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DOROTHEA MIELKE-GERDES/( WILLIAM S.   NEWMAN ), Art. Sonate in: MGG Online, hrsg.

von

Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016ff., zuerst veröffentlicht 1998, online

veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/12021 © 2016–2021 GbR MGG

III. Klassik (um 1735-1820)

1. Zeitgenössische Definitionen und Stellungnahmen

Die Unklarheit hinsichtlich der Verwendung des Begriffs Sonate nimmt in der Klassik ab.

Gelegentlich begegnet das Wort allerdings noch in der ausschließlich gattungsbestimmenden

Bedeutung von ›Instrumentalmusik‹, so z. B. noch 1812 in G. Carpanis Hinweis auf »gighe, […]

ballate, e simile sonate« (Le Haydine, S. 55). In England wird es mit »lesson« (S. Arnold, op. 7) und

mit »solo« (F. Giardini, op. 16), in Frankreich mit »pièce de clavecin« (J. J. C. de Mondonville, op.

3), in Wien mit »Divertimento« (G. Chr. Wagenseil, J. Haydn) und in Mailand mit »Notturno« (G.

B. Sammartini, J. Chr. Bach) gleichgesetzt. Gelegentlich begegnen auch noch Verwendungen des

Terminus sonata da camera (C. D. von Dittersdorf ). Die Diminutivform Sonatina, die M. Kelz

schon im Jahre 1669 gebraucht hatte (Epidigma harmoniae novae, Agb. 1669), erhält in der Klassik

in der Regel eine neue Hinwendung zum Liebhaberwesen und zur Pädagogik. Die bereits in

einem Manuskript W. F. E. Bachs aus dem Jahre 1778 vorkommende Bezeichnung »Grande

sonate« wird ein spätklassischer Terminus, den Beethoven und andere Komponisten nicht ganz

konsequent auf ein Konzert oder eine virtuose Sonate oder auch auf eine nur an Umfang ›große‹

Sonate anwenden. Was den von klassischen Autoren vertretenen Sonatenbegriff angeht, ist an

erster Stelle die Beobachtung von Wichtigkeit, daß im Verlauf dieser Epoche und noch bis in die

Romantik hinein keine klar umrissene Erklärung der erst etwa um 1840 in Lehrbüchern

definierten ›Sonatenform‹ begegnet (W. S. Newman 1941, S. 21-29). J. J. Rousseau wendet sich 1775

(abgesehen davon, daß er im wesentlichen wiederholt, was S. de Brossard 1701 und später über

barocke Kompositionen und die Unterscheidung von chiesa- und camera-Sonaten geschrieben

hatte) Fragen des Ge­schmacks zu. Wenn F. W. Marpurg im Jahre 1762 schreibt, daß die »drey oder

vier auf einander folgenden Stücke [ der Sonate ] mit nichts als den die Bewegung anzeigenden Wörtern,

zum Exempel mit Allegro, Adagio, Presto, usw. vorhanden« seien (Clavierstücke I, S. 5f.), so ist dies

nicht viel mehr als eine Wiederholung J. Matthesons und J. G. Walthers. Über Mattheson hinaus

ging J. A. P. Schulz mit einem vielgelesenen Artikel aus dem Jahre 1774 (SulzerTh II, S. 688f.) in

dem er den Gesichtspunkt, wie die Sonate »alle Charaktere und jeden Ausdruck annimmt«,

einbezieht. Von mehreren Autoren werden oberflächliche formale Vergleiche zwischen Sonate

und literarischer Ode angestellt, u. a. von C. R. Brijon (Réflexions sur la musique, P. 1763, S. 2), J. N.

Forkel (Mus. Almanach III, 1784, S. 32) und D. G. Türk 1789 (S. 390), doch bemerkt Türk selbst:

»indeß dürfte wohl schwerlich eine treffendere Vergleichung möglich seyn«. Die meisten Theoretiker,

die sich um ein tieferes Eindringen in die praktischen Fragen der Sonatenkomposition bemüht
haben, behandeln nur die Aussetzung des Generalbasses, so u. a. G. S. Löhlein (Clavier-Schule II,

Lpz./Züllichau 1781) und J. Ph. Kirnberger mit seiner sonderbaren, aber ernst gemeinten

Methode Sonaten aus’m Ermel zu schüddeln (1783; vgl. W. S. Newman, Kirnberger’s »Method for

Tossing Off Sonatas«, in: MQ 47, 1961, S. 517-525). Den in jeder Beziehung wichtigsten Beitrag

lieferte H. C. Koch (Versuch einer Anleitung zur Composition III, 1793, S. 304-319). Seine Erörterung

der Sonate geht zwar über J. A. P. Schulz nur wenig hinaus, enthält aber Hinweise auf die

eingehendere Untersuchung der Sinfonie. Schulz hatte festgestellt, daß die »Symphonie, die

Overtüre […] einen näher bestimmten Charakter« habe als die Sonate; Koch unterscheidet

zwischen dem, was man als sinfonischen bzw. als Kammer-Stil bezeichnen könnte, d. h. er stellt

dem spannungsreicheren sparsamen und wirkungsvollen Stil einen freieren, leichter

beweglichen und dekorativeren Stil gegenüber. Beide Stilarten begegnen nebeneinander in der

Kammermusik von J. Stamitz, C. Ph. E. Bach, G. B. Sammartini, L. Boccherini und anderen

Komponisten. Koch sagt, die Sinfonie weiche zwar nicht in ihrer tonalen Ordnung und auch

nicht in ihrer Syntax von der Sonate ab, wohl aber »dadurch, daß 1) die melodischen Theile

desselben schon bey ihrer ersten Darstellung mehr erweitert zu seyn pflegen, als in andern Tonstücken,

und 2) besonders dadurch, dass diese melodischen Theile gewöhnlich mehr an einander hängen, und

stärker fortströmen, als in den Perioden anderer Tonstücke, das ist, sie werden dergestalt zusammen

gezogen, daß ihre Absätze minder fühlbar werden« (ebd., S. 305/306; vgl. dazu die Umkehrung

dieses Satzes, S. 319). Bei der Besprechung des ersten Sinfoniesatzes wird weniger der

thematische, als vielmehr der tonale Bauplan betont. Weniger geht Koch auf jene Kennzeichen

ein, denen spätere Forscher der ›Sonatenform‹ (als Lehrbuchbegriff ) Wichtigkeit beigelegt

haben, nämlich auf ein klar kontrastierendes Thema, eine ›Durchführung‹ und eine ›Reprise‹.

Koch wollte offenbar dem für Norddeutschland charakteristischen Widerstand gegen

Affektkontraste (vgl. W. S. Newman 1963, S. 34f.) nicht widersprechen. Solchen Einwänden hatte

J. A. P. Schulz (1774) noch Raum gegeben, indem er beklagte, daß »ein Geräusch von willkürlichen

auf einander folgenden Tönen, ohne weitere Absicht, als das Ohr unempfindsamer Liebhaber zu

vergnügen, phantastische plötzliche Uebergänge vom Frölichen zum Klagenden, vom Pathetischen zum

Tändelnden, ohne das man begreift, was der Tonsetzer damit haben will, […] die Sonaten der heutigen

Italiener« charakterisierten.

Zur Eigenart der übrigen Sonaten- (oder Sinfonie-) Sätze macht Koch nur kurze

verallgemeinernde, die Form betreffende Bemerkungen, während sich seine Zeitgenossen fast

überhaupt nicht dazu äußern. Von 1740 an kommt es jedoch zu zunehmender Anerkennung der

dreiteiligen Satzfolge schnell-langsam-schnell, so bei J. A. Scheibe (1740), J. J. Quantz (1752), J. C.

F. Bach (1773), B.-G.-E. Lacépède (1787), H. C. Koch (1793) und A.-E.-M. Grétry (1797; vgl. W. D.

Newman 1963, S. 27).


