführter Betrieb wird es immer leichter haben, Akzeptanz
zu erlangen.

4.1.5 Gegenüberstellung verschiedener Substrate

Biogas wird aus der Vergärung z. T. verschiedener Substrate im Fermenter


gewonnen. Mikroorganismen „verstoffwechseln“ den Input und erzeugen als Stoff-
wechselprodukt Methan (CH4) und andere Stoffe wie z. B. Kohlendioxyd (CO2),
Schwefelwasserstoff (H2S), Ammoniak (NH3) und auch Wasserdampf (H2O).
Da nur das Methan als Energieträger vom BHKW als Treibstoff genutzt oder zu
Biomethan in Erdgasqualität aufgearbeitet werden kann, liegt ein möglichst hoher
Methanertrag im Interesse des Betreibers: „Nur aus dem Methan lässt sich nennens-
wert Geld verdienen.“ (s. Tab. 4.1)
Als Methanertrag ist hier die Menge Methan gemeint, die z. B. aus 1 t Substrat
(FM) gewonnen werden kann. Der Methangehalt und die gewonnene Gasmenge in
Nm³ (Normkubikmeter) sind bei verschiedenen Substraten unterschiedlich.
Nicht alle Energiepflanzen lassen sich auf allen Böden/Regionen sinnvoll
anbauen. Daher sollten aus kaufmännischer Sicht neben den grundsätzlichen Über-
legungen, welche Substrate sowieso zur Verfügung stehen (z. B. Gülle auf Vieh-
betrieben), Analysen stattfinden, die sich mit den Substraten beschäftigen, die
daneben zum Einsatz kommen können.
Neben vielen „weichen“ Faktoren, wie z. B. öffentliches Interesse etc. kann es
durchaus sinnvoll sein, auch andere Energiepflanzen außer Mais als Substrat in
Betracht zu ziehen. Ein etwas geringerer Gasertrag in m³ kann eventuell durch einen
höheren Methangehalt und günstigere Beschaffungskosten bzw. besondere Umstände
4.1  Strukturierung des Biomasseangebots 223

Tab. 4.1 Zusammensetzung von Biogas. (mifratis 2011)


Methan 40–75 %
Kohlendioxyd 25–55 %
Wasser (Dampf) 0–10 %
Stickstoff 0–5 %
Sauerstoff 0–2 %
Wasserstoff 0–1 %
Schwefelwasserstoff 0–1 %
Ammoniak 0–1 %

Abb. 4.4 Substrate und


Gasertrags-Eckdaten

vor Ort ausgeglichen werden. Sofern es also die Dichte der erfassten Daten zulässt,
lohnt sich eine Analyse, wie hoch die Kosten für einen m³ Methan sein werden.
Beispielhaft seien in Tab. 4.2 einige Substrate mit ihren ca. Gasertrags-Eckdaten
erwähnt.
Hierbei ist zu berücksichtigen, wie viel t/ha Ernteertrag die jeweilige Region
erwarten lässt und wie viel Fläche für den Anbau von Substrat überhaupt zur Ver-
fügung steht. Es ist daher unter Umständen lohnend, den Gasertrag betreffende,
etwas ertragsschwächere Pflanzen anzubauen, wenn diese deutlich höhere FM-
Erträge in t/ha erwarten lassen. So liegt Mais z. B. bei rd. 50–55 t/ha, wohin-
gegen Zuckerrüben rd. 70–73 t/ha auf entsprechenden Böden erwarten lassen. Um
bei dem Beispiel zu bleiben, vergleichen wir Mais und Zuckerrübe in Gasertrag,
Methangehalt und FM t/ha und ermitteln so die Nm³ Methan, die im Idealfall pro
ha erzielbar sind:
Mais: 55 t x 202 m³ x 52 % = 5.777 m³/ha
Zuckerrübe: 73 t x 175 m³ x 53 % = 6.771 m³/ha
Das Beispiel zeigt auf, dass die Zuckerrübe einen deutlich höheren Methanertrag
pro ha erwarten lässt als Mais. Sollten die übrigen Rahmenbedingungen stimmen
und die höheren Anbaukosten für die Zuckerrübe durch den Methan-Mehrertrag
224 4  Technische Aspekte

Tab. 4.2 Gasertrags-Eckdaten. (nach KTBL 2006)


Substrat m³/t FM CH4-Gehalt
Maissilage 202 52 %
Zuckerrübensilage (Hartung 175 53 %
2011)
Grassilage 172 54 %
Roggen GPS 163 52 %
Sudangras 128 55 %
Futterrübe 111 51 %
Hühnermist 80 60 %
Rübenblätter 70 54 %
Schweinemist 60 60 %
Rindermist 45 65 %
Schweinegülle 28 65 %
Rindergülle 25 60 %

Tab. 4.3 Optische Darstellung Gasertrags-Eckdaten. (nach KTBL 2006)


Substrat Vorteile Nachteile
Mais hohe Erträge, weit entwickelte Züch- hoher Wasserverbrauch, Gefahr der
tung und Anbaupraxis, vielfältige Bodenerosion, reduziert Humusschicht
Nutzungsmöglichkeiten des Bodens
Zuckerrübe lange Anbauerfahrung in geringe Resistenz gegen Schädlinge,
Deutschland, hoher Zuckeranteil geringe Lagerfähigkeit, geringer
Trockensubstanzgehalt, höhere
Produktionskosten
Ackergras schützt vor Bodenerosion, baut relativ geringe Erträge
Humusschicht des Bodens auf,
bindet Kohlenstoff, gut extensiv zu
bewirtschaften
Roggen bekannte und weit verbreitete Pflanze, auf ertragsstarken Standorten geringere
große Sortenvielfalt, lässt sich gut in Erträge als andere Energiepflanzen, z. B.
Fruchtfolgen einbinden Weizen
Sudangras hohe Erträge und geringe Ansprüche langsames Wachstum erfordert anfangs
an den Boden, kann sich an Trocken- stärkeren Arbeitseinsatz, geringe Anbau-
perioden anpassen erfahrung in Deutschland
Futterrübe späte Ernte entlastet Arbeitsspitzen, geringe Resistenz gegen Schädlinge,
relativ anspruchslos geringe Lagerfähigkeit, geringer
Trockensubstanzgehalt, höhere
Produktionskosten

zumindest annähernd ausgeglichen werden, kann die Zuckerrübe eine durchaus sinn-
volle und vor allem lohnende Ergänzung bei der Substratzusammenstellung sein.
In einer Querbetrachtung stellen sich die Vorteile und Nachteile der genannten
Energiepflanzen wie in Tab. 4.3 dargestellt dar.
4.2  Biogas-Prozess und Biogaserträge 225

4.2 Biogas-Prozess und Biogaserträge

Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin, Dr. Britt Schumacher

Basis für die Auswahl der Substrate, der Technologie und letztlich auch für die
Nutzung des Biogases ist der mikrobiologische Prozess der Biogasbildung. Mikro-
organismen bauen organische Substanz zur Aufrechterhaltung ihrer eigenen Stoff-
wechsel- und Vermehrungsprozesse ab. Die Produkte dieses Prozesses sind Biogas,
organische Masse, die nicht weiter abgebaut wurde oder werden konnte sowie
anorganische Masse, die nicht durch die Mikroorganismen verwertet werden kann.
Darüber hinaus sterben die Mikroorganismen nach kurzer Lebenszeit wieder ab.
Die anaerob abbaubaren Anteile werden gleichermaßen wie die Substrate verwertet.
Die Anteile der Produkte, die durch eine Prozessbilanzierung beschrieben werden
können, sind neben der Substratzusammensetzung stark von der ausgewählten
Technologie und von den Lebensbedingungen für die Mikroorganismen abhängig.
Unter standardisierten Bedingungen werden auf dieser Basis übliche Biogaserträge
ermittelt, die für die Dimensionierung einer Biogasanlage verwendet werden können.

4.2.1 Prozessbiologie und Prozessschritte

Der Vergärungsprozess ist ein biologischer Prozess, in dem Mikroorganismen im


Rahmen ihres Stoffwechsels organische Substanz (die Substrate) abbauen und
Biogas ein für die Mikroorganismen nicht weiter verwertbares Produkt ist. Aus
diesem Grund muss sich der technologische Prozess der Biogasproduktion immer
an den Bedürfnissen der Mikroorganismen orientieren, um möglichst günstige
Lebensbedingungen sicherzustellen.
Nach heutigem Wissensstand läuft der Vergärungsprozess prinzipiell in vier
voneinander abhängigen Stufen ab, die jeweils durch die Aktivität von speziellen
Bakterienstämmen bzw. Archaeen gekennzeichnet sind.
In der Hydrolysephase werden langkettige organische Verbindungen (Poly-
mere) durch Exoenzyme gespalten. Da hierbei feste Substanzen in Lösung gehen,
nennt man diesen Schritt auch Verflüssigung bzw. Hydrolyse. Bei den entstehenden
Produkten handelt es sich um niedermolekulare Verbindungen (Monomere und
Dimere). Die Mono- und Dimere werden in der Versäuerungsphase durch strikt
und/oder fakultativ anaerobe acidogene Bakterien zu kurzkettigen Fettsäuren sowie
zu Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid abgebaut. In der Essigsäurephase werden
die Stoffwechselprodukte, die nicht bereits von den in dieser Phase ebenfalls
anwesenden methanogenen Archaeen umgesetzt werden konnten, von acetogenen
Bakterien zu Essigsäure, Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid abgebaut. In der
Methanbildungsphase wird durch anaerobe, sogenannte methanogene Archaeen
aus den in den vorangegangen Phasen gebildeten Produkten mit Hilfe molekularen
Wasserstoffs Methan gebildet.
226 4  Technische Aspekte

Abbildung 4.5 zeigt den Ablauf der anaeroben Vergärung organischer Substrate,


wie beispielsweise industrieller Neben- und Abfallprodukte, in vereinfachter Form.

4.2.2 Anforderungen aus biologischer Sicht an den


Biogasproduktionsprozess

Aufgrund der Tatsache, dass hohe spezifische Biogaserträge (entspricht der Biogas-
ausbeute in Nm³/kg oTS) nur durch eine leistungsfähige Mikroorganismen-Gesell-
schaft geleistet werden können, stellt die Prozessbiologie klare Anforderungen an
den Biogasproduktionsprozess. Entscheidend sind hier das Substrat, das aus Sicht
der Nährstoffzusammensetzung optimal anaerob abbaubar sein sollte, aber auch
technologische Prozessparameter wie z. B. die hydraulische Aufenthaltszeit und
biochemische Einflussgrößen.
Die größte Herausforderung ergibt sich daraus, dass der mikrobiologische Pro-
zess heute noch vollkommen unzureichend beschrieben ist. Als abgesichert ist die
in Abschn. 4.2.1 dargestellte Abbaukette grundsätzlich anzusehen, welche Mikro-
organismen aber im Detail an der Abbaukette in welchem Maß beteiligt sind und
wie sich die verschiedenen Mikroorganismenarten untereinander beeinflussen
sowie von außen beeinflusst werden können, ist weitestgehend unbekannt. Aus
diesem Grund werden in der Regel bewährte – auf phänomenologischer Beob-
achtung beruhende – Praxiserfahrungen für die Prozessgestaltung herangezogen.
Die konkreten Anforderungen der Prozessbiologie können mit den marktgängigen
Verfahren bisher nicht berücksichtigt werden.
Aus diesem Grund lassen sich die prozessbiologischen Anforderungen an den
Prozess am besten anhand der im Abschn. 4.2.3 erläuterten Einflussgrößen auf den
Biogasproduktionsprozess beschreiben. Damit liegt es im Wesentlichen im Geschick
und Verständnis des verantwortlichen Anlagenfahrers, den Prozess so zu hand-
haben, dass die Mikroorganismen eine effiziente Biogasproduktion ermöglichen.

4.2.3 Einflussgrößen auf den Prozess

Von größter Bedeutung für die Stabilität des biologischen Prozesses und damit für
die Sicherstellung des Biogasertrages und letztlich auch die Wirtschaftlichkeit der
Investition ist die Berücksichtigung und Kontrolle wesentlicher Einflussgrößen auf
den Prozess der Biogasproduktion. Tabelle 4.4 fasst die für den biologischen Pro-
zess relevanten Einflussgrößen zusammen und gibt einen kurzen Überblick über
kritische Bereiche für Prozessparameter.

4.2.4 Massenbilanzierung des Prozesses

Der in Abschn. 4.2.1 beschriebene Prozess führt durch den Abbau der Biomasse zu
einer starken Veränderung des Stoffstromes durch eine Biogasanlage. Am Beispiel
4.2  Biogas-Prozess und Biogaserträge 227

Abb. 4.5 Vereinfachter schematisierter Ablauf der anaeroben Vergärung

von Grassilage wird dies nachfolgend veranschaulicht, um ein Verständnis für den
komplexen biochemischen Prozess zu wecken.
Grundsätzlich besteht jedes Substrat aus Wasser, anaerob abbaubarer organischer
Masse und nicht abbaubarer vorwiegend anorganischer Masse. Die organische
Masse wird anaerob unter Aufnahme von Wasser und Abgabe von Kohlenstoff-
dioxid teilweise zu Methan umgewandelt. Der Grad des Abbaus der organischen
Substanz hängt vom Substrat und den Prozessbedingungen ab, wobei für übliche
Grassilage in landwirtschaftlichen Biogasanlagen von einem Abbaugrad der
organischen Trockensubstanz von rund 80 % ausgegangen wird. Dies entspricht
einem Biogasertrag von 0,571 Nm³/kgoTS bei einem Methangehalt von rund 55 %.
Je nach Prozesstemperatur wird ein Teil des Wassers verdampfen und liegt gas-
förmig als Wasserdampf vor. Abbildung 4.6 gibt schematisch die Massebilanz des
beschriebenen anaeroben Abbaus wider. Die verwendeten Zahlenwerte werden in
Tab. 4.5 konkretisiert.
228 4  Technische Aspekte

Tab. 4.4 Wesentliche Einflussgrößen auf den biologischen Prozess der Biogasproduktion.


(Verändert nach VDI 4631 2011)
Parameter Kritische Bereiche
Substrat- Der Mix aus Substraten muss ein ausgewogenes Verhältnis von Makro- und
beschaffenheit Mikronährstoffen im Fermenter gewährleisten, da sonst ohne Zufuhr von
Zusatzstoffen (z. B. Spurenelementen) der Substratabbau verzögert oder
gehemmt werden kann.
Trocken- Der Trockenmassegehalt im Fermenter wirkt sich auf die Rühr- und
massegehalt Pumpfähigkeit des Gärgemischs aus. Wenn diese beeinträchtigt ist, können
die Ausgasung und die Zugänglichkeit des Substrates für den biologischen
Abbau eingeschränkt sein.
Ammonium- Hohe Ammoniumkonzentrationen in der Gärflüssigkeit können zu
Stickstoffgehalt Prozesshemmungen führen. Die Wirkung hängt neben der Konzentration
vom pH-Wert und der Prozesstemperatur ab. Bei pH 7,5 und Temperaturen
unter 42 °C muss ab etwa 2 000 bis 4 000 mg NH4-N mit einer Aktivitäts-
minderung gerechnet werden. Mit steigendem pH-Wert und steigender
Temperatur nimmt die Aktivitätsminderung zu.
pH-Wert Der pH-Wert in der Gärflüssigkeit kann als Indikator für den Prozesszu-
stand genutzt werden. Er beeinflusst die hemmende Wirkung von Ammo-
nium, Schwefelwasserstoff und flüchtigen organischen Säuren auf die
Aktivität der Mikroorganismen. Der pH-Wert sollte üblicherweise zwischen
7 und 8 liegen (einphasige Systeme).
Flüchtige Hohe Säurekonzentrationen in der Gärflüssigkeit können von einem
organische Säuren Ungleichgewicht von Hydrolyse und Methanproduktion zeugen. Die zuläs-
sige Konzentration hängt von der Kettenlänge, der Säure, vom pH-Wert
im Gärgemisch, dem Vergärungsverfahren (ein-/zweiphasig) und einer
eventuellen Adaption der Biozönose ab. Gesamtsäuregehalten von über
3 000 mg/ℓ bei einem pH-Wert von 7,0 können bereits hemmend wirken.
Mit sinkendem pH-Wert nimmt die Hemmwirkung zu. Großen Einfluss
zeigen hohe Gehalte an Propionsäure. Aus einzelnen Biogasanlagen ist
aber auch ein konstanter Betrieb bei Säurekonzentrationen deutlich über
3 000 mg/ℓ bekannt.
FOS/TAC Der FOS/TAC-Wert wird auf der Basis empirisch ermittelter Parameter aus
dem Ergebnis einer Zweipunkttitration berechnet. Der FOS-Wert steht für
die flüchtigen organischen Säuren. Der TAC wird auch als totales anorga-
nisches Carbonat () bezeichnet.
Für einen stabilen Betrieb gilt ein Grenzwert von < 0,3 als sicher. Bei
Anlagen zur ausschließlichen Vergärung nachwachsender Rohstoffe wird
bei FOS/TAC-Werten zwischen 0,4 und 0,6 in der Regel noch ein stabiler
Betrieb erreicht. Er kann einfach auf der Anlage ermittelt werden.
Prozesstemperatur Üblicherweise werden Biogasanlagen bei Temperaturen zwischen 35 und
57 °C betrieben. Über 60 °C liegen keine Erfahrungen in der Praxis vor. Es
sind insbesondere schnelle Temperaturänderungen zu vermeiden.
Gaszusammen- Biogas besteht aus Methan, Kohlendioxid und weiteren Begleitgasen wie
setzung Schwefelwasserstoff und Wasserstoff. Begleitgase (z. B. H2S) können im
Fermenter zu Korrosion führen und den Gärprozess hemmen. Die zuläs-
sigen Konzentrationen hängen vom Fermenterwerkstoff ab. H2S-Gehalte
über 500 ppm sind bei BHKWs in der Regel zu vermeiden. Die Hemmung
des Gärprozesses steigt mit sinkendem pH-Wert.
4.2  Biogas-Prozess und Biogaserträge 229

Tab. 4.4 (Fortsetzung) Wesentliche Einflussgrößen auf den biologischen Prozess der Biogas-
produktion. (Verändert nach VDI 4631 2011)
Parameter Kritische Bereiche
Hydraulische Bei voll durchmischten Fermentern können Verweilzeiten unter 15 Tagen
Verweilzeit zum Auswaschen von Bakterien-Archaeen-Konsortien führen da die
Generationszeiten (d. h. Vermehrungsdauern) z. T. länger sind. In der Regel
nimmt die erforderliche Verweilzeit für die Umsetzung des Substrates zu
Biogas mit steigendem Rohfaseranteil des Substrats zu. Dem kann aber
durch eine Vorbehandlung des Substrats ggf. entgegengewirkt werden.
Durch den Einsatz von Rezirkulat können sich Änderungen der hydraulis-
chen Verweilzeit ergeben.
Raumbelastung Sie ist von der dem Fermentervolumen zugeführten Substratmenge und
deren Konzentration an organischer Trockensubstanz abhängig. Durch
Adaption der Mikroorganismenkonsortien kann die Raumbelastung beim
Anfahren einer Biogasanlage langsam bis zu einem Optimalwert gesteigert
werden. Bei Überschreitung eines systemspezifischen Maximalwerts gerät
das Mikroorganismenkonsortium in ein Ungleichgewicht und die Methan-
produktion kann zum Erliegen kommen.

Abb. 4.6 Beispielhafte Massenbilanz der Biogasgewinnung aus Rindergülle und Grassilage

4.2.5 Typische Biogaserträge

Tabelle 4.6 gibt einen Überblick über Biogaserträge typischer Biogassubstrate.


Diese Werte können als Anhaltswerte für die Grobabschätzung des Biogasertrages
einer Biogasanlage angewendet werden, hängen im Einzelfall aber immer von den
realen Eigenschaften der lokal verfügbaren Substrate ab.
230 4  Technische Aspekte

Tab. 4.5 Beispielhafte Massenbilanz der Biogasgewinnung aus Rindergülle und Grassilage


Inputmaterial Masseanteile Outputmaterial Masseanteile
Grassilage (20 %) Wasser: 13 % Biogas (7,7 %) Methan: 2,2 %
Organik: 6,3 % Kohlendioxid: 5,0 %
Anorganik: 0,7 % Wasserdampf: 0,5 %
Rindergülle (80 %) Wasser: 72 % Gärrest (92,3 %) Wasser: 83,4 %
Organik: 6,4 % Organik: 6,6 %
Anorganik: 1,6 % Anorganik: 2,3 %

Tab. 4.6 Typische Biogaserträge. (Verändert nach FNR 2010, verändert: ohne Kartoffelfrucht-
wasser)
Substrat TS oTS N* P2O5 K 2O Biogas- CH4- CH4-Aus-
ertrag Ertrag beute
  [%] [% TS] [% TS] [Nm³/t [Nm³/t [Nm³/t
FM] FM] oTS]
Wirtschaftsdünger
Rindergülle 10 80 3,5 1,7 6,3 25 14 210
Schweinegülle 6 80 3,6 2,5 2,4 28 17 250
Rindermist 25 80 5,6 3,2 8,8 80 44 250
Geflügelmist 40 75 18,4 14,3 13,5 140 90 280
Pferdekot ohne 28 75 n. a. n. a. n. a. 63 35 165
Stroh
Nachwachsende Rohstoffe
Maissilage 33 95 2,8 1,8 4,3 200 106 340
Getreide-GPS 33 95 4,4 2,8 6,9 190 105 329
Grünroggensilage 25 90       150 79 324
Getreidekörner 87 97 12,5 7,2 5,7 620 329 389
Grassilage 35 90 4,0 2,2 8,9 180 98 310
Zuckerrüben 23 90 1,8 0,8 2,2 130 72 350
Futterrüben 16 90 n. a. n. a. n. a. 90 50 350
Sonnenblumen- 25 90 n. a. n. a. n. a. 120 68 298
silage
Sudangras 27 91 n. a. n. a. n. a. 128 70 286
Zuckerhirse 22 91 n. a. n. a. n. a. 108 58 291
Grünroggen** 25 88 n. a. n. a. n. a. 130 70 319
Substrate der verarbeitenden Agrarindustrie
Biertreber 23 75 4,5 1,5 0,3 122 70 313
Getreide- 6 94 8,0 4,8 0,6 39 22 385
schlempe
Kartoffels- 6 85 9,0 0,7 4,0 34 18 362
chlempe
Obstschlempe 2,5 95 n. a. 0,7 n. a. 15 9 285
Rohglycerin*** n. a. n. a. n. a. n. a. n. a. 250 147 185
Rapspresskuchen 92 87 52,4 24,8 16,4 660 317 396
Kartoffelpülpe 13 90 0,8 0,2 6,6 80 47 336
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 231

Tab. 4.6 (Fortsetzung) Typische Biogaserträge. (Verändert nach FNR 2010, verändert: ohne
Kartoffelfruchtwasser)
Substrat TS oTS N* P2O5 K 2O Biogas- CH4- CH4-Aus-
ertrag Ertrag beute
  [%] [% TS] [% TS] [Nm³/t [Nm³/t [Nm³/t
FM] FM] oTS]
Z-Pressschnitzel 24 95 n. a. n. a. n. a. 68 49 218
Melasse 85 88 1,5 0,3 n. a. 315 229 308
Apfeltrester 35 88 1,1 1,4 1,9 148 100 453
Rebentrester 45 85 2,3 5,8 n. a. 260 176 448
                 
Grün- und Rasenschnitt
Grünschnitt 12 87,5 2,5 4,0 n. a. 175 105 369
*N-Gehalte im Gärrest ohne Berücksichtigung von Lagerverlusten
**angewelkt;
***in der Praxis stark variierende Ergebnisse, abhängig vom Verfahren der Biodieselherstellung

4.3 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

Dipl.-Ing. Saskia Oldenburg, Dipl.-Ing. Benjamin Klausing,


Prof. Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt

Ausgehend von den bisherigen Ausführungen ist das Ziel dieses Abschnitts, die
(verfahrens-)technische Umsetzung einer anaeroben Vergärung von landwirt-
schaftlichen Substraten zu diskutieren. Dazu werden zunächst auf die Anfor-
derungen und Vorgaben an die Verfahrenstechnik eingegangen, die aus den Pro-
zessen des biologischen Abbaus resultieren. Anschließend werden unterschiedliche
technische Lösungsansätze, wie sie für bestimmte Teilkomponenten von Biogas-
anlagen für den landwirtschaftlichen Bereich in Deutschland entwickelt wurden
und am Markt angeboten werden, dargestellt und diskutiert. Darauf aufbauend
werden exemplarische Gesamtanlagensysteme für ausgewählte landwirtschaftliche
Anwendungsbereiche präsentiert und das Zusammenspiel der einzelnen Teilkom-
ponenten im gesamtsystemaren Zusammenhang erklärt. Abschließend werden die
sich abzeichnenden Entwicklungstendenzen aufgezeigt und erörtert.

4.3.1 Forderungen an und Randbedingungen für die


Verfahrenstechnik

Um eine hocheffiziente Biogasproduktion zu gewährleisten, muss die Verfahrens-


technik den Anforderungen des biochemischen Abbaus – und damit der Prozess-
biologie – optimal gerecht werden. Daraus resultiert eine Vielzahl von Forderungen
und Randbedingungen, die möglichst eingehalten werden sollten. Diese werden
232 4  Technische Aspekte

nachfolgend ausgehend von den in den vorherigen Abschnitten dargestellten Grund-


lagen des anaeroben Abbaus diskutiert.
• Ein biologisch katalysierter Abbau organischer Masse ist a priori deutlich lang-
samer im Vergleich zu einem thermisch induzierten Abbau (z. B. Verbrennung,
Vergasung). Damit bestimmte geforderte bzw. geplante Abbauleistungen erreicht
werden können, resultieren daraus entsprechend lange Verweilzeiten des Sub-
strats im Fermenter. Eine Konsequenz daraus ist ein, sowohl aus verfahrens-
technischer als auch aus ökonomischer Sicht, entsprechend groß dimensionierter
Fermenter (d. h. ein entsprechend großes Volumen, in dem der biologische
Abbau realisiert wird).
• Der anaerobe Abbau wird durch biologisch katalysierte Prozesse realisiert. Damit
diese möglichst schnell und mit einem maximalen Umsatz ablaufen können,
müssen die Biokatalysatoren immer ausreichend mit Inputmaterial bzw. „Futter“
versorgt werden. Je nach Bakteriengruppe kann dies Frischsubstrat oder bereits
teilabgebautes Substrat (d. h. das Endprodukt des jeweils vorherigen Abbau-
schritts) sein. Gleichzeitig muss die spezifische Oberfläche dieses Inputmaterials
so groß wie möglich sein, damit die Bakterien einfach an die abzubauende bzw.
weiter abzubauende organische Masse herankommen. Daraus resultieren aus
verfahrenstechnischer Sicht mehrere Forderungen.
–– Zum ersten muss das Frischsubstrat ausreichend zerkleinert werden, damit
es für die Bakterien möglichst gut zugänglich ist. Deshalb steigt mit einem
höheren Grad der Zerkleinerung folglich i. Allg. auch die Geschwindigkeit
des biologischen Abbaus. Dies gilt aber nicht zwangsläufig für die Gas-
ausbeute.
–– Zum zweiten muss eine gute Durchmischung der Substrate mit der
Bakterienbiomasse sichergestellt werden, damit diese kontinuierlich und aus-
reichend mit Nahrung versorgt wird.
–– Zum dritten muss, damit dieser Prozess – aus ökonomischen Gründen – kon-
tinuierlich ablaufen kann, immer eine bestimmte Menge an Frischsubstrat
zugeführt und gleichzeitig eine bestimmte Menge an ausgefaultem Substrat
abgezogen werden.
• Die anaerobe Vergärung wird in einzelnen, aufeinander aufbauenden Abbau-
schritten durch eine Vielzahl unterschiedlicher Bakteriengruppen realisiert,
welche jeweils einen bestimmten Abbauschritt katalysieren. Jeder dieser
einzelnen Schritte kann dann mit maximaler Geschwindigkeit und minimalen
Verlusten ablaufen, wenn die Biokonversion unter bestimmten, jeweils
optimalen, Bedingungen realisiert wird (z. B. pH-Wert, Temperaturniveau, Kon-
zentration). Diese definierten Bedingungen, unter denen die Bakterien optimal
tätig werden können und maximale Leistung zeigen, sind jedoch nicht zwingend
für jeden Abbauschritt gleich. So zeigen die am Abbau beteiligten Mikroorga-
nismen ihre Optima unter anderem in verschiedenen pH-Bereichen; z. B. liegt
der ideale pH-Wert für die Hydrolyse unter 4 und der optimale pH-Wert für die
Acetogenese und Methanogenese zwischen 6,8 und 7,5.
• Beim anaeroben Abbau wird organische Masse mit einer bestimmten che-
misch gebundenen Energie in das energiereiche Abbauprodukt Methan (CH4)
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 233

und das nicht mehr energetisch nutzbare Gas Kohlenstoffdioxid (CO2) abge-
baut. Wird die Bilanz der chemisch in den Ausgangsmaterialien und den End-
produkten gebundenen Energie eines derartigen biologisch induzierten Abbau-
prozesses erstellt, zeigt sich, dass damit nur sehr wenig Energie verfügbar ist,
welche die Bakterien für ihr (Über-)Leben aus diesem Prozess nutzbar machen
können. Deshalb reicht beispielsweise die beim anaeroben Abbau frei werdende
Wärme i. Allg. nicht aus, das Substrat im Fermenter zu beheizen. Im Umkehr-
schluss muss damit das Biogassubstrat beheizt und auf einem Temperaturniveau
stabilisiert werden, auf dem die jeweils eingesetzten Bakterien einen substrat-
spezifisch optimalen Abbau zeigen.
• Bakterien vermehren sich durch Zellteilung, deren Geschwindigkeit sich unter
anderem nach Bakterientyp und Umweltbedingungen unterscheidet. Soll aus
verfahrenstechnischer Sicht die Abbauleistung eines Fermenters näherungs-
weise konstant gehalten werden, darf nicht mehr Bakterienbiomasse den Reaktor
verlassen (z. B. zusammen mit dem abgepumpten ausgefaulten Substrat) als
nachwächst. Folglich muss die mittlere Verweilzeit des Substrats im Fermenter
so angepasst werden, dass die aktive Bakterienbiomasse zumindest konstant
gehalten und nicht reduziert wird. Die Durchflussrate muss also geringer als die
Verdopplungsrate der Bakterien sein. Alternativ dazu können auch Einrichtungen
in den Fermenter eingebaut werden, welche die Mikroorganismen, die den anaer-
oben Abbau realisieren (und damit die aktive Biomasse), im Fermenter zurück
halten.
• Die Bakterienbiomasse, die für den Abbau zuständig ist, kann sich an ver-
ändernde Umweltbedingungen und eine sich ändernde Nahrungszusammenset-
zung anpassen. Dafür benötigt sie aber eine bestimmte Anpassungszeit. Deshalb
kann bei einer sich nur langsam ändernden Frischsubstratzusammensetzung ein
hohes Abbauniveau beibehalten werden, während dies bei einer sprunghaften
Änderung der Substratzusammensetzung nicht möglich ist. Aus Sicht eines ver-
fahrenstechnisch stabilen Betriebs einer Biogasanlage ist deshalb eine homogene
Substratzusammensetzung mit nur langsamen Veränderungen des Inputstroms
anzustreben.
• Bakterien sind Lebewesen, die – um ihre maximale Leistungsfähigkeit zu
erreichen – auch eine möglichst ausgewogene Versorgung mit Nährstoffen
benötigen. Beispielsweise wird der Biogasprozess durch das Verhältnis der
Makronährstoffe C:N:P:S beeinflusst. Unter bestimmten Bedingungen ist für die
Hydrolyse ein C:N:P:S-Verhältnis von 500:15:5:3 und für die Methangärung von
600:15:5:3 optimal. Eine Besonderheit stellt der Bedarf an den Spurenelementen
Nickel (Ni), Kobalt (Co), Molybdän (Mo) und Selen (Se) dar. Diese sind für
den Zellaufbau unentbehrlich und führen bei einem Mangel zum Absterben der
Bakterien. Aus verfahrenstechnischer Sicht muss deswegen eine ausgewogene
Nährstoffversorgung ggf. über entsprechende Nährstoff- bzw. Spurenelement-
zusätze sichergestellt werden.
Mit dem Substrat können auch das Bakterienwachstum hemmende Substanzen
in den Reaktor eingetragen werden (z. B. Desinfektionsmittel aus der Stallbehand-
lung, Stickstoffverbindungen mit bestimmten Exkrementen). Dies behindert die
234 4  Technische Aspekte

Reproduktion der für den Abbau verantwortlichen Bakterien. Aus Sicht der Ver-
fahrenstechnik sollte daher eine Kontamination der Substrate mit Stoffen, die das
Bakterienwachstum hemmen können, vermieden werden. Sind derartige Stoffe
zwingend und nahezu unbeeinflussbar im Substrat vorhanden, müssen sie mit ent-
sprechenden Verfahren abgetrennt werden.
Durch entsprechende verfahrenstechnische Lösungen ist sicher zu stellen, dass
alle aufgezeigten Forderungen jederzeit sicher erfüllt werden.

4.3.2 Verfahrenstechnische Ansätze

Ausgehend von den bisherigen Ausführungen ist das Ziel dieses Abschnitts, die
einzelnen verfahrenstechnischen Lösungsansätze, wie sie heute in landwirt-
schaftlichen Biogasanlagen zum Einsatz kommen können, darzustellen. Dabei wird
zuerst auf die Substrataufbereitung eingegangen. Nachfolgend werden verschiedene
Fermentertypen diskutiert, bevor abschließend die Gärrest- und Biogasaufbereitung
vorgestellt werden (s. unter anderem Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe 2006,
2010; Kaltschmitt et al. 2009; Ottow und Bidlingmaier 1997; Kaiser 2007; Verein
Deutscher Ingenieure 2006; Taniguchi et al. 2005; Hendriks und Zeeman 2009;
Chandra et al. 2007; Zhu et al. 2010; Galbe und Zacchi 2007; Taherzadeh und
Karimi 2008; Friedrich et al. 2010; Jorgensen et al. 2007; Nickel und Neis 2007;
Thiem et al. 2001; Weiland 2001; Ultrawaves 2011; BioAbfV und EG-HygieneV).

4.3.2.1 Substrataufbereitung
Die Substrate, die in den Biogasreaktor eingebracht werden sollen, müssen – je
nach Substratzusammensetzung und -eigenschaften – ggf. aufbereitet werden.
Nachfolgend werden die dafür üblicherweise eingesetzten Verfahren diskutiert.
Anmaischung. Soll ein festes oder pastöses Substrat in einer Nassvergärung
eingesetzt werden, muss es ggf. angemaischt werden; d. h. der Wassergehalt wird
erhöht, so dass ein pumpfähiges Substrat entsteht. Ein derartiges Anmaischen findet
i. Allg. in einer Vorgrube kurz vor der Einbringung des Substrates in den Biogas-
reaktor statt. Um den Verbrauch an dem oft eingesetzten (teuren) Frischwasser zu
minimieren, wird z. T. aus dem vergorenen Substrat abgetrenntes Prozesswasser
verwendet; dadurch kann gleichzeitig der Prozess angeimpft werden. Von Nachteil
bei einer derartigen Rückführung kann aber die Anreicherung bestimmter Stoffe
im System „Biogasanlage“ sein, welche oberhalb bestimmter Konzentrationen der
Prozessbiologie schaden können.
Störstoffabtrennung. Störstoffe werden i. Allg. unterteilt in Stoffe, welche
leichter oder schwerer als das Substrat sind (d. h. die aufschwimmen oder absinken).
• Schwerstoffe. Häufig auftretende Störstoffe, die schwerer als das Biogassub-
strat sind, sind Steine oder Sand. Gelangen beispielsweise Steine in den Reaktor,
können sie bestimmte Einbauten (z. B. Rührwerke) beschädigen. Sie sollten
daher z. B. in einer Vorgrube abgetrennt werden, welche dann gleichzeitig als
Absetzbecken dient und von dessen Boden sie von Zeit zu Zeit entnommen
werden können. Der Eintrag von Sand kann zu einer Versandung des Reaktors
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 235

führen; d. h. Sand lagert sich auf dem Reaktorboden ab und dadurch wird das zur
Vergärung zur Verfügung stehende Reaktorvolumen geringer und zudem wird
der Verschleiß an den dort befindlichen bewegten Teilen erhöht. Ist das Substrat
stark mit Sand belastet, kann dieser durch Sandfänge oder Zyklone ausgetragen
werden. Insgesamt sollten derartige schwere Störstoffe durch mechanische,
hydromechanische oder manuelle Verfahren sicher aussortiert werden.
• Leichtstoffe. Leichte Stoffe (z. B. Stroh, Kunststoffe) neigen zur Bildung von
Schwimmdecken, zu Zöpfen an Rührwerken und zu Verstopfungen der Rohr-
leitungen. Behindern sie einen reibungslosen Betrieb, sollten sie ebenfalls abge-
trennt werden. Dies kann manuell oder durch eine nassmechanische Siebung
erfolgen. Auch besteht die Möglichkeit einer Schwimm-/Sink-Trennung; hier
wird der Dichteunterschied von Störstoff und Substrat genutzt, indem Störstoffe
aufschwimmen oder absinken und dann mit einem Räumer entfernt werden.
Flüssige Substrate (z. B. Wirtschaftsdünger, organisch belastete Abwässer) ent-
halten meist keine oder nur wenige Störstoffe; trotzdem kann bei bestimmten Sub-
straten eine Abtrennung erforderlich sein. Hierzu können Schwerstoffabscheider in
der Vorgrube eingesetzt werden. Bei einigen Substraten (z. B. Hühnerkot) kann es
jedoch vorkommen, dass der Störstoff stark an das Substrat gebunden ist und erst
im Fermenter frei wird; dann muss der Fermenter selbst mit einem Sedimentaus-
tragsystem ausgestattet werden. Beispielsweise kommen in stehenden Fermentern
Bodenräumer oder konische Fermenterböden zum Einsatz und in liegende Fermenter
lassen sich Austragsschnecken einbauen.
Wertstoffabtrennung. Bevor die Substrate dem eigentlichen anaeroben Abbau
in einer Biogasanlage zugeführt werden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit,
bestimmte Wertstoffe abzutrennen. Dies ist aber aus technisch/ökonomischen
Gründen nur dann sinnvoll, wenn das zu vergärende Substrat noch Inhaltsstoffe mit
merklichen Anteilen enthält, die durch einen hohen Marktwert gekennzeichnet sind
und/oder kostengünstig abgetrennt werden können.
Zerkleinerung. Sollen grobkörnige Substrate pumpfähig gemacht werden,
müssen sie zuvor oft zerkleinert werden. Dies hat den positiven Nebeneffekt, dass
durch die Zerkleinerung eine größere spezifische Oberfläche für den biologischen
Abbau zur Verfügung steht und schwer abbaubare Hüllen (z. B. von Körnern)
i. Allg. zerstört werden. Deshalb wird z. T. auch bereits pumpfähiges Substrat vor
dem Eintrag in den Biogasreaktor zerkleinert.
Die technische Auswahl des passenden Zerkleinerungswerkzeugs richtet sich
nach der Substratcharakteristik. Beispielsweise können Grünabfälle in einem
Häcksler – vor der Aufgabe in die Vorgrube – zerkleinert werden; gleichzeitig kann
dabei noch eine Siebung (z. B. zur Abtrennung von Steinen) realisiert werden.
Demgegenüber lassen sich halbfeste und pastöse Substrate (z. B. Festmist) gut mit
Schneidpumpen oder Schneidrührwerken in der Vorgrube zerkleinern.
Dabei sollten bei der Zerkleinerung langsam laufende Apparate eingesetzt
werden, um den Metallabrieb bzw. den Verschleiß zu minimieren. Eingesetzt
werden beispielsweise Schnecken-, Hammer- oder Trommelmühlen. Handelt es
sich um eine Nassaufbereitung, wird einer groben Zerkleinerung häufig eine wei-
tere Zerkleinerungsstufe mit einer schnell laufenden Schneidmühle („Mazerator“)
236 4  Technische Aspekte

nachgeschaltet. Es können auch Extruder zur Zerfaserung und Anlagen zur Thermo-
druckhydrolyse (Temperaturen bis 200 °C bei einem Druck bis 10 bar) eingesetzt
werden.
Aus verfahrenstechnischer Sicht kann eine Zerkleinerung an verschiedenen
Orten im Prozess stattfinden (z. B. vor Aufgabe des Substrates in die Vorgrube,
in der Vorgrube, in der Förderleitung). Die letztliche Entscheidung, welche Zer-
kleinerungstechnik und welche Anordnung innerhalb der Anlage realisiert werden
soll, wird dabei unter anderem von den zu erwartenden Substrateigenschaften,
ökonomischen Aspekten und der insgesamt angestrebten verfahrenstechnischen
Lösung bzw. deren Optimierung beeinflusst.
Hygienisierung. Bestimmte Substrate (z. B. Bioabfälle) müssen gesetzlichen
Anforderungen unter anderem an die Seuchen- und Phytohygiene erfüllen. Auch
sind in Grünabfällen häufig keimfähige Unkrautsamen enthalten, die eine Ver-
unkrautung von Kulturflächen, auf denen das vergorene Substrat ausgebracht wird,
verursachen können. In diesen Fällen muss das Substrat hygienisiert werden.
Unabhängig davon ist der eigentliche biochemische anaerobe Abbau mit einer
Hygienisierungswirkung verbunden, die abhängig ist von der Aufenthaltszeit des
Substrates in der Biogasanlage, der Betriebstemperatur des Fermenter und den
chemisch-physikalischen Bedingungen im Reaktor. Damit wird in jeder Biogas-
anlage bis zu einem bestimmten Ausmaß das Ausgangsmaterial hygienisiert. Reicht
dies aber z. B. aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht aus, muss dem Prozess
eine separate Hygienisierungsstufe vor- oder nachgeschaltet werden. Dies gilt
insbesondere bei hygienisch bedenklichen Substraten, die in voll durchmischten
Reaktoren vergoren werden, da durch Kurzschlussströmungen (s. Abschn. „Ver-
fahren mit Volldurchmischung“) ein Teil des frischen Substrates direkt wieder aus-
getragen werden kann, ohne dass die Aufenthaltszeit für die Abtötung von Viren
und Keimen ausreichend ist.
Eine solche separate Hygienisierung kann in einer Vorbehandlungsstufe vor
oder direkt im Reaktor oder in Ausnahmefällen auch in einer nachgeschalteten
Stufe realisiert werden. Zu den im Rahmen der Hygienisierung durchzuführenden
Maßnahmen gibt es konkrete gesetzliche Regelungen (z. B. Bioabfallverordnung
(BioAbfV), Europäische Hygiene-Versordnung (EG-Hygiene-VO)), in denen die
erforderlichen Verfahren und Betriebsbedingungen näher erläutert werden.
Eine derartige, dem anaeroben Abbauprozess vorgeschaltete Hygienisierung kann
beispielsweise durch eine thermische Vorbehandlung des Substrats erreicht werden.
Dazu muss die organische Masse nicht weniger als eine Stunde einer Temperatur
von mindestens 70 °C ausgesetzt werden. Zusätzlich werden – als ein gewollter
Nebeneffekt – durch eine solche Wärmebehandlung bestimmte organische Stoffe
thermisch aufgeschlossen; dadurch können sie anschließend einfacher, schneller
und vollständiger anaerob abgebaut werden. Nach der Hygienisierung hat das Sub-
strat aber eine höhere Temperatur als für eine thermo- und insbesondere mesophile
Fermentation erforderlich ist; dadurch wird ggf. eine Abkühlung notwendig. Um
unter diesen Bedingungen den Energieeigenverbrauch einer Biogasanlage zu
minimieren, ist eine optimale verfahrenstechnische Einbindung in die Gesamt-
anlage mit einer maximalen Nutzung der anfallenden Abwärmeströme anzustreben.
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 237

Homogenisierung. Zur Sicherstellung einer maximalen Prozessstabilität sollte


dem Reaktor ein möglichst homogenes Substrat zugeführt werden. Eine derartige
Homogenisierung kann bei pumpfähigem organischem Material beispielsweise
durch eine Substratsammlung in einer Vorgrube und einer dortigen Vermischung
mittels Rührwerken erreicht werden. Alternativ dazu kann auch ein durchmisch-
barer Vorlagebehälter beliebiger Größe zum Einsatz kommen.
Konditionierung. Um eine ausreichende Nährstoffversorgung der aktiven
Bakterienbiomasse zu gewährleisten, kann eine Konditionierung des Substrats
mit Nährstoffen und/oder Spurenelementen bzw. weiteren Zuschlägen sinnvoll
bzw. notwendig sein. Die Zugabe dieser Stoffe kann z. B. in einem Pufferbehälter
erfolgen, in dem auch bei stark sauren Substraten der pH-Wert angehoben werden
kann.
Sind hemmende Substanzen in großen Mengen im Substrat enthalten (z. B.
Stickstoffverbindungen im Hühnertrockenkot), kann eine Fällung oder ein Strippen
dieser Stoffe vor der Vergärung oder ggf. aus dem Reaktor erforderlich sein. Bei-
spielsweise werden bei der Strippung sehr feine Gasblasen erzeugt, an welche sich
der zu entfernende Hemmstoff anlagert und so mit dem Abgas abgeführt werden
kann. Dabei werden in der Regel Gegenstromkolonnen eingesetzt. Bei der Fällung
werden dann die gelösten Hemmstoffe durch Fällungsmittel in einen ganz oder teil-
weise unlöslichen Zustand überführt. Durch Sedimentation, Filtration oder Flotation
werden diese Stoffe dann aus dem flüssigen Substratstrom entfernt.

