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Schmerz 2020 · 34:303–313 Urs Münch1 · Heidi Müller2 · Teresa Deffner3 · Andrea von Schmude4 ·
https://doi.org/10.1007/s00482-020-00483-9 Martina Kern5 · Susanne Kiepke-Ziemes6 · Lukas Radbruch7
Online publiziert: 2. Juni 2020 1
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, DRK Kliniken Berlin Westend, Berlin, Deutschland;
© Der/die Autor(en) 2020 2
Trauerzentrum Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Deutschland; 3 Klinik für Anästhesiologie und
Intensivmedizin, Kinderklinik Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin,
Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland; 4 Netzwerk Hospiz- und Palliativversorgung Bonn/Rhein-
Sieg, Bonn, Deutschland; 5 Ansprechstellen im Land NRW zur Palliativversorgung, Hospizarbeit und
Angehörigenbegleitung (ALPHA Rheinland), Bonn, Deutschland; 6 Caritasverband für die Region
Kempen-Viersen e. V., Viersen, Deutschland; 7 Klinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Bonn,
Deutschland
Einleitung artigen Virus schwer Erkrankten und spiel durch ehrenamtliche Helfer*innen
deren Zugehörige (Familienmitglieder, oder Seelsorger*innen) sind aufgrund
Die mit dem SARS-CoV-2-Virus und Partner*innen und Nahestehende). Pa- der Corona-Pandemie in Folge des Be-
COVID-19 einhergehenden Einschrän- tient*innen mit COVID-19 werden auf suchsverbots zumeist verringert oder
kungen, Beschränkungen und Verbote der Isolierstation, Intensivstation oder ganz eingestellt worden. Die Aufgabe
sorgen auf vielen Ebenen für psychische, anderen isolierten Bereichen behandelt der psychosozialen Unterstützung dieser
soziale und spirituelle Belastungen mit und dürfen nicht von ihren Zugehörigen Menschen mit ihrer Not und Angst in die-
Auswirkungen auf die Gesundheit. Das besucht werden. Andere Begleitungs- ser existenziellen Krisensituation lastet
gilt insbesondere für die an dem neu- und Unterstützungsangebote (zum Bei- somit größtenteils und zusätzlich zu al-
len anderen Aufgaben auf den Schultern Psychosoziale und spirituelle Demoralisierung, Stress und De-
der Pflegekräfte und Ärzt*innen vor Ort. Begleitung von kritisch pressivität,
Darüber hinaus ist selbst bei sterbenden, kranken, schwerstkranken und j bei spirituellen und existenziellen
mit COVID-19 infizierten Patient*innen sterbenden Patient*innen (mit Nöten;
für Zugehörige kein Abschiednehmen oder ohne COVID-19) 4 bedürfen der Beratung
möglich, da diese Patient*innen in vie- j zu ihrer sozialen Situation und
len dieser Einrichtungen keinen Besuch Aktuell wird besonderer Wert auf den Unterstützungsmöglichkeiten,
erhalten können. Schutz von vulnerablen Personengrup- j zu Patient*innenverfügung, Vor-
Diese Umstände verstärken die ohne- pen (z. B. Bewohner*innen von Pfle- sorgevollmacht und Testament
hin schon durch den ungewissen Aus- geeinrichtungen, schwerstkranken Pa- (falls noch nicht vorhanden oder
gang der Erkrankung bestehende Belas- tient*innen im Krankenhaus) gelegt. nicht für die neue Situation ausrei-
tung für Erkrankte und An- und Zu- Auch wenn die meisten Regulierun- chend aktuell).
gehörige enorm. Sie beeinträchtigen den gen Ausnahmen bei nicht an COVID-
Prozess der Abschiednahme und können 19 erkrankten Palliativpatient*innen Diese Themen und damit verbundene
den Trauerprozess erschweren. vorsehen (zum Beispiel für das Land Fragen und Ängste können sehr gut im
Doch nicht nur die Patient*innen NRW: https://tinyurl.com/wywr5n6), Rahmen der Beratung zur gesundheitli-
mit COVID-19, sondern auch andere wird dies nicht immer umgesetzt, so- chen Versorgungsplanung nach § 132g
Patient*innen mit sehr kritischen und/ dass die Patient*innen isoliert bleiben. SGB V erfolgen.
