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324 - 331
M 2 Verstädterungsgrad und BSP/Kopf auf der Erde Anfang des 21. Jh.s
nördl.
reis
Polark
EUROPA 74% ASIEN 38%
NORDAMERIKA 78%
Japan
U S A Beijing Tokyo
New York
Los Angeles C h i n a Osaka
Kairo Karachi Delhi Shanghai nördl.
Mexiko Ägypten Dhaka Wendekreis
Mexiko Mumbai Kalkutta
Manila
Nigeria Indien
LATEINAMERIKA/ Lagos Äquator
KARIBIK 76% I n d o n e s i e n
AFRIKA 38%
B ra silie n Jakarta
M 3 Anteil der Bevölkerung in Elendssiedlungen ausgewählter Städte 2005 Der häufig benutzte Begriff Slum für die rand-
städtischen Elendssiedlungen ist eigentlich nicht
zutreffend. Ursprünglich beschrieb Slum die
armseligen Unterkünfte der Arbeiter nahe der
Fabriken sowie Innenstadtviertel der Mittel- und
Oberschichten, die von ihren früheren Bewoh-
nern verlassen wurden. Kennzeichen der Slums
sind die heruntergekommene Bausubstanz, eine
hohe Wohndichte, geringe Einkommen der Be-
wohner, ein hohes Maß an sozialem Verfall, z. B.
Kriminalität, Drogenkonsum, Prostitution sowie
die gesellschaftliche Ausgrenzung der Bewohner.
Typischer für die metropolitanen Stadtstruktu-
ren in Entwicklungsländern sind die randstäd-
tischen Marginalsiedlungen der zugewanderten
Landbevölkerung. Viele Kriterien für Slums tref-
fen auch auf die Marginalsiedlungen zu, so die
Slums und Marginalsiedlungen mangelhafte Bausubstanz, die hohe Wohndichte
und der hohe Anteil an Erwerbspersonen mit
Bevölkerungs- Das rapide Bevölkerungswachstum stellt die niedrigem bzw. unregelmäßigem Einkommen.
wachstum städtischen Behörden vor Probleme, denen Im Gegensatz zu den innerstädtischen Slums
sie kaum gewachsen sind. Die meisten Neuan- besitzen sie jedoch in der Regel eine unzurei-
kömmlinge finden weder Arbeit noch eine an- chende öffentliche Infrastruktur. In den Margi-
gemessene Unterkunft. Oft lassen sie sich in nalsiedlungen herrscht eine große Dynamik, die
Marginalsiedlung den Marginalsiedlungen nieder. Marginal sind als Ausdruck des Bestrebens der Bewohner nach
diese Siedlungen zum einen wegen ihrer Lage wirtschaftlichem und sozialem Aufstieg zu wer-
am Rand der Großstädte, zum anderen aber ten ist. Die Familienstrukturen und die sozia-
auch hinsichtlich der sozialen Stellung ihrer Be- len Interaktionssysteme unter den Bewohnern
wohner, die buchstäblich an den Rand der Ge- der Marginalsiedlungen sind – zumindest in den
sellschaft abgedrängt werden. asiatischen Ländern – zumeist intakt. So haben
sich auch viele der ehemaligen Hüttensiedlun-
Begriffsbestimmungen gen inzwischen zu respektablen Vororten entwi-
Squattersiedlung Zu unterscheiden sind in den Entwicklungslän- ckelt.
dern die innerstädtischen Elendssiedlungen, Als Squattersiedlungen werden Hüttensiedlun-
Slum die Slums, von den randstädtischen Elendssied- gen bezeichnet, die ohne rechtliche Erlaubnis
lungen, den Marginalsiedlungen. Für beide Ty- der Behörden oder des Landeigentümers auf
pen wird im Folgenden zusammenfassend der fremdem Boden errichtet worden sind.
Elendssiedlung Begriff Elendssiedlungen gebraucht. Sie haben
in vielen Städten einen so raumbestimmenden A 1 Beschreiben Sie wesentliche Erscheinungsfor-
Einfluss, dass sie vielerorts eigene Bezeichnun- men des Verstädterungsprozesses in den Entwick-
gen erhalten haben, z. B. bazaars (Indien), com- lungsländern.
pounds (Mittlerer Osten), tugurios (Peru, Bo- A 2 Erarbeiten Sie eine Definition der Begriffe „de-
livien) für die innerstädtischen und bustees mographische Primacy“ und „funktionale Primacy“.
(Indien), bidonvilles (ehemalige französische A 3 Erläutern Sie Folgeprobleme der Metropolisie-
Kolonien), barriadas (Peru), favelas (Brasilien) rung und Megapolisierung in den Entwicklungs-
für die randstädtischen Elendssiedlungen. ländern.
M 3 nach UN-HABITAT 2003, M 4, 5, 7 – 10 nach Johannes Wam- M 6 nach Dirk Bronger: ebenda,
S. 200 – 228, und Fischer Welt- ser: Bombay/Mumbai – Indiens S. 15
almanach 2008. Frankfurt am Wirtschaftshauptstadt zwischen
Main: Fischer Taschenbuch- Aufschwung und Armut. In: Dirk * Rs Abkürzung im Plural für
Verlag 2007 Bronger (Hrsg.): Marginalsied- Indische Rupie (INR); 1 Indische
lungen in Megastädten Asiens. Rupie entspricht 0,02338 US $
Berlin: LIT Verlag 2007, S. 225, 228, (26. 06. 08).
236 – 237, 240
Telefonanschlüsse pro 100 Ew. 1999 14,0 2,7 (b) 519 1991 1 068 72 %
Krankenhausbetten pro 1 000 Ew. 1998 4,2 0,7 (b) 600 2001 1 719 61 %
Der informelle Sektor als Über- Häufig wird die Bezeichnung „informell“ auch
lebensstrategie mit „illegal“ gleichgesetzt. Dies ist jedoch eine
Diskriminierung für jeden „Informellen“, der
Trotz ihres beherrschenden Übergewichts kön- in dieser Tätigkeit die einzige Möglichkeit sieht,
nen die Metropolen und Großstädte der Entwick- sich und seine Familie zu ernähren.
lungsländer die Hoffnungen der Neuankömm-
linge oft nicht erfüllen. Die Aufnahmefähigkeit Merkmale des informellen Sektors
der lokalen Industrie und des öffentlichen Terti- Einige Merkmale des informellen Sektors zeigen,
ären Sektors reicht nicht aus, um der Masse der warum er auch zukünftig in den Entwicklungs-
Zuwanderer Arbeit zu bieten. Die meisten su- ländern bedeutsam sein wird. Dazu zählen:
chen deshalb ein Auskommen im so genannten – geringe Eintrittsschranken,
informeller informellen Sektor. Man spricht deshalb auch – Verwendung lokaler Ressourcen,
Sektor (G) vom informellen Sektor als einer „Ökonomie der – kleine Betriebsgrößen,
Mehrheit“ in den Entwicklungsländern. – Vorherrschen von Familienunternehmen,
– Einsatz arbeitsintensiver, angepasster Techni-
Als informell bezeichnet man jene wirtschaft- ken,
lichen Tätigkeiten, die keinem geregelten Ar- – Möglichkeit zum Erwerb der benötigten Fer-
beitsverhältnis unterliegen, von der Steuer nicht tigkeiten außerhalb des formellen Schulsys-
erfasst werden und auch keinen sozial- und ar- tems.
beitsrechtlichen Schutz genießen. Bei uns würde
man von „Schattenwirtschaft“ oder „Schwarzar- A 6 Beschreiben Sie in einem kurzen Aufsatz den
beit“ sprechen. Beide Begriffe treffen aber nicht möglichen Alltag eines gleichaltrigen Mädchens
die Verhältnisse in den Entwicklungsländern. bzw. Jungen in einem Slum von Mumbai.
Während bei uns die Einkünfte aus der Schatten- A 7 Erläutern Sie, warum der informelle Sektor für
wirtschaft meist Neben- oder Zuerwerb sind, gilt eine immer größer werdende „Schicht der Unge-
der informelle Sektor in den Entwicklungslän- sicherten“ die einzige Möglichkeit der Existenz-
dern als Überlebensökonomie. Zum informel- sicherung darstellt.
len Sektor zählen z. B. Straßenhändler, Rikscha- A 8 Nach Auffassung von Experten könnte der in-
fahrer, Müllsammler, ambulante Handwerker, formelle Sektor entwicklungsfördernd genutzt wer-
Schuhputzer oder fliegende Händler in Zügen. den. Erörtern Sie mögliche Wege dazu.