4.3.2.2 Biomasseaufschlussverfahren
Unterschiedliche Komponenten organischer Stoffe (z. B. Proteine, Fette,
Kohlehydrate, Cellulose, Hemicellulose, Lignin) sind anaerob mit verschieden-
artiger Geschwindigkeit zu einem unterschiedlichen Ausmaß abbaubar. Bei-
spielsweise werden Fette i. Allg. schnell und vollständig mit einem vergleichs-
weise sehr hohen Methanertrag vergoren. Im Unterschied dazu ist z. B. Lignin
anaerob nicht abbaubar; deshalb ist verholzte Biomasse nur sehr schwer und nur
z. T. in Biogasanlagen zersetzbar. Außerdem bildet Lignin durch die Verbindung
mit Hemicellulose über sogenannte Lignin-Kohlenhydrat-Komplexe eine Matrix,
welche die Cellulosefibrillen schützend umschließt. Dieser in der Natur wichtige
Schutz der Cellulose vor dem Angriff von Mikroorganismen hemmt die Zugäng-
lichkeit der Biokatalysatoren beim anaeroben Abbau.
Deshalb muss lignocellulosehaltige Biomasse vor dem Eintrag in den Fermenter
aufgeschlossen werden, um die Bioverfügbarkeit bzw. die Zugänglichkeit für die
Vergärung zu gewährleisten und Abbauraten zu erzielen, die eine technisch-wirt-
schaftliche Vergärung ermöglichen. Die jeweilige konkret zu realisierende ver-
fahrenstechnische Lösung wird dabei von der Substratart und dessen Eigenschaften
sowie vom gewünschten Ergebnis bestimmt. Nachfolgend wird eine Auswahl
unterschiedlicher Aufschlusstechniken erläutert.
Biologische Verfahren. Ein biologisch induzierter Substrataufschluss kann
durch Pilze (z. B. Braunfäulepilze, Weißfäulepilze) erreicht werden. Diese
Pilze bilden Enzyme, die in die Lignocellulose abgegeben werden und dort die
organischen Makromoleküle spalten. Dies hat den Vorteil geringer Energiekosten
und eines geringen Chemikalieneinsatzes. Allerdings benötigen diese Pilze viel
238 4  Technische Aspekte

Platz und vor allem viel Zeit, was bisher einen großtechnischen Einsatz – primär
aus Kostengründen – verhindert hat.
Physikalische Verfahren. Zu dieser Kategorie gehören neben dem „klassischen“
Zerkleinern Mikrowellen-, Extrusions-, Kavitations- und Ultraschallverfahren. Sie
werden im Folgenden kurz beschrieben.
Zerkleinerung. Durch das Zerkleinern wird die spezifische Oberfläche erhöht
und dadurch der Zugang der den anaeroben Abbau realisierenden Bakterien zu den
abbaubaren Lignocellulosekomponenten verbessert. Jedoch ist die Aufmahlung von
Lignocellulosebiomasse sehr energieaufwändig und daher allein bisher kaum sinn-
voll einsetzbar.
Mikrowellenbehandlung. Bei einer Bestrahlung von Lignocellulose mit
Mikrowellen wird der Polymerisationsgrad der Cellulose reduziert. Die lang-
kettigen Makromoleküle werden in kurzkettigere Oligosaccharide aufgespalten.
Dadurch sind sie für den anaeroben Abbau leichter zugänglich. Nachteilig ist, dass
der benötigte Energieaufwand sehr hoch und die großtechnisch erreichbaren Auf-
schlussgrade begrenzt sind. Deshalb befindet sich dieses Verfahren noch im For-
schungs- und Entwicklungs-Stadium.
Extrusion. Das Substrat wird hier mittels eines Extruders aufgeschlossen. Unter
Extrudern sind Fördergeräte zu verstehen, die vergleichbar einem Schneckenförderer
feste bis dickflüssige Massen unter hohem Druck und hoher Temperatur gleichmäßig
aus einer formgebenden Öffnung herauspressen (das Verfahren wird als Extrusion
bezeichnet). Dabei wird die Struktur der Lignocellulose aufgeschlossen. Die
organische Masse ist deshalb danach leichter anaerob abbaubar. Dieses Verfahren ist
jedoch ebenfalls energieintensiv und befindet sich noch in der Entwicklung.
Kavitation. Durch Kavitation entstehen Scherkräfte, die auf die Zellen der
Lignocellulose wirken und diese zerstören können. Diese Kräfte können durch eine
Strömung oder durch Ultraschall hervorgerufen werden, mit der gezielt Kavitations-
blasen erzeugt werden. Dabei hat sich gezeigt, dass bei geringeren Ultraschall-
frequenzen größere Kavitationsblasen entstehen und dadurch größere Scherkräfte
auftreten, die dann einen verbesserten Aufschluss versprechen.
Ultraschallbasierte Verfahren sind am Markt verfügbar. Sie können sowohl zu
dem hier diskutierten Biomasseaufschluss vor der Substratzuführung in den Reaktor
als auch zum Aufschluss eines aus dem Reaktor abgepumpten Teilstroms einge-
setzt werden, der nach der Ultraschallbehandlung wieder dem anaeroben Abbau
zugeführt wird.
Ultraschall. Neben dem Einsatz von so genanntem hartem Ultraschall (Frequenzen
bis 1 MHz), der Kavitationsblasen erzeugt (s. o.), kann auch weicher Ultraschall
(20 bis 100 kHz) helfen, Biomasse aufzuschließen. Bei diesen Frequenzen kommt
es jedoch nicht zur Kavitation, sondern lediglich zu einer mikrobiologischen
Anregung, welche ebenfalls die Abbaubarkeit fördert. Der Einsatz von weichem
Ultraschall in Biogasanalgen wird derzeit im Labormaßstab untersucht.
Chemische Verfahren. Diese Gruppe von Aufschlussverfahren lässt sich
in saure und alkalische Verfahren unterteilen. Dabei wird der pH-Wert der auf-
zuschließenden Biomasse jeweils kurzfristig in den sauren oder alkalischen Bereich
verschoben.
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 239

Bei einer Alkalibehandlung bricht die Lignocellulosematrix aus Lignin,


Hemicellulose und Cellulose auf, so dass die Cellulose und die Hemicellulose
ligninfrei vorliegen und dem Gärprozess zugänglich sind. Dadurch können die
den anaeroben Abbau realisierenden Biokatalysatoren besser angreifen und die
Abbaurate wird erhöht.
Bei einer Behandlung mit konzentrierter oder verdünnter Säure werden durch
eine säurekatalysierte Hydrolyse Lignin und Hemicellulose aus der Zellwand
gelöst. Dadurch wird ebenfalls die anaerobe Abbaubarkeit deutlich erhöht.
Obwohl derartige Verfahren grundsätzlich nachgewiesenermaßen eine gute
Abbauverbesserung ermöglichen, befinden sie sich noch in der Entwicklung, da
der Aufwand durch die notwendige Neutralisierung des Alkali- oder Säurezusatzes
vor dem eigentlichen anaeroben Abbau erheblich ist und bisher eine kommerzielle
Umsetzung verhindert hat.
Kombinierte Verfahren. Die bisher genannten Verfahren können auch unter-
einander nahezu beliebig kombiniert werden mit dem Ziel, eine Win-win-Situation
zu generieren.
Ein Beispiel für eine derartige Kombination ist der Dampfaufschluss mit ver-
dünnter Säure. Hier können zwei (energieintensive) Varianten unterschieden
werden, die aber beide noch nicht Stand der Technik sind.
• Beim Steam-Explosion-Prozess werden physikalische und chemische Verfahren
kombiniert. Dazu wird die Lignocellulose unter Druck mit gesättigtem Wasser-
dampf beaufschlagt und anschließend unter schlagartiger Druckentspannung
aus dem Reaktor gefördert. Das Wasser, welches zuvor in die Biomassestruktur
eingedrungen ist, wird dadurch stark beschleunigt und zerfasert somit die
Biomasse. Dabei werden die Hemicellulosen durch eine Autohydrolyse heraus-
gelöst und das Lignin koaguliert. Oftmals wird eine Säurezugabe in den Steam-
Explosion-Prozess integriert, die diesen Prozess unterstützt.
• Beim Steam-Refining-Prozess erfolgt die Zerfaserung der Lignocellulose
durch einen Refiner (eine Art Mahltrommel) anstelle der schlagartigen Druck-
entspannung. Auch hier wird das Material mit verdünnter Säure vorbehandelt.
Dabei findet durch die chemische Behandlung bereits eine Zerkleinerung statt
und deshalb wird für eine weitere Zerkleinerung nur noch relativ wenig Energie
benötigt.

4.3.2.3 Fermentertechnik
Unabhängig vom jeweils gewählten Konzept, dem eingesetzten Substrat und der ggf.
realisierten Vorbehandlung muss ein Fermenter, in dem Teilstufen oder der gesamte
anaerobe Abbau stattfinden soll, folgende technische Einrichtungen aufweisen:
• Substratzufuhr. Damit jederzeit ausreichend Substrat für den mikrobiellen Abbau
zur Verfügung steht, ist ein geeignetes System zur Substratzufuhr zwingend
erforderlich.
• Substratabfuhr. Das vergorene Material muss wieder aus dem Fermenter aus-
getragen werden. Auch dazu müssen geeignete Systeme vorgesehen werden.
• Biogasabführung. Gleichzeitig müssen Vorrichtungen vorhanden sein, mit denen
das entstehende Biogas sicher abgeführt werden kann.
240 4  Technische Aspekte

• Substratdurchmischung. Im Fermenter muss gewährleistet werden, dass die


Mikroorganismen jederzeit ausreichend mit Substrat versorgt werden. Dazu ist
eine funktionierende Durchmischung sicherzustellen.
• Beheizung. Da der anaerobe Abbauprozess bei Temperaturen oberhalb der
Umgebungstemperatur effizienter abläuft und beim anaeroben Abbau kaum
Wärme freigesetzt wird, muss das Substrat im Fermenter durch geeignete tech-
nische Einrichtungen beheizt und auf einem konstanten Temperaturniveau
gehalten werden.
• Mess-, Steuer und Regelsysteme. Außerdem muss jeder Biogasfermenter – wie
jede andere bioverfahrenstechnische Anlage auch – messtechnisch überwacht
sowie verfahrenstechnisch gesteuert und geregelt werden. Die entsprechenden
Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen müssen vorhanden sein.
Ausgehend davon werden nachfolgend zunächst die für landwirtschaftliche Sub-
strate eingesetzten Fermenterkonzepte diskutiert; dabei wird zwischen Nass- und
Trockenvergärungsverfahren unterschieden. Anschließend wird auf technische
Optionen zur Beheizung, Durchmischung und Gasspeicherung eingegangen (Fach-
agentur Nachwachsende Rohstoffe 2006, 2010; Kaltschmitt et al. 2009; Bischofs-
berger 2004; Kissel et al. 2010; Gleis 2011.
Fermenterkonzepte zur Nassvergärung. Liegen die Inputsubstrate in pump-
fähiger Form vor, werden im landwirtschaftlichen Bereich im Wesentlichen voll-
durchmischte und Pfropfenstromreaktoren eingesetzt. Zusätzlich kommen Sonder-
verfahren zum Einsatz. Dies wird nachfolgend diskutiert.
Volldurchmischte Fermenter. Darunter werden Fermenterbehälter verstanden, in
denen das gesamte Substrat jederzeit mithilfe eines Rührwerks (voll)durchmischt
wird. Deshalb werden diese Fermenter auch als Rührkessel bezeichnet. Von Vorteil
sind die einfache technische Umsetzung und die robuste Fermentertechnik; deshalb
sind diese Fermenter besonders im landwirtschaftlichen Bereich weit verbreitet.
Nachteilig ist, dass gerade frisch eingetragenes Substrat direkt wieder aus dem
Fermenter ausgetragen werden kann (sog. Kurzschlussströmung); d. h. es kann zu
einer ungleichmäßigen Verweilzeit des Substrates im Fermenter kommen.
Derartige Fermenter sind zylindrische Bauwerke meist mit einem Betonboden
und wärmeisolierten Wänden aus Stahl oder Stahlbeton. Sie können oberirdisch
aufgestellt oder teilweise bzw. ganz im Boden versenkt werden. Sie werden nur zu
Reinigungszwecken komplett entleert. Abbildung 4.7 zeigt eine Prinzipskizze eines
derartigen volldurchmischten Fermenters. Dabei werden auch die verschiedenen
Einbauten deutlich, die weiter unten diskutiert werden.
Pfropfenstromreaktoren. Pfropfenstromreaktoren sind länglich geformte,
liegende Fermenter, die horizontal von Substrat durchströmt werden. Diese Durch-
strömung wird erreicht, indem frisches Substrat auf der einen Fermenterseite
zugeführt wird. Dadurch wird das im Fermenter enthaltene Material verdrängt und
das ausgefaultes Material wird an der gegenüber liegenden Seite wieder abgezogen.
Parallel dazu wird durch die eingebaute Durchmischungsvorrichtung (s. u.) das
Substrat senkrecht zur Fließrichtung gut durchmischt; dadurch soll eine (näherungs-
weise) einheitliche Verweilzeit erreicht werden; dabei kann eine Durchmischung in
Strömungsrichtung jedoch nicht vollständig vermieden werden.
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 241

Abb. 4.7 Beispiel für einen volldurchmischten Fermenter

Da sich am Eintrag im Wesentlichen frisches Substrat befindet, sollte eine Sub-


stratrückführung vorhanden sein, die dem Eintragsstrom ausgegorenes Material
(d. h. Substrat, in dem sich Bakterienbiomasse befindet) zur Animpfung beimischt.
Propfenstromermenter werden im landwirtschaftlichen Bereich zur Vergärung
von Rückständen, Nebenprodukten und Bioabfällen sowie von Energiepflanzen
eingesetzt. Das Schema eines Pfropfenstromfermenters ist in Abb. 4.8 dar-
gestellt. Der Vorteil ist, dass sich in unterschiedlichen Fermentersegmenten leicht
unterschiedliche Bedingungen einstellen, die den in verschiedenen Fermenterteilen
realisierten unterschiedlichen Abbaustufen näherungsweise Rechnung tragen.
Pfropfenstromfermenter sind jedoch für den Einsatz in Biogasanlagen kleiner bis
mittlerer Leistung i. Allg. zu kostenintensiv.
Weitere Verfahren. Neben den genannten volldurchmischten Fermenters und den
Pfropfenstromfermentern gibt es zahlreiche weitere Nassvergärungsverfahren, die
z. T. nur für Substrate mit bestimmten Eigenschaften einsetzbar sind und deshalb
nachfolgend nur kurz beschrieben werden.
• Bei dem Doppelkammerverfahren wird der aus der Gasproduktion resultierende
Druckaufbau für eine hydraulische Substratumwälzung genutzt. Somit kann
elektrische Energie für eine Umwälzung eingespart werden; allerdings ist ein
z. T. deutlich höherer baulicher Aufwand erforderlich.
• Beim Kontaktprozess wird die aktive Biomasse, die den anaeroben Abbau
realisiert, durch technische Maßnahmen weitgehend im Fermenter gehalten
bzw. diesem – nach einer Abtrennung aus dem vergorenen Substrat – wieder
zugeführt, um die erforderliche Verweilzeit für das abzubauende Material zu
reduzieren bzw. zu minimieren.
• Beim Schlammbettfermenter wachsen die Mikroorganismen in kleinen
Anhäufungen oder auf Trägermaterialien. Diese Bakterienagglomerate werden
mithilfe spezieller Einbauten in Suspension gehalten und dadurch ein Austrag
aus dem Fermenter verhindert.
242 4  Technische Aspekte

Abb. 4.8 Schema eines Propfenstromfermenters. (Kaltschmitt et al. 2009)

• Wirbelbettfermenter sind hohe stehende Zylinder, in denen eine Durchmischung


durch ein ständiges Umpumpen erreicht wird. In dieser bewegten Flüssigkeit
wachsen die Bakterien auf Feststoffpartikeln (z. B. Sand).
• In Anaerobfiltern werden im Fermenter Trägermaterialien mit einer hohen spezi-
fischen Oberfläche eingebaut. Dort können sich die den Abbau realisierenden
Bakterien ansiedeln und werden dadurch im Fermenter zurückgehalten. Das
Trägermaterial wird gegenüber dem Substrat leicht bewegt. Dies kann durch auf-
oder abströmendes Gas oder durch einen Motorantrieb realisiert werden.
Fermenterkonzepte zur Trockenvergärung. Liegen stapelfähige Inputsub-
strate vor, die aufgrund von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nicht angemaischt und
damit in eine pumpfähige Konsistenz gebracht werden können, werden sogenannte
Trockenfermentationsverfahren eingesetzt. Nachfolgend werden exemplarisch
einige derartige Verfahren dargestellt. Trockenfermentationsanlagen können auch
mit einer Nassfermentation gekoppelt werden; beispielsweise kann das Perkolat
in einer eigenen Nassvergärungsstufe, z. B. in einem Rührkesselreaktor, vergoren
werden.
Containerfermenter. Bei Containerfermentern handelt es sich um mobile Ein-
schubfermenter, die mit einer Mischung aus Frischsubstrat und ausgegorenem
Material (zum Animpfen) befüllt werden (Abb. 4.9). Nach der Befüllung wird
dem Substratgemisch zunächst Luft zugeführt. Dadurch wird eine aerobe Vor-
rotte angeregt, durch die Wärme freigesetzt wird; dadurch wird das Substrat auf
die erforderliche Vergärungstemperatur erwärmt. Dann wird die Luft abgezogen
und der Fermenter luftdicht verschlossen, so dass das Material anaerob vergoren
werden kann. Um das Material ausreichend feucht zu halten, wird es mit im Kreis-
lauf geführtem Wasser bzw. Gärsaft (sogenanntes Perkolat) durch an der Fermenter-
decke angebrachten Düsen berieselt.
Boxenfermenter. Darunter sind garagenförmige Bauten aus Stahl oder Fertigbeton
zu verstehen, die durch ein Tor mit einem Radlader mit einem Substratgemisch
befüllt werden (Abb. 4.9). Die Vorgänge im Fermenter bestehen wie beim Contai-
nerverfahren aus einer kurzen aeroben Phase zu Beginn und der anschließenden
anaeroben Fermentation. Auch hier ist ein Perkolatkreislauf installiert, über den das
Gärgut befeuchtet wird.
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 243

Abb. 4.9 Schema eines Container- bzw. Boxenfermenters. (Kaltschmitt et al. 2009)

Folienschlauchfermenter. Dieser Einfachstfermenter ohne Perkolation besteht


aus einem Siloschlauch, der auf einer beheizten Bodenplatte gelagert wird
(Abb. 4.10). Zur Animpfung wird das Substrat mit ausgefaultem Material durch-
mischt. Diese Mischung wird dann zwei bis drei Tage an der Luft gelagert, um eine
Eigenerwärmung durch Kompostierungsvorgänge zu erzielen. Anschließend wird
das Material in den Folienschlauch gefüllt, der dann mit einer Isolierung abgedeckt
wird.
Mietenverfahren. Hierzu wird das Substrat segmentweise in eine Fermentierwanne
eingebracht. Es finden zeitlich und räumlich aufeinanderfolgend eine aerobe, eine
anaerobe und schließlich wieder eine aerobe Behandlung des Substrates statt. In
der ersten aeroben Phase erwärmt sich das Substrat. In einer fakultativen Phase
vor der anaeroben Phase findet eine Perkolation mit Sickerwasser statt, so dass die
Luft verdrängt wird und im Anschluss eine anaerobe Vergärung stattfinden kann.
Abbildung 4.10 zeigt das Prinzip dieses Verfahrens.
Reaktorbeheizung. Um die benötigte Prozesstemperatur konstant zu halten,
muss das Substrat vor bzw. während der anaeroben Vergärung im Fermenter beheizt
werden. Dies kann über eine im Fermenter integrierte Heizung oder über einen
außerhalb des Reaktors angebrachten Wärmeübertrager erreicht werden. Beide
Optionen werden nachfolgend diskutiert; Abb. 4.11 und 4.12 zeigen eine Auswahl
derartiger Systeme.
Fermenterinterne Heizungen. Interne (d. h. in den Fermenter integrierte) Hei-
zungen bestehen entweder aus im Fermenter verlegten Heizspiralen (d. h. Wär-
meübertragern) oder können im Rührwerk integriert sein (Abb. 4.11).
Bei ersterer Variante kann zwischen einer Beheizung unter anderem über die
Fermenterwand (als Doppelmantel) und/oder den Fermenterboden sowie einer Wär-
meeinbringung über Rohrbündel- oder Flächenwärmeübertrager an der Innenseite
244 4  Technische Aspekte

Abb. 4.10 Schema eines Folienschlauchfermenters

Abb. 4.11 Beispiele fermenterinterner Heizungssysteme


4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 245

Abb. 4.12 Beispiele fermenterexterner Heizungssysteme

des Fermenters unterschieden werden. Der Vorteil einer derartigen im Fermenter


angebrachten Heizung liegt in der guten Wärmeübertragung im Auslegungszustand;
jedoch kann es sehr schnell zu Ablagerungen auf der Oberfläche des Wärmeüber-
tragers kommen, die den Wärmeübergang deutlich reduzieren können. Dies wird bei
einer Heizung in Wand oder Boden vermieden; sie sind jedoch i. Allg. durch eine
schlechtere Wärmeübertragung gekennzeichnet. Und bei Bodenheizungen kommt
hinzu, dass die Wärmeübertragung durch Bildung von Sinkschichten weiter negativ
beeinflusst werden kann. Außerdem kann es bei der unsachgemäßen Integration der
Heizung in die Wand oder in den Boden zur Bildung von Wärmespannungen im
Beton kommen.
Ein Teil dieser Probleme kann durch eine in das Rührwerk integrierte Heizung
vermieden werden. Hier werden entweder Teile oder das gesamte Rührwerk durch
im Rührwerk verlaufende Wärmeübertragerrohre beheizt und mit der Rührwerk-
bewegung wird die Wärme in das Substrat übertragen. Nachteilig ist die konstruktiv
aufwändigere Ausführung im Vergleich zu den zuvor genannten Alternativen. Von
Vorteil sind der vergleichsweise gute Wärmeübergang und die geringere Neigung
zur Bildung von Ablagerungen.
Fermenterexterne Heizungen. Bei außerhalb des Reaktors liegenden Wärmeüber-
tragern wird das Substrat erwärmt, bevor es in den Fermenter eingetragen wird. Je
nach Systemansatz kann dabei ein Teilstrom aus dem Reaktor abgezogen, in einem
Wärmeübertrager erwärmt und dem Reaktor erneut zugeführt werden. Alternativ
dazu kann auch das Frischsubstrat erhitzt werden. Auch eine Kombination beider
Ansätze ist möglich. Abbildung 4.12 zeigt einige derartige Möglichkeiten.
Um die Temperatur im Fermenter konstant zu halten, muss das extern erwärmte
Substrat und der im Fermenter bereits vorhandene Inhalt gut durchmischt werden.
Ist diese nicht oder nicht ausreichend gewährleistet, kann das frische Substrat zwar
extern vorgewärmt werden, eine zusätzliche Heizung im Fermenter ist jedoch
trotzdem erforderlich.
Der Wärmeeintrag in den Substratstrom, wie er in den Fermenter eingebracht
wird, kann beispielsweise über Spiral- und Doppelrohrwärmeübertrager realisiert
werden, die mit heißem Wasser, Dampf oder mit einem Brenner beheizt werden
können. Die Vorteile eines derartigen externen Wärmeübertrags liegen in der guten
Wärmeübertragung und in den guten Reinigungsmöglichkeiten. Wird das Frisch-
material extern vorerhitzt, führt dies beim Eintrag in den Fermenter auch nicht
246 4  Technische Aspekte

zu einem Temperaturschock, da es bei einer für die Mikroorganismen optimalen


Temperatur in den Fermenter eintritt. Nachteilig ist die Tatsache, dass derartige
Lösungen i. Allg. technisch aufwändiger sind im Vergleich zu einer fermenter-
internen Heizung.
Durchmischungssysteme. Je nach Fermenterbauart und Anlagenkonzept
können unterschiedliche Durchmischungssysteme zum Einsatz kommen. Hierbei
kann zwischen mechanischen und hydraulischen Systemen sowie einer Durch-
mischung mittels Gaseinpressung unterschieden werden. Abbildung 4.13 zeigt eine
Auswahl derartiger Systeme.
Mechanische Durchmischung. Eine mechanische Einrichtung, mit der der
Reaktorinhalt durchmischt wird, wird i. Allg. als Rührwerk bezeichnet. Derartige
Systeme können sehr unterschiedlich ausgeführt werden (z. B. Tauchmotorrühr-
werke, Langachsrührwerke, Stabmixer, Paddelrührwerke). Nachfolgend wird eine
Auswahl diskutiert.
Bei einem Tauchmotorrührwerk bildet der Rührer mit dem Elektromotor als
Antrieb eine Einheit. Diese Rührer-Motor-Kombination ist an einer vertikal im
Reaktor angeordneten Führungsstange befestigt und kann in ihrer Höhe verstellt
werden (vgl. Abb. 4.7). Das Rührwerk befindet sich direkt im Substrat und sorgt dort
für eine Umwälzung. Es kann für Wartungszwecke herausgefahren werden. Je nach
Auslegung kann ein solches Rührwerk Schwimmdecken und Bodenablagerungen
in das Substrat einmischen. Bei hohen Trockensubstanzgehalten kommt es jedoch
zu einer erhöhten mechanischen Beanspruchung des Rührwerks; dies ist mit einem
entsprechenden Verschleiß verbunden.
Langachsrührwerke ragen schräg von der Fermenterwand in den Fermenter
hinein. Sie können am Fermenterboden befestigt oder schwimmend ausgeführt
werden. Der Motor befindet sich aber – im Gegensatz zum Tauchmotorrührwerk
– außerhalb des Fermenters und kann damit auch problemlos gewartet werden.
Langachsrührwerke können, da sie i. Allg. relativ langsam drehen, bei höheren Tro-
ckensubstanzgehalten eingesetzt werden. Dies hat auch zur Folge, dass die Mikro-
organismen geringeren Kräften ausgesetzt sind und somit schonender behandelt
werden. Je nach Reaktorgröße können ein oder mehrere dieser Rührwerke gleich-
zeitig eingesetzt werden.
Ähnlich den Langachsrührwerken sind auch Stabmixer. Allerdings sind sie
deutlich kürzer und werden meist schwenkbar oder in der Neigung verstellbar in
die Fermenterwand eingebaut. Dadurch kann eine Beschädigung oder Zerstörung
von Schwimmdecken vermieden werden. Sie sind damit flexibler einsetzbar im Ver-
gleich zu den Langachsrührwerken.
Paddelrührwerke sind in der Regel horizontal ausgeführte Rührwerke, die im
Fermenter auf einer Stahlkonstruktion aufliegen; alternativ dazu sind auch vertikale
ausgeführte Systeme möglich. Auch hier befindet sich der Elektromotor außer-
halb des Fermenters am Ende der Rührwelle. Da es sich um ein langsam laufendes
Durchmischungssystem handelt, ist es für hohe Trockensubstanzgehalte geeignet.
Bei Reparaturen muss aber der gesamte Reaktor entleert werden.
Hydraulische Durchmischung. Das Substrat kann auch hydraulisch durch ein
Umpumpen des Fermenterinhalts durchmischt werden. Dabei wird im unteren
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 247

Abb. 4.13 Beispiel für Mischsysteme. (Kaltschmitt et al. 2009)

Bereich des Fermenters Substrat abgezogen und auf Höhe des Substratspiegels
wieder in den Fermenter eingebracht. Die konkrete Auslegung des Substratabzugs
und der -rückführung hängen unter anderem ab vom Fermenterdesign, den Substrat-
eigenschaften und dem Gesamtkonzept (z. B. Kopplung mit einer fermenterexternen
Heizung). Da eine hydraulische Durchmischung i. Allg. sehr energieintensiv ist,
kommt diese Option im landwirtschaftlichen Bereich kaum zum Einsatz.
Durchmischung mittels Gaseinpressung. Bei bestimmten Substraten kann eine
Durchmischung auch durch eine Einpressung von Biogas realisiert werden. Bei-
spielsweise wird bei derartigen Systemen der Fermenterinhalt durch Einleiten von
Biogas durch Düsen in den unteren Bereich des Fermenters durchmischt. Dieses
Verfahren ist nur bei geringen Trockensubstanzgehalten (d. h. geringer Viskosität
des Fermenterinhalts) praktikabel und kommt deswegen bei landwirtschaftlichen
Substraten kaum zur Anwendung.
Gasspeicherung. Durch eine Gasspeicherung können Schwankung sowohl
in der anfallenden Gasmenge als auch bei der Energienachfrage ausgeglichen
werden (Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe 2006; Bundesverband der
248 4  Technische Aspekte

landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften 2008). Deshalb verfügen praktisch


alle Biogasanlagen über eine Möglichkeit, das Biogas zwischenzuspeichern.
Die Gasspeicher müssen gasdicht, druckfest, medien-, UV-, temperatur- und
witterungsbeständig sein und mit Über- und Unterdrucksicherungen ausgestattet
sein. Außerdem muss eine Notfackel vorhanden sein, welche das Gas bei Über-
füllung des Speichers schadstofffrei verbrennt. Aus technischer Sicht kann zwischen
Nieder-, Mittel- und Hochdruckspeichern unterschieden werden.
Mittel- und Hochdruckspeicher arbeiten bei Drücken von 5 bis 250 bar. Sie
werden als einzeln stehende Speicher – meist in Form von Stahldruckbehältern oder
-flaschen – ausgeführt und sind Stand der Technik. Da sie sowohl energie- als auch
kostenintensiv sind, werden sie bei landwirtschaftlichen Anlagen praktisch nicht
eingesetzt.
Niederdruckspeicher arbeiten bei Drücken von 0,5 bis 30 mbar und können
sowohl in den Fermenter integriert (d. h. intern) als auch außerhalb des Reaktors
(d. h. extern) realisiert werden.
• Beim reaktorintegrierten Niederdruckgasspeicher handelt es sich i. Allg.
um einen Foliengasspeicher im Fermentergasraum. Dazu befindet sich in der
Folienhaube, die das Dach des Biogasfermenters bildet, eine zweite Folie, deren
umschlossenes Volumen sich mit den sich ändernden Gasmengen verändert.
Diese technische Lösung hat derzeit in Deutschland die größte Marktbedeutung.
• Externe Niederdruckgasspeicher können sehr unterschiedlich realisiert werden.
Im landwirtschaftlichen Bereich kommen beispielsweise Foliengasspeicher zum
Einsatz; dabei handelt es sich um eine großen Foliensack, der in einer Halte-
konstruktion aufgehängt ist und mit Biogas befüllt werden kann. Alternativ
dazu kann auch der technisch deutlich aufwändigere Naßgasometer eingesetzt
werden; aus ökonomischen Gründen hat diese Technik aber eine eher begrenzte
Bedeutung.

4.3.2.4 Gasreinigung und -aufbereitung


Bevor das Biogas als Energieträger genutzt werden kann, muss es gereinigt werden,
damit die im Gas enthaltenen Störstoffe keine Schädigungen der Anlagen hervor-
rufen und ein genehmigungsfähiger Anlagenbetrieb möglich ist. Soll das Biogas in
Form vom Biomethan in das Erdgasnetz eingespeist werden, ist zusätzlich dazu eine
Aufbereitung erforderlich. Im Folgenden wird zunächst die Gasreinigung erläutert
und anschließend beschrieben, wie es weitergehend für eine Einspeisung ins Gas-
netz aufbereitet werden kann (s. unter anderem Kaltschmitt et al. 2009; Ahrens
2007; Heilmann 2010; Deutsche Energie-Agentur 2011).
Gasreinigung. In landwirtschaftlichen Anlagen wird Biogas standardmäßig
meist nur getrocknet (d. h. Wasserabtrennung) und entschwefelt (d. h. Schwefel-
abtrennung). Zusätzlich kann – je nach den Substrateigenschaften und der einge-
setzten Anlagentechnik – eine Partikelabscheidung erforderlich sein.
Eine Gastrocknung ist notwendig, weil die doch z. T. erheblichen ausfallenden
Wassermengen z. B. Leitungen blockieren und Düsen verstopfen können; das
gleiche gilt sinngemäß auch für mit dem Gasstrom mitgerissene Partikel.
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 249

Der im Biogas aus biologischen Gründen enthaltene Schwefelwasserstoff muss


abgeschieden werden, da er zur Korrosion von metallischen Komponenten führen
und bei der Verbrennung Schwefeldioxid (d. h. eine Abgaskomponente, deren
Freisetzung gesetzlich limitiert ist) bilden kann.
Die entsprechenden Abscheidetechniken, wie sie im landwirtschaftlichen
Bereich eingesetzt werden können, werden nachfolgend diskutiert.
Gastrocknung. Eine Gastrocknung kann durch eine Kondensation oder eine
adsorptive Gastrocknung realisiert werden.
Bei ersterem Verfahren wird das Biogas soweit abgekühlt, dass das Wasser
sukzessive auskondensiert. Diese Gaskühlung wird häufig in der Gasleitung durch-
geführt. Alternativ oder additiv dazu können auch elektrisch betriebene Kühler
eingesetzt werden. Die Gasleitung muss dazu ein ausreichendes Gefälle aufweisen,
damit das flüssige Wasser abfließen (und nicht die Leitungen blockiert) und dann
in einem Kondensatabscheider abgeschieden werden kann. Um eine Kondensat-
bildung im weiteren Verlauf der Gasleitung sicher zu vermeiden, wird das Gas nach
dem Kühler wieder leicht erwärmt.
Soll Biogas als Fahrzeugtreibstoff eingesetzt werden oder ist eine Einspeisung
in Form von Biomethan ins Erdgasnetz vorgesehen, muss eine weitergehende Gas-
trocknung stattfinden. Diese kann dann z. B. adsorptiv erfolgen. Dazu wird das
feuchte Gas durch ein hygroskopisches Material (z. B. Silicate) geleitet, an dem
sich dann das im Biogas befindliche Wasser anlagert. Ist das adsorptive Material
wassergesättigt, muss es mit einem entsprechenden Energieaufwand regeneriert
werden (d. h. das Wasser muss ausgetrieben werden). Daher werden zur Sicher-
stellung eines kontinuierlichen Betriebs mindestens zwei Kolonnen installiert, von
denen eine zur Gastrocknung genutzt und die jeweils andere regeneriert wird.
Entschwefelung. Schwefelwasserstoff kann aus Biogas durch eine biologische
oder eine absorptive Entschwefelung, einen Biowäscher, eine Entschwefelung mit
eisenhaltigen Substanzen und mit Aktivkohleverfahren abgeschieden werden.
Bei der reaktorinternen biologischen Entschwefelung werden aerobe
Schwefelbakterien im Gasraum des Fermenters angesiedelt. Damit sie dort über-
leben und den Schwefelwasserstoff in elementaren Schwefel umwandeln können,
muss eine geringe Menge Luft zudosiert werden. Der unter diesen Bedingungen
bakteriell gebildete elementare Schwefel wird in das Gärsubstrat rückgeführt und
mit diesem abgeschieden. Dieses einfache, nicht regelbare Entschwefelungsver-
fahren wird häufig in kleineren landwirtschaftlichen Anlagen eingesetzt. Das dort
aus dem Fermenter austretende Biogas hat deshalb (d. h. aufgrund dieser geringen
Luftzudosierung) einen leicht erhöhten Stickstoff- und Sauerstoffanteil.
Schwefelbakterien können auch außerhalb des Fermenters in einem eigenen
Reaktor angesiedelt werden. In einem derartigen sogenannten Entschwefeler, durch
den das Biogas geleitet wird, befindet sich ein Nährmedium für die Bakterien.
Dabei löst sich der Schwefelwasserstoff in der Flüssigkeit, wo er von den Mikro-
organismen umgesetzt wird und danach abgeschieden werden kann.
Bei der absorptiven Entschwefelung wird das Biogas durch eine Kolonne mit
einem alkalischen Medium (z. B. Natronlauge) geleitet. Der Schwefelwasser-
stoff löst sich in diesem Medium und reagiert mit dem Natriumhydroxid zu
250 4  Technische Aspekte

Natriumhydrogensulfid und Wasser. Um den Prozess aufrecht zu erhalten, muss in


regelmäßigen Abständen Natriumhydroxid zugegeben und Natriumhydrogensulfid
abgeschieden werden.
Im Biowäscher werden die biologische und die absorptive Entschwefelung
kombiniert. Dazu wird das Biogas durch eine Kolonne mit verdünnter 20 %-iger
Natronlauge geleitet, in der sich der Schwefelwasserstoff löst. Auch hier entsteht
Natriumhydrogensulfid. Dieses wird dann von Bakterien unter Aufnahme von
Sauerstoff in elementaren Schwefel und Natronlauge umgewandelt; dadurch wird
die verbrauchte Natronlauge regeneriert und steht wieder für den Prozess zur Ver-
fügung. Und der elementare Schwefel kann abgeschieden werden.
Auch mit eisenhaltigen Materialien kann eine Entschwefelung direkt im Fermenter
und/oder in einer externen Kolonne realisiert werden. Bei ersterer Option werden
Eisensalze zur Sulfidfällung eingesetzt; die dabei entstehenden schwefelhaltigen
Verbindungen finden sich dann im Gärrest wieder und verbessern dessen Dünge-
wirkung. Bei letzterer Variante wird das Biogas außerhalb des eigentlichen Bio-
gasfermenters in einem Reaktor durch eine Schüttung aus eisenhaltigem Granulat
geleitet, an dem der Schwefel gebunden wird. Anschließend kann die Schüttung
durch Luftzufuhr regeneriert werden; dabei entsteht elementarer Schwefel, der
abgeschieden werden kann.
Höhere Entschwefelungsleistungen sind mit dotierter oder imprägnierter
Aktivkohle möglich. Der Schwefelwasserstoff adsorbiert an der Aktivkohle und
wird dort durch eine katalytische Oxidation umgewandelt.
Partikelabscheidung. Die mit dem aus dem Fermenter austretenden Biogas-
strom mitgerissenen Partikel können mithilfe von Zyklonen, Gewebefiltern oder
Wäschern abgeschieden werden.
In einem Zyklon wird das partikelbeladene Gas rotierend durch einen zylin-
drischen Körper geführt, in dessen Mitte es durch eine Wirbelsenke wieder hinaus-
strömt. Durch den Dichtenunterschied zwischen Feststoffpartikeln und Gas bewirkt
die Zentrifugalkraft, dass die Partikel an der äußeren Gefäßwand abgeschieden
werden, während das Gas durch die mittlere Öffnung strömt. Dadurch können
größere Partikel auch bei hohen Beladungen, Temperaturen und Volumenströmen
gut entfernt werden.
Gewebefilter bestehen aus einem sehr feinmaschigen Netz, das zwar Gasmoleküle
hindurch lässt, nicht aber Partikel über ihrer Maschengröße. Da mit zunehmender
Partikelbeladung des Filters der Strömungswiderstand deutlich zunimmt, müssen
Gewebefilter in regelmäßigen Abständen abgereinigt werden.
In einem Gaswäscher wird das zu reinigende Gas mit einer Waschflüssigkeit
vermischt. Die Partikel lösen sich in der Flüssigkeit und können so aus dem Gas
entfernt werden. Je nach Art der Partikel werden unterschiedliche Berieselungs-
medien eingesetzt.
Gasaufbereitung. Um das gereinigte Biogas in das Erdgasnetz einspeisen zu
dürfen, muss es den Standards des entsprechenden Gasnetzes entsprechen. Dafür
muss zusätzlich Kohlenstoffdioxid (CO2) abgetrennt (d. h. der Methananteil wird
deutlich erhöht) sowie das Gas konditioniert und auf Netzdruck verdichtet werden.
Diese einzelnen Aspekte werden nachfolgend diskutiert.
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 251

Kohlenstoffdioxidabtrennung. Eine CO2-Abscheidung ist durch eine Vielzahl


unterschiedlicher Verfahren möglich. Nachfolgend werden wesentliche Optionen
diskutiert.
Bei der Druckwechseladsorption wird durch starke und schnelle Druckwechsel
primär das Kohlenstoffdioxid an regenerierbare Aktivkohle adsorbiert. Dieser Pro-
zess erfolgt in vier Teilschritten:
1. Adsorption von Kohlenstoffdioxid aus dem Biogas bei höherem Druck an der
Aktivkohle oder dem Molekularsieb in einer Kolonne (ca. 10 bar).
2. Druckentspannung nach Umleitung des Biogases auf eine weitere Kolonne (in
der dann der oben beschriebene Prozess erneut stattfindet) bei gleichzeitiger
Spülung mit Umgebungsluft.
3. Desorption des Kohlenstoffdioxides von der Aktivkohle oder dem Molekularsieb
im Gleichstrom bzw. Gegenstrom in Umgebungsluft.
4. Erneuter Druckaufbau in der Kolonne und erneute Gaszufuhr, um wieder mit
dem ersten Schritt zu beginnen.
Diese Schritte werden – je nach geforderter Gasqualität – in der Regel zwei- oder
dreimal durchlaufen. Unter diesen Bedingungen ist eine Gasreinheit von mehr als
97 Vol.-% Methan möglich. Dazu sind i. Allg. vier bzw. sechs Adsorptionskolonnen
erforderlich.
Bei der Druckwasserwäsche werden die bei veränderlichen Drücken
unterschiedlichen Löslichkeiten von Methan und Kohlenstoffdioxid in Wasser aus-
genutzt, um Methan auf mehr als 96 Vol.-% anzureichern. Dazu wird das Biogas auf
ca. 10 bar verdichtet und einer Absorptionskolonne zugeführt, die es von unten nach
oben durchströmt. Im Gegenstrom dazu wird Wasser durch die Kolonne geführt.
Dabei lösen sich die basischen und sauren Bestandteile; dies gilt auch für ggf. vor-
handene Stäube und Mikroorganismen. Vor allem gehen aber Kohlenstoffdioxid
und Schwefelwasserstoff in Lösung. Das derart gereinigte Gas verlässt die Kolonne
mit einem Methangehalt von bis zu 98 %. Anschließend muss das Gas getrocknet
werden. Durch eine mehrstufige Entspannung wird das Waschwasser wieder vom
CO2 befreit und der Prozess beginnt erneut.
Zusätzlich haben im Biogasbereich Verfahren der chemischen Adsorption
oder Absorption Relevanz erlangt; im Wesentlichen sind dies Amin-, Glykol- und
Selexolwäschen. Hier wird von der Waschflüssigkeit das Kohlenstoffdioxid in einer
Kolonne bei unterschiedlichen Drücken adsorbiert/absorbiert. Die chemischen
Adsorbentien/Absorbentien werden anschließend mithilfe von Wärme und/oder
Druck wieder regeneriert.
Daneben kann das Gas auch mit Membrantrennprozessen getrennt werden. Der-
artige Verfahren basieren auf der selektiven Durchlässigkeit einer geeigneten Mem-
bran, da jedes Gas eine membranabhängige, spezifische Diffusionsgeschwindigkeit
besitzt. Unter Ausnutzung dieser Unterschiede lassen sich unerwünschte Gaskom-
ponenten abtrennen.
Konditionierung. Für die Einspeisung in das Gasnetz muss das aus der Gasrei-
nigung kommende Biomethan zusätzlich konditioniert werden. Hierzu zählen der
Anteil an Spurengasen, der Brennwert, aus Sicherheitsgründen ggf. eine Odorierung
und der Druck, bei dem das Gas eingespeist wird.
252 4  Technische Aspekte

Spurengase werden meist zusammen mit dem CO2 sicher abgeschieden; ist das
aus technischen Gründen nicht möglich, können sie mithilfe von Aktivkohlefiltern
abgetrennt werden; deshalb werden derartige Filter auch oft als Polizeifilter ver-
wendet. Zur Brennwertanpassung kann ggf. eine Anreicherung mit Propan durch-
geführt werden.
Das Druckniveau, auf welches das Gas für eine Netzeinspeisung gebracht werden
muss, ist in der Regel gering und vom örtlichen Gasnetz abhängig. Die dazu ggf.
notwendige Verdichtung findet großtechnisch mit Kolben- und Radialkompressoren
statt. Für die Einspeisung kleinerer Gasmengen reichen auch Seitenkanalverdichter
aus.

4.3.2.5 Gärrestbehandlung und -nutzung


Unter dem Gärrest wird alles das verstanden, was nach dem anaeroben Abbau außer
dem Biogas den Gärbehälter verlässt.
Der Gärrest wird bei landwirtschaftlichen Anlagen im Normalfall – vergleichbar
zum Wirtschaftsdünger – auf die landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgebracht. Da
dieser Gärrest aus grundwasser- und umweltschutztechnischen Gründen nicht das
gesamte Jahr über ausgebracht werden darf, müssen zumindest die entsprechenden
Lagerkapazitäten an der Biogasanlage geschaffen werden. Dabei handelt es sich bei-
spielsweise um abgedeckte Betonbehälter, die ausreichend groß dimensioniert sein
müssen, um beim geplanten Volllastbetrieb der Anlage mindestens die gesetzlichen
Sperrfristen nach der Dünge-Verordnung sicher einzuhalten. Außerdem sollten sie
gasdicht ausgeführt werden, da bei der Lagerung zwingend noch geringe Mengen
an Biogas entstehen, die aus Klimaschutzgründen nicht an die Atmosphäre abge-
geben werden sollten.
Neben der üblichen Direktausbringung (d. h. die Gärreste werden ohne wei-
tere Behandlung als Dünger auf die Felder ausgebracht) können die Gärreste ent-
sprechend der folgenden Möglichkeiten auch weitergehend genutzt werden:
• Teilaufbereitung; d. h. die Gärreste werden zunächst phasengetrennt und dann
bevorzugt die feste Phase weiter behandelt,
• Vollaufbereitung; d. h. die durch eine Phasentrennung erzeugte Fest- und Flüssig-
phase werden aufbereitet.
Nachfolgend werden diese Optionen kurz vorgestellt. Da in der landwirt-
schaftlichen Praxis aus Kostengründen bei einer flächenangepassten Biogas-
erzeugung im Normalfall eine Direktausbringung der Gärreste realisiert wird, haben
die anderen Optionen bisher nur eine untergeordnete Bedeutung erlangt.
Direktausbringung. Das Ziel der Direktausbringung von Gärresten ist es, die
darin enthaltenen Nährstoffe an den Ursprungsort zurück zu führen und dadurch
den Nährstoffkreislauf innerhalb des jeweiligen landwirtschaftlichen Betriebes zu
schließen. Die Direktausbringung von Gärresten ist somit mit der Ausbringung von
Gülle zu vergleichen. Deshalb kommen vergleichbare Techniken und Verfahren
zum Einsatz und es gelten die gleichen logistischen und sonstigen Einschränkungen.
Teilaufbereitung. Bei einer Teilaufbereitung werden zunächst die Fest- und die
Flüssigphase getrennt. Da Gärreste zum größten Teil aus Wasser bestehen, dient
dieser Schritt in erster Linie der Gewinnung der Feststofffraktion. Gleichzeitig
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 253

werden der zu behandelnde Stoffstrom und damit das benötigte Lagervolumen


reduziert. Je nach Biogasanlagenkonzept kann die Flüssigphase (oder ein Teilstrom)
beispielsweise zur Anmaischung in die Anlage rückgeführt oder als Flüssigdünger
auf landwirtschaftlich genutzte Felder ausgebracht werden. Als gängige Aggregate
zur Phasentrennung werden je nach Substrateigenschaften und zu realisierendem
Trenngrad Dekanter, Siebband- und Siebtrommelpressen sowie Pressschnecken-
separatoren verwendet.
Bei der Teilaufbereitung wird lediglich die aus dem Gärrest erzeugte Festphase
weiter behandelt. Sie kann zu Gärkompost oder anderen Bodenverbesserungs-
produkten weiterverarbeitet werden. Dazu kann eine Trocknung des Materials
notwendig werden; in diesem Fall können Schubwende-, Band- und Trommel-
trockner zum Einsatz kommen.
Vollaufbereitung. Bei der Vollaufbereitung werden sowohl die Fest- als auch
die Flüssigphase weiter behandelt. Ziel ist es, zusätzlich zu dem Produkt aus den
festen Gärresten auch ein marktfähiges Produkt (z. B. Flüssigdünger mit defi-
nierten Eigenschaften) aus den flüssigen Gärrückständen zu erzeugen. Dazu kann
eine Vielzahl unterschiedlicher Techniken eingesetzt werden, die bisher für diesen
Anwendungsfall nicht zwingend marktgängig sind.

