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 Kompass DaF C1 – Transkriptionen zum Kursbuch T

Im Folgenden finden Sie die Transkriptionen der Hörtexte 1|6


im Kursbuch von Kompass DaF C1. Sprecherin: Radiointerview – Teil 1
Moderator: Guten Abend, liebe Hörerinnen und Hörer von
Lektion 1 „Radio Wissenschaft“. Herzlich willkommen zu unserem
heutigen Interview mit Frau Prof. Manthei zum Thema
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„Sprachliche Varietäten“.
Sprecherin: Hörtexte zum Kursbuch
Frau Prof. Manthei, als Professorin für Linguistik beschäf-
Bayerin: Ich wohn‘ in Grafing, das ist in der Nähe von
tigen Sie sich beruflich mit der deutschen Sprache und
München. Ich red‘ meistens ned richtig Dialekt, aber ich
ihren vielfältigen Formen. Was gehört alles zur deutschen
verwend‘ schon einige Wörter, die aus dem Dialekt kom-
Sprache? Sind die Dialekte auch Deutsch oder sind sie
men. Ich sag‘ z. B. oft „ratschen“. Was das heißt? Also, mit
eigentlich eine andere Sprache?
meinen Freunden, wenn wir zusammensitzen, dann trinken
Prof. Manthei: Hm, das ist gar nicht so einfach zu beant-
wir gemütlich ein Bier und ratschen über alles Mögliche,
worten. Die deutsche Sprache ist kein einheitliches Gebilde.
über unsere Arbeit, über neue Serien oder einfach übers
Wenn man anfängt, eine Fremdsprache zu lernen, dann
Wochenende. Ein schönes Wort ist auch „ruchert“, das klingt
scheint alles erst ganz klar zu sein. Im Unterricht lernt
viel besser als das Hochdeutsche „geizig“.
man Wörter und Strukturen und man lernt die richtige
Aussprache des Standarddeutschen. Aber wenn man dann
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weiterlernt, vielleicht auch einmal Kontakt mit Deutsch
Hamburgerin: Wir haben hier bei uns in Hamburg einige
sprechenden Leuten hat und dadurch mehr Erfahrung mit
Wörter, die aus dem Dialekt, also aus dem Plattdeutschen
der deutschen Sprache sammelt, merkt man schnell, dass
kommen, z. B. „naderig“ – „Er is een büschn naderig.“ Also,
es große Unterschiede gibt, wie die Leute sprechen. Das
er ist ein bisschen knickerig oder geizig. „Snacken“ ist auch
hängt unter anderem sehr stark von der Situation und von
so ein Wort, das bedeutet einfach reden oder sprechen. Ein
den Gesprächspartnern ab. Manchmal ist das, was in einer
noch schöneres Wort ist „klönen“, das mag ich besonders
Situation, z. B. unter guten Freunden, richtig ist, in einer
gerne. Klönen ist, wenn man gemütlich zusammensitzt und
anderen Situation, z. B. im Gespräch mit einem Chef oder
snackt, dann macht man einen Klönsnack.
einer Chefin, nicht angemessen. Das Deutsche ist – wie
jede andere Sprache – sehr komplex. Es teilt sich auf in
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verschiedene Sprachformen, linguistisch nennen wir diese
Münsterländer: Ich wohne in Altenberge, in der Nähe von
unterschiedlichen Sprachformen „Varietäten“.
Münster. Ich kann nicht richtig Platt küern. Also Platt, dat
ist der Dialekt, den man hier im Münsterland küert, also
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spricht. Aber den sprechen nur noch die älteren Leute. Ich
Sprecherin: Radiointerview – Teil 2
benutze nur einige Wörter. Es gibt z. B. einen schönen Aus-
Moderator: Was verstehen Sie unter sprachlichen Varietä-
druck: „De kann di ’n Knopp an de Backe küern.“ Wörtlich
ten? Meinen Sie damit verschiedene Dialekte?
übersetzt: „Der kann dir einen Knopf an die Backe spre-
Prof. Manthei: Ja, auch. Sprachliche Varietäten können
chen.“, also: er redet zu viel, er ist geschwätzig. „Kniepig“
auch regionale Varietäten, also Dialekte sein. Jeder, der sich
ist ein anderes schönes Wort. Kniepig ist jemand, der Angst
schon an unterschiedlichen Orten in Deutschland aufge-
hat, sein Geld auszugeben, jemand, der immer gerade kein
halten hat, hat gemerkt, dass sich die deutsche Sprache
Geld dabei hat, wenn er mal andere einladen könnte.
z. B. in Hamburg ganz anders anhört als in München. Für
Fremdsprachenlernende kann es manchmal ganz schön
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frustrierend sein, dass das, was sie mühsam gelernt haben,
Hesse: Ich komme aus der Nähe von Frankfurt, aus Hessen,
gar nicht die Sprache ist, die die Leute, mit denen sie zu tun
und da babbeln oder schwätze mir auf Hessisch, also wir
haben, sprechen. Die Mitstudierenden, die Arbeitskollegen
sprechen Hessisch, so sagt man das auf Hochdeutsch. Für
oder die Nachbarn sprechen – auch wenn sie nicht richtig
mich ist das ganz normal, ich bin in Lauterbach uffgewach-
Dialekt sprechen – häufig so, dass es für Fremdsprachen-
sen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass andere das nett
lernende wie ein anderes Deutsch klingt und daher für sie
so gut verstehen. Wissen Sie z. B., was ein Sparbrötsche ist?
oft nur sehr schwer verständlich ist. Aber Dialekte sind bei
Das sagt man zu jemandem, der geizig ist. Klingt doch viel
weitem nicht die einzige sprachliche Varietät, die es im
besser als der hochdeutsche Geizhals.
Deutschen gibt. Neben den regionalen Varietäten gibt es
nämlich auch soziale Varietäten, wie z. B. die Fachsprachen,
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das Migrantendeutsch oder die Jugendsprache.
Sächsin: Ich komme aus Chemnitz in Sachsen, aber ich
spreche den Chemnitzer Dialekt so gut wie gar nicht mehr.
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Meine Oma aber spricht ihn immer noch. Neulich hat sie
Sprecherin: Radiointerview – Teil 3
mir erzählt, dass sie mit der Nachbarin geschwatzt hat: „En
Moderator: Können Sie für diese sozialen Varietäten einige
anderer Nachbar sei sehr dreckfresssch.“ Ich habe gesagt:
Beispiele anführen?
Was ist er? Ich hab‘s nicht verstanden. „Geitsch“, meinte sie.
Prof. Manthei: Ja, gerne. Zunächst zur Jugendsprache. Das
Wieso sagt man das denn so? Na, weil man denkt, jemand,
ist hauptsächlich eine mündliche Sprachform. Sie ist ins-
der geizig ist, würde sogar seinen eigenen Dreck fressen,
besondere gekennzeichnet durch einen speziellen Wort-
also essen, um noch Geld zu sparen. Da sieht man, dass
schatz. Ich möchte dafür zwei Beispiele nennen: Ein „App-
Dialekte oft sehr bildhaft sind und sehr direkt.
ler“ ist eine Person, die mit ihren Apple-Produkten angibt,

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und „wack“ bedeutet so viel wie „schlecht, blöd, langweilig“. eine Varietät des Deutschen. Bei aller Unterschiedlichkeit
Aber lernen Sie diese Wörter jetzt nicht. Dieser Wortschatz haben diese Varietäten aber auch Gemeinsamkeiten: Sie
ist sehr flüchtig, viele Wörter geraten schnell wieder in verwenden Wörter und Strukturen aus dem Deutschen,
Vergessenheit, andere werden neu erfunden und einige sie mischen diese Elemente mit Elementen aus anderen
der Wörter gehen in die Allgemeinsprache über. Ein gutes Sprachen oder erfinden ganz neue sprachliche Ausdrücke.
Beispiel ist dafür das Wort „chillen“. Die Jugendsprache hat Durch diesen kreativen Umgang mit Sprache entstehen
das Wort aus dem Englischen übernommen. Englisch „to Variationen der deutschen Sprache, die man vielleicht
chill“ bedeutet „abkühlen, sich entspannen“. Im Deutschen nicht immer leicht versteht, die aber doch noch als Deutsch
wird es mittlerweile als ein normales Verb verwendet, mit erkennbar sind. Aus diesen vielen Varietäten und der
der normalen Konjugation: ich chille, du chillst, ich habe Standardsprache setzt sich am Ende die deutsche Sprache
gestern gechillt usw. Das Wort hat es relativ schnell in die zusammen.
allgemeine Umgangssprache geschafft und steht seit 2004
auch im Duden. Eltern und Lehrende versuchen natürlich 1 | 12
Einfluss auf die Sprache der Kinder und Jugendlichen zu Sprecherin: Radiointerview – Teil 5
nehmen, das hat eine Jugendsprache aber noch nie unter- Moderator: Diese vielen verschiedenen Formen der deut-
drücken können. schen Sprache, das klingt sehr komplex und kompliziert.