M 11 Eberhard Rothfuß/Veronika Geographieunterrichts, Bd. 8/I: [1] nach Martin Coy/Frauke
Deffner: Informeller urbaner Entwicklungsländer I. Köln: Aulis Kraas: Probleme der Urbanisie-
Sektor – ungesicherte Ökonomie 2007, S. 213 rung in den Entwicklungsländern.
der Mehrheit in Lateinamerika, In: Petermanns Geographische
Afrika und Asien. Mitteilungen, 147 Jg., H. 1. Gotha:
In: Dieter Böhn/Eberhard Perthes 2003, S. 36 – 37
Rothfuß (Hrsg.): Handbuch des
Innerstädtische Fragmentierung
Lösungsansätze einer nachhaltigen Unverzichtbar ist, dass bei allen Fragen der städ-
Stadtentwicklung tischen Entwicklung die „drei Dimensionen der
Nachhaltigkeit“ das planerische Leit-
Zusätzlich zu den auf den Vorseiten geschilder- prinzip abzugeben haben: die soziale, ökonomi-
ten wirtschaftlichen und sozialen Problemen sche und ökologische Dimension. Entsprechend
kommen gravierende ökologische, wie sie in der komplex und schwierig sind die Planungs- und
Übersicht M 14 aufgelistet sind. Solche komple- Steuerungskonzepte. Mit einfachen Sanierungs-
xen Probleme stellen spezifische Anforderun- programmen allein lässt sich jedenfalls den städ-
gen an die städtischen Verwaltungen. Die bei tischen Problemen nicht beikommen. Zu be-
uns erprobten Lösungsstrategien können dabei achten ist auch, dass eine Steuerung „von oben“
jedoch nicht ohne Weiteres übernommen wer- zunehmend durch eine Steuerung „von unten“
den, da in den Entwicklungsländern in der Re- ergänzt wird. Die Bürger und Bürgerinnen müs-
gel ganz andere sozioökonomische und politi- sen sowohl bei den Entscheidungen (Prinzip der
sche Rahmenbedingungen vorliegen. Partizipation) als auch bei der Kontrolle (Prinzip
Allgemeiner Konsens besteht jedoch hinsicht- des Monitoring) einbezogen werden, denn nur
nachhaltige Stadt- lich der Forderung nach einer nachhaltigen so lässt sich eine Akzeptanz und eine aktive Be-
entwicklung (G) Stadtentwicklung, wie sie u. a. auf der Konferenz teiligung der unmittelbar Betroffenen erreichen,
für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro und ohne eine wirksame politische Partizipation
1992, der lokalen Agenda 21 und der Charta sind die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit
von Aalborg 1994 gefordert wird. Besonders die gefährdet. In die Prozesse müssen schließlich
Überlegungen der Charta von Aalborg sind in- auch weitere Akteure einbezogen werden, wie
zwischen zum Orientierungsraster einer öko- z. B. lokale Förderinstitutionen (z. B. Selbsthilfe-
Stadtplanung logisch und sozial verträglichen Stadtplanung gruppen) oder Träger der Entwicklungszusam-
in den Entwicklungsländern (und den Indust- menarbeit aus dem Norden (z. B. GTZ, NGOs),
rieländern) geworden. die ohnehin in den Städten der Entwicklungs-
länder bereits eine namhafte Rolle spielen.
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
Politikversagen
formelle
Stadtbereiche
A 11 Ermitteln Sie wesentliche Leitgedanken der A 12 a) Erläutern Sie die drei Modelle.
Charta von Aalborg (z. B. Internet, s. u.). A 12 b) Erörtern Sie, welches Szenario Ihrer Mei-
A 12 Die drei Szenarien von M 15 fassen die aktuel- nung nach das wahrscheinlichste ist.
len Entwicklungstendenzen und Zukunftsperspek-
tiven der Metropolen in den Entwicklungsländern
zusammen.
M 14 nach ebenda, S. 34 * holistisch = ganzheitlich M 15 ebenda, S. 40 Charta von Aalborg
www.aalborgplus10.dk/media/
charter_german.pdf
Nairobi: Slum „Kibera“ am Stadtrand und moderne Hochhäuser im Zentrum der Stadt
Verstädterung: Erscheinungsformen,
Ursachen, Probleme
Arm und Reich in Nairobi Runda ist ein exklusives Wohnviertel für schät-
„Es ist Samstag gegen 21 Uhr, und in Kibera zungsweise 4 000 Menschen. Eine Schranke blo-
schwirrt die Luft vor Geschäftigkeit … Man ist ckiert die einzige Zufahrtsstraße..., die Patrouil-
im besseren Teil von Kibera, dem alten Wohn- lenfahrzeuge privater Sicherheitsfirmen stehen
quartier am Rande des riesigen gleichnamigen parat. Straßenlampen, gepflegte Straßen mit
Slums (mit seinen 700 000 Menschen). Hier Gehwegen und hohen Hecken, hinter denen
gibt es ein paar Asphaltstraßen und herunter- parkähnliche Gärten mit Villen liegen … Wohl-
gekommene Steinhäuser aus den [19-]siebzi- habende Kenianer, ein paar Minister und viele
ger Jahren. Wer hier wohnt, … der gehört zur Europäer wohnen hier … ‚Man hat hier ein leich-
unteren Mittelschicht. Er muss einen Job ha- tes, angenehmes Leben und … wird verschont
ben, sonst kann er die Miete nicht bezahlen … von der alltäglichen Kriminalität‘, meint ein
Entwicklung der Einwohner- Kenneth Opuko … arbeitet in einer Werkstatt. westlicher Diplomat, der hier für 1 500 Euro im
zahl Nairobis (Mio. Ew.) Der 28-jährige Single wohnt mit seiner Schwes- Monat ein Haus mit Garten gemietet hat …
ter in einer vier Quadratmeter großen Einzim-
Nairobi – Weg zu einer merwohnung im guten Stadtteil von Kibera. Am Wege zum Githagoro-Slum steht der Wach-
schwarzafrikanischen Gerade hat er noch eine Kusine vom Lande auf- mann Fred Barraza an einem Bach und wäscht
Metropole: genommen, die erst ein paar Monate in Nai- seine Uniform: Das sei billiger. Wasser müsse
– gegründet Ende der robi arbeitet und die im Kibera-Slum wohnte, er im Slum kaufen. Seine Frau hat er in der
1890er Jahre als briti- es dort aber nicht aushielt. Verschlammte, Provinz gelassen, mit ihr in Nairobi zu wohnen
sches Lager für Eisen- rutschige Wege, die ständige Angst vor Über- wäre zu teuer. Nach 22 Uhr, sagt Barraza, könne
bahnarbeiter fällen, die Ratten in den Hütten, die offenen, man den Weg von Runda nach Githagoro nicht
– ab 1905 Hauptstadt des stinkenden Abwasserkanäle … Es gibt keinen benutzen, Räuber lauerten am Wege … Aber
britischen Protektorats Strom, keine Straßenlampen. seinen Umzug nach Nairobi bereut er nicht:
Ostafrika bzw. der Kolo- Er zahlt für sein Zimmer umgerechnet 20 Eu- ,Zu Hause wäre ich Bauer. Ich hätte höchstens
nie Kenia ro – ein Fünftel seines Monatseinkommens. 15 Säcke Mais im Jahr als Ernte.‘ Nun ist er froh,
– seit 1963 Hauptstadt Der Raum ist in einem Atriumhaus, in dem er den Job als Wachmann ergattert zu haben.“
des unabhängigen Staa- sich mit sechs anderen Mietparteien Klo, Du- Christoph Link: Arm und Reich nebeneinander in Kenias Haupt-
stadt. In: Stuttgarter Zeitung vom 09. 02. 2005. Stuttgart: 2005
tes Kenia sche und Küche teilt …
75 % – ist eine weitere Zunahme der städtischen keiten der neu Hinzugekommenen dar …“
Bevölkerung zulasten der ländlichen Herkunftsge- Heinz Fassmann: Landflucht – Dritte Welt. In: Praxis Geogra-
phie, 34. Jg, H. 7 – 8. Braunschweig: Westermann 2004, S. 7 – 8
biete nicht sehr wahrscheinlich. Anders in Afrika
und Asien, wo erst rund ein Drittel der Bevölkerung
in Städten lebt. Da hier die rurale Bevölkerung in Arbeiten Sie aus den Materialien dieser Doppel-
den meisten Ländern nach wie vor mit großer Dy- seite wesentliche Erscheinungsformen des Ver-
namik wächst (um 2 – 4 % pro Jahr), ist für einen städterungsprozesses in den Entwicklungslän-
entsprechenden „Nachschub“ bei der !Land- dern heraus.
flucht gesorgt, sodass in den nächsten Jahrzehn- Charakterisieren Sie Unterschiede zwischen den
ten mit jährlichen Wachstumsraten von 4 – 6 % bei aktuellen Verstädterungsprozessen in Latein-
der städtischen Bevölkerung zu rechnen ist. amerika, Afrika und Asien.