4.3.2.6 Gasnutzung
Das methanhaltige Biogas kann direkt vor Ort in einem Blockheizkraftwerk
(BHKW) in Strom und Wärme umgewandelt werden (unter anderem Kaltschmitt
et al. 2009; Urban et al. 2009). Alternativ dazu ist eine Einspeisung in lokale Bio-
gasnetze möglich, mit denen dann umliegende Nachfrager versorgt werde können;
aber auch bei solchen Konzepten wird das Biogas i. Allg. in einem BHKW zur
gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung genutzt. Zusätzlich dazu ist – nach einer
entsprechenden Aufbereitung auf Erdgasqualität und einer Gasnetzeinspeisung –
auch eine beliebige Verteilung des Biomethans über das Erdgasnetz möglich. Dann
kann das Biomethan im ausschließlichen Wärmemarkt (z. B. Gasbrennwerttherme)
oder in KWK eingesetzt werden; letztere Option ist primär wieder das bereits dis-
kutierte BHKW, das dann aber so installiert werden kann, dass eine sehr weitgehende
Nutzung der in Koppelproduktion anfallenden Wärme möglich ist. Alternativ dazu
kann das Biomethan auch stofflich (z. B. in der chemischen Industrie) oder als Bio-
kraftstoff in CNG-Fahrzeugen eingesetzt werden. Nachfolgend wird, da dies die
wesentliche und mit Abstand am meisten eingesetzte Komponente der Gasnutzung
darstellt, das BHKW kurz dargestellt.
In Blockheizkraftwerken (BHKW) wird das Biogas bzw. das Biomethan in
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bei sehr hohen Wirkungs- bzw. Nutzungsgraden in
Strom und Wärme umgewandelt. Insgesamt können drei Prinzipien unterschieden
werden, nach denen sich BHKW's betreiben lassen: motorische BHKW's, BHKW's
mit Gasturbine und BHKW's mit Brennstoffzellen.
Die häufigste und bisher einzige kommerzielle Anwendung ist der Einsatz
von Biogas in motorischen BHKW's. Dabei handelt es sich um „klassische“ Ver-
brennungsmotoren (d. h. Gasmotoren), die mit Biogas bzw. Biomethan betrieben
werden und einen Generator zur Strombereitstellung antreiben. Zusätzlich werden
sowohl die Abgaswärme als auch die Abwärme des Motors genutzt.
254 4  Technische Aspekte

4.3.3 Beispiele

Aufbauend auf den bisherigen Ausführungen werden nachfolgend unterschiedliche


Konzepte landwirtschaftlicher Biogasanlagen mit verschiedenen Inputströmen
und Techniken vorgestellt und diskutiert. Dadurch wird die Bandbreite der heute
in der Praxis umgesetzten Lösungen deutlich (unter anderem Fachagentur Nach-
wachsende Rohstoffe 2006; vTI 2009; Bischofsberger 2004; Carius 2010; Bundes-
verband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften 2008, Bioferm 2011;
Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft 2007).

4.3.3.1 Vergärung nachwachsender Rohstoffe


Die angelieferten Substrate (z. B. Maissilage) werden entweder in geschlossenen
Silobunkern verschiedener Ausführungen oder auf offenen, gut abgedichteten
Flächen gelagert. Von dort werden sie mithilfe unterschiedlicher Fördertechniken
(z. B. Radlader, Schubböden, Schnecken) über eine Wiegevorrichtung zu einer
Substrateintragseinrichtung transportiert. Hier werden sie verdichtet und in den
eigentlichen Biogasfermenter eingebracht.
Die Vergärung findet in einem einstufigen Verfahren statt. Dann ist nur ein
Reaktor vorhanden, in welchem die anaerobe Fermentation stattfindet. Bei dem hier
betrachteten ausschließlichen Einsatz nachwachsender Rohstoffe bietet sich dafür
der Einsatz eines Pfropfenstromfermenters an, in dem der Abbau stattfindet. Der
Fermenter wird mit einem Paddelrührwerk durchmischt, welches beheizt ist und
damit gleichzeitig auch die Wärme in den Reaktor einträgt. Das entstandene Gas
wird am oberen Teil des Fermenters abgezogen und das ausgefaulte Substrat an dem
zum Substrateintrag entgegengesetzten Fermenterende. Dann wird das vergorene
Material in ein gasdicht abgedecktes Gärrestelager gebracht, das gleichzeitig auch
als Gasspeicher verwendet werden kann und das zusätzlich als Nachgärer dient. Das
Gas, welches hier im Vergleich zum eigentlichen Fermenter in deutlich geringerer
Menge produziert wird, wird anschließend mit dem Gasstrom aus dem Fermenter
zusammengeführt.
Das Biogas wird anschließend getrocknet, damit sichergestellt wird, dass es
keine verfahrenstechnischen Probleme durch eine Wasserblockierung in den Gas-
leitungen gibt. Weiterhin wird das Gas in einem separaten Fermenter biologisch
entschwefelt, damit die gesetzlich vorgegebenen Schwefeldioxid-Grenzwerte bei
der anschließenden Nutzung sicher eingehalten werden können.
Danach wird das gereinigte Gas in einem BHKW verstromt und die elektrische
Energie nach EEG in das Netz der öffentlichen Stromversorgung eingespeist. Die
parallel damit erzeugte Wärme wird zur Bereitstellung von heißem Wasser genutzt,
mit dem das Paddelrührwerk – und damit das Substrat – beheizt wird. Die über-
schüssige Wärme wird zur Beheizung eines angrenzenden Gewerbebetriebes
genutzt.
Der Gärrest wird mit den in der Landwirtschaft üblichen Techniken und Ver-
fahrensabläufen als Wirtschaftsdünger auf die Felder ausgebracht. Dadurch werden
die Nährstoffkreisläufe geschlossen. Das Schema einer Biogasanlage zur Vergärung
nachwachsender Rohstoffe ist in Abb. 4.14 dargestellt.
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 255

Abb. 4.14 Beispiel für eine Biogasanlage zur Vergärung nachwachsender Rohstoffe

4.3.3.2 Güllevergärung
Auf einem viehhaltenden landwirtschaftlichen Betrieb fällt Gülle in einer erheb-
lichen Größenordnung an, die in einer Güllegrube am Stall gesammelt wird. Sie
wird über eine Vorgrube, in der auch ggf. anfallendes verdorbenes Futter und andere
organische Stoffströme, die nicht mehr stofflich genutzt werden können, dem Sub-
strat zugemischt. Dieses Substratgemisch wird dann mehrmals täglich in einen
Rührkesselreaktor gepumpt, in dem der biologische Abbauprozess stattfindet. Die
Vermischung des Substrats wird über ein Langachsrührwerk realisiert. Die Behei-
zung erfolgt über an der Innenwand des wärmegedämmten Fermenters angebrachte
Wärmeübertrager.
Der Fermenter ist so ausgelegt, dass im Gasraum (d. h. zwischen der Substrat-
oberfläche und der Unterseite der Fermenterabdeckung) das entstandene Biogas bis
zu einem gewissen Ausmaß zwischengespeichert werden kann. Hier findet auch
die biologische Entschwefelung durch die Eindüsung geringer Luftmengen statt.
Das entstandene Biogas wird an der Fermenteroberkante entnommen, mögliche
mitgerissene Partikel werden entfernt und anschließend wird das Gas getrocknet.
Es wird dann in einem BHKW, das in einem Container in unmittelbarer Nähe der
Anlage lokalisiert ist, verstromt. Der Strom wird ins Netz eingespeist. Die Wärme
dient der Fermenterbeheizung; die insbesondere im Sommer nicht nutzbare Wärme
wird an die Atmosphäre abgegeben. Fällt die Gasnutzung aus, so ist für den Notfall
eine Gasfackel vorgesehen, mit der das Biogas verbrannt wird, damit der Grenzwert
zum Ausblasen von Methan in die Atmosphäre nicht überschritten wird.
Das vergorene Substrat wird an der Unterseite des Fermenters entnommen und in
einen gasdichten Substratlagerbehälter gepumpt. Das hier noch entstehende Biogas
wird in den Gasspeicherraum des Fermenter rückgeführt. Zusätzlich kann der
Raum zwischen der Oberkante des vergorenen Substrates und der Lagerbehälter-
abdeckung als weiterer Gasspeicherraum genutzt werden. Zu den gesetzlich
256 4  Technische Aspekte

zulässigen Zeiträumen wird das vergorene Substrat mit den in der Landwirtschaft
üblichen Techniken und Verfahren auf die Felder ausgebracht. Das Schema einer
Biogasanlage zur Vergärung von Gülle ist in Abb. 4.15 dargestellt.

4.3.3.3 Grünabfallvergärung in einer Trockenfermentationsanlage


Bei der Landschaftspflege fällt stapelbare Grünmasse an, die aus ökologischen
Gründen nicht auf der Anbaufläche verbleiben sollte. Dieses Material kann in Tro-
ckenfermentationsanlagen vergoren werden. Dazu wird die angelieferte Grünmasse
– eine Aussortierung von Störstoffen oder eine Vorbehandlung des Substrates ist
meist nicht erforderlich – zunächst mit bereits vergorenem Material beispielsweise
im Verhältnis 70 % Frisch- und 30 % Altmaterial vermischt und dadurch angeimpft.
Das nach wie vor stapelbare Material wird nun mit einem Radlader in die Fermenter
eingefahren und das Tor des Boxenfermenters gasdicht verschlossen.
Nach abgeschlossener Befüllung wird der Fermenter in der Regel ein bis zwei
Tage mit Umgebungsluft belüftet, damit aerobe Prozesse ablaufen können und
dadurch die erforderliche Prozesstemperatur erreicht wird; eine weitergehende
Erwärmung des Substrats erfolgt in diesem Beispiel nicht. Um die Wärmeverluste
möglichst zu minimieren, ist der Boxenfermenter gut isoliert. Im Anschluss daran
wird die Luftzufuhr eingestellt und das Gärsubstrat mit Perkolationsflüssigkeit über
an der Decke installierte Düsen berieselt. Diese Flüssigkeit, die für eine gleich-
mäßige Feuchteverteilung im zu vergärenden Material sorgen soll und außerdem
zum Animpfen dient, wird als Sickersaft an Boden des Fermenters wieder
entnommen und in einen Sammelbehälter geführt. Aus diesem kann es dann erneut
in den Fermenter gegeben werden.
Das überschüssige Perkolat wird i. Allg. – ähnlich wie Gülle – auf landwirt-
schaftlichen Flächen ausgebracht. Alternativ dazu kann es auch einem Nass-
fermenter zugeführt und dort anaerob vergoren werden. Dieser Nassfermenter dient
dann gleichzeitig als Sickerwasserbehälter sowie ggf. als Biogasspeicher. Außerdem
wird das Perkolat hier beheizt und das aufgeheizte Perkolat wird wieder als Perkolat
in den Boxenfermenter rückgeführt; damit ist ein begrenzter Wärmeeintrag auch
während des anaeroben Abbauprozesses möglich.
Eine derartige Trockenfermentationsanlage, die nach diesem Boxenverfahren
arbeitet, besteht aus mehreren gasdichten Fermentern (in der Regel aus zwei bis
vier Boxen), die über einen Zeitraum von zwei bis sechs Wochen diskontinuierlich
betrieben werden. Der Betrieb mehrerer Gärräume, in denen die Fermentation zeit-
versetzt gestartet wird, ermöglicht trotz diskontinuierlicher Fahrweise eine gleich-
mäßige Gasproduktion.
Das entstandene Gas wird im oberen Teil des Fermenters abgezogen und gerei-
nigt (d. h. Trocknung und Entschwefelung). Sinnvollerweise wird – da eine Gas-
speicherung in den Boxenfermentern kaum möglich ist – noch ein Foliengasspeicher
in den Gasweg integriert, um einen begrenzten Ausgleich zwischen Gasangebot und
-nachfrage sicherstellen zu können. Anschließend wird es in einem Gasmotor bzw.
einem BHKW verstromt und die elektrische Energie nach EEG ins Netz einge-
speist. Die anfallende Wärme kann hier nicht genutzt werden und wird an die
Umgebung abgegeben; ist demgegenüber eine Wärmesenke am Anlagenstandort
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 257

Abb. 4.15 Beispiel für eine Biogasanlage zur Vergärung von Gülle

oder in unmittelbarer Nähe vorhanden, ist eine technische Nutzung möglich und aus
ökologischen Gründen auch sinnvoll.
Ist das Substrat weitgehend ausgegast, wie es beispielsweise bei Grassilage
nach etwa drei Wochen der Fall wäre, wird der Boxenfermenter nachbelüftet, damit
eine gefahrlose Entleerung ermöglicht wird. Dabei müssen die Gärgase abgezogen
werden, um eine Freisetzung in die Atmosphäre zu vermeiden.
Das Altmaterial wird dann mit einem Radlader aus dem Fermenter gefahren.
Der Teil, der nicht wieder als Animpfmaterial eingesetzt wird, kann auf landwirt-
schaftlichen Flächen als Dünger ausgebracht werden. Das Schema einer Biogas-
anlage zur Vergärung von stapelfähigen Substraten ist in Abb. 4.16 dargestellt.

4.3.4 Entwicklungstendenzen

Die anaerobe Fermentation ist – im Vergleich zu anderen Biomassenutzungs-


optionen – eine sehr effiziente Option zur Umwandlung von Biomasse in Energie,
da a) die Umwandlungswirkungs- und -nutzungsgrade relativ hoch sind, b) ein sehr
vielseitig einsetzbarer Energieträger (d. h. Biogas bzw. Biomethan) entsteht und
c) der Gärrest zur Schließung von Nährstoffkreisläufen und zur Humuserhaltung
eingesetzt werden kann. Deshalb hat sie – unterstützt durch eine durchaus wohl-
wollende Setzung des energiewirtschaftlichen Rahmens (d. h. des Erneuerbare-
Energien-Gesetzes, EEG) – in den letzten Jahren deutlich an Marktbedeutung in
Deutschland gewonnen.
Gleichzeitig werden jedoch die Auswirkungen einer großtechnischen Biogas-
erzeugung insbesondere auf der Basis von Energiepflanzen auf die natürliche
Umwelt zunehmend kontrovers diskutiert. Beispielsweise ist Mais als C4-Pflanze
eine sehr effiziente Möglichkeit zur Biomasseerzeugung. Deshalb wird sie der-
zeit verstärkt in Deutschland als Energiepflanze zur Vergärung angebaut mit der
Folge, dass vermehrt Monokulturen (Stichwort: Vermaisung der Landschaft) mit
allen damit verbundenen unerwünschten Auswirkungen auf die Bodenqualität
realisiert werden. Hinzu kommt die Flächen- und Biomassekonkurrenz zu
258 4  Technische Aspekte

Abb. 4.16 Beispiel für eine Biogasanlage zur Vergärung von stapelfähigen Substraten

Nahrungsmittelerzeugung und damit die Diskussion um „Teller oder Tank“, welche


letztlich zu der oft gestellten ethisch-moralischen Frage führt, ob es in Anbetracht
des Hungers auf der Welt zu verantworten ist, subventioniert Flächen zur Ener-
giegewinnung zu nutzen. Diese, an politischer Bedeutung gewinnende, Diskussion
hat wiederum entsprechende Konsequenzen auf die Weiterentwicklung sowohl der
Biogasanlagentechnik als auch der in der Praxis umgesetzten Anlagenkonzepte.
Um vor dem Hintergrund dieser hier nur sehr bruchstückhaft wiedergegebenen
und sehr vielschichtigen Diskussionslage mit einer modernen Biogaserzeugung
und -nutzung den politischen Forderungen in ökologischer, ökonomischer und
ethisch-moralischer Hinsicht möglichst weitgehend gerecht zu werden, müssen
deshalb zukünftig noch mehr als in der Vergangenheit Konzepte realisiert werden,
mit welchen die Wirkungsgrade der gesamten Produktionskette bei der Bio-
gasgewinnung (d. h. vom Anbau bis zur energetischen und stofflichen Nutzung)
maximiert, die Umwelteffekte minimiert und die Akzeptanz optimiert werden.
Der Schlüssel, mit dem aus Sicht der Verfahrenstechnik zur Meisterung der
damit verbundenen Herausforderungen beigetragen werden kann, ist ein im Ver-
gleich zum gegenwärtigen Zustand deutlich verbesserter Biomasseabbau (d. h.
das in den Reaktor eingebrachte Substrat muss in kürzerer Zeit mit geringeren
Verlusten weitergehend abgebaut werden) und damit eine merklich bessere Ener-
gieausbeute bei keinen oder nur sehr geringen Umweltauswirkungen. Nur wenn
damit die technische und ökologische Effizienz derartiger Systeme deutlich ver-
bessert wird, können die Gasgestehungskosten weiter reduziert und damit auch die
Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu anderen Energiebereitstellungsoptionen verbes-
sert werden. Trotz der in den letzten Jahren erreichten Fortschritte (unter anderem
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 259

deutlich höhere Raumbelastung1) ist hier noch ein unausgeschöpftes Entwicklungs-


potenzial gegeben, das aber nur durch eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen
– und insbesondere deren integriertes Zusammenspiel – erschlossen werden kann.
Deshalb werden nachfolgend Einzelaspekte diskutiert, die hierzu einen Beitrag
leisten können.
• Biologischer Abbau. Bisher ist der eigentliche biologische Abbau, wie er in
Biogasanlagen stattfindet, noch nicht vollständig und umfassend verstanden.
Dies erschwert die Umsetzung von Maßnahmen zu dessen Verbesserung. Des-
halb muss es das Ziel zukünftiger Entwicklungen sein, das Verständnis der
biologischen Abbauvorgänge – und der sie beeinflussenden exogenen Para-
meter – deutlich zu verbessern und dadurch den Abbauprozess insgesamt zu
optimieren. Ein Beispiel für einen diesbezüglichen Ansatz ist die Entwicklung
von Biokatalysatoren, die dem Fermenter zugegeben werden und einen höheren
Biogasertrag versprechen.
• Bedingungen im Reaktor. Bei den heute marktgängigen landwirtschaftlichen
Biogasanlagen sind ein gleichmäßiger Wärmeeintrag und eine gute Durch-
mischung des Substrats nicht immer zwingend gegeben. Dies liegt unter
anderem darin begründet, dass die Wirkung der Rührwerke auf die z. T. hoch-
viskosen Substrate, deren Viskosität sich zusätzlich noch im Laufe der Zeit
mit wechselnder Substratzusammensetzung und/oder aufgrund jahreszeitlicher
Unterschiede (z. B. der Gülle aufgrund mit den Jahreszeiten verschiedenartiger
Futterzusammensetzung) verändern kann, noch nicht umfassend analytisch ver-
standen wurde. Und wenn die Vermischung im Fermenter unvollständig ist, ist
zu erwarten, dass sich auch eine entsprechend ungleichmäßige Temperaturver-
teilung im Fermenter einstellt; beides fördert nicht zwingend die biologischen
Abbauprozesse. Deshalb muss – im Sinne einer weitergehenden Optimierung
des Anlagenbetriebs – unter anderem die Systemkombination zwischen Wär-
meeintrag und Vermischung – substratspezifisch – verbessert werden.
• Bessere Steuerung und Regelung. Biogasanlagen können bisher nur sehr lang-
sam auf Änderungen in den Substrateigenschaften reagieren, die aber in der
landwirtschaftlichen Praxis kaum verhindert werden können. Diese Trägheit
der mikrobiellen Anpassungsfähigkeit liegt zum einen in der Biologie – und
hier vor allem in den relativ langsamen Wachstumsraten bestimmter am anaer-
oben Abbau beteiligten Bakterienstämme – und zum anderen an dem bisher
noch unzureichenden Verständnis der einzelnen, den Prozess regelnden Para-
meter begründet. Deshalb müssen Techniken und Verfahren verfügbar gemacht
werden, mit denen Biogasanlagen besser im Hinblick auf einen stabilen Betrieb
und einen maximalen Biomasseabbau – bei schwankender Substratzusammenset-
zung – gesteuert und geregelt werden können.
• Mehrstufige und mehrphasige Anlagen. Aus Kostengründen werden – ins-
besondere im landwirtschaftlichen Bereich – oft nur einstufige Biogasanlagen
realisiert (d. h. der biologische Abbauprozess findet am gleichen Ort und zur

1
Raumbelastung ist der Quotient aus der Menge an organischer Trockenmasse und dem
Fermentervolumen über die Zeit (Maßeinheit: m3/Tag).
260 4  Technische Aspekte

gleichen Zeit statt). Da bei einem derartigen System der Abbau in einem ein-
zigen Fermenter stattfindet, in dem durchschnittliche Bedingungen vorliegen,
läuft keiner oder nur wenige der einzelnen Umsetzungsschritte im optimalen
bzw. nahe dem optimalen Bereich ab. Der anaerobe Abbau kann damit insgesamt
nur in engen Grenzen maximiert werden. Dafür wird jedoch der technische Auf-
wand minimiert, da nur ein Fermenter benötigt wird. Ziel der technischen Wei-
terentwicklungen sollte es deshalb sein, kostengünstige Fermenterkonzepte zu
entwickeln und umzusetzen, in denen jede einzelne Abbaustufe optimal umge-
setzt werden kann. Derartige Konzepte sind vorhanden, aber bisher technisch
noch zu aufwändig und damit teuer. Mit dem Ziel einer weiteren Effizienz-
steigerung müssen derartige Konzepte – unter Kosteneffizienzgesichtspunkten
– aber forciert entwickelt werden.
• Gärrestaufbereitung. Der überwiegende Anteil des Gärrestes besteht aus Wasser,
das bei der Ausbringung (kostenintensiv) transportiert werden muss. Außerdem
benötigen einige Biogasanlagenkonzepte z. T. erhebliche Wassermengen dann,
wenn sie eine Anmaischung der Substrate mit Frischwasser realisieren. Eine
Gärrestaufbereitung kann hier eine Win-win-Situation schaffen, da mit dem
aus dem Gärrest abgetrennten Wasser eine Anmaischung des Frischsubstrats
realisiert werden kann und gleichzeitig noch ein Teil der aktiven Biomasse in
den Abbauprozess rückgeführt werden kann. Die Entwicklung entsprechender
Techniken und Konzepte, die den jeweils gegebenen Anforderungen möglichst
maximal Rechnung tragen, gewinnt deshalb in den kommenden Jahren zuneh-
mend an Bedeutung. Dies gilt insbesondere auch für die Kombination einer Ver-
gärung und einer Kompostierung.
Neben diesen Einzelaspekten müssen auch die den landwirtschaftlichen Biogas-
anlagen heute zugrunde liegenden Konzepte zukünftig weiterentwickelt werden,
um den sich ändernden Rahmenbedingungen und Anforderungen adäquat Rech-
nung zu tragen. Dies gilt unter anderem im Hinblick auf die folgenden Aspekte.
• Größere Anlagenleistungen. Steuert der Gesetzgeber dem nicht durch die Set-
zung der energie- und umweltpolitischen Rahmenbedingungen entgegen, wird
es – economy of scale folgend – zukünftig aufgrund von Kostenreduktions-
zwängen zu tendenziell größeren Anlagenleistungen kommen. Diese sind spezi-
fisch kostengünstiger und i. Allg. technisch ausgereifter, da eine aufwändigere
Anlagentechnik eher bei größeren Anlagen ökonomisch darstellbar ist und der
Betrieb hier i. Allg. von geschultem Fachpersonal realisiert wird. Insgesamt
werden die in Biogasanlagen installierten Leistungen aber immer in einem ver-
gleichsweise moderaten Leistungsbereich (d. h. der untere bis mittlere einstel-
lige MW-Bereich bezogen auf die installierte Gasleistung) bleiben, da die mit
steigender Leistung deutlich ansteigenden Biomassebereitstellungskosten einer
weiteren Leistungssteigerung entgegenstehen.
• Biogaseinspeisung. Der energiewirtschaftliche Rahmen (EEG) in Deutsch-
land forcierte bisher eine Biogasverstromung. Dies hat jedoch den Nachteil,
dass dadurch die in Koppelproduktion anfallende Wärme oft nur eingeschränkt
genutzt werden kann und dadurch die ökonomischen und ökologischen Parameter
der Gesamtanlage – trotz einer Vielzahl ökologischer Vorteile – eher bescheiden
4.3  Techniksysteme und Entwicklungstendenzen 261

ausfallen. Dieses Problem kann dann gelöst werden, wenn das Biogas an Stand-
orte transportiert wird, an denen eine entsprechende Wärmesenke gegeben ist
und die in Koppelproduktion anfallende thermische Energie (nahezu) voll-
ständig genutzt werden kann; dies kann durch eine Einspeisung des Biogases
in lokale Biogasnetze oder – nach einer entsprechenden Aufbereitung – in das
Erdgasnetz erreicht werden (aus ökonomischer Sicht sind diese Ansätze aber
nur bei einer entsprechend großen installierten Gasleistung der Biogasanlage
umsetzbar). Hinzu kommt, dass – ist das Biomethan im Gasnetz vorhanden – es
unter anderem auch als effizienter Biotreibstoff in CNG-Fahrzeugen eingesetzt
werden kann. Deshalb ist zu erwarten, dass durch die staatlich angestrebte Ver-
besserung der ökologischen Kenngrößen zukünftig die Biogaseinspeisung merk-
lich an Bedeutung gewinnen wird.
• Minimierung der gasförmigen Emissionen. Biogas ist bereits seit Jahren in der
Kritik, unter anderem bezüglich möglicher Methan-Leckagen und potenzieller
Stickstoffoxid- bzw. Lachgas-Emissionen, welche die Klimabilanz einer Biogas-
erzeugung deutlich verschlechtern können. Deshalb ist zu erwarten, dass der
Gesetzgeber die diesbezüglichen Umweltstandards entsprechend anpassen bzw.
verschärfen wird. Damit ist es wahrscheinlich, dass zukünftig die Anlagentech-
nik umweltfreundlicher – und das meint vor allem – klimaverträglicher aus-
geführt werden muss; dies ist mit potenziell höheren Investitions- und Betriebs-
kosten verbunden.
Neben diesen Maßnahmen an der eigentlichen Anlage gewinnt auch die
Optimierung der Substratproduktion und -aufbereitung an Bedeutung, da hier
ebenfalls Verbesserungspotenziale erschließbar sind. Nachfolgend werden einige
Beispiele diskutiert.
• Weitere Energiepflanzen. Zukünftig müssen bei der Produktion von Ener-
giepflanzen nicht nur die flächenspezifischen Aufwuchsraten erhöht werden,
sondern auch alternative Pflanzenarten und -sorten gefunden werden, die unter
den Bedingungen in Deutschland umweltverträglich und nachhaltig – und das bei
einem hohen Produktionsniveau – anbaubar sind (unter anderem gute Bodenbe-
deckung im Winter, Bodenerosion in der vegetationsarmen Zeit vermeiden)
und zusätzlich einen hohen Gehalt an leicht zu vergärenden Inhaltsstoffen auf-
weisen. Des Weiteren müssen Anbau- und Erntetechniken sowohl im Hinblick
auf eine Minimierung der energetischen Verluste als auch auf die Reduzierung
der unerwünschten ökologischen Folgen optimiert werden.
• Erweiterung der nutzbaren Rückstände, Nebenprodukte und Abfälle. Da
von der Stoffgruppe der Rückstände, Nebenprodukte und Abfälle (d. h. Rest-
stoffe) in landwirtschaftlichen Biogasanlagen bislang hauptsächlich Gülle einge-
setzt wird, kann hier die Ressourcenbasis erweitert werden. Deshalb werden
heute teilweise schon Gras von Landschaftspflegeflächen und andere landwirt-
schaftliche Nebenprodukte (z. B. Stroh) als Substrate in landwirtschaftlichen
Anlagen eingesetzt; dies gilt auch für andere agrarische Stoffströme, für die
bisher keine stoffliche und/oder energetische Verwertungsmöglichkeit vor-
handen ist (z. B. diverse Ernterückstände); bei derartigen Substraten besteht
auch keine Konkurrenz zu der Nahrungsmittelindustrie. Weiterhin könnten auch
262 4  Technische Aspekte

bestimmte Stoffstrom-Komponenten des lokal anfallenden organischen Abfalls


verstärkt genutzt werden, wenn er – unter Berücksichtigung der gesetzlichen
Vorgaben – in die landwirtschaftlichen Stoffkreisläufe rückgeführt werden kann
und darf. Die Entwicklung dürfte daher in Richtung einer deutlich breiteren
Palette von Substratströmen gehen, welche vor allem Rückstände, Nebenpro-
dukte und organische Abfälle beinhaltet.
• Lagerung, Aufbereitung und Vorbehandlung. Hinzu kommen mögliche
Optimierungspotenziale bei der Lagerung, Aufbereitung und Vorbehandlung der
Substrate mit dem Ziel der Minimierung der energetischen Verluste und der öko-
logischen Auswirkungen. Beispielsweise entziehen sich bestimmte organische
Stoffströme einem anaeroben Abbau teilweise und z. T. auch vollständig. Sie
können aber durch einen wie auch immer gearteten Aufschluss, welcher der
eigentlichen anaeroben Fermentation vorgeschaltet sein muss, einem Abbau
zugänglicher gemacht werden. Technisch ist das dadurch möglich, indem die
organischen Makromoleküle teilweise aufgebrochen und/oder deren chemische
Struktur verändert wird. Ziel muss es sein, diesen Prozess kostengünstig so zu
gestalten, dass ein für jeden beliebigen Stoffstrom definiertes Ergebnis erreich-
bar ist.
Neben einer weiteren Verbesserung des eigentlichen anaeroben Abbaus und
dessen verfahrenstechnische Umsetzung sowie einer zunehmenden Anpassung und
Optimierung der entsprechenden Konzepte einschließlich der Biomasseproduktion
bzw. -bereitstellung gewinnt auch eine Erweiterung des Systems „Biogasanlage“
immer mehr an Bedeutung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf eine gekoppelte
Erzeugung von Energie und Produkten für eine stoffliche Nutzung innerhalb und
auch außerhalb der Landwirtschaft; ein wesentlicher Treiber für den letzteren
Aspekt ist die Tatsache, dass dadurch die Wertschöpfung erhöht und die Akzeptanz
in der Bevölkerung verbessert werden kann. Nachfolgend werden einige diesbezüg-
liche Ansätze diskutiert.
• Proteine. Im Ausgangssubstrat und ggf. im vergorenen Substrat können
bestimmte Proteine vorhanden sein, die mit entsprechenden Techniken und
Verfahren abgetrennt und auf dem Nahrungs- und Futtermittelmarkt gewinn-
bringend abgesetzt werden können.
• Düngemittel mit definierten Eigenschaften. Die Gärreste beinhalten eine
Vielzahl an Nährstoffen, die beim Pflanzenwachstum benötigt werden. Sie so
aufzubereiten, dass sie zukünftig gezielter und mit besser abschätzbarer, klar
definierter Wirkung – vergleichbar zu mineralischen Düngern – einsetzbar sind,
ist eine wesentliche Herausforderung für die kommenden Jahre.
• Kohlenstoffdioxid. CO2, wie es bei der Biogasaufbereitung als Abfallprodukt
anfällt, kann einen Wertstoff dann darstellen, wenn es beispielsweise an die
Getränkeindustrie zur Herstellung von mit Kohlensäure versetzten Produkten
verkauft werden kann.
Insgesamt gesehen sind damit die gegebenen Herausforderungen, mit denen sich
die Biogaserzeugung und -nutzung in den kommenden Jahren konfrontiert sieht,
erheblich. Trotzdem lassen die in den vergangenen Jahren gemachten Fortschritte
und Erfahrungen erwarten, dass diese Aufgaben gemeistert werden können und
4.4  Management zentraler Fertigstellungsrisiken 263

dass Biogas im Energiesystem der Zukunft einen deutlich weitergehenden tech-


nisch effizienten, ökonomisch darstellbaren und umwelt- und klimaverträglichen
Beitrag wird leisten können und auch müssen, wenn die energie-, umwelt- und
klimapolitischen Ziele der Bundesregierung erreicht werden sollen.

4.4 Management zentraler Fertigstellungsrisiken

Kai Jens Basedow

4.4.1 Einleitung

Viele Wege führen nach Rom und ebenso viele führen zu einer gut funktionierenden
effizienten Biogasanlage. Wer heute eine Biogasanlage bauen möchte, kann zur
Realisierung verschiedene Wege einschlagen. War vor zehn Jahren noch das Kon-
zept der Selbstbauanlage das Mittel der Wahl, werden die Biogasanlagen heute als:
• schlüsselfertige Biogasanlage vom Generalunternehmer oder
• vom Fachplaner ausgelegte Biogasanlage
realisiert. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile und je nach Typ des
Betreibers auch die besseren Realisierungschancen. Der folgende Artikel will Vor-
und Nachteile, Risiken und Vermeidungsstrategien für den erfolgreichen Weg von
der Idee bis zur fertigen Biogasanlage aufzeigen.

4.4.2 Grundsätzliches zur Projektplanung: Die Vorbereitung des


Projektes

Zunächst ist die Frage: Baue ich eine „Planeranlage“ mit Ausschreibung der
Gewerke an viele einzelne Bauabschnittslieferanten oder wird alles an einen
Generalunternehmer vergeben?
Im ersten Fall kann man mit regelmäßigen Baubesprechungen rechnen. Der
Bauherr selbst ist in die Planung meist sehr viel mehr eingebunden und kann auf
kurzem Weg seine Wünsche an den Planer weitergeben. Der Nachteil ist, dass
solche Anlagen von den Erfahrungen leben, die in jüngster Vergangenheit am Markt
Anwendung gefunden haben. Der „Betreibertyp Planeranlage“ hat meist klare Vor-
stellungen, wie seine Anlage aussehen soll. Er hat eigene Lösungsansätze, die er
umgesetzt wissen will und ist vom ersten bis zum letzten Schritt dicht am Projekt.
Generalunternehmen leisten sich häufig eine gehörige Portion Forschung und
Entwicklung, um in der Entwicklung einen Schritt weiter zu sein. Individuelle
Wünsche können nur in geringen Grenzen berücksichtigt werden, da die meisten
Anlagenkonfigurationen standardisiert sind. Zwischen Angebotsanfrage und Unter-
schrift liegt oft nur wenig Informationsaustausch und welche Komponenten zum
Einsatz kommen, ist nur im geringen Maße beeinflussbar. Gute Generalunternehmer
setzen sich intensiv damit auseinander, was nicht geht und warum es nicht geht. Sie
264 4  Technische Aspekte

haben ein Projektmanagement, das für Sie als Kunden das Beste herausholt. Die
meisten Fertigstellungsrisiken dürften damit ausgeschlossen sein. Der Betreibertyp
Generalunternehmeranlage möchte also sicher gehen. Er setzt auf standardisierte
Anlagenkonzepte und etablierte Technik, die schlüsselfertig übergeben werden.
Sicher gibt es nicht nur die beiden Typen Hersteller und Betreiber, sondern eine
breite Palette individueller Menschen. Man wird jedoch feststellen, dass der eine
mehr in die, der andere mehr in jene Richtung tendiert. Der Erfolg der Anlage hängt
sicher zu einem großen Teil von der Biogasanlage ab. Aber vergessen wir nicht: Ob
„Planeranlage“ oder „Generalunternehmeranlage“ – der spätere Betrieb der Anlage
trägt einen maßgeblichen Anteil zum Gelingen des Projektes bei.

4.4.2.1 Den richtigen Partner finden


Ist die grundsätzliche Entscheidung gefallen, ob eine Planeranlage oder eine
Generalunternehmeranlage das Richtige ist, gilt es, den richtigen Partner zu finden.
Fahren Sie mit dem Ansprechpartner des Vertriebs zu laufenden Anlagen und
machen Sie sich ein Bild von dem, was Sie erwartet. Das kostet viel Zeit. Aber
führen Sie sich vor Augen, wie viel Sie investieren, wie viel Umsatz Sie mit der
Anlage machen und wie lange Sie daran gebunden sind.
Fragen Sie Anlagenbetreiber nach deren Erfahrung. Und fragen Sie auch die, die
nicht mit der Firma gebaut haben. Die Aussagen von zufriedenen Kunden sind die
beste Werbung für das Unternehmen.

4.4.2.2 Probleme, an die man nicht gleich denkt


Manchmal ist ein Projekt optimal durchdacht, die Anlage wird mit den besten Kom-
ponenten und Materialien ausgestattet und dennoch häufen sich die Probleme. Was
ist passiert? Man könnte auch fragen: Was braucht man für den erfolgreichen Bau
einer Biogasanlage? Die Antworten sind recht schnell gefunden:
• Komponenten, die an dem Einsatz gewachsen sind,
• Koordinatoren, die ein gutes Zeit- und Selbstmanagement haben und
• Verfügbarkeit der Schlüsselkomponenten.
Diese Liste lässt sich beliebig erweitern. Die Punkte werden sicherlich zu größten
Teilen auch von den meisten Anlagenherstellern erfüllt.
Spannend ist allerdings die Frage: Welche Faktoren lassen ein Projekt scheitern?
• Neid, Missgunst und Schadenfreude von Anwohnern und Berufskollegen.
• Emissionen, die durch Emotionen zu Immissionen werden, die so nicht vor-
liegen (Schall ist zu großen Teilen vermeidbar, häufig wird dieser aber nicht
gehört, sondern „gesehen“ …) oder Bodenschichten, die eine klassische Bau-
weise nicht zulassen.
• Vertragsforderungen, die nichts mit dem eigentlichen Anlagenbetrieb zu tun
haben – und z. T. auch gar nicht in der Macht der Vertragspartner liegen.
• Kommunikationsproblem mit der Genehmigungsbehörde, die Zeit und Geld
kosten, denn auch da sitzen nur Menschen.
Probleme dieser Art sind nur begrenzt planbar und auszuschließen. Dennoch ist
es vorteilhaft, nicht davon überrascht zu werden.
4.4  Management zentraler Fertigstellungsrisiken 265

4.4.3 Das Bauen beginnt

Nun kann das Bauen beginnen. Der Hersteller/Planer ist ausgewählt und die
Genehmigung liegt vor. Egal, ob Generalunternehmer oder Planeranlage, die
Errichtung einer Biogasanlage bedarf Planung und Koordination. Bei der General-
unternehmeranlage liegt alles in der Hand des Anlagenbauers. Bei der Planeranlage
ist der Betreiber eng eingebunden und oft selbst gefragt. Die Probleme sind aber oft
dieselben.
Der Hocker in Abb. 4.17 steht nicht ohne Grund auf drei Beinen. Alle drei Kom-
ponenten – die technischen, die organisatorischen sowie die persönlichen Vorausset-
zungen – sollten ausreichend und ausgewogen beachtet und wertgeschätzt werden.
Kommt eine Voraussetzung zu „kurz“, gerät der gesamte Hocker in „Schieflage“.
Schlimmstenfalls kippt er um. Dieses Bild lässt sich sehr einfach auf jedes Projekt
übertragen.

4.4.4 Technische Voraussetzungen

Zur Verarbeitung vor Ort können verschiedenste Geräte und Materialien zum Einsatz
kommen. Über folgende Fragen sollten man sich zum Beginn jeder Unternehmung
Gedanken machen.
• Passen Aufgabe und Werkzeug zusammen?
• Sind die entsprechenden Werkzeuge zum Zeitpunkt des Bedarfes verfügbar?
• In welchem Zustand befinden sich die technischen Komponenten?
Passen Aufgabe und Werkzeug zusammen? Beispiel Tiefbau
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Rohrleitungsgräben vorzubereiten, die
auch im Preis bisweilen deutlich unterschiedlich sind. Ein Minibagger ist häufig
unumgänglich, wenn der Platz räumlich sehr eingeschränkt ist. Er ist aber fast nie
die Lösung für den gesamten Tiefbau. Es kommt aber vor, dass die Verfügbarkeit
der anderen Bagger, Pflüge oder Fräsen nicht gegeben ist. Nicht selten bekommt
der Planer den spontanen Anruf, dass die Baustelle vorverlegt werden muss, da eine
andere Baustelle mit Problemen behaftet ist, die einen Baustopp verursacht haben.
Sind die entsprechenden Werkzeuge zum Zeitpunkt des Bedarfes verfüg-
bar? Meist führt das sofort zu einem organisatorischen Problem. Dann ist abzu-
wägen, wann auf die Technik verzichtet, ob sie substituiert oder ob sie zeitlich
verschoben werden kann. Dann ist vielleicht die Verfügbarkeit gegeben, aber der
technische Zustand nicht akzeptabel.
In welchem Zustand befinden sich die technischen Komponenten? Kaum
ein Unternehmen zieht den Bautrupp von einer abgeschlossenen Baustelle nach
Hause und macht eine Werkzeugrevision. Ein Arbeitsmittel wird meist so lange
betrieben, bis es kaputt ist. Dies passiert in aller Regel nicht am Ende der Arbeit,
sondern vielmehr genau dann, wenn es im härtesten Einsatz ist und am dringendsten
gebraucht wird. Manchmal ist das unvermeidbar. Dennoch sollte bei den aus-
führenden Firmen bekannt sein, wie lange eine Ersatzbeschaffung dauern würde.
Hier ist Vorplanung unabdingbar. Für alles sofort einen Ersatz zu haben, wäre
266 4  Technische Aspekte

Abb. 4.17 Die Top-


Voraussetzungen

unbezahlbar. Wichtig ist vorausschauend zu arbeiten, um im Bedarfsfall nicht vom


Ausfall überrascht zu werden.

4.4.5 Organisatorische Voraussetzungen

Man unterscheidet dabei in: interne und externe Organisation.


Bei der internen Koordination sollten folgende Fragen beantworten werden:
• Wer macht was wann?
• Sind alle Aufgaben vergeben?
• Können diese kapazitiv und intellektuell bewältigt werden?
Die reine Beauftragung führt noch lange nicht zur Durchführung. Die meisten
Arbeitspunkte müssen regelmäßig auf ihren Abarbeitungsstand hin überprüft
werden. Nicht selten sind die Beauftragten überfordert.
Wird eine zuverlässige Kapazitätsplanung betrieben? Sind Auslastungen und
Terminplanung realistisch? Gibt es Ausfallszenarien? Hier ist es wichtig, dass über-
all, wo Arbeiten nur aufeinander folgen können und eine Überschneidung, also ein
paralleles Abarbeiten unmöglich ist, Reserven eingeplant werden, damit sich eine
Verschiebung am Anfang nicht sofort auf alles weitere bis zum Ende hin auswirkt.
Wie geht man mit Veränderungen im Projekt und im Unternehmen um? Kein
Projekt verläuft wie geplant. Da wird „noch mal eben“ eine zusätzliche Leitung
verlegt, ein Baustoff ist nicht lieferbar, ein Mitarbeiter wird krank oder die Bank
will eine Rate nicht bereit stellen. Ist organisatorisch die Entscheidungsgewalt zum
Umgang mit solchen Einflüssen eindeutig und auf kurzem Wege geregelt?
Bei der externen Koordination ist Folgendes zu beachten:
• Wie ist die zuliefernde Firma organisiert?
4.4  Management zentraler Fertigstellungsrisiken 267

• Was sind die Stärken?


• Wo sollten Sicherheiten eingefordert werden?
Wie ist die zeitliche Abfolge von Tätigkeiten, auf die nicht direkt Einfluss
genommen werden kann? Bei großen Unternehmen sind eigene Qualitätsabtei-
lungen etabliert, die sich fast ausschließlich mit der Transparenz ihrer Abläufe und
Qualität auseinander setzen. Diese Firmen werden regelmäßig von ihren Kunden
„auditiert“. Dabei geht es darum, die Zuverlässigkeit in Punkto Termintreue,
Qualitätssicherung und Dokumentierbarkeit unter die Lupe zu nehmen.
Wenn die Summe an Ungereimtheiten jedoch zu groß ist, wird dies meistens im
weiteren Verlauf des Projektes nicht besser. Ist der Angebotsprozess holperig, wird
die Umsetzung und Fertigstellung in aller Regel auch schwierig. Es reicht nicht, auf
den Namen des Herstellers zu schauen, wichtig ist auch die Frage: Ist diese Firma
auch darauf ausgerichtet, meine Aufgabenstellung zu erfüllen?

Beispiel
Ein sehr großer Hersteller von Baugruppen im Bereich Heizungstechnik hat es
über mehrere Wochen nicht geschafft, sein Angebot zu unterbreiten. Im Angebot
wurde mehrfach das Lastenheft ignoriert. Die Inhalte mussten mehrfach
angepasst werden. Geliefert wurde in Etappen, deutlich nach dem verabredeten
Liefertermin, obwohl die Zusagen so verbindlich waren, dass der Hauselektriker
zu den versprochenen Terminen vor Ort gewesen ist. Diese Zeit hat der Elek-
triker in Rechnung gestellt.

Die weiteren Probleme im vorliegenden Beispiel sind vorprogrammiert:


Schwierigkeiten mit der Abrechnung und Schwierigkeiten mit dem Abschluss der
Arbeiten. Und oft werden dann die Anwälte eingeschaltet.
Was ist hier falsch gelaufen? Diese Firma ist groß, renommiert und im höheren
Preissegment angesiedelt. Sie ist auf wenige Komponenten in großer Stückzahl aus-
gerichtet. Im vorliegenden Beispiel ging es um Baugruppen und Einzelstücke, die
von der Linienorganisation abweichen und einzeln abgearbeitet werden mussten.
Dieses Umdenken konnte die Firma nicht leisten. Das Unternehmen hat also eine
Leistung angeboten, für die es nicht strukturiert war.

Ein weiteres Beispiel


Eine kleine Firma aus dem Bereich Lüftung und Klima sollte verschiedenste
Komponenten für eine Trocknungsanlage liefern. Die Komponenten sind preis-
günstig. Eine Handskizze per Fax und ein Telefonat haben für ein detailliertes
Individualangebot binnen zwei Tagen ausgereicht. Die Komponenten passten
sogar bei den Übergängen zu Fremdteilen, bei denen die Flanschbilder nicht
genormt waren. Die Bauteile wurden aufgrund ihrer sperrigen Bauweise direkt
zur Baustelle geliefert. Der Lieferant hat eine Spedition beauftragt, bei der der
Fahrer selbst Hand mit angelegt hat. Eine Wareneingangskontrolle durch den
Planer hat nicht stattgefunden. Dennoch hat vor Ort alles gepasst.
268 4  Technische Aspekte

Warum lief dieses Projekt gut? Die Stärke dieses Herstellers war es, sich auf
die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Projektes und Kunden einstellen zu
können. Ein Kunde beschreibt am Telefon eine Aufgabenstellung und der Planer
hat gelernt, sich in den Kunden hinein zu versetzen. Er war nicht darauf reduziert,
alles mit Bestandsbauteilen abzuwickeln. Er hat das Einzelteil für den Kunden so
entworfen, wie er es brauchte.

Beispiel
Und noch ein Beispiel speziell zum Punkt „Zeitliche Abfolge mit Menschen, auf
die sie keinen direkten Einfluss haben“:
Ein Kunde will eine Versorgungsleitung über mehrere fremde Grundstücke
legen. Die Eigentümer stimmen mündlich zu. Weil die Zeit drängte, wurden Bau-
planung und Vertragsabwicklung parallel voran getrieben. Die Baumaßnahme
stand bevor und der Vertrag sollte unterzeichnet werden, als ein Eigentümer
plötzlich absagte. Infolgedessen wird die Baumaßnahme abgebrochen. Erheb-
liche Verzögerungen und Mehrkosten gefährden nun den Erfolg.

