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Ein Weihnachtsabend

Text:

Wir waren noch zur Bescherung im Hause unseres Konsuls eingeladen. Mit allerhand Paketen
beladen, fuhren wir auf der Hochbahn dorthin. Nach längerem, vergeblichem Klingeln öffnete
uns der Konsul selbst die Haustür. Dann führte er uns in sein kleines Arbeitszimmer, wo wir
einige deutsche Herren trafen, darunter auch den Generalkonsul mit seinem herzerfreuenden,
ansteckenden Lachen. Der Konsul ist vor einigen Monaten hierher ernannt worden, und seine
Frau ist ihm erst vor ein paar Tagen aus ihrer Schwarzwaldheimat mit ihren zwei kleinen
Kindern nachgereist. Es ist ein rührend deutscher Zug, dass sie sich . . . zu diesem Abend gleich
einige Landsleute eingeladen haben. . . .
»Meine Frau baut auf,« sagte der Konsul.
Da kam sie schon selbst herein, sehr jung, mit aschblonden Zöpfen um den Kopf gesteckt,
erstaunten blauen Augen, das ganze Gesichtchen von der Arbeit gerötet. Auf dem Arm trug sie
einen dicken, einjährigen Jungen, mit denselben erstaunten blauen Augen; und neben ihr
trippelte ein kleines, dreijähriges Mädchen, das mit wichtiger Miene eine Klingel hielt.
»Es ist alles fertig,« rief sie, »Evchen, nun klingle mal schön.«
Und Evchen klingelte, und wir alle folgten in das Wohnzimmer,
wo der Baum strahlte. Mit Ketten, vergoldeten Nüssen, Äpfeln,
Pfefferkuchen war er geschmückt – sicher genau nach dem
Vorbild, das die Frau Konsul bei ihrer Grossmutter und Mutter
in dem kleinen Schwarzwald-städtchen gesehen hat. . . .
Der kleine Junge wurde auf den Teppich gesetzt und ein
zusammenlegbares, unzerreissbares Bilderbuch um ihn
aufgestellt, und wir halfen der Frau Konsul die Kiste auspacken,
die von ihrer Mutter gekommen war. Wie sorgfältig war alles
gepackt, . . . jedes einzelne Paket gebunden und ein Zettel dran
gesteckt, mit ein paar lieben Worten für den Empfänger in
zittriger Handschrift . . . . Lauter Dinge waren darin, die man in
New York ebenso bekommen kann. Recht unpraktisch und doch
so rührend deutsch! Selbstgestrickte und gehäkelte Dinge für die Kinder, selbstgebackener
Kuchen und Würste von dem für Weihnachten geschlachteten Schwein, und auf dem Grund der
Kiste ein paar dicke wissenschaftliche Bücher für den Herrn Konsul und, in modernstem
Rahmen, eine grosse Photographie von Böcklins geigendem Mönch, dem die Engelchen
lauschen. . . .
Evchen hatte sich den Böcklin andächtig betrachtet, nun lief sie ans Fenster und drückte sich
das Näschen an den Scheiben platt.
»Was machst Du denn da,« fragte ich sie.
»Ich gucke, ob da draussen auch Engelchen herumfliegen,« antwortete sie und setzte dann
hinzu: »nein, hier gibt's keine.« . . .
»Liebes Kind,« sagte der Konsul zu seiner Frau, »gibt es nicht bald was zu essen?«
Sie fuhr aus all den heimatlichen Paketen empor: »Aber ja, es muss alles schon fertig sein.«
Sie klingelte, aber Ursache und Wirkung folgten nicht aufeinander. Nun ging sie hinaus, kam
aber bald mit bestürztem Gesicht zurück, trat an ihren Mann und sagte leise: »Willst du nicht
lieber mal mit ihm reden?«
Nun ging der Konsul hinaus, und bald hörten wir erregte Stimmen und darauf etwas Schweres,
das die Treppe hinabpolterte. Der Konsul kam wieder herein, etwas aufgeregt und ausser Atem:
»Meine Herrschaften, ich bitte sehr um Entschuldigung. Ein kleiner amerikanischer
Zwischenfall. Der Neger Sam war schwer betrunken. Ich fand ihn, mit dem Eidamer Käse Ball
spielend. Da habe ich die Rollen umgekehrt und mit ihm etwas Ball gespielt und dabei ist er die
Treppe hinab und auf die Strasse geflogen.«
»Und als ich vorhin draussen war,« erzählte die Frau Konsul mit kläglicher Stimme, »ass er die
Austern auf und sagte mir, er nähme ja nur die schlechten, um uns vor Vergiftung zu
bewahren.«
Der Generalkonsul lachte in seiner herzhaften Art, und wir alle stimmten mit ein. So gingen wir
denn mit der Frau Konsul in die Küche, retteten, was zu retten war, trugen die Gerichte hinauf
in das Speisezimmer und sprachen ausserdem tüchtig den Würsten zu, die wir aus der
Weihnachtskiste ausgepackt hatten. Als wir Abschied nahmen, sagte unsere Wirtin: »Sie
müssen schon entschuldigen – es ist hier halt alles so anders, als daheim in Baden.«

