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Denkmalpflege Prüfungsfragen ausgearbeitet

Fragen

Umnutzungen der Denkmäler von der Antike bis heute (Bild von Pantheon)
In der Antike wurden der griechische Baustil von den Römern nicht nur sehr stark
nachgeahmt, sondern auch ihre Bauten weiterverwendet. In der Spätantike kam es zu
kulturellem Verfall, der Zerstörung und Zweckentfremdung von Denkmälern. Im frühen
Mittelalter wurden die alten Bauten nicht nur aus Materialgründen ausgeschlachtet,
sondern teilweise auch aus kirchlichen Gründen zerstört oder der Natur überlassen, weil sie
heidnisch waren. Im Spätmittelalter kam es zur Umwidmung von bestimmten Bauten durch
die Kirche, wie es beispielsweise beim Pantheon der Fall war. In der Renaissance kam es zu
einer intensiven Beschäftigung mit der antiken Architektur, Schutzmaßnahmen wurden
eingeleitet. Allerdings war hier die Romanik und Gotik nicht mehr beliebt und
dementsprechend gefährdet. Im Barock kam es durch den Adel zu einer beginnenden
Ruinenromantik, bei der der Verfall idealisiert wurde und sogar falsche Ruinen in
Landschaftsgärten gebaut wurden. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts beginnt die
wissenschaftliche Erforschung von Denkmälern, die unter anderem zum Klassizismus führte.
Noch heute werden Denkmäler für viele Zwecke verwendet: in einem ehemaligen
griechischen Theater finden Opernaufführungen statt, sehr viele Denkmäler sind touristisch
erschlossen. Wichtig ist, immer zu erwägen, ob die Nutzung mehr Vorteile (Eintrittsgelder,
Bewusstseinsbildung) oder Nachteile (Zerstörung von Bausubstanz) mit sich bringt.

Die Entwicklung der Denkmalpflege in Österreich: ein Überblick von Maria Theresia bis zum
ersten Denkmalschutzgesetz 1923
Mitte 18. Jahrhundert: Edikt zum Schutz der Archivalien
Ende 18. Jahrhundert: Anzeigepflicht für Münz- und Kunstfunde
Anfang 19. Jahrhundert: Ausfuhrverbot für Kunstgegenstände und ähnliches
Mitte 19. Jahrhundert: Gründung der KuK-Centralcommission zur Erforschung und
Erhaltung der Baudenkmale
Ende 19. Jahrhundert: Reorganisation der KuK-Centralcommission
Anfang 20. Jahrhundert: Gründung des Bundesdenkmalamts
1923: erstes österreichisches Denkmalschutzgesetz

Rekonstruktion aus denkmalpflegerischer Sicht: Probleme? (Bild von Bauakademie in Berlin)


Eine Rekonstruktion sollte das allerletzte Mittel zur Rettung eines Gebäudes sein – technisch
betrachtet ist das Gebäude denn eigentlich nicht mehr zu retten, weil es nicht mehr existiert.
Bei der Rekonstruktion wird in der Regel (fast) keine originale Bausubstanz verwendet, daher
ist von dieser Seite nicht mehr allzu viel Geschichte enthalten. Deshalb ist es umso wichtiger,
dass der Wiederaufbau exakt an der gleichen Stelle und so schnell wie möglich erfolgt. Je
länger das Gebäude nicht mehr existiert, desto weniger Wissen gibt es über sein genaues
Aussehen im Inneren und Äußeren. Bei unklaren Plänen und mangelhafter geschichtlicher
Quellen ist es besser, ein Gebäude nicht mehr zu „rekonstruieren“, da das nur einen Betrug
darstellt.

Charta von Venedig


Die Charta wurde 1964 vom Internationalen Kongress der Architekten und Denkmalpfleger
als Weiterentwicklung der Charta von Athen erarbeitet. Der in der Charta festgelegte
Denkmalbegriff umfasst sowohl das einzelne Denkmal als auch städtische und ländliche
Ensembles, große künstlerische Schöpfungen neben bescheidenen Werken, die erst im Lauf
der Zeit eine kulturelle Bedeutung erhalten sollten - wie beispielsweise Industriebauten und
Zeugnisse der Moderne sowie Postmoderne. Die Charta fordert, dass bauliche Eingriffe die
Struktur und Gestalt der Denkmale nicht verändern sollten, sowie einen Umgebungsschutz.
Rekonstruktionen sollten einzig in der Form der Anastylose, des Wieder-zusammen-Fügens
vorhandener Teile, erfolgen, weil die Beiträge aller Epochen respektiert werden müssten.

