I. Die Himmelsscheibe von Nebra dieses schon vor vielen Tausenden von „Sternenstraßen“ genannten Schneisen
Die Frühgeschichte Alteuropas wirft Jahren. Das „Büchlein“ von Tränken- von seiner Meinung nach bis zu 20 km
eine Hülle nach der anderen ab. Was schuh ist eine Einführung in das He- Breite zeigten sich aufgrund einer ge-
einige (1) längst wussten und die über- xeneinmaleins. Ich konzentriere mich dachten Verbindung von Orten, deren
wältigende Mehrheit der Fachgelehrten in diesem Beitrag auf das Problem der schon vorgeschichtliches Dasein nach-
nicht wahrnahm oder nicht wahr haben Sternenstraßen, insbesondere, soweit es weisbar ist.
wollte (2), lässt nach den Funden von für die Externsteine-Forschung (7) von Die nördlichste der von Kaminski
Ötzi, der Himmelsscheibe von Nebra (3) Belang sein könnte. gefundenen Linien (Sternenstraße 1
und immer neuer Kreisgrabenanlagen Süd) ist die Verbindung zwischen Ston-
wie der von Goseck (4) auch in der Öf- II. Die bisherigen Erkenntnisse ehenge und dem sauerländischen Ort
fentlichkeit das Bild der Frühgeschichte zu den Sternenstraßen Wormbach auf 51° 10’ 37’’ (51,117°) n.
in einem neuen Licht erscheinen. Uwe Das Vorhandensein frühgeschicht- Br. Die Linie setzt sich über den Ho-
Neupert (5) verdanken wir die Einsicht licher „Sternenstraßen“ in Europa wurde hen Meißner (Eschwege) und Goseck
in die geometrisch/astronomischen Be- von dem Bochumer Astronomen Heinz (Naumburg) bis nach Breslau fort.
ziehungen der Himmelskörper, wie sie Kaminski (8) Anfang der 90er Jahre des Kaminski vertrat die Meinung, es han-
auf der Nebra-Scheibe dargestellt sind. vergangenen Jahrhunderts entdeckt. dele sich bei den Sternenstraßen um ein
Oswald Tränkenschuh (6), der die Scheibe Danach ist West- und Mitteleuropa zu- megalithisches Kult-, Maß-, Ordnungs-
als Messinstrument, nämlich als „trag- mindest zwischen dem 42. und dem 52. und Orientierungssystem.
bare Kreisgrabenanlage“ deutet, erwei- Breitenkreis von einem Gitternetz von Was die West-Ost-Sternenstraßen
tert dieses Wissen und entwickelt aus vier Breitenkreislinien überzogen. Sie anbetrifft, hatte Kaminski herausge-
der Entstehungsgeschichte der Scheibe laufen ähnlich wie die Breitenkreise von funden, dass der Breitenabstand der
Beweise für ein staunenswertes geome- Westen nach Osten und als Meridiane vier Parallelkreise 2,766° beträgt. Nach
trisches und astronomisches Wissen (Längengrade) von Norden nach Süden. unserem metrischen Längensystem
unserer frühzeitlichen Vorfahren, und Diese von Kaminski untersuchten und sind das 306,803 km. Im Maß der spa-
VII. Die zehn südlichen 45,648° Pointe de Greve- Brescia- Pa- der Planung und Konstruktion der
Sternenstraßen West -Ost dua Sternenstraßen entspricht der Differenz
Sobald die frühzeitlichen Astro- 42,882° Santiago-de-Compostela-Linie der Sternenstraßen 1 und 10 Süd nach
nomen und Geodäten in der Lage wa- 40,116° 40°6’57,6‘‘ Figueira da Foz der Rechnung
ren, die Tage der Gleichen zu bestim- 37,350° 51.177° (Wormbach)
men und die Schattenlänge und die 34,584° – 26,283° (bei Abydos) = 24,894°.
