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Startseite Ausland Südkorea Südkorea: Warum ist die Geburtenrate so niedrig?

Die ältesten Schülerinnen auf dem Weg in die Grundschule des Dorfes Bugil
Foto:
Jun Michael Park / DER SPIEGEL

Geburtenrückgang und Überalterung in Südkorea

»Es ist leer hier, überall leer«


In keinem anderen Land ist die Geburtenrate so niedrig wie in
Südkorea. Arbeitende Mütter haben es hier extrem schwer. Die
Regierung will das mit einem Milliardenprogramm ändern – und
stößt auf den Protest wütender Männer.

Von
Katharina Graça Peters, Seoul
01.03.2022, 00.41 Uhr

aus
DER SPIEGEL 9/2022

Artikel zum Hören • 16 Min


Die Morgensonne erleuchtet die Berge hinter dem Dorf Bugil,
als der Schulbus bei laufendem Motor auf die erste Schülerin
wartet. Um 8.28 Uhr kommt Choi Won-sim leicht gebeugt
durch die Gassen. Sie ist 73 Jahre alt. Gegen den eisigen Wind
schützt eine Daunenjacke, ihr Haar trägt sie in einer kurzen
Dauerwelle. »Mütterchen, wie geht es Ihnen?«, grüßt die
Busbegleiterin und hilft Choi die Stufen hoch.

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Choi hat ihr ganzes Leben in Bugil verbracht, einem Flecken


am südwestlichen Zipfel Südkoreas. »Ende des Landes« wird
diese Gegend mit ihrer rauen Küste genannt. Die meisten
Menschen hier bauen Gemüse an. Der Schulbus fährt vorbei
an den Reisfeldern, die sich in blassem Gelb und hellem Braun
bis zum Horizont erstrecken. Daneben stehen niedrige Häuser
mit geschwungenen Dächern.
Als Choi aufwuchs, war Südkorea ein vom Krieg verwüstetes
Land. Als Mädchen musste sie arbeiten, damit ihre Familie
überleben konnte, für die Schule blieb keine Zeit. Erst jetzt
lernt sie Lesen und Schreiben. Mit drei anderen älteren
Damen besucht Choi die dritte Klasse der Grundschule von
Bugil. Ihren Namen kann sie schon schreiben. Mit zittrigen
Fingern zieht sie die Bögen und Linien der koreanischen
Buchstaben nach. Sie habe eine schöne Handschrift, lobt der
Lehrer.

»Früher war hier verdammt viel los«

Ältere Frauen wie Choi bewahren vielerorts die Schulen vor


der Schließung. Es fehlt an Kindern in Südkorea. Die
Geburtenrate sinkt seit Langem, sie ist zuletzt auf ein neues
Rekordtief gefallen: 0,84 Kinder bekommt jede
Südkoreanerin durchschnittlich im Laufe ihres Lebens.
Nirgends auf der Welt ist die Fruchtbarkeitsrate niedriger.
Zugleich werden die Menschen immer älter. In Bugil ist zu
spüren, was das bedeutet.

Pjöngjang
Pjöngjang
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Seoul
Seoul

SS ÜÜ DD KKO
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Bugil
Bugil
200 km
© OpenStreetMap contributors

