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von
Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016ff., zuerst veröffentlicht 1998, online
Die Unklarheit hinsichtlich der Verwendung des Begriffs Sonate nimmt in der Klassik ab.
Bedeutung von ›Instrumentalmusik‹, so z. B. noch 1812 in G. Carpanis Hinweis auf »gighe, […]
ballate, e simile sonate« (Le Haydine, S. 55). In England wird es mit »lesson« (S. Arnold, op. 7) und
mit »solo« (F. Giardini, op. 16), in Frankreich mit »pièce de clavecin« (J. J. C. de Mondonville, op.
3), in Wien mit »Divertimento« (G. Chr. Wagenseil, J. Haydn) und in Mailand mit »Notturno« (G.
B. Sammartini, J. Chr. Bach) gleichgesetzt. Gelegentlich begegnen auch noch Verwendungen des
Terminus sonata da camera (C. D. von Dittersdorf ). Die Diminutivform Sonatina, die M. Kelz
schon im Jahre 1669 gebraucht hatte (Epidigma harmoniae novae, Agb. 1669), erhält in der Klassik
in der Regel eine neue Hinwendung zum Liebhaberwesen und zur Pädagogik. Die bereits in
einem Manuskript W. F. E. Bachs aus dem Jahre 1778 vorkommende Bezeichnung »Grande
sonate« wird ein spätklassischer Terminus, den Beethoven und andere Komponisten nicht ganz
konsequent auf ein Konzert oder eine virtuose Sonate oder auch auf eine nur an Umfang ›große‹
Sonate anwenden. Was den von klassischen Autoren vertretenen Sonatenbegriff angeht, ist an
erster Stelle die Beobachtung von Wichtigkeit, daß im Verlauf dieser Epoche und noch bis in die
Romantik hinein keine klar umrissene Erklärung der erst etwa um 1840 in Lehrbüchern
definierten ›Sonatenform‹ begegnet (W. S. Newman 1941, S. 21-29). J. J. Rousseau wendet sich 1775
(abgesehen davon, daß er im wesentlichen wiederholt, was S. de Brossard 1701 und später über
barocke Kompositionen und die Unterscheidung von chiesa- und camera-Sonaten geschrieben
hatte) Fragen des Geschmacks zu. Wenn F. W. Marpurg im Jahre 1762 schreibt, daß die »drey oder
vier auf einander folgenden Stücke [ der Sonate ] mit nichts als den die Bewegung anzeigenden Wörtern,
zum Exempel mit Allegro, Adagio, Presto, usw. vorhanden« seien (Clavierstücke I, S. 5f.), so ist dies
nicht viel mehr als eine Wiederholung J. Matthesons und J. G. Walthers. Über Mattheson hinaus
ging J. A. P. Schulz mit einem vielgelesenen Artikel aus dem Jahre 1774 (SulzerTh II, S. 688f.) in
dem er den Gesichtspunkt, wie die Sonate »alle Charaktere und jeden Ausdruck annimmt«,
einbezieht. Von mehreren Autoren werden oberflächliche formale Vergleiche zwischen Sonate
und literarischer Ode angestellt, u. a. von C. R. Brijon (Réflexions sur la musique, P. 1763, S. 2), J. N.
Forkel (Mus. Almanach III, 1784, S. 32) und D. G. Türk 1789 (S. 390), doch bemerkt Türk selbst:
»indeß dürfte wohl schwerlich eine treffendere Vergleichung möglich seyn«. Die meisten Theoretiker,
die sich um ein tieferes Eindringen in die praktischen Fragen der Sonatenkomposition bemüht
haben, behandeln nur die Aussetzung des Generalbasses, so u. a. G. S. Löhlein (Clavier-Schule II,
Lpz./Züllichau 1781) und J. Ph. Kirnberger mit seiner sonderbaren, aber ernst gemeinten
Methode Sonaten aus’m Ermel zu schüddeln (1783; vgl. W. S. Newman, Kirnberger’s »Method for
Tossing Off Sonatas«, in: MQ 47, 1961, S. 517-525). Den in jeder Beziehung wichtigsten Beitrag
lieferte H. C. Koch (Versuch einer Anleitung zur Composition III, 1793, S. 304-319). Seine Erörterung
der Sonate geht zwar über J. A. P. Schulz nur wenig hinaus, enthält aber Hinweise auf die
eingehendere Untersuchung der Sinfonie. Schulz hatte festgestellt, daß die »Symphonie, die
Overtüre […] einen näher bestimmten Charakter« habe als die Sonate; Koch unterscheidet
zwischen dem, was man als sinfonischen bzw. als Kammer-Stil bezeichnen könnte, d. h. er stellt
beweglichen und dekorativeren Stil gegenüber. Beide Stilarten begegnen nebeneinander in der
Komponisten. Koch sagt, die Sinfonie weiche zwar nicht in ihrer tonalen Ordnung und auch
nicht in ihrer Syntax von der Sonate ab, wohl aber »dadurch, daß 1) die melodischen Theile
desselben schon bey ihrer ersten Darstellung mehr erweitert zu seyn pflegen, als in andern Tonstücken,
und 2) besonders dadurch, dass diese melodischen Theile gewöhnlich mehr an einander hängen, und
stärker fortströmen, als in den Perioden anderer Tonstücke, das ist, sie werden dergestalt zusammen
gezogen, daß ihre Absätze minder fühlbar werden« (ebd., S. 305/306; vgl. dazu die Umkehrung
dieses Satzes, S. 319). Bei der Besprechung des ersten Sinfoniesatzes wird weniger der
thematische, als vielmehr der tonale Bauplan betont. Weniger geht Koch auf jene Kennzeichen
ein, denen spätere Forscher der ›Sonatenform‹ (als Lehrbuchbegriff ) Wichtigkeit beigelegt
haben, nämlich auf ein klar kontrastierendes Thema, eine ›Durchführung‹ und eine ›Reprise‹.
Affektkontraste (vgl. W. S. Newman 1963, S. 34f.) nicht widersprechen. Solchen Einwänden hatte
J. A. P. Schulz (1774) noch Raum gegeben, indem er beklagte, daß »ein Geräusch von willkürlichen
auf einander folgenden Tönen, ohne weitere Absicht, als das Ohr unempfindsamer Liebhaber zu
vergnügen, phantastische plötzliche Uebergänge vom Frölichen zum Klagenden, vom Pathetischen zum
Tändelnden, ohne das man begreift, was der Tonsetzer damit haben will, […] die Sonaten der heutigen
Italiener« charakterisierten.