Wenn gleichwertige Lösungsansätze verfügbar sind, ist ein Umschwenken


möglich. Wenn nicht, suchen Sie nicht erst nach Plan B, wenn der Bedarf gegeben
ist, sondern stellen Sie im Vorfeld sicher, dass diese einzige Lösung auch auf jeden
Fall umsetzbar ist. Hilfreich ist dabei ein Projektmanagementplan, der alle Auf-
gaben mit zeitlichem Rahmen und Prioritäten in Teilabschnitten festlegt.
Man kann sich eines EDV-Projektplanungsprogrammes bedienen. Das ist gut,
muss aber gepflegt werden. Dazu gehört eine gute Übersicht, sonst verfällt dieser
Plan in eine stiefmütterliche Rolle und hilft der Sache nicht mehr. Die Hauptthemen
sollten dabei auf zehn beschränkt werden, um den Überblick nicht zu verlieren.
Zum Thema Projektmanagement gibt es viel hilfreiche Literatur, die bereits sehr gut
und übersichtlich darstellt, was wann im Projekt wichtig ist. Im Fall einer Biogas-
anlage kann man die einzelnen Bereiche themen- oder ablauforientiert anlegen.
Themenorientiert würde z. B. heißen:
• Fütterung
• Fermenter
• Nachgärer
• Endlager
• Fahrsilo
• Fuhrwaage
• BHKW
• etc.
Ablauforientiert könnte z. B. heißen:
• Planungsschritte
• Vertragswesen
• Tiefbau
• Betonbau
• Stahlbau
4.4  Management zentraler Fertigstellungsrisiken 269

• Elektrotechnik
• Betriebsführung
• etc.
In der Unterhierarchie kann dann in Teilbereiche aufgeteilt werden. Bei themen-
orientierter Vorgehensweise, z. B. den Fermenterbau in: Tiefbau, Betonbau, Gas-
speicher, Sicherheitstechnik, Elektrotechnik, Rührwerke etc. Ablauforientiert
würde man innerhalb des Gewerkes in Bauphasen der Hauptkomponenten unter-
teilen, z. B. Elektrotechnik: Fütterung, Rührwerke, BHKW, Beleuchtung etc. Auf
diese Weise lässt sich das Projekt gut strukturieren. Der Projektplan muss regel-
mäßig in Frage gestellt und gepflegt werden. Folgende Fragen sollten regelmäßig
gestellt werden:
• Läuft alles nach Plan?
• Wenn nein: Ist das schlimm? Hat das inakzeptable Konsequenzen?
• Wie kann die Differenz ausgeglichen werden?
• Ist ein „Plan B“ wirtschaftlich tragbar?
Auch bei guter Planung kann es zu unvorhersehbaren und außerplanmäßigen
Problemen kommen. Es ist nicht leistbar, alle Projektphasen hintereinander zu
legen. Es ist immer mit Überschneidungen zu rechnen, die einem ein Ausweichen
erlauben müssen. Bei allem gilt: Durchführung einer Rückwärtsterminierung und
Schaffung stiller Reserven. Wichtig ist, dass jede Phase für sich eine gewisse Puffer-
fähigkeit mit bringt. Es muss klar sein, dass verfügbare Ressourcen meist voll aus-
geschöpft werden. Wenn man für eine Bauphase eine gewisse Zeit zur Verfügung
hat, kann man sicher davon ausgehen, dass diese auch benötigt wird. Hat man eine
Woche mehr Zeit, wird auch diese verbraucht, ohne dass sich jemand dabei gelang-
weilt hätte oder gar die Qualität der Ausführung gestiegen wäre. Wichtig ist, dass
die Reserven wirklich „still“ sind. Andernfalls sind sie im Arbeitsfortschritt als
freies Gut verbraucht, bevor sie dazu freigegeben werden. Dazu nimmt man bei-
spielsweise nicht den absolut letzten Termin als Zieltermin, sondern einen Termin
einige Tage zuvor. Diesen Termin sollte man schlüssig begründen können, ohne den
zeitlichen Puffer zum tatsächlichen Zieltermin preis zu geben.

4.4.6 Persönliche Voraussetzungen

Jede Tätigkeit verlangt eine individuelle Leistungsvoraussetzung des Einzelnen.


Oft arbeiten die an dem Vorhaben beteiligten Personen das erste Mal zusammen
und das manchmal nur für eine begrenzte Zeit der Bauphase.
Kommen fachliche oder körperliche Defizite z. B. auf der Baustelle zu Tage, ist
es Aufgabe der zuständigen Firma, dies abzustellen. Zeit, Stärken und Schwächen
zu erkennen und auf der Baustelle zu beheben, bleibt oft nicht. Zumal dies bedeuten
kann, dass so nicht nur handwerkliche Fehler, sondern auch Sachschäden oder
Unfälle passieren können. Solche Probleme sollten frühzeitig offen angesprochen
und behoben werden.
270 4  Technische Aspekte

4.4.7 Der Projektverlauf – wichtige Anregungen für die


Projektdurchführung

4.4.7.1 Zeit- und Selbstmanagement


Um den Projektplan umzusetzen, bedarf es eines guten Zeit- und Selbstmanagements.
Ablenkungen, falsche Prioritäten und Fehleinschätzungen bezüglich der benötigten
Zeit führen zwangsläufig zum Chaos. Das gilt auch für den Biogasanlagenbau.
Ruhige Arbeitsphasen sind wichtig, um sich zu konzentrieren. Ablenkungen
führen dazu, dass man sich ständig neu in das Thema einfinden muss oder dass gar
Fehler passieren. Die Qualität leidet erheblich, da sie nicht reibungslos dort wieder
anschließen können, wo sie vor der Störung aufgehört haben. Weiterführende
Literatur hilft, den Tag zu strukturieren und die vorhandene Zeit sinnvoll zu nutzen.
Oft werden auch Kurse zu diesem Thema angeboten.

Beispiel
Ein Beispiel zur Ein- und Aufteilung der täglichen Arbeiten:
Das Melken kann ich nicht verschieben (Gesetzte Arbeitszeit)
Meine Konzentration ist von 10–12 am besten (dort sollte ich wichtige Arbeiten
verrichten)
Warum klingelt immer mittags das Telefon? (Telefon stumm stellen oder Mittag
verschieben)
Die Mittagsmüdigkeit haut mich um (Mittagspause oder leichte Aufgaben)

4.4.7.2 Klare Kommunikation


Oft kommt es vor, dass manche Dinge einfach nicht umgesetzt werden. Woran liegt
das? Hilfreich ist, sich einmal die Stufen der Kommunikation vor Augen zu führen:
Gesagt ist noch lange nicht gehört
Gehört ist noch lange nicht verstanden
Verstanden ist noch lange nicht umgesetzt
Umgesetzt ist noch lange nicht beibehalten
Was in der Kommunikation zu diesen Informationslücken führt, ist letztendlich
unerheblich. Wichtig ist, dass die Kommunikation klar, eindeutig und verständlich
sein muss. Holt man sich von allen Projektbeteiligten eine Rückmeldung ein, was
verstanden wurde, werden Missverständnisse besser ausgeschlossen. Häufig sind es
dabei nur kleine, aber entscheidende Details, die missverstanden oder unbeachtet
geblieben sind; die für den Verlauf aber einen wesentlichen Einfluss hatten.

4.4.7.3 Qualität festlegen


Für manche Qualitätsanforderungen gibt es bereits Normen, die den derzeitigen
Stand der Technik darstellen. Gerade im Biogasanlagenbau ist aber noch nicht alles
genormt, sodass aus anderen Bereichen Normen als Erkenntnisquelle herangezogen
werden. Hierzu wieder ein Beispiel zum Gasleitungsbau einer Biogasanlage:
4.4  Management zentraler Fertigstellungsrisiken 271

Beispiel
Gasleitungen sind heute in aller Regel oberirdisch aus Edelstahl und unter-
irdisch aus PE-Rohr. Dies wird in der TI 4 der landwirtschaftlichen Berufs-
genossenschaft so vorgegeben. Welche Qualifikation derjenige haben muss,
der Gasleitungen verlegt, ist nur festgelegt, wenn die Gasleitung das Betriebs-
gelände verlässt. Dann gelten automatisch die Regeln der DVGW. Die können
aber als adäquate Basis herangezogen werden, was unter Umständen aber auch
zu Kostensteigerungen führen kann.

Qualität und Werkstoffe sollten, wenn nicht bereits in Regelwerken fixiert,


schriftlich festgehalten werden, sofern sich der Vertragspartner überhaupt darauf
einlässt, weil er z. B. das Material oder das entsprechende Zertifikat nicht führt.
Entscheidend ist, dass der Bauherr sich aktiv für eine Qualität entscheidet. Neben
den nachlesbaren Anforderungen, gibt es auch technische Lösungen, die kurzlebig
oder nachhaltig konzipiert sind. Hier ist der Bauherr gefragt, z. B. eine Garantie für
die Lebensdauer einzufordern, wenn diese nicht festgelegt ist.
Natürlich gibt es einige rechtliche Regelwerke und Normen, die eingehalten
werden müssen. Gute Hersteller und Planungsbüros werden diese kennen und
anwenden. Es ist jedoch ratsam, die „Einhaltung der Rechtsvorschriften und tech-
nischen Regelwerke“ im Vertrag schriftlich zu verankern. Weiterhin sollte fixiert
werden, dass Technik und Dokumentation der Baugenehmigung entsprechen. Alles
andere gilt als unerlaubter Anlagenbetrieb und ist strafbar.

4.4.7.4 Auswahl der Komponenten


Eine Biogasanlage ist kein Provisorium. Alle Komponenten sollten – so weit
möglich – auf 20 Jahre ausgelegt sein. Für einige Komponenten sind auf dem Markt
verschiedene Ausführungen erhältlich, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben.
Manche müssen erst noch ihre Einsetzbarkeit unter Beweis stellen. Wichtig ist die
richtige Darstellung der Aufgabe.

Beispiel:
Für ein Wärmenetz soll das Material der Wärmeleitungen festgelegt werden. Auf
dem Markt sind sowohl Stahlleitungen als auch Kunststoffleitungen erhältlich.
Die Summe der Kosten für Material und Verarbeitung ist bei einfachen Netzen
bei beiden Werkstoffen ähnlich. Meist überwiegen die Vorteile der Stahlleitung:
Die Lecküberwachung ist einfach zu realisieren und hohe Temperaturen können
dem Medienrohr nichts anhaben und führen nicht zu einer stärkeren Alterung des
Materials. Es gilt aber trotzdem, sich die örtlichen Gegebenheiten genau anzu-
schauen, um den für den Anwendungsfall geeignetsten Werkstoff auszuwählen.

Nehmen wir an:


• Das Netz liegt auf einer schwierigen Strecke. Rauf, runter, links, rechts. Das
macht eine Stahlleitung sehr teuer, weil jede Richtungsänderung einen neuen
Bogen mit neuer Isolierung und viel Installationsaufwand mit sich bringt.
272 4  Technische Aspekte

• Die Leitung wird – wie so häufig – erst im späten Herbst verlegt. Wir haben also
niedrige Temperaturen und viel Regen. Das verzögert den Bau erheblich und
lässt die Kosten explodieren.
• Der Tiefbauer, der Rohrleitungshersteller, der Verleger, der Schweißer und der
Hersteller der Isolierung sind in diesem Projekt nicht ein Team, sondern kommen
häufig aus verschiedenen Firmen. Jede Firma hat weitere Kunden und die Anfahrt
soll sich schließlich lohnen. Jede Folgefirma bedeutet Wartezeit auf das jeweils
nächste Gewerk. Aber es muss doch schnell gehen – Straßen werden gesperrt,
die Leitungsgräben fallen ein, der Grundwasserspiegel kann steigen und der
Koordinator versucht, die gerade genannten Firmen aufeinander abzustimmen.
Nicht selten kommt es dabei zu einem Baustopp wegen Wintereinbruch. Weiter
machen bitte erst im Frühjahr.
• Sie haben den Unmut der Anlieger auf sich gezogen, schließlich ist die gesamte
Ortschaft über Monate ein Baustellenschlachtfeld.
• Sie haben während des schönen langen Winters keine Wärme verkauft, eventuell
sind Sie Ihren Vertragsverpflichtungen nicht nachgekommen und weil die Gräben
eingefallen sind, kommt noch einiges an Handarbeit dazu.
Mit erheblichen Mehrkosten, einem Winter Verspätung, einer Menge Frust im
Ort und eventuellen Konventionalstrafen bezüglich der Lieferverträge ist nun alles
geschafft, oder?
Das Stahlnetz ist unter schwierigen Bedingungen gebaut und die Kompensations-
fähigkeit des Rohres bezüglich der Wärmeausdehnungen ist nur begrenzt. Alles ist richtig
ausgelegt, Ausdehnungspuffer wurden eingeplant. Leider ist die Wärmequelle nicht
redundant ausgelegt und fällt regelmäßig aus. Und zwar so lange, dass das Netz signifikant
auskühlt. Mit der Folge, dass die Schweißnähte regelmäßig Spannung und Dehnung aus-
gesetzt werden. Den Maschinenbauern unter den Lesern ist die Wöhlerkurve ein Begriff.
Natürlich hat dieses Rohr, von dem man dachte, es sei schier unverwüstlich, längst nicht
die Fähigkeit, Spannungen und Dehnungen zu kompensieren, wie das alternative Kunst-
stoffrohr. Die Folge: Nach einigen Jahren – dabei ist es nicht eine Frage der Zeit, sondern
vielmehr eine Frage der Anzahl der Last- bzw. Temperaturwechsel – wird das Netz an den
Schweißnähten undicht. Wie gut, dass eine Lecküberwachung vorgesehen ist. Das macht
die Suche nach dem Schaden leichter, die Reparatur ist trotzdem fällig. Und weil alle
Nähte dieser Belastung ausgesetzt sind, kann es durchaus passieren, dass nun regelmäßig
diese Schadensfälle behoben werden müssen.
Dieser inszenierte Verlauf ist sicher eine Ansammlung von möglicherweise auf-
tretenden Schwierigkeiten. An dieser Stelle soll auch das Stahlnetz nicht verteufelt
werden. Dieses Beispiel soll vielmehr zeigen, wie wichtig es ist, genau die Bedingungen
zu prüfen, unter denen die jeweilige Komponente eingesetzt werden soll.
Zusammengefasst heißt das:
• Setzen Sie sich im Vorfeld mit den Details der Aufgabenstellung an die Kom-
ponenten auseinander und entscheiden Sie sich, bezogen auf Ihre Aufgaben-
stellung, für das entsprechende Konzept.
• Holen Sie sich eine neutrale Beratung bei einem Ingenieurbüro.
• Wählen Sie Ihr Material projektbezogen aus.
4.4  Management zentraler Fertigstellungsrisiken 273

4.4.7.5 Vertragspartner und Verträge


Verträge sind wichtig und ein gut ausgearbeiteter Vertrag kann – wie schon
beschrieben – viel wert sein. Kommt es jedoch trotz aller Sorgfalt und gegen-
seitigem Respekt zu Streitigkeiten, kann dies schnell das ganze Projekt gefährden.
Müssen gar Anwälte und Gutachter beauftragt werden, ist eine schnelle Lösung
kaum in Sicht und der wirtschaftliche Erfolg in Frage gestellt. Das gilt im Übrigen
für beide Seiten. In der Regel ist zumindest die letzte Rate nicht bezahlt, sodass der
Hersteller kaum Gewinn macht, der Betreiber steht mit einer nicht fertigen Anlage
da und die dringend benötigte Dokumentation (Zeichnungen, Stromlaufpläne,
Betriebsanleitungen und Prüfzeugnisse) wird nicht mehr geliefert. Ein Patentrezept,
solchen Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen, gibt es nicht.
Den Projektpartner im laufenden Projekt zu wechseln, ist mit das Schlimmste,
was einem Bauherrn passieren kann. Trotzdem muss man reagieren, wenn folgende
Indikatoren immer deutlicher zu Tage treten:
• Die Gesprächspartner sind telefonisch sehr schwer, wenn überhaupt erreichbar.
• Die Bauabschnitte verschieben sich zeitlich dramatisch.
• Komponenten werden eingebaut, die so nicht bestellt wurden.
• Der Zeitdruck bringt sie in den Handlungszwang, die ungewünschten Ver-
änderungen genau so zu akzeptieren … usw.
Weitere wichtige Punkte für die Vertragsgestaltung:
• Für den Bauherrn kann es vorteilhaft sein, einen hohen Anteil der Finanzierungs-
summe in die Abschlussrechnung zu verlagern. Das geht meist nur mit einem
prozentualen Aufschlag oder einer Bürgschaft. Finanzielle Konsequenzen für
Leistungsabweichungen sind ebenfalls probate Mittel. Diese können großzügig
gestaltet werden. Dabei sollte man dem Lieferanten ruhig mehr Zeit geben, als
er haben will. Wenn die Termine dann nicht gehalten werden, müssen die Ein-
schnitte glasklar sein oder nachvollziehbar begründet werden.
• Ein detaillierter Projektzeitplan und eine gut beschriebene Stückliste für die ver-
bauten Komponenten sollten selbstverständlich sein.
• Wenn ein Gewerk abgeschlossen ist, muss die rechtsverbindliche Dokumentation
bereit gestellt werden. Wichtig sind dabei Fließbilder, Stromlaufpläne und Prüf-
protokolle.

4.4.8 Der Projektabschluss

Bei einem so großen Projekt wie einer Biogasanlage kann es passieren, dass bei
Projektübergabe noch nicht alles zu 100 % passt. Ein klarer Termin und ein Über-
gabe-Protokoll, in dem Restarbeiten mit Datum der Erledigung schriftlich fixiert
werden, hilft Streitigkeiten und Missverständnisse zu vermeiden. Die wesentlichen
Inhalte werden im Vorfeld absehbar sein und können entsprechend zu diesem
Termin bereinigt sein.
Unanständig sind Formulierungen wie: „Mit der ersten Einspeisung haben wir
eine virtuelle Inbetriebnahme vollzogen“ oder „können die Restarbeiten erst voll-
ziehen, wenn die Schlussrechnung bezahlt wurde.“
274 4  Technische Aspekte

Im Vertrag ist jedoch Vorsicht geboten. Solch ein Verhalten lässt darauf rück-
schließen, dass dies nicht die einzigen Punkte sind, bei denen man nicht einer
Meinung ist. Persönliches Fazit: Ein Patentrezept für den Bau einer Biogasanlage
gibt es nicht. Nur selten werden so viele unterschiedliche Gewerke zusammen
geführt. Nur selten gibt es so viele Einflussfaktoren auf Erfolg oder Misserfolg in
der Bauphase. Es kann noch so viele wichtige Punkte geben, die nicht aufgeführt
sind. Das Wesentliche aus meiner Sicht ist nach wie vor: Das Projekt steht und fällt
mit dem Menschen, der die Fäden in der Hand hält. In der Regel können Sie am
besten Risiken erkennen und durch Präsenz und Sensibilität darauf einwirken.

4.5 Betriebserfahrungen

Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin, Dr. Britt Schumacher


Dr.-Ing. Jan Liebetrau, Nadja Rensberg
Prof. Dr. mont Michael Nelles, Dr. Gert Morscheck
Dr. Andrea Schüch, Nils Engler
Das Deutsche Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ) führt
gemeinsam mit der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) regel-
mäßig Befragungen (DBFZ 2011) durch, um im Auftrag des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) die Auswirkungen der
Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in der Praxis fest-
zustellen. In die Befragungen werden Biogasanlagenbetreiber, Landesministerien,
Landesämter für Landwirtschaft, Genehmigungsbehörden und Experten ver-
schiedener Bundesländer in Deutschland einbezogen. Zusätzlich werden Angaben
von Anlagenherstellern herangezogen. Im Folgenden werden ausgewählte Ergeb-
nisse, unter anderem aus einer aktuellen Fragebogenerhebung, die sehr gut die
Betriebserfahrungen mit Biogasanlagen in Deutschland wiedergeben, dargestellt.
Deponie- und Klärgasanlagen bleiben dabei unberücksichtigt. Erfahrungen mit
abfallwirtschaftlichen Anlagen liegen umfassend an der Universität Rostock vor
und schließen sich an die Dokumentation der Befragung an.

4.5.1 Anlagenbestand und zu erwartender Ausbau inklusive


Repowering

Der Biogasanlagenbestand in Deutschland hat sich seit dem Inkrafttreten des


Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 und insbesondere nach den
Novellierungen in den Jahren 2004 und 2009 dynamisch entwickelt. So waren nach
Angaben der Länder und Schätzungen des DBFZ Ende 2010 rund 5.900 Biogas-
anlagen mit einer installierten elektrischen Anlagenleistung von etwa 2.300 MWel
zu verzeichnen (Abb. 4.18) (DBFZ 2011). 2

2
Anlagenzahl differenziert nach Leistungsklassen und installierter elektrischer Anlagenleistung
4.5 Betriebserfahrungen 275

Abb. 4.18 Biogasentwicklung in Deutschland2

Die durchschnittliche Anlagenleistung lag bei 380 kWel, wobei die Bandbreite


von weniger als 70 kWel bis zu mehr als 1 MW reicht. Hatten 2008 noch mehr als
60 % der neu errichteten Anlagen eine installierte elektrische Leistung von 500 kWel
und größer, waren es 2009 und 2010 weniger als 30 %. Die überwiegende Zahl der
neu gebauten Anlagen in den Jahren 2009 und 2010 lag im Leistungsbereich kleiner
als 500 kWel, wobei von diesen ein erheblicher Teil auf Anlagen unter 250 kWel
entfiel. Neben den Biogasanlagen (BGA), die mittels Blockheizkraftwerk (BHKW)
elektrische Energie in das Stromnetz einspeisen, waren Ende 2010 auch 50 BGA
mit Gasaufbereitung und Einspeisung in das Gasnetz in Betrieb.
Entsprechend den landwirtschaftlichen Strukturen bestehen auch zwischen den
einzelnen Bundesländern Deutschlands große Unterschiede in der Anzahl und mitt-
leren Größe der Anlagen. So sind in Bayern zwar die meisten Biogasanlagen in
Betrieb, in Niedersachen ist jedoch die installierte elektrische Gesamtleistung am
höchsten.
Neben den 5.900 Biogasanlagen mit Vor-Ort-Verstromung (Abb. 4.19) waren
Ende 2010 in Deutschland auch 50 Anlagen mit einer Gasaufbereitung und
anschließender Einspeisung ins Gasnetz in Betrieb.3 4Davon gingen 19 allein im Jahr
2010 ans Gasnetz. Die Einspeiseanlagen verfügten insgesamt über eine installierte

in MWel, ohne Abbildung von Biogasaufbereitungsanlagen, Deponie- und Klärgasanlagen.


S. hierzu auch DBFZ (2011).
3
Bezugsebene: Postleitzahl Stand 01/2011. S. hierzu DBFZ (2011).
4
Jeweils mit Angabe des Status (in Betrieb, in Bau, in Planung), Bezugsebene: Postleitzahl
Stand 12/2010.
276 4  Technische Aspekte

Abb. 4.19 Regionale
Verteilung der in Betrieb
befindlichen Biogas-
anlagen3

Abb. 4.20 Standorte der Biogasaufbereitungsanlagen in Deutschland4

Gasleistung von rund 341 MW. Die regionale Verteilung der Biogasanlagen mit
Gasaufbereitung und -einspeisung kann der Abb. 4.20 entnommen werden.
Genehmigungsrechtlich sind ca. 54 % der BGA dem Verfahren nach Baurecht
(BauGB) und etwa 45 % dem nach Immissionsschutzrecht (BImSchG) zuzuordnen.
4.5 Betriebserfahrungen 277

Tab. 4.7 Inanspruchnahme von Boni5


  NawaRo KWK Gülle Landschaft- Tech- Vergütungserhö- keine
spflege nologie hung für Emis- Boni
sionsminderung
Anzahl der 606 515 523 10 77 232 15
Rückmel-
dungen
Anteil an 93,8 79,7 81,0 1,5 11,9 35,9  
Rückmel-
dungen (%)
(n = 646)

Nur in Einzelfällen ist bei letzterem Verfahren noch zusätzlich eine Umweltverträg-
lichkeitsprüfung (UVP) erforderlich (DBFZ 2011).5

4.5.1.1 Inanspruchnahme der Boni im EEG


Durch die Novellierung des EEG 2009 hat sich die Anzahl der Kombinations-
möglichkeiten der unterschiedlichen Boni aus den Jahren 2004 und 2009 deutlich
erhöht. Welche Boni im Ergebnis der Befragung 2010 (Antworten n = 646) von den
Anlagenbetreibern in Anspruch genommen werden, ist in Tab. 4.7 zusammengefasst.
Mehr als 90 % der Anlagenbetreiber erhalten den NawaRo-Bonus. Die Boni für
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und den Einsatz von Gülle bzw. Mist werden mit
je etwa 80 % ebenfalls sehr gut angenommen. Eine untergeordnete Rolle spielen
bei den Befragten der Emissionsminderungsbonus mit rund 36 %, der Tech-
nologiebonus mit rund 12 % und der Landschaftspflegebonus mit 1,5 %.
Die Inanspruchnahme des Technologiebonus wurde detaillierter aufgeschlüsselt
und zeigt deutlich, dass zwei Drittel der Anlagen den Bonus für sogenannte Tro-
ckenfermentation nach EEG 2004 erhalten, der mit der Novellierung 2009 für
Neuanlagen entfiel (s. Abb. 4.21). Der Gasaufbereitung können insgesamt 7 % der
Anlagen, die die Technologieboni von 2004 oder 2009 erhalten, zugeordnet werden.
4 % der Befragten konnten den Technologiebonus nach EEG 2009 für den aus-
schließlichen Einsatz von Bioabfällen beanspruchen. Die übrigen 25 % der Anlagen
mit Technologiebonus nach EEG 2004 oder 2009 blieben ohne Angabe und waren
nicht näher zu spezifizieren.
Rund 80 % aller Biogasanlagen aus der Anlagenbetreiberbefragung erhalten den
Kraft-Wärme-Kopplungsbonus (KWK-Bonus). Allerdings sinkt dieser Anteil für
„Neuanlagen“ seit dem EEG 2009 auf nur ca. 70 % (DBFZ 2011). Das kann durch
erhöhte Anforderungen im EEG 2009 begründet oder auf standortbedingte Fak-
toren zurückzuführen sein. Auch die Nachweispflicht durch einen Umweltgutachter
ist ggf. für einige Betreiber zu aufwändig.
Nur rund 36 % der befragten Anlagenbetreiber nehmen eine Vergütungserhöhung
für die Emissionsminderung in Anspruch. Je nach Anlagengröße zeigt sich dabei

5
Angegeben ist zusätzlich die Vergütungserhöhung für Emissionsminderung für Biogasanlagen
(Betreiberbefragung DBFZ 2010). S. auch DBFZ (2011).
278 4  Technische Aspekte

Abb. 4.21 Inanspruch-
nahme des Technologie-
Bonus6

ein sehr differenziertes Bild. Anlagen mit einer installierten elektrischen Leistung
von mehr als 500 kW beziehen in ihrer Größenklasse mehrheitlich diese Vergütung.
Wohingegen Anlagen bis 500 kWel in ihrer Größenklasse diese Vergütungserhöhung
meist nicht erhalten (DBFZ 2011).6

4.5.1.2 Substrateinsatz
Durch die Einführung des NawaRo-Bonus im EEG 2004 wurde der Einsatz von
nachwachsenden Rohstoffe (NawaRo) forciert und kontinuierlich gesteigert.
Auch das EEG 2009 wirkte sich positiv auf den Einsatz von NawaRo und von
Exkrementen (Gülle und Mist) aus. Mit zusammen 91 % bezogen auf die Masse
werden in deutschen Biogasanlagen lt. Betreiberbefragung 2010 (DBFZ 2011)
gegenwärtig überwiegend Exkremente und NawaRo eingesetzt, s. auch Abb. 4.22.
Dagegen sind Bioabfälle mit 7 Masse-% sowie industrielle und landwirtschaftliche
Reststoffe mit 2 Masse-% bisher von untergeordneter Bedeutung. Der Substratmix
in Biogasanlagen unterscheidet sich dabei jedoch in den verschiedenen elektrischen
Leistungsklassen.
In Kleinanlagen bis 70 kWel werden überwiegend Exkremente vergoren,
während in BGA bis 500 kWel NawaRo und Exkremente nahezu gleichrangig sind.
Größere Anlagen über 500 kWel setzen zu mehr als 55 % NawaRo ein, während der
Exkrementanteil mit steigender Anlagengröße sinkt und der Anteil der Bioabfälle
steigt (s. Tab. 4.8) (DBFZ 2011). Da es in Deutschland bisher eine klare Abgrenzung
zwischen Anlagen mit NawaRo-Bonus und Anlagen gibt, die Substrate einsetzen,
die NawaRo-Bonus-abträglich sind, werden Bioabfälle nur in relativ wenigen BGA
eingesetzt, dort tragen sie aber zu mehr als 70 % zum Substratmix bei (DBFZ 2011).

6
Jeweils differenziert nach Technologie-Bonus 2004 und Technologie-Bonus 2009 (DBFZ
2011).
4.5 Betriebserfahrungen 279

Abb. 4.22
Massebezogener Substrat-
einsatz in Biogasanlagen.
(Gemäß DBFZ 2011)

Tab. 4.8 Mittlerer Substratmix in Biogasanlagen. (Gemäß DBFZ 2011)


Install. elektr. Gülle NawaRo Bioabfall indust./ berücksichtigte
Anlagenleistung landw. Rückmeldungen
(kWel) Reststoffe (Anzahl)
Mittelwert Mittelwert Mittelwert Mittelwert
(%) (%) (%) (%)
≤ 70 76 24 0 1 56
71–150 50 48 1 1 72
151–500 44 53 2 2 354
501–1 000 32 56 10 2 105
> 1.000 24 57 16 3 32

Der Einsatz nachwachsender Rohstoffe (NawaRo)


Der Trend eines starken Einsatzes von Mais als NawaRo-Substrat für Biogas-
anlagen setzte sich mit 76 Masse-% im Jahr 2010 fort, s. auch Abb. 4.23.
Grassilage, Getreidekorn und Getreide-Ganzpflanzensilage (Getreide-GPS) haben
eine deutliche geringere Bedeutung. Zuckerrübe und sonstige NawaRo sind von
untergeordneter Bedeutung. Aufgrund von Neuregelungen im EEG 2012 ist aber
für Neuanlagen ab 2012 eine Verschiebung des Anteils weg von Maissilage und
Getreidekorn hin zu Getreideganzpflanzensilage (Getreide-GPS), Grassilage,
Zuckerrübe und ggf. auch Hirse zu erwarten.

4.5.1.3 Energiebezogener Beitrag der verschiedenen Substrate


Werden die Mengenanteile des Substratmix mit ihren spezifischen Methanerträgen
verknüpft, wird die energetische Bedeutung der NawaRo mit 80 % klar ersichtlich
(s. Abb. 4.24). Die Exkremente tragen trotz großen Einsatzmengen zu einem viel
kleineren Teil von 11 % zur Energiegewinnung bei. Die Bioabfälle sowie die indus-
triellen und landwirtschaftlichen Reststoffe mit ihren insgesamt 9 % machen auch
energiebezogen nur einen relativ kleinen Anteil aus.7

7
Bezugsgröße: spezifische Methanerträge der eingesetzten Substrate.
280 4  Technische Aspekte

Abb. 4.23
Massebezogener Substrat-
einsatz nachwachsender
Rohstoffe in Biogas-
anlagen. (Gemäß DBFZ
2011)

Abb. 4.24 Ener-
giebezogener Substrat-
einsatz in Biogasanlagen.
(Gemäß DBFZ 2011)7

4.5.1.4 Prozessführung
Die Nassfermentation ist hinsichtlich der Prozessführung von Biogasanlagen die
Technologie, die am häufigsten in Biogasanlagen eingesetzt wird. Der Anteil soge-
nannter Trockenfermentationsverfahren8 am Anlagenbestand ist demgegenüber
gering und liegt zwischen 7 und 12 % (FNR 2009; FNR 2010). Von den klassisch
betriebenen Trockenfermentationsanlagen mit sogenannten Garagenverfahren
(Boxenfermenter) im landwirtschaftlichen Sektor dürften in Deutschland Ende 2010
etwa 60 Anlagen existieren. Nach Angaben der Hersteller sind im vergangenen Jahr
etwa 6 bis 10 neue klassische Trockenfermentationsanlagen in Betrieb gegangen.
Dabei handelt es sich vor allem um Anlagen, die Bioabfälle einsetzen. Da mit dem
EEG 2009 kein Technologie-Bonus für die Trockenfermentation gewährt wurde,
bestanden für neue Anlagen ab diesen Zeitpunkt keine zusätzlichen Anreize, diese
(jetzt auch als Feststoffvergärung bezeichneten) Verfahren in größerem Umfang
einzusetzen.

8
Nach der für den Erhalt des Technologie-Bonus nach EEG 2004 gültigen Definition: diskon-
tinuierlich betrieben: unter anderem Boxen und Garagenfermenter/Batchverfahren; kontinuierlich
betrieben: Pfropfenstromverfahren.
4.5 Betriebserfahrungen 281

Abb. 4.25 Prozess-
führung der Biogas-
anlagen (Gemäß DBFZ
2010)

4.5.1.5 Gasreinigung
Da Rohbiogas neben Methan und Kohlendioxid unter anderem auch Schwefel-
wasserstoff enthält und wasserdampfgesättigt ist, muss es vor der Verwertung in
einem Blockheizkraftwerk (BHKW) getrocknet und entschwefelt werden, um
Schäden am Motor zu vermeiden und eine effektive Verbrennung zu gewährleisten.
Am häufigsten wird nach Angaben der Betreiber (DBFZ 2011) die Luftein-
blasung (88,5 %) als Verfahren der biologischen Entschwefelung eingesetzt.
Dieses wird z. T. noch mit einem weiteren Verfahren der Entschwefelung wie dem
Aktivkohleeinsatz oder der Eisenzudosierung kombiniert. Weitere Verfahren und
ihre Einsatzhäufigkeiten sind in Tab. 4.9 aufgeführt.

4.5.1.6 Gasverwertung
Die Biogasverwertung erfolgt in der Regel als gekoppelte Erzeugung von Strom und
Wärme in Blockheizkraftwerken (BHKW). Die Anwendung in Verbrennungsmotoren
ist Stand der Technik. Als Verbrennungsmotoren werden vorwiegend Gas-Otto-
Motoren oder Zündstrahlaggregate eingesetzt. Diese erreichen elektrische Wirkungs-
grade bis über 40 %. In der Praxis werden beide Motorenarten in unterschiedlichen
Leistungsklassen oftmals kombiniert. Während Gas-Otto-Motoren überwiegend im
mittleren und höheren Leistungsbereich (> 250 kWel) zum Einsatz kommen, werden
Zündstrahlmotoren im Leistungsbereich bis 500 kWel eingesetzt. Für Zündstrahl-
Anlagen, die nach 2007 in Betrieb gegangen sind, sind nur noch Pflanzenöl oder
Pflanzenölmethylester als Zünd- und Stützfeuerung für Zündstrahlmotoren zulässig,
um den Vergütungsanspruch nicht zu verlieren (Scholwin et al. 2009).
Nach Angaben der Betreiber im Rahmen der Betreiberbefragung (DBFZ 2011)
kommen als Verbrennungsmotoren mit 67 % überwiegend Gas-Otto-Motoren zum
Einsatz. Bei etwa 23 % der Biogasanlagen wird zur Verstromung des Biogases ein
Zündstrahl-BHKW eingesetzt. Eine Kombination beider Motorenarten wird nach
Angaben der Betreiber bei etwa 10 % der Biogasanlagen vorgenommen. Bei den
Neuanlagen (Inbetriebnahme 2010, 2011) ist diese Verteilung mit 83 % deutlich
zugunsten der Gas-Otto-Motoren verschoben.
282 4  Technische Aspekte

Tab. 4.9 Einsatzhäufigkeit der Verfahren zur Gasreinigung/ -entschwefelung. (Gemäß DBFZ


2011)
  Lufteinblasung Aktivkohle Eisenzudosierung Biowäscher sonstige
Verfahren
Anzahl der 554 193 175 30 13
Rückmeldungen
Anteil an Rück- 88,5 30,8 28,0 4,8 2,1
meldungen (%)
(n = 626)

4.5.1.7 Abgasbehandlung
Mit der Neufassung des EEG im Jahr 2009 wurde die Vergütungserhöhung für
Emissionsminderung neu eingeführt. Demnach haben alle Biogasanlagen, die
nach Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt sind und Biogas zur Verstromung
im BHKW einsetzen, Anspruch auf eine Vergütungserhöhung, sofern die Form-
aldehydgrenzwerte nach dem Emissionsminderungsgebot der TA Luft eingehalten
werden. In diesem Zusammenhang wurden seit der Neufassung des EEG 2009 an
zahlreichen Biogasanlagen im Zuge der Abgasbehandlung Oxidationskatalysatoren
oder eine Thermische Nachverbrennung installiert. Gegenwärtig erhalten knapp
36 % der Betreiber die Vergütungserhöhung für Emissionsminderung (DBFZ 2011).
Nach Angaben der Betreiber sind bei rund 28 % der Biogasanlagen eine
Abgasbehandlung mit Oxidationskatalysator oder thermischer Nachverbrennung
installiert. Die Mehrheit der Biogasanlagen (etwa 72 %) verfügt nach Angaben der
Betreiber über keine weitere Abgasreinigung. Diesbezüglich konnten 604 Rück-
meldungen der Betreiber berücksichtigt werden. Bei den Neuanlagen ist nach
Angaben der Betreiber bei nahezu der Hälfte der Biogasanlagen eine zusätzliche
Abgasbehandlung installiert, bei der anderen Hälfte der Anlagen wird von den
Betreibern angegeben, dass keine weitere Abgasbehandlung erfolgt (n = 37). Eine
Differenzierung nach Art der Abgasbehandlung zeigt, dass bei rund 92 % der
Biogasanlagen ein Oxidationskatalysator zur weiteren Abgasbehandlung installiert
wurde. Die thermische Nachverbrennung spielt als Verfahren zur Abgasbehandlung
nach Angaben der Betreiber eher eine untergeordnete Rolle (DBFZ 2011).

4.5.1.8 Gasaufbereitung und -einspeisung


Die Aufbereitung von Biogas auf Erdgasqualität zur Einspeisung in das Erdgasnetz
gewinnt in Deutschland in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung, auch wenn
die Anzahl der Gaseinspeiseanlagen noch relativ gering ist verglichen mit der Zahl
der Anlagen mit Vor-Ort-Verstromung. Der Vorteil der Gaseinspeiseanlagen liegt
aber in der räumlichen und zeitlichen Entkopplung der Produktion von Biogas und
dessen Umwandlung in elektrische, thermische oder kinetische Energie. So besteht
die Möglichkeit, höhere Gesamtnutzungsgrade zu erzielen. Allerdings ist auch zu
beachten, dass für die Biogasaufbereitung auf Erdgasqualität Energie aufgewendet
werden muss.
Zum Stand 31.12.2010 waren in Deutschland 50 Biogasaufbereitungs- und -ein-
speiseanlagen mit einer installierten Gasleistung von rund 341 MW in Betrieb. Die
4.5 Betriebserfahrungen 283

jährliche Biomethaneinspeisekapazität dieser Anlagen liegt bei 280 Mio. Nm³, was


etwa 0,4 % des deutschen Erdgasverbrauchs des Jahres 2009 entspricht. Gegen-
wärtig befinden sich mehr als 100 Anlagen, für die eine Inbetriebnahme in den
Jahren 2011 und 2012 geplant ist, im Bau bzw. in der Planung. Zunehmend ver-
lagert sich der Neubau und die Erweiterung von Biogasaufbereitungs- und -ein-
speiseanlagen in die östlichen Bundesländer. Auch ist ein Trend zur Umrüstung von
Biogasanlagen mit Vor-Ort-Verstromung hin zu Anlagen mit Biogasaufbereitung
und -einspeisung zu verzeichnen. Vereinzelt wurden derartige Umrüstungen bereits
realisiert.
Unter der Berücksichtigung der unterschiedlichen Inbetriebnahmezeitpunkte
und der Leistungsgrößen der Aufbereitungsanlagen wird die reale Gaseinspeisung
in das Erdgasnetz für das Jahr 2010 auf 2,53 TWh geschätzt. Der Großteil des
Biomethans wird in Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt. Jedoch finden bisher nur
geringe Mengen des erzeugten Biomethans Absatz im Kraftstoff- und Wärmemarkt.
An zwei Anlagenstandorten (Jameln und Bottrop) wird das Biomethan direkt als
Fahrzeugkraftstoff verwendet.
Die Mehrheit der Aufbereitungsanlagen basiert auf der Fermentation nach-
wachsender Rohstoffe, wobei Maissilage, Getreide, Ganzpflanzensilagen und Gras
die größte Rolle spielen, ergänzt durch Gülle. Darüber hinaus nutzen bislang drei
Anlagen Abfälle als Eingangssubstrat. Es ist davon auszugehen, dass zukünftig
weitere Aufbereitungsanlagen auf Basis von Abfall in Betrieb gehen werden.
Für die Aufbereitung des Biogases finden überwiegend die Verfahren der Druck-
wechseladsorption (DWA), der Druckwasserwäsche (DWW) und der Aminwäsche
Anwendung. Zudem kommt bei einigen Biogasaufbereitungsanlagen der sog. Bio-
gasVerstärker als Aufbereitungsverfahren zum Einsatz. Vereinzelt findet auch die
Aufbereitung mit Hilfe des Membranverfahrens Anwendung.

4.5.1.9 Gärrestlager und deren Abdeckung


Mit dem Inkrafttreten des EEG 2009 ist für neu in Betrieb genommene Biogas-
anlagen, die nach BImSchG genehmigt sind, eine gasdichte Abdeckung des Gärrest-
lagers erforderlich, damit ein Anspruch auf den NawaRo-Bonus gewährleistet ist.
Zudem bieten gasdichte Abdeckungen die Möglichkeit zur Nutzung des Restgas-
potenzials der Gärreste.
Im Ergebnis der Betreiberbefragung (DBFZ 2011) zeigt sich, dass 37 % der
Betreiber über ein gasdicht abgedecktes Gärrestlager verfügen. Dabei konnten
insgesamt 638 Rückmeldungen der Betreiber berücksichtigt werden. Rund 27 %
der Betreiber geben an, ein geschlossenes, jedoch kein gasdichtes, Gärrestlager
zu haben. Rund 36 % der Betreiber verfügen lediglich über ein offenes Gärrest-
lager. Die in Abb. 4.26A dargestellte Verteilung ergibt sich aus den Nennungen
der Betreiber im Rahmen der Befragung. Dabei waren auch Mehrfachnennungen
möglich. 20 Anlagenbetreiber gaben an, sowohl ein offenes als auch ein gasdicht
abgedecktes Gärrestlager zu haben. Diese sind in der Graphik sowohl bei der
Anzahl der offenen als auch bei der Anzahl der gasdicht geschlossenen Gärrestlager
berücksichtigt.
284 4  Technische Aspekte

Abb. 4.26 Abdeckung von Gärrestlagern. (Gemäß DBFZ 2011)9

Für die Neuanlagen nach EEG 2009 zeigt sich eine abweichende Vertei-
lung (Abb. 4.26). Die Mehrheit der Neuanlagen, die nach EEG 2009 in Betrieb
gegangen sind, verfügt über ein gasdicht abgedecktes Gärrestlager. Nach Angaben
der Betreiber sind 22 % der Gärrestlager offen.

4.5.1.10 Ausblick
Insbesondere durch die Nutzung organischer Reststoffe wie z. B. Gülle und Fest-
mist und der vollständigen Nutzung der anfallenden Wärme des BHKW wird die
Bedeutung des Energieträgers Biogas hinsichtlich seines Beitrages zu Klimaschutz
und Energieeffizienz gesteigert. Die Einspeisung von Biomethan und dessen Nut-
zung in direkter Nähe zu Wärmesenken ist hier eine Möglichkeit der vollständigen
Nutzung der chemischen Energie des Gases und wird somit weiter an Bedeutung
gewinnen. Gerade die vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten des Biogases für die
Strom-, Wärme- und Kraftstoffbereitstellung sind ein großer Vorteil gegenüber
anderen Energieträgern. Für das Jahr 2011 wird ein erneut starker Biogasanlagen-
zubau erwartet. Ende 2011 wird der Anlagenbestand auf rund 7.000 Biogas-
anlagen mit einer installierten elektrischen Anlagenleistung von rund 2.700 MWel
geschätzt. Daneben werden rund 70–90 Biogasaufbereitungsanlagen auf Erdgas-
qualität aufbereitetes Biogas in das Erdgasnetz einspeisen. Mit dem Inkrafttreten
des novellierten EEG am 1.1.2012 ist für die nächsten Jahre von einem moderaten
Anlagenzubau auszugehen.
Bei Neuanlagen nach EEG 2012 ist weiterhin mit einem hohen Einsatz von
nachwachsenden Rohstoffen zu rechnen, wobei durch die Novellierung eine Ver-
schiebung des Anteils weg von Maissilage und Getreidekorn hin zu Getreide-
ganzpflanzensilage (Getreide-GPS), Grassilage, Zuckerrübe und ggf. auch Hirse
zu erwarten ist. Auch kleine Hofanlagen (höchstens 75 kW) zur regionalen Nut-
zung von Exkrementen und der daraus erzeugten Energie werden, bedingt durch

a – Anlagenbestand, b – Neuanlagen nach EEG 2009 (Inbetriebnahme 2009, 2010, 2011)


9

NOTEREF _Ref308513568 \h \* MERGEFORMAT .


4.5 Betriebserfahrungen 285

die Güllekleinanlagen-Vergütung des EEG 2012, an Bedeutung gewinnen. Des


Weiteren ist durch die spezielle Vergütung der Vergärung von getrennt erfassten
Bioabfällen (z. B. Landschaftspflegeabfälle, getrennt erfasste Bioabfälle aus dem
Hausmüll, Marktabfälle) im EEG 2012, die Erweiterungen von Kompostierungs-
anlagen um eine anaerobe Biogasstufe zu erwarten.

4.5.2 Erfahrungen

Das Biogas-Messprogramm II (FNR 2009) hat deutlich gezeigt, dass vor allem für
den landwirtschaftlichen Sektor der Betriebszweig Biogaserzeugung von großem
Interesse ist. Wesentliche Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Erfolg
liegen hierbei in einer Anlagentechnik und Betriebsweise, die auf die eingesetzten
Substrate abgestimmt sind. Des Weiteren müssen am Standort der Biogasanlage
eine effiziente und kostengünstige Substratbereitstellung/-ausnutzung sowie die
umfassende Verwertung des Biogases oder die Einspeisung in das Gasnetz gewähr-
leistet sein. In der Praxis hat sich gezeigt, dass häufig noch Optimierungspotenziale
ausgeschöpft werden können (FNR 2009).
Die Anlagenverfügbarkeit und damit die Volllaststundenzahl der Biogasanlagen
sind stark von den Ausfallzeiten entlang der gesamten Prozesskette abhängig.
Das BHKW, die Eintragstechnik und die Rührtechnik wurden von den Anlagen-
betreibern (DBFZ 2011) als die drei häufigsten Ursachen für Ausfallzeiten im
Jahr 2010 genannt, s. auch Tab. 4.10. Bei mehr als 70 % der Biogasanlagen führte
das BHKW zu Ausfallzeiten. Wesentlich seltener wurden Schaum, Schwimm-
schichten, Übersäuerung und Korrosion als Ursachen für Ausfallzeiten angegeben.
Damit liegen die Ursachen für Ausfallzeiten an Biogasanlagen überwiegend in der
Anlagentechnik und nicht in der Prozessbiologie.
Der Umfang der Ausfallzeiten im Jahr 2010 an den befragten Biogasanlagen
liegt im Mittel bei 7,2 Tagen. Nach Angaben von 447 Betreibern lagen die Ausfall-
zeiten bei der Hälfte der Biogasanlagen insgesamt unter vier Tagen, bei der anderen
Hälfte darüber (Median: 4 Tage). Ein Betreiber gab an, dass die Ausfallzeit im ver-
gangenen Jahr bei 100 Tagen lag. Es wurden jedoch keine Angaben zum Grund
dieses langen Ausfalls gemacht. 28 Betreiber gaben an, dass es im vergangenen
Jahr an ihrer Anlage zu keinen Ausfallzeiten gekommen ist. Abbildung 4.27 ver-
deutlicht, dass die Mehrheit der Anlagen Ausfallzeiten bis zu 5 Tagen im Jahr auf-
weisen. Bei über 30 % der Anlagen liegen die jährlichen Ausfallzeiten zwischen 3
und 5 Tagen. Eine Differenzierung der Ausfallzeiten nach Größenklassen hat keine
wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der auftretenden Ausfallzeiten gezeigt.
286 4  Technische Aspekte

Tab. 4.10 Verteilung der Ursachen von Ausfallzeiten. (Gemäß DBFZ 2011)


  Eintrag- Rühr- Schaum Schwimm- Übersäu- Korrosion BHKW
stechnik technik schicht erung
Anzahl der 263 186 24 52 46 26 410
Rückmeldun-
gen
Anteil an 46,9 33,2 4,3 9,3 8,2 4,6 73,1
Rückmel-
dungen (%)
(n = 561)

Abb. 4.27 Verteilung der Ausfallzeiten10

4.5.2.1 Prozessbiologie10
In Tab. 4.11 werden die Mittelwerte und Spannweiten verschiedener Parameter
der Prozessbiologie betrachtet, die in Messprogrammen an Praxisanlagen erhoben
wurden.
Bei 1.000 NawaRo-Anlagen wurde in Tab. 4.12 ausführlich Beschriebenes,
bezüglich der flüchtigen organischen Säuren festgestellt (Hölker 2008b).