Die bei anderen zeitgenössischen Autoren (u. a. bei Ästhetikern, Reisenden und Komponisten)

anzutreffende Einstellung zur Sonate spiegelt noch die während des Barockzeitalters

beobachtete Feindschaft. Für französische Polemiken jener Zeit ist die Art und Weise

charakteristisch, mit der Rousseau Fontenelles berühmte Stichelei unterstützt; gegen die Sonate

als selbständige Instrumentalmusik wendet er ein, sie »est peu de chose […] la parole est le moyen

par lequel la Musique détermine le plus souvent l’objet dont elle nous offre l’image, & c’est par les Sons

touchans de la voix humaine que cette image éveille au fond du coeur le sentiment qu’elle y doit

produire« (1755, S. 348). Spezifischere Einwände richten sich gegen die ›hohle‹ Virtuosität und die

›verwirrende‹ Gedankenfülle der neuen italienischen Sonaten, u. a. von J. A. P. Schulz (1774)

sowie von zahlreichen anderen Autoren, darunter Ch. Avison (1752, S. 35), C. R. Brijon (Réflexions

sur la musique, P. 1763, S. 4f.), G. B. Rangoni (1790, S. 22-28). Wieder andere lassen Bemerkungen

einfließen, die auf einen im Vergleich zu anderen musikalischen Formen vermeintlich niedrigen

Stand der Sonate schließen lassen, so z. B. J. W. Häßler in seiner Autobiographie von 1787, wo es

heißt: »Blose Klavier-Sonaten werde ich nicht so viel mehr schreiben, da ich von allen Seiten zu grösern

Werken aufgefo[ r ]dert werde« (nach W. Kahl, Selbstbiographien dt. Musiker, K./Krefeld 1948, S. 73).

Außerdem gibt es Autoren, die beharrlich pessimistisch argumentieren, es gebe zu viele

Sonaten, die Sonate habe sich erschöpft; hierher gehören J. J. C. de Mondonville (Vorwort zu op.

3, P./Lille 1734), J. J. Quantz (1752, S. 302) und F. Rochlitz (in AmZ 1, 1799, Sp. 236). Kein einziger

dieser Einwände hat jedoch vermocht, die im 18. Jh. enorm ansteigende Sonatenproduktion

einzudämmen. Wenn Komponisten überhaupt einmal auf eine von zeitgenössischen

Schriftstellern vorgebrachte Stellungnahme reagierten, so geschah es aus Interesse an dem noch

zu erwähnenden Dilettantenwesen und im Dienste eines eigennützigen neuen

Originalitätskultes; diesen hat E. W. Wolf im Sinne, wenn er J. F. Reichardt gegenüber äußert:

»Ich habe lange geglaubt, es gäbe nichts höheres in der Welt, als [ C. Ph. E. ] Bach, und ein Clavier-

Componist könne und müsse auch nichts anders denken, als ihm nachzuahmen. Nun ist aber hier zu

Lande seit Göthens Ankunft [ in Weimar ] alles original geworden. Da dacht ich, du musst doch auch

suchen, original zu seyn« (Berlinisches Arch. der Zeit, 1795, zit. von A. Kreutz, in: Zwo Stücke für vier

Hände, Mz. 1940).

2. Gesellschaftliche Funktion der Sonate und Sonatine

Innerhalb der Gesellschaft diente die Sonate als Mittel der Zerstreuung für den Dilettanten, als

Betätigungsfeld für den Berufskomponisten und -spieler, als Übungsmaterial für den

Studierenden, als Gelegenheitsstück für öffentliche oder private Konzerte und (selten) als

Einlagemusik für die Kirche. Wie zahlreich die ›klassische‹ Sonate vor allem in Gestalt der Duo-

oder begleitenden Klavierkomposition als Mittel für die Zerstreuung des Dilettanten

Verwendung fand, geht bereits aus vielen Sonaten-Überschriften und -Vorworten hervor. So
heißt es z. B. im »Advertisement« zu Ch. Avisons Six Sonatas, for the Harpsichord, with

Accompanyments for Two Violins & a Violoncello op. 7 (L./Edinburgh/Newcastle 1760): »This Kind of

Music is not, indeed, calculated so much for public Entertainment, as for private Amusement. It is

rather like a Conversation among Friends, where Few are of one Mind, and propose their mutual

Sentiments, only to give Variety, and enliven their select Company«. L.-G. Guillemain bezeichnet sein

op. 12 (P. 1743) als Six sonates en quatuors ou conversations galantes et amusantes und weist damit,

ganz zu Recht, auf die enge Beziehung zwischen dem Dilettantenwesen und dem ›galanten‹ Stil

hin. Eine enge Beziehung besteht auch zwischen dem Dilettantenwesen und der neuen,

leichteren instrumentalen Schreibweise. M. P. Rutinis Sonaten op. 7 (Nbg. 1770) sind den

»Signori dilettanti di cembalo« gewidmet, und es wird versichert, daß selbst ein zehnjähriges

Mädchen in ihnen keinen Schwierigkeiten begegne; L. Boccherini widmet seine Sei Conversazioni

a tre op. 7 (P. 1770) den »amatori« der Musik; C. Ph. E. Bachs »Kenner- und Liebhaber«-Serien sind

nur ein Beispiel für zahlreiche andere, den Amateur einbeziehende Sonatenserien. In nicht

wenigen Sonatenreihen werden chevalereske Zugeständnisse an die Damen gemacht, so in Chr.

Nichelmanns Sei breve sonate da cembalo massime all’ uso delle Dame (Nbg. 1745) und G. A.

Paganellis Divertissement de le beau sexe ou six sonatines (Adm./L. ?1757).

Die Verwendung der klassischen Sonate durch Berufsmusiker wird durch eine Aussage von F.

Rochlitz aus dem Jahre 1799 belegt; danach trat früher »jeder Musiker, welcher in den Orden der für

das Publikum arbeitenden Komponisten aufgenommen werden wollte, gewöhnlich mit

Klavierkompositionen, namentlich mit Solosonaten, in die Laufbahn« (AmZ 1, 1799, Sp. 236). L.

Mozart wußte um den kommerziellen Vorteil, der entstand, wenn er eine Sonatenserie als

»Oeuvre première« seines frühreifen Sohnes geschlossen in Druck gab (1764). Chr. W. Gluck hat

im Druck mit einer Serie Triosonaten (L. 1746) debütiert, aber später, ebenso wie A. E. M. Grétry,

F. J. Gossec, E. N. Méhul und viele andere Meister der Klassik, nie wieder zu diesem

anfänglichen Interesse an der Sonate zurückgefunden. Die Mehrzahl solcher

Erstveröffentlichungen war auf eigene Kosten gedruckt, und häufig verband der Komponist

damit die Hoffnung, daß sie ihm eine höfische Stellung und möglicherweise die Patenschaft des

Dienstherrn bei künftigen Publikationen eintrügen. In der Tat konnte er erwarten, daß es zu

seinen Berufspflichten gehören würde, zur Freude des selbst musizierenden Dienstherrn

Sonaten zu komponieren und dabei normalerweise dessen Geschmacksrichtung zu folgen; das

gilt z. B. für J. J. Quantz’ Flötensonaten für Friedrich den Großen und J. Haydns Barytonsonaten

für den Fürsten Esterházy. Die häufige Identität von Komponist, ausübendem Künstler und

Verleger (eigener und fremder Werke) hat ihren Grund in der musiksozialen Neuordnung der

Zeit (z. B. M. Clementi, A. Diabelli und F. A. Hoffmeister).