Können Sie uns Gründe dafür nennen, warum diese Vielfalt
1|9 entstanden ist? Oder können Sie uns erklären, welche Funk-
Prof. Manthei: Eine besonders interessante soziale Varietät tionen diese Formen in der sprachlichen Kommunikation
ist die Sprache jugendlicher Migranten, auch „Kiezdeutsch“ erfüllen?
genannt. In der Sprachwissenschaft wird sie als Ethnolekt
bezeichnet. Ein Beispiel dafür ist das Türkendeutsch. 1 | 13
Jugendliche aus türkischen Migrantenfamilien, die zwei- Prof. Manthei: Nun, ein wichtiger Grund für die Entstehung
sprachig aufgewachsen sind, übertragen z. B. Strukturen von Varietäten ist, dass die verschiedenen Bereiche ihren
aus dem Türkischen ins Deutsche, sie lassen z. B. Präposi- eigenen Wortschatz benötigen, um die Dinge, die für sie
tionen weg und sagen „Ich bin grad Schule.“ oder „Lassma wichtig sind, richtig bezeichnen zu können. Das ist aber
Kino gehen“. Interessanterweise werden diese Formen zum nicht die einzige Funktion der Varietäten. Eine sehr große
Teil auch von anderen Jugendlichen übernommen. Rolle spielt in allen Fällen auch die soziale Funktion. Ebenso
Eine ganz andere Form der Varietät sind die Fachsprachen. wie mit einem Dialekt kann man mit einer sozialen Varietät
Einen juristischen Text z. B. erkennt man sofort. Die Wörter ein Heimatgefühl hervorrufen. Wenn man dieselbe Varietät
haben oft eine spezielle Bedeutung und die Texte sind da- spricht, fühlt man sich miteinander vertraut, man gehört
durch schwer verständlich. Fachsprachen verfügen häufig zur Gruppe dazu. Diejenigen, die diese sprachliche Form
über ein sehr spezielles Vokabular. Aber auch die Strukturen nicht sprechen, werden ausgegrenzt, sie fühlen sich nicht
unterscheiden sich. So gibt es z. B. in der formellen, wissen- dazugehörig. Diese gruppenbildende Funktion von Varietä-
schaftlichen, schriftsprachlichen Kommunikation typische ten ist sehr wichtig! Je nach Status der sozialen Varietät hat
grammatikalische Strukturen: Das Passiv kommt häufiger das natürlich unterschiedliche Konsequenzen. Wenn man
zur Verwendung als in alltagssprachlicher Kommunikation. z. B. an unpassenden Orten Jugendsprache spricht, wird
Es wird häufiger nominalisiert, der Genitiv ist üblicher als man als ungebildet angesehen. Wenn ein Fachmann bzw.
in der Umgangssprache und anstelle von einfachen Verben eine Fachfrau gegenüber Laien Fachsprache spricht, kann
oder Adjektiven werden viele Nomen-Verb-Verbindungen das einschüchternd auf den Laien wirken, denn Fachspra-
gebraucht: Es heißt z. B. nicht „es ist möglich“, sondern „es chen genießen einen besonderen Respekt. Derjenige, der
kommt in Betracht“. Natürlich gibt es viele verschiedene eine Fachsprache spricht, wird dann entweder als beson-
Fachsprachen. So ist die Fachsprache eines Tennisprofis ders intelligent und kompetent oder als sehr arrogant
eine andere als die eines Kraftfahrzeugmechanikers oder wahrgenommen.
die eines Psychologen. Moderator: Das heißt also, ein Mensch beherrscht immer
mehrere Varietäten seiner Muttersprache?
1 | 10 Prof. Manthei: Ja, jeder Sprecher beherrscht mehrere Varie-
Sprecherin: Radiointerview – Teil 4 täten seiner Muttersprache, die er oder sie jeweils pas-
Moderator: Es versetzt mich in Erstaunen, dass Sie Fach- send zur Situation, passend zu seinen Gesprächspartnern,
sprachen, also z. B. Juristendeutsch, und Jugendsprachen passend zu seiner Sprechabsicht auswählt. Kompetente
oder Kiezsprache auf eine Ebene stellen. Ist das nicht Sprecher können mitten im Gespräch die Varietät wech-
etwas völlig anderes, haben die nicht einen ganz anderen seln. Man spricht dann von verschiedenen Sprechstilen.
Stellenwert? Fachsprachen sind doch wichtig, die sollte Moderator: Das ist wirklich sehr interessant. Unsere Höre-
man fördern, während die Jugendsprachen überflüssig rinnen und Hörer und natürlich auch ich hätten zu diesem
sind. Es ist doch wichtiger, dass die Jugendlichen korrektes Thema bestimmt gerne mehr erfahren, aber leider ist
Deutsch sprechen und schreiben. unsere Zeit nun zu Ende. Frau Prof. Manthei, vielen Dank für
dieses Gespräch.
1 | 11 Prof. Manthei: Ihnen auch vielen Dank.
Prof. Manthei: Nun, aus linguistischer Sicht bewertet man
die Varietäten nicht. Eine Fachsprache ist ebenso wie die
Jugendsprache, das bairische Deutsch oder das Kiezdeutsch

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Auf dem Weg zur Prüfung 1 Sprache fließend und automatisch gesprochen wird. Die
ersten Monate im Leben eines Menschen prägen somit
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die Grundstrukturen von Sprache und Sprachenlernen und
Sprecherin: Vorlesung – Teil 1
haben damit Einfluss auf den späteren Spracherwerb.
Professorin: Beim Erstspracherwerb – umgangssprachlich
auch Erwerb der Muttersprache genannt – kann man bei
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Kindern bestimmte Phasen beobachten, die nacheinander
Sprecherin: Vorlesung – Teil 2
durchlaufen werden. In diesen Phasen erwirbt das Kind
Professorin: Wie ich vorhin bereits gesagt habe, prägen die
nach und nach die Laute, den Wortschatz und die Gram-
ersten Monate im Leben eines Menschen die Grundstruk-
matik der Muttersprache, also der Erstsprache. In dieser
turen von Sprache und Sprachenlernen und haben damit
Zeit gibt es mehrere sensible Phasen, in denen es den
einen Einfluss auf den späteren Spracherwerb. Dies macht
Kindern besonders leichtfällt, bestimmte Strukturen zu
sich bei bilingual aufgewachsenen Menschen besonders
erlernen. Nach der kritischen Phase ist das Erlernen dieser
bemerkbar. Erlernen Menschen nämlich zwei Sprachen
Strukturen nur noch eingeschränkt möglich. Ein Beispiel für
als Erstsprache, steht ihnen beim Erlernen einer weiteren
eine solche sensible Phase im Spracherwerb ist das Alter
Sprache ein größeres Lautinventar zur Verfügung. Die
von acht bis neun Monaten. In den ersten Monaten sind
Wahrscheinlichkeit, dass es Übereinstimmungen zwischen
Menschen in der Lage, alle Laute zu produzieren. Babys
der Sprache, die neu gelernt werden soll, und einer der
probieren daher in diesem Alter alle möglichen Laute aus.
beiden Erstsprachen gibt, ist naturgemäß größer als bei
Am Ende dieser sensiblen Phase ist der Lauterwerb der
monolingual aufgewachsenen Menschen. Deshalb ist es
Erstsprache abgeschlossen. Ab jetzt konzentrieren sich die
nicht erstaunlich, dass es bilingualen Sprechern leichter
Babys auf das Lautinventar der Erstsprache. Das hat zur
fällt, Fremdsprachen zu lernen.
Folge, dass die Babys die anderen Laute nicht mehr produ-
Die Ergebnisse einer Studie an der Georgetown University
zieren und so verlernen.
legen zudem einen weiteren entscheidenden Vorteil nahe.