Sonnenhöhe an diesen Tagen zu messen 31,818° Umgekehrt ergibt sich der Winkel
- und das dürfte noch in der Altsteinzeit 29,052° der Schiefe der Ekliptik auch aus der Dif-
der Fall gewesen sein -, vermochten sie 26,286° Abydos-Linie (ca. 17 km nörd- ferenz der Sonnenhöhe der 10. Sternen-
auch, die geographische Breite Nord zu lich von Abydos) straße und der 1. Sternenstraße Süd:
ermitteln, auf der sie sich als Beobachter Die y-Achse dieses Systems ist, wie 63,717° (bei Abydos) – 38,823°
befanden. bereits von Kaminski richtig erkannt, (Wormbach) = 24,894°
Beispiel: Die Sonnenhöhe auf der der Meridian 8,25° ö. L. (= 8° 15’ 0’’) Diese Rechnung lässt sich im Sy-
Sternenstraße 1 Süd (Stonehenge - Aber grundsätzlich eignet sich jeder stem der 15 Sternenstraßen nicht an-
Wormbach – Hoher Meißner (Eschwege) Meridian als y-Achse des Systems der stellen. Die Relation der Sternenstraße
– Breslau) beträgt am 21. 3. 38,823°. Die Sternenstraßen. Stonehenge - Abydos ist einzigartig.
Sternenstraße liegt demnach auf 90° - Aus der Breitenkreislage der Ster- Eine weitere Einzigartigkeit ergibt
38,823° = 51,177° n. Br. nenstraßen 1 und 10 (Süd) ergibt sich sich aus der Zusammenrechnung der
Dieses Wissen nutzen die Konstruk- die Schiefe der Ekliptik. Der Winkel Sonnenhöhen der jeweils sich gegenüber
teure der Sternenstraßen. Sie errichteten der Schiefe der Ekliptik zum Zeitpunkt liegenden Sternenstraße Süd 1 + 10, 2+
ein System von 15 West-Ost-Sternen-
straßen (25). Es umfasste den Kreis-
bogen der Ekliptik, erstreckte sich also
zwischen dem nördlichen Polarkreis und
– fast - dem Wendekreis des Krebses. Es
gliedert sich in fünf nördliche und zehn
südliche Sternenstraßen.
Die Positionierung der zehn Ster-
nenstraßen Süd ist folgende:
51,183° Stonehenge-Wormbach-Linie
Stonehenge-Wormbach-Goseck-
Breslau
48,414° Odilienberg-Linie (26)
Chartres-Fontainbleau-Odilienberg- Abb. 7: Tabelle (Tr. S. 78)
Ulm
der Null-Linie des Systems = 5 x 2,766° gende 15 Sternenstraßen rekonstruie- hohen Norden konnten am Frühlingsbe-
= 13.830° das eingerichtete System der ren: ginn die sehr langen Schatten, am Boden
Sternenstraßen 0,099° südlicher begon- 1. 65,007° Polarkreis streifend, noch nicht gemessen werden.
nen (90° - 24,894° = 65,007°). Zwischen Das war am Sommeranfang anders.
der Planung der Sternenstraßen und ih- 2 62.241° Odry (Westpreußen) Es ist Herman Wirth (30) gewesen, der
rer Ausführung muss sich der Winkel der 3. 59.475° Borremose (Jütland) immer wieder auf die kultur- und sinn-
Schiefe der Ekliptik um 0,099° verändert 4. 56,709° Orkneys geschichtliche Bedeutung der Sommer-
haben (27). Unter Berücksichtigung 5. 53,943° unerforscht und Wintersonnenwende im Norden
dieser Tatsache ging die Sternenstraßen- 6. 51,177° Stonehenge-Wormbach hingewiesen hat.
Rechnung – das System beginnend am 7. 48,414° Cha r tres- Od ilien- Die Richtigkeit dieser Annahme er-
nördlichen Polarkreis - auf. berg-Kreisgrabeanlagen Isar-Do- gibt sich aufgrund des Umstandes, dass
Ein solches System hätte dem Zweck nau-Dreieck auf den Sternenstraßen Nord am Tage
des Kontrollsystems entsprochen. Denn 8. 45,645° Brescia der Sommersonnenwende die Sonnen-
beabsichtigt war die Kontrolle des Win- 9. 42,879° Santiago de Compo- höhe (nachstehend: SH) ebenso exakt
kels der Schiefe der Ekliptik. Dieser ent- stela erreicht wird wie auf den Straßen 9 bis 5
sprach zwar der Entfernung zwischen Süd am 21. 3.(31):
10. 40,116° unerforscht
Nordpol und nördlichem Polarkreis, 11. 37,350° unerforscht Sternenstr./Lage Nord/SH 21. 3./SH
nicht aber der Entfernung zwischen 21. 6. entspricht SH am 21. 3. auf
12. 34,584° unerforscht Sternenstr.