Moskau
Toronto London Rhein- Shenyang
Peking
Ruhr ºstanbul (Beijing) Tokyo
Los Angeles Paris Kabul
New York Teheran Seoul
Lahore
Chicago Tianjin Osaka
Bagdad Delhi
Dhaka
Mexiko Wuhan
Kairo Ahmedabad Kalkutta Shanghai
City Riad Surat Chittagong Hongkong (Xianggang)
Hyderabad Yangon Hanoi
i
ch
Guatemala City Lagos
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Jiddah Pune Manila
Ka
Bombay
Stadtbevölkerung (Mumbai) Bangkok Ho Chi Minh
er
(Mio. Ew.) Abidjan
lo
Bogotá Madras
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30
n
25
Ba
20 Kinshasa
15 Bandung
10 Luanda
5 Belo Horizonte Jakarta
Lima
Rio de
5 – < 8 Mio. Ew. São Janeiro
Paulo
8 – < 10 Mio. Ew. Santiago
Einwohnerzahlen ägyptischer
Raumbeispiel Ägypten M 30i t t e l m 32 e e r Großstädte (in Mio.)
„Im abgebildeten Ranking [der Großstädte Alexandria Port Said 1917
l d
Ägyptens – Grafik 13] wird der extreme Grö- N i e 1976
l
Suez-K
Al-Mansurah t 1996
ßenabstand deutlich, obwohl die Metropol-
2006 (Schätzung)
a
region keine administrative Einheit bildet. Sie Tanta
anal
besteht primär aus drei zusammengewachse- 0 50 100 150 km
Mio. Einw. Shubra al-Khaima
nen Städten, die zu verschiedenen Gouverno- Kairo Suez
8 30
raten gehören, nämlich Kairo (8 Mio. Ew.), Giza Gise
Go
(2,5 Mio.) und Shubra Al-Kheima (1 Mio.) …
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Das quantitativ-statistische Merkmal der Be- 7
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völkerungskonzentration korrespondiert bei
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den meisten Megastädten in Entwicklungs-
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ländern mit deren funktionaler „Primacy“ im
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zentralörtlichen System des Landes. Für Kairo
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trifft dies uneingeschränkt zu, weil die staat-
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lichen Strukturen und das Städtesystem des c
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Landes hochgradig zentralisiert sind. Selbst
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Hauptstadt mit demselben Namen bezeich-
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net wird wie das ganze Land, als Masr. 2
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fach nicht nur aus der Konzentration von zen- Deutschland: ausgewählte
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Al-Manurah
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Suez
Luxor
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Tanta
Westeuropa
Ost-
asien
West-
Südasien
Nordafrika asien
Südost-
übriges asien
Lateinamerika Afrika
und Karibik
Australien
und Ozeanien
Stadtbevölkerung
(Mio. Ew.)
500
200
100 Stadtbevölkerung
0 4 000 km
Slumbevölkerung
Marginalisierung
marginal (lat.): am Rand Erschreckender Habitat-Bericht Nahezu jeder sechste Mensch muss dort täg-
liegend, stehend „In Vancouver geht am Freitag die HABITAT- lich um sein Überleben kämpfen.
Konferenz zu Ende, die dritte Sitzung des Welt- Beispiel Bombay: Die 18-Millionen-Metro-
städteforums (World Urban Forum). Vertreter pole ist vor allem für ihre Filmindustrie und
von Regierungen und unabhängigen Organisa- ihr pulsierendes Wirtschaftsleben bekannt.
tionen trafen sich, um über die Probleme der Doch fast jeder dritte Bewohner der indischen
zunehmenden Verstädterung auf dem Plane- Stadt lebt in einem Elendsquartier. 42 Prozent
ten zu beraten. der Familien teilen sich je zehn Quadratmeter
Bereits am Montag wurde der UN-Habitat-Be- Wohnraum. 95 Prozent haben keinen Wasser-
richt veröffentlicht. Und der zeichnet ein düste- anschluss und benutzen öffentliche Toiletten.
res Bild vom Wachstum der Städte: Kinder sterben an Durchfall, Lungenentzün-
Ab dem Jahr 2007 werden erstmals mehr Men- dung und Malaria …
schen in Städten als auf dem Land leben – ein Nicht anders geht es vielen Stadtbewohnern in
Großteil von ihnen unter menschenunwürdi- Lateinamerika, Asien oder Afrika. Dabei steht
gen Bedingungen. Eine Milliarde Menschen dieser Trend zur Verelendung der Stadtbevöl-
leben bereits heute in Slums. Sie sind schlecht kerung erst am Anfang …
ausgebildet, haben weniger Chancen auf einen Schon heute stellen besonders in afrikanischen
Arbeitsplatz, leiden oft an Hunger und sterben Ländern Slumbewohner 70 Prozent der Stadt-
früher. einwohner. Dort wächst die Slumbevölkerung
Für 27 Millionen Menschen pro Jahr endet der jährlich zwischen vier und fünf Prozent …“
Traum vom besseren Leben in einem Slum. Philipp Mattheis: Slums sind weder unvermeidbar noch akzepta-
bel. In: Süddeutsche Zeitung vom 23. 06. 2006. Stuttgart: 2006
http://www.sueddeutsche.de/,wl2/wissen/artikel/951/78873/
Marginalisiert leben
Der in dem Habitat-Bericht verwendete Ausdruck Erlaubnis durch die Behörden oder den Land- Ökologischer Fußabdruck:
!„Slum“ steht umgangssprachlich für städti- eigentümer – illegale Behausungen. Diese rand- „Um das Ausmaß der
sche Elendssiedlungen. Sie zeigen – häufig in be- städtischen Hütten- bzw. Squattersiedlungen und Auswirkungen bestimmter
drückender Weise –, dass und wie bestimmte Be- die innerstädtischen Slums werden in dem Ober- menschlicher Lebensweisen
völkerungsgruppen in einer räumlichen, aber auch begriff Marginalsiedlungen zusammengefasst. feststellen zu können, hat
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Randexis- Zwar bietet die Abwanderung in die Städte für eine Arbeitsgruppe der Uni-
tenz leben. In Entwicklungsländern sind hiervon einzelne Migranten durchaus die Chance, die versity of British Columbia/
in erster Linie die Zuwanderer aus dem ländlichen eigene Lebenssituation zu verbessern. Wenn es Kanada die Methode des
Raum betroffen, für die sich die Hoffnungen auf ei- aber nicht gelingt, durch entsprechende Maß- ökologischen Fußabdrucks
nen existenzsichernden Arbeitsplatz nicht erfüllt nahmen die Attraktivität der ländlichen Räume entwickelt. Dieser soll
haben. Der !„Informelle Sektor“ zu verbessern und damit die !Landflucht zu den Ressourcenbedarf des
ist für sie häufig die einzige Chance, sich Zugang vermindern, ergeben sich für die betroffenen Län- Menschen bildlich in Form
zu lebenswichtigen Gütern und Einrichtungen der weitreichende Probleme. Der Zustrom in die des Flächenverbrauchs dar-
zu verschaffen. Ihre Suche nach einer Unterkunft urbanen Ballungsräume führt zur weiteren Über- stellen.“
richtet sich zum einen auf heruntergekommene lastung und verschärft die sozialen Gegensätze. Matthias Scholliers: Nachhaltige
Stadtentwicklung. In: Norbert
Viertel in den Innenstädten, die vormals von öko- Die wachsende Kluft zwischen Wohlhabenden von der Ruhren/Arno Kreus (Hrsg.):
Fundamente Kursthemen. Städ-
nomisch besser gestellten Bevölkerungsgruppen und marginalisierten Habenichtsen erzeugt Ge- tische Räume im Wandel. Gotha
bewohnt waren, von diesen aber verlassen wur- walt, die von den Behörden kaum noch wirksam und Stuttgart: Klett-Perthes
2005,. S. 94
den. Da aber nur ein Bruchteil der Zuwanderer bekämpft werden kann. Von Banden beherrschte
in diesen – im engeren Sinne als innerstädtische „No go areas“ entstehen, in die sich Polizisten
Slums bezeichneten – Elendsquartieren ein Un- nicht mehr hineinwagen. Besonders in den Groß-
terkommen findet, bauen sich viele der Migranten städten und Metropolen werden ganze Stadtteile
im randstädtischen Bereich – meist in gemeinsa- unregierbar. Experten warnen vor der „sozialen
men spontanen Aktionen und ohne rechtliche Zeitbombe Megastadt“.
