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LITERATUR

Nie wieder Pizza !


Wer Tom Hillenbrands kulinarischen Krimi „Teufelsfrucht“ liest, bekommt zwar Lust, sich in
einem Restaurant im Grund verwöhnen zu lassen, aber mit Fertiggerichten ist endgültig Schluss.

Text: Gabrielle Seil  gabrielle.seil@revue.lu sich die Konturen immer deutlicher ab. Für den „Gronn“
als Tatort entscheidet sich der 38-Jährige schließlich,


L
ea Linster ist begeistert. „Dieser Krimi liest sich, weil ihn dessen besondere geografische Lage schon im-
wie man eine gute Bouneschlupp schlürft. Am mer beeindruckt hat. „Dieses Zusammenspiel von oben
liebsten gleich alles auf einmal“, lautet ihr Urteil und unten ist für einen Nicht-Luxemburger schon sehr
über „Teufelsfrucht“. Den Autor Tom Hillenbrand hat interessant.“ Außerdem schätzt er die Luxemburger Kü-
die Sterneköchin vor dem Treffen in ihrem Restaurant che, bezeichnet sie als „ehrlich“ und bodenständig. „Und
in Frisingen gar nicht gekannt, aber beide sind sich auf die Portionen sind ordentlich.“
Anhieb sympathisch. Kein Wunder. Die Liebe für gutes Auch bei Lea Linster? Tom Hillenbrand lacht. Eigent-
Essen verbindet. Im kulinarischen Krimi, dessen Hand- lich kennt er das Großherzogtum nicht allzu gut. „Die
lung im „Gronn“ spielt, zwingen die Haute Cuisine und paar Brocken Luxemburgisch, die im Text verstreut sind,
ihre üblen Machenschaften einen Luxemburger Koch habe ich mir aus Wörterbüchern zusammengeklaubt,
indes, eine Weile auf Messers Schneide zu agieren. ich kenne weder den Norden noch den Süden des Lan-
Xavier Kieffer mag keinen Firlefanz. In seinem Restau- des und mit waschechten Luxemburgern habe ich als
rant, ein beliebter Treffpunkt für EU-Beamte, werden re- EU-Praktikant wenig zu tun gehabt“, gibt Tom Hillen-
gionale Spezialitäten wie Rieslingspastete, „Kniddelen“ brand offen zu. Das alles soll sich ändern. Xavier Kieffer
oder „Huesenziwwi“ serviert. Dazu empfiehlt der lässige kommt nämlich zurück, es gibt eine Fortsetzung. Zuvor
Cordhosen- und T-Shirtträger Weine von der Mosel. Dass möchte der Autor sich allerdings genaueren Recherchen
er das Zeug dazu gehabt hätte, ein Sternekoch zu werden, widmen. „Wir Deutsche wissen leider recht wenig über
ist kein Geheimnis, aber statt sich allabendlich mit einer Luxemburg.“
Armada von Sous-chefs, Sauciers und anderen Postenkö- Was die eigenen Kochkünste betrifft, zeigt sich Fein-
chen herumzuplagen und komplexe Menüs auf die Teller schmecker Tom Hillenbrand etwas zurückhaltend. Wie
seiner Gäste zu zaubern, steht Xavier Kieffer lieber ohne fast jeder Mann steht er gern „hin und wieder“ am Herd,
Stern und Häubchen in seiner übersichtlichen Küche und um mit ausgefallenen Zutaten komplizierte Gerichte der
kocht, wozu er gerade Lust hat. französischen Küche auszuprobieren. Da seine Frau Ve-
Mit der Ruhe ist es allerdings an dem Tag vorbei, an getarier ist, gibt es oft Fisch oder Gemüse. Er selbst isst
dem der Gastronomiekritiker des berühmtesten Gour- indes am liebsten Steak Rossini. Die Luxemburger Spezi-
metführers der Welt ausgerechnet in seinem Lokal und alitäten, von denen in „Teufelsfrucht“ die Rede ist, hätte
noch vor dem Hauptgericht tot zusammenbricht. Weil die er alle „getestet“. Sein persönlicher Liebling: Rieslings-
Polizei ihn verdächtigt, den Gast vergiftet zu haben, und pastete. Damit auch Kochbanausen ihren kulinarischen
mit weiteren Ermittlungen nicht wirklich vorankommt, Horizont erweitern können, erklärt ein angefügtes Glos-
schlüpft der Profikoch selbst in die Rolle des James Bond. sar, was u.a. eine Chiffonade und ein Quetscehflued sind.
Und begibt sich auf sehr gefährliches Terrain. Mit „Teu- Schon läuft einem das Wasser im Munde zusammen.  z
felsfrucht“ ist dem freien Journalisten und ehemaligen
Ressortleiter bei Spiegel Online ein zugleich spannender, >  Tom Hillenbrand: Teufelsfrucht. Ein
lehrreicher und folkloristischer Roman über das Streben kulinarischer Krimi, erschienen bei
des Menschen nach Perfektion, nach Reichtum und Aner- Kiepenheuer & Witsch,
kennung und nach einem glücklichen Leben ohne Stress 304 Seiten, 8,95 Euro.
gelungen. Da das eine mit dem anderen jedoch nicht zu
vereinen ist, erzählt Tom Hillenbrands Debüt auch vom
Scheitern eines Traums. Gott sei Dank, denn wäre der
Lebensmittelskandal, dem Xavier Kieffer im Verlauf des
Plots auf die Spur kommt, eine Realität, würde Essen
keinen Spaß mehr machen. Wie schade.
Dass sich der gebürtige Hamburger Luxemburg als
„reizvolle“ Kulisse für seinen kulinarischen Krimi aus-
gesucht hat, ist kein Zufall. Im Rahmen seines Studiums
der Europapolitik absolviert Tom Hillenbrand 1997 ein
Praktikum bei der EU, wohnt drei Monate in der Montée
de Clausen und lernt Luxemburg und seine Unterstädte
näher kennen. Seitdem trägt er die Geschichte bruch-
stückhaft in seinem Kopf mit sich herum. Als er später
eine TV-Reportage über einen Food-Scout sieht, zeichnen

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