oder lebenslimitierenden Erkrankungen Diese physische Isolation und die damit Ausführliche Empfehlungen zur
leiden unter den Folgen der Pandemie. verbundene Einschränkung oder sogar Kommunikation und zur Therapieziel-
Sie haben Angst, dass sie die notwen- vollständige Unterbindung sozialer Un- findung bei Schwerstkranken, zu den
digen Behandlungsmaßnahmen nicht terstützung bis ans Lebensende betrifft Behandlungsmöglichkeiten bei Angst
mehr erhalten werden, weil die Ressour- also sowohl Patient*innen mit schwe- und Depression und zur Begleitung
cen im Krankenhaus für an COVID- rem Verlauf von COVID-19 wie auch in der Sterbephase finden sich in der
19 Erkrankte freigehalten werden. Sie Palliativpatient*innen ohne COVID-19 S3-Leitlinie „Palliativmedizin bei Pa-
leiden unter den Folgen der Regulierun- und kritisch Kranke auf den Intensivsta- tient*innen mit einer nicht heilbaren
gen zur physischen Distanzierung, zum tionen. Für beide Gruppen gelten daher Krebserkrankung“ [3].
Beispiel durch Besuchsverbote in Kran- die folgenden Empfehlungen. In Einrichtungen des Gesundheitssys-
kenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Diese Menschen tems werdeninderVorbereitung zurPan-
Zudem fühlen sich in der ambulanten 4 bedürfen trotz der Isolation des demie auch Krisenszenarien diskutiert,
Versorgung sterbende Menschen und ih- Gefühls der sozialen Verbundenheit wenn die Anzahl der Patient*innen die
re Zugehörigen zu Hause alleingelassen mit ihren Zugehörigen und anderen vorhandenen Behandlungsplätze (Inten-
[1]. Personen; sivbetten, Beatmungsplätze) übersteigt.
Für alle Patient*innen sowie deren 4 benötigen eine individuelle und Die DGP erreichen seit Beginn die-
Zugehörige müssen Konzepte entwickelt patient*innenzentrierte Beratung ser Diskussion Nachfragen von verun-
werden, die eine innovative, flexible zu Therapiewünschen und zur sicherten Patient*innen, die befürchten,
und patient*innenzentrierte Begleitung Unterstützung bei der Entschei- dass aufgrund ihrer Vorerkrankungen ih-
in allen vier Dimensionen der Hospiz- dungsfindung in Bezug auf mögliche re Überlebenswahrscheinlichkeit in einer
und Palliativversorgung (körperlich, Behandlungsmaßnahmen; Triage als nicht ausreichend eingestuft
psychisch, sozial, spirituell) abdecken. 4 bedürfen der Unterstützung beim wird und sie deshalb in einem solchen
Die Deutsche Gesellschaft für Palliativ- Umgang Krisenfall von einer Intensivbehandlung
medizin (DGP) hat ihre Empfehlungen j mit der Isolation (die möglicher- ausgeschlossen werden. Sie haben Angst,
ergänzt und Informationen zur Sym- weise als traumatisch erlebt wird dass sie einsam ohne Zuwendung und
ptombehandlung von Luftnot, Angst, oder alte Traumata reaktiviert), Unterstützung elendig sterben müssen.