Der Schulbus holt auf der Tour an diesem Morgen nur drei
Schüler ab, zwei von ihnen sind Rentnerinnen. Er hätte Platz
für 18.
»Früher war hier verdammt viel los, die Kinder rauften sich
auf den Straßen. Aus jedem Schulfest wurde ein Dorffest«,
sagt eine der Frauen. Bevor der Unterricht beginnt, sitzen die
Seniorinnen auf dem beheizten Boden ihres Klassenzimmers
und essen Reiskuchen. Die Frau, die erzählt, ist 88 Jahre alt.
Ihre eigenen sechs Kinder sind hier zur Schule gegangen.
Damals habe es so viele Schüler gegeben, dass in zwei
Schichten unterrichtet wurde, morgens und abends.
1960 bekamen Südkoreanerinnen durchschnittlich sechs
Kinder. Die Regierung versuchte gegenzusteuern: In den
Siebzigerjahren riet das Gesundheitsministerium Männern
und Frauen zur Sterilisation. Einige Anzeigen mahnten später:
»Zwei Kinder sind zu viel.« Die Geburtenrate fiel, je mehr sich
der arme Agrarstaat Südkorea zur fortschrittlichen
Volkswirtschaft wandelte. Diese Entwicklung erlebten viele
Industrieländer – je wohlhabender ein Land, desto weniger
Babys wurden geboren. Wohl nirgends vollzog sich dieser
Wandel so schnell und radikal wie in Südkorea. 2018 fiel die
Geburtenrate erstmals auf unter ein Kind pro Frau.
In Bugil sahen die alten Frauen, wie ihr Dorf immer weiter
schrumpfte. Ihre eigenen Kinder sind längst weggezogen.
Auch Chois Tochter lebt in der Hauptstadt Seoul, und sie
schickt ihr manchmal Pakete mit dem nationalen
Lieblingsgemüse Kimchi. Wenn die Rentnerinnen sich
morgens in der Schule treffen, hilft ihnen das auch gegen die
Einsamkeit. »Es ist leer hier, überall leer«, sagt eine 87-jährige
Mitschülerin. »Ich vermisse den Trubel so sehr, dass es
wehtut.«

Die vier alten Damen essen Reiskuchen vor Unterrichtsbeginn


Foto: Jun Michael
Park / DER SPIEGEL
Die ersten sechs Jahrgangsstufen der Grundschule Bugil
besuchen heute 18 Kinder. In einem Raum sitzt um 10.30 Uhr
ein Achtjähriger allein vor seiner Lehrerin und lernt
Mathematik. Er ist das einzige Kind in der zweiten Klasse.
Sein gesamtes erstes Schuljahr war der Junge allein. Immerhin
wird er nun in Musik, Kunst und Sport zusammen mit den
Erstklässlern unterrichtet. Jetzt blühe er auf, erzählt die
Lehrerin.

Hofhühner und Karaoke-Maschine

Trotz der Leere wirkt die Grundschule freundlich und gut


gepflegt. Über den Hof staksen Hühner, Leseecken schmücken
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die Klassenzimmer. Direktor Shin Hyun kennt jedes Kind
beim Namen. Zum Gespräch reicht er gebackene
Süßkartoffeln, die er in seinem Garten angebaut hat. Es ist
seine letzte Station vor der Pensionierung, der Niedergang
stimmt ihn traurig. »Wenn immer mehr Familien fortziehen,
muss vielleicht auch unsere Schule schließen«, sagt Shin.
Nicht alle in Bugil wollen das hinnehmen. Doch um Lösungen
zu finden, muss man verstehen, warum immer weniger Paare
Kinder bekommen – in den Metropolen wie in der Provinz.
Innerhalb weniger Jahrzehnte ist Südkorea zur digitalisierten
Volkswirtschaft aufgestiegen, ermöglicht wurde das durch viel
Fleiß und Ehrgeiz, oft auch durch einen harten Wettbewerb.
Doch wirtschaftliche Entwicklung und politische Öffnung
zogen keinen ähnlich rasanten Wertewandel nach sich. Die
Gesellschaft blieb in vielen Bereichen patriarchal und
konservativ.

Paare heiraten spät – und entscheiden sich gegen


Kinder

Jüngere Menschen wachsen noch immer mit den hohen


Erwartungen ihrer Eltern und Großeltern auf. Der ideale
Lebensweg sieht vor, einen exzellenten Schulabschluss zu
schaffen, später ein gutes Einkommen zu sichern, früh zu
heiraten und eine Familie zu gründen.
Doch viele sehen sich kaum in der Lage, diese Ansprüche zu
erfüllen. Die Lebenskosten in der Hauptstadt Seoul, wo es die
meisten Jobs gibt, sind hoch. Paare schieben die Ehe auf.
Wenn sie heiraten, dann später im Leben – und viele
entscheiden sich gegen Kinder.
Junge Frauen empfinden die traditionelle Rollenverteilung im
Land zudem als abschreckend. Wenn Südkoreanerinnen
Mütter werden, übernehmen sie den größten Teil der
Kindererziehung und der Arbeit im Haushalt, und die
Erwartungen älterer Familienmitglieder an sie sind immens.
Ein Satz fällt in Gesprächen mit Südkoreanerinnen immer
wieder: »Ein Baby zu bekommen würde bedeuten, dass ich
mich selbst aufgeben muss.« Viele Frauen sehen sich oft nur
zwischen zwei Extremen. Ein Kind zu bekommen und sich für
die Familie aufzuopfern – oder sich beruflich zu verwirklichen
und ein komfortables Leben zu führen. Beides glauben sie
nicht miteinander versöhnen zu können.

