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FAKULTÄT FÜR DEUTSCHE LINGUISTIK UND LITERATUR

Das Genus der Substantive

I. Der Sexus und das Genus der Substantive


Der Sexus ist das natürliche (auch biologische) Geschlecht eines Lebewesens. So ist eine Frau
beispielsweise weiblich (♀) und ein Junge (♂) männlich.
Das Genus (Plural: Genera ) ist das grammatische Geschlecht eines Substantivs bzw. Nomens. Es ist
das Gegenstück zum biologischen Geschlecht, dem Sexus.
Die deutschen Substantive werden in drei Genusklassen unterteilt: Maskulinum, Femininum oder
Neutrum, und jedes Genus wird mit dem bestimmten Artikel angezeigt (der, die, das.)
Oft richtet sich das Genus nach dem biologischen Geschlecht. Insbesondere bei mehreren
Substantiven, die männliche und weibliche Individuen bezeichnen, wird das Genus mit dem
entsprechenden natürlichen Geschlecht der Person zugeordnet. Wenn dies der Fall ist, wäre das
Genus semanti sch begründet:
Natürliches Grammatisches
Bezeichnungen Geschlecht Geschlecht
(Sexus) (Genus)
Mann/Herr mä nnlich Maskulinum

Frau/Dame weiblich Femininum

Löwe mä nnlich Maskulinum

Löwin weiblich Femininum


Tabelle 1: Personenbezeichnungen mit übereinstimmendem Genus und Sexus

Es gibt aber vereinzelte Ausnahmen. Die zwei Nomen Mädchen und Weib beispielsweise gehören zu
den Neutra (grammatisches Genus: Neutrum), obwohl damit ein Mensch weiblichen Geschlechts
(natürliches Geschlecht: weiblich) bezeichnet wird. Das neutrale Genus dieser zwei Substantive wird
nicht semantisch zugeordnet, sondern aus anderen Gründen (Mädchen wird morphologisch
begründet, während Weib etymologisch.)
Lediglich bei Homonymen , die sich bezüglich des Genus unterscheiden, hilft uns das Genus, die
richtige Bedeutung zu erkennen.
Einige Substantive im Deutschen haben mehrere Bedeutungen, obwohl sie gleich
geschrieben werden. Sie werden Homonyme genannt. In der Regel macht sich der
Unterschied nur im jeweiligen Artikel oder in der Pluralform bemerkbar. Die folgende
Liste zeigt einige der gebräuchlichsten in der deutschen Sprache:

Homonyme Bedeutung
das Band Gurt, Streifen
der Band Buch
die Band Musikgruppe
die Bank Geldinstitut
die Bank Sitzgelegenheit

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das Gehalt Einkommen


der Gehalt Wert
Tabelle 2: Homonyme mit unterschiedlichen Genera

II. Hinweis zur Genuszuweisung


1. Regeln der Genuszuweisung
Für Lernende ist es motivierend zu erfahren, dass es einige Regel der Genuszuweisung gibt, die zur
Memorierung des Genus hilfreich sein können.
1.1. Semantische Regeln
Oft wird das Genus semantisch begründet, d. h. die Zuweisung des Genus deutet nach der Bedeutung
des Substantivs hin. Dazu zählen:
 Personen- und Tierbezeichnungen, wobei das natürliche Geschlecht mit dem
grammatischen Genus übereinstimmt.

Bezeichnungen männlich weiblich* jung**

Allgemein Mann Frau Kind


Familien-
Vater Mutter Baby
mitglied
Menschen
Professor Professorin
Beruf
Pilot Pilotin

Huhn Hahn Henne Kü ken

Ente Erpel Ente Gö ssel


Tiere
Schwein Eber Sau Ferkel

Pferd Hengst Stute Fohlen


Tabelle 3: Personen- und Tierbezeichnungen je nach Geschlecht und Alter

*Gäbe es bei Personenbezeichnungen keinen expliziten Bezug auf das natürliche


Geschlecht, oder spielte das Geschlecht des erwähnten Einzelnen überhaupt keine
wichtige Rolle, würde das Genus dem Maskulinum zugewiesen werden, z.B.  der Kunde,
der Dekan, der Professor. Wenn aber diese Bezeichnungen das natürliche Geschlecht
ausdrücken sollen, werden Feminina mithilfe des Motivierungssuffixes -in aus
Maskulina gebildet, die Kundin, die Dekanin, die Professorin.