Im Jahre 1774 gibt J. A. P. Schulz nur die Meinung vieler Autoren wieder, wenn er sagt, daß »für

Instrumentalspieler […] Sonaten die gewöhnlichsten und besten Uebungen [ sind ]; auch giebt es deren

eine Menge leichter und schwerer für alle Instrumente« (SulzerTh II, S. 689). Die pädagogische

Verwendbarkeit der Sonate wird auch in Überschriften angezeigt: D. Scarlatti spricht bei im

einzelnen als Sonata bezeichneten Stücken von Essercizi (um 1739), Th. Arne schreibt Lessons

(1756) und F. A. Hoffmeister eine Sonata scolastica (um 1790). Obgleich von Scarlattis ›Übungen‹

pädagogische Vereinfachungen und neue Werkzusammenstellungen von anderen Musikern

herausgebracht wurden (vgl. R. Newton, The English Cult of Domenico Scarlatti, in: ML 20, 1939, S. 

154f.), spielt er selbst in seinem Vorwort auf eine solche Verwendung nur lose an: »Non

aspettarti, o Dilettante o Professore che tu sia, in questi Componimenti il profondo intendimento, ma

bensì lo scherzo ingegnoso dell’Arte, per addestrarti alle franchezza sul Gravicembalo«. In den 1770er

Jahren drückte sich G. M. Rutini im Vorwort zu seinen Cembalosonaten op. 9 bestimmter aus:

»In queste Sonate hò usato più brevità, e facilità per meglio sodisfare come spero il genio degli Studiosi«.

Ch. Burney konnte einer moralischen Verpflichtung, seine Neuland betretende Publikation

vierhändiger Klaviersonaten (1777) durch einen Hinweis auf ihren pädagogischen Wert und

ihren unterhaltsamen Charakter zu rechtfertigen, nicht widerstehen: »Besides the Amusements

which such experiments will afford, they may be made subservient to two very useful purposes of

improvement, as they will require a particular attention to Time, and to that clair-obscure which is

produced by different degrees of Piano and Forte«. In D. G. Türks Klavierschule (1789, S. 15-17)

konnten Lehrer und Schüler eine Liste von Komponisten, geordnet nach dem

Schwierigkeitsgrad ihrer Sonatinen und Sonaten, finden.

Daß die Verwendung der Sonate im Konzert für angemessen gehalten wurde, läßt sich

gleichfalls mit einem Zitat aus J. A. P. Schulz’ Artikel (1774) belegen: »Ein einziger Tonkünstler

kann mit einer Claviersonate eine ganze Gesellschaft oft besser und würksamer unterhalten, als das

grösste Concert«. Jedoch blieb die Verwendung der Sonate als Bestandteil des öffentlichen

Konzertlebens im Vergleich zu Opernarien, Chorensembles, Konzerten usw. gering. Zu

Lebzeiten Beethovens haben kaum ein halbes Dutzend öffentlicher Aufführungen seiner

Ensemblesonaten und nur zwei Aufführungen einer Klaviersonate (op. 90 oder 101 [ vgl. AmZ 18,

1816, Sp. 197 ]) sowie op. 26 im Jahre 1819, nach einer Nachricht von Charles Horton in der

Bostoner Columbian Centinel vom 27. Febr. 1819) stattgefunden. Dagegen überrascht es, in den

Programmen der in den amerikanischen Kolonien und den USA vor 1800 veranstalteten

Konzerte nahezu hundert Aufführungen einer instrumentalen sonata, eines solo oder einer

lesson zu begegnen (vgl. O. G. T. Sonneck 1907, passim).

Für die Verwendung der Sonate in der Kirche finden sich in zeitgenössischen Werküberschriften

und Abhandlungen häufig ungenaue Angaben. Die seltenen präzisen Informationen begegnen z. 
B. bei G. A. Paganellis XXX Ariae pro organo et cembalo (Agb. 1756), die mit dem Großteil der

Einzelsätze seiner im Jahre darauf veröffentlichten Klaviersonaten identisch sind, bestimmt

»non solum in Templis, sed etiam in Musaeis Musicis publicis et privatis speciatim sub Elevatione

producendae«. Mozarts 17 kurze Sonate all’Epistola für mehrere Instrumentengruppen und Orgel

sollten offenbar zwischen Epistel und Evangelium in der Messe gespielt werden (vgl. NMA

VI/16, vii). Einen weiteren Hinweis darauf, wie die Sonate der für das Barockzeitalter

angegebenen Praxis entsprechend als instrumentale Messe gedient haben könnte, findet sich bei

F. Sor; er erinnert sich, daß um 1790 eine Sinfonie in D-Dur von Haydn im Kloster Montserrat bei

Barcelona auf diese Weise verwendet wurde (M. Rocamora, F. Sor, Barcelona 1957, S. 20).

Der Begriff Sonatine diente seit der 2. Hälfte des 17. Jh. zunächst als eine noch unspezifische

Bezeichnung z. B. für Einleitungssätze zu Suiten oder auch Kirchenkantaten (z. B. Bach, Actus

tragicus BWV 106, wohl 1707). Die Sonatinen für Cembalo oder zwei Cembali und Orchester

(1762-1765) von C. Ph. E. Bach haben fünf bis acht Sätze und können als Divertimenti bezeichnet

werden (Newman 1963, S. 419). Im übrigen ist die Sonatine in dieser Zeit ein meist einsätziges

Gebilde (z. B. Clavier Übung in drei Teilen zu je 6 Sonatinen von G. A. Sorge, Nbg. 1738-ca. 1743; 6

Sonatinen von A. Lucchesi, datiert 1769, vgl. Newman 1963, S. 380; 34 Sonatinen von G. Benda [ 

hrsg. von J. Racek u. a. in: MAB 37, Prag 1958 ]) und reiht sich in den großen Kreis der sog.

Handstücke ein; jedoch wird schon mit Ausbildung des mehrsätzigen Zyklus der klassischen

Sonate die Benutzung des Titels in Abgrenzung zum Sonatensatzzyklus wirksam, gemeint ist

nun eine leichter ausführbare Sonate mit meist kurzer oder auch fehlender Durchführung,

häufig zweisätzig (ohne langsamen Mittelsatz), meist für Klavier, seltener Violine und Klavier

oder andere Besetzungen. In den Klaviersonaten mit einem begleitenden Instrument (ad. lib.)

ermöglichte ein leicht gehaltener Zusatzpart dem ungeübteren Dilettanten die Teilhabe an

schwieriger Musik (vgl. P. Schleuning, Das 18. Jh.: Der Bürger erhebt sich, Reinbek 1984, S. 440). Die

Zahl der musikliebenden Amateure war im Zuge der Emanzipation des Bürgertums beträchtlich

angestiegen; sie wandten sich insbesondere dem Klavierspiel zu, gab es doch dem Einzelnen die

Möglichkeit, sich musikalisch auszudrücken (während z. B. im Rahmen der bürgerlichen oder

studentischen Collegia musica im geselligen Kreis musiziert wurde). Im Zuge dieser

Entwicklung kam auch der Klavierpädagogik eine immer wichtigere Rolle zu. In dem Maße, wie

die Sonate umfangreicher und schwerer wurde, stieg die Nachfrage nach einfacher,

überschaubarer, leicht rezipierbarer Literatur, die sowohl der angenehmen Unterhaltung als

auch der Stilübung dienen und daher möglichst auch gewissen ästhetischen Ansprüchen

genügen sollte, wobei der Hinweis auf die leichte Ausführbarkeit im Titel das Kaufinteresse der

breiten Liebhaberkreise noch zu steigern vermochte.