dem Polarkreis und dem Wendekreis
des Krebses. Hier fehlten 1,488° - jeden- 13. 31,818° unerforscht
1N 53,943° 36.057° 60,951° 9 S
falls im Zeitpunkt der Planung des Sy- 14. 29,052° unerforscht 2N 56,709° 33,291° 58,185° 8 S
stems der Sternenstraßen. Der Winkel 15. 26,286° Abydos (29) 3N 59,475°! 30,525° 55,419° 7 S
der Schiefe der Ekliptik betrug damals Der durch Polarkreis und Wendekreis 4N 62,241° 27,759° 52,653° 6 S
24,894°. Rechnet man vom Nordpol (- 1,389°) begrenzte Kreisbogen war die 5N 65, 007° 24,993° 49,887° 5 S
aus 90° - 24,894° (Polarkreis) – 24,894° „Messstrecke“. Sie wurde in 14 gleich Die Nummer der Sternenstraßen
(Ekliptikschiefe) – 13,830° (5 x 2,766°) lange Segmente zerlegt, beginnend mit korrespondiert; die Summe (Konstante)
– 24,894° (Wendekreis des Krebses), dem Polarkreis als Null-Koordinate und ist jeweils 10.
so kommt man zu dem Ergebnis, dass der 10. Sternenstraße Süd in Ägypten
die Sternenstraßen 1,488° nördlich des endend. Die Länge der Segmente ergab IX. Die Veränderung des
Wendekreises des Krebses enden. sich durch die Teilung der „Messstrecke“ Systems durch Änderung des
Das lässt keinen anderen Schluss zu, in 14 Teile. Ekliptikwinkels
als dass die Null-Breite des Systems der Die theoretische x-Achse des Systems
der Sternenstraßen bildete die Sternen- Mit der Änderung des Winkels der
Sternenstraßen tatsächlich der nörd- Schiefe der Ekliptik veränderte sich auch
liche Polarkreis gewesen ist. Der Beginn straße Nr. 8 (45,645°). Es gibt aber gute
Gründe für die Annahme, dass die tat- der Abstand zwischen den West-Ost
des Systems der Sternenstraßen war Sternenstraßen. In der Tat hat sich, wie
am nördlichen Polarkreis angelegt. Ex sächliche x-Achse die Sternenstraße 1
Süd war. Auf die astro-geodätischen Ein- sich aus der Scheibe von Nebra ergibt,
nocte lux (28)! Hätte das System im die Schiefe der Ekliptik im Laufe von
Süden begonnen, dann mit Sicherheit zigartigkeiten dieser Sternenstraße habe
ich bereits hingewiesen. Hinzu kommt, Tausenden von Jahren immer wieder
am Wendekreis des Krebses. Dann hät- geändert und zwar besonders gravierend
ten zum Polarkreis 1,389° gefehlt. Die dass sich nördlich der 1. Sternenstraße
Süd das Messverfahren änderte. Ab die- um – 3000 und – 2100. Bei einem Ek-
0,009°, die sich aus der minimalen Ver- liptikwinkel von 24,894° betrug der Ab-
setzung der Konstruktionspunkte der ser Linie, die Tränkenschuh „das Reich
von Herman Wirth“ nennt, wurde die stand zwischen den Sternenstraßen ur-
West-Ost-Sternenstraßen nach Süden sprünglich 2,766°. Mit jeder Änderung
ergaben, bleiben bei dieser Rechnung Schattenlänge nämlich nicht am 21. 3.
(Frühlings-Gleiche), sondern am 21. 6. des Winkels der Schiefe der Ekliptik
unberücksichtigt. veränderten sich die Schattenlängen auf
Insgesamt können wir damit fol- (Sommersonnenwende) gemessen. Im
den durch die Sternenstraßen markierten