**Es ist darauf hinzuweisen, dass manche Substantive, die junge Menschen und junge
Tiere bezeichnen, neutral sind, unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht, (z.B. das
Kind, das Baby, das Küken.) Dies liegt vermutlich daran, dass solche Wesen aufgrund
ihrer biologischen Unreife oft als geschlechtslos wahrgenommen werden.

 In einigen Fällen werden die Substantive nach ihrer Bedeutung in bestimmten Gruppen
zusammengefasst und das grammatische Geschlecht einer Gruppe wird daher mit deren

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Unterbegriffen im Genus übereinstimmen. Mit anderen Worten, semantisch verwandte


Bezeichnungen werden mit dem gleichen Genus verwendet. z.B.:
Semantische Wortfelder
Genus Beispiele Ausnahmen
(Wortgruppen)
Bier und
Martini, Chianti, Brandy,
alkoholische Getränke m andere Arten
Schnaps, Vodka, Sekt
von Bier (n)
chemische Grundstoffe und Kali, Alkali, Brom, Eisen,
n
Substanzen Chlor
Ukraine,
Länder-, Landschafts- und n Frankreich, Allgä u,
Schweiz (f);
Städtenamen (ca. 80%) Frankfurt
Iran, Iraq (m)
Juni, Juli, Herbst, Winter,
kalendarische Angaben m
Mittwoch
Kiwi, Peperoni, Birne,
Früchte f Apfel (m)
Mango, Melone
Tabelle 4: Semantisch verwandte Wortfelder mit ihrem zugewiesenen Genus und Beispiele

 Einige Oberbegriffe, die sogenannten Kollekti va , welche mehrere gleichartigen Gegenstände,


Lebewesen oder Sachverhalte zusammenfassen, werden überwiegend neutral klassifiziert.
Ebenfalls in diesem Sinne produktiv ist das die Kollektiva kennzeichnende Präfix Ge- (das
Gelände, das Gewässer.) Andere Begriffe, die von der Sprachgemeinschaft als Oberbegriffe
benutzt werden, sind das Material, das Objekt, das Gut, das Werk, das Teil, das Glied, das
Stück und das Ding.

1.2. Morphologische Regeln


Wegen morphologischer Merkmale kann auch eine Reihe von Substantiven ihr Genus bekommen.
Mit anderem Wort, das Geschlecht wird den Substantiven anhand ihrer Wortbildung zugeordnet.
Dabei spielen einige Suffixe - die rechtsstehenden Einheiten, die die grammatischen Merkmale eines
Wortes festlegen - eine wichtige Rolle bei der Genuserkennung eines Substantivs.
Wortbildungs
Art des Suffixes Beispiele
-suffixe
 -ent/-ant Referent
Maskulin markierte -er Lehrer
Suffixe -imus Kapitalismus
-ling Dichterling
-arium Planetarium
Neutral markierte
-chen Herzchen
Suffixe
-lein Kindlein
-ade Marinade
Feminin markierte -heit Schö nheit
Suffixe -schaft Bereitschaft
-ung Erinnerung
Tabelle 5: Wortbildungssuffixe und ihrem zugewiesenen Genus

1.3. Arbitrarität/ Willkürlichkeit

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Für die große Mehrheit aller Substantive gibt es aber keine systematischen Zusammenhänge
zwischen dem Genus und den formalen oder semantischen Eigenschaften der Substantive. Die
Genuszuweisung ist arbiträr /willkürlich .
2. Genusmarkierung in Nominalphrasen
Für Lernende ist es auch relevant und erleichternd, dass sie erfahren, dass die Genusmarkierung in
Nominalphrasen, die Adjektive enthalten, entweder am Artikel oder am Adjektiv zu sehen ist. Dies
bezeichnet man als das Prinzip der Monofl exion .

Abbildung 1: Genusmarkierung in Nominalphrasen (Quelle: Grammatik sehen, S. 58)

Allerdings trifft das Prinzip nur für den Singular zu. In den Pluralformen unterscheiden sich die
Substantive nicht explizit nach dem Genus, d.h., das Genus wird im Plural der Substantive nicht
markiert.