Schutzzonen in Wien
Mit der im Jahr 1972 beschlossenen Altstadterhaltungsnovelle kann die Stadt Wien
unabhängig vom Denkmalschutz Schutzzonen festlegen und damit charakteristische
Ensembles vor Abbruch oder Überformung schützen. Schutzzonen sind jene Bereiche, in
welchen die Erhaltung des charakteristischen Stadtbildes zu gewährleisten ist. Dies betrifft
unter anderem historische Strukturen, prägende Bausubstanz und die Vielfalt von
Funktionen.

Ruskin vs. Viollet Le-Duc


John Ruskin (1819-1900) war ein Maler, Zeichner und Schriftsteller, der sich wissenschaftlich
mit alten Bauten auseinandersetzte. In seinem Buch „seven lamps of architecture“
beschreibt er menschliche Tugenden, die seiner Meinung nach auch auf die Architektur
zutreffen. Mit dem Begriff Wahrheit fordert er ehrliche Architektur – keine künstlichen
Ruinen; er will keine Täuschung der Konstruktion oder der Oberfläche. Mit dem Begriff
Erinnerung beschreibt er das Verhältnis von Gebautem und von Geschichte. Ein Gebäude
durchläuft mehrere Zeitschichten und hat Gebrauchsspuren. Die Herrlichkeit eines
Gebäudes liegt in seinem Alter. Sein Leitthema ist „Konservieren, nicht restaurieren“, ein
Zitat von ihm ist „Restaurierung ist eine Lüge von A-Z“.

Viollet le Duc (1814-79) war einer der wichtigsten Denkmalpfleger und Restauratoren des
19. Jahrhunderts sowie Chefarchitekt der Denkmalpflege. Er ist der Erfinder der stilistischen
Restauration.
Beispielsweise stellte er die Königsgalerie der Kathedrale Notre Dame wieder her – die zuvor
heruntergeschlagenen Köpfe wurden ohne Vorlage neu gemacht, ein Kopf sieht aus wie le
Duc. In den 1860er Jahren restauriert und rekonstruierte er die mittelalterliche Stadt
Carcassonne und das Schloss Pierrefonds.
Er war ein ausgezeichneter Kenner der mittelalterlichen Architektur und ein Perfektionist,
sein Hauptwerk war ein kommentiertes Lexikon der französischen mittelalterlichen
Architektur.
Ein Zitat von ihm ist „Restaurierung ist die Aufgabe, ein Gebäude in einen Zustand der
Vollkommenheit zurückzuführen, der zuvor vielleicht nicht vorhanden war.“
Ruskin und Le Duc vertreten genau entgegengesetzte Positionen in der Denkmalpflege.
Ruskin möchte alles so lassen, wie es ist und den Verfall höchstens ein wenig aufhalten,
während Le Duc Dinge (wieder)herstellt, die es so gar nicht gegeben hat.

Camillo Boito: Welches Dokument von ihm war wichtig und wie beeinflusste es die
Denkmalpflege der folgenden Jahre?
Camillo Boito (1836-1914) nimmt eine Zwischenposition zwischen Ruskin und Le Duc ein.
Bis dato neu war seine Formulierung des Denkmals als Quelle von Geschichte. Für ihn ist
Restaurieren zulässig - aber nur als Notlösung.
In der Carta del Restauro (1883) stellte er Grundsätze auf, welche später fast 1 zu 1 als
Gesetz übernommen werden.

1. Gebäude sollen zuerst konsolidiert und instandgesetzt werden, anstatt gleich komplett
restauriert zu werden. Hinzufügen und Erneuern soll vermieden werden.
2. Ergänzungen sollen vom Bestand differenziert werden. Sie sollen in der Form
nachempfunden werden, aber unterschiedlich in den Materialien sein, ohne das Gesamtbild
zu beeinträchtigen. Fehlstellen sollen vereinfacht ergänzt werden.
4. Dem ursprünglichen Denkmal später hinzugefügte Teile gehören zum Bestand. Müssen
wertvolle Teile entfernt werden, so sollen diese aufbewahrt werden, möglichst neben dem
Denkmal.
5. Die Arbeiten sollen dokumentiert werden: schriftlich, zeichnerisch und mit Fotos - vor,
während und nach der Arbeit.
6. Eine Inschrifttafel soll mit Datum und Bezeichnung an die Restaurierung erinnern.

Sein wichtigstes Werk war die Porta Ticinese, ein mittelalterliches Stadttor. Boito machte
zwei neue Durchgänge, der mittlere Bogen mit Relief blieb. Später sagt Boito, dass er sich bei
diesem Projekt nicht ganz treu gewesen wäre. Außerdem rekonstruierte er den Donatello-
Altar sehr erfolgreich. Alles in allem vermittelte Boito einen ganz neuen Zugang zur
Denkmalpflege.