Unruhe und Verwirrtheit bei COVID- j mit der Möglichkeit, nicht direkt Hier ist sicherzustellen und entsprechend
19 vorgelegt [2]. Abschied nehmen zu können, zu kommunizieren, dass
Neben der Symptomkontrolle ist aber j mit der Begrenztheit des eigenen 4 jedes Leben gleichrangig behandelt
die psychosoziale und spirituelle Beglei- Lebens und der Konfrontation mit werden soll unabhängig von Alter,
tung unter den besonderen Umständen der eigenen Sterblichkeit, Vorerkrankungen und Herkunft
der Pandemie von hoher Bedeutung. j mit der eigenen Trauer aufgrund (siehe Empfehlung des Deutschen
Im Folgenden werden Empfehlungen der möglichen, fortwährend erleb- Ethikrats und klinisch ethische
zur psychosozialen und spirituellen Be- ten Verluste, Empfehlungen der DIVI und sechs
gleitung unter Berücksichtigung der j mit den Sorgen um die ihnen anderer Fachgesellschaften).
derzeit bestehenden Einschränkungen nahestehenden Menschen, 4 mit einer guten Palliativversorgung
vorgelegt. j mit durch die Situation bedingt belastende Symptome wie Luftnot,
möglichen Reaktionen wie Angst, Angst oder Verwirrtheit behandelt
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Zusammenfassung · Abstract
Recommendations for the support of suffering, severely ill, dying or grieving persons in the corona
pandemic from a palliative care perspective. Recommendations of the German Society for Palliative
Medicine (DGP), the German Interdisciplinary Association for Intensive and Emergency Medicine
(DIVI), the Federal Association for Grief Counseling (BVT), the Working Group for Psycho-oncology in
the German Cancer Society, the German Association for Social Work in the Healthcare System (DVSG)
and the German Association for Systemic Therapy, Counseling and Family Therapy (DGSF)
Abstract
The corona pandemic has led to a number of 19 patients; however, these people need to Health care professionals coping with the
restrictions and prohibitions, which in turn feel social connectedness with their relatives. exceptional stress should be continuously
place large psychosocial or spiritual burdens Palliative care patients should be exempted supported. This requires clear communication
on patients with COVID-19, their families and from any ban on visitors. Families should and leadership structures, communication
relatives and the treating personnel in the be able to visit dying patients even on training, psychosocial support, but most of all
healthcare system. Patients with COVID-19 intensive care units or isolation wards, using optimal framework conditions for the clinical
are not allowed to receive visitors and many adequate protective equipment. Alternative work.
hospitals and nursing homes have completely options, such as video telephone calls or
banned visitors. Many support services via social media should be explored for Keywords
have been reduced or stopped completely. patients in isolation. Families should also be Corona pandemic · Psychological burden ·
Necessary treatment interventions for other enabled to say goodbye to the deceased with Social isolation · Palliative care · Virtual contact
patients with critical and life-limiting diseases adequate protective equipment or should options
have been delayed or suspended in order be offered alternative real or virtual options
to free resources for the expected COVID- for remembrance and commemoration.
werden können, sodass Leid ins bedingten Einschränkungen psycho- Wenn aufgrund der Corona-Schutz-
Erträgliche gelindert werden kann, soziale und spirituelle Unterstützung bestimmungen Besuche nicht erlaubt
auch bis an das Lebensende bei und Hilfen vorzuhalten und einzu- sind, sollte zunächst geprüft werden,
sterbenden Patient*innen, setzen. ob nicht für die Palliativpatient*innen
4 sämtliche Möglichkeiten ausge- Ausnahmen ermöglicht werden können.
schöpft werden, trotz der Corona- In den Regulierungen der Landes- und
geschützten Rahmen) oder über das Darüber hinaus sollten sich Trauernde Mitarbeiter*innen von Isolier-
Beste, was man dem verstorbenen nicht ganz zurückziehen, auch wenn bereichen, Intensivstationen
Menschen mit auf den Weg geben Besuche eingeschränkt oder unmöglich
möchte [6]. sind. Ihr soziales Umfeld kann Beileids- Nicht nur die Patient*innen und ihre
4 welche Informationen, Apps, Tipps bekundungen, Anteilnahme und Unter- Zugehörigen unterliegen in der Coro-
es aktuell im Umgang mit der Trauer stützung über Telefonanrufe, E-Mails, na-Pandemie besonderen Belastungen,
gibt. SMS-Nachrichten oder andere Kanäle sondern auch die Mitarbeitenden im
4 wie sie zu Angeboten der Trauer- wie WhatsApp oder Signal geben. Regel- Gesundheitswesen, sowohl stationär als
beratung/-begleitung (im Moment mäßige Gespräche mit Nahestehenden auch ambulant. Neben der Belastung
telefonisch oder mittels videoge- oder anderen Zugehörigen können mit durch ihre Arbeit sind sie selbst potenzi-
stützter Kommunikation) finden festen Terminen vereinbart werden, auch ell betroffen, sorgen sich um die eigene
können. wenn diese Kontakte dann jeweils nur Gesundheit und die ihrer Zugehörigen.