Insbesondere das letzte Viertel des 18. und das erste Viertel des 19. Jh. sind als Blütezeit der

Sonatinenkomposition anzusehen. D. G. Türk schreibt zu seinen eigenen leichten Sonaten (12

leichte Klaviersonaten, I, II, 1983; 18 kleine Klaviersonaten I, 1785, II, 1786, III, 1793), er würde sie

»mit Anfängern im ersten Jahre nicht nehmen: denn ob gleich keine schweren Passagen darin

vorkommen, so setzen sie doch einen schon etwas gebildeten Geschmack und eigenes Gefühl voraus,

wenn sie dem Lernenden nicht ekelhaft werden sollen« (1789, S. 16). 1787 erschienen die sechs

einsätzigen Sonatine nuove (Wq 63, 7-12) von C. Ph. E. Bach als Beigabe zur 4. Auflage des Versuch[ 

s ] über die wahre Art das Clavier zu spielen, Teil 1; ein Jahr später komponierte Mozart die Sonate

facile KV 545. Sonatinen hinterließen J. L. Dussek (sechs Sonatinen op. 20, ohne langsamen

Mittelsatz, arr. nach den Sonatinen op. 19 für Klavier und Flöte oder Violine von 1793; sechs

Sonatinen für Harfe, 1799), J. B. Vanhal (zahlreiche Sonatines progressives, faciles, très faciles,

agréables, Sonate piccole oder facile vorwiegend für Klavier, die meisten nach 1800

veröffentlicht), F. Ries, C. Czerny, ferner A. Diabelli; aus seinem reichen Sonatinenschaffen ist

op. 50 (Wien 1918) mit zweisätzigen Sonatinen »aus allen Dur- und Molltonarten« für Klavier

hervorzuheben (Einstimmung auf die Tonart jeweils durch ein ganz kurzes vorangestelltes

Prélude oder eine Cadenza; die Sammlung endet bei E-Dur/cis-Moll und As-Dur/f-Moll). Eine

wichtige Rolle innerhalb des So­natinenschaffens von M. Clementi spielen die Six Sonatines

Progressives doigtées op. 36 (1797, rev. 6[ 1820 ]), »which must be regarded as both the Classic and the

classic model for all sonatinas« (Newman 1963, S. 751); schon bei Mendel-Reißmann werden sie als

»Muster der Gattung« gewürdigt (Bd. 9, Neuausg. Lpz. o.J., S. 306). Fr. Kuhlau komponierte

mehrere Serien (1819-1827) von zwei- oder dreisätzigen Sonatinen für Klavier zwei- (op. 20, 55,

59, 60, 88) und Klavier vierhändig (op. 44, 66 sowie die Sonatina op. 17, 1818).

Mit der Krise der Sonate, die sich bereits nach dem Tode Schuberts deutlich abzeichnete, verlor

die Sonatine ihre Bedeutung zugunsten des Charakterstücks, in dem sich das aktuelle

›romantische‹ musikalische Idiom äußerte (vgl. zur »dichotomy of new style versus old style«

Newman 1969, S. 64).

3. Instrumente und Besetzungen

Ebenso eng wie die barocke Sonate mit der Geschichte der Violine ist die klassische Sonate mit

der Geschichte des Klaviers verflochten. Ziemlich unvermittelt begann mit der klassischen

Epoche die Blüte der Klaviersonate (→Klaviermusik, II.1., II.2.). Nach nur wenigen verstreuten

Veröffentlichungen solistischer Klaviersonaten im Laufe der ersten eineinhalb Jahrhunderte der

Sonatengeschichte lassen sich allein für den Zeitraum 1732-1749 nahezu 30 solcher

Publikationen nachweisen (vgl. W. S. Newman, A Checklist of the Earliest Keyboard »Sonatas«

(1641-1738), in: Notes 11, 1953/54, S. 201-212; 12, 1954/55, S. 57 und ders. 1963, S. 81). Während der

Frühklassik wurden überall da, wo die Sonate gedieh, Cembalosonaten komponiert und gespielt,
während die Clavichordsonate beinahe ausschließlich nur von W. F. und C. Ph. E. Bach und ihren

Nachfolgern gepflegt wurde, darunter Chr. G. Neefe, J. G. Müthel, G. Benda, E. W. Wolf und H. O.

C. Zinck, d. h. in der Regel von nord- bzw. mitteldeutschen Vertretern des ›empfindsamen‹ Stils,

während die Orgelsonate kaum als ein spezieller Zweig in Erscheinung trat. Obgleich das erste

Klavier Cristoforis auf das Jahr 1709 datiert wird und 1732 (Flz.) die isoliert dastehenden (12)

Sonate da cimbalo di piano, e forte detto volgarmente di martelletti L. Giustinis erschienenen, die

erste eigens für das Hammerklavier bestimmte Sammlung, nahm die Zahl der wahlweise oder

ausdrücklich für Klavier bestimmten Sonaten doch erst seit den 1760er Jahren deutlich zu.

Bahnbrecher waren die in Paris 1763 und 1764 von J. G. Eckard, die in London 1766 von J. Burton

und (wohl) 1768 von J. Chr. Bach sowie die in Edinburgh um 1768 von G. F. Tenducci

veröffentlichten Sonatenreihen. In Deutschland behandeln J. J. Quantz und C. Ph. E. Bach in ihren

bedeutsamen Traktaten der 1750er Jahre das neue Klavier als ein offenbar schon vertrautes

Instrument, während es in Werktiteln erst zu Beginn der 1770er Jahre auftritt, u. a. in J. G.

Müthels Duetto für 2 Claviere, 2 Flügel oder 2 Fortepiano (Nbg. 1771). Nach einem im Hinblick auf

die Publikationen von Klaviersonaten zunehmend fruchtbaren halben Jahrhundert stellt

schließlich D. G. Türk im Jahre 1789 als erster fest: die »Sonate verdient unter den Tonstücken,

welche für das Klavier bestimmt sind, wohl mit dem mehrsten Rechte die erste Stelle« (S. 390), wobei

für ihn »Klavier« noch Clavichord bedeutet (vgl. ebd., S. 4-12). Der Übergang vom Cembalo zum

Klavier verläuft parallel mit dem Wandel vom frühklassischen zum hochklassischen Sonatenstil;

eine ähnliche Parallelität bildete später der Übergang vom leichteren Wiener zum schweren

englischen Klaviertypus und der Wandel vom hochklassischen zum spätklassischen Sonatenstil

Beethovens, Clementis und anderer Komponisten. Die Wahl zwischen »cembalo o pianoforte«

wurde in Sonatenüberschriften der 1770er Jahre und umgekehrt zwischen »pianoforte o cembalo«

schon ein Jahrzehnt später im allgemeinen freigestellt; von etwa 1785 an begann das Wort

Cembalo aus den Werktiteln zu verschwinden. Die Werktitel und die verwendeten

Bezeichnungen sind oft doppeldeutig, und die Frage, welches der beiden Instrumente der

Komponist jeweils bevorzugt, bleibt häufig offen. Enthält der Notentext Zeichen für dynamische

Abstufungen, so lassen diese erkennen, daß der Komponist das Klavier im Auge gehabt hat,

sofern er nicht als Vertreter des ›empfindsamen‹ Stils für Clavichord schrieb. Andererseits ist

die Verwendung von Oktaven und weiträumigen Figurationen (vgl. C. F. Cramer [ Hrsg. ],

Magazin der Musik I, 1783, 1238) ein Charakteristikum, das z. B. Hauptmerkmal der

Klavierschreibweise von Clementis Sonaten op. 2 (1779) ist. Solche Merkmale treten jedoch in

den ersten vermutlich für Klavier beabsichtigten Sonaten der beiden anderen Komponisten, die

sich frühzeitig für dieses Instrument interessierten, nämlich Haydn (etwa von der Sonate Hob.

XVI:20 in c-Moll [ 1771 ] an) und Mozart (etwa von den Sonaten KV279-283/189d-h [ 1774/75 ] an),

nicht hervor.
Quantitativ haben die Violine und andere Streichinstrumente zur klassischen Sonate

genausoviel beigetragen wie das Klavier. Sie begegnen noch in den konservativen, schnell

veralteten Kompositionen mit B.c. nach Art der ›Solo‹-Typen, wie sie noch von den letzten

bedeutenden Nachkommen der barocken italienischen Violintradition, P. Nardini, G. Pugnani

und G. B. Viotti, geschrieben wurden. In bescheidenem Umfang erscheinen weiterhin Sonaten

für Violoncello solo mit B.c., so z. B. von J. B. Duport, C. Graziani, J.-B. Bréval und J.-B. Tricklir.