Warum wurde die Charta von Nara (1994) verabschiedet und wie kollidiert sie mit einigen
denkmalpflegerischen Grundsätzen?
Die Charta beschäftigt sich mit dem Begriff der Authentizität in der Restaurierungspraxis und
zeigt die daraus resultierenden Probleme in der Denkmalpflege auf. Thematisiert wird die
Frage, ob es gut ist, etwas instand zu halten oder gar zu renovieren, da hierbei zwangsläufig
Originalsubstanz verloren geht.

Brief über Denkmalpflege von Raffael an Papst Leo


Im Brief bittet der Hochrenaissance-Malter Raffael den damaligen Papst Leo X., eine
Bauaufnahme aller antiken Gebäude durchführen zu dürfen (also die finanziellen Mittel
dafür zu bekommen). Er erklärt detailliert, wie dies zeichnerisch durchzuführen sei und
versucht, dem Papst zu vermitteln, welche großen Schätze alleine in den letzten 12 Jahren –
seit er nach Rom gekommen war – vernichtet wurden, Raffael vergleicht die Zerstörer der
antiken Bauwerke sogar mit den früheren Barbaren. Marmorstatuen wurden zu Kalk
gebrannt, Fundamente ausgegraben, um Puzzolanerde zu gewinnen und Steine sowie Eisen
wurde aus dem Kolosseum entnommen.

Nationale und internationale Organisationen


ICOMOS: International Council On MOnuments and Sites. Publiziert Charten, die
berühmteste davon ist die Charta von Venedig
UNESCO: Dachverband, an den die ICOMOS angeschlossen ist
EUROPARAT: 1975 rief er das europäische Denkmalschutzjahr aus. Er publiziert die
Europäische Denkmalschutzcharta (unterscheidet sich nur wenig von der Charta von
Venedig)
Bundesdenkmalamt: geht zurück auf die 1850 durch Kaiser Franz Joseph I. gegründete KuK-
Zentralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Denkmäler

Kölner Dom: Personen, zeitliche Entwicklung


Ursprünglich aus dem 12./13. Jahrhundert, um 1500 fehlte das Geld und der Wille für den
Weiterbau (Gotik war kein erstrebenswerter Stil mehr). Auf Holzschnitten kann man den
Kran sehen, der vier Jahrhunderte lang dort oben stehen geblieben ist.
Nachdem Friedrich Gilly durch Zeichnungen der Marienburg in Öffentlichkeit großes
Interesse an der Gotik geweckt hatte, wurde auch der Weiterbau des Kölner Doms wieder
angedacht. Goethe, Görres sowie Sulpice de Boisseree spielten eine große Rolle und waren
Befürworter des Weiterbaus als Symbol eines vereinten Deutschlands.
Boisseree erstellte Ansichten und Schnitte des Doms, von denen das Volk begeistert war und
danach die Vollendung des Doms wollte.
„Plan F“ wurde in zwei Teilen gefunden (war 4m hoch) und ist eine Vorlage, wie der Kölner
Dom ursprünglich aussehen hätte können. Dieses Fundstück war der endgültige Durchbruch
für die Vollendung des Doms.
1842 legte König Wilhelm IV den Grundstein und 1880 wurde der Dom fertiggestellt - nach
640 Jahren Bauzeit. Der Bau war eine damalige technische, finanzielle und politische
Meisterleistung und so inspirierend dass nun überall in Europa Kirchen fertig gestellt
wurden.

Das Schloss Heidelberg: seine Geschichte, Akteure


Das Schloss wurde in einem Krieg gegen Frankreich zerstört und blieb bis ins 19. Jahrhundert
eine Ruine. Frei nach dem Motto „diesen Franzosen zeigen wir es“ wurde 1870 der
Friedrichsbau durch Carl Schäfer wiederaufgebaut. Das Gebäude erstand in monumentaler
Weise wieder und Schäfer erntete dafür großes Lob in den Bauzeitungen, allerdings gab es
auch Kritiker. Beim Friedrichsbau war ungefähr die Hälfte vorhanden, die andere Hälfte
wurde neu aufgebaut.
Aus Freude über die prächtige Rekonstruktion sollte nun auch der Ottheinrichsbau erneuert
werden, der nach wie vor eine Ruine war – durch die Franzosen zerstört und nach einem
Blitzschlag ausgebrannt.
Nach den Plänen von Schäfer wurde die Kritik immer lauter, der sogenannte „Schlossstreit“
begann. Sein größter Kritiker war Georg Dehio, der sogar seine eigene Flugschrift „Was wird
aus dem Heidelberger Schloss werden?“ gegen den Wiederaufbau in Umlauf brachte.
Georg Dehio ist Historiker und hat eine klare Vorstellung von Denkmalpflege, er schrieb ein
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler.
Dehio weiß genau, wie er in seiner Flugschrift argumentieren muss, um die Leute zu packen.
Beispielsweise schrieb er, dass das Schloss der Allgemeinheit gehört und Schäfer es einfach
so baut wie nur ER das will.
Weiters fragt er „Was ist ein Architekt?“ und führt an, dass Schäfer als Architekt sich selbst
beim Neubau einbringen will und sich nicht zurückhalten kann – in diesem Zusammenhang
spricht er auch von der „Verschäferung“. Hier weist er auf den Verlust und Gewinn der
„Verschäferung“ hin. Verlieren würde man die Echtheit des Gebäudes.
Dehio gewinnt schließlich die Schlossdebatte, ein Zitat von ihm: „Ein Baudenkmal erinnert
nicht nur an vergangene Zeit, es stammt auch aus dieser.“