Zur Eigenart der übrigen Sonaten- (oder Sinfonie-) Sätze macht Koch nur kurze
verallgemeinernde, die Form betreffende Bemerkungen, während sich seine Zeitgenossen fast
überhaupt nicht dazu äußern. Von 1740 an kommt es jedoch zu zunehmender Anerkennung der
F. Bach (1773), B.-G.-E. Lacépède (1787), H. C. Koch (1793) und A.-E.-M. Grétry (1797; vgl. W. D.
anzutreffende Einstellung zur Sonate spiegelt noch die während des Barockzeitalters
beobachtete Feindschaft. Für französische Polemiken jener Zeit ist die Art und Weise
charakteristisch, mit der Rousseau Fontenelles berühmte Stichelei unterstützt; gegen die Sonate
als selbständige Instrumentalmusik wendet er ein, sie »est peu de chose […] la parole est le moyen
par lequel la Musique détermine le plus souvent l’objet dont elle nous offre l’image, & c’est par les Sons
touchans de la voix humaine que cette image éveille au fond du coeur le sentiment qu’elle y doit
produire« (1755, S. 348). Spezifischere Einwände richten sich gegen die ›hohle‹ Virtuosität und die
›verwirrende‹ Gedankenfülle der neuen italienischen Sonaten, u. a. von J. A. P. Schulz (1774)
sowie von zahlreichen anderen Autoren, darunter Ch. Avison (1752, S. 35), C. R. Brijon (Réflexions
sur la musique, P. 1763, S. 4f.), G. B. Rangoni (1790, S. 22-28). Wieder andere lassen Bemerkungen
einfließen, die auf einen im Vergleich zu anderen musikalischen Formen vermeintlich niedrigen
Stand der Sonate schließen lassen, so z. B. J. W. Häßler in seiner Autobiographie von 1787, wo es
heißt: »Blose Klavier-Sonaten werde ich nicht so viel mehr schreiben, da ich von allen Seiten zu grösern
Werken aufgefo[ r ]dert werde« (nach W. Kahl, Selbstbiographien dt. Musiker, K./Krefeld 1948, S. 73).
Sonaten, die Sonate habe sich erschöpft; hierher gehören J. J. C. de Mondonville (Vorwort zu op.
3, P./Lille 1734), J. J. Quantz (1752, S. 302) und F. Rochlitz (in AmZ 1, 1799, Sp. 236). Kein einziger
dieser Einwände hat jedoch vermocht, die im 18. Jh. enorm ansteigende Sonatenproduktion
»Ich habe lange geglaubt, es gäbe nichts höheres in der Welt, als [ C. Ph. E. ] Bach, und ein Clavier-
Componist könne und müsse auch nichts anders denken, als ihm nachzuahmen. Nun ist aber hier zu
Lande seit Göthens Ankunft [ in Weimar ] alles original geworden. Da dacht ich, du musst doch auch
suchen, original zu seyn« (Berlinisches Arch. der Zeit, 1795, zit. von A. Kreutz, in: Zwo Stücke für vier
Innerhalb der Gesellschaft diente die Sonate als Mittel der Zerstreuung für den Dilettanten, als
Betätigungsfeld für den Berufskomponisten und -spieler, als Übungsmaterial für den
Studierenden, als Gelegenheitsstück für öffentliche oder private Konzerte und (selten) als
Einlagemusik für die Kirche. Wie zahlreich die ›klassische‹ Sonate vor allem in Gestalt der Duo-
oder begleitenden Klavierkomposition als Mittel für die Zerstreuung des Dilettanten
Verwendung fand, geht bereits aus vielen Sonaten-Überschriften und -Vorworten hervor. So
heißt es z. B. im »Advertisement« zu Ch. Avisons Six Sonatas, for the Harpsichord, with
Accompanyments for Two Violins & a Violoncello op. 7 (L./Edinburgh/Newcastle 1760): »This Kind of
Music is not, indeed, calculated so much for public Entertainment, as for private Amusement. It is
rather like a Conversation among Friends, where Few are of one Mind, and propose their mutual
Sentiments, only to give Variety, and enliven their select Company«. L.-G. Guillemain bezeichnet sein
op. 12 (P. 1743) als Six sonates en quatuors ou conversations galantes et amusantes und weist damit,
ganz zu Recht, auf die enge Beziehung zwischen dem Dilettantenwesen und dem ›galanten‹ Stil
hin. Eine enge Beziehung besteht auch zwischen dem Dilettantenwesen und der neuen,
leichteren instrumentalen Schreibweise. M. P. Rutinis Sonaten op. 7 (Nbg. 1770) sind den
»Signori dilettanti di cembalo« gewidmet, und es wird versichert, daß selbst ein zehnjähriges
Mädchen in ihnen keinen Schwierigkeiten begegne; L. Boccherini widmet seine Sei Conversazioni
a tre op. 7 (P. 1770) den »amatori« der Musik; C. Ph. E. Bachs »Kenner- und Liebhaber«-Serien sind
nur ein Beispiel für zahlreiche andere, den Amateur einbeziehende Sonatenserien. In nicht
Nichelmanns Sei breve sonate da cembalo massime all’ uso delle Dame (Nbg. 1745) und G. A.
Die Verwendung der klassischen Sonate durch Berufsmusiker wird durch eine Aussage von F.
Rochlitz aus dem Jahre 1799 belegt; danach trat früher »jeder Musiker, welcher in den Orden der für
Klavierkompositionen, namentlich mit Solosonaten, in die Laufbahn« (AmZ 1, 1799, Sp. 236). L.
Mozart wußte um den kommerziellen Vorteil, der entstand, wenn er eine Sonatenserie als
»Oeuvre première« seines frühreifen Sohnes geschlossen in Druck gab (1764). Chr. W. Gluck hat
im Druck mit einer Serie Triosonaten (L. 1746) debütiert, aber später, ebenso wie A. E. M. Grétry,
F. J. Gossec, E. N. Méhul und viele andere Meister der Klassik, nie wieder zu diesem
Erstveröffentlichungen war auf eigene Kosten gedruckt, und häufig verband der Komponist
damit die Hoffnung, daß sie ihm eine höfische Stellung und möglicherweise die Patenschaft des
Dienstherrn bei künftigen Publikationen eintrügen. In der Tat konnte er erwarten, daß es zu
seinen Berufspflichten gehören würde, zur Freude des selbst musizierenden Dienstherrn
gilt z. B. für J. J. Quantz’ Flötensonaten für Friedrich den Großen und J. Haydns Barytonsonaten
für den Fürsten Esterházy. Die häufige Identität von Komponist, ausübendem Künstler und
Verleger (eigener und fremder Werke) hat ihren Grund in der musiksozialen Neuordnung der
Instrumentalspieler […] Sonaten die gewöhnlichsten und besten Uebungen [ sind ]; auch giebt es deren
eine Menge leichter und schwerer für alle Instrumente« (SulzerTh II, S. 689). Die pädagogische
Verwendbarkeit der Sonate wird auch in Überschriften angezeigt: D. Scarlatti spricht bei im
einzelnen als Sonata bezeichneten Stücken von Essercizi (um 1739), Th. Arne schreibt Lessons
(1756) und F. A. Hoffmeister eine Sonata scolastica (um 1790). Obgleich von Scarlattis ›Übungen‹
herausgebracht wurden (vgl. R. Newton, The English Cult of Domenico Scarlatti, in: ML 20, 1939, S.