Verstädterung in Entwicklungsländern
Historische
Innenstadt von Mexiko-Stadt
Landschaftslage
und Klima „Als die Azteken um 1300 aus dem trockenen
Norden in die Mesa central vorstießen, fanden
„Zu den grundlegenden Faktoren gehört die La sie zwischen den Vulkanriesen und dichten Nadel
ge in einem abflusslosen Hochbecken, 2 250 m wäldern mehrere abflusslose Seen inmitten einer
über dem Meer, das im Osten, Süden und Wes blühenden Kulturlandschaft in der Hand ver
ten von über 3 000 m hohen Bergketten umge schiedener Stadtstaaten. So konnten sie nur auf
ben ist. Sie werden ihrerseits von hohen Vulka den flachen Inseln im salzhaltigen Texcoco-See
nen überragt … Dazu kommen viele kleinere ihre Hauptstadt Tenochtitlán gründen (ca. 1345),
Vulkankegel im Becken selbst, das mit See-Ab die sie in anderthalb Jahrhunderten zu einer
lagerungen, vulkanischen Aschen und verstei glänzenden Metropole ausbauten … .Mit über
nerten Lavaströmen bedeckt ist … Wir befinden 60 000 Einwohnern [war sie] … im Vergleich zu
uns in einem tektonisch ausgesprochen labilen den meisten Städten Europas schon eine ‚Me
Gebiet, was auch in zahlreichen Erdbeben zum gastadt‘ …
Ausdruck kommt. 1521 verwüsteten die Spanier die Stadt. Doch
Mit 19° nördl. Breite gehört Mexiko-Stadt zu das sensible Ökosystem legte die Übernahme
den Randtropen, die gekennzeichnet sind durch der aztekischen Grundstrukturen mit ihrem regel
einen klaren Gegensatz zwischen einer Regen mäßigen Netz aus Kanälen und Straßen nahe,
zeit von Mai bis Oktober und einer Trockenzeit zumal die geometrische Anlage den europäi
im Winterhalbjahr. Die Jahresniederschläge be schen Vorstellungen einer Idealstadt der Renais
tragen nur etwa 700 mm, die normalerweise als sance entgegenkam. Der nur wenige Meter tiefe
Starkregen am Nachmittag fallen … See schwoll während der Regenzeit oft so stark
Die stabile Hochdruckwetterlage im Winter führt an, dass große Teile der Stadt überflutet wurden.
in dem allseits geschlossenen Becken in et Daher wurde schon um 1440 ein etwa 16 km
wa 200 Tagen zu einer dauerhaften Inversions langer Deich gebaut, der den westlichen Teil des
schicht, die nur gelegentlich durch polare Luft Sees mit Tenochtitlán vom stärker salzhaltigen
massen unterbrochen wird.“ Ostteil trennte.“
Erdmann Gormsen: Die Stadt Mexiko – Megalopolis ohne Gren- Erdmann Gormsen: México-Stadt, faszinierende „Monstruopo-
zen? In: Erdmann Gormsen /A ndreas Thimm (Hrsg.): Megastädte lis“. In: Geographie und Schule, 19. Jg., H. 110 (12 / 1997). Köln:
in der Dritten Welt. Mainz: Universität 1994; S. 74 – 76 Aulis 1997, S. 20
Ökologische
Folgen der Entwässerung Bevölkerungsentwicklung
der Metropo-
litanzone von Mexiko-Stadt
„Die Umgestaltung der Natur- und Lebensbedin
Ew. (Mio.)
gungen im Hochtal von Mexiko seit der azteki 20
schen Zeit war radikal und umfassend. Die Tro
ckenlegung des Sees von Texcoco … hat sich in
Metropolitane Agglomeration
15
mehrfacher Hinsicht als ein später Fluch Monte
zumas erwiesen. Heute ist der Wasserhaushalt
im Hochtal so nachhaltig gestört, dass man zur 10
Trinkwasser-Versorgung der 20-Millionen-Stadt
Kerngebiet
längst auf die Nachbarräume bis hin zum mee
5
resnahen Tiefland angewiesen ist. Selbst das
kurzfristige Ziel, die Überschwemmungsgefahr
Kernstadt
... zu bannen, wurde nicht erreicht. Im Gegenteil: 0
1900 10 20 30 40 1950 60 70 80 90 2000
Die fortschreitende Austrocknung des Hochtals
führte dazu, dass der ehemals sehr wasserrei Kernstadt: das engere Stadtgebiet von Mexiko-Stadt (Ciudad de
che Untergrund zusammenschrumpfte und, vor Mexico, 145 km² groß)
Kerngebiet: der Hauptstadtdistrikt (ca. 1 500 km²), er umfasst die
allem im Stadtgebiet, bis zu 10 m absackte.“ Kernstadt und die angrenzenden 15 „Bezirke“ und ist weitgehend
Hans-Jörg Sander: Umweltprobleme im Hochtal von Mexiko. In: identisch mit dem „Distrito Federal“
Geographische Rundschau, 42. Jg., H. 6,. Braunschweig: Wester- Metropolitane Agglomeration: die gesamte verstädterte Zone
mann 1990, S. 328 rund um Mexiko-Stadt (ca. 7 000 km²)
Nach Dirk Bronger: Metropolen, Megastädte, Global Cities.
Megapolisierung und Hyperurbanisierung Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2004, S. 68
Metropolisierung
und Zentralismus Magnet
Mexiko-Stadt
„Wie in anderen Ländern Lateinamerikas ist der „In Mexiko bilden die Großstädte und insbe
Urbanisierungsprozess seit den 1930er Jahren sondere die Hauptstadt die Zentren und Brenn
durch ein starkes Wachstum der Großstädte punkte der Entwicklung: Dort ballen sich die Ar
(Metropolisierung) bei einer gleichzeitigen Kon beitsplätze in Industrie, Handel und modernen
zentration auf wenige Zentren gekennzeichnet. Dienstleistungen. Hier konzentrieren sich die
In besonderer Weise haben sich Wirtschaftsak Bildungseinrichtungen, und das Qualifikations
tivitäten und Bevölkerung in der Hauptstadt ver niveau der Bevölkerung liegt weit über dem der
dichtet, sodass das nationale Städtesystem eine ländlichen Regionen. Die Infrastruktur und die
ausgesprochen zentralistische Struktur (Primat bauliche Situation sind deutlich besser als auf
struktur) aufweist. Dort, wo sich die politische dem Land. Dieses konzentrierte Angebot mo
Macht konzentriert ..., sind auch die wichtigsten derner Entwicklungsmöglichkeiten macht die
Wirtschaftsfunktionen sowie die bedeutendsten mexikanischen Großstädte zu begehrten Zielen
Einrichtungen von Kultur und Wissenschaft an für Migranten.
gesiedelt. Dies gilt in besonderer Weise für wirt Unter dem großen demographischen Druck
schaftliche Schlüsselbereiche … können die mexikanischen Städte ihre Entwick
Wie massiv sich die Ballung in der Hauptstadt lungs- und Integrationsfunktion nur bedingt
erhöht hat, wird bereits durch deren Bevölke erfüllen. Seit den 1950er Jahren nimmt die Be
rungsentwicklung deutlich: Entfielen zu Beginn völkerung in der Metropolitanregion von Mexi
des 20. Jh.s auf Mexiko-Stadt gerade einmal 3 % ko-Stadt täglich um 800 Menschen zu, wobei
der Einwohner des Landes, waren es 1930 6 %, sich die Wachstumsdynamik inzwischen an die
1960 15 % und 1990 20 %. Bei diesen Werten Stadtränder verlagert.“
ist das weitere Einzugsgebiet von Mexiko-Stadt Gerhard Sommerhoff / Christian Weber: a. a. O., S. 195 – 196
nicht berücksichtigt.“
Gerhard Sommerhoff/Christian Weber: Mexiko. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1999, S. 186
Quelle: 978-3-623-29440-7 FUNDAMENTE Kursthemen Städtische Räume im Wandel, Schülerbuch, Oberstufe, S. 58 - 77
regulierte
Das Chaos Marginalsiedlungen
„Angesichts der vielen negativen Rekorde mag „Die Marginalisierung breiter Bevölkerungs
es überraschen, dass die mexikanischen Städ schichten dokumentiert sich in den peripheren
te noch immer ´funktionieren´. Nach europäi Hüttenvierteln, die in den letzten 40 Jahren an
schen Maßstäben wären die Agglomerationen den Rändern der Großstädte wie Pilze aus dem
Mexikos wohl schon längst unter der Last ihrer Boden gewachsen sind. Mindestens ein Drittel
massiven Probleme zusammengebrochen. Trotz der Bevölkerung in den meisten mexikanischen
aller Krisenszenarien und Untergangsprognosen Großstädten stehen mit Blick auf ihre Wohn- und
entwickeln die mexikanischen Großstädte, selbst Einkommensverhältnisse am Rande der Gesell
Mexiko-Stadt, in einigen Fällen sogar eine be schaft. Bevölkerungsexplosion und Migration ha
achtenswerte Dynamik. Umweltverschmutzung, ben zu einer massiven Ausweitung der randstäd
Armut und Kriminalität sind nur eine Seite des ur tischen Elendsquartiere geführt, die von einem
banen Mexiko. Daneben halten eine große Soli städtischen Standard hinsichtlich eines Wasser-
darität, eine beeindruckende Kultur der Selbsthil und Kanalanschlusses weit entfernt sind.