Eine Untersuchung der University of California zeigt, dass
Bei bilingualen Sprechern wird eine neue Fremdsprache
amerikanische und japanische Babys bis zum Alter von
nämlich schneller so verarbeitet wie die Erstsprache. In
sieben Monaten gleich gut zwischen den Lauten „r“ und „l“
dieser Studie an der Georgetown University wurden die
unterscheiden konnten. Im Alter von zehn Monaten dage-
Gehirnaktivitäten von 13 bilingual und 16 monolingual
gen konnten die japanischen Babys nicht mehr zwischen
aufgewachsenen Kindern beim Fremdsprachenlernen
„r“ und „l“ unterscheiden. Dieser Lautunterschied spielt im
untersucht. Die monolingualen Kinder sprachen Englisch
Japanischen nämlich keine Rolle. Man sieht also: In dem
als Erstsprache, die bilingualen Kinder Chinesisch und
Maße, in dem die japanischen Babys die Laute ihrer Erst-
Englisch. Alle Kinder wurden eine Woche lang in einer
sprache erlernen, verlernen sie die Lautunterschiede, die
Fremdsprache unterrichtet, die allen Kindern gleicherma-
für ihre Sprache irrelevant sind. Wenn diese Kinder später
ßen unbekannt war: Es war eine künstlich konstruierte
in ihrem Leben eine Fremdsprache lernen, muss diese
Sprache. Dabei wurden zu Beginn und zu Ende der einwö-
Fähigkeit, z. B. zwischen „r“ und „l“ zu unterscheiden, wieder
chigen Unterrichtsphase die Gehirnaktivitäten gemessen.
antrainiert werden. D. h., je größer die Übereinstimmung
Bei den bilingualen Kindern wurden schon zu Beginn der
der Laute von der Erstsprache und der weiteren Fremd-
Unterrichtsphase Gehirnaktivitäten gemessen, die für
sprache ist, desto leichter fällt es, die lautliche Struktur der
die Verarbeitung der Muttersprache typisch sind. Bei den
Fremdsprache zu erlernen.
monolingualen Kindern traten die Aktivitätsmuster erst zu
Wie entscheidend diese erste Phase des Spracherwerbs
einem späteren Zeitpunkt auf, und auch dann nur in einem
das Gehirn prägt, zeigt eine Studie an der Universität Mont-
geringeren Umfang. Daraus schließen die Forscher, dass die
real. Die Forscher haben Kinder untersucht, die in China
neue Fremdsprache bei Bilingualen schon vom ersten Un-
geboren und im Alter von maximal einem Jahr nach Kanada
terrichtstag an wie die Muttersprache behandelt wird, dass
gekommen waren. Die Kinder waren von französisch-
sie sozusagen vertrauter klingt, was zu einem leichteren
sprachigen Eltern adoptiert worden und hatten nach der
Erlernen der Fremdsprache führen könnte. Damit konnten
Adoption, also ab dem Alter von einem Jahr, keinen Kontakt
Forscher zeigen…
mehr mit der chinesischen Sprache gehabt. Als die Studie
durchgeführt wurde, waren die Kinder zwischen 10 und 17
Jahren alt. Zu diesem Zeitpunkt sprachen sie Französisch Lektion 2
und hatten keine bewusste Erinnerung an die chinesische
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Sprache. Im Experiment spielten die Forscher den Kindern
Sprecherin: Vorlesung – Teil 1
chinesische Laute vor und maßen dabei die Gehirnaktivi-
Professor: Guten Morgen, meine Damen und Herren, herz-
täten. Die Messung der Gehirnaktivitäten zeigte, dass die
lich willkommen zu unserer Vorlesung „Makroökonomie 1“
Gehirne der Adoptivkinder genauso reagierten wie die Ge-
im Rahmen des Studiums Generale unserer Universität.
hirne von einsprachig chinesisch aufgewachsenen Kindern.
Wenn Sie dann bitte so nett wären, die Türen zuzumachen. –
Wohingegen die Gehirne der Kinder, die von Anfang an
Danke schön, dann kann es jetzt gleich losgehen.
Französisch gelernt hatten und niemals in Kontakt mit der
Wir haben in der letzten Woche angefangen, uns mit der
chinesischen Sprache gestanden hatten, anders reagierten.
Geldtheorie zu beschäftigen, und zwar mit der Frage,
Die Forscher schließen daraus, dass der erste Kontakt mit
welche Funktionen Geld besitzt. Wir haben erkannt, dass
einer Sprache das Gehirn dauerhaft prägt, auch dann, wenn
Geld als Tauschmittel der geldlosen Form des Gütertauschs
diese Sprache in Vergessenheit geraten ist und eine andere
überlegen ist, und haben gesehen, dass sich die Überle-

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genheit auch schematisch darstellen lässt. Dafür hatten len. Woher aber hat eine Bank das Bargeld, das wir z. B.
wir uns eine Siedlung aus der Jungsteinzeit vorgestellt, am Bankautomaten ziehen können? Nun, dies erhält sie
also einer Zeit vor ungefähr 6.000 Jahren, in der fünf Güter von der staatlichen Zentralbank. Denn nur Zentral- oder
hergestellt und gegeneinander getauscht werden sollen. Notenbanken haben das Recht, Geldscheine zu drucken
Wie Sie auf dieser Folie erkennen können, konnten wir und Münzen zu prägen, um sie in Umlauf zu bringen. Zum
nachweisen, dass in dem Fall zwischen den steinzeitli- Vergleich: In Europa gibt es zurzeit eine zahlungsfähige
chen Geschäftspartnern zehn direkte Tauschbeziehungen Geldmenge von knapp fünf Billionen Euro, das sind 5.000
existieren. Ist die Zahl der Dorfbewohner klein, scheint das Milliarden Euro. Doch nur ungefähr 20 % davon, nämlich
Prinzip der direkten Tauschbeziehung also zunächst zu 858 Milliarden, zirkulieren als Bargeld in den europäischen
funktionieren. Sobald aber die Zahl der Personen in einer Ländern. Bei dem Rest handelt es sich um das bereits
Wirtschaft wächst, kostet die Suche nach einem geeig- erwähnte Buchgeld.
neten Tauschpartner erheblich mehr Zeit. Würde sich die
Zahl der Produkte aus unserem Beispiel verdoppeln – es 1 | 18
würden also statt fünf Gütern zehn zum Tausch stehen – so Sprecherin: Vorlesung – Teil 3
würde sich die Anzahl der direkten Tauschbeziehungen Professor: Wenden wir uns nun noch einmal genauer dem
auf 45 erhöhen. Die Anzahl der Tauschbeziehungen steigt Buchgeld zu: Wie ich schon sagte, entsteht Buchgeld
also exponentiell an. Das können Sie mit der hier gezeigten u. a. durch Überweisung von Konto zu Konto oder durch
Formel gern noch einmal nachrechnen. Kreditgewährung der Banken. Diesen zweiten Aspekt, die
Wir haben uns daraufhin gefragt, wie sich das Problem der Kreditvergabe, wollen wir uns nun genauer anschauen. Der
unüberschaubaren Tauschbeziehungen lösen lässt. Die Ant- Kreditvergabe kommt nämlich im Finanzwesen eine be-
wort ist: mit Geld – und zwar unabhängig davon, welche sondere Bedeutung zu, denn indem ein Geldinstitut einen
Form das Geld hat, ob es Kaurischnecken sind, Metallbar- Kredit vergibt, schafft es neues Geld. Aber wie funktioniert
ren oder Kakaobohnen. Durch den Einsatz eines universel- das? Wenn eine Bank einen Kredit an ihre Kunden vergibt,
len Tauschmittels verfügt jede Ware nämlich nur noch über weil diese z. B. eine Firma gründen oder eine Wohnung
eine Tauschbeziehung – und zwar die zum Geld. Übertragen kaufen wollen, schafft sie neues Geld oder – wie man in
wir dieses Verhältnis einmal auf unser Beispiel mit den fünf der Bankensprache sagt, sie „schöpft“ Geld. Denn entgegen
Gütern: Wenn mit einer Art Geld bezahlt wird, reduzieren einer weit verbreiteten Vorstellung verleihen Banken kei-
sich die Tauschbeziehungen von bisher zehn auf nur noch neswegs das Geld, das auf den Konten ihrer Kunden liegt,
fünf. Das sehen Sie auf der Abbildung hier dargestellt. sondern dieses neue Geld entsteht durch einen reinen
Buchungsakt.
1 | 17 Wie sieht nun der Prozess einer Kreditvergabe im Einzelnen
Sprecherin: Vorlesung – Teil 2 aus? Wenn eine Bank einen Kredit vergibt – sagen wir von
Professor: Mit dieser Betrachtung von Handelsbeziehungen 100.000 Euro – erhöht sie das Bankguthaben des Kreditneh-
in der Frühgeschichte konnten wir aufzeigen, dass Geld die mers um diese Summe und trägt diese in ihre Bücher ein.