4 wie sie mit ihren Kindern so kommu- kurz sind. Die Mitarbeiter*innen von Isolierbe-
nizieren, dass Krankheit und Verlust Genauso können regelmäßige Kon- reichen und Intensivstationen haben be-
ohne direkte Abschiedsmöglichkeit takte via Telefon oder soziale Medien mit sonders hohe Belastungen zu tragen [10],
auch von diesen möglichst ohne un- Mitarbeiter*innen der ambulanten Hos- aber gerade für diese gibt es trotz die-
günstige Nachwirkungen verarbeitet pizdienste, der Seelsorge oder anderer ser Tatsache keine einheitlichen Empfeh-
werden können. Trauerberatungsstellen hilfreich sein. lungen, Standards und Qualitätskriteri-
4 wie sie diejenigen, die von Verlust Manchmal hilft die Erinnerung an ge- en für die psychosoziale Unterstützung
am stärksten betroffen sind, sensibel meinsame Erlebnisse und Erfahrungen. bei Großschadenslagen. Die bestehen-
und einfühlsam auch in diesen Zeiten Für manche Menschen sind es Geschich- den Konzepte des Bundesamts für Be-
unterstützen können. ten, für andere Gegenstände zum Anfas- völkerungsschutz und Katastrophenhil-
sen oder bestimmte Lieder, Bilder, Fotos fe zur psychosozialen Notfallversorgung
(Informationen dazu: www.gute-trauer. etc. Trauernde können solche Erinne- von Einsatzkräften sind nicht für diesen
de, www.netzwerk-brs.de, https://bv- rungen sammeln, auch zusammen mit Bereich gedacht und entwickelt worden
trauerbegleitung.de/angebote/ anderen Zugehörigen. Sie können Ge- [11].
trauerbegleitende/). genstände real an einem Ort sammeln Die Pandemie als Großschadenser-
Es wäre hilfreich, wenn sich die Be- (Erinnerungskiste, Fotobuch) oder auch eignis ist für Mitarbeiter*innen in den
handlungsteams nach Versterben der virtuell (Bilder, Texte und Geschichten; Notfall-, Isolier- und Intensivbereichen
Patient*in um die Zugehörigen sorgten. siehe zum Beispiel gedenkseiten.de). potenziell traumatisierend [12]. Viele
Liegt das Einverständnis der engeren In der Trauer sind Ängste häufige Maßnahmen können frühzeitig und im
Bezugspersonen/der Klinik für eine Begleiter [7]. Es gibt inzwischen gute Vorfeld Anwendung finden, um das Risi-
Nachsorge vor, dann könnten Mitarbei- Webseiten, die sich mit Angstgefühlen ko empfundener psychischer Belastung
tende aus dem Team spezifisch damit beschäftigen und erklären, was Trauern- zu reduzieren. Zu diesen Maßnahmen
beauftragt werden, diese Zugehörigen den in solchen Situationen helfen kann zählen:
spätestens 2 bis 4 Wochen nach dem (zum Beispiel www.angst-panik-hilfe. 4 klare Kommunikationsstrukturen
Versterben der Patientin/des Patienten de/panikanfall-umgang.html). vorhalten: Es bedarf eines Informati-
zu kontaktieren. Sie könnten ihnen in Mit den Einschränkungen infolge der ons- und Kommunikationskonzepts,
dem Gespräch z. B. einfühlsam zuhö- Corona-Pandemie nimmt das Risiko nach welchem in regelmäßigen Ab-
ren oder Informationen vermitteln, wo zu, dass Betroffene in Folge einer Ver- ständen (z. B. nach den Vorgaben
sie Unterstützung für ihre möglichen lusterfahrung eine erhöhte psychische des betrieblichen Pandemie- oder