Das Violoncello, das bislang den B.c. getragen hatte, neigt z. B. in mehreren Duosonaten für

Violoncello oder Violine mit Violoncello von Boccherini dazu, ein echter, unbezifferter

Bestandteil des Satzgefüges zu werden. Die Sonaten für Klavier und Violoncello von Beethoven

stellen aber, nicht nur, was ihre Besetzung, sondern auch, was ihre Qualität betrifft, für die

Klassik Ausnahmen dar. Gleichfalls fast einmalig sind die für den Hof des Fürsten Esterházy

bestimmten Barytonsonaten, während die Viola-da-gamba-Sonaten C. F. Abels eine letzte,

anachronistische Zurschaustellung dieses Instruments bedeuten. Eine wesentlich

umfangreichere Sonatenliteratur für Solo- oder begleitete Gitarre stammt von F. Sor, S. J.

Molitor, M. Giuliani und anderen berühmten Gitarrenspielern dieser Zeit. Verstreut finden sich

einige Sonaten für Blasinstrumente allein, z. B. für Flöte, Klarinette oder Harfe, sowie für

seltenere Instrumente wie Carillon und Glasharmonika (z. B. von J. G. Naumann). Die solistische

Klaviersonate wird während des ganzen Zeitraums hoch geschätzt und nur während der

hochklassischen und spätklassischen Phase zahlenmäßig noch von der begleiteten Klaviersonate

übertroffen. Die älteren Besetzungen mit B.c. verschwinden gegen Ende des 18. Jh. nahezu

gänzlich, die Solo-Sonate überdauert den Trio-Typus um fast ein Vierteljahrhundert.

Schon im Jahre 1764 meint Ch. Avison, wenn er im Vorwort zu seinem op. 8 von »the accompanied

Sonata for the Harpsichord« spricht, eine Besetzung, die gewöhnlich durch längere und

ausführlichere Werktitel wie Three Sonatas for the Harpsichord or Forte Piano With

Accompanyments for a Violin and Bass ad libitum (E. Eichner, op. 3, 1771) gekennzeichnet ist. Diese

Besetzung bleibt auf das Zeitalter der Klassik beschränkt. Nach ihren Anfängen in Paris und

London wird sie überall charakteristisch; eine Klaviersolosonate wurde oft von einem Verleger

mit einer Begleitung versehen (z. B. J. André bei J. Chr. Bachs op. 1, recte op. 17). Gelegentlich

mußte die Sonate sogar, so z. B. 1781 von J. D. Benser, als »for the Pianoforte ONLY« klassifiziert

werden. Da solche Begleitungen üblicherweise fakultativ waren und getrennt gedruckt und

verkauft, gelegentlich auch in der Klavierstimme überhaupt nicht erwähnt wurden, sind sie

häufig aus den umfangreichen Sammlungen, die in großen Bibliotheken noch bestehen,

verschwunden. Die Praxis der ad-libitum-Bearbeitungen ist unvorstellbar umfangreich

gewesen; so wurden z. B. die Werke J. Haydns in alle nur erdenklichen ›sonatenartigen‹

Besetzungen transkribiert. Wegbereiter der Violinsonate war sowohl die Praxis, eine

Triobesetzung dadurch zu reduzieren, daß eine der beiden Oberstimmen an die Stelle der B.c.-
Aussetzung der rechten Klavierhand tritt, als auch die Praxis, dünne zweistimmige Klaviersätze

auszufüllen, was z. B. in den Sonaten B. Galuppis und M. P. Rutinis durch gelegentliche Ziffern

über dem Baß angedeutet wird, und die Notwendigkeit, den schwachen Ton mancher Cembalos

und früher Klaviere zu verstärken, wovon bei mehreren der genannten französischen

Wegbereiter die Rede ist (vgl. die ausführlichen Zitate bei L. de La Laurencie 1922-1924 und E.

Reeser 1939). Darüber hinaus bestand in Dilettantenkreisen der Wunsch, sich an dem Vergnügen

zu beteiligen, und zwar mit Stimmen, die technisch so leicht gehalten waren, daß sie bewältigt

werden konnten; diesen Wunsch läßt J. L. Adam in der einleitenden Bemerkung zu seinem op. 12

(1810) durchblicken. Die weitgehenden Wahlmöglichkeiten der Aufführungspraxis des Barock

wurden in der klassischen Musik sowohl an Zahl als auch an Häufigkeit eingeschränkt; z. B.

konnte eine langsame Melodie ausgeschmückt werden wie im Falle von F. Bendas Violinsonaten

(vgl. D. Lee, Some Embellished Versions of Sonatas by Franz Benda, in: MQ 62, 1976, S. 58-71), oder

aber eine Kadenz konnte improvisiert werden, was in Clementis Zauberflöten-Sonate durch die

einzelnen, über das ganze Stück verteilten Fermaten angezeigt ist.

Der Übergang zur echten Duobesetzung von Klavier und Violine oder anderen Instrumenten

zeichnete sich in Londoner Publikationen wie F. Giardinis op. 3 (1751) und D. Pellegrinis op. 4 (ca. 

1759) deutlicher ab, in denen die Kompositionen ungezwungener und pausenlos zwischen den

Satzkombinationen Solovioline mit B.c., obligatem Klaviersolo mit untergeordneter Violine,

echtem Duo beider Instrumente und solistischem Klavier hin- und herwechselten. Mit L.

Boccherinis op. 5 begegnen einige der ersten echten Duos in klassischer Bedeutung mit

abwechselnden und auf beide Instrumente gleichmäßig verteilten Phrasen und vollständigen

Themen. Zu den nächsten Beispielen gehören J. Chr. Fr. Bachs und J. Schusters Werk­serien von

etwa 1777 sowie Mozarts ›Mannheimer‹ Sonatenserie von 1778. Noch Beethoven nennt sein op. 47

eine »Sonata per il Pianoforte ed un Violino obligato«. In Mozarts späteren Sonate per il clavicembalo

o forte-piano con violino e violoncello KV 502 sind die Stimmen bereits so unabhängig voneinander,

daß diese ›Sonaten‹ echte Klaviertrios darstellen, was für die 31 sogenannten Klaviertrios von J.

Haydn nicht zutrifft. Außer der begleiteten Klaviersonate gab es noch andere Duobesetzungen,

die für den Dilettanten von besonderem Reiz waren, so z. B. das vierhändige Klavierduett,

vorzugsweise für ein Klavier, eine Gattung, die Joh. Chr. Bach, Mozart, Ch. Burney und F.

Seydelmann einführten, sowie das unbegleitete Instrumentalduo für zwei gleiche oder

verschiedene Stimmen, wie z. B. I. Pleyels Sonaten für zwei Violinen, Haydns Sonaten für

Violine und Viola und Mozarts Sonate für Fagott und Violoncello. In diesem Zusammenhang

wären auch die zahlreichen Transkriptionen aus der Zeit der Klassik zu nennen. Haydns

Sinfonien Nr. 97 und 98 wurden als vierhändige ›Sonaten‹ bearbeitet; M. Clementi arbeitete

eigene Konzerte als Klaviersonaten op. 32,3 und 34,1 um; L. Boccherinis Streichtrios und -

quintette wurden von I. Pleyel und anderen als begleitete Klaviersonaten arrangiert.
4. Stil und Form

War das gemeingültigste strukturelle Verfahren der barocken Sonate das Motivspiel, so ist es für

die Klassik die Technik der Phrasengruppierung, d. h. des Nebeneinanders oder Gegeneinanders

geschlossener Phrasen. Sie begünstigt einen mehr oder weniger homophonen Satz, eine

langsame harmonische Abfolge, eine strophenähnliche metrische Organisation, einen

großflächigen tonalen Verlauf und bewirkt primär eine polythematische, zusammengesetzte

und integrierte Struktur.