154f.), spielt er selbst in seinem Vorwort auf eine solche Verwendung nur lose an: »Non
bensì lo scherzo ingegnoso dell’Arte, per addestrarti alle franchezza sul Gravicembalo«. In den 1770er
Jahren drückte sich G. M. Rutini im Vorwort zu seinen Cembalosonaten op. 9 bestimmter aus:
»In queste Sonate hò usato più brevità, e facilità per meglio sodisfare come spero il genio degli Studiosi«.
Ch. Burney konnte einer moralischen Verpflichtung, seine Neuland betretende Publikation
vierhändiger Klaviersonaten (1777) durch einen Hinweis auf ihren pädagogischen Wert und
which such experiments will afford, they may be made subservient to two very useful purposes of
improvement, as they will require a particular attention to Time, and to that clair-obscure which is
produced by different degrees of Piano and Forte«. In D. G. Türks Klavierschule (1789, S. 15-17)
konnten Lehrer und Schüler eine Liste von Komponisten, geordnet nach dem
Daß die Verwendung der Sonate im Konzert für angemessen gehalten wurde, läßt sich
gleichfalls mit einem Zitat aus J. A. P. Schulz’ Artikel (1774) belegen: »Ein einziger Tonkünstler
kann mit einer Claviersonate eine ganze Gesellschaft oft besser und würksamer unterhalten, als das
grösste Concert«. Jedoch blieb die Verwendung der Sonate als Bestandteil des öffentlichen
Lebzeiten Beethovens haben kaum ein halbes Dutzend öffentlicher Aufführungen seiner
Ensemblesonaten und nur zwei Aufführungen einer Klaviersonate (op. 90 oder 101 [ vgl. AmZ 18,
1816, Sp. 197 ]) sowie op. 26 im Jahre 1819, nach einer Nachricht von Charles Horton in der
Bostoner Columbian Centinel vom 27. Febr. 1819) stattgefunden. Dagegen überrascht es, in den
Programmen der in den amerikanischen Kolonien und den USA vor 1800 veranstalteten
Konzerte nahezu hundert Aufführungen einer instrumentalen sonata, eines solo oder einer
Für die Verwendung der Sonate in der Kirche finden sich in zeitgenössischen Werküberschriften
und Abhandlungen häufig ungenaue Angaben. Die seltenen präzisen Informationen begegnen z.
B. bei G. A. Paganellis XXX Ariae pro organo et cembalo (Agb. 1756), die mit dem Großteil der
»non solum in Templis, sed etiam in Musaeis Musicis publicis et privatis speciatim sub Elevatione
producendae«. Mozarts 17 kurze Sonate all’Epistola für mehrere Instrumentengruppen und Orgel
sollten offenbar zwischen Epistel und Evangelium in der Messe gespielt werden (vgl. NMA
VI/16, vii). Einen weiteren Hinweis darauf, wie die Sonate der für das Barockzeitalter
angegebenen Praxis entsprechend als instrumentale Messe gedient haben könnte, findet sich bei
F. Sor; er erinnert sich, daß um 1790 eine Sinfonie in D-Dur von Haydn im Kloster Montserrat bei
Barcelona auf diese Weise verwendet wurde (M. Rocamora, F. Sor, Barcelona 1957, S. 20).
Der Begriff Sonatine diente seit der 2. Hälfte des 17. Jh. zunächst als eine noch unspezifische
Bezeichnung z. B. für Einleitungssätze zu Suiten oder auch Kirchenkantaten (z. B. Bach, Actus
tragicus BWV 106, wohl 1707). Die Sonatinen für Cembalo oder zwei Cembali und Orchester
(1762-1765) von C. Ph. E. Bach haben fünf bis acht Sätze und können als Divertimenti bezeichnet
werden (Newman 1963, S. 419). Im übrigen ist die Sonatine in dieser Zeit ein meist einsätziges
Gebilde (z. B. Clavier Übung in drei Teilen zu je 6 Sonatinen von G. A. Sorge, Nbg. 1738-ca. 1743; 6
Sonatinen von A. Lucchesi, datiert 1769, vgl. Newman 1963, S. 380; 34 Sonatinen von G. Benda [
hrsg. von J. Racek u. a. in: MAB 37, Prag 1958 ]) und reiht sich in den großen Kreis der sog.
Handstücke ein; jedoch wird schon mit Ausbildung des mehrsätzigen Zyklus der klassischen
Sonate die Benutzung des Titels in Abgrenzung zum Sonatensatzzyklus wirksam, gemeint ist
nun eine leichter ausführbare Sonate mit meist kurzer oder auch fehlender Durchführung,
häufig zweisätzig (ohne langsamen Mittelsatz), meist für Klavier, seltener Violine und Klavier
oder andere Besetzungen. In den Klaviersonaten mit einem begleitenden Instrument (ad. lib.)