Funktion eines Tausch- und Zahlungsmittels besitzt. Über Der Kreditnehmer oder die Kreditnehmerin wird somit zum
die Funktion als Zahlungsmittel hinaus besitzt Geld aber Schuldner bzw. zur Schuldnerin des Kreditgebers, also der
noch eine weitere Funktion, und zwar die Fähigkeit, einen Bank. Dafür, dass die Bank dem Kreditnehmer einen Kredit
Wert zu speichern. Wenn ein Produkt aus welchen Gründen gewährt, also ihm Geld leiht, und auch garantiert, dass der
auch immer nicht sofort erworben werden kann, dann Kreditnehmer jederzeit über diesen Kredit verfügen kann,
können die finanziellen Mittel zurückgelegt werden, indem bekommt sie vom Kreditnehmer Zinsen. Gleichzeitig hat
wir sie z. B. auf ein Konto einzahlen. Geld hat somit auch die Bank gegenüber dem Kreditnehmer eine Forderung,
die Funktion eines Wertaufbewahrungsmittels. denn der Kreditnehmer muss den Kredit schließlich zurück-
Die Möglichkeit, Geld auf ein Konto einzuzahlen, setzt aber zahlen.
die Existenz von Banken voraus und damit kommt das Welchen Weg nimmt nun das geliehene Geld von der
sogenannte Bankengeld – auch „Buchgeld“ genannt – ins Auszahlung bis zur vollständigen Rückzahlung? Mithilfe des
Spiel. Aber was ist das überhaupt – „Banken-“ oder „Buch- Kredits kauft sich der Kreditnehmer vielleicht eine Woh-
geld“? Einfach gesagt, sind das die Guthaben auf den Spar- nung. Das Geld kommt so auf das Konto des Verkäufers, der
und Girokonten der privaten und öffentlichen Geldinstitute. damit z. B. die Rechnungen von Handwerkern bezahlt. Der
Guthaben sind Geldbeträge, die z. B. durch die Überweisung Handwerker wiederum bezahlt mit dem Geld die Gehälter
des Einkommens oder die Vergabe eines Kredits einem seiner Angestellten oder investiert in sein Unternehmen –
Girokonto gutgeschrieben werden. In beiden Fällen handelt und so weiter und so weiter. Das Geld, das durch die Bank
es sich um Geld, das nur ein Eintrag von Zahlen in den geschaffen wurde, zirkuliert also weiter von Bankkonto
Geschäftsbüchern einer Bank ist. Es ist also kein Bargeld, zu Bankkonto. Wie ich aber bereits vorhin sagte, muss der
sondern es wird darüber nur „Buch geführt“, d. h., es wird Kreditnehmer den Kredit letztlich zurückzahlen. Mit jeder
aufgeschrieben, wie viel Geld auf dem Konto eines Kunden Rückzahlung durch den Schuldner wird die Forderung der
ist, also über wie viel Geld der Kunde verfügen kann. Daher Bank geringer. Indem der Kredit zurückgezahlt wird, hebt
stammt der Name „Buchgeld“, auch wenn heute statt Ge- sich die Forderung der Bank gegenüber dem Kreditnehmer
schäftsbüchern Datenbanken verwendet werden. nach und nach auf und das Geld wird nach vollständiger
Konkretes Geld, d. h. Geld in Form von Geldscheinen und Rückzahlung aus den Büchern der Bank gestrichen. Waren
Münzen, kommt erst zum Einsatz, wenn wir einen Geld- durch den Kredit zuvor 100.000 Euro wie aus dem Nichts
betrag vom Bankkonto abheben, um etwas bar zu bezah-

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erschaffen worden, so sind sie nun als Buchgeld nicht mehr würde das bisherige Modell der sozialen Absicherung
existent. erweitert bzw. durch ein garantiertes Mindesteinkommen
ersetzt.
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Sprecherin: Vorlesung – Teil 4 1 | 21
Professor: Wie wir gesehen haben, hat das Geld neben sei- Sprecherin: Eröffnungsvortrag – Teil 2
ner Funktion als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel Professorin: Um besser verstehen zu können, was das
auch die Funktion, die Beziehung zwischen dem Kreditge- Besondere am „bedingungslosen Grundeinkommen“
ber und dem Kreditnehmer abzubilden. Daraus folgt, dass ist, möchte ich kurz auf unser heutiges Sozialsystem in
das gesamte Finanzsystem, wie wir es kennen, auf Vertrau- Deutschland eingehen. Dieses hat seine Wurzeln in den
en basiert. Angefangen von dem Geldschein, dessen mate- ersten staatlichen Sozialversicherungen des 19. Jahrhun-
rieller Wert nur aus einem Stück Papier besteht, bis hin zu derts. Die damaligen Gesetze waren eng an den Status
der Geldschöpfung aus Krediten – solange alle Beteiligten der Arbeitnehmerschaft gebunden. Sie galten also nur für
den Banken ihr Vertrauen schenken, kann das Finanzsys- angestellte Beschäftigte, woran sich im Prinzip bis heute
tem problemlos bestehen. Hätten die Bankkunden jedoch nichts geändert hat.
die Befürchtung, dass der Wert ihres Geldes von jetzt auf Das Sozialsystem in Deutschland ist dafür da, die Men-
gleich massiv sinkt, würden sie sofort zu den Bankschaltern schen vor Armut zu schützen. Dafür gibt es z. B. die Renten-
laufen, um ihr gesamtes Guthaben in Form von Bargeld ab- und Krankenversicherungen. Neben diesen Versicherungen
zuheben. Es käme zu einer Bankenpanik wie im Jahre 1931. existieren außerdem noch zwei weitere wichtige Bestand-
Damals mussten in Deutschland alle Großbanken eine Zeit teile des Sozialsystems: das Arbeitslosengeld und die so-
lang schließen, weil sie kein Geld mehr auszahlen konnten. genannte Grundsicherung. Mit ihnen hilft der Staat seinen
Seitdem ist in Deutschland etwas Vergleichbares zum Glück Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie ihren Arbeitsplatz
nicht wieder vorgekommen. verlieren oder aus anderen Gründen nicht selbst für ihren
Eine andere Vertrauenskrise liegt noch nicht sehr lange zu- Lebensunterhalt sorgen können.
rück. Es ist die internationale Finanz- und Bankenkrise aus Das Arbeitslosengeld, die erste Säule der sozialen Absiche-
dem Jahr 2008, als plötzlich klar wurde, dass einige Banken rung, wird von der Arbeitslosenversicherung gezahlt. Die
Kredite vergeben hatten, die wohl nie mehr zurückge- Arbeitslosenversicherung selbst finanziert sich durch die
zahlt werden könnten. Eine Folge davon war, dass Banken Versicherungsbeiträge, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer
untereinander keine Kredite mehr vergaben, was weltweit bezahlt haben. Das bedeutet in der Praxis: Das Arbeitslo-
sehr negative Auswirkungen hatte. Doch wie lassen sich zu- sengeld erhalten nur Personen, die vorher gearbeitet und
künftig solche Krisen verhindern? Längst gibt es zahlreiche auf diese Weise in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt
Vorschläge aus Wissenschaft und Wirtschaft, wie man das haben. Doch auch diejenigen, die längerfristig keinen Platz
Finanzsystem verändern könnte, damit es auch in schwieri- im Arbeitsmarkt finden oder deren Arbeitsfähigkeit etwa
gen Zeiten stabil bleibt. … durch Krankheit eingeschränkt ist, benötigen eine soziale
Unterstützung. Diese wird durch die Grundsicherung ge-
leistet, die zweite Säule im heutigen Sozialsystem. Anders
Auf dem Weg zu Prüfung 2 als das Arbeitslosengeld wird sie aus Steuern finanziert.
1 | 20 Auf die Grundsicherung hat, wie bereits erwähnt, jeder An-
Sprecherin: Eröffnungsvortrag – Teil 1 spruch, der für seinen Lebensunterhalt nicht selbst sorgen
Professorin: Guten Tag, meine Damen und Herren! Bitte kann. Sie wird unabhängig davon gezahlt, ob man schon
unternehmen Sie mit mir eine kleine gedankliche Reise: Die einmal gearbeitet hat oder nicht.