fe und ein beachtliches Improvisationsvermögen Im Osten von Mexiko-Stadt erstrecken sich die
das Leben in den Städten aufrecht. Trotz düsterer größten Elendsquartiere der Welt: Mit einer Ein
Perspektiven begegnet man immer wieder Spu wohnerzahl … je nach Quelle zwischen 1 und
ren eines positiven Lebensgefühls. … 3 Mio. Einwohnern … (der Zensus von 1990
Die Einstellung der Menschen und die äußeren nennt 1 256 115 Menschen), galt Nezahualcoyotl
Lebensumstände bilden für manchen außen ste lange Zeit als ‚verlorene Stadt‘ (Ciudad perdida):
henden Betrachter so einen scheinbaren Wider Von der offiziellen Stadtplanung ignoriert, gab es
spruch. Vor diesem Hintergrund relativiert sich keine öffentliche Infrastruktur, weder Schulen noch
auch die Diagnose einer chaotischen Stadtent einen Anschluss an die öffentlichen Versorgungs-
wicklung.“ und Entsorgungsnetze. Neza zählt inzwischen zu
Gerhard Sommerhoff / Christian Weber: a. a. O., S. 200 den konsolidierten Marginalsiedlungen, die zu
nehmend in den Stadtkörper integriert werden.“
Gerhard Sommerhoff und Christian Weber: a. a. O., S. 197 – 198
Marginalsiedlung in Mexiko-Stadt
Quelle: 978-3-623-29440-7 FUNDAMENTE Kursthemen Städtische Räume im Wandel, Schülerbuch, Oberstufe, S. 58 - 77
# 29440 Fundamente Stadtgeographie, S.62
Kernstadt
En
Guadalupe-
tw
Atlatongo Kerngebiet
stausee
äss
Metropolitane Agglomeration
eru
Sierra de
ng
Innenstadt
Guadelupe Ecatepec
ska
Tecoloapan 3027 de Morelos Wohnviertel der Oberschicht
n
und der oberen Mittelschicht
al
Caracol (Soda-
Atizapán konzentrations- Wohnviertel der Mittelschicht
de Zaragoza schnecke)
Tlalnepantla C. Chiquihuite
2730 Wohnviertel der Unterschicht
Lago
Gustavo Texcoco
Texcoco
sozialer Wohnungsbau
A. Madero Lindavista
Colonias Proletarias
Nueva (Randstädtische Elendsviertel)
Atzacoalco Ciudadesperidas (Inner-
Naucalpán Azcapotzalco städtische Elendsviertel)
2240 Chimalhuacán
Industriegebiete
Alte Siedlungskerne
Flughafen
Nezahualcóyotl Hauptstraßen
Ixtacalco
Eisenbahnlinien
Obregón
C. De La Estrella Entwässerungskanäle
Ixta- 2450
palapa heutigeSeefläche des Lago
2734 Texcoco (nur während der
Coyoacán 2450 Santa Catarina sommerlichen Regenzeit
Vulkan Xaltepec mit Wasser gefüllt)
Tlalpán
Höhenschichten
3940 Tláhuac über 3000 m
Xochimilco 2500 bis 3000 m
unter 2500 m
Vulkan Teuhtli
2730 0 2 4 6 8 10 km
Vulkan Ajusco
3930 Milpa Alta
0 10 20 30 km
Das Fallbeispiel Mexiko-Stadt gibt nur einen Größe der Einwohner insgesamt (Mio.)
ersten Einblick in den Verstädterungsprozess in Megastädte 2000 2015 Wachstum
(Mio. Ew.) (2000 = 100 %)
den Entwicklungsländern. Dieser ist im Folgen-
den in den weltweiten Zusammenhang einzuord- 5 – < 8 95,1 156,5 164,6
nen und anhand weiterer Beispiele genauer zu 8 – < 10 74,1 107,7 144,9
untersuchen. > 10 225,0 340,5 151,3
gesamt 394,1 604,4 153,4
Mit dem Begriff „Verstädterung“ wird die Dy- Anzahl 39 58 148,7
namik der Stadtentwicklung in den Ländern der Megastädte
Dritten Welt nur unzulänglich beschrieben. Tref- Nach UN (Hrsg.): World Urbanization Prospects. The 2001
fender wäre es, von Metropolisierung und Mega- Revision. New York: United Nations 2002
polisierung zu sprechen.
Einige Zahlen verdeutlichen das Ausmaß die-
ses Prozesses. Während die Erdbevölkerung seit Metropole: Stadt mit einer Mindestgröße von
1950 von 3,8 Mrd. auf 6,1 Mrd. Ew., also um 1 Mio. Ew. sowie herausragenden politischen, wirt-
schaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen
das 1,6fache wuchs, erhöhte sich die Zahl der
Funktionen
in Millionenstädten lebenden Menschen um das Metropolisierung: Konzentrationsprozess von Be-
Achtfache. Entwicklungspolitisch brisant ist vor völkerung und Funktionen (s. o.) in einer einzigen,
allem das Wachstum der Megastädte. bei größeren Flächenstaaten u. U. auch mehreren
Metropolen
Metropolisierungsquote: Anteil der in der (den)
Setzt man als Schwellen-
Metropole(n) lebenden Bevölkerung an der Gesamt-
wert für Megastädte eine Einwohnerzahl von bevölkerung eines Raumes (Land, Erdteil, Erde)
5 Mio. an, so weist die Statistik aus, dass es im Megastadt: Metropole mit mehr als 5 Mio. Ew.
Jahre 1950 erst sechs an der Zahl gab, vier in (nach anderen Autoren über 8 oder 10 Mio. Ew.),
den Industrieländern (New York, London, Tokyo, einer hohen Bevölkerungsdichte (über 2 000 Ew./
km²) sowie einer monozentrischen Struktur (im Un-
Paris) und zwei in den Entwicklungsländern
terschied zu polyzentrischen Agglomerationen wie
(Shanghai, Buenos Aires). In nur 50 Jahren hat z. B. dem Ruhrgebiet)
sich dieses Verhältnis grundlegend umgekehrt: Megapolisierung: Konzentration von Bevölkerung
Im Jahre 2000 standen zehn Megastädten in den und Funktionen in Megastädten
Industrieländern bereits 39 in den Entwicklungs- Global City: Großstadt mit internationalen Funk
tionen, z. B. internationalem Finanzzentrum, Sitz in-
ländern gegenüber. Mit anderen Worten: Metro
ternationaler Institutionen und Unternehmen (Glo-
polen und Megastädte bzw. megaurbane Regio bal Players); als Global Citys gelten vor allem die
nen werden in Zukunft die Lebensräume der Städte New York, Tokyo, London und Paris
Bevölkerung der Entwicklungsländer schlecht- Primatstadt: Großstadt, die hinsichtlich ihrer Ein-
hin sein. Bereits heute sind sie die Brennpunkte wohnerzahl und Bedeutung alle anderen Städte eines
Landes deutlich überragt
des wirtschaftlichen, aber auch sozialen Lebens
Demografische Primacy: hoher Anteil der Bevöl-
dieser Länder. kerung eines Landes in einer (oder wenigen) Metro-
polen / Megastädten
Funktionale Primacy: zusätzlich zur Bevölke-
rungskonzentration die Dominanz einer Metropole /
Megastadt in sämtlichen Wirtschafts- und Lebens-
bereichen eines Landes
Index of Primacy: Quotient zwischen der größten
und zweitgrößten Stadt eines Landes (gemessen an
der Bevölkerungszahl); Werte von 5,2 für Mexiko-
Einige Fachbegriffe zum Thema Stadt oder von 7,8 für Lagos unterstreichen die Do-
minanz dieser Megastädte (Berlin: 1,9)
Metropolisierung und Megapolisierung
Quelle: 978-3-623-29440-7 FUNDAMENTE Kursthemen Städtische Räume im Wandel, Schülerbuch, Oberstufe, S. 58 - 77
Moskau
London Rhein- Beijing Tokyo
Los Angeles Ruhr ºstanbul Seoul
New York Paris Teheran
Chicago Lahore Delhi
Tianjin Osaka
Dhaka
Wuhan Shanghai
Kairo
Karachi Kalkutta Hongkong
Mexiko Hyderabad
City
Bombay
Bangkok Manila
Bangalore
Bogotá Madras
Lagos
Kinshasa
Lima Jakarta
Rio de
São Janeiro
Paulo
Santiago Stadtbevölkerung (Mio. Ew.)
5 – < 8 Mio. Ew. 30
25
20
Buenos Aires 8 – < 10 Mio. Ew. 15
10
0 4 000 km 5
> 10 Mio. Ew.
Moskau
Toronto London Rhein- Beijing Shenyang
Ruhr ºstanbul Tokyo
Los Angeles Paris Kabul
New York Teheran Seoul
Lahore
Chicago Tianjin Osaka
Bagdad Delhi
Dhaka
Mexiko Wuhan
Kairo Ahmedabad Kalkutta Shanghai
City Riad Surat Chittagong Hongkong
Guatemala City Hyderabad Yangon Hanoi
Lagos
i
Manila
ch
Jiddah Pune
ra
Ka
Bombay
Bangalore Bangkok Ho Chi Minh
Bogotá Abidjan Madras
Kinshasa
Bandung
Luanda
Belo Horizonte Jakarta
Lima
Rio de
São Janeiro
Paulo
Santiago
Stadtbevölkerung (Mio. Ew.)