ermöglichte ein leicht gehaltener Zusatzpart dem ungeübteren Dilettanten die Teilhabe an
schwieriger Musik (vgl. P. Schleuning, Das 18. Jh.: Der Bürger erhebt sich, Reinbek 1984, S. 440). Die
Zahl der musikliebenden Amateure war im Zuge der Emanzipation des Bürgertums beträchtlich
angestiegen; sie wandten sich insbesondere dem Klavierspiel zu, gab es doch dem Einzelnen die
Möglichkeit, sich musikalisch auszudrücken (während z. B. im Rahmen der bürgerlichen oder
Entwicklung kam auch der Klavierpädagogik eine immer wichtigere Rolle zu. In dem Maße, wie
die Sonate umfangreicher und schwerer wurde, stieg die Nachfrage nach einfacher,
überschaubarer, leicht rezipierbarer Literatur, die sowohl der angenehmen Unterhaltung als
auch der Stilübung dienen und daher möglichst auch gewissen ästhetischen Ansprüchen
genügen sollte, wobei der Hinweis auf die leichte Ausführbarkeit im Titel das Kaufinteresse der
leichte Klaviersonaten, I, II, 1983; 18 kleine Klaviersonaten I, 1785, II, 1786, III, 1793), er würde sie
»mit Anfängern im ersten Jahre nicht nehmen: denn ob gleich keine schweren Passagen darin
vorkommen, so setzen sie doch einen schon etwas gebildeten Geschmack und eigenes Gefühl voraus,
wenn sie dem Lernenden nicht ekelhaft werden sollen« (1789, S. 16). 1787 erschienen die sechs
einsätzigen Sonatine nuove (Wq 63, 7-12) von C. Ph. E. Bach als Beigabe zur 4. Auflage des Versuch[
s ] über die wahre Art das Clavier zu spielen, Teil 1; ein Jahr später komponierte Mozart die Sonate
facile KV 545. Sonatinen hinterließen J. L. Dussek (sechs Sonatinen op. 20, ohne langsamen
Mittelsatz, arr. nach den Sonatinen op. 19 für Klavier und Flöte oder Violine von 1793; sechs
Sonatinen für Harfe, 1799), J. B. Vanhal (zahlreiche Sonatines progressives, faciles, très faciles,
agréables, Sonate piccole oder facile vorwiegend für Klavier, die meisten nach 1800
veröffentlicht), F. Ries, C. Czerny, ferner A. Diabelli; aus seinem reichen Sonatinenschaffen ist
op. 50 (Wien 1918) mit zweisätzigen Sonatinen »aus allen Dur- und Molltonarten« für Klavier
hervorzuheben (Einstimmung auf die Tonart jeweils durch ein ganz kurzes vorangestelltes
Prélude oder eine Cadenza; die Sammlung endet bei E-Dur/cis-Moll und As-Dur/f-Moll). Eine
wichtige Rolle innerhalb des Sonatinenschaffens von M. Clementi spielen die Six Sonatines
Progressives doigtées op. 36 (1797, rev. 6[ 1820 ]), »which must be regarded as both the Classic and the
classic model for all sonatinas« (Newman 1963, S. 751); schon bei Mendel-Reißmann werden sie als
»Muster der Gattung« gewürdigt (Bd. 9, Neuausg. Lpz. o.J., S. 306). Fr. Kuhlau komponierte
mehrere Serien (1819-1827) von zwei- oder dreisätzigen Sonatinen für Klavier zwei- (op. 20, 55,
59, 60, 88) und Klavier vierhändig (op. 44, 66 sowie die Sonatina op. 17, 1818).
Mit der Krise der Sonate, die sich bereits nach dem Tode Schuberts deutlich abzeichnete, verlor
die Sonatine ihre Bedeutung zugunsten des Charakterstücks, in dem sich das aktuelle
›romantische‹ musikalische Idiom äußerte (vgl. zur »dichotomy of new style versus old style«
Ebenso eng wie die barocke Sonate mit der Geschichte der Violine ist die klassische Sonate mit
der Geschichte des Klaviers verflochten. Ziemlich unvermittelt begann mit der klassischen
Epoche die Blüte der Klaviersonate (→Klaviermusik, II.1., II.2.). Nach nur wenigen verstreuten
Sonatengeschichte lassen sich allein für den Zeitraum 1732-1749 nahezu 30 solcher
(1641-1738), in: Notes 11, 1953/54, S. 201-212; 12, 1954/55, S. 57 und ders. 1963, S. 81). Während der
Frühklassik wurden überall da, wo die Sonate gedieh, Cembalosonaten komponiert und gespielt,
während die Clavichordsonate beinahe ausschließlich nur von W. F. und C. Ph. E. Bach und ihren
Nachfolgern gepflegt wurde, darunter Chr. G. Neefe, J. G. Müthel, G. Benda, E. W. Wolf und H. O.
C. Zinck, d. h. in der Regel von nord- bzw. mitteldeutschen Vertretern des ›empfindsamen‹ Stils,
während die Orgelsonate kaum als ein spezieller Zweig in Erscheinung trat. Obgleich das erste
Klavier Cristoforis auf das Jahr 1709 datiert wird und 1732 (Flz.) die isoliert dastehenden (12)
Sonate da cimbalo di piano, e forte detto volgarmente di martelletti L. Giustinis erschienenen, die
erste eigens für das Hammerklavier bestimmte Sammlung, nahm die Zahl der wahlweise oder
ausdrücklich für Klavier bestimmten Sonaten doch erst seit den 1760er Jahren deutlich zu.
Bahnbrecher waren die in Paris 1763 und 1764 von J. G. Eckard, die in London 1766 von J. Burton
und (wohl) 1768 von J. Chr. Bach sowie die in Edinburgh um 1768 von G. F. Tenducci
bedeutsamen Traktaten der 1750er Jahre das neue Klavier als ein offenbar schon vertrautes
Instrument, während es in Werktiteln erst zu Beginn der 1770er Jahre auftritt, u. a. in J. G.
Müthels Duetto für 2 Claviere, 2 Flügel oder 2 Fortepiano (Nbg. 1771). Nach einem im Hinblick auf
schließlich D. G. Türk im Jahre 1789 als erster fest: die »Sonate verdient unter den Tonstücken,
welche für das Klavier bestimmt sind, wohl mit dem mehrsten Rechte die erste Stelle« (S. 390), wobei
für ihn »Klavier« noch Clavichord bedeutet (vgl. ebd., S. 4-12). Der Übergang vom Cembalo zum
Klavier verläuft parallel mit dem Wandel vom frühklassischen zum hochklassischen Sonatenstil;
eine ähnliche Parallelität bildete später der Übergang vom leichteren Wiener zum schweren
englischen Klaviertypus und der Wandel vom hochklassischen zum spätklassischen Sonatenstil
Beethovens, Clementis und anderer Komponisten. Die Wahl zwischen »cembalo o pianoforte«
wurde in Sonatenüberschriften der 1770er Jahre und umgekehrt zwischen »pianoforte o cembalo«
schon ein Jahrzehnt später im allgemeinen freigestellt; von etwa 1785 an begann das Wort
Cembalo aus den Werktiteln zu verschwinden. Die Werktitel und die verwendeten
Bezeichnungen sind oft doppeldeutig, und die Frage, welches der beiden Instrumente der
Komponist jeweils bevorzugt, bleibt häufig offen. Enthält der Notentext Zeichen für dynamische
Abstufungen, so lassen diese erkennen, daß der Komponist das Klavier im Auge gehabt hat,
sofern er nicht als Vertreter des ›empfindsamen‹ Stils für Clavichord schrieb. Andererseits ist
die Verwendung von Oktaven und weiträumigen Figurationen (vgl. C. F. Cramer [ Hrsg. ],
Magazin der Musik I, 1783, 1238) ein Charakteristikum, das z. B. Hauptmerkmal der
Klavierschreibweise von Clementis Sonaten op. 2 (1779) ist. Solche Merkmale treten jedoch in
den ersten vermutlich für Klavier beabsichtigten Sonaten der beiden anderen Komponisten, die
sich frühzeitig für dieses Instrument interessierten, nämlich Haydn (etwa von der Sonate Hob.