»Vielleicht gibt es einen Mittelweg, aber ich kenne ihn nicht«,


sagt Lee Ga-hee. Lee ist 35 Jahre alt und Führungskraft bei
einem Reiseunternehmen, an ihrem freien Tag ist sie leicht
geschminkt und trägt einen hellbraunen Wollpullover. Sie
trinkt Zitronentee und erinnert sich an einen Anruf vom
Vorabend.
Ihre Tante war am Telefon: »Wollt ihr nicht doch ein Baby?
Das wäre so süß!« Lee lächelt müde, die Fragen haben nach
ihrer Hochzeit vor vier Jahren angefangen. Sie fühlt sich, als
ob sie eine Checkliste der Familie abarbeiten würde.
Herausragende Noten in der Schule? Check. Ein Platz an einer
Topuniversität? Check. Ein guter Job? Check. Jetzt fehlt noch
ein Baby. Ihr Vater hält sie für selbstsüchtig. Aber Lee hat sich
entschieden. Sie ist glücklich ohne Kind.
Sie hat erlebt, was mit Schwangeren am Arbeitsplatz
geschieht: Sie werden zum Problem. Kollegen beschwerten
sich, dass die Arbeit der Schwangeren an ihnen hängen bleibe,
erzählt Lee. Vorgesetzte beklagten den Ausfall. »Viele Frauen
kommen nach der Geburt ihres Kindes im Job nicht mehr
voran«, sagt sie. »Oder sie kehren gar nicht erst zurück.«
In keinem OECD-Land sind berufstätige Frauen ihren
männlichen Kollegen gegenüber so benachteiligt wie in
Südkorea. Hier gibt es die mit Abstand größten
Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern . Dem
britischen »Economist« zufolge hat Südkorea unter 29
Ländern die schlechtesten Bedingungen für arbeitende Frauen.
Für Mütter ist die Lage besonders schwierig, und Lee hat nicht
das Gefühl, dass die Politik das Problem erkannt hat.

»Viele Frauen kommen nach der Geburt ihres


Kindes im Job nicht mehr voran.«
Lee Ga-hee

Die nunmehr vierte Taskforce unter Präsident Moon Jae-in


will in den kommenden vier Jahren die Geburtenrate steigern.
Dafür investiert sie umgerechnet 145 Milliarden Euro.
Kindergärten und Schulbetreuung sollen ausgebaut werden.
Mütter und Väter können bis zu 11.000 Euro erhalten, wenn
sie gemeinsam drei Monate Elternzeit nehmen.
»Das ist, als würde man Wasser in einen löchrigen Eimer
füllen«, sagt Lee. »Ich wäre Zielgruppe dieser Familienpolitik,
aber ich fühle mich nicht angesprochen. Wir brauchten etwas,
das uns wirklich hilft.«
Akzeptable Arbeitsbedingungen für Mütter zum Beispiel.
Doch den hervorragend ausgebildeten Südkoreanerinnen
bleibe oft nur die Entscheidung, Vollzeit zurückzukehren oder
ihren Job aufzugeben, sagt Lee. Auf die Frage nach
Teilzeitarbeit für Mütter, lacht sie. »Teilzeit bedeutet in
Südkorea, einen Mindestlohnjob zu machen. Als Kassiererin
im Supermarkt zum Beispiel.«
Lee beschreibt eine Gesellschaft, die es kaum schafft, ein
lebenswertes Umfeld für Eltern zu gestalten. Sie meint damit
nicht nur die Unternehmenskultur – sondern auch die
ungeheuren Erwartungen an Mütter und Kinder.

