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Literatur des 19.

Jahrhunderts
WS 2020, Dr. Csilla Mihály
8.9.2020

Literatur der Romantik (1)

1. Kurzer historischer Überblick


1.1 Literarische Strömungen des 19. Jahrhunderts
2. Romantik – Zum Begriff
3. Wegbereiter der Romantik
3.1 Aufklärung
3.3 Herder, Hamann
3.4 Pietismus, Empfindsamkeit
4. Epochengliederung
4.1 Frühromantik
4.2 Hochromantik
4.3 Spätromantik

1. Kurzer historischer Überblick


Welche historischen Ereignisse, gesellschaftlichen Veränderungen prägen die
Epoche?

 Das „lange“ 19. Jh. = Französische Revolution (1789) – 1. Weltkrieg (1914-18)


 Ereignisse in Deutschland:
Niedergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation  Rheinbund (1806)
Befreiungskriege gegen Napoleon (1813)  Wiener Kongress (1814/15) 
Restauration
Revolution (1848)
zweite Restaurationsbewegung  1871 Reichsgründung

1.1 Literarische Strömungen des 19. Jahrhunderts


Welchen Zusammenhang gibt es zwischen den historischen Ereignissen und den
literarischen Strömungen?

 Romantik (1790-1830) Französische Revolution


 Biedermeier (1830-1848) Restauration
 Junges Deutschland, Vormärz (1815-1848) Restauration
 Realismus (1848-1900) zweite Restauration
 Naturalismus (1890-1900), Ästhetizismus (1890-1914)

(Vgl. Jeßing 2008: 150-156, Kremer 2001: 8-27)

2. Zum Begriff der Romantik


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Was wird unter Romantik verstanden?

a) romantisch „altertümlich“, „verträumt“, „schwärmerisch“, „gemütlich“, „stimmungsvoll“,


„verliebt“, „verträumt“, „wunderbar“, „poetisch“, „phantasievoll“, „wirklichkeitsfern“

b) Romantik = Name für eine Epoche in der Geschichte der europäischen Kunst, etwa für die
Jahrzehnte zwischen 1790 und 1830 (die Zeitspanne ist in den einzelnen
Wissenschaftszweigen unterschiedlich)

c) Romantik, Roman  etymologisch verwandt: altfranzösisches Stammwort: „romanz“ =


romanische Volkssprache ( Gelehrtensprache: Latein)  „romance“ = in provenzalischer
Sprache geschriebene Vers- oder Prosadichtung  Roman = erfundene Erzählung
im 18. Jh.: romantische Kunst = moderne, durch das Christentum bestimmte Literatur,
Malerei und Musik  klassische Kunst der Antike
(Vgl. Kaiser 2010: 9-10, Kremer 2001: 40-43, Schmitz-Emans 2007: 7-11, Schulz 2008: 10-
13)

3. Wegbereiter der Romantik


Wie verhält sich die romantische Bewegung zur Tradition?

3.1 Aufklärung
a) Romantik = Fortführung aufklärerischer Impulse
- Integration ästhetischer, philosophischer, psychologischer und naturwissenschaftlicher
Kenntnisse
- die Idee der Progression: Geschichte als Prozess der Höherentwicklung
b) Romantik = Überwindung aufklärerischer Impulse
- gegen die Verstandeskultur, gegen die Lehre der Nützlichkeit
- Harmonie von Vernunft und Phantasie

Novalis: Europa (1799)


Die Aufklärer waren rastlos beschäftigt, die Natur, den Erdboden, die
menschlichen Seelen und die Wissenschaften von der Poesie zu säubern, - jede
Spur des Heiligen zu vertilgen, das Andenken an alle erhebenden Vorfälle und
Menschen durch Sarkasmus zu verleiden, und die Welt alles bunten Schmucks zu
entkleiden. Das Licht war wegen seines mathematischen Gehorsams und seiner
Frechheit ihr Liebling geworden. Sie freuten sich, dass es sich eher zerbrechen ließ,
als dass es mit Farben gespielt hätte, und so benannten sie nach ihm ihr großes
Geschäft, Aufklärung. In Deutschland betrieb man dieses Geschäft gründlicher,
man reformierte das Erziehungswesen, man suchte der alten Religion einen neuern,
vernünftigen, gemeinern Sinn zu geben, indem man alles Wunderbare und
Geheimnißvolle sorgfältig von ihr abwusch.

August Wilhelm Schlegel: Allgemeine Übersicht des gegenwärtigen Zustandes der


deutschen Literatur (1802)
Auch unser Gemüt teilt sich wie die äußere Welt zwischen Licht und Dunkel, und
der Wechsel von Tag und Nacht ist ein sehr treffendes Bild unseres geistigen
Daseins. … Der Sonnenschein ist die Vernunft als Sittlichkeit auf das tätige
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Leben angewandt, wo wir an die Bedingungen der Wirklichkeit gebunden sind.


Die Nacht aber umhüllt diese mit einem wohltätigen Schleier und eröffnet uns
dagegen durch die Gestirne die Aussicht in die Räume der Möglichkeit; sie ist die
Zeit der Träume. Einige Dichter haben den gestirnten Himmel so vorgestellt, als
ob die Sonne nach Endigung ihrer Laufbahn in alle jene unzähligen leuchtenden
Farben zerstöbe: dies ist ein vortreffliches Bild für das Verhältnis der Vernunft
und Fantasie: in den verlorensten Ahnungen dieser ist noch Vernunft; beide sind
gleich schaffend und allmächtig, und ob sie sich wohl unendlich entgegengesetzt
scheinen, indem die Vernunft unbedingt auf Einheit dringt, die Fantasie in
grenzenloser Mannigfaltigkeit ihr Spiel treibt, sind sie doch die gemeinschaftliche
Grundkraft unseres Wesens.