XVI:20 in c-Moll [ 1771 ] an) und Mozart (etwa von den Sonaten KV279-283/189d-h [ 1774/75 ] an),
nicht hervor.
Quantitativ haben die Violine und andere Streichinstrumente zur klassischen Sonate
genausoviel beigetragen wie das Klavier. Sie begegnen noch in den konservativen, schnell
veralteten Kompositionen mit B.c. nach Art der ›Solo‹-Typen, wie sie noch von den letzten
für Violoncello solo mit B.c., so z. B. von J. B. Duport, C. Graziani, J.-B. Bréval und J.-B. Tricklir.
Das Violoncello, das bislang den B.c. getragen hatte, neigt z. B. in mehreren Duosonaten für
Violoncello oder Violine mit Violoncello von Boccherini dazu, ein echter, unbezifferter
Bestandteil des Satzgefüges zu werden. Die Sonaten für Klavier und Violoncello von Beethoven
stellen aber, nicht nur, was ihre Besetzung, sondern auch, was ihre Qualität betrifft, für die
Klassik Ausnahmen dar. Gleichfalls fast einmalig sind die für den Hof des Fürsten Esterházy
umfangreichere Sonatenliteratur für Solo- oder begleitete Gitarre stammt von F. Sor, S. J.
Molitor, M. Giuliani und anderen berühmten Gitarrenspielern dieser Zeit. Verstreut finden sich
einige Sonaten für Blasinstrumente allein, z. B. für Flöte, Klarinette oder Harfe, sowie für
seltenere Instrumente wie Carillon und Glasharmonika (z. B. von J. G. Naumann). Die solistische
Klaviersonate wird während des ganzen Zeitraums hoch geschätzt und nur während der
hochklassischen und spätklassischen Phase zahlenmäßig noch von der begleiteten Klaviersonate
übertroffen. Die älteren Besetzungen mit B.c. verschwinden gegen Ende des 18. Jh. nahezu
Schon im Jahre 1764 meint Ch. Avison, wenn er im Vorwort zu seinem op. 8 von »the accompanied
Sonata for the Harpsichord« spricht, eine Besetzung, die gewöhnlich durch längere und
ausführlichere Werktitel wie Three Sonatas for the Harpsichord or Forte Piano With
Accompanyments for a Violin and Bass ad libitum (E. Eichner, op. 3, 1771) gekennzeichnet ist. Diese
Besetzung bleibt auf das Zeitalter der Klassik beschränkt. Nach ihren Anfängen in Paris und
London wird sie überall charakteristisch; eine Klaviersolosonate wurde oft von einem Verleger
mit einer Begleitung versehen (z. B. J. André bei J. Chr. Bachs op. 1, recte op. 17). Gelegentlich
mußte die Sonate sogar, so z. B. 1781 von J. D. Benser, als »for the Pianoforte ONLY« klassifiziert
werden. Da solche Begleitungen üblicherweise fakultativ waren und getrennt gedruckt und
verkauft, gelegentlich auch in der Klavierstimme überhaupt nicht erwähnt wurden, sind sie
häufig aus den umfangreichen Sammlungen, die in großen Bibliotheken noch bestehen,
gewesen; so wurden z. B. die Werke J. Haydns in alle nur erdenklichen ›sonatenartigen‹
Besetzungen transkribiert. Wegbereiter der Violinsonate war sowohl die Praxis, eine
Triobesetzung dadurch zu reduzieren, daß eine der beiden Oberstimmen an die Stelle der B.c.-
Aussetzung der rechten Klavierhand tritt, als auch die Praxis, dünne zweistimmige Klaviersätze
auszufüllen, was z. B. in den Sonaten B. Galuppis und M. P. Rutinis durch gelegentliche Ziffern
über dem Baß angedeutet wird, und die Notwendigkeit, den schwachen Ton mancher Cembalos
und früher Klaviere zu verstärken, wovon bei mehreren der genannten französischen
Wegbereiter die Rede ist (vgl. die ausführlichen Zitate bei L. de La Laurencie 1922-1924 und E.
Reeser 1939). Darüber hinaus bestand in Dilettantenkreisen der Wunsch, sich an dem Vergnügen
zu beteiligen, und zwar mit Stimmen, die technisch so leicht gehalten waren, daß sie bewältigt
werden konnten; diesen Wunsch läßt J. L. Adam in der einleitenden Bemerkung zu seinem op. 12
wurden in der klassischen Musik sowohl an Zahl als auch an Häufigkeit eingeschränkt; z. B.
konnte eine langsame Melodie ausgeschmückt werden wie im Falle von F. Bendas Violinsonaten
(vgl. D. Lee, Some Embellished Versions of Sonatas by Franz Benda, in: MQ 62, 1976, S. 58-71), oder
aber eine Kadenz konnte improvisiert werden, was in Clementis Zauberflöten-Sonate durch die
Der Übergang zur echten Duobesetzung von Klavier und Violine oder anderen Instrumenten
zeichnete sich in Londoner Publikationen wie F. Giardinis op. 3 (1751) und D. Pellegrinis op. 4 (ca.
1759) deutlicher ab, in denen die Kompositionen ungezwungener und pausenlos zwischen den
echtem Duo beider Instrumente und solistischem Klavier hin- und herwechselten. Mit L.
Boccherinis op. 5 begegnen einige der ersten echten Duos in klassischer Bedeutung mit
abwechselnden und auf beide Instrumente gleichmäßig verteilten Phrasen und vollständigen
Themen. Zu den nächsten Beispielen gehören J. Chr. Fr. Bachs und J. Schusters Werkserien von
etwa 1777 sowie Mozarts ›Mannheimer‹ Sonatenserie von 1778. Noch Beethoven nennt sein op. 47
eine »Sonata per il Pianoforte ed un Violino obligato«. In Mozarts späteren Sonate per il clavicembalo
o forte-piano con violino e violoncello KV 502 sind die Stimmen bereits so unabhängig voneinander,
daß diese ›Sonaten‹ echte Klaviertrios darstellen, was für die 31 sogenannten Klaviertrios von J.