spezifischen Probleme erhalten können. Belastung bis hin zu einer „prolonged Krisenplans) insbesondere konkrete
Sollten Fachkräfte merken, dass Hin- grief disorder“ (zu Deutsch: anhalten- Informationen zur aktuellen Lage,
terbliebene darunter leiden, wenn ihnen de Trauerstörung) nach ICD-11 (6B42) Regelungen zu Abläufen, Zuständig-
im Moment Familienmitglieder und erleben [8]. Fachkräfte wie Psycho- keiten, Maßnahmen zur Bewältigung
Freunde nicht körperlich nahe sein log*innen, Psychotherapeut*innen, Psy- der Lage und mögliche Szenarien,
können, oder dass die Teilnahme an choonkolog*innen, Sozialarbeiter*innen deren Handhabung und den Impli-
der Bestattung nur wenigen Personen und Seelsorger*innen sollten entspre- kationen für die Behandlungsteams
vorbehalten ist, dann könnten sie Be- chend im Kontakt mit Zugehörigen auf gegeben werden.
troffene dazu anregen, dies später nach Risikofaktoren achten [9]. Trauerspezi- 4 Für viele kurzfristig für den inten-
dem Abklingen der Corona-Pandemie fische Einrichtungen sollten aus diesem sivmedizinischen Bereich geschulte
nachzuholen. Eine persönlich gestaltete Grunde Adressen von speziell geschul- Mitarbeiter*innen mögen in der
Gedenkfeier zu Hause oder an einem für ten approbierten Psychotherapeut*innen neuen Umgebung andere Dinge
die verstorbene Person bedeutungsvollen vorhalten und ggf. weiterverweisen. wichtiger sein, dennoch besteht nicht
Ort mit allen Freunden und Naheste- nur, aber gerade bei ihnen ein Risiko
henden kann dabei eine erste Idee sein. fachlicher Überforderung, bzw. eines
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professionellen Hilflosigkeitserlebens te verlässlich verfügbar sein. Dafür ist tivdiensten und den ambulanten Hospiz-
aufgrund fehlender kommunika- Folgendes wichtig: und Palliativdiensten sind in der Pande-
tiver Kompetenzen [13]. Hier ist 4 Ein pragmatisches, niedrigschwelli- mie großen physischen, aber vor allem
kurzfristige Schulung in hilfreicher ges Konzept unter Nutzung bestehen- psychischen und existenziellen Belastun-
Kommunikation für besonders her- der Ressourcen [17]. Um Akzeptanz gen ausgesetzt.
ausfordernde Situationen notwendig. zu erreichen, ist es unbedingt er- Teilweise oder vollständige Besuchs-
Diese sollte angepasst an die jewei- forderlich, die Mitarbeiter*innen verbote, Isolation bei vermuteter oder
ligen Bedingungen niedrigschwellig der Isolier- und Intensivstationen in bestätigter Infektion, Aufnahmestopp in
erfolgen und leicht verfügbar sein. die Planungen mit einzubeziehen. Pflegeeinrichtungen, Auflagen wie ein
4 Mitarbeiter*innen dieser Abteilung Andernfalls droht ein gutes Konzept negativer Corona-Test vor Aufnahme
brauchen ganz besonders unter am Bedarf vorbeizugehen oder wird in ein Hospiz sorgen dafür, dass das
Stress und hoher Belastung best- nicht akzeptiert. bisherige Selbstverständnis in der Arbeit
mögliche Rahmenbedingungen bei 4 Sensibilisierung und Einbeziehung und der Arbeitsweise massiv an Grenzen
ihrer Arbeit. Das betrifft vor allem der Führungskräfte. Diese sind kom- stößt.