Wenn das Abitur die Heiratsaussichten verbessert

Selten wird das so deutlich wie am Tag des südkoreanischen


Abiturs, »Suneung« genannt, das im vergangenen Jahr auf den
18. November fiel. Es ist der wichtigste und wohl schlimmste
Moment im Leben jedes südkoreanischen Schülers. Er
entscheidet über den weiteren Lebensweg. Ziel ist es, auf eine
der drei besten Universitäten des Landes zu kommen. Das
sichert einen guten Job in einer großen Firma und verbessert
sogar die Heiratsaussichten.
Das ganze Land hält an diesem Tag inne. Angestellte kommen
später zur Arbeit, um die Straßen freizuhalten. Polizisten
eskortieren Schüler, die spät dran sind. Wenn der Englisch-
Hörtest abgehalten wird, dürfen keine Flugzeuge starten und
landen.
Shin Jin-ho, der einzige Zweitklässler der Bukil-Grundschule, lernt im
Matheunterricht das Einmaleins im Dezember 2021. Wegen des Mangels an
Klassenkameraden nimmt er normalerweise am gemeinsamen Unterricht mit den
drei Erstklässlern der Schule teil.
Foto: Jun Michael Park / DER SPIEGEL

Als am 18. November der internationale Airport den


Flugverkehr stoppte, lud der Pastor der presbyterianischen
Kirche des Daechi-Viertels in Seoul zum »Suneung-
Gottesdienst«. Drei Dutzend Mütter und Großmütter harrten
mit versteinerten Mienen in den Bänken aus. Das Daechi-
Viertel ist bekannt für anspruchsvolle Schulen und ehrgeizige
Eltern. Direkt neben der Kirche bietet das Institut Brainvalley
Nachhilfekurse an.
Ohne zusätzliche Lerneinheiten, glauben viele Eltern, könnten
ihre Kinder keine Topnoten in dem »Suneung«-Examen
erreichen. Schülerinnen und Schüler büffeln daher bis zehn
Uhr abends Mathematik oder Englisch in
Nachhilfeakademien. Das kann Eltern umgerechnet 500 Euro
im Monat kosten. Oft lernen schon Dreijährige nachmittags
Englisch.

Beten für die Bestnote

»Ich hasse diesen Wettbewerb«, sagt die 37 Jahre alte Lee


Chan-kyung, die eine Bar in Seoul managt. Hinter ihr wirft die
Discokugel Lichtflecken an die Decke, sie trägt eine neongelbe
Mütze über ihren blond gefärbten Haaren. Sie beschreibt sich
als »nicht typische« Koreanerin. »Ich würde mein Kind nicht
diesem Druck aussetzen wollen«, sagt sie. Aber sich dem
Bildungsfieber Südkoreas zu entziehen sei schwer.
Rund ein Drittel der verheirateten Südkoreanerinnen gibt an,
der Hauptgrund gegen ein Baby seien die hohen Kosten für
Bildung. Lee sagt: »Du musst einen guten Kindergarten und
eine gute Schule finden. Und dafür musst du in die guten
Viertel ziehen, die teuer sind.«

Barkeeperin Lee Chan-kyung: »Wir können uns ein Kind einfach nicht leisten.«
Foto: Jun Michael Park / DER SPIEGEL

Auch für sie und ihren Ehemann sprechen vor allem


finanzielle Erwägungen gegen ein Kind. Die beiden können
nur ein Apartment in einer Satellitenstadt von Seoul bezahlen,
zwei Zimmer, 75 Quadratmeter, eine Autostunde von ihrer
Bar entfernt. Lee sagt: »Wir können uns ein Kind einfach nicht
leisten.«
Die Pandemie hat sie darin bestätigt. Immer wieder mussten
sie die Bar in der Coronakrise schließen. Ihr Mann produzierte
früher Musik, heute liefert er auf dem Motorroller Essen aus.
Manchmal breche es ihr das Herz, wenn er von den Kindern
ihrer Freunde schwärme, sagt Lee. »Ich würde vielleicht über
ein Baby nachdenken, wenn ich nicht in Südkorea leben
würde. Aber damit es eine glückliche Kindheit verlebt, müsste
ich meine Heimat verlassen.«
Die politische Klasse, deren typische Vertreter meist älter und
männlich sind, scheint keine Antworten auf die Sorgen von
jungen Paaren zu finden. Die Herausforderungen für den
nächsten Präsidenten, der am 9. März gewählt wird, sind
gewaltig. Die Ausgaben für das Gesundheitssystem werden
steigen, je mehr Menschen altern, ebenso die Belastung durch
Renten. Auf dem Arbeitsmarkt wird es an Fachkräften fehlen.