5 – < 8 Mio. Ew. 30
25
20
Buenos Aires 8 – < 10 Mio. Ew. 15
10
0 4 000 km 5
> 10 Mio. Ew.
Motive
der Land-Stadt-Wanderung in den Entwicklungsländern
Nachteilige Strukturmerkmale Persönliche Motive und Attraktive Strukturmerk-
des ländlichen Raums (Push-Faktoren) Kommunikationsmedien male des städtischen Raums
(Pull-Faktoren)
• niedriger Lebensstandard • Glaube an eine Ver-
• unzureichende Ernährungslage infolge besserung der Situation • Arbeitsmöglichkeiten
Landknappheit („schlechter kann es • höherer Verdienst
• Arbeitslosigkeit nicht werden“) • Aufstiegschancen
• Unterdrückung durch Grundbesitzer • außengeleitetes Verhal- • größere persönliche Freiheit
• Ausbeutung durch Zwischenhändler ten / Mode • größere Auswahl an öffent-
• mangelnde Versorgung mit öffentlichen („wie der Freund / lichen Infrastruktureinrich-
Dienstleistungen (Schule, Krankenhaus etc.) Bruder“) tungen (Schule, Kranken-
• geringe Teilnahmemöglichkeit an Gütern • Radio/Fernsehen / Presse haus etc.)
und Dienstleistungen des Staates • Berichte von Besuchern • größere Teilnahmemöglich-
• erstarrte Sozialstrukturen aus der Stadt keit an Gütern und Dienst-
• mangelnde Innovationsbereitschaft • Saisonarbeit in der Stadt, leistungen des Staates
• Ernterisiko durch Witterungseinflüsse / z. B. auf Baustellen • abwechslungsreicherer
Bodenzerstörung Lebensalltag
Unterschiede in der Funktionalen Primacy. Megastädte der Dritten Welt jedenfalls von kei-
So alarmierend das Wachstum der Megastädte ner Megastadt der Industrieländer erreicht.
in den Entwicklungsländern auch ist, hinsicht- Die Bedeutung der Megastädte und ihre Rolle
lich ihrer Entwicklungsperspektiven besorg- im Entwicklungsprozess der Länder werden sehr
niserregender ist die im Vergleich zum über- kontrovers beurteilt. Unbestritten ist, dass sie sich
proportional wachsenden Bevölkerungsanteil mehr und mehr zu Brennpunkten sozialer, infra-
(Demografische Primacy) noch stärkere Kon- struktureller und ökologischer Probleme entwi-
zentration der wirtschaftlichen, kulturellen und ckeln. Viele Fragen sind offen: Ist das Wachstum
gesellschaftlichen Funktionen (Funktionale Pri- der Megastädte unaufhaltsam? Werden sie in Zu-
macy) in den Megastädten. Hier liegt auch ein kunft national und international eine eigenstän-
weiterer wesentlicher Unterschied zwischen den dige Rolle spielen? Nähern sie sich im Weltmaß-
Megastädten der „Ersten“ und der „Dritten stab einander an und verlieren sie unter Umständen
Welt“. Das regionale Entwicklungsgefälle ist in ihre spezifische Identität? Führt ihre Demogra-
den Ländern der „Dritten Welt“ deutlich ausge- fische und Funktionale Primacy dazu, dass die
prägter als in den Industrieländern. Bezogen auf kulturelle und gesellschaftliche Distanz zum üb-
den Entwicklungsstand des betreffenden Landes rigen Land immer größer wird? Welche Rolle wer-
wird die Dominanz der Funktionalen Primacy der den die Megastädte im Entwicklungsprozess der
Länder der Dritten Welt künftig spielen? Sind sie
86,3 Universitäts-
studenten Motor der Landesentwicklung oder Schmarotzer,
53,0 Telefonanschlüsse die den ländlichen Raum aussaugen?
58,8 PKW
38,7 Kraftfahrzeuge
41,5 Industriebeschäftigte
Entwicklungspolitische Probleme
der Verstädterung und
Megapolisierung
„Stadtluft
macht frei“
Ein
‚Urban-underclass‘-Viertel
B B
Caracas
Sena
„ … urban underclass [ist] nicht mit Unterschicht Calle 13 B
z
gleichzusetzen, sondern hiermit sind die unters Avenida Jimene
ten sozialen Gruppen gemeint, die sich – fatalis Plaza
Avenida
tisch – mit ihrem Schicksal abgefunden haben. A. Nariño
… Derartige Phänomene hat es punktuell im In
SAN VICTORINO
nenstadtbereich lateinamerikanischer Metropo
len schon in den 1970er, z. T. auch in den 1960er
Avenida 10
Jahren gegeben: … In größerem Umfang treten
Calle 10
Carrera 9
sie erst in den 1990er Jahren auf, eine Folge der
Carrera 15
neoliberalen dualistischen Entwicklung, z. B. in M
Carrera 11
Anteil an kleinen Werkstätten und Geschäften,
wobei es allerdings schon länger als Ort der billi Avenida Caracas Calle 7
gen Prostitution bekannt war. Anfang der 1980er
Jahre, verstärkt dann ca. 10 Jahre später, begann Policía
die Entwicklung zum Urban-underclass-Viertel,
wesentlich bestimmt durch zwei Faktoren: den zu Calle 6
nehmenden Verfall der Bausubstanz und die un
mittelbare Nähe zum Zentrum, was Raub, Überfall Hospital SAN
und Drogenhandel begünstigte. Dabei kam es zu Neuro-Psiquiatríco BERNARDO N
Calle 4
einem entsprechenden Bevölkerungsaustausch,
einer Sukzession ‚nach unten‘, was den Cartucho
auch zum Ort billigen Drogenkonsums machte
und weitere Personen anlockte, die meistens auf Ursprüngliche Konzentration von:
Cartucho-Grenze Drogenhandel und
der Straße lebten, was insgesamt noch mehr zur -konsum
Heutige Cartucho-Grenze
Unsicherheit in diesem Bereich beitrug. Die An Prostitution
Calle (Straße) El Cartucho
gaben über die wichtigsten Krankheiten und To Lagerhallen u. -plätze
Park „Tercer Milenio“ für recyclebare Abfäl-
desursachen belegen eindeutig die Situation im (in Durchführung) le (Papier, Glas etc.)
Cartucho, das von seinen Bewohnern überwie Teilweise abgerissenes Schnellbuslinie
Gebiet „Transmilenio“
gend – wie die Hyper-Ghettos der US-Metropo (Sonderspur)
Vollständig abgerissenes
len – als „Endstation“ angesehen wurde … Gebiet, März 2002
mit Haltestelle
M Markt, zum Teil
Die desolate bauliche, gesundheitlich-hygieni Vollständig abgerissenes überdacht
Gebiet, März 2003
sche und Sicherheitssituation war – vor dem B Bank
Fertig gestellte Krankenhaus
Hintergrund der unmittelbaren Nähe zum Capi Parkbereiche, März 2002 (aufgegeben)
tol, Präsidentenpalast, einigen Ministerien etc. Fertig gestellte Kirche
Parkbereiche, März 2003
– letztlich entscheidend, dass sich die Stadt 0 50 100 150 200 250 m
Grünflächen
Bogotá zu einem großen Sanierungsprojekt
entschloss: Im Rahmen der umfassenderen nach:
„Operación Centro“ sollte das Cartucho-Viertel Günter Mertins: H241_1_Bogota_El_Cartucho.fh11
Jüngere sozalräumlich-strukturelle Transforma-
(Breite 65 mm, Höhe 177,16 mm, 14.4.2005)
tionen in den Metropolen und Megastädten Lateinamerikas.
vollständig abgerissen und Teil des 20-ha-Parks In: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jg. 147, H. 4.
‚Tercer Milenio‘ werden.“ Gotha: Perthes 2003, S. 52
Quelle: 978-3-623-29440-7 FUNDAMENTE Kursthemen Städtische Räume im Wandel, Schülerbuch, Oberstufe, S. 58 - 77
Pavement dwellers. Slums stellen aber keines- Gated communities. Ein Ausdruck der zuneh-
wegs die unterste Stufe der Verelendung dar. menden sozialen Segregation in den Metropolen
Diese bilden die so genannten Pavement dwellers, und Megastädten der Entwicklungsländer sind
Obdachlose, die auf den Bürgersteigen hausen. auch die Gated Communities. Darunter versteht
man exklusive und geschlossene, d. h. für die
Leben auf der Straße Öffentlichkeit nicht zugängliche Wohnanlagen,
die von privaten Immobilienfirmen geplant, er-
„Es gibt kaum eine Stelle, wo diese Menschen baut und verwaltet werden. Gemeinsame Merk-
nicht ins Blickfeld kommen, sei es in Hausein male sind die Abgeschlossenheit, oft durch eine
gängen, Bahnhöfen, auf Gehsteigen, in den Mauer mit Sicherheitsanlagen, und die ständige
rostenden Rohren der ewig im Bau befindlichen Bewachung durch private „Securities“. Abhängig
zweiten Wasserleitung, unter den Arkaden der Ci von der Größe und Exklusivität verfügen sie über
tystraßen, unter Brücken, am Strand, auf privaten Sportanlagen, Schwimmbäder, Supermärkte,
Gärten oder öffentlichen Parks, in Friedhöfen, in Arztpraxen, Kindergärten oder Privatschulen.