III. Kommunikative Funktionen des Genus

 Zusammenhänge innerhalb von Nominalphrasen oder Sätzen zu erkennen.


Der Artikel bezieht sich nur auf das Substantiv am Ende der Nominalphrase. Die
Genusübereinstimmung von Artikel und Substantiv ermöglicht also in längeren Nominalphrasen,
dass kommunikative Einheiten verstanden werden. Deshalb nennt man diese Funktion des Genus
auch strukturell-kommunikati v .
z.B: der inzwischen schon mehrere Tage andauernde Taifun 
der heute wieder verspätet eingetroffene Zug 

 Artikel und Substantiv stimmen in Genus überein (der... Taifun, der... Zug)

 Die zweite Funktion betrifft die Funktion des Genus im Kontext von Pronomen. Das Genus
ermöglicht auch hier zu erkennen, wie Nomen und Pronomen zusammenhängen, also zu
bestimmen, worauf sich Pronomen beziehen.

z.B: Helmut Schmidts Engagement für eine Annäherung ist zum Scheitern verurteilt, weil er
auf das Wohlwollen der Opposition angewiesen ist. 

 Das Subjekt dieses Satzes, nämlich Schmidts Engagement für eine Annäherung je ein Nomen im
Maskulinum, Femininum und Neutrum enthält und sich der Nebensatz auf jedes dieser Nomina

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beziehen könnte, entscheidet allein die Wahl des Pronomens er, auf welches Nomen des
Hauptsatzes sich das Pronomen des Nebensatzes bezieht, nämlich auf Helmut Schmidt.
IV. Erwerb des Genus
1. Die Schwierigkeiten
Das Genussystem zu verstehen und das richtige Genus zu verwenden ist fraglos für alle
Deutschlernenden ein Stolperstein auf dem Weg zur Grammatikbeherrschung der Sprache.
Allerdings variiert sich der Schwierigkeitsgrad jeder Lernende beim Umgang mit dem deutschen
Genussystem je nach ihren bereits bekannten Sprachen. Solche Schwierigkeiten könnten aus zwei
Hauptgründen entstammen:

1.1. Unterschiedliches Genussystem


Problematisch könnte es meist auf den Unterschied im Genussystem in der Muttersprache
zurückzuführen sein:
 Besonders schwierig scheint es für Lernenden zu sein, deren Muttersprache kein Genus in der
Grammatik enthält. Dies ist bei etwa der Hälfte aller Sprachen der Fall, zu denen viele Sprachen
wie Englisch, Vietnamesisch oder Türkisch gehören.
 Die meisten modernen romanischen1 (mit Ausnahme des Rumänischen) und einige andere
Sprachen verzichten auf das Neutrum, haben also nur noch die beiden Genera Maskulinum und
Femininum.
 Ebenfalls nur zwei Genera weisen Schwedisch, Dänisch und die norwegische Hochsprache
Bokmål auf, allerdings in der Variante, dass nicht nach Geschlecht differenziert wird, sondern
nach belebt (= Utrum/Commune) und unbelebt (Neutrum).
1.2. Unterschiedliche Genuszuweisung
Für Deutschlernende aus Ländern, dessen Genussystem der Nationalsprache mit dem des Deutschen
vergleichbar ist (d. h. die drei Genera Maskulinum-Femininum-Neutrum sind in der
Ausgangssprache und der Zielsprache Deutsch zu finden), ist es auch nicht immer leicht,
Substantiven mit dem korrekten Genus zuzuweisen. Es könnte sein, dass das zugewiesene Genus
derselben Bezeichnung von Sprache zu Sprache nicht ähnlich ist. Die folgende Tabelle vergleicht die
Genuszuweisung einiger Bezeichnungen zwischen Deutsch und Russisch:

Genus im Genus im
Bezeichnungen
Deutschen Russischen

Haus Neutrum Maskulinum

Löffel Maskulinum Femininum

Sonne Femininum Neutrum


Tabelle 6: Unterschiede bei der Genuszuweisung im Deutschen und Russischen

1
Sprachen, deren gemeinsame Vorlä ufersprache das Latein (bzw. das Vulgä rlatein) waren. Die romanischen
Sprachen mit den meisten Anzahl der Sprecher sind Spanisch, Portugiesisch, Franzö sisch, Italienisch und
Rumä nischen.