(Adapted from: Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten, Berlin 1903)

I. Richtig oder falsch?

1. The Consul’s wife is from the Black Forest.


2. The Consul’s wife has been in New York for a few months.
3. The Consul has a one-year-old girl and a three-year-old boy.
4. The Christmas tree was decorated with nuts and apples.
5. The girl was ringing the door bell.
6. The little boy was put to bed while the adults unpacked the crate.
7. The crate contained hand-made gifts.
8. A pig had been slaughtered for Christmas.
9. Böcklin was a monk.
10. The little girl is looking for angels flying around.
11. The black servant was drunk.
12. The servant was playing with a cheese ball.
13. The Consul kicked the servant out into the street.
14. The servant was trying to poison the Consul with oysters.
15. The guests ended up talking to the sausages.
II. Was bedeuten die folgenden Wörter/Ausdrücke im Text?

1. vergeblich a. ein Tier töten


2. ansteckend b. nicht leicht kaputt zu machen
3. rührend c. das Result, die Konsequenz
4. trippeln d. angespannt hören
5. Klingel e. erfolglos
6. strahlen f. jämmerlich, traurig
7. schmücken g. eine Umrandung, z.B. für ein Bild
8. unzerreissbar h. aus einer schlimmen Lage befreien
9. sorgfältig i. unruhig, unstabil
10. Zettel j. beschützen, erhalten
11. zittrig k. eine Glocke
12. gestrickt l. der Grund, der Anstoss
13. schlachten m. stark, fleissig
14. Rahmen n. scheinen
15. lauschen o. infizierend
16. andächtig p. eine Notiz
17. Ursache q. von Herzen kommend
18. Wirkung r. fassungslos, entsetzt
19. bestürzt s. emotional bewegend
20. erregt t. dekorieren
21. kläglich u. behutsam
22. Vergiftung v. feierlich, respektvoll
23. bewahren w. mit kleinen Schritten gehen
24. herzhaft x. aufgeregt
25. retten y. mit Wolle und Stricknadeln hergestellt
26. tüchtig z. Krankheit oder Tod durch Gift hervorgerufen
III. Komplexe Adjektive. Machen Sie aus den folgenden Satzteilen komplexe
Adjektivkonstruktionen.

Beispiel: die Gäste, die im Haus des Konsuls eingeladen waren = die im Haus des Konsuls
eingeladenen Gäste

1. die Tür, die nach längerem Klingeln geöffnet wurde

2. der Konsul, der vor einigen Monaten hierher ernannt wurde

3. seine Frau, die vor ein paar Tagen aus dem Schwarzwald angereist war

4. ihr Gesicht, das von der Arbeit gerötet war

5. das Mädchen, das mit wichtiger Miene eine Klingel hielt

6. der Baum, der strahlte und mit Äpfeln geschmückt war

7. liebe Worte, die in zittriger Handschrift geschrieben waren

8. das Mädchen, das den Böcklin andächtig betrachtete

9. seine Frau, die mit bestürztem Gesicht zurückkam

10. der betrunkene Neger Sam, der mit dem Eidamer Käse spielte

11. der Generalkonsul, der in herzhafter Art lachte

12. die Würste, die aus der Weihnachtskiste ausgepackt worden waren
Richtig sind:

I. 1.R; 2.F; 3.F; 4.R; 5.F; 6.F; 7.R; 8.R; 9.F; 10.R; 11.R; 12.R; 13.F; 14.F; 15.F

II. 1.e; 2.o; 3.s; 4.w; 5.k; 6.n; 7.t; 8.b; 9.u; 10.p; 11.i; 12.y; 13.a; 14.g; 15.d; 16.v;
17.l; 18.c; 19.r; 20.x; 21.f; 22.z; 23.j; 24.q; 25.h; 26.m

III. 1. die nach längerem Klingeln geöffnete Tür


2. der vor einigen Monaten hierher ernannte Konsul
3. seine vor ein paar Tagen aus dem Schwarzwald angereiste Frau
4. ihr von der Arbeit gerötetes Gesicht
5. das mit wichtiger Miene eine Klingel haltende Mädchen
6. der strahlende und mit Äpfeln geschmückte Baum
7. liebe, in zittriger Handschrift geschriebene Worte
8. das den Böcklin andächtig betrachtende Mädchen
9. seine mit bestürztem Gesicht zurückkommende Frau
10. der betrunkene, mit dem Eidamer Käse spielende Neger Sam
11. der in herzhafter Art lachende Generalkonsul
12. die aus der Weihnachtskiste ausgepackten Würste

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