Schutzkleidung, Rückzugsräume, munikative Schnittstelle zu allen Mit- Ambulante Hospizdienste haben die
verlässliche Pausen und zuverlässig arbeiter*innen und können mit ihrer ehrenamtlichen Begleitungen in Kran-
gute Verpflegung [14]. Materielle Haltung und als Vorbild erheblich kenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder
Ressourcenengpässe sowie zu wenig dazu beitragen, beruflich bedingte zu Hause einstellen müssen und können
personelle Ausstattung können ein psychische Extrembelastungen als höchstens telefonisch Kontakt halten.
Gefühl des Ausgeliefertseins bewir- normales, aber wichtiges Thema Auch die Angebote der Trauerberatung
ken und die psychische Belastung anzusprechen. Das wirkt sich in der und -begleitung können bestenfalls te-
deutlich erhöhen [15]. Regel positiv auf die Inanspruchnah- lefonisch umgesetzt werden. Besuche
me von Unterstützungsangeboten bei den Zugehörigen, Familiengespräche
In den Phasen intensiver psychischer und aus. oder Gruppenangebote sind ebenso wie
physischer Beanspruchung der Mitarbei- 4 Inhaltliche Orientierung an dem, die Trauercafés eingestellt worden.
ter*innen ist vor allem darauf zu achten, was sich bei psychischer Belastung Manche Pflegeheime bestehen auf
dass in potenziell traumatisierenden strikten Isolationsmaßnahmen und ver-
4 möglichst klare Konzepte vor Ort in Situationen als hilfreich erweist weigern den Teams der spezialisierten
Bezug auf Entscheidungskonflikte (AWMF-Leitlinie „Diagnostik und ambulanten Palliativversorgung den Zu-
vorhanden sind, die sich an den Behandlung von akuten Folgen tritt. Im ambulanten Bereich ist der
klinisch ethischen Handlungsemp- psychischer Traumatisierung“): Zugang zu Schutzkleidung, FFP2-Atem-
fehlungen der DIVI orientieren. Das Förderung von masken und Desinfektionsmitteln einge-
reduziert das Risiko zusätzlicher j Sicherheit, Beruhigung und Hoff- schränkt, sodass nicht klar ist, wie lange
psychischer Belastungen. nung bzw. Perspektive [18] die Vorräte reichen. Dabei wird gerade
4 eine professionelle Betreuung in j Selbsthilfe: sich selbst und das den Mitarbeitenden in den ambulanten
palliativen Situationen durch die Team wirksam erleben, z. B. durch Diensten besonders viel Angst vor An-
Umsetzung von spezialisierter Pal- kurze Interventionen zur physi- steckung entgegengebracht, da sie von
liativversorgung (Empfehlung DGP) schen und psychischen Entlastung Wohnung zu Wohnung fahren müssen.
erfolgt. Wenn möglich sollte die j Förderung von Verbundenheit, Dazu kommt die Anspannung der Pal-
psychosoziale und spirituelle Pa- z. B. durch gemeinsame Rituale liativpatient*innen und ihrer Zugehöri-
tient*innen- und Zugehörigenbe- 4 Das Erleben potenziell traumati- gen, die ja zu einer besonders gefährdeten
treuung durch diejenigen Fachkräfte sierender Ereignisse kann als Ar- Gruppe gehören und befürchten müssen,
vor Ort erfolgen, die dem jeweiligen beitsunfall bewertet und deshalb dass sie im Falle einer Rationierung kei-
Team bekannt sind [16]. in einem BG-Verfahren behandelt nen Zugang zur Intensivtherapie finden
werden. Mitarbeiter*innen soll diese werden.