Haydn nicht zutrifft. Außer der begleiteten Klaviersonate gab es noch andere Duobesetzungen,
die für den Dilettanten von besonderem Reiz waren, so z. B. das vierhändige Klavierduett,
vorzugsweise für ein Klavier, eine Gattung, die Joh. Chr. Bach, Mozart, Ch. Burney und F.
Seydelmann einführten, sowie das unbegleitete Instrumentalduo für zwei gleiche oder
verschiedene Stimmen, wie z. B. I. Pleyels Sonaten für zwei Violinen, Haydns Sonaten für
Violine und Viola und Mozarts Sonate für Fagott und Violoncello. In diesem Zusammenhang
wären auch die zahlreichen Transkriptionen aus der Zeit der Klassik zu nennen. Haydns
Sinfonien Nr. 97 und 98 wurden als vierhändige ›Sonaten‹ bearbeitet; M. Clementi arbeitete
eigene Konzerte als Klaviersonaten op. 32,3 und 34,1 um; L. Boccherinis Streichtrios und -
quintette wurden von I. Pleyel und anderen als begleitete Klaviersonaten arrangiert.
4. Stil und Form
War das gemeingültigste strukturelle Verfahren der barocken Sonate das Motivspiel, so ist es für
die Klassik die Technik der Phrasengruppierung, d. h. des Nebeneinanders oder Gegeneinanders
geschlossener Phrasen. Sie begünstigt einen mehr oder weniger homophonen Satz, eine
Die frühklassische Sonate zeigt vorwiegend den ›galanten‹ Stil, und zwar nicht in der
Plattis, sondern den »zweiten galanten Stil« der 1750er und 1760er Jahre (vgl. E. Bücken, Der
galante Stil, in: ZfMw 6, 1923/24, 418-430), der vor allem durch Werke B. Galuppis, M. P. Rutinis,
G. B. Sammartinis, L. Boccherinis und A. Solers sowie des frühen Haydn belegt ist. Eines seiner
Merkmale sind kurzatmige melodische Zweitaktgruppen, die sich weniger intensiv als vielmehr
extensiv entfalten und häufig mit über 6/4-Akkorden erreichten und von kurzen Pausen
andere punktierte Figuren sowie dünne Zweistimmigkeit des Satzes. Schließlich gehört auch
jene genormte kleine Auswahl leerer Klavierbegleitfiguren hierher, welche zum Zweck, den
der Melodik zu, wimmelt es von Trugschlüssen und erhalten Appoggiatura-›Seufzer‹ nach
mannigfaltiger, wobei Albertibässe eine geringere Rolle spielen; das harmonische Vokabular
und der tonale Rahmen werden erweitert, das Zeitmaß wechselt häufiger, der Rhythmus wird
freier und geht mitunter in das Rezitativ über. Die Gesamtwirkung gleicht häufig einer
hochklassischen Stil nimmt das Prinzip der Phrasengruppierung zunehmend Einfluß auf die
Gesamtstruktur der Sonate. Die Phrasen werden länger und zielstrebiger, der harmonische
Verlauf verlangsamt sich; die tonale Anlage wird in ausgedehntere Flächen gegliedert. Viele
ab (wie z. B. im Anfang von Mozarts Klaviersonate B-Dur KV 333=315c); ihren Reiz empfangen sie
häufig durch die Anlehnung an Tanz- und Volksmelodien (vgl. W. Wiora, Europ. Volksmusik und
abendländlische Tonkunst, Kassel 1957, S. 104-133), ihren spontanen Fluß durch eine subtile
Phrasengliederung (wie z. B. der Beginn von Haydns Klaviersonate Nr. 45, Es-Dur: 4 [ = 2 + 2 ] + 7 [
= 2 + 5 ] Takte). Der Satz ist in der Hochklassik eher drei- als zweistimmig. Er enthält noch
häufig Albertibässe, doch wird diese Begleitform nunmehr geschickter in das Ganze einbezogen
und öfter zu langsam fortschreitenden sangbaren Melodien im Stil des ›singenden‹ Allegro
verwendet. Gleichzeitig erhält die Harmonik, wie z. B. im Andante von Mozarts KV 533, durch
Spätklassik wird die Sonatenform noch flexibler. Die ersten Sonatenthemen sind meistens
umfangreicher und komplexer als früher (vgl. z. B. die Themengruppe des ersten Allegros in M.
Pulsationen gesteigert und liegen meistens ›jagenden‹ Bewegungsformen zugrunde (wie z. B. in
Beethovens op. 13, erster Satz, und op. 27,2, letzter Satz). Die Satzgestaltung wird noch
40,1 und Beethovens op. 106), durch eine neue Art der Dissonanzbehandlung (wie z. B. in den
Beethovens op. 81a), durch umfangreichere Verwendung von Synkopierungen, Sforzandi auf
Darüber hinaus werden das harmonische Vokabular und der tonale Bereich noch erweitert,
wodurch sich sowohl neue Farbreize als auch noch zwingendere, großzügigere Formen ergeben.
Angesichts solcher Intensivierungen ist es nicht verwunderlich, daß die Zahl der Anweisungen
zunimmt.
In dem Maße, wie sich die tonale und thematische Organisation der Sonate verbreitert, wächst
auch ihr Umfang von durchschnittlich 255 Takten in Haydns Klaviersonaten bis zu 415 Takten
bei Mozart und 560 Takten bei Beethoven an. Was ihren Gesamtbau betrifft, war die von J. Chr.
Fr. Bach schon 1773 erwähnte dreisätzige Folge schnell-langsam-schnell (vgl. BJ 13, 1916, S. 21f.)
vom Beginn der Klassik an vorherrschend: sie liegt allen Klaviersonaten Mozarts zugrunde und
begegnet in 76 % von Haydns und 44 % von Beethovens Sonaten. Die sog. italienische
Satzanordnung umfaßt zwei Sätze, wobei es sich in der Regel um zwei schnelle Sätze oder aber
um einen schnellen und einen langsameren Satz handelt. Diese Satzfolge begegnet in ungefähr
der Hälfte der Sonaten der wichtigsten italienischen Komponisten von D. Alberti bis L.
Boccherini und ziemlich häufig in den leichteren Sonaten anderer Komponisten. Die meist
einsätzigen Sonaten der drei iberischen Meister C. de Seixas, D. Scarlatti und A. Soler haben
Einsätzige Sonaten finden sich nur ganz selten, u. a. z. B. in den sechs Neuen Sonatinen, die C. Ph.