Corona-Pandemie hätte diesen Teil der Welt verschont; im In der aktuellen Diskussion um einen Wechsel im System
Arbeitsleben wäre alles so geblieben wie bisher, Theater, der sozialen Absicherung ruft eine Eigenschaft der disku-
Restaurants und Kneipen hätten nicht schließen müssen. tierten Alternative besonders viel Widerspruch hervor. Es ist
Die Vorstellung, einmal keine Aufträge zu bekommen oder die Tatsache, dass das vorgeschlagene Grundeinkommen
nicht zur Arbeit gehen zu können, wäre als denkbar, aber „bedingungslos“ sein soll. Dies bedeutet: Jede Bürgerin und
nicht mit dieser Dramatik wahrgenommen worden. jeder Bürger würde es bekommen, ohne eine Gegenleis-
Wie Sie wissen, sah die Realität im Jahre 2020 und 21 an- tung dafür erbringen zu müssen. Die Auseinandersetzung
ders aus. Die finanziellen Verluste waren überall zu spüren, darüber ist deswegen so groß, weil darin der Hauptunter-
doch waren sie auch ungleich verteilt. Unter den Berufs- schied zum heutigen staatlichen Hilfsangebot liegt. Denn
gruppen, die mit am stärksten betroffen waren, gewann das bisherige existenzsichernde Mindesteinkommen, die
daher eine bereits länger geführte Diskussion wieder an Grundsicherung, ist, wie Sie wissen, durchaus an Bedin-
Aktualität, nämlich die Diskussion über das sogenannte gungen geknüpft: Wer sie erhält, muss bereit sein, eine
„bedingungslose Grundeinkommen“, das in anderen angebotene Arbeitsstelle auch dann anzunehmen, wenn
Ländern auch „Basiseinkommen“ oder „Existenzminimum“ sie nicht im Bereich der eigenen Ausbildung oder weit
genannt wird. Bei dem bedingungslosen Grundeinkom- unterhalb der eigenen Qualifizierung liegt.
men handelt es sich um den Vorschlag, jeder Bürgerin und
jedem Bürger ein staatliches Einkommen zu zahlen, und 1 | 22
zwar unabhängig davon, was die Person macht, und ohne Professorin: Zum Schluss möchte ich kurz einige Argu-
dass man etwas dafür tun muss. Ein solches Grundeinkom- mente der Befürworter des „bedingungslosen Grundein-
men wäre also an keine Bedingungen geknüpft. Dadurch kommens“ darlegen. Ich konzentriere mich hierbei auf die

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volkswirtschaftlichen Aspekte. Zu den anderen Gesichts- Fr. Mende: Nein, da kann ich meinem Kollegen überhaupt
punkten dieses Themas werden Sie in unserer Ringvorle- nicht zustimmen. Ein „bedingungsloses“ Grundeinkommen
sung weitere Vorträge hören. hätte wahrscheinlich negative Auswirkungen auf den
Darauf angesprochen, wie ein solches „Einkommen für Arbeitsmarkt. Denn, wenn der Zwang wegfällt, den Lebens-
alle“ finanziert werden soll, wird gern darauf verwiesen, unterhalt durch Erwerbsarbeit zu verdienen, dann hätte ich
dass durch einen Systemwechsel für den Staat nicht nur Sorge, dass Arbeitsstellen nicht mehr besetzt werden kön-
finanzielle Belastungen entstehen würden, sondern es im nen. Und das würde sowohl Berufe betreffen, die unsere
Gegenzug auch Einspareffekte gäbe. Besonders in jenen Gesellschaft dringend braucht, als auch Branchen, in denen
Modellen, nach denen Teile der heutigen Sozialversiche- Fachkräfte fehlen.
rung, wie beispielsweise die Arbeitslosen- und Rentenver- Aber es gibt noch etwas, was gegen das bedingungslose
sicherung, wegfallen würden, käme es zu einer Entlastung Grundeinkommen spricht. Es macht schlicht keinen Sinn,
für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Denn da das Versiche- das Geld wie mit der Gießkanne auf jeden Einzelnen zu ver-
rungsprinzip nicht länger gelten würde, müsste man z.B. teilen. Wir sprechen hier schließlich von riesigen Summen.
nicht mehr in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Meines Erachtens müssen wir ganz woanders anfangen:
Aber auch der Staat könnte bei den Ausgaben sparen. Die Wir alle profitieren in Deutschland von einem guten
Regierung könnte nämlich die Behörden abbauen, die zur Bildungssystem. Die Qualität von Bildung und Ausbildung
Verwaltung der Sozialleistungen benötigt werden – und entscheidet mit über den beruflichen Erfolg. Doch wie wir
das sind nicht wenige mit vielen tausenden Mitarbeitern. sehen, fehlt in der Bildung leider das Geld, der Bildungsbe-
Da man keine Anträge mehr prüfen müsste und die Kont- reich ist völlig unterfinanziert. Hier sollte mehr investiert
rolle der Leistungsempfänger nicht länger notwendig wäre, werden. Anstelle allen ein Grundeinkommen zu zahlen und
würde weniger Personal gebraucht. Dadurch würde der so jedem ein bisschen zu geben, sollte der Staat mehr Geld
Staat Milliarden einsparen. für das Bildungssystem ausgeben. Das würde allen mehr
Darüber hinaus würde der Staat eine Vielzahl sozialstaat- helfen.
licher Hilfen einsparen, wie etwa das Kindergeld oder die
Zuschüsse zur Sicherung des Existenzminimums. Sie sehen
also, beim bedingungslosen Grundeinkommen ergäben
Lektion 3
sich zahlreiche Einspareffekte. Die muss man mitbeden- 1 | 24
ken, wenn über das „bedingungslose Grundeinkommen“ Reporter: Guten Tag. Haben Sie eine Minute Zeit für eine
diskutiert wird. Umfrage des Stadtradios?
Frau 1: Hm, äh. – Ja, ganz kurz.
1 | 23 Reporter: Wie finden Sie die Pläne für den Umbau der Ge-
Moderatorin: Ich begrüße Sie zu unserer heutigen Diskus- gend um den Frankenplatz zur Shared-Space-Zone?
sion zum Thema „bedingungsloses Grundeinkommen“. Zu Frau 1: Ich finde die Idee genial. Es wäre doch super, wenn
Gast bei uns sind Achim Baier, Experte für Sozialpolitik, man sich dort wieder besser aufhalten könnte, da das Kon-
und Bettina Mende, Referatsleiterin im Arbeitsministerium. zept ja verlangt, dass alle Rücksicht nehmen müssen –
Herzlich willkommen! Das Thema lautet heute: 1.000 Euro auch die Autofahrer, die müssen ganz langsam fahren. Gut
für jeden – Wie sinnvoll ist ein bedingungsloses Grund- finde ich auch, dass in solchen gemeinsam genutzten Zo-
einkommen? Herr Baier, wie ist Ihre Meinung zu diesem nen keine Autos parken dürfen! Dann ist da Platz für Cafés,
Thema? Tische und Bänke und so – oder für Aktivitäten der Bürger.
Hr. Baier: Also, unser Institut untersucht die Sozialpolitik Allerdings müsste auf jeden Fall kontrolliert werden, dass
und berät die Regierung bei ihren Entscheidungen. Es gibt sich auch alle, besonders die Autofahrer, an die Regeln in
bereits einige Gesetze, die zum Ziel haben, das Existenz- der Shared-Space-Zone halten.
minimum der Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Ein Reporter: Interessant, vielen Dank für Ihre Antwort.
Beispiel dafür ist die Diskussion um die Einführung einer
Kindergrundsicherung. Darüber hinaus gibt es jedoch eine 1 | 25
Entwicklung, die wir aufmerksam verfolgen sollten. Da sich Reporter: Und Sie? Darf ich Sie fragen, wie Sie die Pläne
unsere Arbeitswelt verändert, nimmt die Zahl der Selbst- finden, den Frankenplatz in eine Shared-Space-Zone umzu-
ständigen kontinuierlich zu. Das ist, für sich genommen, wandeln?