4.5.2.2 Anlagentechnik
In Abschn. 4.5.1 wurde ein Überblick zum Biogasanlagenbestand in Deutschland
gegeben, der an dieser Stelle noch ergänzt werden soll. Im Rahmen des Biogas-
Messprogramms II (FNR 2009) wurden bundesweit die Daten von 413 Biogas-
anlagen erhoben. Bei der Einbringung von Feststoffen werden bei 84 % der Anlagen
Schneckensysteme benutzt und bei 9 % eine Vorgrube. Presskolben, Einspülschacht
und Radlader (nur bei Boxenfermentern zur direkten Einbringung) sind dagegen

10
Jeweils bezogen auf die Rückmeldungen gemäß DBFZ (2011).
4.5 Betriebserfahrungen 287

Tab. 4.11 Praxiserfahrungen bei verschiedenen Parametern


Parameter Praxiserfahrungen
Substrat- Die Substratbeschaffenheit ist anlagenspezifisch. Aber nahezu alle land-
beschaffenheit/- wirtschaftlichen Anlagenbetreiber setzen unter anderem Maissilage ein
mix (FNR 2009). Der Anteil an eher faserreichen Substraten wie Gras, Ganz-
pflanzensilage oder Rindermist ist in den kleinen Biogasanlagen in Bayern
und Baden-Württemberg deutlich höher als in größeren Anlagen in Nord-
deutschland (Hölker 2009, S. 24–27). Je mehr und je einseitiger nachwach-
sende Rohstoffe eingesetzt werden, desto häufiger werden Spurenelement-
zusätze verwendet, teilweise ohne eine Ermittlung des konkreten Bedarfs
der Anlagen. Umfangreiche Untersuchungen an Biogasanlagen zeigen
regionale Unterschiede im Spurenelementbedarf. Tendenziell sind nord-
deutsche Anlagen eher mit Kobalt unterversorgt, während süddeutsche eher
einen Mangel an Selen und Wolfram aufweisen (Hölker 2011).
Trocken- Der Trockenmassegehalt im Fermenter ist vom Trockenmassegehalt der
massegehalt Substrate, deren Abbaugrad (in Abhängigkeit von der Verweilzeit und der
Substratvorbehandlung) und vom Einsatz von Rezirkulat abhängig. In
der Praxis wird ein möglichst geringer Wasseranteil angestrebt, um das
Fermentervolumen und den Wärmebedarf zu minimieren. Die obere Grenze
des Trockenmassegehalts wird im Zusammenspiel mit der Viskosität durch
die Rühr- und Pumpfähigkeit des Gärgemischs bzw. die Zugänglichkeit des
Substrates für den biologischen Abbau bestimmt. Bei Untersuchungen an
61 BGAs war der TR-Gehalt der meisten Anlagen zwischen 6 und 9 % (Mit-
tel 7,9 %), gut 15 % lagen darunter und rund 20 % darüber (FNR 2009).
Ammonium- Bei Untersuchungen an Praxisanlagen wurden gemittelte Gesamtstickstoff-
Stickstoffgehalt gehalte zwischen 1,6 und 8,8 kg/t sowie Ammoniumstickstoffgehalte von
1,4 bis 5,7 kg/t gemessen (FNR 2009). Beim Einsatz von proteinhaltigen
Substraten, wie Exkrementen aus der Geflügelhaltung oder Getreidekorn ist
darauf zu achten, dass hemmende Konzentrationen erreicht werden können.
pH-Wert In Praxismessungen an 1.000 BGAs wurde ein Mittelwert für den pH-Wert
von 7,72 ermittelt und ein Bereich von 7,37 bis 8,02 empfohlen (Hölker
2008a). Grundsätzlich wird für Essigsäure bildende Bakterien und methano-
gene Archaeen ein pH-Wert im neutralen Bereich von 6,5 und 8 empfohlen
(Lebuhn et al. 2008, S. 118-125).
FOS/TAC Als Mittelwert von 1.000 BGAs wird ein FOS/TAC-Wert im Gärmedium
von 0,40 g/l angeben. Empfohlen wird ein Bereich von 0,11 bis 0,55 g/l
(Hölker 2008b, S. 22 ff.).
Prozesstem- In der Praxis sind die Prozesstemperaturen der Fermenter, meist in Abhän-
peratur gigkeit vom Anlagenhersteller, regional unterschiedlich eingestellt. So
wurden im norddeutschen Raum 39,65 °C im Durchschnitt von 350 Anlagen
und im süddeutschen 43,2 °C im Durchschnitt von nahezu 500 Anlagen
gemessen (Hölker 2008b, S: 22 ff.). Durch höhere Temperaturen soll ein
beschleunigter und verstärkter Umsatz des Substrats erzielt werden. Das
konnte durch Untersuchungen an Praxisanlagen nicht bestätigt werden. Als
möglicher Nachteil wird die Selektion der Mikroorganismen auf ein Konsor-
tium von Spezialisten diskutiert, die empfindlich auf Temperaturschwankun-
gen reagieren. Weiterhin können sich mit einer Temperaturerhöhung die
Erhöhung der Ammoniakkonzentration, die Senkung des Carbonatpuffers
und der erhöhte Wärmeenergiebedarf nachteilig auswirken. Zudem sinkt die
Enzymstabilität mit steigender Temperatur (Hölker 2009).
288 4  Technische Aspekte

Tab. 4.11 (Fortsetzung) Praxiserfahrungen bei verschiedenen Parametern


Parameter Praxiserfahrungen
Gaszusammen- Biogas besteht aus Methan, Kohlendioxid und weiteren Begleitgasen wie
setzung Schwefelwasserstoff und Wasserstoff. Der Methangehalt ist abhängig von
der Substratzusammensetzung, so führt aufgrund der chemischen Zusam-
mensetzung von Proteinen und Lipiden deren Umsetzung zu höheren
Methangehalten im Biogas als bei Kohlenhydraten. Bei landwirtschaftli-
chen Anlagen sind es durchschnittlich 52 % Methan (FNR 2009). Bei
mehrstufigen Prozessen wird zumeist in der ersten Stufe mehr Kohlendioxid
gebildet und in der zweiten mehr Methan. Ggf. kann in der ersten Stufe auch
vermehrt Wasserstoff gebildet werden, das erfordert höchste Sorgfalt beim
Explosionsschutz. Schwefelwasserstoff wird mit verschiedenen biologischen
Verfahren bzw. deren Kombination aus dem Biogas entfernt.
Hydraulische Die hydraulischen Verweilzeiten sind bei den einzelnen Anlagen sehr
Verweilzeit unterschiedlich. Bei Messungen an 1.200 Anlagen wurden 7 Regionen
zusammengefasst, die durchschnittlich von minimal 91 Tagen bis maxi-
mal 133 Tagen reichen (Hölker 2009). Des Weiteren werden hydraulische
Verweilzeit von 1,6 bis 140 Tage für die ersten Stufen, 4 bis 254 Tage für die
zweiten Stufen und 8 bis 14 Tage für die dritten Stufen von BGAs angege-
ben (FNR 2009). Durch Rezirkulateinsatz ändern sich die Bedingungen.
Sind hydraulische Verweilzeit und Substrat nicht richtig aufeinander abge-
stimmt, kann entweder eine Substratvorbehandlung oder eine Erweiterung
des Gärvolumens zu einer besseren Ausnutzung des Substrats führen.
Raumbelastung Angaben zur Raumbelastung für Praxisanlagen reichen von durch-
schnittlich 4,37 kg oTS/(m³*d) und Spannweiten zwischen unter 1 bis über
14 kg oTS/(m³*d) für 1.000 Anlagen (Hölker 2008a); bis durchschnitt-
lich 4,5 kg oTS/(m³*d) für einstufige Anlagen bzw. 2,2 kg oTS/(m³*d) für
mehrstufige Anlagen bei Spannweiten von 1,1 bis 9,9 kg oTS/(m³*d) für
61 Anlagen (FNR 2009).

Tab. 4.12 Bereiche für Konzentrationen von flüchtigen organischen Säuren. (Lebuhn et al.
2008, S. 118–125)11
Säure Mittelwert (g/l) Empfohlener Bereich (g/l)
Essig- 1,46 0–2,99
Propion- 0,65 0–0,60
Butter- 0,07 0–0,05
Isobutter- 0,08 0
Valerian- 0,03 0–0,11
Isovalerian- 0,12 0
Capron- 0,02 0–0,02

von untergeordneter Bedeutung.11Die Fermentergröße betrug zwischen 350 und


9.200 m³ und lag bei 3.000 m³ im Durchschnitt. Zur Durchmischung setzten mehr
als 60 % der Betreiber Tauchmotorrührwerke allein oder in Kombination mit
anderen Rührwerken ein. Des Weiteren finden Langachs- (12,9 %), Paddel- (7,4 %)

Dargestellt sind die Mittelwerte und die empfohlenen Bereiche anhand von 1000
11

NawaRo-Anlagen.
4.5 Betriebserfahrungen 289

und Zentralrührwerke (6,0 %) Anwendung. Zur Gasspeicherung sind Foliendächer


als Einfach- oder Tragluft-Doppelfolie weit verbreitet (70 %). Aber auch externe
Speicher (30 %) wie Folienkissen, Foliensack in Silo oder Doppelmembran werden
genutzt (FNR 2009).
Trotz der wachsenden Zahl an Biogasaufbereitungs- und -einspeiseanlagen wird
an den BGAs überwiegend das Biogas direkt vor Ort in Blockheizkraftwerken
(BHKW) in elektrische und thermische Energie umgewandelt. Um die Nutzung der
(Ab-)Wärme zu verbessern, lohnt es sich auch für einige Betreiber, das Biogas in
einer Mikrogasleitung zu einem Satelliten-BHKW zu transportieren, dort zu ver-
stromen und die Wärme an einen externen Abnehmer abzugeben. Natürlich kann
auch eine Nahwärmeleitung vom BHKW am BGA-Standort zu einem Wärmeab-
nehmer gelegt werden; bei größeren Entfernungen wird dieses Konzept aber auf-
grund der Energieverluste durch Wärmeabstrahlung aus den Leitungen technisch
und wirtschaftlich uninteressant.
In den BHKW werden überwiegend Gas-Otto-Motoren eingesetzt. 77 % der
BGA verfügen über Gasmotoren oder Gasmotoren und gleichzeitig Zündstrahl-
motoren. Bei Neuanlagen (Inbetriebnahme 2010/2011) steigt der Anteil der Gas-
motoren auf 83 %. Beide BHKW-Typen können elektrische Wirkungsgrade bis
über 40 % erzielen.
Von entscheidender Bedeutung für die Anlagenüberwachung und -steuerung ist
eine messtechnische Erfassung wesentlicher Anlagenparameter. Ein Stromzähler
befindet sich auf nahezu allen deutschen Biogasanlagen. Des Weiteren ist folgende
Messtechnik üblich: Gasmengenerfassung bei etwa 70 %, Gastemperatur bei etwa
55 %, Gasanalytik bei etwa 62 %, Eigenstromverbrauch bei etwa 76 %, Sub-
stratmengenerfassung (flüssig) bei etwa 54 %, Substratmengenerfassung (fest) bei
etwa 79 % und Wärmemengenzähler (Fremdnutzer) bei etwa 86 % der Anlagen
(FNR 2009). Neben der Verfügbarkeit der Messtechnik ist hier insbesondere die
Zuverlässigkeit von größter Bedeutung. Die Erfahrung mit Fehlmessungen zeigt,
dass hier Kalibrierungen oder mindestens Plausibilitätsprüfungen erforderlich sind,
um die Belastbarkeit der Messwerte und deren Verwendbarkeit für eine Bewertung
der Anlage zu prüfen.

Betriebsstunden
Nach Angaben der Betreiber erreichen die Biogasanlagen eine mittlere Betriebs-
stundenanzahl von 8.225 h im Jahr. Der statistische Median liegt dabei bei 8.500 h/a.
Das zeigt, dass laut dieser Befragung die Hälfte der Biogasanlagen eine Betriebs-
stundenzahl von > 8.500 aufweist. Die mittlere Volllaststundenzahl der Biogas-
anlagen liegt nach Angaben der Betreiber bei 7.673 h/a. Der statistische Median
liegt dabei bei 8.000 h/a (DBFZ 2011).
Eine Aufschlüsselung der Volllaststunden nach dem Inbetriebnahmejahr der
Anlage zeigt, dass jüngere Biogasanlagen nach Angaben der Betreiber eine höhere
Volllaststundenzahl erreichen als ältere Biogasanlagen. Während 50 % der Biogas-
anlagen, die vor 2000 in Betrieb gegangen sind, eine Volllaststundenzahl von über
7.900 h/a erreichen, erzielen 50 % der Biogasanlagen, die im Jahr 2009 in Betrieb
gegangen sind, eine Volllaststundenzahl von über 8.200 h/a (Tab. 4.13). Zudem ist
290 4  Technische Aspekte

Tab. 4.13 Mittlere Betriebsstunden- und Volllaststundenzahl. (DBFZ 2011)12


Jahr der Mittelwert Standardabweichung Median berücksichtigte Rück-
Inbetriebnahme (x– ± σ) (h/a) σ meldungen (Anzahl)
vor 2000 6.938 2.114 7.900 37
2000–2003 7.416 1.584 8.000 85
2004–2008 7.891 940 8.000 187
2009 8.022 739 8.200 38
keine Berücksichtigung der Biogasanlagen, die 2010 in Betrieb gegangen sind, da kein voll-
ständiges Betriebsjahr zugrunde liegt.

Tab. 4.14 Mittlerer Eigenstrombedarf und Standardabweichung. (DBFZ 2011)13


installierte elektr. Anla- Mittlerer Eigen- Standardabweichung berücksichtigte
genleistung (kWel) strombedarf (%) σ Rückmeldungen
(Anzahl)
≤ 70 10,1 5,9 33
71–150 8,6 4,4 44
151–500 7,2 3,2 275
501–1.000 8,3 6,5 93
> 1.000 7,7 2,8 27
Gesamt 7,8 4,4 472

der Schwankungsbereich der erzielten Volllaststunden bei älteren größer als bei
neueren Biogasanlagen (Tab. 4.13) (DBFZ 2011).

Eigenstrombedarf
Der Eigenstrombedarf der deutschen Biogasanlagen liegt im Durchschnitt bei
7,8 %. Der mittlere Eigenstrombedarf der Anlagen bezogen auf die installierte Leis-
tung ist in Tab. 4.14 detaillierter dargestellt. Es ist zu erkennen, dass insbesondere
im kleineren Leistungsbereich (≤ 70 kWel) die Biogasanlagen einen höheren Anteil
des Eigenstrombedarfs an der produzierten Strommenge aufweisen. Ein genereller
Zusammenhang zwischen der Anlagengröße und dem Eigenstrombedarf der
Anlagen ist jedoch nicht erkennbar (DBFZ 2011).

Eigenwärmebedarf
Der Eigenwärmebedarf einer Biogasanlage ist stark abhängig vom einge-
setzten Substrat, dem Fermentervolumen und der Anlagengröße. Im Ergebnis der
Betreiberbefragung liegt der mittlere Eigenwärmebedarf der betrachteten Biogas-
anlagen nach Angaben der Betreiber bei 27 % der produzierten Wärmemenge. Bei

12
Standardabweichung und Median in Abhängigkeit von dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme der
Anlage.
13
In Abhängigkeit von der installierten elektrischen Anlagenleistung.
4.5 Betriebserfahrungen 291

Tab. 4.15 Mittlerer Eigenwärmebedarf (DBFZ 2011)14


installierte elektr. Anla- Mittlerer Eigen- Standardabweichung berücksichtigte
genleistung (kWel) wärmebedarf (%) σ Rückmeldungen
(Anzahl)
≤ 70 49 19,0 15
71–150 45 15,9 21
151–500 26 16,2 119
501–1.000 23 13,3 55
> 1.000 14 7,9 18
Gesamt 27 17,3 228

68,3 % der Anlagen wurde ein Eigenwärmebedarf zwischen 9 und 44 % (x–± σ)
ermittelt. Diesbezüglich konnten 228 Rückmeldungen der Betreiber berücksichtigt
werden. Es ist zu beachten, dass zahlreiche Betreiber darauf hinwiesen, dass der
Eigenwärmeverbrauch der Anlage nicht gemessen wird. Die Angaben der Betreiber
sind somit oft mit großen Unsicherheiten behaftet (DBFZ 2011).14
Bezogen auf die installierte Anlagenleistung variiert der Eigenwärmebedarf der
Biogasanlagen in Abhängigkeit von der Anlagengröße. In Tab. 4.15 ist der mittlere
Eigenwärmebedarf bezogen auf die installierte Leistung abgebildet. Der Zusammen-
hang zwischen installierter Anlagenleistung und Eigenwärmebedarf wird dabei
sehr deutlich. Biogasanlagen im kleinen Leistungsbereich haben einen deutlich
höheren Wärmebedarf als Anlagen im größeren Leistungsbereich (> 500 kWel). Das
ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich im kleineren Leistungsbereich das
Verhältnis der Anlagengröße zum Output und Volumen zur Fermenteroberfläche
ungünstig darstellt. Zudem hat bei kleinen Anlagen Gülle eine große Bedeutung als
Einsatzsubstrat, das aufgrund des hohen Wasseranteils einen höheren Wärmebedarf
als andere Substrate hat (DBFZ 2011).

Störungen
Wie einleitend in Abschn. 4.5.2 beschrieben, werden von den Betreibern eher
technische als biologische Störungen als Ursachen für Ausfallzeiten der BGAs
angegeben (DBFZ 2011). Auch beim Biogas-Messprogramm II zeigte sich, dass
BHKW, Feststoffeintrag, Rührwerke und Pumpen mit zusammen mehr als 80 %
den größten Teil der Arbeitszeit zur Störungsbeseitigung beanspruchen (FNR 2009).

4.5.2.3 Besonderheiten der Abfallwirtschaft

Einleitung
Die Vergärung von organischen Abfällen spielt, verglichen mit der Anzahl und der
Kapazität von Biogasanlagen, die nachwachsende Rohstoffe und oder tierische
Exkremente einsetzen, bisher nur eine untergeordnete Rolle in Deutschland.

14
Dargestellt ist zusätzlich die Standardabweichung in Abhängigkeit von der installierten elek-
trischen Anlagenleistung
292 4  Technische Aspekte

Organischer Abfall/Bioabfall stellt aber eine wichtige Ressource dar, die nicht in
Konkurrenz zur Nahrungsmittel- und Futterproduktion steht (BMU 2009). Durch
die Nutzung des geschätzten Biogaspotenzials der organischen Abfälle könnte in
Deutschland ca. 1 % des Endenergiebedarfs gedeckt werden (Ramesohl et al. 2006).
Bis zum Jahr 2005 wurden organische Abfälle, die nicht schon über Biotonnen
gesammelt wurden, in Deutschland zusammen mit dem Restabfall in gesicherten
Deponien abgelagert. Das Ablagerungsverbot für unvorbehandelte Abfälle aus dem
Jahr 1993 gab der Abfallwirtschaft einen deutlichen Impuls, sich gezielter mit der
im Siedlungsabfall enthaltenen Organik zu beschäftigen. Daraus haben sich ver-
schiedene Herangehensweisen entwickelt, die bis heute Bestand haben.
Zur Behandlung des Restabfalls haben sich Müllverbrennungsanlagen (MVA)
und mechanisch-biologische Behandlungsanlagen (MBA) nebeneinander etabliert.
So werden beträchtliche Mengen biologisch abbaubarer Abfälle als organischer
Bestandteil des Restabfalls in den MVA mit verbrannt bzw. in MBA biologisch
(anaerob/aerob) behandelt. Erst seit dem Jahr 2008 wird die organische Fraktion
des Restabfalls in einer steigenden Zahl von MBA in einer zusätzlichen Vergärungs-
stufe behandelt, um Biogas zu gewinnen. MBA, die die anaerobe Behandlung des
Restabfalls vorsehen, gibt es schon seit 2005.
Die getrennte Sammlung und Behandlung von organischen Abfällen entstand in
den 80er Jahren zum Zweck, den Anteil an Organik im Restabfall und damit die bis
dahin stetig wachsende Restabfallmenge zu reduzieren und stattdessen einen wert-
vollen organischen Dünger zu produzieren. In der DDR wurden Küchenabfälle zu
Fütterungszwecken flächendeckend erfasst.
Auch heute noch werden getrennt gesammelte Bioabfälle fast ausschließlich
kompostiert. 90 % werden aerob und nur 10 % anaerob behandelt, dieses Verhältnis
soll sich deutlich zu Gunsten der Vergärung ändern. Das Potential vergärbarer Bio-
abfälle beträgt ca. 4,1 Mio. Mg (Knappe et al. 2007).

Vergärung in mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen


Im Jahr 2010 waren in Deutschland 45 mechanisch-biologische Behandlungsanlagen
(MBA und MBS) sowie 3 mechanisch-physikalische Stabilisierungsanlagen (MPS-
Anlagen) in Betrieb. Die Gesamtkapazität aller Anlagen mit MBA-Technologie
beläuft sich auf etwa 5,9 Mio. Mg. Damit werden ca. 25 % der in Deutschland
anfallenden Siedlungsabfälle in MBA behandelt (MBA-Steckbrief 2011).
In 18 MBA mit Vergärungsstufe wird der organische Anteil des Restabfalls
in einer Anaerobstufe behandelt und so Biogas gewonnen. Dabei sind Nass- und
Trockenvergärungsverfahren (Feststoffvergärungsverfahren) im Einsatz (MBA-
Steckbrief 2011). Immer mehr MBA sind bemüht, zumindest einen Teilstrom der
abgetrennten organischen Fraktion anaerob zu behandeln. Die staatlich geförderte
Stromerzeugung aus Biogas ist auch für MBA interessant. Die MBA Rostock
beispielsweise wird seit 2008 mit einer Teilstromvergärung mit drei Pfropfen-
stromfermentern (Kompogasverfahren) betrieben. Damit wird aus der mechanisch
abgetrennten Organik Biogas gewonnen (EVG 2010). Da die Verwertung der bei
der Stromerzeugung aus Biogas freiwerdenden Wärme schwierig ist, wird seit 2010
ein Großteil des Gases zu Biomethan aufbereitet und in das Erdgasnetz eingespeist.
4.5 Betriebserfahrungen 293

Abb. 4.28 Möglichkeiten der Verwertung/Behandlung von Bioabfall. (Schüch 2010)

Es wird nur noch so viel Elektroenergie am Standort erzeugt, wie nötig ist, um den
Wärmebedarf der Gärreaktoren mittels der Abwärme der BHKW zu decken.
Die Restabfallvergärung stellt wegen des großen Anteils an groben Störstoffen
und abrasiven mineralischen Bestandteilen besondere Anforderungen an die
Anlagenbetreiber. Beschädigungen, Verstopfungen und massive Sedimentations-
prozesse werden erst nach und nach beherrscht. Feststoffvergärungsverfahren
scheinen mit dem zu vergärenden Restmüll bzw. den organischen Teilströmen
besser klar zu kommen.
Die vergorenen Substrate werden i. d. R. aerob nachbehandelt und dann auf
Deponien abgelagert. MBA erzeugen keinen für den Einsatz in der Landschaft geeig-
neten organischen Output. Für die Ablagerung auf Deponien muss der behandelte
Abfall ausreichend inert sein, d. h. er darf in der Deponie nicht mehr mit anderen
Substanzen oder Medien reagieren und sich nicht weiter abbauen. Überprüft wird
diese Stabilität mit einem Gärtest (Gasbildungsrate in 21 Tagen – GB21) oder der
Feststellung noch vorhandenen Abbaupotentials im aeroben Milieu (Atmungs-
aktivität innerhalb von 4 Tagen – AT4). Es gelten die Regelungen der Deponiever-
ordnung (2009).
MBA-Betreiber prüfen derzeit, den behandelten organischen Teilstrom nicht
mehr zu deponieren, sondern mit Abwärme zu trocknen und anschließend ther-
misch zu nutzen.

Vergärung von getrennt gesammeltem Bioabfall sowie von organischen


Abfall- und Reststoffen
Bisher existiert in Deutschland eine klare Trennung von Anlagen, die landwirt-
schaftliche und industrielle Reststoffe sowie kommunale, organische Abfälle
behandeln und den Biogasanlagen, die nachwachsende Rohstoffe und tierische
Exkremente einsetzen. Bioabfall und organische Reststoffe nehmen massebezogen
weniger als 10 % der Substratinputströme in Biogasanlagen ein (Nelles et al. 2011;
DBFZ 2011) (s. Abb. 4.22). Gegenwärtig sind 99 Biogasanlagen in Betrieb, die
im Gütesicherungssystem der Bundesgütegemeinschaft Kompost e. V. erfasst sind
(H&K 2010). Diese Anlagen verwerten überwiegend Bioabfälle und Reststoffe aus
294 4  Technische Aspekte

Abb. 4.29 Bioabfall-
vergärungsanlagen in
Deutschland. (DBFZ
2011)

der landwirtschaftlichen Produktion oder der Lebensmittelverarbeitung (Nelles et


al. 2011; DBFZ 2011) (s. Abb. 4.29).
Nach Angaben des statistischen Bundesamtes wurden im Berichtsjahr 2009 ins-
gesamt in 283 Biogasanlagen Bioabfälle (ausschließlich, überwiegend oder antei-
lig) verarbeitet (Rensberg und Stinner 2011).
Derzeit werden ca. 8 Mio. Mg/a Bioabfall getrennt gesammelt, wobei Abfälle aus
der Biotonne sowie biologisch abbaubare Garten- und Parkabfälle jeweils etwa zur
Hälfte beitragen (Kern und Raussen 2011; Dornack et al. 2011). Der überwiegende
Anteil der Biotonneninhalte und Grünabfälle wird nach wie vor kompostiert. In
Vergärungsanlagen wurden 2009 ca. 0,58 Mio. Mg der Bioabfälle verwertet, wobei
der größte Teil, ca. 0,43 Mio. Mg/a, nachkompostiert wird (H&K 2009).
Durch die EEG-Anreize für eine Mitvergärung organischer Reststoffe und
besondere Anreize für den Einsatz von kommunalem Bioabfall wird sich der Ein-
satz von Abfällen in Vergärungsanlagen erhöhen.
Ob neue Anlagen entstehen oder freie Kapazitäten in Faultürmen oder anderen
bestehenden Vergärungsanlagen genutzt werden, bleibt abzuwarten. Ebenso kann
sich auch die Biogasaufbereitung zu „Bio-Methan“ erhöhen (Scholwin et al. 2009).
Die Europäische Abfallrahmenrichtlinie und das deutsche Kreislaufwirtschafts-
gesetz fordern eine Ausweitung der Bioabfallverwertung. Auch Deutschland wird
Anstrengungen unternehmen müssen, mehr Bioabfall zu erfassen und zu verwerten.
Bei steigenden Bioabfallmengen könnte auch ein Anreiz bestehen, Erweiterungen
als anaeroben Verfahrensteil zu realisieren.
Organische Abfälle sollten möglichst nicht in MBA oder MVA „verschwinden“.
Die dort unter Umständen mögliche energetische Verwertung verhindert die stoff-
liche Nutzung der organischen Substanz als Sekundärrohstoffdünger. Die Nutzung
von organischer Substanz und Phosphor soll im Sinne des Kreislaufprinzips besser
realisiert werden. Fricke et al. (2008) schätzen den aus dem Restabfall zusätzlich
4.5 Betriebserfahrungen 295

Abb. 4.30 Zusammenset-
zung von Bioabfallver-
gärungsanlagen. (Kern
und Raussen 2011)

abschöpfbaren organischen Anteil auf ca. 4 Mio. Mg jährlich, ein Großteil davon
sollte vergärbar sein.
Eine Studie von Kern und Raussen (2011) ergab eine Gesamtkapazität der 92
untersuchten Bioabfallvergärungsanlagen (Anlagen, die Abfälle verwerten, die der
Bioabfallverordnung unterliegen) von ca. 2,6 Mio. Mg/a (davon 450.000 Mg Gülle)
und eine installierte Leistung von 85 MWel. Abbildung 4.30 zeigt die Zusammenset-
zung der Inputstoffe der in der Studie untersuchten Bioabfallvergärungsanlagen.
Laut H&K (2009) machen die Biotonnenabfälle aber nur einen Anteil von 23 % am
Input von Vergärungsanlagen aus.
Werden kommunale Bioabfälle vergoren, gelten die Anforderungen der Bio-
abfallverordnung (1998) (vgl. Abb. 4.30).
Neben den vergärbaren Abfällen, die in den Haushalten anfallen, entstehen
auch Abfälle in Industrie und Gewerbe, die unter Beachtung der rechtlichen und
hygienischen Anforderungen, vergärbar sind. Diese Abfälle stammen aus der Her-
stellung, dem Vertrieb und der Zubereitung von Lebensmitteln (Lebensmittelindus-
trie, Handel, Großküchen). Diese Abfälle werden als „Nicht für den menschlichen
Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte“ häufig in Kategorie 3 der Verord-
nung (EG) Nr. 1774/2002 und des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz
(TierNebG 2004) eingeordnet. Besonders zu beachten sind die hohen Anfor-
derungen an die Hygienisierungsleistung der Anlagen, die „nicht für den mensch-
lichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte“ behandeln bzw. verwerten.
Der Co-Vergärung sind dann recht enge Grenzen gesetzt. Eine Co-Vergärung
muss immer die Anforderungen der am strengsten reglementierten Abfallfraktion
erfüllen, die eingesetzt wird.
Werden Klärschlämme ausgefault (vergoren), gelten die Anforderungen der
Klärschlammverordnung (1992).

Von Abfallvergärungsanlagen verwendete Anlagentechnik/Marktüberblick


Die Verfahren für die Vergärung von Bioabfall und anderen organischen Abfall-
und Reststoffen sind vielfältig (vgl. Abschn. 4.3.2.3). Während für gewerblichen
Bioabfall, wie z. B. Küchen und Kantinenabfall, eher die Nassfermentation
geeignet ist, kommen für Bioabfall aus der Biotonne oder Grünabfälle meist
296 4  Technische Aspekte

Feststofffermentationsverfahren zum Einsatz. Aber auch die Vergärung des Press-


saftes von Bio- und Grünabfall in der Nassvergärung ist möglich. In Deutschland
werden die Feststofffermentationsverfahren Garagen- oder Boxenfermenter sowie
Pfropfenstromfermenter zu etwa gleichen Anteilen genutzt (Kern und Raussen
2011). Entscheidend für die Verfahrenswahl sind oftmals der Wassergehalt und
die Struktur des Materials. Für die Vergärung von Restabfall bzw. der separierten
Organik ist ebenfalls eine breite Palette von Verfahren nutzbar.
Ein sehr breites Spektrum an Technologien und Anbietern hat sich in den letzten
Jahrzehnten entwickelt. In Tab. 4.16 sind die 2008 weltweit genutzten Vergärungs-
verfahren für die Behandlung fester organischer Siedlungsabfälle inklusive der
getrennt gesammelten Bioabfälle aufgeführt.
Sie enthält in Betrieb befindliche oder geplante Anlagen, die folgende Substrate
behandeln: Restabfall, Küchenabfall, Nahrungsmittelabfall, Garten- oder Grün-
abfall, auch bei Co-Fermentation von anderen biogenen Abfällen oder Klärschlamm
ohne Umrechnung von metrischen Tonnen.
Eine Vielzahl von Unternehmen bietet Verfahren für die Abfallvergärung an, zu
nennen sind z. B.:
BEKON Energy Technology (1-stufig, mesophil), BIOFerm GmbH/Viessmann
(1-stufig mesophil), Archea (1-stufig, thermophil), BIOLEACHATE° Process (vor
allem verbreitet in Entwicklungsländern), Envirotec-Verfahren (1-stufig, mesophil),
EnviTec (1-stufig, mesophil), KOMPOFERM®Verfahren und KOMPOFERM®
plus (1-stufig, mesophil), GICON Bioenergie GmbH (2-stufig, mesophil), ISKA-
Verfahren (nicht mehr am Markt), Loock TNS® (1-stufig, mesophil), BIOPAQ®
Biogas (mit Vergärung nicht mehr am Markt), Schmack, SCHUBIO®-Verfahren
(1-stufig, thermophil), Schwarting Biosystem GmbH (2-stufig, mesophil), WABIO
heute SCHUBIO, Umwelttechnik Bojahr (Nelles und Morscheck 2011). Da der
Biogasmarkt sehr dynamisch ist, ist diese Auflistung der am Markt befindlicher
Anbieter sicherlich schon wieder veraltet. Die Vielzahl an kleineren Anlagenbauern,
die eigene Entwicklungen anbieten, ist nahezu unüberschaubar.

4.5.2.4 Umweltwirkungen
Die Biogasgewinnung und -nutzung stellt grundsätzlich und gegenüber fossilen
Energieträgern einen ökologisch sehr vorteilhaften Pfad der Energiebereitstellung
dar. Hierbei ist festzustellen, dass die Nachhaltigkeit der Biogaserzeugung und -nut-
zung vorwiegend von der Wahl der Substrate, der Qualität (Effizienz und Emis-
sionen) der Anlagentechnik und der Effizienz der Nutzung des Energieinhaltes des
produzierten Biogases abhängig ist. Beispielsweise werden durch den Gülleeinsatz
im Biogasprozess nicht nur verfügbare und anderweitig nicht energetisch nutzbare
Substratmengen sinnvoll genutzt; gleichzeitig werden auf diese Weise resultierende
Emissionen der konventionellen Güllelagerung vermieden. Treibhausgasemissionen
von etwa 500 g CO2-Äquvalent/kWh Strom werden bei der Biogasgewinnung aus
Gülle gegenüber einer reinen Güllelagerung vermieden (Jungmeier et al. 1999,
S. 150, 320, Appendices). Rechnet man zu diesem Wert noch die Treibhausgasemis-
sionen des deutschen Strommix hinzu, werden insgesamt Emissionen von 1.100 g
CO2-Äquivalent/kWh Strom eingespart. Während bei Ökobilanzierungen Abfällen
keine Umwelteffekte der Produktion zugerechnet werden, da diese meist allein
4.5 Betriebserfahrungen 297

Tab. 4.16 Vergärungsverfahren für die Behandlung fester organischer Siedlungsabfälle


Systemname Anlagen- Kapazität16 Anzahl der Trockenmassege- Prozesstem-
anzahl15 [Mg/a] Stufen halt peratur
1 2 < 20 % > 20 % 35 °C 55 °C
AAT 8 3.000– x   x   x  
55.000
ArrowBio 4 90.000–   X x   x  
180.000
BTA 23 1.000– x X x   x x
150.000
Biocel 1 35.000 x     x x  
Biopercolat 1 100.000   X   x x  
Biostab 13 10.000– x   x     x
90.000
DBA-Wabio 4 6.000– x   x   x  
60.000
DRANCO 17 3.000– x     x   x
120.000
Entec 2 40.000– x   x   x  
150.000
Haase 4 50.000–   X x   x x
200.00
Kompogas 38 1.000– x     x   x
110.000
Linde- 8 15.000– x X x x x x
KCA/ 150.000
BRV
Preseco 2 24.000–            
30.000
Schwarting- 3 25.000–   X x     x
Uhde 87.600
Valorga 22 10.000– x     x x x
270.000
Waasa 10+ 3.000– x   x   x x
230.000

dem Produkt zugeordnet werden, muss bei landwirtschaftlichen Biogasanlagen, die


nachwachsende Rohstoffe (NawaRo) einsetzen, auch der Substratanbau beachtet
werden. Bei der Nutzung von Energiepflanzen muss für deren Anbau 100 bis 200 g
CO2-Äquvalent/kWh Strom berücksichtigt werden (Plöchl und Heiermann 2002).
15 16

15
Enthält operierende oder geplante Anlagen, die folgende Substrate behandeln; Restabfall,
Küchenabfall, Nahrungsmittelabfall, Garten- oder Grünabfall, auch bei Co-Fermentation von
anderen biogenen Abfällen oder Klärschlamm
16
Ohne Umrechnung von metrischen Tonnen
298 4  Technische Aspekte

Betriebe, die Biogasanlagen (n = 542) betreiben, produzieren durchschnitt-


lich auf 30 % ihrer Flächen NawaRo für die Biogaserzeugung. Tendenziell nimmt
mit steigender Betriebsgröße der Flächenanteil für die Biogasproduktion ab. Auf
den Flächen (n = 334) für die Biogasgewinnung werden zu 54 % Silomais, 22 %
Anwelksilage, 14 % Körnergetreide, 5 % GPS und 5 % Sonstiges angebaut (DBFZ
2011). Das bedeutet, dass der Mais dank seiner hohen masse- und energiebezogenen
Flächeneffizienz vergleichsweise wenig Fläche beansprucht. NawaRo werden
im Durchschnitt über eine Strecke von 5,4 km und Gärreste über 4,2 km trans-
portiert (n = 34) (FNR 2009). Transportfähige und -würdige NawaRo wie Getreide-
korn werden auch über größere Entfernungen befördert, während NawaRo oder
Wirtschaftsdünger (außer Geflügeltrockenkot) sowie Gärreste mit geringem Tro-
ckensubstanzgehalt und entsprechend hohem Wassergehalt nur kurz transportiert
werden.
Durch Befragung wurde auch der Betriebsmitteleinsatz in landwirtschaftlichen
Betrieben vor und nach dem Bau einer Biogasanlage erhoben. Danach werden
Insektizide und Fungizide entweder auf gleichem Niveau wie vor dem Anlagenbau
oder häufig sogar weniger eingesetzt (FNR 2009). Bei Düngemitteln (Stickstoff,
Phosphat, Kalium) war, abgesehen von wenigen Ausnahmen, der Einsatz häufig
gleichbleibend oder niedriger nach dem Bau einer Biogasanlage. Der Stickstoff-
düngereinsatz wurde von 70 % der Befragten als „weniger“ oder „deutlich weniger“
charakterisiert. Allein beim Treibstoffeinsatz waren deutliche Zuwächse zu ver-
zeichnen (FNR 2009).
Hinsichtlich der Anlagentechnik sollte großer Wert auf die Vermeidung
von Emissionen (in Luft, Wasser und Boden) sowie die Erreichung einer hohen
Effizienz – d. h. eines hohen Ausgärungsgrades der Biomasse – und eine möglichst
unterbrechungsfreie Nutzung des produzierten Gases gelegt werden. Dies ist
einerseits durch bauliche Vorkehrungen, andererseits durch eine auf die Anlagen-
technik abgestimmte Betriebsweise der Biogasanlage möglich. Wie Emissionen
an Biogasanlagen in der Landwirtschaft gemindert werden können, beschreibt
umfassend die VDI-Richtlinie 3475 Blatt 4 in ihrer aktuellen Fassung vom August
2010. Die letzte Fassung der VDI-Richtlinie 3475 Blatt 2 zur Emissionsminderung
an biologischen Abfallanlagen ist vom Dezember 2005. An emissionsrelevanten
Bereichen werden unterschieden: Substratlagerung, Substratzufuhr in das System,
Emissionen während der Vergärung sowie bei Betriebsstörungen, Gärrestlagerung
und Gaslagerung/-nutzung (VDI-Richtlinie 3475 Blatt 4). Je nach Anlagenbereich
können unterschiedliche Emissionen wie Gerüche, Methan, Ammoniak, Schwefel-
wasserstoff, Lachgas, Bioaerosole, Verbrennungsabgase (Staub, Ruß, Stickoxide,
Schwefeloxide, Kohlenmonoxid, Formaldehyd) bzw. Lärm auftreten (VDI-Richt-
linie 3475 Blatt 4).
Bisher wurden noch verhältnismäßig wenige Emissionsmessungen an Praxis-
biogasanlagen durchgeführt bzw. veröffentlicht, da Emissionen messtechnisch
schwierig zu erfassen sind bzw. die Methodik zur qualitativen und quantitativen
Erfassung noch nicht etabliert ist. Auch wenn nur über einige Stunden oder
Tage Messwerte erhoben und darauf aufbauend Jahreswerte berechnet werden,
ist der zeitliche und materielle Aufwand nicht unerheblich. Bei Messungen an
4.5 Betriebserfahrungen 299

10 Biogasanlagen wurden als wesentliche Emissionsquellen offene oder nicht gas-


dicht abgedeckte Gärrestlager und die Gasverwertung (BHKW, Gasaufbereitung)
identifiziert (Liebetrau et al. 2011). Berücksichtigt man, dass in Deutschland nur
37 % aller Biogasanlagen und nur 55 % aller Neuanlagen (nach EEG 2009) über
gasdicht geschlossene Gärrestlager verfügen (s. Abschn. 4.5.1), wird das Emis-
sionsminderungspotenzial sehr deutlich. Allerdings ist das Restgas- und damit
Emissionspotenzial für Methan, in Abhängigkeit von der Substratzusammenset-
zung, der Substratvorbehandlung und der hydraulischen Verweilzeit im Fermenter,
anlagenspezifisch unterschiedlich. So ist die Vorgabe (nach VDI-Richtlinie 3475
Blatt 4 bzw. für den Erhalt des NawaRo-Bonus 2009), Gärrestlagerbehälter von
NawaRo-BGAs grundsätzlich gasdicht auszuführen, zumeist zielführend für eine
Emissionsminderung; hydraulische Mindestverweilzeiten in allen gasdichten
Behältern einer BGA von insgesamt 110 bzw. 150 Tagen tragen dagegen nicht
notwendigerweise zur Emissionsminderung bei und stehen ggf. Innovationen bei
der Substrataufbereitung und damit einem beschleunigten Substratumsatz aus
wirtschaftlicher Sicht entgegen. Grundsätzlich sind routinemäßige Leckageunter-
suchungen bei Neu- und Altanlagen im Sinne der Anlageneffizienz, des Explosions-
und Emissionsschutzes angeraten.
Als weitere relevante Emissionsquelle von Methan wird die Gasverwertung
angeführt. Messungen an 11 BHKW haben mittlere Werte zwischen 0,44 und
2,43 % des auf der Anlage verwerteten Methans als „Methanschlupf“ identifiziert
(Liebetrau et al. 2011). Der Durchschnittswert über alle BHKWs lag bei 1,25 %
(Liebetrau et al. 2011). In der Praxis kommt damit der Wartung und Parameter-
einstellung von Gasverwertungsanlagen eine hohe Bedeutung zu. Allerdings kann
je nach Optimierungszielsetzung die Motoreinstellung ein unterschiedliches Emis-
sionsmuster zeigen. Eine Optimierung des BHKW zugunsten eines hohen elek-
trischen Wirkungsgrads verursacht mehr Stickoxide und Kohlenmonoxid, aber
weniger unverbrannte Kohlenwasserstoffe (unter anderem Methan) als ein BHKW,
das auf möglichst geringe Stickoxidemissionen eingestellt wird und dadurch nur
einen geringeren elektrischen Wirkungsgrad erzielt (Aschmann et al. 2011).
Bei Wartungen und Störungen des BHKW empfiehlt sich eine alternative Bio-
gasverwertung oder mindestens eine Verbrennung des Methans, so dass nur das
wesentlich weniger klimawirksame Kohlendioxid emittiert wird. Die Verfügbar-
keit der dafür eingesetzten Gasfackeln liegt bei Neuanlagen (Inbetriebnahme 2010,
2011) mit 72 % deutlich höher als im Anlagendurchschnitt mit 49 % (DBFZ 2011).
Mit dem EEG 2009 wurde ein Bonus für die Installation von BHKW-Abgas-
Nachbehandlungssystemen eingeführt, der die Reduktion von Formaldehyd im
Abgas zum Ziel hatte. Eine Differenzierung bei der Befragung hinsichtlich der
daraufhin eingesetzten Abgasbehandlung nach installierter elektrischer Anlagenleis-
tung der Biogasanlagen zeigt, dass diese im kleinen und mittleren Leistungsbereich
eher selten zur Anwendung kommt. Demgegenüber erfolgt in Anlagen im mittleren
und größeren Leistungsbereich deutlich öfter eine zusätzliche Abgasbehandlung.
Die Inanspruchnahme der Vergütungserhöhung für Emissionsminderung zeigt,
dass vorrangig Anlagen im mittleren und höheren Leistungsbereich diesen Bonus
erhalten. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Investitionsbedarf für
300 4  Technische Aspekte

einen Oxidationskatalysator oder eine thermische Nachverbrennung für Anlagen


im kleinen und mittleren Leistungsbereich vergleichsweise hoch ist, als dass eine
zusätzliche Abgasbehandlung rentabel installiert werden kann (DBFZ 2011).