Warenschuppen oder im Brunnen Flora Fountain, Die meisten finden sich auf ausgewählten city-
dem Wahrzeichen der Stadt. Unter ihnen befinden nahen Arealen, aber auch am Stadtrand in ver-
sich tausende Familien, welche im Freien kochen, kehrsgünstiger Lage (Nähe von Autobahnen oder
waschen, essen, schlafen, lieben – und sterben. Schnellbahnen). Vereinzelt werden auch bereits
Da wird eine Decke zwischen einer Feuermauer bestehende Wohnviertel von ihren Bewohnern
und zwei Bambusrohren gespannt und damit der nachträglich durch entsprechende Sicherheitsein-
‚Einflussbereich‘ einer Familie abgegrenzt. Da bil richtungen in Gated Communities umgewandelt.
den ein paar im Dreieck aufgeschichtete Ziegel Die Gründe für die Bevorzugung dieser „neuen
die Herdstelle, von der aus auch häufig andere Enklaven des gehobenen Lebensstils“ sind der
Obdachlose gespeist werden, quasi ein Restau Schutz vor Kriminalität, ein sicheres Umfeld für
rant auf niedrigster Stufe. Die Reaktion der Be die Kinder sowie der Wunsch nach einem Leben
hörden schwankt zwischen sinnlosen Razzien, in homogener (meist exklusiver) Nachbarschaft.
völliger Apathie oder stillschweigender Duldung
(meist mit Schweigegeld), letzteres besonders Gated
Communities
in Buenos Aires
in der Regenzeit, die für die Ärmsten eine Art
Schonzeit bedeutet. Keine Rücksicht kennen die „Gerade bei Groß-Buenos-Aires fällt die enor
Ratten, deren Zahl zumindest auf das Zehnfache me Zahl der urbanizaciones privadas auf, die
der Obdachlosen geschätzt wird.“ seit Anfang der 1990er Jahre stark zunahmen
Heinz Nissel: Bombay. Berliner Geographische Studien, Bd. 1. Ber-
lin: Institut für Geographie der Technischen Universität 1977, S. 135
und nach 1995 dann zum Massenphänomen
wurden. Dabei ist eine eindeutige Konzentration
Pavement
dwellers in Mumbai (Bombay) im Norden … zu beobachten, vor allem in den
Gemeinden Pilar, El Tigre und Escobar, die Ende
des 20. Jh. mit 104, 43 bzw. 33 die meisten
gated communities aufwiesen …
Zum Ende des 20. Jh.s dürften die urbani
zaciones privadas in Groß-Buenos-Aires ca.
300 km² eingenommen haben …, eine Fläche,
die um ein Drittel größer ist als die der Gemein
de Buenos-Aires. Die aktuelle Einwohnerzahl
wird mit 400 000 – 500 000 angegeben … Die
gated communities haben sich so in den 1990er
zu einem gewichtigen Faktor im Suburbanisie
rungs- und gleichzeitig im sozialräumlichen Frag
mentierungsprozess herausgebildet …“
Günter Mertins: a. a. O., S. 51 – 52
Quelle: 978-3-623-29440-7 FUNDAMENTE Kursthemen Städtische Räume im Wandel, Schülerbuch, Oberstufe, S. 58 - 77
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Funktionsräumliche
Gliederung der Gated Community Condomínio Nova Ipanema
(Rio de Janeiro) Aus Dirk Bronger: Metropolen, Megastädte …, a. a. O., S. 160
Büffelställe mitten in der Stadt „… in den 1990er Jahren [waren] ca. 800 Mio.
Menschen weltweit in der städtischen Landwirt
„Wenn die Abendsonne hinter dem Hochhaus schaft tätig, der Großteil davon in asiatischen
abtaucht, kommt Bewegung in den Büffelstall. Städten … Landwirtschaftliche Aktivitäten in den
Die ‚Landarbeiter‘ in der indischen Megastadt Städten differieren erheblich: Das Spektrum reicht
Mumbai klettern aus ihren Schlafkojen unter von reiner Selbstversorgung über Überschuss
dem Stalldach, direkt über dem Rücken von 200 vermarktung … bis hin zu ausschließlicher Markt
Büffeln. Die tägliche Arbeit beginnt. produktion, von (oftmals geschlechtsspezifisch
Hier brummt und saugt keine Melkmaschine. differenzierter) Teilzeitaktivität zu Vollerwerbstätig
Handarbeit ist angesagt. Während die fette keit. Im Vordergrund stehen die Herstellung von
Milch in die Zinkeimer spritzt, tobt draußen vor Nahrungsmitteln sowie Non-food-Produkten oder
der Stadtmauer die Rushhour … Nach andert Spezialisierungen auf die Produktion leicht ver
halb Stunden haben die zwölf Melker ihre Arbeit derblicher pflanzlicher Erzeugnisse (v. a. Gemüse)
verrichtet. Die Milch fließt vom Zinkeimer gefiltert bzw. Tierhaltung …
in Milchkannen. Verkauft wird an einer kleinen Städtische Landwirtschaft leistet einen Beitrag
Theke am Straßentor … 25 Rupies, umgerech zur Verbesserung der Ernährungssicherung und
net 50 Eurocents, kostet ein Liter Büffelmilch mit zur zusätzlichen Einkommensgenerierung ... der
rund sieben Prozent Fett. armen Haushalte … Ebenso kann sie im Zusam
Der Büffelstall ‚Sadar Dairy‘ ist ein Beispiel für menhang mit einem kontrollierten Abwasser- und
‚Land‘-Wirtschaft in der Stadt. Diese Form der Abfallrecycling stadtökologisch sinnvoll eingesetzt
urbanen Agrikultur ist in Mumbai keine Ausnah werden. Allerdings birgt sie auch Risiken: sowohl
me. Ganz im Gegenteil. ‚Es gibt derzeit rund ökologisch durch den unkontrollierten Einsatz
80 000 Büffel in der Stadt‘, sagt Dr. Patil, Chef von Agrochemikalien, die Verwendung ungeklär
der staatlichen Molkereibehörde. ‚Sie verteilen ter Abwässer und die Nutzung nicht adäquater
sich auf Hunderte von Ställen, die sich zwischen Flächen (Erosionsgefährdung, Schadstoffeintrag
Hochhäuserschluchten, Gewerbebetrieben und etc.) als auch sozioökonomisch durch die viel
Straßen drängen.‘“ fach beobachtbare Ausbeutung der Produzenten
Dierk Jensen: Zwischen Mumbais Hochhäusern fließt die Milch. durch Zwischenhändler oder die Verdrängung der
In: Welternährung 03 / 2002. Bonn: Deutsche Welthungerhilfe
2002, S. 3 Kleinproduzenten durch professionelle Anbieter.“
Martin Coy / Frauke Kraas: a. a. O., S. 38 – 39
Quelle: 978-3-623-29440-7 FUNDAMENTE Kursthemen Städtische Räume im Wandel, Schülerbuch, Oberstufe, S. 58 - 77
Umweltprobleme
Da das Bevölkerungswachstum und die Expansion
der Städte mit außerordentlicher Geschwindigkeit
und extensiver Flächeninanspruchnahme ablau-
fen, sind gravierende Überlastungs- und Umwelt-
probleme eine fast unausweichliche Folge. Zu den
größten ökologischen Problemen gehören hohe
Luft- und Wasserverschmutzung, fast ungeregelte
Abfall- und Abwasserentsorgung sowie Degradie-
rung und Kontamination der städtischen Böden.
Da die Hauptwachstumsphase der Megastädte ins
„Automobilzeitalter“ fiel bzw. fällt, wird die Luft-
verschmutzung zum besonderen Belastungsfak-
tor. Beim Kohlenstoffmonoxid-, Schwefeldioxid-
und Bleigehalt überschreitet die Belastung die
Spitzenwerte in den Großstädten der entwickelten
Länder in aller Regel um ein Mehrfaches.
Ein nicht minder großes Problem ist die Abfall
entsorgung. Das Beispiel Kairo zeigt, wie dieses Hochgiftige metallhaltige Abwässer vom
Umweltproblem gleichzeitig eine wichtige Er- ‚Silberberg‘ fließen mit den Haushaltsabwässern
werbsquelle für die ärmere Bevölkerung darstellt. ungeklärt durch Potosi, Bolivien
„Abfallwirtschaft“
in Kairo Definieren Sie den Begriff „soziale Segre-
gation“ und erläutern Sie anhand konkreter Bei-
„Allein in diesem beispielhaft organisierten Wirt spiele, wie dieser Prozess im Alltag der Stadtbe-
schaftsbereich sind in Kairo mehr als 100 000 völkerung in Entwicklungsländern sichtbar wird.