E. Bach mit der Begründung komponiert, dreisätzige Sonaten »könnten nicht für 18 Thaler
gemacht werden« (zit. nach D. Plamenac, New Light on the Last Years of C. Ph. E. Bach, in: MQ 35,
1949, S. 567). Viersätzige Sonaten kommen in der Klassik häufig vor, doch dominiert dabei keine
bestimmte Satzfolge. Nach einer über das bislang Festgestellte hinausgehenden, konsequenten
Ausrichtung der Zahl und Anordnung der Sätze zu suchen, hat sich für die Klassik als
Klaviersonaten Beethovens). Der Großteil klassischer Sonaten steht in Tonarten bis zu drei oder
vier Vorzeichen. Obgleich nur ungefähr eine von vier Sonaten in Moll steht, ist es doch
vorzugsweise Moll-Sonaten sind. In jedem Fall finden sich ausgleichende Wechsel des
findet man weniger in der hochklassischen als in der früh- und spätklassischen Sonate. Einige
der deutlichsten Beispiele hat Beethoven geliefert (z. B. op. 2,3, alle Sätze, und op. 106, alle Sätze).
Eine auf diese Weise erreichte Vereinheitlichung hat jedoch nur periphere Bedeutung, ebenso,
wenn sie mit Hilfe eines Programms bewirkt wird, sei es buchstäblich genau, banal und
unerhört erfolgreich wie in F. Koczwaras The Battle of Prague, a Favourite Sonate (Dublin ca. 1788)
oder aber weniger genau und schwerer verständlich wie in M. Clementis Didone abbandonata-
Sonate op. 50,3 (1821). Weitere Mittel sind u. a. der attacca-Anschluß zweier Sätze ohne klaren
tonalen und zeitlichen Einschnitt wie in Beethovens op. 27,1 und das Ineinandergreifen der Sätze
Der erste schnelle Satz ist sehr häufig der einzige, in dem man nach der ›Sonatenform‹ (im
Sinne des Lehrbuchkonzepts) gesucht und diese auch gefunden hat. Man erhält jedoch eine
genauere Vorstellung dieses Satzes, wenn man auf die Frage zurückgreift, ob er zweckmäßiger
als zwei- oder dreiteilige Anlage zu verstehen sei. Selbstverständlich unterscheidet sich eine
dreiteilige A-B-A-Anlage desto mehr von einer verhältnismäßig einfachen symmetrischen A-B-
Anlage, je mehr Umfang und Identität von Durchführung und Reprise hervorgehoben werden.
Umfangsverhältnisse etwa zwischen 10:4:13 und 10:9:12,5 gekennzeichnet. Der B-Abschnitt ist
fast immer am kürzesten, vor allem dann, wenn die musikalischen Gedanken auch in den A-
Abschnitten beträchtlich ›durchgeführt‹ werden wie z. B. in Beethovens op. 111. Langsame
Einleitungen vergrößern den Umfang des ersten, Codas den des zweiten A-Abschnitts. Die Coda
kann bis zu einem Viertel des gesamten Satzumfanges einnehmen und zu einer echten ›Schluß-
Durchführung‹ werden, die wie in Beethovens op. 57 neue Facetten des thematischen Materials
sichtbar werden läßt. Die Frage der Zwei- oder Dreiteiligkeit wird durch die Verwendung von
Wiederholungszeichen beeinflußt. Führt der Spieler die Wiederholungen aus, so wird die Folge
schreiben außer in ihren letzten Klaviersonaten stets die Wiederholung beider ›Hälften‹ vor.
Beethoven verzichtet in etwa zwei Dritteln seiner Sonaten auf die Wiederholung der zweiten,
längeren der beiden, vor allem von dem Augenblick an, da die Coda an Bedeutung gewinnt.
Im Verlaufe der Klassik wird der tonale Ablauf zunehmend konstitutiv für Durchführung und
sorgfältiger vermeidenden Gang durch verwandte Tonarten von einem Ziel zum nächsten. Der
Reprisenabschnitt kehrt zur Grundtonart zurück und hält an dieser konsequenter fest, z. T.
durch einen Wechsel oder eine Neufassung desjenigen Unterteils, der im ersten A-Abschnitt aus
der Grundtonart herausgeführt hatte, z. T. auch durch eine Umklammerung der Grundtonart
meisterhaft exemplifizierten tonalen Prinzipien sind jedoch, wird der gesamte Zeitraum der
Klassik betrachtet, äußerst variabel (vgl. Mozarts Rückkehr zum Reprisenbeginn in der
Subdominante in KV 545). Thematisch wird die dreiteilige Anlage dadurch weiterentwickelt, daß
die Themen zunehmend deutlichere Richtpunkte jener erwähnten tonalen Zielstation werden.
Die Ankunft in der Dominante bzw. in einer anderen verwandten Tonart kann im ersten A-
Abschnitt erfolgen: 1. durch die tonale Bewegung selbst, möglicherweise mit einer einfachen
Wendung nach Moll (wie in vielen frühklassischen Sonaten); 2. durch eine annähernde, in die
neue Tonart transponierte Zitierung des Eingangsthemas; in diesem Fall hat der Komponist
dann kaum noch Grund, diesen Unterteil innerhalb der Reprise zu wiederholen (wie in Haydns
Klaviersonate Nr. 36, Hob. XVI:20, c-Moll); 3. durch ein wirkliches Kontrastthema, das
durch den späteren Lehrbuchbegriff der ›Sonatenform‹ definiert wird, aber nicht sein muß (wie
bei Mozart, KV 576). Sowohl in zweiteiligen wie auch in dreiteiligen Expositionen ist das
Epilogthema, da es die Kadenzen in der verwandten Tonart oder in der Grundtonart festlegt, ein
gemeingültigeres Merkmal als etwa das zweite Thema. Im modulierenden B-Abschnitt können
die einzelnen Themen entweder nur transponiert, sequenziert, umgestellt oder auch durch neue
Themen oder Passagenwerk ersetzt werden, aber auch vermittels Erweiterung des Umfangs (wie
bei Mozart, KV 570), durch Zergliederung (wie bei Beethoven, op. 28), neue Kombinationen (wie
bei Beethoven, op. 13) oder kontrapunktische Zerdehnung (wie bei Mozart, KV 576) verarbeitet
werden. Obwohl eine solche echte Verarbeitung der musikalischen Gedanken eines der
wichtigsten Kennzeichen der klassischen Sonate ist, bleibt sie doch vorwiegend auf die Sonaten
der großen Meister dieser Zeit beschränkt. Sie ist diejenige Eigenschaft der ›Sonatenform‹, die
Der langsame Sonatensatz ist häufig nur ein anmutiges, gemäßigtes Andante oder Grazioso;
beschränkt sich in der Regel auf einfache oder zusammengesetzte Liedform, kann ebenfalls der
harmonischen Rhythmus und nur eine kurze Coda. Daneben begegnen im langsamen Satz auch
Rondoformen, Variationen und freie Fantasien. Unter den in Binnenposition oder am Schluß der
Sonate erscheinenden Tanzsätzen kommt das Menuett am häufigsten vor. Sonst finden sich u.a
Scherzi, die zum hauptsächlichen und ausdrucksvolleren Ersatzstück für Menuettsätze wurden,
Rondo-, Variationssätze, andere Tänze wie z. B. Siciliano und Polonaise sowie die
verschiedensten Mischformen.