Die frühklassische Sonate zeigt vorwiegend den ›galanten‹ Stil, und zwar nicht in der

spätbarocken oder rokokohaften Manier J. Matthesons, G. Ph. Telemanns, F. Couperins und G.

Plattis, sondern den »zweiten galanten Stil« der 1750er und 1760er Jahre (vgl. E. Bücken, Der

galante Stil, in: ZfMw 6, 1923/24, 418-430), der vor allem durch Werke B. Galuppis, M. P. Rutinis,

G. B. Sammartinis, L. Boccherinis und A. Solers sowie des frühen Haydn belegt ist. Eines seiner

Merkmale sind kurzatmige melodische Zweitaktgruppen, die sich weniger intensiv als vielmehr

extensiv entfalten und häufig mit über 6/4-Akkorden erreichten und von kurzen Pausen

beschlossenen Halbkadenzen enden. Weitere ›galante‹ Kennzeichen sind u. a. einfache

harmonische und Tonart-Verwandtschaften, ständige Sechzehntel-Triolen, häufige zierliche

Triller, Doppelschläge und Appoggiatura-›Seufzer‹, Synkopen, lombardische Rhythmen und

andere punktierte Figuren sowie dünne Zweistimmigkeit des Satzes. Schließlich gehört auch

jene genormte kleine Auswahl leerer Klavierbegleitfiguren hierher, welche zum Zweck, den

harmonischen Rhythmus langsam zu halten, eine unaufdringliche Bewegung erzeugen, u. a.

durch einfache Achtelnoten- und Viertelnoten-Wiederholungen, durch Murky- und

Albertibässe und andere Akkordfiguren. In ›empfindsamen‹ Sonaten nimmt die Zersplitterung

der Melodik zu, wimmelt es von Trugschlüssen und erhalten Appoggiatura-›Seufzer‹ nach

größeren Sprüngen dissonanteren Charakter. Die Satzgestaltung wird reicher und

mannigfaltiger, wobei Albertibässe eine geringere Rolle spielen; das harmonische Vokabular

und der tonale Rahmen werden erweitert, das Zeitmaß wechselt häufiger, der Rhythmus wird

freier und geht mitunter in das Rezitativ über. Die Gesamtwirkung gleicht häufig einer

exzentrischen Fantasie, wofür die Sonaten J. G. Müthels extreme Beispiele sind. Im

hochklassischen Stil nimmt das Prinzip der Phrasengruppierung zunehmend Einfluß auf die

Gesamtstruktur der Sonate. Die Phrasen werden länger und zielstrebiger, der harmonische

Verlauf verlangsamt sich; die tonale Anlage wird in ausgedehntere Flächen gegliedert. Viele

hochklassische Sonatenthemen leiten ihre Substanz aus vorgegebenen motivischen Komplexen

ab (wie z. B. im Anfang von Mozarts Klaviersonate B-Dur KV 333=315c); ihren Reiz empfangen sie

häufig durch die Anlehnung an Tanz- und Volksmelodien (vgl. W. Wiora, Europ. Volksmusik und

abendländlische Tonkunst, Kassel 1957, S. 104-133), ihren spontanen Fluß durch eine subtile

Phrasengliederung (wie z. B. der Beginn von Haydns Klaviersonate Nr. 45, Es-Dur: 4 [ = 2 + 2 ] + 7 [ 
= 2 + 5 ] Takte). Der Satz ist in der Hochklassik eher drei- als zweistimmig. Er enthält noch

häufig Albertibässe, doch wird diese Begleitform nunmehr geschickter in das Ganze einbezogen

und öfter zu langsam fortschreitenden sangbaren Melodien im Stil des ›singenden‹ Allegro

verwendet. Gleichzeitig erhält die Harmonik, wie z. B. im Andante von Mozarts KV 533, durch

zunehmende Chromatisierung, durch Tonartwechsel vermittels leiterfremder Töne und

enharmonischer Verwechslungen sowie durch kühnere Dissonanzen größere Bedeutung. In der

Spätklassik wird die Sonatenform noch flexibler. Die ersten Sonatenthemen sind meistens

umfangreicher und komplexer als früher (vgl. z. B. die Themengruppe des ersten Allegros in M. 

Clementis op. 50,3: 16 [ = 8 + 8 ] + 14 [ = 4 + 10 ] + 16 [ = 8 + 8 ] Takte). Lyrischere Themen verwenden

gelegentlich vollständige Volksmelodien (so z. B. zahlreiche Variationssätze J. Wölfls). Gängige

Begleitformen wie die bescheidenen Murky- und Albertibässe werden zu leidenschaftlichen

Pulsationen gesteigert und liegen meistens ›jagenden‹ Bewegungsformen zugrunde (wie z. B. in

Beethovens op. 13, erster Satz, und op. 27,2, letzter Satz). Die Satzgestaltung wird noch

mannigfaltiger durch abwechslungsreichere Begleitung, durch zunehmende Verwendung

sorgfältig ausgearbeiteter kontrapunktischer Vorschriften und Formen (z. B. in M. Clementis op.

40,1 und Beethovens op. 106), durch eine neue Art der Dissonanzbehandlung (wie z. B. in den

versteckten Beziehungen zwischen den Wiederauftritten des »Le-be-wohl«-Themas in

Beethovens op. 81a), durch umfangreichere Verwendung von Synkopierungen, Sforzandi auf

schwachen Taktteilen, rhythmische Wechselbeziehungen und andere metrische Konflikte.

Darüber hinaus werden das harmonische Vokabular und der tonale Bereich noch erweitert,

wodurch sich sowohl neue Farbreize als auch noch zwingendere, großzügigere Formen ergeben.

Angesichts solcher Intensivierungen ist es nicht verwunderlich, daß die Zahl der Anweisungen

für Dynamik, Artikulation, Zeitmaß und Ausdruck in den Sonatendrucken beträchtlich

zunimmt.

In dem Maße, wie sich die tonale und thematische Organisation der Sonate verbreitert, wächst

auch ihr Umfang von durchschnittlich 255 Takten in Haydns Klaviersonaten bis zu 415 Takten

bei Mozart und 560 Takten bei Beethoven an. Was ihren Gesamtbau betrifft, war die von J. Chr.

Fr. Bach schon 1773 erwähnte dreisätzige Folge schnell-langsam-schnell (vgl. BJ 13, 1916, S. 21f.)

vom Beginn der Klassik an vorherrschend: sie liegt allen Klaviersonaten Mozarts zugrunde und

begegnet in 76 % von Haydns und 44 % von Beethovens Sonaten. Die sog. italienische

Satzanordnung umfaßt zwei Sätze, wobei es sich in der Regel um zwei schnelle Sätze oder aber

um einen schnellen und einen langsameren Satz handelt. Diese Satzfolge begegnet in ungefähr

der Hälfte der Sonaten der wichtigsten italienischen Komponisten von D. Alberti bis L.

Boccherini und ziemlich häufig in den leichteren Sonaten anderer Komponisten. Die meist

einsätzigen Sonaten der drei iberischen Meister C. de Seixas, D. Scarlatti und A. Soler haben

wahrscheinlich paarweise zusammengehört, da sie in den als Manuskripten überlieferten


Quellen häufig paarweise nach Tonarten geordnet stehen; Autographe sind nicht erhalten.

Einsätzige Sonaten finden sich nur ganz selten, u. a. z. B. in den sechs Neuen Sonatinen, die C. Ph.