Menschen tätig. Erläutern und bewerten Sie die Folgen
An erster Stelle sind dabei die mehr als 20 000 der sozialen Segregation für das „Gesellschafts
Angehörigen von Müllsammlerfamilien zu nen system Stadt“.
nen, die täglich mit ihren Eselskarren, neuerdings Werten Sie die Materialien zu El Cartucho
auch mit japanischen Pick-ups, die Abfälle aus aus und erläutern Sie daran Entstehung
den Haushalten der Kairener Mittel- und Ober und Wandel von „urban-underclass“-Vierteln.
schicht abholen. Die Abfälle werden dann in sechs Diskutieren Sie die in der Karte von El
große ‚Müllsiedlungen‘ am Stadtrand von Kairo Cartucho eingezeichneten Planungen.
gebracht, wo die Müllsammler mit ihren Famili Im Gegensatz zu den innerstädtischen
en leben. Nahezu die gesamten Haushaltsabfälle Slumgebieten, den „slums of despair“, werden die
werden dort einer neuen Nutzung zugeführt. randstädtischen Marginalsiedlungen vielfach als
Als Einkommensquelle sind dabei die organi „slums of hope“ bezeichnet. Erklären Sie die Be-
schen Abfälle für die überwiegend koptischen griffe. Ist diese Unterscheidung Ihrer Meinung nach
Müllsammlerfamilien besonders wichtig, weil sie gerechtfertigt?
damit jährlich rund 50 000 Schweine aufziehen
und an Schweinemetzgereien verkaufen kön
nen. Außerdem werden Altpapier- und -pappe,
Textil-, Kunststoff- und Aluminiumabfälle sowie
Altglas, Batterien, Blechdosen, Knochen u. a.
aussortiert und an Zwischenhändler oder gleich
an weiterverarbeitende Betriebe verkauft.“
Günter Meyer: Kairo. Entwicklungsprobleme einer o rientalischen
Megastadt. In: Erdmann Gormsen /A
ndreas Thimm: a. a. O., S. 182
Quelle: 978-3-623-29440-7 FUNDAMENTE Kursthemen Städtische Räume im Wandel, Schülerbuch, Oberstufe, S. 58 - 77
best practices
Stadtwachstum
Szenario II: Die korrigierende Stadt
– verlangsamtes Stadtwachstum Interessen-
– Persistenz sozioökonomischer und ausgleich
ökologischer Konflikte
– Schaffung von Identifikation und
Problembewusstsein
– Integrationsversuche der Informalität
– größere Spielräume für
Bewältigungsstrategien der verwundbaren
Gruppen
– Suche nach lokal angepassten Lösungen
– Orientierung an best practices
(Einzelprojekte der Stadterneuerung)
Szenarien
der Stadtentwicklung in den Entwicklungsländern
Martin Coy / Frauke Kraas: a. a. O., S. 40
Quelle: 978-3-623-29440-7 FUNDAMENTE Kursthemen Städtische Räume im Wandel, Schülerbuch, Oberstufe, S. 58 - 77
Wirkungsgeflecht zu den …
namische Systeme. In ihnen laufen Entwicklun- ebenfalls von der Annahme aus, dass Beziehun-
gen ab, die sich gegenseitig beeinflussen und so gen zwischen verschiedenen Faktoren nach der
zu vielfältigen Verbindungen und Zusammen- Art einer Kausalkette bestehen, wobei die einzel-
hängen führen. Dabei ergeben sich Ursache- nen Faktoren zugleich Ursache und Wirkung für
Folge-Wirkungen, Rückkoppelungen und mehr- und von anderen Faktoren sind (zirkuläre Verur-
schichtige Verflechtungen. sachung). Der Teufelskreis dient – im Gegensatz
Es ist Aufgabe des Erdkundeunterrichts, diese zu der einfachen linearen Kausalkette – in erster
einzelnen Erscheinungen, ihre Elemente, Ent- Linie zu Erklärung von sich negativ verstärken-
wicklungen und Wechselwirkungen aufzude- den Prozessen, im nachfolgenden Beispiel: Ver-
cken, um so die Struktur geographischer Systeme schärfung der Ausgangssituation (Armut) im cir-
in ihrer Komplexität und Dynamik zu erfassen. culus vitiosus.
Auf diesem Wege lässt sich gleichzeitig das für
das Fach Erdkunde wichtige vernetzende Denken
in Systemen schulen. „Teufelskreis
der Armut“
Dieses Denken eignet sich in besonderer Weise
dazu, Sachverhalte sowohl in ihrer Ordnung als
auch in ihrer funktionalen Dimension zu vermit- Armut
teln. Es ist eine optimale Erkenntnismethode,
weil sie dem Menschen hilft, das ihm eigene,
eher linear-monokausale Denken zu überwin-
den – zugunsten eines mehrperspektivischen,
multikausalen Verflechtungsdenkens. niedrige
Unterernährung
Arbeitsleistung
Aus diesem Grund sind Darstellungen, die aus
einer einfachen linearen Kette von Ursachen und
Folgen bestehen, wie z. B. die nachstehende Ab-
bildung, höchstenfalls Hilfsmittel. Sie werden in hohe
aller Regel den mehrschichtigen / multikausalen Krankheits
realen geographischen Sachverhalten nicht ge- anfälligkeit
recht.
Beispiel einer linear / monokausalen Die Problematik dieser Darstellung liegt in der
Kette Vereinfachung der – in aller Regel – äußerst
komplexen und mehrschichtigen Sachverhalte
schlechte Lebensverhältnisse auf dem Land sowie dem Irrglauben, dass zur Lösung der dar-
gestellten Probleme man nur an einer Stelle an-
setzen muss, um den gesamten „Teufelskreis“
aufzubrechen.
Landflucht
fehlende fehlender
Arbeitsplätze Wohnraum
Wirkungsgeflecht Schlüsselbegriffe
zum genannten Bei
In einem Wirkungsgeflecht, auch Wirkschema spiel in Auswahl (geordnet nach „Inhaltsebenen“)
METHODE
oder Strukturskizze genannt, lassen sich hinge-
1. Städtisches Wachstum
gen Gedankengänge, Ursache-Folge-Wirkungen, • M igration
funktionale Beziehungen und komplexe Zusam- • Bevölkerungswachstum
menhänge in eine logische und visuell leicht er- • Flächenexpansion
fassbare Abfolge bringen. Dazu werden wichtige • Entstehung von Marginalsiedlungen
• Bildung von gated communities
Begriffe stichwortartig aufgelistet, nach Themen
• Verfall der Innenstädte
bereichen geordnet und durch Wirkungspfeile mit-
einander verbunden. Die Pfeile sollen dabei zum 2. Sozioökonomische Probleme
Ausdruck bringen, dass die einzelnen Faktoren in • Interessenskonflikte
einer Wechselbeziehung zwischen verursachenden • Soziale Verdrängungsprozesse
• Soziale Fragmentierung
Faktoren, Prozessverläufen und Folgen stehen. • Zunahme von Armut
• Zunahme sozialer Disparitäten
Arbeitsschritte bei der Erstellung eines Wir- • Obdachlosigkeit
kungsgeflechtes • Unruhen und Kriminalität
• Fehlende Arbeitsplätze
Beispiel: Folgen der Verstädterung und Megapo- • Ausweitung des informellen Sektors
lisierung in Entwicklungsländern
3. Überlastungs- und Umweltprobleme
1. Werten Sie die Texte und Materialien des Ka- • Belastungen durch Müll und Abwasser
• Flächenverbrauch
pitels „Verstädterung in den Entwicklungslän-
• L uftverschmutzung durch Industrie und Verkehr
dern“ aus; ziehen Sie zur ergänzenden Informa- • Bodenerosion und Bodendegradation
tion ggf. weitere Quellen heran. • Grundwasserabsenkung
2. Benennen Sie Schlüsselbegriffe zum Thema • Landsenkungen und Überschwemmungen
und notieren Sie diese auf schmalen Papierstrei-
fen. (Optimal sind Haftnotizzettel.)
3. Ordnen Sie die Schlüsselbegriffe nach Sach-
und / oder Problemfeldern.
4. Ermitteln Sie die zentralen Schlüsselbegriffe
und platzieren Sie diese auf einem größeren Blatt
Papier / Karton an exponierter Stelle.
5. Ordnen Sie, gegliedert nach den unter 3. ge-
nannten Gesichtspunkten, die anderen Begriffe den
zentralen Schlüsselbegriffen zu und kennzeichnen
Sie die entscheidenden Faktoren farblich.
6. Stellen Sie durch Pfeile Beziehungen dar.
Was wirkt auf was? Wo bestehen Verflechtungen,
Rückkoppelungen etc.? (Dazu ggf. Doppelpfeile
verwenden.) Welcher Faktor wirkt besonders stark
auf den/die anderen? (Pfeile mit unterschiedli-
cher Strichstärke verwenden.) Kennzeichnen Sie
vermutete, nicht erwiesene Zusammenhänge als
solche, z. B. durch gestrichelte Linien / Pfeile.