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1 (2010)
Wirtschaftliche Aspekte
5

5.1 Risiko- und Versicherungsmanagement bei


Biogasanlagen

Dr. Michael Härig

5.1.1 Einleitung

Auf die Begriffe Risiko und Risikomanagement ist bereits an anderer Stelle in
diesem Buch eingegangen worden. Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit dem
Transfer von Risiken auf Versicherungen, was neben den anderen in diesem Buch
aufgezeigten Möglichkeiten einen Weg der Risikoabsicherung darstellt.
Die anhaltend schlechten Erfahrungen der Versicherer mit Biogasanlagen durch
hohe Schadenquoten und schlecht kalkulierbare Risiken führten dazu, dass sich
viele Versicherer aus dem Markt der Biogasanlagen zurückgezogen haben oder nur
stark eingeschränkten Versicherungsschutz anbieten.
Für die große Anzahl von Schäden gibt es verschiedene Gründe. So wurden z. B.
– vor allem bei älteren Anlagen – Komponenten auf Biogas umgerüstet und ohne
ausreichende Betriebserfahrung in den Anlagen eingesetzt. Andere Schäden ent-
standen durch eine unsachgemäße oder nachlässige Betriebsführung. Um solche
nicht kalkulierbaren Risiken zu vermeiden, sind die Anforderungen der Versicherer
an Anlage und Betriebsführung gestiegen. Beispielsweise wird der Abschluss eines
Wartungsvertrages fast durchgängig verlangt.
Kurz: Es ist nicht einfach, adäquaten Versicherungsschutz zu erhalten. Dabei
ist ein umfassender Versicherungsschutz unter Einbeziehung aller Gefahren für die
komplette Biogasanlage äußerst wichtig, wie die Schadenserfahrungen der ver-
gangenen Jahre zeigen. Die Ergebnisse einer Studienarbeit (Gleichmann 2005), die
vom Risikoberater und Versicherungsmakler Marsh gemeinsam mit der Universität
Flensburg durchgeführt wurde und die eine Analyse der eingetretenen Schadenfälle
enthält, bestätigt dies ebenfalls. Sollte man daher unter Berücksichtigung der
eigenen Risiko- und Versicherungsphilosophie zur Eigentragung von Risiken
tendieren, empfiehlt es sich, den Selbstbehalt der Versicherung entsprechend zu

J. Böttcher, Management von Biogas-Projekten,


DOI 10.1007/978-3-642-20956-7_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 305
306 5  Wirtschaftliche Aspekte

erhöhen, anstatt bestimmte Gefahren in Kauf zu nehmen bzw. Teile der Biogas-
anlage nur eingeschränkt zu versichern.
Dieser Abschnitt beschäftigt sich hauptsächlich mit Sachversicherungen. Diese
werden zum Schutz der eigenen Anlage sowie zur Deckung des mit den Sach-
schäden verbundenen Vermögensschaden (entgangene EEG-Vergütung oder
andere Einnahmeausfälle) abgeschlossen. Am Markt werden Konzepte mit der
traditionellen Trennung von Feuer- und Maschinenversicherung sowie Allgefahren-
versicherungen angeboten. Auf die Unterschiede gehen wir im Rahmen dieses
Abschnitts ebenfalls ein.
Die Biologie spielt bei einer Biogasanlage eine ganz besondere Rolle. Da es nach
einem Ausfall Monate dauern kann, bis sie wieder voll funktionsfähig ist, sollte die
Biologie bei den Versicherungen berücksichtigt werden. Oft ist jedoch die Mitver-
sicherung der Biologie in den Konzepten der verschiedenen Versicherer nicht vor-
gesehen und „Verzögerungen durch Biologie“ sind explizit ausgeschlossen.
Auch wenn der Schwerpunkt dieses Abschnitts auf den Sachversicherungen
liegt, dürfen Haftpflichtversicherungen, die Schäden bei Dritten abdecken, nicht
vernachlässigt werden. Einerseits können diese Schäden sehr große Dimensionen
annehmen, andererseits ist die Prüfung, ob überhaupt ein gerechtfertigter Anspruch
einer dritten Partei vorliegt, eine wichtige Aufgabe der Haftpflichtversicherung. Ihr
kommt somit also auch eine passive Rechtsschutzfunktion zu.
Auf Versicherungen zum Schutz der Unternehmensorgane wie die D&O
(Directors & Officers) oder die Rechtsschutzversicherung wird in diesem Abschnitt
nicht eingegangen, da hier keine Eigenschaften zu beachten sind, die für den Betrieb
von Biogasanlagen in besonderem Maße relevant sind.

5.1.2 Die 7 Kernfragen des Risiko- und


Versicherungsmanagements

Im Rahmen des Risiko- und Versicherungsmanagements sind die folgenden sieben


Fragen zu bearbeiten. Die eigenen Erfahrungen aus der Praxis und die Unterstüt-
zung externer Berater helfen dabei, die Fragen richtig und vor allem vollständig zu
beantworten.

5.1.2.1 Was kann geschädigt werden?


Natürlich denkt man bei dieser Frage zunächst an die Gebäude und technischen
Einrichtungen der Biogasanlage, die einen Schaden erleiden können. Spektakuläre
Bilder von explodierten Anlagen gingen durch die Presse. Öfter traten jedoch
Schäden an Motoren der Blockheizkraftwerke auf. Die o. a. Studienarbeit zeigte,
dass mehr als die Hälfte der Schadenzahlungen bei Biogasanlagen auf die Block-
heizkraftwerke (BHKW) entfielen; fast 90 % davon betrafen wiederum die Motoren
der Blockheizkraftwerke (s. Abb. 5.1).
Bei Biogasanlagen muss der Biologie besondere Aufmerksamkeit gewidmet
werden. Wird sie stark beeinträchtigt oder stirbt sie sogar völlig ab, kann es Monate
5.1  Risiko- und Versicherungsmanagement bei Biogasanlagen 307

Abb. 5.1 Schadenzah-
lungen bezogen auf die
betroffenen Komponenten

dauern, bis nach einer Neubefüllung des Fermenters, Aufheizung und Impfung
desselben wieder Gas in früherer Menge und Qualität erzeugt wird.
Wenn durch den Sachschaden kein Gas bzw. Strom erzeugt werden kann, laufen
dennoch Fixkosten wie z. B. Personalkosten oder die Kreditfinanzierung weiter. Ein
Sachschaden zieht also in der Regel einen Vermögensschaden nach sich. Hier ist zu
beachten, dass der Sachschaden in der Regel unerwartet eintritt und daher weder Per-
sonal noch Ersatzmaterial vorgehalten werden. Die Betriebsunterbrechung dauert
daher in der Regel länger als eine geplante Reparatur unter optimalen Bedingungen.
Verletzungen von Personal sind in der Regel über die Berufsgenossenschaft
oder die Krankenversicherung abgedeckt. Es sind jedoch auch Verletzungen von
Personen außerhalb der Biogasanlage oder Beschädigungen von Sachen Dritter
möglich.
Nicht zu vernachlässigen sind die Umgebung und Umwelt, die durch die
Errichtung oder den Betrieb der Biogasanlage gefährdet werden. Durch das 2007 in
Kraft getretene Umweltschadensgesetz wird auch für Ansprüche öffentlich-recht-
lichen Inhalts gehaftet.
Geschädigt werden kann auch die Reputation der Verantwortlichen einer Biogas-
anlage. Sei es durch die Insolvenz der Gesellschaft nach einem nicht versicherten
Großschaden oder durch Vergehen beim Betrieb der Anlage, die mit Bußgeld oder
Freiheitsstrafen geahndet werden. Die Strafen an sich sind kaum versicherbar, aber
entsprechende Rechtsschutzversicherungen ermöglichen, dass rechtlicher Beistand
geleistet werden kann.

5.1.2.2 Wann entstehen Risiken?


Besonders hohe Risiken gibt es natürlich während der Errichtung und beim Betrieb
der Biogasanlage. Doch auch im Vorfeld entstehen Risiken: Fehlplanungen können
zu erheblichen Mehrkosten während der Errichtung führen, beispielsweise für
bauliche Maßnahmen, die notwendig sind, damit die Anlage die erwarteten Leis-
tungsparameter erfüllt. Wird die Anlage von einem Generalunternehmer errichtet,
wurden die Leistungsmerkmale im Vorfeld vereinbart und der Generalunternehmer
ist gefordert, die Anlage auf einen entsprechenden Stand zu bringen.
Dennoch liegt auch bei der Errichtung einer „schlüsselfertigen“ Anlage in der
Regel kein „Rundum-Sorglos“-Paket vor. Der Generalunternehmer haftet während
der Errichtung meistens nicht für alle Gefahren. Insbesondere Schäden durch höhere
308 5  Wirtschaftliche Aspekte

Gewalt sind in vielen Liefer- und Leistungsverträgen ausgeschlossen. Da Raten mit


Baufortschritt entrichtet werden, steigt für den Auftraggeber die Gefahr durch einen
Totalschaden bis zum Ende des Probebetriebes erheblich.
Das Risiko aus der höheren Gewalt ist einer der Gründe, weshalb der spätere
Besitzer der Anlage schon während der Errichtung die Montageversicherungen
abschließen sollte (s. auch Abschn. 5.1.2.6).

5.1.2.3 Welche Maßnahmen sind zur Schadenabwehr zu treffen?


Hierunter fallen Punkte wie die regelmäßige Revision, die Kontrolle des Fermenters
oder die Ausbildung des Personals. Zur Schadenabwehr gehört auch die richtige
Ausgestaltung der Liefer- und Leistungsverträge mit Dritten. Bei Unterzeichnung
der Verträge müssen die sich daraus ergebenden Risiken und Haftungen bekannt
und entsprechende Gegenmaßnahmen in die Wege geleitet sein.
Die Versicherer haben mittlerweile einige Auflagen zur Schadenabwehr bei
Biogasanlagen gemacht. Das sind Mindestanforderungen an die verwendete Tech-
nik sowie die Betriebsführung. Diese Obliegenheiten sind Teil des Versicherungs-
vertrages und müssen erfüllt werden. Werden die Auflagen nicht eingehalten, wird
nach einem Schaden genau geprüft, ob das Einhalten den Schaden verhindert hätte.
Nachfolgend einige Beispiele für die Anforderungen; viele Punkte sind heute im
Betrieb mehr oder weniger selbstverständlich:
• Mindestens einmal täglich automatische Messung und Speicherung (oder
alternativ Führen eines Betriebstagebuches) von Gas- und Stromzählerstand,
Motorleistung, Kühlwassertemperatur, Druck und Temperatur des Schmieröls,
Abgastemperatur. Mit dieser Maßnahme lassen sich Änderungen im Betriebs-
verhalten feststellen, z. B. weil sich die Gasqualität ändert oder weil Kühl-
kreisläufe verstopfen.
• Störmeldungen, wenn einer der im Betriebstagebuch geführten Parameter außer-
halb des normalen Bereiches liegt. Insbesondere bei kleineren Anlagen ist nicht
ständig Personal vor Ort. Hier empfiehlt sich eine Weiterleitung der Meldung per
Mobilfunk oder Internet.
• Zur Gasqualität wird eine Entschwefelung und Trocknung des Biogases gefordert,
wie sie der Motorenhersteller vorschreibt. Außerdem müssen Schwefel- und
Methangehalt des Biogases regelmäßig geprüft werden.
• Weil der Versicherer erprobte Technik und keine experimentellen Anlagen ver-
sichern möchte, muss der BHKW-Hersteller eine Gewährleistung geben. Ins-
besondere in der Anfangszeit des Biogas-Booms wurden Motoren auf Biogas
umgestellt, ohne dass eine ausreichende Erprobung und Betriebserfahrung vor-
lag.
• Der Abschluss eines Wartungsvertrages für das BHKW ist bei fast allen Ver-
sicherern eine Voraussetzung für die Versicherbarkeit einer Biogasanlage. Dabei
bleibt dem Versicherungsnehmer oft überlassen, ob er einen Vollwartungsver-
trag für seine Motoren abschließt oder einen Teilwartungsvertrag. Da für jeden
Motortypen unterschiedliche Herstellerempfehlungen für die Wartung bestehen,
kann der Versicherer ohnehin nicht detaillierte Vorschriften machen. Es soll
5.1  Risiko- und Versicherungsmanagement bei Biogasanlagen 309

jedoch sichergestellt sein, dass die Wartung des Blockheizkraftwerkes von fach-
kundigen Personen durchgeführt wird.
• Regelmäßige Ölanalysen geben Auskunft über den Zustand des Motors. Diese
können z. B. nach jedem zweiten Ölwechsel durchgeführt werden. Alternativ
können auch zwischen den Ölwechseln Analysen durchgeführt und die
Ölwechselintervalle auf die Ölqualität abgestimmt werden.

5.1.2.4 Wer trägt die Risiken?


Die Gefahrtragung hängt vom Zeitpunkt und der Gefahr ab. Während der Errichtung
haften die Auftragnehmer für viele, aber wie oben schon angeführt, nicht für alle
Gefahren. Schwierig wird es in Fällen, wenn mehrere Parteien involviert sind und
eine Schadenursache nicht einer Partei eindeutig zugeordnet werden kann.
Für Schäden während des Betriebes ist meistens der Betreiber verantwortlich.
In der ersten Betriebszeit trägt der Hersteller das Gewährleistungsrisiko. Dies hilft
aber nicht, wenn der Hersteller kurz nach Abnahme der Anlage Insolvenz anmeldet.

5.1.2.5 Welche Versicherungen sind zu berücksichtigen?


Während der Errichtung schützt eine Montageversicherung vor unvorhergesehen
eingetretenen Sachschäden am Montageobjekt, also der Biogasanlage. Auch wenn
die Anlage „schlüsselfertig“ bestellt wird, sprechen viele Gründe dafür, dass der
Auftraggeber die Montageversicherung abschließt und die Interessen des Auf-
tragnehmers mitversichert (s. auch Abschn. 5.1.2.6).
Der Vermögensschaden durch die nach einem Sachschaden verspätet in Betrieb
genommene Biogasanlage ist über die Montage-Betriebsunterbrechungsver-
sicherung gedeckt. Diese Versicherung ist auch unter den Namen Delay-in-Startup
und Advanced Loss of Profit bekannt. Die Betriebsunterbrechungsversicherungen
werden den Sachversicherungen zugeordnet, da ein ersatzpflichtiger Sachschaden
vorliegen muss, damit der Versicherer den Betriebsunterbrechungsschaden
anerkennt und entschädigt.
In der Regel kann die Betriebsunterbrechungsversicherung nur bei demselben
Versicherer abgeschlossen werden, der auch den Sachschaden versichert. Ansonsten
gehen die Interessen der jeweiligen Versicherer hinsichtlich der Regulierung nach
einem Sachschaden weit auseinander. Der Versicherer des Sachschadens ist daran
interessiert, dass so günstig wie möglich repariert wird – egal wie lange es dauert.
Der Versicherer des Vermögensschadens möchte, dass der Schaden so schnell wie
möglich repariert wird, damit die Anlage wieder in Betrieb gehen kann. Für ihn
sind die Kosten der Reparatur zweitrangig. Dieser Interessenkonflikt kann nur ver-
mieden werden, wenn ein Versicherer für beide Schäden verantwortlich ist.
Der Abschluss einer Transportversicherung kann je nach Ausgestaltung der
Liefer- und Leistungsverträge notwendig sein. Insbesondere, wenn Komponenten
mit langer Vorlauf- und Lieferzeit eingesetzt werden, hilft die zugehörige Trans-
port-Betriebsunterbrechungsversicherung, den Vermögensschaden nach einem
Transportschaden zu reduzieren.
In der Betriebsphase bieten klassische Versicherungskonzepte mit einer Feuer-
versicherung für die komplette Anlage (d. h. Gebäude und Maschinen) und einer
310 5  Wirtschaftliche Aspekte

Maschinenversicherung für die maschinelle Einrichtung (BHKW, Gasaufbereitung,


Netztrafo, Anlagen zur Einbringung von Substraten in den Fermenter etc.) Schutz.
Es gibt auf dem Versicherungsmarkt Allgefahrenversicherungen, die auf die
klassische Trennung in Gebäude und technische Einrichtung sowie Feuer- und
Maschinenversicherung verzichten. Die Vorteile dieser Versicherung werden in
Abschn. 5.1.3.6 beschrieben.
Schutz vor Vermögensschäden nach einem Sachschaden in der Betriebsphase
bietet auch hier die Betriebsunterbrechungsversicherung. Demzufolge gibt es
Feuer-, Maschinen- oder Allgefahren-Betriebsunterbrechungsversicherungen. Auch
hier gilt, dass die Betriebsunterbrechungsversicherung möglichst bei demselben
Versicherer wie die Sachversicherung abgeschlossen werden soll.
Verletzungen von Personen außerhalb der Biogasanlage, Beschädigungen von
Sachen Dritter oder an der Umwelt können über die Haftpflichtversicherung auf-
gefangen werden. Eine wichtige Aufgabe der Haftpflichtversicherung ist die Über-
prüfung, ob ein schuldhaftes Verhalten des Versicherungsnehmers vorliegt und die
Ansprüche der Dritten überhaupt gerechtfertigt sind. Der Haftpflichtversicherung
kommt somit auch eine wichtige passive Rechtsschutzfunktion zu.
Bei Biogasanlagen, die von einer externen Betriebsführungsgesellschaft
betrieben werden, ist zu beachten, dass Schäden, die die Betriebsführungsgesell-
schaft an der Anlage hervorruft, von deren Haftpflichtversicherung oft gar nicht
oder nur beschränkt ersetzt werden. Die Betriebsführungsgesellschaft wird hier
nicht als dritte, externe Partei angesehen. Sie ist zwar nicht Eigentümer, aber in
gewisser Weise Inhaber der Anlage.

5.1.2.6 Wer sollte versichern?


Eine Grundregel lautet, dass die Partei mit dem größten Interesse versichern soll.
Während des Betriebes ist dies meistens der Eigentümer der Anlage, der die Feuer-,
Maschinen-, bzw. Allgefahrenversicherung mit Betriebsunterbrechung abschließt.
Wie sieht es jedoch mit Sachschäden während der Errichtungsphase aus? An der
Montage einer Biogasanlage sind in der Regel mehrere Firmen beteiligt. Natürlich
sind laut den Liefer- und Leistungsverträgen die Gewerke zu errichten und mangel-
und schadenfrei zu übergeben. Es bleiben jedoch einige Risiken wie z. B. Schäden
durch höhere Gewalt beim Auftraggeber. Wie in Konzept 1 (Abb. 5.2) links dar-
gestellt, könnte jede beteiligte Partei – der Auftraggeber selbst sowie alle Auf-
tragnehmer – ihre eigenen Risiken mit einer Montageversicherung absichern.
Es sprechen jedoch viele Gründe dafür, dass – wie in Konzept 2 dargestellt – eine
gemeinsame Montageversicherung vom Auftraggeber für alle beteiligten Parteien
abgeschlossen wird.
Warum sollte der Auftraggeber versichern (d. h. Versicherungsnehmer werden)
und alle an der Errichtung beteiligten Unternehmen einbeziehen (d. h., ihre
Interessen mitversichern)?
• Wenn alle beteiligten Parteien eine gemeinsame Versicherung abschließen,
spielt es für die grundsätzliche Ersatzpflicht des Versicherers keine Rolle, wer
den Schaden verursacht hat. Anders sieht es aus, wenn jede Partei eine eigene
Versicherung abgeschlossen hat. Hier sind bei Schäden, insbesondere wenn sie
5.1  Risiko- und Versicherungsmanagement bei Biogasanlagen 311

Abb. 5.2 Verschiedene Absicherungskonzepte bei Beteiligung mehrerer Parteien

von einem Gewerk auf das andere übergreifen, Verhandlungen mit mehreren
Versicherern zu führen. Die Versicherer werden zunächst die Schuld- und
Haftungsfrage prüfen. Es kann zu Verzögerungen kommen und der Baufrieden
ist gefährdet. Bei der Vielzahl der an einem Bauvorhaben beteiligten Personen
und Firmen ist ein Schadenverursacher oft gar nicht festzustellen und die Kosten
könnten dann beim Auftraggeber verbleiben.
• Bei einer umfassenden Police ist die Gefahr von Deckungslücken zwischen den
Parteien auf ein Minimum reduziert. Gleichzeitig werden Doppelversicherungen,
die mehr Prämie, aber nicht mehr Schutz bedeuten, vermieden.
• Auch wenn die Errichtung an einen Generalunternehmer vergeben wird, um
Schnittstellen zu vermeiden, hat dieser Schäden durch höhere Gewalt in seinen
Liefer- und Leistungsverträgen oft ausgeschlossen. Da der Auftragnehmer für
diese Gefahren nicht haftet, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er sie nicht ver-
sichert hat. Die Kosten könnten damit ebenfalls beim Auftraggeber verbleiben.
Der Auftraggeber sollte also auch bei „schlüsselfertiger“ Bestellung eine Ver-
sicherung abschließen.
• Selbst wenn der Auftragnehmer die Interessen des Auftraggebers mitversichert
hat, weiß dieser nicht, ob die Police zum Zeitpunkt des Schadeneintritts noch in
Kraft ist. Eventuell wurde sie aufgrund eines Schadens auf einer anderen Bau-
stelle gekündigt oder der Auftragnehmer ist mit den Prämienzahlungen im Rück-
stand.
• Entschädigungszahlungen des Versicherers stehen grundsätzlich dem Ver-
sicherungsnehmer, also dem Auftraggeber, zu. Im Fall einer Insolvenz des
Auftragnehmers ist er besser geschützt und kann, wenn dem Auftragnehmer
die finanziellen Mittel zur Reparatur fehlen, eine andere Partei beauftragen.
Zusätzlich ist der Auftraggeber über jeden Schaden und die durchgeführte Repa-
ratur informiert. Somit sind ihm bei Abnahme der Anlage alle relevanten Details
bekannt.
312 5  Wirtschaftliche Aspekte

• Wie oben angeführt („Welche Versicherungen sind zu berücksichtigen?“), kann


der Vermögensschaden durch verspätete Inbetriebnahme nur versichert werden,
wenn gleichzeitig der Sachschaden versichert ist. Die Auftragnehmer haben nach
einer verzögerten Inbetriebnahme mit Ausnahme eventueller Pönalen keine Ver-
mögensschäden und schließen daher in der Regel keine Delay-in-Start-up-Ver-
sicherungen. Der Auftraggeber muss jedoch in der Lage sein, seinen finanziellen
Verpflichtungen gegenüber den Kreditgebern nachzukommen.

5.1.2.7 Wie versichern?


In welchem Umfang versichert wird, hängt von der Risikophilosophie des Unter-
nehmens ab. Sollen nur Großschäden, die die Existenz der Gesellschaft gefährden,
versichert sein oder benötigt man einen Bilanzschutz, d. h. eine Versicherung der
Risiken, die einen wesentlichen Einfluss auf das Geschäftsergebnis und den Gewinn
haben?
Der Versicherungsumfang wird auch in vielen Fällen von Dritten, z. B. Kredit-
gebern und Auftragnehmern, vorgegeben. Bei Projektfinanzierungen achten die
Banken darauf, dass eine Betriebsunterbrechungsversicherung vorliegt, die nach
einem Schaden den Kapitaldienst sicherstellt.
Die Prämie in den Sachversicherungen wird wesentlich durch die versicherten
Gefahren (Naturgefahren, innerer Betriebsschaden etc.) und den Selbstbehalt
bestimmt. Die Schadenerfahrung der letzten Jahre zeigt, dass es für die Reduzierung
der Prämie sinnvoller ist, den Selbstbehalt etwas höher zu wählen als auf bestimmte
Gefahrengruppen zu verzichten. Den höheren Selbstbehalt kann man von vor-
neherein einplanen und für den Fall der Fälle vorhalten. Wird auf die Versicherung
einer bestimmten Gefahr verzichtet (z. B. Sturm), erstattet der Versicherer weder
die Reparaturkosten noch den Vermögensschaden durch den Stillstand während der
Reparatur.
Die individuelle Situation muss bei der Wahl des Selbstbehaltes beachtet werden.
Ein zu kleiner Selbstbehalt bedeutet, dass der Versicherer auch viele Kleinschäden
entschädigen muss und dies bei der Prämie entsprechend berücksichtigt. Ein
großer Selbstbehalt kann eher von einem großen Unternehmen getragen werden,
als von einer Gesellschaft, die im Rahmen der Projektfinanzierung speziell für die
Errichtung und den Betrieb der Biogasanlage gegründet wurde.

5.1.3 Sachversicherungen

Für Entschädigungen bei den Sachversicherungen, insbesondere bei Montage,


Feuer- und Maschinenversicherungen gilt folgende Regel.
Sachschäden werden ersetzt, wenn
• sie an einer versicherten Sache
• am Versicherungsort
• im versicherten Zeitraum
• zum versicherten Interesse
• durch eine versicherte Gefahr
5.1  Risiko- und Versicherungsmanagement bei Biogasanlagen 313

Abb. 5.3 Symbolische
Darstellung der Ver-
sicherungsgrundlagen

• unvorhergesehen hervorgerufen werden.


Jeder Aufzählungspunkt stellt eine Bedingung dar, die erfüllt sein muss. In den
geschriebenen Versicherungsverträgen entsprechen sie oft den Überschriften der
einzelnen Paragraphen.
Der Schaltkreis in Abb. 5.3 stellt die Grundlagen nochmals symbolisch dar. Die
Spannungsquelle repräsentiert den Sachschaden. Die Bedingungen werden durch
die Schalter dargestellt. Damit Strom oder eine Entschädigung fließen kann, müssen
alle Schalter geschlossen, also Bedingungen erfüllt, sein (d. h. Bedingungen zur ver-
sicherten Sache, zum versicherten Ort etc.). Ist eine der Bedingungen nicht erfüllt,
muss der Versicherer den Schaden nicht entschädigen. Insbesondere die tech-
nischen Versicherungsmakler sind hier gefordert, für die einzelnen Bedingungen
Formulierungen zu finden, die im Schadenfall möglichst wenig Spielraum für Dis-
kussionen bieten.

5.1.3.1 Definition des Sachschadenbegriffs


Laut Definition ist ein Sachschaden eingetreten, wenn sich die Substanz verändert
hat und dadurch Brauchbarkeit oder Wert der versicherten Sache gemindert sind.
Typische Beispiele sind Feuerschäden, Risse in Gasspeicherhauben, Wellenbrüche
an Pumpen und mehr.
In der Praxis muss zwischen Schaden und Mangel unterschieden werden.
Letzterer ist nicht versichert; ein Schaden durch einen Mangel sollte aber wiederum
versichert sein. Das folgende Beispiel verdeutlicht den Unterschied.
Nach kurzer Betriebszeit eines Fermenters wird festgestellt, dass auf dem Beton
keine Beschichtung ist. Ist dies ein Sachschaden im Sinne der Versicherungen?
Wenn man nachweisen kann, dass der Fermenter zu einem früheren Zeitpunkt
eine Beschichtung hatte, die nun fehlt, liegt ein versicherter Sachschaden vor.
Wenn alle weiteren Bedingungen erfüllt sind, sollte der Versicherer entschädigen.
314 5  Wirtschaftliche Aspekte

Gegebenenfalls wird er beim Hersteller Regress nehmen, weil die Beschichtung


nicht ausreichend haftete bzw. wird der Versicherungsnehmer den Hersteller im
Rahmen von Garantien zur Reparatur auffordern. Wenn der Fermenter jedoch nie
beschichtet war, liegt kein versicherter Sachschaden vor. Es handelt sich hier um
einen Mangel und der Eigentümer sollte sich an den Lieferanten oder Hersteller
wenden, damit dieser seine Verpflichtung vollständig erfüllt. Eine Substanzver-
änderung ist nie eingetreten, denn der Fermenter hatte zu keinem Zeitpunkt eine
Beschichtung.
Was ist nun bei einem Folgeschaden am Beton des Fermenters? Das sollte immer
ein Sachschaden im Sinne der Versicherungen sein, denn am Beton liegt eine Sub-
stanzveränderung vor, die unvorhergesehen eingetreten ist. Was der Versicherer in
diesem speziellen Fall ersetzt, ist im Abschn. 5.1.3.7 beschrieben.

5.1.3.2 Versicherte Sache


In klassischen Konzepten mit einer Feuerversicherung für die komplette Anlage
und einer Maschinenversicherung für die maschinelle Einrichtung werden die ver-
sicherten Sachen in speziellen Listen versicherter Sachen oder Maschinenverzeich-
nissen explizit angeführt. Hier ist dringend zu beachten, dass die Aufzählung voll-
ständig ist, weil man im Schadenfall nachweisen muss, dass eine versicherte Sache
betroffen ist.
Bei Allgefahrenversicherungen ohne Unterscheidung in Feuer- und Maschinen-
versicherung und ohne Unterscheidung in Baulichkeiten und maschinelle Tech-
nik empfehlen sich pauschale Ansätze. Anstatt expliziter Aufführung der Kom-
ponenten wird vereinbart, dass alle Sachen versichert sind, die für den Betrieb und
die Betriebserhaltung erforderlich sind. Ausnahmen werden explizit angeführt.
Hier ist es nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers, wenn bei der Aufzählung
einzelne Komponenten vergessen werden.
Einige Versicherer schließen in ihren Verträgen Gasspeicherhauben und Zünd-
strahlmotoren aus, weil sie in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen mit diesen
Komponenten gemacht haben.

Mitversicherung der Biologie


Leider findet sich nur in wenigen Versicherungsverträgen, dass die Biologie eine
versicherte Sache ist. Sie sollte automatisch zur versicherten Sache werden, wenn
sie von anderen Sachschäden an der Anlage betroffen ist. Bei größeren Fermentern
treten durch die Entsorgung abgestorbener Biologie und der Neubefüllung mit Sub-
strat erhebliche Kosten auf, die sonst nicht versichert sind. Und auch die Betriebs-
unterbrechungsversicherung zum Schutz vor dem daraus resultierenden Vermögens-
schaden ist an den Sachschaden gekoppelt. Der Versicherer bezahlt nur dann den
Vermögensschaden durch Umsatzausfälle, wenn eine versicherte Sache beschädigt
ist.
Die o. a. Studienarbeit zeigt, dass bei Fermenterschäden der Vermögensschaden
in der Regel größer ist als die eigentlichen Reparaturkosten (s. Abb. 5.4). Das ist
nahe liegend, da bei Fermenterschäden oft die Biologie betroffen ist, was dann
erhebliche Verzögerungen nach sich zieht.
5.1  Risiko- und Versicherungsmanagement bei Biogasanlagen 315

Abb. 5.4 Aufteilung
der Entschädigung bei
Fermenterschäden

Wird die Biologie nicht mitversichert, bezahlt der Versicherer beispielsweise


nach einem Lagerschaden eines Langachs-Rührwerkes den Umsatzausfall nur bis
zu dem Zeitpunkt, zu dem das Lager wieder repariert ist. Der erheblich längere
Zeitraum für das Wiederbefüllen, Aufheizen etc. bis zur alten Gasproduktion wird
vom Versicherer nicht erstattet. Dieser Betrag kann schnell eine sechsstellige Größe
erreichen.
Auch bei einem Schaden am Blockheizkraftwerk und damit Ausfall der Wär-
mezufuhr für den Fermenter spielt es eine Rolle, ob die Biologie mitversichert ist.
Ist dies nicht der Fall, erstattet der Versicherer während der Reparatur nicht die
Kosten, die für die Aufrechterhaltung der Biologie anfallen.

5.1.3.3 Versicherungsort
Schäden an Teilen der Biogasanlage werden nur entschädigt, wenn der Schaden
an dem im Versicherungsvertrag angeführten Versicherungsort eingetreten ist.
Das heißt, der Versicherungsort, in der Regel der Standort der Biogasanlage, muss
explizit angegeben werden.
In Policen mit weiter gehendem Deckungsschutz werden als Versicherungsort
alle genutzten Grundstücke bezeichnet und – von der Erstanlieferung abgesehen –
gilt dies auch bei Transporten. Diese Deckungserweiterung ist zu empfehlen, um
durchgehenden Versicherungsschutz sicherzustellen. In der Regel weiß man nicht,
wieweit ein mit Transporten beauftragtes Unternehmen versichert ist, oder ob es
nur bei Verschulden haftet. Mit der weiter gehenden Klausel bleibt das BHKW auch
versichert, wenn es z. B. wegen einer Revision transportiert und an anderen Stellen
gelagert wird.
Es ist möglich, dass die Versicherer die Erweiterung des Begriffes Versicherungs-
ort mit einer Summenbegrenzung verbinden. Dies ist aus ihrer Sicht nachvollzieh-
bar, da sie bei dieser kundenfreundlichen Vorgehensweise keine Informationen
mehr haben, wo sich die versicherten Sachen befinden. Im ungünstigsten Fall ergibt
sich für die Versicherer eine Kumulation hoher Werte an einem Ort.

5.1.3.4 Versicherter Zeitraum


Versicherungsschutz besteht während der Laufzeit des Vertrages, d. h. der Sach-
schaden muss in dieser Zeit eintreten. Es ist möglich, dass ein Schaden erst nach
316 5  Wirtschaftliche Aspekte

Ende der Policenlaufzeit festgestellt wird. Kann dann nachgewiesen werden, dass
er während der Laufzeit eingetreten ist, haftet der Versicherer. Hierbei ist jedoch die
Verjährungsfrist zu beachten.
Um während der Laufzeit eines Vertrages Diskussionen über den Schadeneintritt
zu vermeiden, kann in den Policen vereinbart werden, dass Schäden versichert sind,
wenn sie während der Laufzeit erstmalig festgestellt werden. Damit müssen keine
Diskussionen mit einem früheren Versicherer geführt werden, zu dem heute keine
vertragliche Bindung mehr besteht.

Beginn und Ende der Montageversicherung


Bau- und Montageprojekte können sich aus verschiedensten Gründen verzögern.
Es ist für den Versicherungsnehmer daher vorteilhaft, wenn die Versicherungsver-
träge so formuliert sind, dass der Versicherer während der kompletten Errichtung im
Risiko bleibt und keine Möglichkeit hat, vor Fertigstellung den Vertrag zu beenden.
Ein Montageobjekt ist kurz vor Fertigstellung nur schwer zu versichern, denn Ver-
sicherer befürchten, nun für alle in der Errichtung begründeten Schäden zu haften.
Zudem ist der Probebetrieb mit besonders hohem Risiko verbunden.
Die Montageversicherung beginnt in der Regel, sobald die versicherten Sachen
innerhalb des Versicherungsortes abgeladen worden sind. Das Ende der Montage-
versicherung sollte in der Police nicht mit einem festen Datum beschrieben sein,
sondern nur als voraussichtliches Ende bezeichnet werden. Die Haftung des Ver-
sicherers endet, wenn die Montage beendet und das Montageobjekt abgenommen
ist. Damit ist auch der Probebetrieb Teil der Montageversicherung. Das Ende des
erfolgreichen Probebetriebs ist bei den meisten Anlagen auch der Zeitpunkt der
Übernahme und des Gefahrübergangs („Haftungsübergang“).
Wie bereits angeführt, sollte der Auftraggeber während der Errichtung die Mon-
tageversicherung abschließen und alle an der Errichtung beteiligten Unternehmen
mitversichern. Damit soll die Montageversicherung auch nicht jeweils mit den
Abnahmen der Teilgewerke enden, sondern erst dann, wenn die komplette Biogas-
anlage fertig gestellt und abgenommen wurde. Wenn nämlich die Übergreifschäden
auf andere Gewerke nicht mehr versichert sind, ist ein Vorteil der gemeinsamen
Police, der Beitrag zum Baustellenfrieden, nicht mehr gewahrt.
In weiter gehenden Versicherungsverträgen verzichten die Versicherer auf das
ihnen sonst zustehende Recht, nach einem Schadenfall den Versicherungsvertrag
zu kündigen. Dies ist für den Versicherungsnehmer sehr wichtig, denn es wurde
eingangs erwähnt, dass ein bereits fortgeschrittenes Anlagenprojekt nur schwer
zu versichern ist, insbesondere dann, wenn bereits ein früherer Versicherer wegen
Schäden gekündigt hat.

Beginn der Betriebsversicherung (insbesondere Maschinenversicherung)


In der Regel beginnt die Haftung des Versicherers mit dem vereinbarten Zeitpunkt,
frühestens jedoch mit Ende des erfolgreichen Probebetriebs. Ein früherer Ver-
sicherungsbeginn muss mit dem Versicherer besonders vereinbart werden.
Es gibt Anlagenbauer, die in ihren Liefer- und Leistungsverträgen als Zeit-
punkt des Haftungsübergangs nicht das Ende des erfolgreichen Probebetriebs
5.1  Risiko- und Versicherungsmanagement bei Biogasanlagen 317

definieren, sondern bereits den Beginn der Fermenterbefüllung. Dies ist lange vor
dem Zeitraum, in dem die Anlage das Erfüllen der Leistungsparameter nachweisen
kann. Da somit die Montageversicherung des Lieferanten nicht mehr haftet, muss
der Auftraggeber unbedingt mit seinem Maschinenversicherer den früheren Ver-
sicherungsschutz vereinbaren. Dies gilt insbesondere dann, wenn er selbst keine
Montageversicherung abgeschlossen hat. Es ist gerechtfertigt, dass der Versicherer
für den vorgezogenen Zeitraum eine höhere Prämie nimmt, da er nun bereits im
besonders riskanten Probebetrieb in der Haftung steht.
Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass bei einigen Anbietern
Versicherungen abgeschlossen werden können, die nicht zwischen Montage- und
Betriebsphase unterscheiden. Damit entfällt auch das oben angeführte Schnitt-
stellenrisiko.

5.1.3.5 Versichertes Interesse


Versichert ist in erster Linie das Interesse des Besitzers der Anlage. Ihn muss der
Sachschaden direkt betreffen. Schließt der Besitzer während der Errichtung die
Montageversicherung für alle an der Errichtung beteiligten Unternehmen ab, so
sind auch diese mitversichert.
In der Betriebsphase ist in der Regel nur noch das Interesse des Versicherungs-
nehmers, das ist meistens der Eigentümer, versichert. Das Interesse von Lieferant
oder Reparaturwerkstätte ist nicht mitversichert. Diese Unternehmen können somit
keine Ansprüche geltend machen und Schäden, für die diese Dritten im Rahmen
von Gewährleistungen oder Garantien haften, sind nicht versichert.
Dieses Vorgehen ist durchaus im Sinne des Eigentümers, denn die Garantien sind
Teil von Verkaufs- oder Wartungspreisen. Somit hat er hierfür bezahlt und schont
zudem seinen eigenen Versicherungsvertrag.
Wenn Lieferant oder Reparaturwerkstätte nicht mehr existieren oder im
Schadenfall ihre Eintrittspflicht bestreiten, leistet der Versicherer zunächst Ent-
schädigung, damit die Wiederherstellung der beschädigten Sache erfolgen kann.
Entweder tritt dann anschließend der Versicherer in die Rechte gegenüber dem
Lieferanten oder der Reparaturwerkstätte ein und ist berechtigt, einen Prozess gegen
diese zu führen oder der Versicherungsnehmer hat seinen Anspruch auf Kosten und
nach den Weisungen des Versicherers geltend zu machen.

5.1.3.6 Versicherte Gefahren


Neben den Unterschieden in Prämie, versicherter Sache und Selbstbehalt liegt
ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der im Markt erhältlichen Biogasver-
sicherungen in den versicherten Gefahren. Hier ist ganz besonders wichtig, von
vornherein den passenden und angemessenen Versicherungsschutz auszuwählen.
Wie weiter oben („Welche Versicherungen sind zu berücksichtigen?“)
beschrieben, kommen für die Sachversicherung während der Betriebsphase ver-
schiedene Konzepte in Frage. Klassisch, mit einer Feuerversicherung für die kom-
plette Anlage (d. h. Gebäude und Maschinen) und einer Maschinenversicherung
für die maschinelle Einrichtung. Die Maschinenversicherung selbst ist eine All-
gefahrendeckung, in der unter anderem die Gefahren ausgeschlossen sind, die
318 5  Wirtschaftliche Aspekte

über eine Feuerversicherung und weitere Sachversicherungen wie EC (Extended


Coverage) gedeckt werden können. Typische Deckungsinhalte der Maschinenver-
sicherung sind innere Betriebsschäden, Material- und Konstruktionsfehler sowie
Bedienungsfehler.
Werden jedoch für Sturm, Hagel etc. einzelne EC-Versicherungsverträge abge-
schlossen, muss der Versicherungsnehmer im Schadenfall den Nachweis erbringen,
dass genau eine der versicherten Gefahren zum Schaden führte und nicht durch eine
ausgeschlossene Gefahr (wie z. B. Schneedruck) hervorgerufen wurde.
Vorteile bietet hier die Allgefahrenversicherung für die gesamte Anlage. Oben
angeführte Ausschlüsse in der Maschinenversicherung gelten hier nicht. Versichert
sind alle unvorhergesehene Schäden und Verluste, die nicht durch eine explizit aus-
geschlossene Gefahr hervorgerufen wurden.
Die Ausschlüsse lassen sich in der Regel auf Folgendes begrenzen:
• Vorsatz des Versicherungsnehmers. Hier ist wichtig, wer als Repräsentant
des Versicherungsnehmers definiert ist. Sind es lediglich Geschäftsführer und
Betriebsleiter der Anlage oder sind es alle Mitarbeiter? In letzterem Fall ist dann
kein Schaden gedeckt, der von einem Mitarbeiter vorsätzlich hervorgerufen wird.
• Mängel, die bei Abschluss der Versicherung bekannt waren.
• Schäden (wie in Abschn. 5.1.3.5 angeführt), für die der Lieferant oder die Repa-
raturwerkstätte einzutreten hat (dies gilt nicht, wenn deren Interesse mitver-
sichert ist, wie z. B. während der Errichtung). Wichtig ist, diesen Ausschluss
für die Betriebsunterbrechungsversicherung zu streichen. Lieferanten und Werk-
stätten haften üblicherweise nur für Sachschäden, da ihnen die mit den Anlagen
erwirtschaften Erträge nicht bekannt sind. Daher soll der Versicherer den Ver-
mögensschaden übernehmen, der durch einen Garantieschaden entsteht. Damit
der Versicherer den Vermögensschaden entschädigt, muss ein Sachschaden vor-
liegen. Kommt es lediglich zu Stillständen wegen Abstellen eines Mangels (z. B.
Geräusche gehen über zulässige Grenzen hinaus), besteht kein Anspruch auf
Entschädigung im Rahmen der Betriebsunterbrechungsversicherung.
• Unmittelbare Folgen der dauernden Einflüsse des Betriebes (dies ist unter
anderem Verschleiß). Weiter gehende Policen haben diesen Ausschluss nicht für
Wicklungen und Blechpakete elektrischer Maschinen und Transformatoren. Der
normale Verschleiß von Bauteilen und Aggregaten ist in der Wirtschaftlichkeits-
kalkulation der Anlage berücksichtigt und kann nicht versichert werden. Diese
Schäden sind auch nicht unvorhergesehen. Es gibt oft Diskussionen mit Ver-
sicherern, die mit Verweis auf normalen Verschleiß Schäden ablehnen. Tech-
nische Versicherungsmakler mit eigenen Ingenieuren kennen diese Verhand-
lungen mit den Versicherern und können bei der Argumentation, ob eine andere
versicherte Ursache vorliegt, hilfreiche Unterstützung leisten.
• Aufruhr und Krieg
• Kernenergie (der Ersatz von Schäden durch Kernenergie richtet sich in der
Bundesrepublik Deutschland nach dem Atomgesetz).
Die versicherten Gefahren können nur beispielhaft aufgezählt werden:
• Brand, Blitzschlag, Explosion
5.1  Risiko- und Versicherungsmanagement bei Biogasanlagen 319

• Material-, oder Konstruktionsfehler, die zum Maschinenschaden führen. Dies


kann z. B. ein Kolbenbruch im Motor des BHKWs sein.
• Naturgefahren
• Bedienungsfehler
• Vorsatz von Dritten/Außenstehenden (s. hierzu im Absatz der Ausschlüsse den
Hinweis zum Repräsentanten)
• Korrosion, wenn sie wegen Materialfehlern hervorgerufen wurde. (Es gibt
jedoch viele Deckungskonzepte, die Korrosion grundsätzlich ausschließen.)
• Weiter gehende Deckungskonzepte versichern auch die Fermenterbiologie gegen
Schäden von außen (das kann z. B. der Eintrag von vergiftetem Material sein).
Die Anlage hat keinen Sachschaden, erzeugt aber dennoch kein Gas.

Vorteile einer Allgefahrenversicherung für die gesamte Anlage gegenüber


der klassischen Konzeption
Alle oben angeführten Gefahren, wie Schäden durch Material- und Konstruktions-
fehler sowie Bedienungsfehler sind nicht nur an maschinellen Einrichtungen,
sondern auch an Baulichkeiten wie Fermenter und Fahrsilo versichert.
Beispiele für hier versicherte Schäden:
• Fehler in der Materialwahl führen zum Ablösen der Beschichtung im Fermenter
• Am überfüllten Fahrsilo brechen Betonwände
• Risse in der Folie durch Materialfehler oder Sturm (klassisch nur gedeckt, wenn
die Gefahr Sturm versichert wurde und entsprechende Windstärke nachgewiesen
werden kann)
• Zwischen Gasblase und Fermenterwand bildet sich so viel Kondenswasser, dass
der Druck zum Reißen der Folie führt
• Im Fermenter kippt die Mittelstütze
Grundsätzlich sind die Beispiele in klassischen Maschinenversicherungen
gedeckt; die betroffenen Bauteile gelten jedoch in Maschinenversicherungen nicht
als versicherte Sachen.
Als weiterer Vorteil einer einzigen Allgefahrenversicherung darf der Selbstbehalt
nicht unerwähnt bleiben. Führt ein Wicklungsschaden im Generator (klassisch
Maschinenversicherung) zu einem Brand (Feuerversicherung), sind nur ein Ver-
sicherungsvertrag und ein Selbstbehalt betroffen.
Es gibt also viele Vorteile, die für die Allgefahrenversicherung sprechen. Leider
fällt es vielen Versicherern schwer, diese anzubieten. Weil sie intern wiederum in
die klassischen Sparten aufteilen, ziehen sie die Trennung Feuer- und Technische
Versicherung vor. Für den Versicherungsnehmer ist es jedoch vorteilhafter, wenn
für ihn diese Schnittstelle nicht existiert. Wie der Versicherer intern aufteilt, spielt
dann auch für ihn keine Rolle.

5.1.3.7 Entschädigung des Sachschadens

Ersatzpflichtige Kosten, Versicherungssumme


Grundsätzlich ersetzt der Versicherer die Kosten zur Wiederherstellung der
beschädigten Sache in den Zustand vor Schadeneintritt. Diese sind insbesondere
320 5  Wirtschaftliche Aspekte

• Kosten für Reparatur und Ersatzteile


• De- und Remontage sowie Wiederaufbaukosten
• Frachtkosten
• Sonstige mit der Schadenbehebung in Zusammenhang stehende Kosten, wie
z. B. auch die Feststellung des Schadenumfangs
• Ersetzt werden in der Regel auch Zuschläge für Sonn- und Feiertags- und Nacht-
arbeiten. Wenn der Versicherer auch den aus dem Sachschaden resultierenden
Vermögensschaden erstattet, ist er daran interessiert, dass die Anlage so schnell
wie möglich wieder in Betrieb geht.
Es empfiehlt sich, den Entschädigungsumfang um zusätzliche Positionen zu
erweitern:
• Reinigungskosten und Kosten für Erdarbeiten
• Aufräum-, Abbruch- und Entsorgungskosten
• Bewegungs- und Schutzkosten
• Rettungskosten, z. B. Feuerlöschkosten
• Mehrkosten für behördliche Wiederaufbaubeschränkungen.
Die Grenze der Ersatzpflicht ist in der Regel die Versicherungssumme, die
meistens dem Wiederbeschaffungswert der Anlage (höchstens dem Neuwert)
entspricht. Ohne die oben angeführten zusätzlichen Kostenpositionen ersetzt der
Versicherer nach einem Totalschaden nur den Betrag für eine neu zu errichtende
Anlage. Nicht enthalten und somit vom Versicherungsnehmer zu übernehmen,
wären Kosten, die entstehen, um die Schadenstätte vor der Neuerrichtung von den
Resten der alten Anlage zu befreien und diese Reste zu entsorgen.
Bei Bildung der Versicherungssumme ist zu beachten, dass sie dem Betrag ent-
spricht, der zur Wiederherstellung der Anlage nach einem Totalschaden erforderlich
ist. In der Regel sind dies die Investitionskosten abzüglich der Kosten, die – wie
z. B. Grundstückskauf oder Planung – nur einmal anfallen. Preissteigerungen über
die Jahre sind zu berücksichtigen; die meisten Versicherungspolicen haben hierfür
automatische Regelungen.
Werden Teile der Anlage zu besonders günstigen Konditionen erworben, muss
geprüft werden, ob diese Teile zu dem gleichen Preis wieder beschafft werden
können. Ist dies nicht der Fall, sollte dies bei Bildung der Versicherungssumme
berücksichtigt werden.
Es ist nicht unüblich, bei der Entschädigung einen Abzug „neu für alt“
(Amortisation) vorzunehmen. Mit diesem Abzug soll der wirtschaftliche Vorteil
berücksichtigt werden, den der Betreiber hat, wenn ein altes Bauteil durch ein neues
Bauteil ersetzt wird. Bei Schäden an BHKW-Motoren oder Gasspeicherhauben ist
dies nachvollziehbar.