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2. Ansätze zur Vermittlung der Genuszuweisung


2.1. Vermittlung der Regeln

Dafür Dagegen
 - Die Kenntnisse über Genushinweise  - Eine übergeneralisierte Regel zur
ermöglichen den Lernenden ein Genuszuweisung könnte dazu führen, dass
umfassendes und systematisches die Lernenden falsche Hypothesen bilden
Verständnis für die Sprache. und auch ,,Fehler mit System" produzieren.

Ein Beispiel für Übergeneralisierung ist,


 - Das Sprachenlernen geht immer auch mit alle mit Ge- anfangenden Wörter seien
der Konstruktion von Regeln einher, egal, ob neutral, weil sie auf ein Kollektiv
diese Regeln explizit vermittelt werden oder hindeuten. Dabei werden die Lernenden
nicht. aus ihrem vorhandenen Wortschatz neue
neutrale Kollektiven regelhaft nach dem
Muster das + Ge- (-e) formulieren. So
 - Bei schriftlicher Produktion ist Regelwissen entstehen Wörter wie *das Geschmack,
allerdings wirksam, da die Lernende *das Geruch, *das Geschichte oder *das
jederzeit auf die bereits vertrauten Geburt.
Genushinweise zurückgreifen können und  - Bei mündlicher Produktion ist es den
verwenden sie als Hilfsmittel, um dem Lernenden nicht möglich, im Kopf nach
Substantiv das richtige Geschlecht Regelwissen zu suchen, da die Zeit dafür
zuzuweisen. nicht vorhanden ist.

 Sollte die Regel der Genuszuweisung im Unterricht vermittelt werden oder nicht, muss
die Lehrkraft einige Kriterien im Rücksicht nehmen bevor sie eine Entscheidung treffen.
Eine Vermittlung der Regeln ist nur sinnvoll, wenn
o die Regeln für den größten Teil des Falles gelten.
o alle semantisch verwandten Wörter, die einer der Regeln folgen, zum gleichen Zeitpunkt
unterrichtet werden.
o die Regeln formal und/oder semantisch produktiv sind, damit die Lernenden neue Wörter
bilden und das richtige Genus zuweisen können.
2.2. Lexikalisch (keine Regel)

2.2.1. Farben

Das Genus von Substantiven mithilfe von Farben zu kennzeichnen, hat den Vorteil, dass sich
Lernende an die „Farbe" des Substantivs und nicht an das Genus erinnern müssen.

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z.B:

(Bildquelle: geni@l A1, Kursbuch, S.20)

2.2.2. Wörterbuch nachschlagen

(Bildquelle: Studio d A1, Kurs-und Uebungsbuch, S.32)

Machen Sie eine kleine Aufgabe. Schreiben Sie die Wörter in die Tabelle:
der (Maskululinum) das (Neutrum) die (Femininum)

Computer

2.2.3. Andere Methode:


Außerdem wird als Lernstrategie empfohlen, mit Mnemotechniken, also Techniken, die die
Gedächtnisleistung verbessern, zu arbeiten und z.B. Wörter in Bildgeschichten gedanklich zu
verknüpfen.

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(Bildquelle: Studio d A1, Kurs-und Uebungsbuch, S.32)

Trotz aller Hilfen und Strategien zum Memorieren der Genera der Substantive gilt sicherlich, dass
nur ein häufiges Wiederholen und Üben, also eine Automatisierung, zum Ziel führt, und zwar durch
lautes Lesen, Im-Chor-Sprechen und die Verwendung der Substantive mit ihren Begleitern in
kommunikativen Kontexten.

Literaturverzeichnis
Barkowski, H., Lex, B., Winzer-Kiontke, B., Grommes, P., Vicente, S., & Wallner, F. (2014). DLL 03:
Deutsch als fremde Sprache. Mü nchen: Goethe-Institut; Klett.
Kö pcke, K.-M., & Zubin, D. A. (1984). Sechs Prinzipien für die Genuszuweisung im Deutschen: Ein Beitrag
zur natürlichen Klassifikation.
Popsuy-Johannsen, V. (2012). Prinzipien der Genuszuweisung im Deutschen: Eine empirische
Untersuchung. Mü nchen: GRIN Verlag.

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