Definition von Authentizität? Was ist die Problematik dieses Begriffs in der Denkmalpflege?
Authentizität eines Bauwerks bedeutet, dass dieses oder seine Teile tatsächlich aus der Zeit
stammt, von der es zu abstammen vorgibt, also weder eine Fälschung noch eine
Fehlzuschreibung ist. Problematisch im Kontext der Denkmalpflege ist, dass jede Form von
Interaktion mit dem Gebäude dessen Authentizität vermindert – selbst eine maßvolle
Instandhaltung ohne jegliche touristische Verwendung zerstört auf lange Sicht gesehen die
Originalsubstanz. Und alles, was hinzugegeben wird, ist nicht mehr authentisch im Sinne
einer strengen Auslegung des Begriffs.

Begriffe

Instandhaltung
durch angemessene Nutzung (Raumtemperatur das ganze Jahr über konstant, im Winter
Schutzabdeckungen über Fundament) – kontinuierliche und maßvolle Pflege ohne
technisches Eingreifen oder pflegeleichten Wundermittel

Anastylose
partielle Wiedererrichtung eines verfallenen Gebäudes unter Verwendung seiner originalen,
erhaltenen Bauteile

Translozierung
Abbau eines Gebäudes und Aufbau an einem anderen Ort oder auch Verschieben eines
Gebäudes. Nur weil dies heutzutage technisch möglich ist, sollte es keine allround-Lösung
werden, sondern auf den absoluten Notfall beschränkt sein

Restaurierung
nach einer umsichtigen Analyse aller erhaltenswerten Schichten greift die Restaurierung dort
in das Gesamtwerk ein, wo das Denkmal stark fehlerhaft oder gefährdet ist, beeinträchtigte
Werte sollen wiederhergestellt werden. Eine sogenannte „analytische“ oder „purifizierende“
Restaurierung (Rückführung) ist wenig erstrebenswert!

Instandsetzung
muss oft mangels kontinuierlicher Pflege durchgeführt werden und beschränkt sich auf
kleinere Reparaturen und das Auswechseln oder Ergänzen von Teilen - wobei immer der
Reparatur der Vorzug gegeben werden soll! Die Maßnahmen sollen auf das Notwendigste
beschränkt werden

Renovierung
ist die Wiederherstellung verlorengegangener (oder unscheinbar gewordener) ästhetischer
Eigenschaften. Ziel ist die ästhetische Ganzheit des Denkmals und nicht dessen technische
Integrität. Renovierung ist dort akzeptabel, wo originale Substanz technisch nicht mehr
konservierbar ist

Rekonstruktion/Wiederaufbau
der Wiederaufbau sollte auf Katastrophenfälle beschränkt bleiben und möglichst
unmittelbar nach der Zerstörung erfolgen. Der Wiederaufbau am selben Ort ist zwingend!
Rekonstruktionen sind fragwürdiger als Wiederaufbauten, da sie häufig auf ungenügenden
Kenntnissen des Originals beruhen

Konservierung
ist der oberste denkmalpflegerische Grundsatz und Ausgangspunkt aller
denkmalpflegerischen Überlegungen! Die Sicherung des Bestands beugt weiteren
Substanzverlusten vor

Ergänzung
bei der KONSERVIERUNG braucht es keine Ergänzungen, bei der RESTAURIERUNG ist das
Schließen von Fehlstellen erlaubt. Ergänzungen sollen vom Originalbestand unterscheidbar
sein und dürfen das Denkmal nicht verfälschen. Man sollte sparsam ergänzen (nicht bis ins
kleinste Detail nachbilden – zerstört den Gesamteindruck) und dies sollte immer ein
Ausnahmefall bleiben (notwendige Schließungen, Retuschen bei Malereien)

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