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Französische Stil
Genau so wie es große Unterschiede gibt von der
Grammatik zur Deklamation; gibt es auch
unendliche Unterschiede zwischen der Notation
und gutem Musizieren.
• Es war (und ist immer noch) unmöglich jede musikalische Nuance super präzise zu
notieren (denken wir an Quantz’ Beispiel mit Dynamik Markierungen…)
• sie haben die Notation beim Spielen nicht geändert, sondern konnten (und wollten)
nicht notieren, was sie gespielt haben!
• Diese Konventionen werden in vielen historischen Quellen beschrieben, und wenn wir
die verstanden haben, gewinnen wir viele weitere Ausdrucksmittel
Punktierungen
• Bei punktierten Noten ist fast nie das mathematische
Verhältnis von 3:1 gemeint
• Die punktierte Note ist fast immer länger, und die kurze
Note, oder Noten, sind kürzer als notiert
• die Noten Verhältnisse können leicht ‘triolisch’ (2:1, aber auch 4:3 etc.)
bis punktiert (3:1) sein
• obwohl es vergleichbar ist, ist es nicht wie ‘gute’ und ‘schlechte’ Noten
F. Couperin (1717)
• Meiner Ansicht nach gibt es Fehler in unserer Art, Musik
zu schreiben, die mit der Art und Weise
zusammenhängen, wie wir unsere Sprache schreiben!
Das liegt daran, dass wir anders schreiben als wir spielen,
was dazu führt, dass Ausländer unsere Musik weniger gut
spielen als wir ihre; im Gegensatz dazu schreiben die
Italiener ihre Musik in den tatsächlichen Werten, in denen
sie sie sich vorstellen. Zum Beispiel punktieren wir eine
Reihe von zusammengesetzten Achtelnoten, und
dennoch schreiben wir sie als gleich. Unser Tradition hat
uns versklavt; und trotzdem machen wir weiter.
Inégalité Regeln
1) Es gilt für französische Barockmusik, oder Musik in dem französischen Stil
(es ist umstritten wie verbreitet es in ganz Europa war)
4) In geraden Taktarten wie 4/4 oder Alla Breve müssen die Noten den
metrischen Puls in mindestens 4 unterteilen. z.B.; die 8tel in Alla breve, 16tel
in 4/4 etc.
5) In ungeraden Takten wie 3/8, 3/4, 6/8 etc. können die Noten den metrischen
Puls in 2 oder 4 unterteilen z.B.: die 16tel in 3/8 und 6/8, die 8tel in 3/4
2) Es gilt auch nicht für sehr schnelle Noten (wo es auch sowieso
kaum möglich ist inégale zu spielen)
5) Es gilt nicht für Gruppen von Noten größer als zwei, z.B Triolen
Französisches Ouvertüre
• Friedrich Scheibe, 1740: (Über den ersten Teil von Ouvertüren) Eine edle Lebhaftigkeit, ein
ernsthaftes, männliches und prächtiges Wesen, und überhaupt ein beständiges Feuer
müssen ihn durchgehendes erheben.
• Johann Georg Sulzer (1775) (J.A.P. Schultz, Student von Kirnberger): Im vorigen
Jahrhundert hat man die besten Ouvertüren aus Frankreich erhalten, wo sie, wie gesagt
worden, zuerst aufgekommen sind. Nachbar wurden sie auch anderwärts nachgeahmt,
besonders in Deutschland, wo ausser dem grossen Bach, noch andre seines Namens,
ungleichem Händel, Fasch in Zerbst, und unsere beiden Graun, besonders aber Telemann
sich hervorgetan haben. Zuerst erscheint insgeheim ein Stück von ernsthaften aber feurigen
Charakter in 4/4 Takt. Die Bewegung hat etwas stolzes, die Schritte sind langsam, aber mit
viel kleinen Noten ausgezieret, die feurig vorgetragen, und mit gehöriger Überlegung
müssen gewählt werden, damit sie in anderen Stimmen in strengen, oder freien
Nachahmungen wiederholt werden können. Denn dergleichen Nachahmungen haben alle
gute Meister in Ouvertüren immer angebracht; mit mehr oder weniger Kunst, nachdem der
Anlass zur Ouvertüre wichtig war. Die Hauptnoten sind meistenteils punktiert, und im
Vortrag werden die Punkte über ihre Geltung ausgehalten. Nach diesen Hauptnoten folgen
mehr oder weniger kleinere, die in der äussersten Geschwindigkeit und so viel möglich,
abgestossen müssen gespielt werden, welches freilich, wenn 10, 12 oder mehr Noten auf
einen Vierteltakt kommen, nicht immer angeht.
Quantz
• Die Note mit dem Punkte wird mit Nachdruck markiert, und unter
dem Punkte der Bogen abgesetzt. Eben so verfährt man mit allen
punktierten Noten, wenn es anders die Zeit leidet, und sofern nach
einem Punkt oder einer Pause drei oder mehrgeschwänzte Noten
folgen, so werden solche, besonders in langsamen Stücken, nicht
allemal nach ihrer Geltung, sondern am äußersten Ender der ihnen
bestimmten Zeit, und in der größten Geschwindigkeit gespielt, wie
solches in Ouvertüren, Entreen, und Furien öfters vorkommt. Es
muss aber jede von diesen geschwinden Noten ihren besondern
Bogenstrich bekommen: und findet das Schleifen wenig statt.
BWV 831 - Ouvertüre nach französischer Art, h-moll
Stilistische Kennzeichen
• Lebhaft
• Majestätisch
• Prächtig
• Ernsthaft
• Stolz
• Pompös
• Grandios
R. De Visee - La Grotte de Versailles
BWV 995 - Prelude
Französische Allemande:
Stilistische Kennzeichen
1) Alla breve oder 4/4
3) Es gibt fast immer ein Auftakt; sehr oft ein 8tel/16tel, manchmal 2
oder 3 Noten
4) Kommt am Anfang von einer Suite, als erster Satz oder nach dem
Prélude oder Ouvertüre
• Schnelle Noten wie 32tel in 4/4 oder 18tel in Alla breve sind
meistens wie ausgeschriebene Verzierungen und sollten leicht
gespielt sein
Typische Phrasierungen
• In Alla breve ist der Anfang meist so phrasiert: 2 Takte - 2 Takte - 4 Takte - 4 oder
mehr Takte bis die Wiederholung
• Nach den typischen Anfängen gibt es sehr oft irreguläre und längere Phrasen
• Eine typische Phrasenende ist die coulé de tierce (fallende Terz), die auf die
schwache Zeit endet. Typisch für weiblich französischer Wörter (z.B., belle)
• Enjambement ist, wenn das Ende einer Phrase in den Anfang der nächsten Phrase
fließt
• Erster Teil endet auf der Dominante, der zweite Teil beginnt auf der Dominante und
endet wieder auf der Tonika
Charakter und Affekt
• Ruhig
• Ernsthaft
• Schreitend
• Feierlich
• Zufriedenheit
• Gravitätisch
Robert de Visee (1655 - 1733)
Marin Marais (1656 - 1728)
Francois Couperin (1668 - 1733)
Les Graces Incomparables ou La Conti - F. Couperin
A)
B)
Allemande Grave - R. De Visee
Allemande - R. De Visee
Allemande, L’Auguste - F. Couperin