3.2 Rousseauismus
- Freisetzung des Gefühls
- Auflehnen gegen die Konventionen der ständischen und der bürgerlichen Gesellschaft
3.3 Herder, Hamann
- antiklassizistische Vorbilder (Shakespeare, Cervantes)
- Interesse für Volksdichtung, fremde Kulturen
- neues Geschichtsverständnis

3.4 Pietismus, Empfindsamkeit


18. Jh.: Vernunftskultur  Gefühlskultur
a) Pietismus = protestantische Bewegung gegen die Lehren kirchlicher Ortodoxie, betont das
subjektive religiöse Empfinden  Interesse für innerseelische Prozesse, Rückwendung auf
sich selbst  Novalis: „Nach Innen geht der geheimnißvolle Weg“.
b) Empfindsamkeit = weltlicher Emotionalismus  Darstellung von persönlichem Erleben
und Empfinden: Briefe, Tagebücher und Autobiographien

Wilhelm Wackenroder: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders

(Vgl. Pikulik 1992: 15-33, Schmitz-Emans 2007: 26-33, Schulz 2008: 13-26)

4. Epochengliederung
In welche Phasen lässt sich die deutsche Romantik gliedern?

4.1 Frühromantik (1789- 1800)


- Zentren: Jena, Berlin
- Aspekte der Romantik:
Wilhelm Heinrich Wackenroder: Herzensergießungen eines kunstliebenden
Klosterbruders (1797)
Herzensergießungen 1. Aufwertung des Gefühls
eines 2. Subjektivität
kunstliebenden 3. Kunstreflexion, Sakralisierung der Kunst
4

Klosterbruders 4. Begeisterung für das Mittelalter


5. Neigung zum Religiösen
 Vertreter: Friedrich von Hardenberg (genannt Novalis) (1772-1801), Friedrich Schlegel
(1772-1829), Ludwig Tieck (1773-1853), Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773-1798),
Dorothea Schlegel (1764-1839), Caroline Schlegel-Schelling (1763-1809), Clemens Brentano
(1778-1842)
 Werke: Novalis: Hymnen an die Nacht (1800) Heinrich von Ofterdingen (posthum 1802),
Friedrich Schlegel: Lucinde (1799), Clemens Brentano: Godwi oder Das steinerne Bild der
Mutter (1801)
 Zeitschrift: Athenäum (1798-1800)
(Vgl. Kaiser 2010: 11-15, Pikulik 1992: 66-73)
4.2 Hochromantik
- Zentren: a) Heidelberg (1804-08):
 Vertreter: Achim von Arnim (1781-1831), Clemens Brentano und seine Schwester,
Bettina Brentano (1785-1859), Joseph von Eichendorff (1788-1857), Joseph Görres
(1776-1848), Karoline von Günderode (1780-1806)
 historisch-philologische und nationale Ausrichtung
 Werke: Clemens Brentano und Achim von Arnim: Des Knaben Wunderhorn (1805-
06), Joseph Görres: Die Teutschen Volksbücher (1807), Gebrüder Grimm: Kinder- und
Hausmärchen (1812-15)
b) Berlin (1809-1822)
 Christlich-Deutsche Tischgesellschaft (1811): Patriotische Ideen verbinden hier Arnim,
Brentano, Joseph Freiherr von Eichendorff, Friedrich de la Motte Fouque (1777-1843),
Adalbert von Chamisso (1781-1838) und Heinrich von Kleist (1777-1811)
 Serapionsbund (1818) von E.T.A. Hoffmann (1776-1822) gegründet, dem zeitweilig auch
Chamisso und Fouque angehören
 Werke: E.T.A. Hoffmann: Fantasiestücke (1814-15), Nachtstücke (1816-17), Die
Serapionsbrüder (1819-21), Die Elixiere des Teufels (1815-16), Eichendorff: Das
Marmorbild (1819), Ahnung und Gegenwart (1815), Gedichte

4.3 Spätromantik (1820-30)


- Zentren: Wien, München
 verstärkt religiöse Orientierung
 Brentano, Eichendorff, Friedrich Schlegel, Tieck
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(Vgl. Bunzel 2010: 7-9, Kremer 2001: 47-50, Schmitz-Emans 2007: 26-33)

Literatur
Bunzel, Wolfgang (2010): Romantik. Epoche – Autoren – Werke. Darmstadt: WBG
Jeßing, Benedikt (2008): Neuere deutsche Literaturgeschichte. Tübingen: Narr
Kaiser, Gerhard (2010): Literarische Romantik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
Kremer, Detlef (2001): Romantik. Stuttgart/Weimar: Metzler
Pikulik, Lothar (1992): Frühromantik. Epoche – Werke – Wirkung. München: C.H.Beck
Schmitz-Emans, Monika (2007): Einführung in die Literatur der Romantik. 2. Aufl. Darmstadt: WBG
Schulz, Gerhard (2008): Romantik. Geschichte und Begriff. 3. Auflage. München: C. H. Beck

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