durchaus erfreulich. Denn es ist ja nichts Schlechtes, wenn Mann 1: Ähm. Ich habe schon darüber in der Zeitung ge-
Menschen selbst über ihre Arbeit bestimmen. Es gibt hier- lesen und finde die Idee einerseits ganz gut, andererseits
bei jedoch das Problem, dass Selbstständige mit geringem aber auch nicht. Natürlich ist es positiv, wenn es Zonen in
Einkommen wenig Geld für ihre Altersvorsorge zurücklegen der Stadt gibt, die sozusagen ein Treffpunkt für die Gemein-
können. Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen schaft sind. Aber dann muss diese Zone auch unbedingt
würden diese Menschen im Alter besser abgesichert. Ein gut gestaltet sein: Sie sollte Sitzgelegenheiten bieten, gut
solches bedingungsloses Grundeinkommen könnte also beleuchtet sein, grün sein und so weiter. Und ich fürchte,
helfen, sie vor Altersarmut zu bewahren. dass man bei der Gestaltung sparen wird, wie schon in an-
Moderatorin: Für Herrn Baier scheint das bedingungslo- deren Fällen. Also, dass die Autos langsam fahren müssen
se Grundeinkommen nicht im Widerspruch zu unserem und dort nicht lange parken dürfen, finde ich gut. Aber,
heutigen System zu stehen. Sehen Sie das genauso, Frau ähm – wenn ich so darüber nachdenke, gibt es da auch ein
Mende? Problem: Wenn man dort nicht mehr parken darf, können

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z. B. ältere und körperlich eingeschränkte Menschen den stätte außerhalb der Wohngemeinde liegt“. Das Pendeln ist
Platz nicht nutzen, und das wiederum ist nicht gut. ein Massenphänomen. Im Jahr 2019 betraf es 59,4 % aller
Reporter: Ja, das ist wirklich zu bedenken. Und vielen Dank Beschäftigten, Tendenz steigend. Die durchschnittliche
für Ihre Zeit. Pendel-Entfernung betrug knapp 17 Kilometer. Das scheint
nicht besonders viel, aber es kommt darauf an, wie lange
1 | 26 man für diese 17 Kilometer braucht. Es ist nämlich erwie-
Reporter: Guten Tag, haben Sie vielleicht einen Moment sen, dass die gesundheitlichen Risiken für Pendler ab 30
Zeit? Darf ich Sie kurz etwas zu den Plänen für die Umge- Minuten Fahrzeit steigen. Und dabei spielt es keine Rolle,
staltung der Gegend um den Frankenplatz fragen? ob es sich um Auto- oder Bahnpendler handelt. Warum
Frau 2: Ja, gern. Ich habe schon in Ihrem Sender davon pendeln dann trotzdem so viele Menschen? Herr Hoff, kön-
gehört und finde das im Prinzip eine sehr gute Idee. Wenn nen Sie als Verkehrswissenschaftler uns bei der Beantwor-
die Autos z. B. nur 20 fahren dürfen, werden viele erst gar tung dieser Frage weiterhelfen?
nicht mit dem Auto kommen. Dadurch wird die Luft besser
und das können wir uns ja nur wünschen. Und ich habe 1 | 29
gelesen, dass dort auch Bänke aufgestellt werden sollen Sprecherin: Radiofeature – Teil 2
und so. Dann wird es da auch Gastronomie, Cafés und so Hr. Hoff: Nun, wie Sie eben schon gesagt haben, sind die
was geben – es wird also eine lebendige Zone. Da werden gesundheitlichen Folgen des Pendelns inzwischen sehr gut
sich die Menschen bestimmt gern aufhalten. Allerdings – dokumentiert. Es handelt sich vor allem um Schlafstörun-
ich frage mich doch, ob das wirklich klappen kann. So ganz gen, Bluthochdruck und Kopf- und Rückenschmerzen, die
ohne Verkehrszeichen und Regeln? Kann das nicht gefähr- mit dem Dauerstress beim Pendeln in Zusammenhang ge-
lich werden? Und ob die Menschen wirklich bereit sind, so bracht werden. Warum aber steigt die Anzahl der Pendler
viel Rücksicht aufeinander zu nehmen? Ähm, also, da habe trotz dieser bekannten Probleme weiter an? Laut unseren
ich ernsthafte Zweifel. Außerdem muss man doch auch an Untersuchungen gibt es dafür ganz unterschiedliche Grün-
die Anwohner solcher Plätze denken! Dort kann es nämlich de: Der für den Einzelnen wichtigste Grund fürs Pendeln ist
zu Konflikten kommen. Denn mehr Menschen, die da z. B. zunächst der Lebensmittelpunkt. Vielleicht wohnt man im
bis spät feiern und so, bedeuten ja auch mehr Lärm. Aber eigenen Haus oder es sind Kinder da, die zur Schule gehen,
ja, grundsätzlich finde ich die Idee trotzdem gut. oder alte Eltern, um die man sich kümmern muss, sodass
Reporter: Ja, hoffen wir mal das Beste und vielen Dank! man an einen Ort gebunden ist und ein Umzug in die Nähe
der Arbeitsstelle nicht in Frage kommt. Ist man bereit zum
1 | 27 Umzug, ist es aber häufig sehr schwer, am Arbeitsort eine
Reporter: Hallo. Darf ich Sie auch kurz etwas fragen? passende Wohnung zu finden. Die Situation auf dem Woh-
Mann 2: Ja, wenn’s schnell geht. Ich muss zur Uni. nungsmarkt ist ja bekanntermaßen schwierig. Besonders in
Reporter: Wie finden Sie die Pläne zur Umgestaltung des den Ballungsgebieten fehlen bezahlbare Wohnungen, denn
Frankenplatzes und der anliegenden Straßen zur Shared- in den vergangenen Jahrzehnten wurden zu wenig Woh-
Space-Zone? nungen gebaut, und so wird es wohl noch eine ganze Weile
Mann 2: Ich hab’ noch gar nichts davon gehört, aber ich dauern, bis das Problem gelöst ist. Deshalb suchen viele
fänd’s sehr cool. Ich kenn’ das Konzept aus Holland, da Menschen preiswertere Wohnmöglichkeiten im Umland
kommt es ja auch her. Das funktioniert echt gut. Hier bei oder auf dem Land.
uns kämpft man sich als Fahrradfahrer immer durch die Eine weitere Ursache ist die Situation auf dem Arbeits-
Stadt und ich hab’ manchmal echt Angst in dem dichten markt: Obwohl Fachkräfte gesucht werden, finden gerade
Autoverkehr. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Pläne junge Leute häufig nur Stellen, die befristet sind. Ob diese
umgesetzt würden. Allerdings – das weiß ich wegen der in Zukunft entfristet werden, ist nicht sicher. Und so bleiben
Erfahrungen in Holland – das muss gut überlegt werden! junge Berufstätige häufig erst einmal weiter bei ihren
Bei Projekten, die es schon gibt, wurde z. B. herausgefun- Eltern wohnen und pendeln zu ihrer Arbeitsstelle. Hinzu
den, dass „Shared-Space“ schlecht funktioniert, wenn eine kommt, dass gerade junge Leute, wenn sie ihr Studium
Straße zu lang ist. Dann werden die Autofahrer nämlich oder ihre Ausbildung beendet haben, zunächst einmal
doch ungeduldig und fahren schneller und es wird wieder auch Stellen annehmen, die weiter vom Wohnort entfernt
gefährlich. Das Konzept eignet sich daher eher für Plätze sind. Es gibt z. B. viele junge Fernpendler, die täglich von
und kürzere Straßenabschnitte. Aber hier ist das ja so. Köln nach Frankfurt am Main zur Arbeit fahren – das sind
Daher sind in diesem Fall wohl doch keine Zweifel ange- immerhin fast 200 Kilometer.
bracht. Da bin ich eher optimistisch. Und – das ist endlich Moderatorin: Das ist wirklich erstaunlich. Das bedeutet
mal was für uns Stadtbewohner und hilft dabei auch noch doch sicherlich eine Fahrzeit von drei oder mehr Stunden
dem Klima. pro Tag. Das muss doch sehr stressig sein.
Reporter: Das ist ein interessanter Aspekt. Vielen Dank. Hr. Hoff: Ja, das stimmt schon. Aber sie sind ja noch jung
und für viele stehen andere Dinge im Vordergrund, z. B.,
1 | 28 dass ihnen ihr oft langjähriger Freundeskreis wichtiger ist
Sprecherin: Radiofeature – Teil 1 und sie den nicht verlieren wollen. Und dieses Risiko wollen
Moderatorin: Pendler – man trifft sie jeden Morgen auf sie auch deshalb nicht eingehen, weil sie oft noch nicht
Deutschlands Straßen, Bahnhöfen und Autobahnen. Mehr sicher sind, ob sie überhaupt bei dem neuen Arbeitgeber
als 18 Millionen Menschen in Deutschland pendeln. Laut bleiben werden oder wollen.
offizieller Definition sind das „Berufstätige, deren Arbeits-

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Moderatorin: Ja, da bestätigt sich mal wieder das alte Zeit nur angespannt – die Strecke von Karlsruhe nach Stutt-
Sprichwort „Alles hat seine zwei Seiten.“ – was uns zu gart ist nämlich extrem befahren – und ich käme schon
einem weiteren Aspekt führt. genervt im Büro an.
Moderatorin: Und im Zug? Da nervt Sie nichts?
1 | 30 Hr. Mönch: Na ja, so kann man das auch wieder nicht sagen.