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Von Katharina
Graça Peters, Seoul

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Party, will zwar stärker die 20- bis 40-Jährigen ansprechen.
Das liegt vor allem an ihrem Vorsitzenden Lee Jun-seok, der
mit seinen 36 Jahren eine Ausnahmeerscheinung im betagten
Polit-Establishment ist. Aber ihm geht es vor allem um
frustrierte junge Männer, die sich diskriminiert fühlen. »Wer
besondere Regeln für Frauen macht, beraubt Männer ihrer
Rechte«, sagt Lee dem SPIEGEL in seinem Büro. Lee hat dazu
beigetragen, dass Feminismus in diesem Wahlkampf zum
Schimpfwort geworden ist. Der Geschlechterkampf behindert
eine sachliche Debatte über die niedrige Geburtenrate.

Ein Rettungsplan für das leere Dorf

Ausgerechnet die Region um das Dorf Bugil, in dem die alten


Damen die leere Schule besuchen, schien einige Zeit vieles
richtig gemacht zu haben. Die Bezirksregierung lockte Paare
mit üppigen Kinderboni und verschickte Geschenkkörbe mit
Babykleidung und abgepacktem Fleisch. Die Geburtenrate in
der Region stieg einige Jahre, doch seit 2019 sinkt sie wieder.
Das beweise, sagt Shin Pyong-ho, dass Geld allein die
Probleme nicht löse. Er ist Gemeindevorsteher in Bugil, 61
Jahre alt. Er ist vor acht Jahren hergezogen. Nach dem Tod
seines Sohnes war Bugil »schön und friedlich«, es wurde für
ihn ein Ort der Zuflucht. Die Leute schenkten ihm selbst
angebautes Gemüse. Shin wollte nicht, dass Bugil
verschwindet. So fasste er einen Plan.
Er habe überlegt, sagt Shin, wonach sich junge Paare sehnten.
Sie sollen hier finden, was ihnen woanders fehlt: guten und
günstigen Wohnraum, ein sicheres Einkommen und die
Gewissheit, dass ihre Kinder gut versorgt sind.

Blick über die Grundschule im Dorf Bugil


Foto: Jun Michael Park / DER SPIEGEL

Shin schiebt in seinem Containerbüro in der Nähe des


Marktplatzes von Bugil nach und nach Papiere über den Tisch,
die zeigen, wie aus seiner Idee Realität wurde. Eine Liste von
leer stehenden Häusern, eine Tabelle mit den offenen Stellen
in der Region. Shins Projekt wurde zum unbezahlten
Vollzeitjob.
Mitte November kam die Zusage des Bezirksamts, das Projekt
mit umgerechnet rund 230.000 Euro zu unterstützen. Mit
Erlaubnis der Besitzer ließen Shin und seine Mitstreiter 15
Häuser renovieren. Sie starteten einen Aufruf an Familien in
ganz Südkorea: Sie würden fast mietfrei in Bugil wohnen
können und bei der Jobsuche unterstützt werden. An den
Schulen würde es eine ganztägige Betreuung geben.

»Wir versuchen, eine Utopie zu schaffen.«


Shin Pyong-ho

Viele hätten ihm gesagt, es sei unmöglich, das Dorf


wiederzubeleben, sagt Shin. Einige hätten dafür plädiert, die
Grundschule abzureißen und ein Altersheim zu bauen. Aber
irgendwann fragten Dorfbewohner: Wie kann ich helfen?
Die Besitzerin eines Teehauses hofft, dass sogar Menschen aus
Seoul hier heimisch werden, »denn glücklich wirken sie ja
nicht«. Ihre Töchter hätten nachmittags nie eine
Nachhilfeakademie besucht, sie waren schwimmen, Ski fahren
oder Reiten, »und eine Universität haben sie ja trotzdem
besucht«.
198 Familien aus ganz Südkorea riefen bei Shin an. »Ist das
alles echt?«, fragten einige. Am Ende wählten Shin und sein
Team 20 Familien aus. Sie ziehen derzeit in ihre neuen
Häuser.
»Wir versuchen, eine kleine Utopie auf dem Land zu
schaffen«, sagt er. Der Trubel soll ins Dorf zurückkehren. So
wie es die alten Damen in der dritten Klasse noch von früher
kennen.

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