Mitarbeiter*innen können gerade in Information zugänglich gemacht Für die Mitarbeitenden in diesen
dieser Phase auf unterschiedlichen Ebe- werden. Teams gelten dieselben Empfehlungen
nen belastet und stark beansprucht sein, wie im vorherigen Abschnitt. Die meisten
auch jenseits des Arbeitsplatzes. Das Mitarbeitende in Teams haben schon in ihrer bisherigen
kontinuierliche Tragen der persönlichen Einrichtungen der Hospiz- Teamstruktur Rituale entwickelt, die
Schutzausrüstung stellt einen zusätzli- und Palliativversorgung entlastend wirken. Hier ist zu prüfen, ob
chen Stressor dar. Psychosoziale Unter- diese Strukturen in der Vorbereitung auf
stützung und Hilfestellung soll an den Auch die Mitarbeiter*innen auf den Pal- Krisensituationen noch besser verankert
jeweiligen Bedürfnissen der Mitarbei- liativstationen, in stationären Hospizen, oder verändert werden müssen.
ter*innen der jeweiligen Einrichtungen Altenpflegeeinrichtungen und ambulan- In der Versorgung der Palliativpati-
orientiert sein und für akut Belaste- ten (Pflege-)Diensten, stationären Pallia- ent*innen müssen die Kommunikations-
4 Menschen zu unterstützen, einen beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenom- Netzwerk zur bundesweiten Strukturierung und
men wurden. Organisation psychosozialer Notfallversorgung.
eigenen Umgang mit der Situation zu Schriftenreihe Zivilschutzforschung – Neue Folge,
finden, Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Bd. 57. Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
4 zwischen verschiedenen Gruppen Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Katastrophenhilfe, Bonn
Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbil- 12. DGUV (2017) DGUV Grundsatz 306-001.Trauma-
(z. B. verschiedenen Berufsgruppen dungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das be- trische Ereignisse. Prävention und Rehabilitation.
untereinander bzw. Zugehörigen und treffende Material nicht unter der genannten Creative DGUV, Berlin
Mitarbeiter*innen) zu vermitteln Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung 13. Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Inten-
nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für siv- und Notfallmedizin (2020) Arbeitshilfe zu step-
und Verständnis füreinander auch in die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Ma- up Qualifizierungen und step-up Personaleinsatz
schwieriger Zeit zu finden, terials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers bei erhöhtem Erkrankungsaufkommen im Rah-
4 Menschen dabei zu unterstützen, sich einzuholen. men der SARS-CoV-2 Herausforderungen und Co-
vid19 Erkrankungen in den Kliniken (https://www.
selbstwirksam zu erleben, aber auch Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der divi.de/empfehlungen/publikationen/covid-19/
Dinge annehmen zu können, die Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/ 1527-divi-empfehlung-step-up-qualifizierung-
nicht veränderbar sind, licenses/by/4.0/deed.de. pflege-covid19-2/file)
14. Beerlage I, Arndt D, Hering T, Springer S (2009)
4 andere nicht hospizlich-palliativ Arbeitsbedingungen und Organisationsprofile
qualifizierte und/oder erfahrene Literatur als Determinanten von Gesundheit, Einsatzfä-
Kolleg*innen zu schulen, damit higkeit sowie von haupt- und ehrenamtlichem
1. Kiepke-Ziemes S, Rose A, Zwicker-Pelzer R Engagement bei Einsatzkräften in Einsatzorgani-
diese ebenfalls in diesen Bereichen sationen des Bevölkerungsschutzes. Endbericht
Mit und ohne Corona: Die Versorgung von
eingesetzt werden können. alten, kranken und sterbenden Menschen September 2009. Hochschule Magdeburg-Sten-
4 interkulturelle Kompetenzen anzu- auf dem Prüfstand. Positionspapier der DGSF dal, Magdeburg (Forschungsprojekt im Auftrag
vom 22.4.2020. https://www.dgsf.org/ueber-uns/ des Bundesministeriums des Innern, Bundesamt
wenden. für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe,
gruppen/fachgruppen/pflegen/mit-und-ohne-
corona-die-versorgung-und-betreuung-von- Laufzeit 04/06-09/09)
Diesen Mitarbeiter*innen sollte ebenso alten-kranken-und-sterbenden-menschen-auf- 15. Greenberg N, Docherty M, Gnanapragasam S,
dem-pruefstand. Zugegriffen: 12. Mai 2020 Wessely S (2020) Managing mental health
wie allen anderen Mitarbeitenden, die an challenges faced by healthcare workers during
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2759
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Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jegli-
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ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsge-
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