E. Bach mit der Begründung komponiert, dreisätzige Sonaten »könnten nicht für 18 Thaler

gemacht werden« (zit. nach D. Plamenac, New Light on the Last Years of C. Ph. E. Bach, in: MQ 35,

1949, S. 567). Viersätzige Sonaten kommen in der Klassik häufig vor, doch dominiert dabei keine

bestimmte Satzfolge. Nach einer über das bislang Festgestellte hinausgehenden, konsequenten

Ausrichtung der Zahl und Anordnung der Sätze zu suchen, hat sich für die Klassik als

ergebnislos erwiesen. Gelegentlich begegnen in klassischen Sonaten langsame, unvollständige

Einleitungssätze (wie z. B. in mehreren Ensemblesonaten Mozarts und Beethovens und in

Klaviersonaten Beethovens). Der Großteil klassischer Sonaten steht in Tonarten bis zu drei oder

vier Vorzeichen. Obgleich nur ungefähr eine von vier Sonaten in Moll steht, ist es doch

aufschlußreich, daß die bemerkenswertesten Sonaten der weniger bedeutenden Komponisten

vorzugsweise Moll-Sonaten sind. In jedem Fall finden sich ausgleichende Wechsel des

Tongeschlechts gern in kontrastierenden Themen, in Durchführungs-abschnitten und in

Menuett-, Rondo- und Variationssätzen. Thematische Beziehungen zwischen einzelnen Sätzen

findet man weniger in der hochklassischen als in der früh- und spätklassischen Sonate. Einige

der deutlichsten Beispiele hat Beethoven geliefert (z. B. op. 2,3, alle Sätze, und op. 106, alle Sätze).

Eine auf diese Weise erreichte Vereinheitlichung hat jedoch nur periphere Bedeutung, ebenso,

wenn sie mit Hilfe eines Programms bewirkt wird, sei es buchstäblich genau, banal und

unerhört erfolgreich wie in F. Koczwaras The Battle of Prague, a Favourite Sonate (Dublin ca. 1788)

oder aber weniger genau und schwerer verständlich wie in M. Clementis Didone abbandonata-

Sonate op. 50,3 (1821). Weitere Mittel sind u. a. der attacca-Anschluß zweier Sätze ohne klaren

tonalen und zeitlichen Einschnitt wie in Beethovens op. 27,1 und das Ineinandergreifen der Sätze

wie in Beethovens op. 110.

Der erste schnelle Satz ist sehr häufig der einzige, in dem man nach der ›Sonatenform‹ (im

Sinne des Lehrbuchkonzepts) gesucht und diese auch gefunden hat. Man erhält jedoch eine

genauere Vorstellung dieses Satzes, wenn man auf die Frage zurückgreift, ob er zweckmäßiger

als zwei- oder dreiteilige Anlage zu verstehen sei. Selbstverständlich unterscheidet sich eine

dreiteilige A-B-A-Anlage desto mehr von einer verhältnismäßig einfachen symmetrischen A-B-

Anlage, je mehr Umfang und Identität von Durchführung und Reprise hervorgehoben werden.

Exposition-Durchführung-Reprise in den Sonaten der Wiener Klassiker werden durch

Umfangsverhältnisse etwa zwischen 10:4:13 und 10:9:12,5 gekennzeichnet. Der B-Abschnitt ist

fast immer am kürzesten, vor allem dann, wenn die musikalischen Gedanken auch in den A-

Abschnitten beträchtlich ›durchgeführt‹ werden wie z. B. in Beethovens op. 111. Langsame

Einleitungen vergrößern den Umfang des ersten, Codas den des zweiten A-Abschnitts. Die Coda

kann bis zu einem Viertel des gesamten Satzumfanges einnehmen und zu einer echten ›Schluß-
Durchführung‹ werden, die wie in Beethovens op. 57 neue Facetten des thematischen Materials

sichtbar werden läßt. Die Frage der Zwei- oder Dreiteiligkeit wird durch die Verwendung von

Wiederholungszeichen beeinflußt. Führt der Spieler die Wiederholungen aus, so wird die Folge

|: A: | |: B: | zu A-A-B-B und die Folge |: A: | |: B-A: | zu A-A-B-A-B-A. Haydn und Mozart

schreiben außer in ihren letzten Klaviersonaten stets die ­Wiederholung beider ›Hälften‹ vor.

Beethoven verzichtet in etwa zwei Dritteln seiner Sonaten auf die Wiederholung der zweiten,

längeren der beiden, vor allem von dem Augenblick an, da die Coda an Be­deutung gewinnt.

Im Verlaufe der Klassik wird der tonale Ablauf zunehmend konstitutiv für Durchführung und

Reprise. Der Durchführungsabschnitt moduliert in einem systematischeren, die Grundtonart

sorgfältiger vermeidenden Gang durch verwandte Tonarten von einem Ziel zum nächsten. Der

Reprisenabschnitt kehrt zur Grundtonart zurück und hält an dieser konsequenter fest, z. T.

durch einen Wechsel oder eine Neufassung desjenigen Unterteils, der im ersten A-Abschnitt aus

der Grundtonart herausgeführt hatte, z. T. auch durch eine Umklammerung der Grundtonart

vermittels einer klimaxbildenden, die voraufgegangene Dominantbetonung aufwiegenden

Abschweifung in den Subdominantbereich innerhalb der Coda. Diese in Beethovens op. 57

meisterhaft exemplifizierten tonalen Prinzipien sind jedoch, wird der gesamte Zeitraum der

Klassik betrachtet, äußerst variabel (vgl. Mozarts Rückkehr zum Reprisenbeginn in der

Subdominante in KV 545). Thematisch wird die dreiteilige Anlage dadurch weiterentwickelt, daß

die Themen zunehmend deutlichere Richtpunkte jener erwähnten tonalen Zielstation werden.

Die Ankunft in der Dominante bzw. in einer anderen verwandten Tonart kann im ersten A-

Abschnitt erfolgen: 1. durch die tonale Bewegung selbst, möglicherweise mit einer einfachen

Wendung nach Moll (wie in vielen frühklassischen Sonaten); 2. durch eine annähernde, in die

neue Tonart transponierte Zitierung des Eingangsthemas; in diesem Fall hat der Komponist

dann kaum noch Grund, diesen Unterteil innerhalb der Reprise zu wiederholen (wie in Haydns

Klaviersonate Nr. 36, Hob. XVI:20, c-Moll); 3. durch ein wirkliches Kontrastthema, das

möglicherweise das dualistisch-›weibliche‹ Gegenstück des Eingangsthemas sein kann, wie es

durch den späteren Lehrbuchbegriff der ›Sonatenform‹ definiert wird, aber nicht sein muß (wie

bei Mozart, KV 576). Sowohl in zweiteiligen wie auch in dreiteiligen Expositionen ist das

Epilogthema, da es die Kadenzen in der verwandten Tonart oder in der Grundtonart festlegt, ein

gemeingültigeres Merkmal als etwa das zweite Thema. Im modulierenden B-Abschnitt können

die einzelnen Themen entweder nur transponiert, sequenziert, umgestellt oder auch durch neue

Themen oder Passagenwerk ersetzt werden, aber auch vermittels Erweiterung des Umfangs (wie

bei Mozart, KV 570), durch Zergliederung (wie bei Beethoven, op. 28), neue Kombinationen (wie

bei Beethoven, op. 13) oder kontrapunktische Zerdehnung (wie bei Mozart, KV 576) verarbeitet

werden. Obwohl eine solche echte Verarbeitung der musikalischen Gedanken eines der

wichtigsten Kennzeichen der klassischen Sonate ist, bleibt sie doch vorwiegend auf die Sonaten
der großen Meister dieser Zeit beschränkt. Sie ist diejenige Eigenschaft der ›Sonatenform‹, die

spürbar in Beziehung zur Qualität steht.