In der Klassik wurden Italiener und Tschechen zusammen mit Deutschen und Franzosen
beheimatet, so sind die Manieren und Formen der frühklassischen Phase Gemeingut gewesen.
Auf dieser Grundlage hat sich der klassische Instrumentalstil an den verschiedensten Orten
herausgebildet und sich dabei in sinfonischen und Kammerstil differenziert, wie schon H. C.
Zu den bedeutendsten Streichern, die in italienischen Städten Sonaten in der älteren B.c.-
Fassung oder in der neueren Gestalt der begleiteten Klaviersonate komponierten, gehören G. B.
Sammartini und J. Mysliveček in Mailand, G. Sarti in Bologna und anderen Städten, P. Nardini u.
Galuppi und G. Grazioli in Venedig, M. P. Rutini u. a. in Florenz, F. Turini in Padua und Brescia
sowie D. Cimarosa in Neapel. An Spaniern sind C. de Seixas in Lissabon, D. Scarlatti und sein
Schüler A. Soler in Madrid und M. Blasco de Nebra, ein wenig bekannter Komponist (vgl. W. S.
Newman 1963, S. 306-310; B. Johnsson, Manuel Blasco de Nebra, ein unbekannter Klaviermeister,
FAM 32, 1985) in Sevilla zu nennen; Solers Sonaten haben seit dem Erscheinen der Ausgaben von
S. Rubio neue Bedeutung erhalten. Zu den Wiener Komponisten gehören die Brüder Monn
D. von Dittersdorf, J. B. Vanhal, L. A. Kozeluch, F. A. Hoffmeister, J. Wölfl, I. Pleyel sowie die drei
›Wiener Klassiker‹. Haydn hat rund 285 in einer oder in mehreren frühen Quellen als Sonate
bezeichnete solistische und Ensemblekompositionen geschrieben, die nahezu die Hälfte seiner
größeren Instrumentalwerke ausmachen, Mozart etwa 90 (d. h. etwa ein gutes Drittel) und
Beethoven über 55 (d. h. fast die Hälfte). An Österreichern und Süddeutschen sind ferner zu
Oettingen-Wallersteinschen Hof, J. Stamitz und sein Sohn C. Stamitz, A. Filtz, F. X. Richter und
Haffner sehr früh für die frühklassische Sonate eingesetzt hatte) und F. U. Buttstedt in
in Erfurt, N. G. Gruner in Gera, Fr. W. Rust (dessen bedeutende Sonaten von seinem Enkel
›modernisiert‹ wurden) in Dessau, Chr. G. Neefe, J. G. Löhlein und A. E. Müller in Leipzig, und
schließlich W. Fr. Bach, J. G. Naumann, Fr. Seydelmann und J. Schuster in Dresden. Zu den
Norddeutschen zählen J. Chr. Fr. Bach in Bückeburg, C. Ph. E. Bach in Berlin und Hamburg,
dessen rund 265 Sonaten, vor allem die Preußischen, Württembergischen, die »Probe Stücken«,
die Sonaten »mit veränderten Reprisen« und »für Kenner und Liebhaber«, nicht traditionsgemäß
Klavierschreibweise wegen zu den einflußreichsten Stücken der Frühklassik gehören, und Fr.
und G. Benda, C. Fr. Chr. Fasch, J. A. P. Schulz und J. Fr. Reichardt in Berlin. Von den zahlreichen
in Paris tätigen Sonatenkomponisten sind als wichtigste zu nennen P. Gaviniès und G. B. Viotti
Séjan (ein fast vergessener, aber ausnehmend tüchtiger und origineller Komponist), J. Fr.
Eckard und E.-N. Méhul mit solistischen Klaviersonaten und F. Sor mit Gitarrensonaten. In
London wurden in erster Linie solistische und begleitete Klaviersonaten komponiert; zu den
wichtigsten hier tätigen Meistern zählen die Italiener G. Pescetti, P. D. Paradisi, F. Giardini, M.
würden) und M. Clementi, der 55 Jahre lang Sonaten komponierte, was ihn nacheinander mit
allen drei ›Wiener Klassikern‹ in Verbindung brachte und einen erläuternden Vergleich durch
W. H. Riehl veranlaßte, welcher beginnt: »Ich bezeichne Clementi kurzweg als den ›Meister der
Sonate‹; nicht darum weil er die unbedingt besten, wohl aber die sonatenhaftesten Sonaten geschrieben
hat, weil sein ganzer Künstlerberuf gesammelt und beschlossen war in der Sonate, und weil er allein die
moderne Sonate in allen ihren drei Hauptperioden voll und ganz miterlebte und mit durchbildete«
(41875, S. 231-259); die Deutschen J. Chr. Bach (der rund 110 Sonaten schrieb, darunter einzelne,
die nachweislich auf Mozarts Sonaten Einfluß gehabt haben), C. Fr. Abel und J. S. Schröter und
die Engländer Th. Arne, J. Nares und J. Hook in London. Auch in den Hauptstädten anderer
Länder waren begabte Sonatenkomponisten tätig wie C. Fr. Hurlebusch in Amsterdam, P. van
Maldere in Brüssel, H. O. E. Zinck in Kopenhagen, H. P. Johnsen und J. M. Kraus in Stockholm, V.
Manfredini in Petersburg, wo noch andere Italiener und einzelne bereits genannte deutsche
dorothea mielke-gerdes
(william s. newman)
DOROTHEA MIELKE-GERDES/( WILLIAM S. NEWMAN ), Art. Sonate in: MGG Online, hrsg. von
Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016ff., zuerst veröffentlicht 1998, online