VON IRENE BAZINGER
-AKTUALISIERT AM 04.02.2021-13:50
Quirlig, hellwach, charmant: Er holte die Sammlung des New Yorker Museum
of Modern Art nach Berlin und vertrat Mandanten wie Frank Castorf und Heiner
Müller. Nun wird der Anwalt und Kunstfreund Peter Raue achtzig Jahre alt.
Als er letztens Bargeld am Schalter seiner Bank abholen wollte und den
Personalausweis vergessen hatte, half ihm sein Renommee: „Das ist Mister Moma,
der ist vertrauenswürdig, dem können Sie das Geld ruhig geben“, meldete sich hinter
ihm lautstark eine Dame, die er bislang nie gesehen hatte. Der Schalterbeamte
zahlte ihm daraufhin umgehend den Betrag aus.
Peter Raue, geboren 1941 in München und seit 1961 Wahl-Berliner, hat sich mit der
erwähnten Moma-Ausstellung ins Herz und in die Annalen der Stadt geschrieben.
Denn 2004 holte er, als das New Yorker Museum of Modern Art wegen Renovierung
geschlossen war, dessen grandiose Sammlung nach Berlin. Das Gastspiel wurde ein
sensationeller Erfolg, die Warteschlange vor der Neuen Nationalgalerie war
tagtäglich kilometerlang. Es war ein Spektakel der Extraklasse – und der
unermüdliche Peter Raue dessen Erfinder, Organisator, Mentor und strahlendes
Gesicht.
2007 wiederholte er den Coup, als im Metropolitan Museum of Art renoviert wurde,
und brachte 150 Gemälde französischer Kunst unter dem Titel „Die schönsten
Franzosen kommen aus New York“ abermals in die Neue Nationalgalerie. Damit
beendete er seine Tätigkeit als Vorsitzender des „Vereins der Freunde der
Nationalgalerie“, den er 1971 mit sechs weiteren Berlinern gegründet hatte und der
unter anderem 1982 Barnett Newmans „Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue IV“
erwarb: „Vielleicht das wichtigste Bild, mit dem ich in meinem Leben zu tun hatte“,
meinte er 2017.
Obwohl man es bei seiner Begeisterung für alle schönen Künste manchmal
vergessen könnte, ist Peter Raue eigentlich Anwalt und Notar, Spezialgebiet:
Urheber-, Kunst- und Restitutionsrecht. Er ist bis heute beruflich aktiv und vertritt
seine Klienten nach wie vor bei Gericht. Doch Peter Raues Berufung ist eindeutig die
Kunst, und bis zur Corona-Pandemie mit der Schließung der kulturellen
Einrichtungen verging wohl kein Abend, an dem der quirlige, hellwache, charmante
und immer schlagfertige Peter Raue nicht in der Oper, im Konzert, im Theater, bei
einer Vernissage oder Lesung anzutreffen gewesen wäre.
Peter Raue, der oft per Fahrrad unterwegs ist und sich dabei mit einer glänzenden
Kopfbedeckung schützt – ein Geschenk von Freunden, die ihn so zum „Mann mit
dem Goldhelm“ machten –, hat sich schon lange die Freiheit erarbeitet, ganz nach
seiner Façon leben zu können, das heißt für die Kunst, also im Grunde für seine Idee
von einer besseren, schöneren, menschlicheren Welt.
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/zum-achtzigsten-von-peter-raue-
17179444.html