Nicht ersatzpflichtige Kosten


Zu den nicht ersatzpflichtigen Kosten gehören Überholungen und Revisionsarbeiten,
die im Rahmen der Reparatur durchgeführt werden. Der Versicherer erstattet auch
nicht die Mehrkosten, die entstehen, weil die Anlage in Teilen geändert oder ver-
bessert wurde.
5.1  Risiko- und Versicherungsmanagement bei Biogasanlagen 321

Es sei hier nochmals auf das Beispiel aus Abschn. 5.1.3.1 verwiesen. Der Beton
eines Fermenters wurde beschädigt, weil die schützende Beschichtung fehlte. Der
Schaden am Beton ist ersatzpflichtig und der Versicherer übernimmt die Kosten zur
Sanierung.
Wenn die Beschichtung nie aufgetragen worden war, würde mit einer neuen
Beschichtung eine Verbesserung der Anlage vorliegen. Der Versicherer übernimmt
daher nicht die Kosten.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Betreiber dennoch
nach dem Schaden den Beton beschichten lassen sollte; auch wenn er die Kosten
selbst übernehmen muss. Andernfalls würde der Versicherer den nächsten
Betonschaden wegen Vorhersehbarkeit ablehnen.

5.1.3.8 Entschädigung des Betriebsunterbrechungsschadens


Oft haben relativ kleine Sachschäden große Auswirkungen. Die Wicklung des
Generators im Blockheizkraftwerk ist zwar teuer, aber noch größer kann der
Schaden werden, weil kein Strom erzeugt werden kann. Dabei ist zu berück-
sichtigen, dass Schäden unvorhergesehen eintreten und daher weder Personal noch
Material vorgehalten werden. Das heißt, nach einem Schaden dauern Reparaturen
meistens deutlich länger als unter optimalen Bedingungen.
Im Rahmen der Betriebsunterbrechungsversicherung leistet der Versicherer
Entschädigung für den Betriebsgewinn und die fortlaufenden Kosten, die der Ver-
sicherungsnehmer nicht erwirtschaften kann. Vereinfacht handelt es sich um den
entgangenen Umsatz abzüglich der Kosten, die im Schaden nicht anfallen (wie z. B.
variable Verbrauchskosten).
Die versicherten Umsätze sollen alle Erlöse beinhalten. Neben Strom auch je
nach Situation Einspeisung von aufbereitetem Biogas, Fernwärme oder auch Erlöse
für die Annahme von Abfallstoffen für die Kofermentation.
Entschädigung wird nur geleistet, wenn ein dem Grunde nach versicherter Sach-
schaden zum Vermögensschaden führte. Stillstände wegen geplanter Revisionen
oder anderer geplanter Abschaltungen sind daher nicht versichert. Damit ein ver-
sicherter Sachschaden vorliegt, muss eine versicherte Sache betroffen sein. Daher
ist wichtig, dass – wie schon an anderen Stellen angeführt – die Biologie auch als
versicherte Sache gilt, um die finanziellen Verluste durch Verzögerungen beim
Wiederanfahren der Anlage erstattet zu bekommen.
Ist der Betreiber der Anlage vertragliche Verpflichtungen eingegangen (z. B.
Lieferung von Wärme oder Annahme von Kofermenten), können nach einem
Sachschaden erhebliche Mehrkosten durch das Einhalten dieser Verpflichtungen
entstehen. Wenn der Betreiber einer Biogasanlage sich verpflichtet, der nebenan
gelegenen Gärtnerei das ganze Jahr Wärme zu liefern, hat er nach einem Schaden
keine Umsatzverluste, sondern Mehrkosten, um die Wärmeversorgung aufrecht-
zuhalten. Die Mehrkosten für das Leihen eines mobilen Wärmekessels und der
relativ ineffiziente Betrieb desselben können die Umsätze bei Weitem übersteigen.
322 5  Wirtschaftliche Aspekte

5.1.4 Haftpflichtversicherung

Auch wenn der Schwerpunkt dieses Abschnitts auf der Sachversicherung liegt, soll
die Haftpflichtversicherung der Vollständigkeit halber erwähnt werden.
Versicherungsschutz im Rahmen einer Betriebs- und Umwelthaftpflichtver-
sicherung besteht für den Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen eines Schaden-
ereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus
ergebenden Vermögensschaden zur Folge hat, aufgrund gesetzlicher Haftpflicht-
bestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in
Anspruch genommen wird.
Der Haftpflichtversicherer übernimmt hierbei drei wichtige Aufgaben:
• Prüfung der Haftungsanfrage
• Regulierung der berechtigten Ansprüche
• Abwehr der unberechtigten Ansprüche, was einer Rechtsschutzfunktion gleich-
kommt.
Ausgeschlossen sind üblicherweise Vorsatz, Schäden an eigenen Sachen,
Schäden aus vertraglichen Zusagen, wenn diese über die gesetzliche Haftpflicht
hinausgehen, sowie Vertragserfüllungsansprüche.
Die Haftpflichtversicherung schützt nicht nur den Versicherungsnehmer, sondern
in der Regel auch dessen gesetzlichen Vertreter und Betriebsangehörige, wenn sie
Schäden in Ausführung ihrer dienstlichen Verrichtung für den Versicherungsnehmer
verursachen.
Der Versicherungsschutz für Personen-, Sach- und Vermögensschäden kann
entweder als eigenständige Versicherung oder, wenn der Betrieb schon eine Ver-
sicherung hat, als Ergänzung abgeschlossen werden. Bei letzterem ist zu beachten,
dass die Betriebsbeschreibung in den bestehenden Policen auch den Betrieb der
Biogasanlage vorsieht und für den Fall, dass eine eigene Gesellschaft gegründet
wird, diese Gesellschaft im Vertrag der Haftpflichtversicherung angeführt wird.
Die Betriebshaftpflichtversicherung bietet Schutz für Schäden aus dem Betrieb
der Biogasanlage (Betriebsrisiko oder auch sog. Betriebsstättenrisiko), während die
Umwelthaftpflichtversicherung die gesetzliche Haftpflicht wegen Personen- und
Sachschäden durch Umwelteinwirkungen auf Boden, Luft und Wasser absichert.
Relativ neu ist in Deutschland das Umweltschadensgesetz, das 2007 gemäß
einer EU-Richtlinie in Kraft trat. Ein Umweltschaden ist die Schädigung von
geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen, von Gewässern und des Bodens.
Nach der Richtlinie soll ein Betreiber, der durch seine Tätigkeit einen Umwelt-
schaden verursacht hat, dafür finanziell verantwortlich sein. Bei der Umwelt-
schadensversicherung handelt es sich um Ansprüche öffentlich-rechtlichen Inhalts.
Die Umwelthaftpflichtversicherung bietet hierfür keinen Versicherungsschutz, da
dort die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts als versichert gilt. Daher
ist es wichtig, dass die Umweltschadensversicherung eigens abgeschlossen wird.
Meistens geschieht dies in Kombination mit der Betriebs- und Umwelthaftpflicht-
versicherung.
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 323

5.1.5 Zusammenfassung und Ausblick

Versicherungen stellen nach den verschiedenen Formen der Risikovermeidung


bzw. -minimierung nur die zweitbeste Lösung der Risikoabsicherung dar. Die Aus-
wirkungen der Sachschäden werden zwar durch die Versicherung gemindert, aber
es ist immer besser, wenn Schäden erst gar nicht eintreten. Banken und Versicherer
haben daher in den letzten Jahren eine ständige Verbesserung des technischen
Risikos verlangt und durchgesetzt.
Wichtig ist ein umfassendes und schlüssiges Risikomanagement: Die sinn-
volle Kombination von gefahrenmindernden Maßnahmen und Versicherungen gibt
Anlagenbesitzern und Betreibern Sicherheit.
Unter dem Begriff Biogas-Versicherung werden auf dem Markt zurzeit noch
viele Policen angeboten, die die Risiken aus dem Betrieb einer Biogasanlage nur
unzureichend abdecken. Hier empfiehlt sich die Beratung durch unabhängige, tech-
nische Berater, die eigene, spezielle Deckungskonzepte entwickelt haben und auch
Unterschiede zu anderen Konzepten aufzeigen können.

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten


Finanzierungsstruktur

Dr. Jörg Böttcher

5.2.1 Anforderungen an die Finanzierungsstruktur aus Sicht von


Investoren und Banken

Die bisherigen Abschnitte haben deutlich vor Augen geführt, dass es zur Reali­
sierung von Biogasprojekten einer verlässlichen Technologie und eines belast-
baren Rechts- und Regulierungsumfeldes bedarf. Sind diese beiden grundsätzlichen
Anforderungen erfüllt, eröffnet sich die Möglichkeit für eine wirtschaftliche Nut-
zung der Energie aus Biogas und zwar zumeist in Form einer Projektfinanzierung.
Da bei einer Projektfinanzierung die Cashflows die einzige Quelle der Kreditbe­
dienung und Eigenmittelverzinsung sind, ergeben sich besondere Anforderungen
an ihre Stabilität und Verlässlichkeit. Neben einer intensiven Risikoidentifikation
geht es darum, nach ökonomischen Kriterien Risiken einzelnen Projektbetei-
ligten zuzuweisen. Im Anschluss erfolgt eine Risikoquantifizierung in Form eines
Cashflow-Modells, das unter anderem darüber Auskunft gibt, wieviel Fremdmittel
einem Vorhaben zur Verfügung gestellt werden können, wie die Tilgungsstruktur
aussehen sollte und welche weiteren Gestaltungselemente Einzug in die Struktur
finden sollten. Die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur und die Möglichkeiten
ihrer Optimierung sind Gegenstand dieses Abschnitts.
Allerdings markiert das Cashflow-Modell noch nicht den Endpunkt der Pro-
jektbewertung der Kreditgeber. In einem weiteren Schritt geht es darum, eine
Simulationsrechnung des Cashflow-Verlaufs vorzunehmen, die darüber Auskunft
324 5  Wirtschaftliche Aspekte

gibt, wie sich das Projekt unter einer Vielzahl von möglichen Umweltszenarien ent-
wickeln kann. Ein Ergebnis dieser Simulationsrechnungen ist ein Rating-Ergebnis,
das eine Risikokategorie ausweist und damit über die Risikoprämie die Zinskosten
bestimmt und auch die Finanzierungsstruktur maßgeblich beeinflusst. Damit
geht es in einem zweiten Teil darum herauszuarbeiten, welche quantitativen und
qualitativen Faktoren das Rating beeinflussen können.
Dabei muss man sich bewusst sein, dass die jeweiligen Teilaspekte des
Risikomanagementprozesses – Identifikation, Allokation und Quantifizierung
von Risiken – nicht in einer gerichteten zeitlichen Abfolge geschehen, sondern
miteinander wechselseitig in Verbindung stehen. Um die Aussagen zur
Risikoquantifizierung angemessen würdigen zu können, ist es daher notwendig,
die verschiedenen Teilaspekte eines Risikomanagements zu berücksichtigen. Dies
werden wir – soweit nötig – im Folgenden tun und ansonsten auf die spezifischen
Fachkapitel verweisen. Anders ausgedrückt: Die Ermittlung einer Finanzierungs-
struktur erfordert eine vorherige Klärung und Zuordnung der Risikoaspekte eines
Vorhabens.
Das Cashflow-Modell eines Projektes ist aber nicht nur für die Kreditgeber von
herausragender Bedeutung, sondern auch für die Investoren eines Projektes. Beide
Kapitalgebergruppen sind gleichermaßen am Erfolg eines Vorhabens interessiert,
wobei sie allerdings unterschiedliche Anspruchsebenen und Anspruchsgrund-
lagen haben. Während die Fremdkapitalgeber einen erfolgsunabhängigen und fixen
Anspruch auf Bedienung des Kapitaldienstes aus dem Projekt haben, haben die
Eigenkapitalgeber einen erfolgsabhängigen und damit variablen Anspruch auf den
verbleibenden freien Cashflow. Das methodische Werkzeug, mit dem beide Gruppen
ein Vorhaben beurteilen, ist ein projektspezifisches Cashflow-Modell.
Starten wollen wir mit einem Blick auf die methodischen Grundsätze, mit dem
die Kapitalgebergruppen – Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgeber – Projekte im
Biogasbereich beurteilen.

5.2.2 Methodik und Zusammenspiel zwischen


Risikoidentifikation, Risikoallokation und
Risikoquantifizierung

Jede unternehmerische Tätigkeit ist durch die Existenz von Unsicherheit und
unvollkommener Informationen im Rahmen des betrieblichen Handelns Risiken
ausgesetzt. Das Unternehmen ist allerdings nicht gezwungen, diese Risiken hin-
zunehmen, sondern vielmehr gefordert, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Bezogen auf eine Projektfinanzierung bedeutet dies in erster Linie die Sicherung
der Projektexistenz. Dies ist darin begründet, dass nur durch das Betreiben des Pro-
jektes ein Cashflow generiert werden kann, der die in den meisten Fällen einzige
bzw. werthaltigste Sicherheit darstellt, die zur Bedienung der Finanzierung zur Ver-
fügung steht. Bevor wir auf den Aspekt der Risikoquantifizierung bei einem Bio-
gasvorhaben eingehen, wollen wir das Thema Risikoquantifizierung im gesamten
Zusammenhang des Risikomanagementprozesses mit seinen verschiedenen
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 325

methodischen Hilfsmitteln darstellen. Dazu verweisen wir auf Kap. 2 und das
Schaubild „Erfolgsfaktoren einer Projektfinanzierung“ (Tab. 2.1).
Im Rahmen einer qualitativen Projektprüfung müssen zunächst bestimmte
Fragen grundsätzlich positiv beantwortet werden:
1. Ist das Rechts- und Regulierungsumfeld hinlänglich verlässlich und prog-
nostizierbar? Die relevanten Fragestellungen sind dabei in mehreren rechtlichen
Fachkapiteln aufgegriffen worden.
2. Wird ausschließlich bewährte Technik eingesetzt? Dieses Thema haben wir in
Abschn. 4.1 und Abschn. 4.3.
3. Wie können die verschiedenen, zentralen Projektbeteiligten angemessen an den
Chancen und Risiken des Vorhabens partizipieren? Einige grundsätzliche Über-
legungen finden sich in Kap. 1.
Für mindestens diese Fragen müssen zufrieden stellende Antworten gefunden
werden, bevor eine Cashflow-Modellierung erfolgen kann, die dann wiederum in
eine Finanzierungsstruktur einmündet.
Methodisch erfolgt im Anschluss an die drei genannten Fragen eine Über-
prüfung der Wirtschaftlichkeit, die im Dialog zwischen dem Projekt und der fremd-
finanzierenden Bank über ein Cashflow-Modell erfolgt, wobei die Bank intern die
Cashflow-Struktur zusätzlich über ein separates Rating-Tool bewertet, woraus sich
wiederum Änderungen an der Finanzierungsstruktur ergeben können. Dabei basiert
diese zweite Analysestufe auf anderen methodischen Werkzeugen und ist auch von
außen her wenig transparent. Dies ist durchaus bedauerlich, da sich häufig durch
relativ kleine Änderungen an den Vertrags- und Finanzierungsstrukturen deutliche
Rating-Verbesserungen ergeben können, die in Vorteilen bei den Zinskosten und der
Finanzierungsstruktur resultieren können.
Wir starten in diesem Abschnitt mit der Darstellung des Risikomanagement-
prozesses bei einer Projektfinanzierung. In der betriebswirtschaftlichen Literatur
existiert eine Vielzahl von Interpretationsvarianten für den Risikobegriff. Im Rahmen
dieses Beitrages soll Risiko als negative Abweichung vom Planwert einer Zielgröße
verstanden werden, da sie für jeden Beteiligten eine Verlustgefahr bedeutet. Die
Bedeutung der Behandlung von Risiken im Zusammenhang mit einer Projekt-
finanzierung ergibt sich unmittelbar aus ihrem Charakter: Da es allein das Vorhaben
ist, das als wirtschaftliche Basis für die angemessene Eigenkapitalverzinsung und
die Bedienung des Kapitaldienstes dient, sind die Werthaltigkeit und die Robustheit
des Projektes von entscheidender Bedeutung. Da das Projekt aber erst sukzessive
entsteht, lässt sich die Wirtschaftlichkeit nur per Prognose bestimmen. Da die Per-
spektive in die Zukunft zunehmend unsicher ist, hat sich die Prognose mit dem
Eintritt aller Arten von Einflüssen zu befassen, deren Wirkung auf das Projekt ein-
zuschätzen und nach Wegen zu suchen, ob und inwieweit einzelne Projektbeteiligte
bereit sind, das Projekt von Risiken freizuhalten.
Die Risiken einer Projektfinanzierung sind mit dem Instrumentarium des
Risikomanagements zu steuern, das versucht, Risiken den Projektbeteiligten zuzu-
ordnen, die diese zu verantworten haben und damit auch kontrollieren können.
Wesensmerkmal jeder Projektfinanzierung ist die Orientierung an den
zukünftigen Cashflows und der Einbindung der Projektbeteiligten, wie wir es in
Kap. 1 skizziert haben.
326 5  Wirtschaftliche Aspekte

Abb. 5.5 Bestandteile des Risikomanagementprozesses

Das Risikomanagement umfasst die Gesamtheit aller Aufgaben zur Hand-


habung von Projektrisiken unter Beachtung des Risk-Sharing-Prinzips. Das Ziel
des Risikomanagements ist die Entwicklung einer Entscheidungsgrundlage für die
Auswahl besonders geeigneter risikopolitischer Maßnahmen zur Reduzierung der
Projektrisiken auf ein akzeptables Niveau.
Der Prozess des Risikomanagements wird, wie in Abb. 5.5 dargestellt, häufig als
eine Stufenfolge beschrieben.
Das Erkennen der einzelnen Risiken ist Grundvoraussetzung für die Anwendung
risikopolitischer Maßnahmen. Zur Identifikation der einzelnen Risiken bei der
Projektfinanzierung werden die Phasen, die ein Projekt bei der Erstellung und
im Betrieb durchläuft, systematisch auf ihre Einflussfaktoren hin untersucht. Die
Bewertung der einzelnen Risiken erfolgt anhand ihrer Auswirkungen auf den
Cashflow, wobei die Ursachen eines Risikos aufgedeckt und die Risikofolgen
qualitativ und quantitativ aufgezeigt werden. Das dazu verwendete Instrument –
das Cashflow-Modell – wird aufgrund seiner Bedeutung gesondert dargestellt. Im
dritten Schritt sind die identifizierten Risiken mit Hilfe geeigneter Techniken auf
das mögliche Minimum zu reduzieren. Bei der Zuteilung – der Risikoallokation
– wird untersucht, ob und in welchem Maße die identifizierten Risiken den Pro-
jektbeteiligten zugewiesen werden sollen und welche Restrisiken nach Zuteilung
bei den Kapitalgebergruppen verbleiben. Schließlich sind die Risiken während der
Projektlaufzeit zu kontrollieren und – bei Bedarf – geeignete Gegenmaßnahmen
einzuleiten.
Die dargestellten Prozessstufen sind nicht als isolierte Teilaufgaben zu ver-
stehen, sondern als ein wechselseitig ineinander greifender Prozess, der das Projekt
begleitet und dessen Ergebnis nicht nur vom Risikoprofil des Projektes abhängt,
sondern wesentlich auch von den Chance-/Risiko-Präferenzen der verschiedenen
Projektbeteiligten. Die Aufgabe der Auswahl der Risikoträger und die Anwendung
der Risikoinstrumente erweisen sich in der Praxis als komplexer und diffiziler Ver-
handlungsprozess. In der weiteren Darstellung wird auch deutlich werden, dass die
obige Stufenfolge zunächst aus didaktischen Gründen gewählt wird. In der Praxis
ergibt sich eine Wechselwirkung zwischen den einzelnen Prozessstufen.
Der Katalog der möglichen Maßnahmen des Risikomanagements ist umfang-
reich und vielschichtig, wodurch sich für den Kreditgeber und die Projektgesell-
schaft eine Vielzahl von Handlungsoptionen ergeben. Die Auswahl der möglichen
Maßnahmen wird als Risikopolitik bezeichnet, deren Ziel es ist, die Kombinationen
von Sicherungsinstrumenten zu finden, welche eine auf das Projekt abgestimmte
und von allen gemeinsam akzeptierte Risikoverteilung ermöglicht.
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 327

Tab. 5.1 Risikoart, Risiko-Instrument und Risikoträger


Risikoart Risiko-Instrument Risikoträger
Verfügbarkeit Rohstoffe Vertrag: Angebot oder Zahlung, Zulieferer, evtl. Sponsoren
oder Energie Machbarkeitsstudie
Vertragserfüllung Machbarkeitsstudie Sponsoren
Vertragspartner
Kostenüberschreitung Fertigstellungsgarantie, Sponsoren, Generalunterneh-
Kreditlinie mer, Kreditgeber
Abnahmerisiko Take-or-Pay-Verträge Nachfrager des Outputs
Performancerisiko Machbarkeitsstudie, Anlagenlieferant
Vertragskonditionen (Anreize)
Rechts- und Reputation des Landes, gute Sponsoren
Regulierungsrisiko Zusammenarbeit mit Regierungen
Länderrisiko Machbarkeitsstudie, Versicherung Versicherungsagenturen, ECAs
Technologisches Risiko Moglicherweise K.-O.-Kriterium, Lizenzgeber
ansonsten: Lizenzvereinbarung
Devisenkurs Optionen, Futures, Swaps usw. Finanzinstitute
Inflationsrate Langfristige Verträge Anbieter und Nachfrager
(Kauf und Verkauf)
Zinssätze Feste Zinskonditionen, Finanzinstitute, Gläubiger
Zinsderivate usw.
Force Majeure Eindeutige Abgrenzung, Versicherung
Versicherung

Die Risikoanalyse ist Ausgangspunkt des Risikomanagementprozesses, da sie


maßgeblich die Struktur des Vertragsgeflechtes sowie die materiellen Regelungen
jedes einzelnen Vertrages bestimmt. Daher wird man sich mit den Zielsetzungen der
Projektbeteiligten und den wirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Aspekten
des Vorhabens vertraut machen müssen.
In den bisherigen Abschnitten haben wir uns vertieft mit den verschiedenen
Risiken, Risikoinstrumenten und Risikoträgern beschäftigt; insofern dient Tab. 5.1
nur der Erinnerung.
Im nächsten Schritt werden wir die wesentlichen Risiken bei Projekten im
Bereich erneuerbare Energien betrachten, die wir bereits in Kap. 2 skizziert haben.
Beispielhaft stellen sich die verschiedenen Risikokategorien im Zeitablauf bei
einem Biogasprojekt wie in Abb. 5.6 dar.
Offensichtlich ist, dass die Risiken quantifizierbare Auswirkungen haben und
in ihrer Gesamtheit betrachtet und bewertet werden müssen. Die Quantifizierung
der Chancen und Risiken eines Projektes erweist sich als der Dreh- und Angel-
punkt eines übergeordneten Sicherungssystems. Die Quantifizierung ermöglicht
dabei, aus Investorensicht die Wirtschaftlichkeit, aus Sicht der weiteren Projektbe-
teiligten die Angemessenheit der Anreiz-Beitragsstruktur und aus Kapitalgebersicht
die Robustheit des Projektes zu beurteilen.
Die Investoren beurteilen das Projekt aus einer Base-Case-Betrachtung, wobei
sie in ihr Kalkül bessere und schlechtere Projektentwicklungen einbeziehen werden.
Die anderen Projektbeteiligten beurteilen das Vorhaben danach, welche Beiträge sie
zu leisten haben und ob die Gegenleistung dazu in einem angemessenen Verhältnis
328 5  Wirtschaftliche Aspekte

Abb. 5.6 Risikoeinflüsse auf ein Biogasprojekt

steht. Die Kreditgeber beurteilen das Projekt danach, ob bei einer Worst-Case-
Betrachtung die Bedienung des Kapitaldienstes gesichert erscheint. Hierzu über-
prüfen sie zum einen die Reagibilität des Projektes gegenüber möglichen adversen
Projektänderungen – z. B. verspätete Fertigstellung, Minder-Performance der
Anlagen oder Preisverfall auf der Marktseite – und bewerten zum anderen die
Möglichkeiten und Verpflichtungen des Projektes und der Projektbeteiligten, bei
negativen Planabweichungen unterstützend einzuspringen. Eine Möglichkeit, von
Seiten des Projektes gegenzusteuern, kann dabei z. B. die Verpflichtung sein, bei
Unterschreitung bestimmter Trigger Events – typischerweise Unterschreiten eines
bestimmten Schuldendienstdeckungsgrades – eine beschleunigte Tilgung der
Darlehen vorzunehmen (cash sweep).
Die verschiedenen Verpflichtungen der Projektbeteiligten gegenüber dem Projekt
haben wir im Zusammenhang mit der Diskussion der Einzelrisiken diskutiert. Im
Zusammenhang mit der Risikoquantifizierung geht es nunmehr darum, die vertrag-
lichen Verpflichtungen der Projektbeteiligten zu bewerten, was neben dem Umfang
der möglichen Verpflichtungen auch eine Bonitätsbeurteilung der Verpflichteten
erfordert. Darüber hinaus signalisiert die Verpflichtung der Projektbeteiligten ein
Interesse am Projekterfolg, was über die Ebene der Quantifizierbarkeit hinaus von
qualitativer Bedeutung ist.
Damit wird ersichtlich, dass Risikoquantifizierung und Risikoallokation in
einem engen Wechselverhältnis zueinander stehen. Eine Risikoquantifizierung ist
erst dann vollständig, wenn neben der isolierten Projektbetrachtung auch die ver-
schiedenen Beiträge der Projektbeteiligten mit betrachtet werden, die bestimmte
Projekt-Risiken übernehmen und das Projekt insoweit freihalten. Nach der
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 329

Anreiz-Beitrags-Theorie nach Barnard und March können die individuellen Vor-


und Nachteile der Beteiligten als positive und negative Anreize definiert werden,
die die Projektbeteiligten durch ihre eingebrachten Beiträge erhalten.
Andererseits erfordert eine Risikoallokation die Quantifizierung der Chancen
und Risiken sowohl auf Ebene der einzelnen Projektbeteiligten als auch auf Ebene
des Gesamtprojektes. Der einzelne Projektbeteiligte kann erst dann seine Chance-
Risiko-Position beurteilen, wenn er die vollständige Risikoquantifizierung des
Cashflow-Modells mit den oben beschriebenen Beiträgen der einzelnen Projektbe-
teiligten kennt.
An dieser Stelle wird deutlich, dass die Ermittlung einer geeigneten Finanzierungs-
struktur mit der Ausgestaltung der Projektstruktur und der Projektverträge auf das
engste zusammenhängt: Einerseits bestimmt die Ausgestaltung der Finanzierungs-
struktur darüber, welche Beiträge insbesondere die Sponsoren und die Kreditgeber
zu leisten haben, andererseits lässt sich eine Finanzierungsstruktur nur vor dem
Hintergrund der vertraglichen Verpflichtungen der verschiedenen Beteiligten beur-
teilen. Aus diesem Grunde ist die von Seiten der Sponsoren gestellte Frage nach
der notwendigen Höhe der Eigenmitteleinbringung auch erst dann abschließend zu
beantworten, wenn neben dem Risikoprofil des Projektes auch die vertraglichen
Verpflichtungen der einzelnen Projektbeteiligten bekannt sind.
Weiter ermöglicht erst die Risikoquantifizierung die Information über die
Performance des Projektes und ist damit Anknüpfungspunkt für Steuerungs-
maßnahmen der Projektgesellschaft bzw. für das Auslösen von Verpflichtungen
der Projektbeteiligten. Weichen Kennzahlen von Planwerten ab, werden – je
nach vertraglicher Ausgestaltung – die Projektbeteiligten verpflichtet, bestimmte
Beiträge zu leisten oder bestimmte Kreditsicherheiten greifen. Damit ermöglicht
die Risikoquantifizierung eine dauerhafte Begleitung des Projektes im Zeitablauf
und erfüllt die Funktion eines Steuerungsmechanismus. Abbildung 5.7 soll dies
abschließend verdeutlichen.
Das Cashflow-Modell ist für die Risikoquantifizierung von zentraler Bedeutung,
aber die Risikoquantifizierung endet nicht mit dem Cashflow-Modell. Zusätzlich
erfolgen auf Grundlage des Cashflow-Modells – zumeist separat vorgenommene
– Simulationsrechnungen über ein Rating-Tool, das verschiedene Projektverläufe
bei unterschiedlichen Umweltszenarien simuliert und aus Risikosicht der Banken
bewertet. Die Simulationsrechnungen werden dabei im Biogasbereich wesentlich
durch die Variabilität der operativen Kosten sowie der Entwicklung der Zinsstruk-
turkurven beeinflusst. Qualitative Faktoren, wie etwa die Bewertung des Fertig-
stellungsrisikos und die Erfahrungen des EPC-Contractors, haben gegenüber den
quantitativen Faktoren eine zumeist nachrangige Bedeutung (s. Tab. 5.2).
Zusammenfassend erfüllt die Risikoquantifizierung folgende Funktionen:
1. Quantifizierung der Wirtschaftlichkeit und der Belastbarkeit des Projektes,
2. Erarbeitung einer Projektstruktur, die die einzelnen Chancen und Risiken
sachgerecht zuweist und damit einen nachhaltigen Projekterfolg unterstützt,
3. Festlegung eines Frühwarnsystems, das Plan-Abweichungen erkennt und damit
die Handhabe liefert, um frühzeitig Gegenmaßnahmen durch einzelne Projektbe-
teiligte oder den Einsatz von Kreditsicherheiten einzuleiten.
330 5  Wirtschaftliche Aspekte

Abb. 5.7 Risikomanagementprozess bei einer Projektfinanzierung – Teil II

Tab. 5.2 Systematisches Vorgehen bei der Risikoquantifizierung


  Schritte: Besoderheiten und Bankenspezifika:
Hinweise:
CF-Modell Plausibilisierung und Nicht überoptimis- Es bestehen banken-
Übernahme der Daten des tisch sein, aber auch spezifische Unterschiede
Entwicklers in ein Cashflow- nicht das Projekt hinsichtlich der Laufzeit
Modell (im Prinzip soll die schlechter machen der Term Loans und
wahrscheinlichste Entwick- Belastbarkeitskiterien
lung des Projektes angegeben
werden) Ausnahme: War-
tungskosten werden
mindestens zu
Full-Service-Preisen
eingestellt
Rating-Tool Übertragung des Cashflow- Variabilität und Riskobewertung sollte
Modells in ein Rating-Tool Untergrenzung von bei demselben Projekt bei
und Vornahme von automa- Projektverträgen unterschiedlichen Banken
tisierten Simulationsrech- berücksichtigen identisch sein
nungen => Ziele: Objektive
Risikoeinschätzung
Explizite Angabe
der Gutachter-Unsi-
cherheit im Solargu-
tachten verlangen
Kalkula- Einstellung der Risikoein-   Je nach Verzinsungsan-
tions-Tool schätzung und der Margen- forderungen der Banken
bestandteile in ein weiteres können sich unterschiedli-
Bewertungs-Tool, das die che Preise für das Risko
Wirtschaftlichkeit aus Bank- ergeben
ensicht bewertet
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 331

Wir werden im folgenden Abschn. 5.2.3 skizzieren, wie eine Risikoquantifizie­


rung bei einer Projektfinanzierung erfolgen kann.

5.2.3 Darstellung der Reagibilität eines Biogasvorhabens auf ver-


schiedene Parameter-Änderungen

In Tab. 5.3 soll ein Biogas-Vorhaben mittels einer Analyse seiner Risikopotenziale
auf seine Projektfinanzierungsfähigkeit hin untersucht werden. Da die Ausprägung
der Projektrisiken in großem Maße von dem jeweiligen Finanzierungsobjekt
abhängt, soll ein Fallbeispiel aus der Praxis betrachtet und bewertet werden (Name
und Beträge geändert).
Auf Basis dieser Daten wurde von den Sponsoren ein erstes Cashflow-Modell
als Sponsors Case erstellt. Dieses Modell stellt die Ausgangsbasis für die Analyse
einzelner Projektrisiken dar, bevor es später im Rahmen der Risikoquantifizierung
unter Berücksichtigung sämtlicher zu bewertenden Risiken zur Entwicklung
einer geeigneten und tragfähigen Projektfinanzierungsstruktur dient. (s. Abb. 5.8,
s. Tab. 5.4)
Erkennbar ist, dass das Vorhaben unter den genannten Rahmendaten einen wirt-
schaftlichen Betrieb bei allerdings sehr knapper Belastbarkeit zulässt. Die interne
Rendite liegt bei 24,92 %, die Belastbarkeit bei einem Einnahmenniveau von
98,0 %.
Der DSCR-Verlauf weist hier abnehmende Deckungsrelationen auf, was für
die Mehrzahl üblicher Projektfinanzierungen eher ungewöhnlich ist. Dies erklärt
sich aus dem hohen Anteil der Betriebskosten an den Einnahmen einerseits und
einer angenommenen Preissteigerung des Materialaufwandes etwa in Höhe der
Inflationsrate andererseits. Zur Einordnung: Bei heutigen Photovoltaik-Projekten
liegen die operativen Kosten bei etwa 13 bis 20 % der Einnahmen, bei Biogas-Pro-
jekten liegt diese Quote bei etwa 80 %.
Das Bild ändert sich deutlich, wenn wir unterstellen, dass die Materialkosten auf
ihrem anfänglichen Nominalwert verbleiben. In diesem Fall ergeben sich eher ver-
traute DSCR-Verläufe (s. Abb. 5.9, s. Graph 2) und auch Belastbarkeiten, wie man
sie üblicherweise erwarten würde (s. Graph 3). (s. Tab. 5.5)
Die Ergebnisse zeigen aber auch, wie vorsichtig man bei der Planung mit
bestimmten Annahmen umgehen muss: der Unterschied zwischen den DSCR-
Verläufen liegt lediglich darin begründet, dass in einem Fall eine moderate
Inflationierung der Kosten von 2 % p. a. unterstellt wurde, im anderen Fall nicht.
Das wirtschaftliche Ergebnis bei Biogasprojekten hängt damit wesentlich von den
Annahmen zur anfänglichen Höhe der Materialkosten ab und deren zukünftiger
Entwicklung. Zum Vergleich: Bei PV-Projekten in Deutschland liegt die interne
Rendite im Jahr 2011 etwa in einer engen Spanne zwischen 6 und 9 %.
Die bisherigen Aussagen gelten unter der Prämisse, dass die genannten
Finanzierungsparameter auch für die Banken akzeptabel sind. Dies sehen wir uns
im weiteren Verlauf an. Zunächst analysieren wir im Folgenden aber die Aus-
wirkungen von einzelnen Parameter-Änderungen auf die Wirtschaftlichkeit des
Vorhabens.
332 5  Wirtschaftliche Aspekte

Tab. 5.3 Rahmendaten eines Biogas-Projektes in Deutschland


Projektname: Pleasant Valley
Projektstandort: Deutschland
Technologie: Biogas-Projekt
Gesamtinvestitionsvolumen: 6.535.000 €
Fremdkapitalvolumen: 4.400.000 e
Eigenkapitalvolumen: 2.135.000 €
Finanzierungsstruktur: Rückzahlung der Projektfinanzierungsdarlehen über
16 Jahre mit linearem Tilgungsverlauf (Ratendarlehen).
Tilgungsfreie Zeit 36 Monate
Schuldendienstreserve: nicht vorgesehen
Summe der Betriebskosten p. a.: 2.190.000 €
Inbetriebnahmezeitpunkt: 01.01.2011
Nennleistung: 3,00 MWel
Jahresenergieproduktion: 22,80 GWh
Einspeisetarif: 15,10 Cent/kWh für die ersten 20 Jahre Projektbetrieb
Der Einspeisetarif ergibt sich auf Basis des EEG 2009 unter Zugrundelegung der folgenden
Preisbestandteile (Angaben in Cent/kWh), wobei ein KWK-Bonus nicht mit eingerechnet
wurde:
Vergütungsstruktur des Beispielfalls:
Bis Leistung von Vergütung NaWaRo Technologie-Bonus (Innovative
… kW Anlagentechnik)
150 11,44 6,86 1,98
500 9,18 6,86 1,98
5.000 8,25 3,92 1,98

Abb. 5.8 DSCR-Verlauf Biogas-Projekt (Sponsors Case)

Tab. 5.4 Beurteilung des Sponsors Case aus Sicht der Kapitalgeber


  Min. DSCR Ø DSCR IRR
Sponsors Case 1,05 1,99 24,92 %
Einnahmen bei 97 %: 0,97 1,90 22,05 %
Einnahmen bei 98 %: 1,00 1,93 23,03 %
Operative Kosten plus 2,5 %: 0,91 1,88 21,69 %
Kombinationsfall (2 + 4): 0,76 1,79 18,54 %
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 333

Abb. 5.9 DSCR-Verlauf bei unterstellten konstanten Betriebskosten

Tab. 5.5 Beurteilung einer Betriebskostenvariation aus Kapitalgebersicht


  Min. DSCR Ø DSCR IRR
Sponsors Case 1,05 1,99 24,92 %
Wie 1, keine Preisindexierung der 1,74 2,37 29,86 %
Materialkosten:
Wie 2, Einnahmen bei 72,3 %: 1,00 1,42 3,06 %

5.2.3.1 Zinssatzänderung
Anhand des Fallbeispiels werden die Auswirkungen von Zinsänderungen in ver-
schiedenen Abstufungen dargestellt. Dabei werden ausgehend von der von den
Sponsoren vorgeschlagenen Finanzierungsstruktur der Zinssatz des Projekt­
finanzierungs­kredites in diesem Modell verändert und die hieraus resul­tierenden
Ergebnisse im Folgenden (s. Abb 5.10, s. Tab. 5.6) beschrieben.
Die Erhöhung der Zinssätze führt dazu, dass der DSCR durchgängig über die
gesamte Finanzierungslaufzeit unterhalb der Ausgangslage im Sponsors Case liegt.
Bei einem Anstieg des Zinssatzes des Projektfinanzierungskredites um 10,0 Pro-
zentpunkte auf einen Satz von 15,05 % jährlich beträgt der DSCR im letzten
Betriebsjahr noch 1,0, was bedeutet, dass der Kapitaldienst gerade noch geleistet
werden kann. Bei einem noch höheren Zinsanstieg wäre dies nicht mehr sicher-
gestellt und die bankseitigen Anforderungen der jederzeitigen und vollständigen
Leistung des Kapitaldienstes würden verfehlt. Die betrachtete Höhe des Zins-
anstieges stellt somit die Grenze der Projektbelastbarkeit dar.
Die Erhöhungsdifferenz von 10 Prozentpunkten bis zur Erreichung der Pro-
jektbelastbarkeitsgrenze kann als Sicherheitspuffer des Projektes für das Zins-
änderungsrisiko verstanden werden. Die Höhe dieses Sicherheitspuffers zeigt dabei,
dass das Projekt Pleasant Valley recht unempfindlich auf einen Zinsanstieg reagiert.
Diese Beobachtung kann generell bei Projektfinanzierungen im Bereich Bioenergie
gemacht werden, da diese eine relativ geringe Kapitalintensität aufweisen und damit
von einem Zinsänderungsrisiko wesentlich geringer betroffen sind als Vorhaben in
den Bereichen Windenergie oder Solarenergie. Diese Erkenntnis korrespondiert mit
334 5  Wirtschaftliche Aspekte

Abb. 5.10 DSCR-Verlauf bei unterschiedlichen Zinssätzen

Tab. 5.6 Beurteilung einer Zinssatzvariation aus Kapitalgebersicht


  Min. DSCR Ø DSCR IRR
Sponsors Case 1,05 1,99 24,92 %
Einnahmen bei 97 %: 0,97 1,90 22,05 %
Wie 1, Zinssatz plus 1 % 1,04 1,81 22,86 %
p. a.:
Zinssatz plus 2 % p. a.: 1,04 1,68 20,75 %
Zinssatz plus 10 % p. a.: 1,00 1,16 2,22 %

der bereits oben angesprochenen hohen Betriebskostenquote an den Einnahmen:


Umgekehrt bedeutet dies auch eine geringe Kostenquote von etwa 20 % bei Biogas-
projekten, die für den Kapitaldienst aufgebracht werden muss.

5.2.3.2 Betriebskostenänderung
Die Folgen aus dem Eintritt des Betriebs- und Managementrisikos werden über eine
Variation der Betriebskosten dargestellt und die hieraus resultierenden Ergebnisse
im Folgenden beschrieben. Die jährlichen Betriebskosten werden in verschiedenen
Szenarien um jeweils 5 %-Punkte erhöht. Die genannten Beträge beziehen sich auf
den Ausgangswert der Betriebskosten im ersten Betriebsjahr ohne Berücksichtigung
des im Modell generell kalkulierten Betriebskostenanstieges von 2 % jährlich.
Die entgegen der Ausgangslage im Sponsors-Case zusätzlich anfallenden Betriebs-
kosten müssen durch den unveränderten Projekt-Cashflow gedeckt werden. Dadurch
sinkt der Teil des Projekt-Cashflows, der für die Bedienung des Kapitaldienstes zur
Verfügung stehen kann. Die Kapitaldienstfähigkeit in Form des DSCR sinkt folglich
über die gesamte Finanzierungslaufzeit, wie es die Abb. 5.11 veranschaulicht.
Es zeigt sich, dass auch hier der DSCR durch die vorgenommene Veränderung
durchgängig unterhalb der Ausgangslage im Sponsors-Case liegt. Selbst bei
geringen Kostensteigerungen ist die Bedienung des Kapitaldienstes gefährdet, so
dass die bankseitigen Anforderungen der jederzeitigen und vollständigen Leistung
des Kapitaldienstes verfehlt werden.
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 335

Abb. 5.11 DSCR-Verlauf bei veränderten Betriebskosten

Tab. 5.7 Beurteilung einer Betriebskostenvariation aus Kapitalgebersicht


  Min. DSCR Ø DSCR IRR
Sponsors Case 1,05 1,99 24,92 %
Operative Kosten plus 5 %: 0,59 1,76 17,98 %
Kombinationsfall (2 + 3): −1,01 1,34 −9,61 %

Insgesamt zeigt sich das Projekt Pleasant Valley sehr empfindlich gegenüber
Betriebskostenanstiegen, weil die Betriebskosten im Verhältnis zu Investitions-
volumen, Projekt-Cashflow und Kapitaldienst einen erheblichen Anteil ausmachen.
In diesem Fall erreichen die Betriebskosten knapp 80 % der Einnahmen. Zum Ver-
gleich: Bei Windenergieprojekten liegt diese Quote üblicherweise zwischen 25
und 30 %, bei Solarprojekten sogar nur bei etwa 20 %. Diese Relation erklärt auch
die geringe Zinsreagibilität des Biogasprojektes: Der gesamte Kapitaldienst macht
etwa 9,1 % der gesamten Einnahmen aus, so dass Änderungen des Zinssatzes nur
eine geringe Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens haben.
Diese Empfindlichkeit gegenüber Biogasprojekten ist nicht nur in diesem
speziellen Fall zu beobachten, sondern eine generelle Eigenschaft von Biogas-Pro-
jekten.

5.2.3.3 Einnahmenrückgang
Die dargestellten Folgen aus dem Eintritt des Ressourcenrisikos und die sich
hierdurch ergebenden Auswirkungen haben wir im Folgenden über eine Variation
des Jahresenergieertrages in mehreren Szenarien abgebildet. Die Kapitaldienst-
fähigkeit in Form des DSCR sinkt folglich über die gesamte Finanzierungslaufzeit,
wie es die Abb. 5.12 veranschaulicht.
Durch die vorgenommene Veränderung liegt der DSCR durchgängig unterhalb
der Ausgangslage im Sponsors-Case. Da das Vorhaben bereits im Sponsors Case
nur einen Rückgang der Einnahmen von 2 % verkraften konnte, erübrigt sich an
dieser Stelle eine Diskussion der DSCR-Verläufe der ungünstigeren Szenarien.
336 5  Wirtschaftliche Aspekte

Abb. 5.12 DSCR-Verlauf bei Einnahmenveränderung

Tab. 5.8 Beurteilung einer Einnahmenänderung aus Sicht der Kapitalgeber


  Min. DSCR Ø DSCR IRR
Sponsors Case 1,05 1,99 24,92 %
Einnahmen bei 95 %: 0,92 1,84 20,01 %
Einnahmen bei 90 %: 0,60 1,68 14,14 %
Einnahmen bei 85 %: −0,15 1,44 6,86 %

Die Differenz von 2 % bis zum Erreichen der Projektbelastbarkeitsgrenze aus
Sicht des Sponsors-Case kann somit auch als dessen Sicherheitspuffer im Hinblick
auf das Ressourcenrisiko verstanden werden. Die Höhe des Sicherheitspuffers bei
Pleasant Valley ist dabei als sehr knapp zu bewerten, wenn man sich vor Augen
hält, dass die Liefermengen der benötigten Biomasse regelmäßig preislich nicht
langfristig fixiert werden können und es keine preisliche Anpassungsmöglichkeiten
auf der Absatzseite gibt.
Nach dieser ersten Einstimmung der Reagibilität eines Biogas-Projektes auf
verschiedene Parameter-Änderungen betrachten wir im Abschn. 5.2.4 die Möglich-
keiten einer Risikoquantifizierung.