Sprecherin: Radiofeature – Teil 3 Es gibt schon öfter mal Tage, an denen ich sehr genervt
Moderatorin: Frau Wendt, können Sie als Psychologin uns bin – technische Probleme oder Zugausfälle und so. Auf der
vielleicht sagen, welche Auswirkungen das Pendeln hat? anderen Seite liebe ich aber eigentlich auch die Fortbewe-
Fr. Wendt: Ja, gerne. Ein Problem ist, dass viele komplett gung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Hier trifft man auf
unterschätzen, wie belastend das Pendeln auf die Dauer alle möglichen Leute und kann viel beobachten, man nimmt
sein kann. Gleichgültig, ob man mit dem Auto unterwegs sozusagen als Zuschauer und – oft auch als Zuhörer – am
ist oder mit Bus und Bahn, es ist immer stressig. Kommt öffentlichen Leben teil. Im Zug habe ich schon die merk-
der Zug pünktlich oder fällt er aus? Fällt er aus, habe ich würdigsten Dinge erlebt. Ich habe überraschende Begeg-
im nächsten Zug keinen Sitzplatz und kann nicht in Ruhe nungen gehabt und interessante Gespräche geführt. Das ist
die Präsentation vorbereiten, wie ich es mir vorgenommen doch sehr bereichernd!
hatte. Alles war gut geplant, aber alles kommt anders: Es Natürlich kann es in den öffentlichen Verkehrsmitteln auch
ist voll, laut, die Leute drängeln, der Nachbar hört zu laut manchmal sehr unangenehm sein, aber grundsätzlich finde
Musik, der nächste schreit ins Handy – und so weiter und ich, dass es hauptsächlich auf die Einstellung ankommt:
so fort. Da fahre ich doch besser mit dem Auto und kann Man sollte sich nicht über alles aufregen, man kann es
mich der stressigen Öffentlichkeit entziehen – wie es übri- sowieso nicht ändern. Das heißt aber nicht, dass ich alles
gens 68 % aller Erwerbstätigen in Deutschland machen – laufen lasse, wie es ist. Ich bin nämlich ein aktiver Optimist
bei Strecken von 25 bis 50 Kilometern sind es sogar mehr und mein Motto ist: Wenn man etwas ändern kann, dann
als 84 %. soll man das auch tun. Das würde in diesem Fall heißen:
Moderatorin: Diese Zahlen sollten wir uns noch einmal vor Wenn ein Zugnachbar mal zu nervig ist, kann man schon
Augen führen: 68 % aller Beschäftigten in Deutschland fah- freundlich etwas sagen. Solche Situationen habe ich auch
ren mit dem Auto zur Arbeit, und von 25 bis 50 Kilometern schon ein paar Mal erlebt und meist war das Problem dann
Entfernung sind es sogar mehr als 84 %! schnell geklärt. Also wie gesagt: Öffentliche Verkehrsmit-
Fr. Wendt: Ja, nur mit dem Auto ist der Stress oft auch tel haben zwar manchmal auch Nachteile, aber für mich
nicht geringer. Auf der Straße erwartet den Pendler ja alles persönlich zählen die Vorteile mehr als die Nachteile und
Mögliche: Es regnet in Strömen, es ist glatt, jemand fährt mit dem Auto zu fahren fände ich stressiger. Und in der
zu dicht hinten auf, ein Unfall – und ganz schlimm, er oder heutigen Zeit bei all den Klimaproblemen sollte man das
sie steht im Stau und es geht nicht vorwärts. Das Gefühl sowieso vermeiden, wenn man irgendwie kann.
der Ohnmacht in solchen Situationen, also zu wissen, dass Moderatorin: Interessant, vielen Dank für Ihre Ausführun-
man nichts tun kann, erhöht den Stress um ein Vielfaches. gen.
Man ist angespannt, wird nervös und reizbar, es kommt zu
Aggressionen. Das wiederum hat negative Auswirkungen 1 | 32
auf das Fahrverhalten, sodass es leichter zu Gefahrensitu- Sprecherin: Radiofeature – Teil 5
ationen kommt. In meinen Kursen und Beratungsstunden Moderatorin: Hören wir nun, was Herr Bulut zum Pendeln
können Pendlerinnen und Pendler übrigens lernen, wie sie zu sagen hat. Herr Bulut, Sie wohnen in Blaubeuren und
besser mit diesem Dauerstress umgehen können. arbeiten in Stuttgart. Wie kommen Sie zur Arbeit?
Hr. Bulut: Anfangs bin ich mit der Bahn gefahren. Aber nach
1 | 31 einiger Zeit habe ich entnervt aufgegeben. Irgendein Zug
Sprecherin: Radiofeature – Teil 4 hatte immer Verspätung, auf den Bahnsteigen Chaos, und
Moderatorin: Ja, „Umgang mit Stress“, das ist ein gutes es war mir sehr unangenehm, so oft zu spät zur Arbeit zu
Stichwort. Was kann man denn nun tun, um den Stress zu kommen. Also fahre ich die 80 Kilometer mit dem Auto.
vermindern, wenn man unbedingt pendeln muss? Hierzu Anstatt wie früher um 7:00 Uhr fahre ich jetzt allerdings um
berichten jetzt drei Berufspendler von ihren Erfahrungen. 6:00 Uhr los. Das hat Vorteile – die Straßen sind weniger
Herr Mönch, Sie sind Fernpendler. Sie fahren täglich ca. 160 voll und ich schaffe die Strecke in der Regel in einer Stun-
Kilometer: 80 km von Karlsruhe zu Ihrem Arbeitsplatz bei de. Übrigens nutze ich die Zeit im Auto, um mein Englisch
Bosch in Stuttgart Feuerbach und die 80 km wieder zurück. zu verbessern, ich habe da eine richtig gute App mit einem
Das sind sicherlich mindestens zwei Stunden Lebenszeit. Audio-Sprachkurs, die ich höre, wenn unterwegs nichts los
Wie gehen Sie damit um? ist. Das macht mir richtig Spaß. Und noch etwas Positives:
Hr. Mönch: Ja, mit den zwei Stunden haben Sie recht. Ich Da ich früher anfange zu arbeiten, kann ich abends früher
fahre mit dem Zug, mit der U-Bahn und gehe noch eine kur- Schluss machen und sehe dann noch meine Kinder. Das
ze Strecke zu Fuß. Das klappt in der Regel ganz gut. Aber es Auto ist sozusagen eine Art Privatraum für mich, in dem
gibt natürlich auch öfter mal Probleme. Wenn ich mit dem ich nicht dem Lärm und dem Chaos auf den überfüllten
Auto fahren würde, wäre es vielleicht etwas bequemer, Bahnsteigen und den Tausenden Menschen in und um den
aber meist auch viel stressiger. Denn wenn ich erst mal Bahnhof ausgesetzt bin.
im Zug sitze, ist es eigentlich ganz entspannt. Ich arbeite Moderatorin: Das klingt ja bisher so, als ob Pendeln mit
meist ein bisschen und bereite mich auf den Tag vor. Das dem Auto eher angenehm wäre. Ist das so?
ginge im Auto so nicht, da wäre ich bestimmt die ganze

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Hr. Bulut: Nein, so möchte ich auch nicht verstanden wer- auch einen Umweg, um eine besonders schöne Strecke zu
den. Ich habe schon im Laufe der Zeit gemerkt, dass der fahren.
Verkehr und entsprechend auch die Staus zunehmen. Und Moderatorin: Machen Sie das auch bei Regen und im
manchmal ärgere ich mich auch und fühle mich erschöpft, Winter?
wenn ich nach Hause komme. Ich habe sogar schon – trotz Fr. Schwarz: Die Umwege nicht, aber ich fahre immer mit
meiner familiären Situation – daran gedacht umzuzie- dem Rad zur Arbeit. Bei Wind und Wetter! Bei schlechtem
hen. Aber bei Ihrer Eingangsfrage ging es ja auch darum, Wetter muss man eben nur mehr aufpassen und man
was man als Pendler tun kann, um den Stress durch das braucht natürlich die passende Kleidung. Aber ein Auto zu
Pendeln zu vermindern. Deshalb hatte ich diese negativen unterhalten, wäre teurer und eben umweltschädlich. Wenn
Aspekte mal beiseitegelassen. es sehr viel Schnee gibt oder sehr glatt ist, fahre ich mit
Moderatorin: OK, stimmt. Vielen Dank für Ihre Antwort. öffentlichen Verkehrsmitteln. Aber das kommt ja nicht so
Hr. Bulut: Ähm, wenn ich noch etwas hinzufügen dürfte. Ich oft vor. Und ehrlich gesagt, wenn die Strecke, die ich fahren
sagte ja eingangs, dass ich am Anfang mit der Bahn gefah- muss, länger wäre, würde ich wahrscheinlich nicht mit
ren bin und das hat damit zu tun, dass ich grundsätzlich ein dem Fahrrad fahren, sondern versuchen, näher bei meiner
Verfechter der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln Arbeit eine Wohnung zu finden. Aber so wie es ist, geht es
bin. Wir müssen schon etwas gegen den Klimawandel tun! prima! Und – ich habe sogar noch ein gutes Gefühl dabei!