Der langsame Sonatensatz ist häufig nur ein anmutiges, gemäßigtes Andante oder Grazioso;

seltener begegnet in einzelnen Meisterwerken ein verinnerlichtes Grave oder Adagio. Er

beschränkt sich in der Regel auf einfache oder zusammengesetzte Liedform, kann ebenfalls der

›Sonatenform‹ nahestehen, enthält dann jedoch gewöhnlich weniger thematische Verarbeitung,

dafür aber eine regelmäßigere und geradlinigere Phrasenbildung, einen schnelleren

harmonischen Rhythmus und nur eine kurze Coda. Daneben begegnen im langsamen Satz auch

Rondoformen, Variationen und freie Fantasien. Unter den in Binnenposition oder am Schluß der

Sonate erscheinenden Tanzsätzen kommt das Menuett am häufigsten vor. Sonst finden sich u.a

Scherzi, die zum hauptsächlichen und ausdrucksvolleren Ersatzstück für Menuettsätze wurden,

Rondo-, Variationssätze, andere Tänze wie z. B. Siciliano und Polonaise sowie die

verschiedensten Mischformen.

5. Schulen und Komponisten

In der Klassik wurden Italiener und Tschechen zusammen mit Deutschen und Franzosen

Bahnbrecher der Sonate. War der ›empfindsame‹ Stil vorwiegend in Norddeutschland

beheimatet, so sind die Manieren und Formen der frühklassischen Phase Gemeingut gewesen.

Auf dieser Grundlage hat sich der klassische Instrumentalstil an den verschiedensten Orten

herausgebildet und sich dabei in sinfonischen und Kammerstil differenziert, wie schon H. C.

Koch und andere Autoren gesehen haben.

Zu den bedeutendsten Streichern, die in italienischen Städten Sonaten in der älteren B.c.-

Fassung oder in der neueren Gestalt der begleiteten Klaviersonate komponierten, gehören G. B. 

Sammartini und J. Mysliveček in Mailand, G. Sarti in Bologna und anderen Städten, P. Nardini u. 

a. in Florenz, G. Pugnani in Turin und L. Boccherini in Lucca und Madrid. Zu den

sonatenkomponierenden italienischen Klavierspielern zählen D. Alberti, G. A. Paganelli, B.

Galuppi und G. Grazioli in Venedig, M. P. Rutini u. a. in Florenz, F. Turini in Padua und Brescia

sowie D. Cimarosa in Neapel. An Spaniern sind C. de Seixas in Lissabon, D. Scarlatti und sein

Schüler A. Soler in Madrid und M. Blasco de Nebra, ein wenig bekannter Komponist (vgl. W. S. 

Newman 1963, S. 306-310; B. Johnsson, Manuel Blasco de Nebra, ein unbekannter Klaviermeister,

FAM 32, 1985) in Sevilla zu nennen; Solers Sonaten haben seit dem Erscheinen der Ausgaben von

S. Rubio neue Bedeutung erhalten. Zu den Wiener Komponisten gehören die Brüder Monn

(deren bedeutende Klaviersonaten in Handschriften vorliegen), G. Chr. Wagenseil, J. Steffan, C.

D. von Dittersdorf, J. B. Vanhal, L. A. Kozeluch, F. A. Hoffmeister, J. Wölfl, I. Pleyel sowie die drei

›Wiener Klassiker‹. Haydn hat rund 285 in einer oder in mehreren frühen Quellen als Sonate
bezeichnete solistische und Ensemblekompositionen geschrieben, die nahezu die Hälfte seiner

größeren Instrumentalwerke ausmachen, Mozart etwa 90 (d. h. etwa ein gutes Drittel) und

Beethoven über 55 (d. h. fast die Hälfte). An Österreichern und Süddeutschen sind ferner zu

nennen L. Mozart in Salzburg, F. A. Maichelbeck in Freiburg, I. von Beecke und F. A. Rosetti am

Oettingen-Wallersteinschen Hof, J. Stamitz und sein Sohn C. Stamitz, A. Filtz, F. X. Richter und

G. Vogler in Mannheim, J. Agrell in Nürnberg (wo sich der unternehmerische Verleger J. U.

Haffner sehr früh für die frühklassische Sonate eingesetzt hatte) und F. U. Buttstedt in

Weikersheim. Nach Mitteldeutschland gehören G. Platti in Würzburg, das konservativste

Mitglied der von F. Torrefranca (1930) verfochtenen Protagonisten-Trias Platti-Galuppi-Rutini,

X. Sterkel in Mainz, J. E. Bach und E. W. Wolf in Weimar, G. A. Sorge in Lobenstein, J. W. Hässler

in Erfurt, N. G. Gruner in Gera, Fr. W. Rust (dessen bedeutende Sonaten von seinem Enkel

›modernisiert‹ wurden) in Dessau, Chr. G. Neefe, J. G. Löhlein und A. E. Müller in Leipzig, und

schließlich W. Fr. Bach, J. G. Naumann, Fr. Seydelmann und J. Schuster in Dresden. Zu den

Norddeutschen zählen J. Chr. Fr. Bach in Bückeburg, C. Ph. E. Bach in Berlin und Hamburg,

dessen rund 265 Sonaten, vor allem die Preußischen, Württembergischen, die »Probe Stücken«,

die Sonaten »mit veränderten Reprisen« und »für Kenner und Liebhaber«, nicht traditionsgemäß

ihrer ›Sonatenform‹, sondern ihres ›empfindsamen‹ Stils und ihrer geschickten

Klavierschreibweise wegen zu den einflußreichsten Stücken der Frühklassik gehören, und Fr.

und G. Benda, C. Fr. Chr. Fasch, J. A. P. Schulz und J. Fr. Reichardt in Berlin. Von den zahlreichen

in Paris tätigen Sonatenkomponisten sind als wichtigste zu nennen P. Gaviniès und G. B. Viotti

überwiegend mit Soloviolinsonaten mit B.c., J. J. C. de Mondonville, G. Guillemain, J. Schobert, N.

Séjan (ein fast vergessener, aber ausnehmend tüchtiger und origineller Komponist), J. Fr.

Edelmann, L. J. Hüllmandel, J. L. Adam und H. J. Rigel mit begleiteten Klaviersonaten, J. G.

Eckard und E.-N. Méhul mit solistischen Klaviersonaten und F. Sor mit Gitarrensonaten. In

London wurden in erster Linie solistische und begleitete Klaviersonaten komponiert; zu den

wichtigsten hier tätigen Meistern zählen die Italiener G. Pescetti, P. D. Paradisi, F. Giardini, M.

Vento, M. G. Sacchini (dessen wenig bekannte Sonaten weitere Untersuchungen lohnen

würden) und M. Clementi, der 55 Jahre lang Sonaten komponierte, was ihn nacheinander mit

allen drei ›Wiener Klassikern‹ in Verbindung brachte und einen erläuternden Vergleich durch

W. H. Riehl veranlaßte, welcher beginnt: »Ich bezeichne Clementi kurzweg als den ›Meister der

Sonate‹; nicht darum weil er die unbedingt besten, wohl aber die sonatenhaftesten Sonaten geschrieben

hat, weil sein ganzer Künstlerberuf gesammelt und beschlossen war in der Sonate, und weil er allein die

moderne Sonate in allen ihren drei Hauptperioden voll und ganz miterlebte und mit durchbildete«

(41875, S. 231-259); die Deutschen J. Chr. Bach (der rund 110 Sonaten schrieb, darunter einzelne,

die nachweislich auf Mozarts Sonaten Einfluß gehabt haben), C. Fr. Abel und J. S. Schröter und

die Engländer Th. Arne, J. Nares und J. Hook in London. Auch in den Hauptstädten anderer

Länder waren begabte Sonatenkomponisten tätig wie C. Fr. Hurlebusch in Amsterdam, P. van
Maldere in Brüssel, H. O. E. Zinck in Kopenhagen, H. P. Johnsen und J. M. Kraus in Stockholm, V.

Manfredini in Petersburg, wo noch andere Italiener und einzelne bereits genannte deutsche

Komponisten wirkten, und A. Reinagle in Philadelphia.

dorothea mielke-gerdes

(william s. newman)

DOROTHEA MIELKE-GERDES/( WILLIAM S.   NEWMAN ), Art. Sonate in: MGG Online, hrsg. von

Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016ff., zuerst veröffentlicht 1998, online

veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/12021 © 2016–2021 GbR MGG

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