5.2.4 Verfahren der Risikoquantifizierung: Cashflow-Modell und


Rating-Verfahren

5.2.4.1 Dynamische Ziele einer Risikoquantifizierung


Ziel einer Risikoquantifizierung ist, die Wahrscheinlichkeit und den quantitativen
Umfang möglicher negativer Abweichungen des Projektes im zeitlichen Ablauf
zu ermitteln. Die hierzu in der Praxis entwickelten Methoden haben dabei die
betriebswirtschaftlichen Tendenzen nachvollzogen und entwickelten sich von
den statischen Methoden zu dynamischen Verfahren, die nunmehr die einzelnen
Risiken im zeitlichen Ablauf berücksichtigen. Zum Teil sieht man allerdings auch
heute noch Kalkulationsbeispiele, die darauf abzielen, eine Betrachtung für ledig-
lich ein Jahr anzustellen oder aber eine Gewinngröße zu ermitteln. Von beiden
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 337

Herangehensweisen muss dringend abgeraten werden: Zum einen sollte klar sein,
dass eine statische Betrachtung künftige Veränderungen von Einzahlungen und
Auszahlungen nicht abbilden und damit zu einer gravierenden Fehleinschätzung der
Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens führen kann. Zum anderen sind es lediglich die
zahlungswirksamen Größen, die für die Begleichung der operativen Kosten und des
Kapitaldienstes herangezogen werden können, nicht aber eine aus der Gewinn- und
Verlustrechnung stammende Größe, die für Rechnungslegungszwecke entwickelt
wurde. Es sollte daher Standard sein, auf dynamische Verfahren zu setzen und nur
Nach-Steuer-Cashflows zu betrachten (Abb. 5.13).
Aus Sicht des Investors werden regelmäßig die Ein- und Auszahlungen, die er
leisten muss bzw. erhält, auf den Zeitpunkt der Investitionsentscheidung mit einem
geeigneten Kalkulationszinssatz abgezinst. Ergibt sich ein positiver Kapitalwert,
erscheint das Vorhaben vorteilhaft. Alternativ – wenn auch mit gewissen theo-
retischen Nachteilen – kann der interne Zinssatz den Investor darüber informieren,
ob eine bestimmte Mindestverzinsung seines Eigenkapitals erreicht oder über-
schritten wird. In der Praxis wird hierfür meist der interne Zinssatz (Internal Rate
of Return) herangezogen. Bei dieser Methode wird der Zinssatz berechnet, bei dem
die Barwerte der Einzahlungen und Auszahlungen des Investitionsvorhabens gleich
groß sind. Daraus ergibt sich folgende Formel, wobei die Zielgröße der interne
Zinssatz r ist:
n
∑ (Et − At) • (1 + r)−t = 0
t=0
Et: Einzahlungen in Periode t
At: Auszahlungen in Periode t
t: Periode
n: Nutzungsdauer des Investitionsobjektes
r: interner Zinssatz
Auf diese Weise erhält man die Effektivverzinsung eines Investitionsvorhabens.
Die Investition wird unter der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes dann
durchgeführt, wenn der interne Zins über dem Kapitalmarktzins liegt. Für die
Berechnung wird außerdem die Annahme getroffen, dass etwaige Zahlungsdefizite
oder Zahlungsüberschüsse zum jeweiligen internen Zinssatz verzinst werden.
Allerdings sind die so abgeleiteten Kennzahlen nicht geeignet, die Dimensionierung
und Struktur der Fremdmittel zu bestimmen. Hier kommt die Sichtweise der Fremd-
kapitalgeber ins Spiel. Aus Sicht der Fremdkapitalgeber interessiert primär die
Frage, wie sicher es ist, dass Zinsen und Tilgung aus dem Cashflow des Projektes
erbracht werden können – je höher hier die Überdeckung ist, um so robuster sollte
das Projekt auf Planänderungen reagieren. Die interne Rendite und die Belastbar-
keit eines Projektes stehen im folgenden Verhältnis zueinander: Solange das Projekt
einen positiven Leverage-Effekt aufweist, sollte einem Vorhaben mehr Fremdkapital
zugeführt werden, damit die interne Rendite maximiert werden kann. Damit stehen
beide Ziele im Regelfall in einem Trade-Off zueinander: Die Fremdkapitalgeber
bevorzugen Projekte mit einem hohen Eigenmittelanteil, der ihr Risiko reduziert,
aber andererseits die interne Rendite des Vorhabens verringert. Im Regelfall stehen
338 5  Wirtschaftliche Aspekte

Abb. 5.13 Gegenüberstellung Interner Zinssatz/Debt Service Cover Ratio

Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgeber in einem Wettbewerb um die freien


Cashflows des Projektes. Eine Ausnahme bilden Regelungen ab, die die Situation
eines Dritten betreffen, also etwa die Ausgestaltung von Wartungs- oder Betriebs-
führungsverträgen.
Im Folgenden betrachten wir das Cashflow-Modell unter dem Blickwinkel der
Ausgestaltung einer Finanzierungsstruktur und damit in einem fortgeschrittenen
Stadium aus Sicht der Fremdkapitalgeber.
Hauptproblem der im Folgenden darzustellenden Verfahren ist die Prognose der
zukünftigen Periodenerfolge, die sich – in den Planungen der Projektbeteiligten
– häufig als eine einmalige Analyse der wahrscheinlichen Entwicklung des Pro-
jektes darstellt. Dabei weisen diese Verfahren zwei Mängel auf: Zum einen wird
die Wechselwirkung des Projekterfolgs mit den Interessen der verschiedenen
Projektbeteiligten meist nicht thematisiert. Wir haben diesen Aspekt in Kap. 2
skizziert. Zum anderen werden Handlungsmöglichkeiten der Projektbeteiligten –
vor allem der Projektgesellschaft – auf Veränderungen der Umwelt, die auf das
Projekt einwirken, nicht abgebildet, so dass die eher statische und gerichtete Sicht
der traditionellen Bewertungsverfahren ergänzt werden muss. Gleichwohl sind die
Kennzahlenermittlung und die Projektsteuerung über Kennzahlen die zentralen Ele-
mente jeder Risikoquantifizierung.
Der primäre Finanzierungsgedanke einer Projektfinanzierung beinhaltet, dass der
generierte Cashflow ausreichen soll, um einerseits den Schuldendienst zu decken
und andererseits eine angemessene Absicherung gegen den Eintritt möglicher
Risiken zu bieten. Zur Umsetzung dieser Zielvorgabe werden die erwarteten Pro-
jekterlöse ermittelt und anschließend in Bezug zum ausstehenden Schuldendienst
oder Kreditbetrag gesetzt.
Bei diesem Modell werden die Cashflows des Projekts unter Annahme der Plan-
daten periodenweise simuliert und es wird dann geprüft, inwiefern das Projekt in
der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Die ermittelte Über- oder Unterdeckung kann mit Hilfe des Debt Service Cover
Ratio (DSCR, Schuldendienstdeckungsgrad) aggregiert dargestellt werden. Der
DSCR beschreibt dabei, inwieweit der Cashflow zur Deckung des Schulden-
dienstes ausreicht. Da es üblich ist, zur Erhöhung der Belastbarkeit des Projekts
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 339

eine Schuldendienstsreserve (SDR) vorzuhalten, wird der DSCR im weiteren Ver-


lauf der Arbeit wie folgt definiert:
Cashflow der Periode + Schuldendienstreserve
DSCR =
Schuldendienst der Periode
Die so für die einzelnen Perioden ermittelten DSCR können in einem Graphen,
der die gesamte Kreditlaufzeit abbildet, dargestellt werden, wodurch die für das
Projekt kritischen Phasen leicht zu identifizieren sind.
Bei einem DSCR ≥ 1,0 ist der Schuldendienst der Periode durch die Cashflows
gedeckt. Um eine Absicherung gegen Schwankungen des Cashflows vorzunehmen,
besteht von Seiten des finanzierenden Kreditinstituts im Allgemeinen der Anspruch,
dass das Projekt in der Lage sein muss, auch in einem Worst-Case-Fall einen
DSCR ≥ 1,0 zu generieren. Die Anforderung an die als notwendig angesehene
Überdeckung hängt von dem Umfang der Risikoüberwälzung ab, so dass eine bank-
seitige Forderung nach einem Mindestdeckungsverhältnis durch die projektspezi-
fische Risikostruktur mit beeinflusst wird. Je ausgeprägter die Risikoübernahme
unter Berücksichtigung der Risikotragfähigkeit des betreffenden Risikoträgers ist,
umso geringer kann die Überdeckung ausfallen.
Der Schuldendeckungsgrad fordert lediglich eine pauschale Überdeckung für
den Risikofall. Demnach gibt der DSCR noch keine Auskunft über die Entwick-
lung des Cashflows unter Risikoeinfluss. Inwieweit eine im DSCR enthaltene
Sicherheitsmarge im Falle einer Risikorealisation ausreichend bemessen ist, wird
zunächst noch nicht ersichtlich. Erst unter Anwendung von dynamischen Analyse-
methoden wird der DSCR zu einer Bewertungs- und Steuerungsgröße. Der Ein-
satz des Cashflow-Modells und die Betrachtung des DSCR als zentrale Kenngröße
unterstützt auch die in dieser Arbeit eingenommene Sichtweise, da die aus Sicht der
Kredit gebenden Bank elementare Fähigkeit des Projektes zur Leistung von Zins
und Tilgung abgebildet wird (s. Abb. 5.14).
Neben der Bewertung der Ausgangssituation mit Plandaten kann mit dem
Cashflow-Modell auch der Einfluss einzelner Risiken auf das Projekt bewertet
werden. Mit Hilfe der Sensitivitätsanalyse wird dabei durch eine Simulation der
verschiedenen Input-Daten geprüft, inwiefern entstehende Veränderungen im
Cashflow die Tragfähigkeit des Projektes beeinflussen. Ziel ist es, die Reaktions-
empfindlichkeit des Projektes auf veränderte Umweltbedingungen aufzuzeigen.
Auf diese Weise wird ersichtlich, welche Bedeutung jeweils der Absicherung eines
Risikos zukommt.
Da sich die Einzelrisiken und die spezifischen Risikoinstrumente im zeitlichen
Ablauf des Projektes wandeln können, treten neben die eher statische Betrachtung
des Schuldendienstdeckungsgrades den zeitlichen Ablauf stärker betonende
dynamische Methoden in den Vordergrund, nämlich die Sensitivitätsanalyse, die
Szenariotechnik, die simulative Risikoanalyse und neuerdings die Methode der
Real- oder Handlungsoptionen.
Ziel der Sensitivitätsanalyse ist die Darstellung der Auswirkungen von Varia-
tionen des Wertes einzelner oder mehrerer Parameter auf das Entscheidungskriterium
340 5  Wirtschaftliche Aspekte

Abb. 5.14 Grundlegendes Cashflow-Modell mit Base- und Worst-Case. (Nevitt und Fabozzi
2000, S. 12)

(z. B. Cashflow oder DSCR), um so zusätzliche Informationen über den Risiko-


gehalt des Projektes zu gewinnen. Die Sensitivitätsanalyse kann dabei grund-
sätzlich in zweierlei Weise vorgenommen werden: Zum einen vom gewählten Beur-
teilungskriterium zum variablen Risikoparameter (Fragestellung: um wie viel darf
der Risikoparameter schwanken, ohne den Zielwert beim gewählten Kriterium zu
beinträchtigen? – Methode der kritischen Werte), zum anderen vom Risikopara-
meter zum Beurteilungskriterium (Fragestellung: Wie schwankt die Messzahl des
Beurteilungskriteriums, wenn der Risikoparameter verändert wird – Alternativen-
rechnung). Vorteilhaft ist dabei die Ermittlung, welche Änderungen des Daten-
kranzes sich besonders sensibel auf den Cashflow auswirken.
Nachteilig bei der Sensitivitätsanalyse ist der Umstand, dass sich in der Realität
nur selten einzelne Parameter c. p. verändern, sondern Interdependenzen zwischen
den Cashflow-Determinanten eher die Regel sind. Weiter ist mit der Sensitivitäts-
analyse noch nichts für die Frage der Eintrittswahrscheinlichkeit der verschiedenen
Parametereinsätze gewonnen. Das Verfahren macht jedoch deutlich, auf welche
Änderungen das Projekt – gemessen am Beurteilungskriterium – am sensibelsten
reagiert und weist so darauf hin, welchen Risiken besonderes Augenmerk geschenkt
werden muss.
Einen Schritt weiter geht die Szenariotechnik. Die Szenariotechnik stellt eine
besondere Form der Sensitivitätsanalyse dar, bei der auf Basis verschiedener als
realistisch angenommener Datenkonstellationen – so genannten Szenarien – die
Auswirkungen auf den Cashflow aufgezeigt werden, gemessen über den Schulden-
dienstdeckungsgrad (DSCR). Dadurch wird abgebildet, wie sich die Wirtschaftlich-
keit des Vorhabens in Abhängigkeit der für die wichtigsten Einflussparameter
hypothetisch unterstellten Entwicklungen verändern kann. Die Untersuchung wird
häufig auf drei Szenarien eingegrenzt:
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 341

• Base-Case (Unterstellung der wahrscheinlichsten Parameterwerte),


• Best-Case (Unterstellung günstigster Parameterwerte) und
• Worst-Case (Unterstellung ungünstigster Parameterwerte).
Als Vergleichsgröße dient das Base-Case-Szenario, das die verschiedenen Pro-
jektparameter mit ihrem wahrscheinlichsten Wert berücksichtigt. Ausgehend von
dem Base-Case-Szenario lässt sich durch pessimistische Schätzungen ein Worst-
Case-Szenario aufstellen. In diesem Szenario wird eine Projektsituation antizipiert,
die bei einer ungünstigen Entwicklung der Cashflow-Determinanten eintritt und des-
halb für die Fremdkapitalgeber von besonderer Bedeutung ist. Denn anhand einer
Worst-Case-Betrachtung kann festgestellt werden, ob auch bei stark negativen Ent-
wicklungen das Projekt in der Lage ist, den Schuldendienst zu erbringen. Ergeben
die Auswertungen dieses Szenarios, dass eine Unterdeckung des Schuldendienstes
vorliegt, müssen die Banken über mögliche Modifikationen am entworfenen
Finanzierungsplan nachdenken. Aus Sicht der fremd finanzierenden Bank ist ein
besserer Verlauf als der Base Case nicht entscheidungsrelevant, da ihr Risikobegriff
aufgrund ihrer Chance-Risikoposition als negative Zielabweichung definiert ist und
der Schuldendienst unabhängig davon erbracht werden muss, welches Ergebnis das
Projekt generiert.
Bedeutung des Base-Case-Szenarios:
1. Als Vergleichsgröße zu anderen Vorhaben dient das Base-Case-Szenario, das
die verschiedenen Projektparameter mit ihrem wahrscheinlichsten Wert berück-
sichtigt.
2. Für die Eingaben in das Rating-Tool der Banken müssen die Annahmen auf ein
Base Case-Niveau gebracht werden. Die Rechnung innerhalb des Rating-Tools
simuliert auch negative Projektverläufe, die das maximal vertretbare Fremd-
finanzierungsvolumen aufzeigen.
Bedeutung des Worst-Case-Szenarios:
1. In diesem Szenario wird eine Projektsituation antizipiert, die bei einer ungüns-
tigen Entwicklung der Cashflow-Determinanten eintritt und für die Fremd-
kapitalgeber von besonderer Bedeutung ist, da geprüft wird, ob auch bei stark
negativen Entwicklungen das Projekt in der Lage ist, den Schuldendienst zu
erbringen.
2. Liegt im Worst-Case-Szenario eine Unterdeckung des Schuldendienstes
vor, müssen die Banken über mögliche Modifikationen am entworfenen
Finanzierungsplan nachdenken.
Bei Biogas-Vorhaben werden die folgenden Parameter im Rahmen einer
Simulationsrechnung variiert:
1. Die Volatilitäten, die sich aus dem Biomasseangebot ergeben, werden fort-
geschrieben und sind der Haupttreiber für das Rating-Ergebnis eines Biogas-
Projektes.
2. Für das Zinsumfeld, soweit die Darlehenstranchen nicht zinsgesichert sind,
erfolgt ebenfalls eine Simulation von Zinsszenarien, die länderspezifisch hin-
terlegt sind.
3. Des Weiteren gibt es weitere makroökonomische Größen – wie z. B. Inflations-
sätze – die als eigene Datensätze hinterlegt sind.
342 5  Wirtschaftliche Aspekte

Dabei wird das Rating-Ergebnis umso besser ausfallen, je geringer die


Volatilitäten sind und je höher die Überdeckungsrelationen (DSCRs) ausfallen.
Die Tatsache, dass auf der Grundlage der Sensitivitätsrechnung bzw. Szenario-
technik keine Aussage über die Eintrittswahrscheinlichkeit der unterstellten
Cashflow-Konstellationen möglich ist, wird als das größte Defizit dieser Unter-
suchungsmethode angesehen. Um dies zu kompensieren, können aufgrund vor-
handenen Fachwissens subjektive Eintrittswahrscheinlichkeiten unterstellt werden.
In den folgenden Abschnitten werden wir die verschiedenen, in der Praxis
dominierenden Kennzahlen innerhalb einer Projektfinanzierung darstellen und
kritisch würdigen.

5.2.4.2 Der Schuldendienstdeckungsgrad als zentrale Kennziffer


Der Schuldendienstdeckungsgrad (Debt Service Cover Ratio, DSCR) ist die
wahrscheinlich am häufigsten gebräuchliche Kennzahl innerhalb einer Projekt-
finanzierung:
Cashflow der Periode + Schuldendienstreserve
DSCR =
Schuldendienst der Periode
Diese Kennzahl wird zum einen jährlich – manchmal auch zu jedem Kapital-
diensttermin – berechnet, zum anderen aber bereits zur Planung eines Projektes
über die gesamte Kreditlaufzeit ausgewiesen. Die Dominanz des DSCR erklärt
sich unmittelbar aus dem zentralen, wirtschaftlichen Charakteristikum einer Pro-
jektfinanzierung: Da die zur Finanzierung des Projektes aufgenommenen Darlehen
ausschließlich aus dem vom Projekt generierten Cashflows zurückgeführt werden,
ist es nahe liegend, den Cashflow-Verlauf dahingehend zu untersuchen, ob er in
der Lage ist, den Kapitaldienst für die Darlehen zu erbringen. Wenn der Schulden-
dienstdeckungsgrad die einzige verwandte Kennzahl ist, ist dies für die Zwecke
einer Projektfinanzierung gleichwohl ausreichend.
Der DSCR gibt an, um welchen Faktor der erwartete Cashflow den Kapitaldienst
in jedem Jahr über- oder unterdeckt. Banken sind aufgrund ihrer Risikopräferenzen
nur bereit, Projektkredite bei Überschreitung bestimmter Überdeckungsverhält-
nissen zur Verfügung zu stellen. Wenn der DSCR unter 1,00 fällt, kann das Projekt
seinen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nicht mehr vollständig nachkommen
und muss entweder weitere Kreditmittel aufnehmen, Eigenmitteleinschüsse erhalten
oder eine Änderung des Tilgungsprofils muss verhandelt werden. Die Kennzahl
ist im besonderen Maße dafür geeignet, das Rückzahlungsprofil eines Projektes zu
bestimmen. In der oben genannten Verwendung beinhaltet sie die Schuldendienst-
reserve: Dies hat zwar den Nachteil, dass im Basisfall der DSCR strukturell über-
schätzt wird, aber den deutlichen Vorteil, dass in einem Belastungsfall – und vor
allem dieser interessiert die Kreditgeber – die Belastbarkeit des Vorhabens inklusive
der Reserven, die für die Bedienung des Kapitaldienstes zur Verfügung stehen, auf-
gezeigt wird.
Wenn die Kennzahl wie oben benutzt wird, sollte sich die Interpretation auf
einen Belastungsfall beziehen. In einem Basisfall ist zu berücksichtigen, dass der
DSCR um die Schuldendienstreserve zu hoch ausgewiesen wird. Keinesfalls dürfen
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 343

hier andere Konten als die Schuldendienstreserve eingerechnet werden, wie z. B.
eine Wartungskostenreserve. Der Schuldendienstdeckungsgrad ist eine hochgradig
verdichtete Kennzahl, da sie sämtliche Einzahlungen und Auszahlungen eines Vor-
habens vor dem Hintergrund der Kapitaldienstfähigkeit darstellt.
In jedem Fall sei davor gewarnt, allein auf den minimalen Schuldendienst-
deckungsgrad eines Vorhabens zu sehen. Dies ist ein eher allgemeiner Merksatz,
der bereits in einer Reihe von Rechnungslegungssystemen festgeschrieben ist: Es
existiert keine Möglichkeit, die Performance eines Unternehmens in einer Kenn-
zahl auszudrücken. Daher sollte keine alleinige, übertriebene Bedeutung auf eine
noch so wichtige Kennzahl gelegt werden, sondern zusätzlich untersucht werden,
welche Parameter realistischerweise wie weit schwanken können und welche Kon-
sequenzen sich insoweit auf die Belastbarkeit des Vorhabens ergeben.
Je nach Risikoeinschätzung kann der festgesetzte Mindestdeckungsgrad stark
variieren, wobei er umso höher sein wird, je größer die Risikoübernahme der Pro-
jektbeteiligten ist. Entsprechend schwanken die Überdeckungsverhältnisse in
Abhängigkeit von den Erfahrungen der Branche und dem jeweiligen Risikoprofil
eines Projektes. Wichtig ist die Frage, wie robust das Projekt gegenüber negativen
Planabweichungen reagiert und welche Sicherungsmechanismen greifen, um daraus
eine Mindestdeckungsrelation für die Vergabe von Projektkrediten zu ermitteln.
Die Bedeutung der Risikoabsicherung nach dem Kriterium des Schuldendienst-
deckungsgrades zeigt auch eine Schwäche dieses Verfahrens: Sein Ausgangspunkt
ist nicht die Analyse der Risiken als solche und ihre Bemessung, sondern die auf
die möglichen Folgen abgestellte Bemessung eines Risikopolsters, mit dem die
verbleibenden Risiken pauschal abgesichert werden sollen. Solange das pauschal
bestimmte Sicherheitspolster eine ausreichende Abfederung verschafft, mag dies
genügen. Je dünner allerdings die Polster werden, umso stärker rücken wiederum
die Einzelrisiken und die spezifischen Risikoinstrumente in den Vordergrund.

5.2.4.3 Die Einbindung des Rating-Verfahrens


Wie wir oben dargestellt haben, sind das Cashflow-Modell und das Rating-Ver-
fahren zwei ineinander greifende methodische Verfahren, deren Ziel es letztlich ist,
eine für ein Projekt aus Risikoaspekten angemessene Risikostruktur zu ermitteln.
Dabei dient das Cashflow-Modell einer ersten Abschätzung der Projektbelast-
barkeit und Wirtschaftlichkeit und das Rating-Verfahren ermöglicht es dann, den
Cashflow-Verlauf innerhalb einer Simulation zu bewerten. Das Rating-Ergebnis kor-
respondiert mit einer Risikobepreisung. Sofern diese von der im Cashflow-Modell
verwandten Risikobepreisung abweicht, die ja zunächst eine Schätzgröße abbildet,
muss das Modell angepasst und die Simulationsrechnung wiederholt werden.
Im Bedarfsfall muss dieser Prozess so lange wiederholt werden, bis Cashflow-
Modell und Rating-Verfahren von denselben Angaben ausgehen. Insofern sind die
Cashflow-Modellierung und die Bewertung durch ein Rating-Tool ein ineinander
greifender Prozess, der dann abgeschlossen ist, wenn die Annahmen im Cashflow-
Modell und im Rating-Tool identisch sind.
Die Ziele, die mit einem Rating-Tool verfolgt werden, lassen sich wie folgt sub-
sumieren:
344 5  Wirtschaftliche Aspekte

1. Objektive und standardisierte Risikobeurteilung eines Projektes.


2. Kalkulation eines Gesamtrisikos für eine Projektfinanzierung – Ermittlung einer
Ausfallwahrscheinlichkeit (PD, „probability of default“), die wiederum für die
Risikobepreisung relevant ist.
3. Regulatorische Anforderungen, insbesondere die Kapitaladäquanzanforderungen
nach Basel II, können eingehalten werden.
Das Rating-Tool geht dabei wie folgt vor:
1. Simulation der wesentlichen Risikotreiber unter einem bestimmten Annahmen-
Set und unter Berücksichtigung von
2. makroökonomischen Faktoren: Zinssätze, Wechselkurse und Inflationsannahmen
sowie
3. branchenspezifischen Annahmen: basierend auf einem Random-Walk-Ansatz,
der auf historischen Volatilitäten und Korrelationen basiert.
In diesem Zusammenhang müssen zwei Volatilitäten unterschieden werden:
Dies ist zum einen die Volatilität der Preise der Bezugsstoffe, zum anderen die im
Biomassegutachten angegebene Prognoseunsicherheit der Gutachter. Die Volatilität
der Preise der Bezugsstoffe wird typischerweise über standortspezifische Gutachten
dargestellt.
Die zweite Volatilität, die sich auf das Biomasseangebot bezieht, ist die im
Gutachten angegebene Unsicherheit, die so genannte Banking Case Uncertainty
(BCU). Die BCU beschreibt den Umstand, dass nicht nur das Biomasseangebot
als solche unsicher ist, sondern auch das korrekte Startniveau. Das im Rating-Sinn
korrekte Start-Niveau ist das Annahmen-Set, das mit derselben Wahrscheinlichkeit
überschritten und unterschritten wird (so genannter p(50)-Fall). Die BCU ist daher
ein Maß für die Verlässlichkeit der Prognose eines Ertragswertgutachtens.
1. Die Berücksichtigung der BCU führt zu einer Parallelverschiebung der DSCR-
Reihe und damit zu einer Erhöhung der PD.
2. Wird die BCU nicht explizit vom Gutachter angegeben, wird ein Wert von 10 %
unterstellt (üblich sind vielleicht 5 %).
Damit ergeben sich folgende Empfehlungen für die Beauftragung von Biomasse-
gutachten:
1. Es sollten standortspezifische Gutachten erstellt werden. Regelmäßig sind
die dabei ermittelten Standardabweichungen deutlich geringer als die länder-
bezogenen Werte.
2. Des Weiteren sollte der Gutachter explizit angeben, mit welcher Unsicherheit er
bei seinem Gutachten rechnet, ansonsten erfolgt auch hier eine „Bestrafung“ des
Projektes mit verhältnismäßig hohen Werten.
3. Beide Maßnahmen führen dazu, dass die Volatilitäten geringer ausfallen, was
sich günstig auf das Rating-Ergebnis und damit auf die Fremdkapitalausstattung
auswirkt.
Neben den quantitativen Eingaben, die Eingang in das Cashflow-Modell finden,
wird das Vorhaben hinsichtlich seiner Struktur und der Einbindung der Projektbe-
teiligten qualitativ beurteilt.
1. Projektstruktur und Beurteilung der Einbindung von Projektparteien,
2. Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit des Projektes und Marktumfeld und
3. Komplexität der Transaktion.
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 345

Die vorgenannten Faktoren werden über ein Scorecard-System zu einer Kenn-


zahl verdichtet, die zu dem Rating vor qualitativen Faktoren hinzuaddiert wird.
Die maximal mögliche Verbesserung – sofern alle qualitativen Faktoren den best-
möglichen Wert erzielen (was aber unrealistisch ist) – läge bei zwei Notches, das
maximale Downgrade bei drei Notches. Eine typische Veränderung liegt regel-
mäßig bei einem Notch. Im Ergebnis dominiert damit die Höhe und Entwicklung
der Schuldendienstdeckungsgrade das Rating-Ergebnis.
Dem Länderrisiko kommt für jede Projektfinanzierung eine besondere Bedeutung
zu, da im Rahmen der üblichen Rating-Verfahren das Länderrating das Projektrating
nach oben begrenzt – oder anders formuliert: ein Projektrating kann im Rahmen der
Ratingverfahren nicht besser sein als das Rating des Sitzlandes.
Nunmehr haben wir mit der Darstellung des Cashflow-Modells und des ihn
bewertenden Rating-Tools die Voraussetzungen geschaffen, um Hinweise für eine
Optimierung der für ein Projekt geeigneten Finanzierungsstruktur zu entwickeln.

5.2.5 Entwicklung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

Investoren und Kreditgeber haben das gleichgerichtete Interesse, ein Projekt so


wirtschaftlich wie möglich zu gestalten. Ein hoher Cashflow-Überschluss bedeutet
einerseits, dass die Fremdkapitalgeber mit größerer Sicherheit ihre festen und
erfolgsunabhängigen Rückzahlungsansprüche erfüllt sehen, aber auch, dass die
Sponsoren mehr bzw. frühzeitigere Ausschüttungen realisieren können. Während
beide Gruppen ein gleichgerichtetes Interesse haben, den Projektwert zu steigern,
besteht ein Wettbewerb um die Verwendung der Cashflows. Wie bereits oben ange-
sprochen, haben die Sponsoren tendenziell ein Interesse daran, möglichst viel
Cashflow frühzeitig auszuschütten, während die Fremdkapitalgeber möglichst
schnell getilgt werden wollen. Die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur
beinhaltet damit immer auch einen Verhandlungsprozess zwischen den beiden
Kapitalgebergruppen. Die folgenden Beispiele sollen verdeutlichen, wie ein Prozess
zur Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aussehen kann und welche Möglich-
keiten bestehen, ein Projekt aus Sicht beider Kapitalgebergruppen zu verbessern.
Zu diesem Zweck werden wir jeweils einzelne Parameter unseres obigen Bei-
spiels verändern (s. Tab. 5.1), uns die hieraus resultierenden Auswirkungen auf die
jeweiligen Beurteilungskennziffern der Kapitalgeber ansehen und im Anschluss
eine Finanzierungsstruktur entwickeln, die die verschiedenen Gestaltungsparameter
in einem unterschiedlichen Maße aufgreift. In einem ersten Schritt sehen wir uns
an, welche Auswirkungen sich auf eine Finanzierungsstruktur ergeben, wenn wir
die Laufzeit verändern.

5.2.5.1 Laufzeit-Variation
Während bei der ursprünglichen Struktur eine Laufzeit von 16 Jahren vorgeschlagen
wurde, ist diese nunmehr um zwei Jahre erhöht worden. Damit ergibt sich das in
Abb. 5.15 dargestellte Schaubild:
346 5  Wirtschaftliche Aspekte

Abb. 5.15 Variation der Laufzeit bei einem Biogasprojekt

Tab. 5.9 Beurteilung einer Laufzeitänderung aus Sicht der Kapitalgeber


  Min. DSCR Ø DSCR IRR
Sponsors Case 1,05 1,99 24,92 %
Einnahmen bei 97 %: 0,97 1,90 22,05 %
Verlängerung um 2 Jahre: 1,13 2,08 26,21 %
Wie 3, Einnahmen bie 95 %: 1,00 1,93 21,53 %

Erkennbar ist, dass der Schuldendienstdeckungsgrad im Sponsors Case durch-


gängig niedriger ist als bei einer um zwei Jahre längeren Laufzeit. Während die
Belastbarkeit im Sponsors Case bei einem Einnahmenniveau von 98,0 % liegt,
verbessert sie sich mit Verlängerung der Laufzeit um 3 Prozentpunkte auf 95,0 %.
Zusätzlich geht die Verbesserung der Belastbarkeit mit einer Erhöhung der internen
Rendite einher und zwar von 24,92 % auf 26,21 %. Bei einer Verkürzung der Lauf-
zeit kehren sich die beschriebenen Effekte spiegelbildlich um.
In einem ersten Schritt könnte man damit denken, dass beide Kapitalgeberg-
ruppen ein gleichgerichtetes Interesse an einer möglichst langen Laufzeit der
Darlehen haben. Doch tatsächlich findet man regelmäßig Laufzeiten bei Biogasvor-
haben, die eine Laufzeit von max. 14 Jahren haben.
Der Grund liegt darin, dass nur für eine ökonomische Nutzungsdauer auch
eine Finanzierung möglich ist. Die ökonomische Nutzungsdauer wird begrenzt
durch die technische Nutzungsdauer der Anlagen einerseits und die Laufzeit des
Regulierungsumfeldes andererseits. Üblicherweise erwarten die Banken, dass ihre
Darlehen früher zugeführt sind als es die maximale Laufzeit der Vergütung nach
dem Regulierungssystem vorsieht.
Laufzeit – Erkenntnisse:
1. Je länger die Laufzeit gewählt wird, umso höher wird die interne Rendite aus-
fallen und umso besser werden die Deckungsrelationen sein.
2. Es gibt regelmäßig Restriktionen der Banken hinsichtlich einer maximalen
Laufzeit des Term Loans, die sich wesentlich aus der Laufzeit und Struktur des
Regulierungsumfeldes sowie der verwendeten Technik ableiten lassen.
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 347

3. Es lässt sich der allgemeine Hinweis ableiten, die Laufzeit des Term Loans so
lange zu wählen, wie es die anderen Beteiligten zulassen.
4. Die für eine Bank maximale Laufzeit des Term Loans ist noch aus einem anderen
Grunde interessant: Aus ihrer Kenntnis und der Kenntnis des geforderten Belast-
barkeitsabschlages lässt sich mit dem restlichen Annahmen-Set ableiten, wie die
Eigenkapital-/Fremdkapitalausstattung aussehen sollte.

5.2.5.2 Tilgungsfreie Zeit


Im nächsten Beispiel sei die Veränderung der tilgungsfreien Zeit des Vorhabens
dargestellt. Während bei der ursprünglichen Struktur eine tilgungsfreie Zeit von
36 Monaten vorgeschlagen wurde, ist diese nunmehr auf zwölf Monate gekürzt
worden, wobei die Gesamtlaufzeit der Darlehen bis zu ihrer vollständigen Rück-
führung gleich geblieben ist (s. Abb. 5.16).
Erkennbar ist, dass der Schuldendienstdeckungsgrad im Sponsors Case praktisch
durchgängig geringer ist als bei einer um zwei Monate kürzeren tilgungsfreien Zeit.
Dies korrespondiert mit einer verbesserten Belastbarkeit der kürzeren tilgungsfreien
Zeit in einem Belastungsfall. Während die Belastbarkeit im Sponsors Case bei
einem Einnahmenniveau von 98,0 % liegt, verbessert sie sich im zweiten Fall um
Prozentpunkte auf 76,0 %. Allerdings geht die Verbesserung der Belastbarkeit mit
einem Rückgang der internen Rendite einher und zwar von 24,92 % auf 21,09 %.
Der Grund für die unterschiedlichen Belastbarkeiten ergibt sich aus folgender
Überlegung: Angenommen sei, man verzichte bei gegebener Gesamtlaufzeit des
Darlehens auf eine tilgungsfreie Zeit. In diesem Fall ergeben sich einerseits ins-
gesamt mehr Rückzahlungszeitpunkte, in denen das Darlehen zurückgezahlt
werden kann, so dass sich die jeweiligen Tilgungsbeträge reduzieren und die aus-
gewiesenen Schuldendienstdeckungsrelationen erhöhen. Andererseits besteht in
einem Belastungs-Szenario praktisch keine Möglichkeit mehr, die Schuldendienst-
reserve aus dem Cashflow des Projektes aufzubauen, so dass kein Risikopuffer vor-
handen ist. Im umgekehrten Fall einer verhältnismäßig langen tilgungsfreien Zeit
kann zwar auch in einem Belastungs-Szenario die Schuldendienstreserve aufgebaut
werden, aber die Tilgungsbeträge steigen pro Rückzahlungstermin an, da relativ
weniger Rückzahlungstermine zur Verfügung stehen. Aus Sicht der Fremdkapital-
geber ergibt sich damit eine Optimierungsaufgabe mit Blick auf die Ausgestaltung
der tilgungsfreien Zeit, die jeweils projektspezifisch zu lösen ist. Die Sponsoren
haben tendenziell ein Interesse daran, eine möglichst lange tilgungsfreie Zeit durch-
zusetzen, da sie ihnen ermöglicht, früher Ausschüttungen vorzunehmen, so dass
sich ihre interne Rendite verbessert.
Über die reine Cashflow-Betrachtung hinaus sollte man die technologische
Anfahrphase einer Biogas-Anlage berücksichtigen, die eine tilgungsfreie Zeit von
mindestens einem halben Jahr nahelegt (Fischer 2011, S. 756).
Tilgungsfreie Zeit – Erkenntnisse:
1. Bereits leichte Veränderungen der tilgungsfreien Zeit haben deutliche
Änderungen der internen Rendite zur Folge und noch größeren Einfluss auf die
Belastbarkeit.
348 5  Wirtschaftliche Aspekte

Abb. 5.16 DSCR-Verlauf bei Veränderung der tilgungsfreien Zeit

Tab. 5.10 Beurteilung der Veränderung aus Sicht der Kapitalgeber


  Min. DSCR Ø DSCR IRR
Sponsors Case 1,05 1,99 24,92 %
Tilgungsfreie Zeit bei 1 Jahr: 1,21 1,83 21,09 %
Tilgungsfreie Zeit bei 2 1,13 1,91 23,05 %
Jahren:

2. Die Auswirkungen auf die Belastbarkeit fallen umso größer aus, je flacher der
DSCR-Verlauf ist.
3. Für die meisten Projekte ist eine tilgungsfreie Zeit von 18 Monaten eine erste
gute Näherung; die allermeisten Vorhaben sollten mit einer tilgungsfreien Zeit
zwischen 18 und 24 Monaten realisiert werden.
Die Dimensionierung der tilgungsfreien Zeit muss auch im Zusammenhang mit
der Höhe und Dotierung der Schuldendienstreserve gesehen werden, wie wir im
Folgenden darstellen werden.

5.2.5.3 Höhe der Schuldendienstreserve


Ein Diskussionspunkt zwischen Banken und Projektgesellschaft ist die ange-
messene Höhe der Schuldendienstreserve. Wiederum seien die beiden Extrem-
positionen betrachtet: Würde auf die Schuldendienstreserve verzichtet, stünden bei
Schwankungen des operativen Cashflows möglicherweise nicht genügend liquide
Mittel zur Verfügung, um den Kapitaldienst zu bedienen. Um dies von vornherein
zu vermeiden, würden die Banken ihre Belastbarkeitsprüfung rein auf Basis der
operativen Cashflows auslegen, so dass sich c. p. eine höhere Eigenmittelaus-
stattung und damit auch eine niedrigere interne Rendite ergäbe. Auf der anderen
Seite ist es aber weder durchsetzbar noch notwendig, die Schuldendienstreserve
übermäßig zu dimensionieren. Zum einen wirkt der Einbau einer Schuldendienst-
reserve in eine Finanzierungsstruktur als eine faktische Ausschüttungssperre, da sie
aus dem Cashflow zwar nach dem Kapitaldienst dotiert wird, aber vor den Aus-
schüttungen. Daher wird die interne Rendite umso niedriger ausfallen, je mehr
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 349

Liquidität in die Dotierung der Schuldendienstreserve umgeleitet wird, anstatt an


die Sponsoren ausgeschüttet zu werden. Zum anderen muss der Cashflow des Vor-
habens auch so strukturiert sein, dass realistischerweise der Zielwert der Schulden-
dienstreserve erreicht werden kann. Wenn unter einem Stress-Szenario das Pro-
jekt nicht in der Lage ist, einen bestimmten Zielwert der Schuldendienstreserve
zu überschreiten, ist es auch aus Kapitalgebersicht nicht zielführend, auf diesem
überhöhten Zielwert zu beharren.
In unserem Beispiel wird gegenüber dem Sponsors Case der Zielwert der
Schuldendienstreserve von 0 % des Kapitaldienstes des Folgejahres auf 50 % ange-
hoben. Damit wird während der tilgungsfreien Zeit mehr Cashflow in die Dotierung
der Schuldendienstreserve umgeleitet, so dass einerseits die Belastbarkeit des Vor-
habens auf 88,7 % steigt, andererseits aber die interne Rendite des Vorhabens von
24,92 % auf 21,11 % sinkt (s. Abb. 5.17).
Schuldendienstreserve – Erkenntnisse:
1. Der Einbau einer Schuldendienstreserve führt regelmäßig zu einer erheblichen
Verbesserung der Belastbarkeit, was wiederum Raum für Gestaltungen der
Finanzierungsstruktur bei anderen Elementen lässt, wie etwa der Eigenkapital-
ausstattung. Dies setzt voraus, dass die Banken bei ihren Stress-Szenarien die
Schuldendienstreserve mit berücksichtigen, was im Regelfall so ist.
2. Eine Obergrenze der Ausstattung der Schuldendienstreserve wird dann erreicht,
wenn in einem unterstellten Belastungsszenario die Schuldendienstreserve nicht
mehr angespart werden kann. In diesem Fall entfaltet die SDR keine Sicherungs-
wirkung mehr für die Banken, verschlechtert aber die interne Rendite der
Investoren.
3. In der Praxis liegt die Schuldendienstreserve meist bei einem Wert von 50 % des
Kapitaldienstes des Folgejahres, z. T. werden aber auch höhere Werte vereinbart
(Fischer 2011, S. 757).
Neben der Höhe der Schuldendienstreserve gibt es weitere Gestaltungselemente,
die bei der Ausgestaltung der Schuldendienstreserve eine Rolle spielen, die aber nur
skizziert werden sollen:
1. In unserem Fallbeispiel wird die Schuldendienstreserve aus dem Cashflow
des Vorhabens aufgebaut. Alternativ ist denkbar, dass diese von Anfang an als
zusätzliche Kreditlinie durch die finanzierenden Banken zur Verfügung gestellt
wird. Aus Sicht der Sponsoren ergibt sich der Vorteil, dass für die Verfügung
dieser Kreditlinie lediglich Bereitstellungsprovisionen anfallen und Aus-
schüttungen früher möglich sind. Da die Kreditgeber das Vorhaben vorrangig
unter einem Belastungsszenario bewerten, werden sie nur dann bereit sein,
eine derartige Fazilität zur Verfügung zu stellen, wenn das Vorhaben eine Ver-
schuldungskapazität hat, die die Inanspruchnahme und planmäßige Rückführung
dieser Linie mit abdeckt. Regelmäßig kommt diese Variante daher dann in Frage,
wenn die Überdeckungsrelationen des Vorhabens besonders gut sind. Eine Vari-
ante dieser Fazilität besteht darin, dass eine dritte Partei sich verbürgt, etwaige
operative Cashflow-Defizite aufzufangen. In jedem Fall ist die Entscheidung,
ob eine der vorgenannten Varianten gewählt wird, auch aus Sicht der Sponsoren
350 5  Wirtschaftliche Aspekte

Abb. 5.17 DSCR bei Veränderung der Höhe der Schuldendienstreserve

Tab. 5.11 Beurteilung der Variation der Schuldendienstreserve aus Sicht der Kapitalgeber
  Min. DSCR Ø DSCR IRR
Sponsors Case 1,05 1,99 24,92 %
Einnahmen bei 97 %: 0,97 1,90 22,05 %
Wie 1, SDR von 8 Monaten: 1,05 2,62 21,11 %
Kombinationsfall (2 + 3): 1,00 2,29 9,04 %

ein Rechenexempel, bei dem Bereitstellungsprovisionen und etwaige Zinszah-


lungen mit dem Vorteil früherer Ausschüttungen verglichen werden müssen.
2. Die Höhe der Schuldendienstreserve kann in Abhängigkeit gebracht werden
von der Performance des Projektes. In Phasen mit geringeren Überdeckungs-
relationen kann etwa der Zielwert der Schuldendienstreserve höher sein als in
Phasen mit höheren Überdeckungsrelationen.

5.2.5.4 Performance-abhängige Betriebskosten


Wenn operative Kosten performance-abhängig sind, besteht ein natürlicher Puffer
bei Einnahmenrückgängen. Dieser Puffer ist umso ausgeprägter, je größer der
Anteil dieser performance-abhängigen Kosten an den Einnahmen ist. Die Belast-
barkeit kann sich bei einigen Projekten um mehrere Prozentpunkte verbessern, was
wiederum Spielraum bei anderen Finanzierungsparametern eröffnet.
Variable Kosten müssen nicht vollständig variabel sein, um als „variabel“ im
Sinne von Rating-Verfahren der Banken angesehen zu werden. Wird etwa ein Floor
in der Größenordnung von max. 75 % des Wertes der jeweiligen Kostenposition im
Vergleich zum Base Case vereinbart, wird der gesamte Kostenblock als variabel
angesehen.
In unserem Beispiel wird gegenüber dem Sponsors’ Case ein Teil der operativen
Kosten in Abhängigkeit von der Performance des Vorhabens gezahlt. Im Sponsors’
Case betragen die jährlichen Kosten für die technische Betriebsführung T€ 315.
Wie ändert sich das Bild, wenn dieser Kostenblock, das sind in unserem Beispiel
14,4 % der operativen Kosten, nunmehr variabel sind? Damit sinken in einem
5.2  Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur 351

Abb. 5.18 DSCR bei Flexibilisierung der Wartungskosten

Tab. 5.12 Beurteilung unterschiedlicher Wartungskosten aus Sicht der Kapitalgeber


  Min. DSCR Ø DSCR IRR
Sponsors Case 1,05 1,99 24,92 %
Einnahmen bei 97 %: 0,97 1,90 22,05 %
Wie 1, Wartungskosten flexibel 1,05 1,99 24,92 %
Wie 3, Einnahmen bei 97 %: 1,00 1,92 22,64 %

Belastungsfall zunächst die Einnahmen, allerdings reduziert sich auch ein Teil der
operativen Kosten, so dass sich die Belastbarkeit des Vorhabens gegenüber dem
Basisfall mit fixierten operativen Kosten auf einen Wert von 97,0 % verbessert.
Graphisch stellt sich die Situation wie in Abb. 5.18 dargestellt dar.
Operative Kosten – Erkenntnisse
1. Der Vergleich der beiden Ausgangsfälle (1 und 3) zeigt keine Veränderung. Dies
liegt darin begründet, dass die Flexibilisierung der Wartungskosten im Basisfall
noch keine Auswirkung hat, sondern nur in den vom Basisfall abweichenden
Szenarien.
2. Obwohl die vertragliche Veränderung scheinbar gering ist und sich nur auf etwa
ein Siebtel der gesamten operativen Kosten bezieht, ergibt sich doch eine merk-
liche Verbesserung der Belastbarkeit.
3. Ob sich die interne Rendite verbessert, hängt von der tatsächlichen Performance
ab. Ist sie schlechter als im Basisfall, verbessert sie relativ zu dem Szenario ohne
Flexibilisierung, ist sie besser, verschlechtert sie sich relativ.
4. Insgesamt kann der Rat gegeben werden, möglichst weitgehend performance-
abhängige Verträge (mit einem angemessenen niedrigen Floorpreis) abzu-
schließen. Dies ist meist für die Vertragspartei nicht mit übermäßigen Ein-
schränkungen verbunden, verbessert aber die Belastbarkeit des Vorhabens
erheblich und eröffnet so die Chance auf eine höhere Fremdkapitalausstattung
für das Projekt.
Die Beispiele zeigen, dass die angesprochenen Veränderungen einzelner
Finanzierungsparameter hinsichtlich der Verwendung der Cashflows in einem
352 5  Wirtschaftliche Aspekte

Abb. 5.19 DSCR-Verlauf nach Verhandlungsprozess

Tab. 5.13 Beurteilung der verhandelten Finanzierungsstruktur aus Sicht der Kapitalgeber


  Min. DSCR Ø DSCR IRR
Sponsors Case 1,05 1,99 24,92 %
Einnahmen bei 97 %: 0,97 1,90 22,05 %
Kompromiss-Vorschlag: 1,14 2,25 19,37 %
Wie 3, Einnahmen bei 80 %: 1,00 1,85 2,95 %

Konkurrenzverhältnis stehen. Zwar verbessert sich durch einzelne Maßnahmen die


Belastbarkeit aus Sicht der Fremdkapitalgeber, andererseits verschlechtert sich die
interne Rendite der Sponsoren. In der Diskussion der beiden Kapitalgebergruppen
wird jeweils neu auszutarieren sein, wie sich die endgültige Finanzierungsstruktur
darstellt. Eine Ausnahme von diesem Konkurrenzverhältnis stellt die Gestaltung der
Verträge in der Betriebsphase dar.
Nach einem Verhandlungsprozess zwischen Sponsoren und Banken könnte eine
geänderte Finanzierungsstruktur wie folgt aussehen:
• Zielwert der Schuldendienstreserve bei 66,7 % des Kapitaldienstes des Folge-
jahres,
• Tilgungsfreie Zeit läuft aus nach 18 Monaten,
• Wartungskosten (und damit etwa 15 % der operativen Kosten) sind Performance-
abhängig,
• Laufzeit des Darlehens bei 14,0 Jahren (inkl. tilgungsfreier Zeit),
• Erhöhung des Term Loans um 340.000 € auf insgesamt 4.740.000 €.
Unter diesen Rahmendaten verändern sich die Wirtschaftlichkeit und Belastbar-
keit gemäß Abb. 5.19.
Die Belastbarkeit des Vorhabens verbessert sich von ursprünglich 98,0 % auf
80,0 %, die interne Rendite verschlechtert sich leicht von 24,92 % auf 19,37 %.
Damit ist über verhältnismäßig einfache Änderungen erreicht worden, dass das Vor-
haben für beide Kapitalgebergruppen darstellbar wird.
5.2 Literatur 353

Literatur

Literatur zu 5.1
Gleichmann, K.: Technische Mindestanforderungen an Biogasanlagen und deren Betrieb aus Sicht
eines Versicherers. Universität Flensburg, Internationales Institut für Management, Studiengang
Energie- und Umweltmanagement in Zusammenarbeit mit der Marsh GmbH (2005)

Literatur zu 5.2
Fischer, J.-U.: Finanzierung von Bioenergieprojekten: Risikomanagement und Finanzierungs­
strukturierung. In: Gerhard, M., Rüschen, T., Sandhövel, A. (Hrsg.) Hdnbuch Finanzierung
Erneuerbarer Energien, S. 743-759. Frankfurt a. M. (2011)
Nevitt, P.K., Fabozzi, F.J.: Project Financing. Euromoney Books, London (2000)

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