Dessen bin ich mir bewusst! Aber da liegt eben bei mir, wie Moderatorin: Das klingt doch gut. Frau Wendt, Herr Hoff,
sicherlich auch bei vielen anderen, der innere Konflikt. Bin vielleicht möchten Sie aus Ihrer Sicht noch etwas hinzufü-
ich überhaupt in der Lage, die Belastungen, die durch die gen?
teilweise sehr unbefriedigende Situation bei der Nutzung
von öffentlichen Verkehrsmitteln entstehen, auszuhalten?
Geht das nicht zu sehr auf meine Gesundheit und gefährde
Auf dem Weg zu Prüfung 3
ich dadurch nicht indirekt auch meine Familie? Ich habe 1 | 34
mir darüber sehr viele Gedanken gemacht und die Ent- Reporter: Guten Tag, liebe Hörerinnen und Hörer. Im Rah-
scheidung ist mir nicht leicht gefallen. men unserer Sendungsreihe „Mobilität mit KI“ beschäftigen
Moderatorin: Ja, das ist ein Dilemma! Ich danke Ihnen für wir uns heute mit der Entwicklung des autonomen Fahrens.
Ihre Offenheit. Dafür hören Sie zur Einstimmung die Statements von
8 Passanten, die wir zu ihrer Meinung über das autonome
1 | 33 Fahren befragt haben.
Sprecherin: Radiofeature – Teil 6 Sprecherin: Sprecher 1
Moderatorin: Bleiben wir jetzt trotz Herrn Buluts beden- Sprecher 1: Vom autonomen Fahren erwarte ich viel. Ich
kenswertem Beitrag weiter bei der Frage, was man zur pendle jeden Tag lange Strecken mit dem Auto zur Arbeit.
Stressverminderung tun kann, und hören wir nun noch Wenn ich ein selbstfahrendes Auto hätte, würde mir das
Frau Schwarz, die sich als Fahrradpendlerin bezeichnet und das Leben sehr erleichtern. Ich könnte auf dem Weg zur
täglich 15 Kilometer mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt – und Arbeit schon mal meine Mails lesen und einfache Routine-
natürlich abends auch die 15 Kilometer zurück nach Hause. arbeiten erledigen. Und ich könnte trotzdem gleichzeitig
Frau Schwarz, wie ist das so? den Verkehr im Blick behalten, da ich ja von den sonstigen
Fr. Schwarz: Ja, ähm, gut! Also, früher bin ich mit dem Auto Notwendigkeiten im Auto befreit wäre – wie bremsen,
gefahren, aber die ewigen Staus sind mir echt auf die Ner- schalten, blinken etc. Das stelle ich mir wunderbar vor. Hof-
ven gegangen. Ich kam schon schlecht gelaunt bei der Ar- fentlich ist es bald so weit, dass es entsprechende Autos
beit an. Deshalb bin ich aufs Fahrrad umgestiegen. Es gibt auf dem Markt gibt. Ich weiß, dass es in verschiedenen
zum Glück einen Fahrradweg, der durch Wiesen und Felder Bundesländern Testfelder gibt, auf denen selbstfahrende
und nur sehr wenig über Straßen führt. So kann ich etwas Fahrzeuge getestet werden. Ich fürchte aber, dass es noch
für meine Gesundheit und gleichzeitig für die Umwelt tun. dauern wird, bis solche Autos in Deutschland zugelassen
Und das mit der Umwelt ist mir inzwischen besonders werden, denn es fehlen ja noch die gesetzlichen Regelun-
wichtig! Früher habe ich mich nicht so viel mit dem Aspekt gen.
beschäftigt, aber heute finde ich es unverantwortlich,
wenn man das nicht tut. Wenn jeder sagt, „was kann ich als 1 | 35
Einzelner schon ausrichten?“, wird es nie besser. Ich bin der Sprecherin: Sprecherin 2
festen Überzeugung, dass man die Klimaziele nur erreichen Sprecherin 2: Viele Aspekte des autonomen Fahrens sind
kann, wenn jeder etwas dazu beiträgt! ja schon realisiert, und es werden immer mehr. Wenn man
Ja, und um auf Ihre Frage zurückzukommen, was man zur heute in einem fabrikneuen Auto fährt, ist man überrascht,
Stressverminderung tun kann, wenn man pendelt. Ich kann was für neue Funktionen es da schon wieder gibt und wie
nur sagen, dass ich inzwischen eine begeisterte Radfahre- gut die funktionieren, z. B. diese Assistenzsysteme, die ei-
rin bin – und das Auto ist bei mir schon lange abgeschafft. nem als Fahrerin oder Fahrer viele Entscheidungen abneh-
Es gibt viele Vorteile: Mein Konditionstraining ist schon men. Ich will nur zwei Beispiele nennen, die ich auch selber
vor der Arbeit erledigt und ich komme zufriedener bei der nutze: den Spurhalteassistenten, der verhindert, dass man
Arbeit an. Abends nutze ich die Strecke, um mich zu ent- ungewollt in die Nachbarspur fährt, und den Abstandsreg-
spannen. Ich halte manchmal an und mache Fotos, wenn ler. Mit dem kann man den Abstand zu vorausfahrenden
ich unterwegs was Interessantes sehe, oder ich mache Fahrzeugen einstellen, bei dem man sich sicher fühlt. Falls
sich der Abstand z. B. verringert, bremst das Auto selbst-

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ständig, bis der eingestellte Abstand wieder hergestellt ist. vorgesehen hat? Es ergeben sich also viele rechtliche und
Das ist echt praktisch und verhindert gefährliche Situatio- ethische Fragen. Niemals würde ich ein solches Auto haben
nen. Wenn das viele Menschen benutzen würden, gäbe es wollen!
bestimmt weniger Auffahrunfälle.
1 | 39
1 | 36 Sprecherin: Sprecherin 6
Sprecherin: Sprecher 3 Sprecherin 6: Das Thema „autonomes Fahren“ interessiert
Sprecher 3: Ich interessiere mich sehr für künstliche Intelli- mich, seit ich einmal in einem selbstfahrenden Bus mitge-
genz und KI-Entwicklungen. Ich bin immer gern Auto gefah- fahren bin – das fand ich klasse! Ich arbeite in der ambu-
ren, als junger Mann Autos mit Schaltgetriebe, später dann lanten Altenpflege und bin viel mit dem Auto unterwegs.
mit Automatik. Und nun habe ich ein Auto, in dem es sehr Ich liebe meinen Beruf, aber er ist sehr anstrengend, und
viele KI-Anwendungen gibt, z. B. Abstandhalter, Spurhalter, da wäre eine Entlastung beim Autofahren schon eine super
automatisches Bremsen und Spracheingabe. Das sind alles Sache. Wenn ich mir vorstelle, dass ich mich in ein selbst-
Schritte auf dem Weg zum autonomen Fahren, die ich als fahrendes Auto setzen könnte und auf dem Weg bis zum
sehr angenehm empfinde. Aber das ist natürlich noch kein nächsten Patienten einfach nichts tun müsste, ein Traum!
echtes autonomes Fahren. Das wäre es, wenn man als Fahr- Aber, na ja, Träume sind Schäume! Ich glaube nicht, dass
zeuglenker gar nichts mehr zu tun brauchte. Und das fände die technische Entwicklung zu meinen Lebzeiten noch so
ich gar nicht gut! Ich möchte schon noch Herr über mein weit kommen wird, dass solche Autos erstens zuverlässig
Auto sein. Wenn ich dazu einmal nicht mehr in der Lage funktionieren und zweitens – und das ist sehr wichtig –
bin, will ich lieber meinen Führerschein abgeben, denn auch bezahlbar sind, besonders wenn man nicht so viel
ich würde einem selbstfahrenden Auto nie 100-prozentig verdient. Aber ich werde die Entwicklung bestimmt weiter
trauen, das wäre mir viel zu riskant und außerdem viel zu beobachten.
langweilig, so zu fahren.
1 | 40
1 | 37 Sprecherin: Sprecher 7
Sprecherin: Sprecherin 4 Sprecher 7: Seit Jahren versprechen die Autohersteller, dass
Sprecherin 4: Autonomes Fahren? Das ist ja eher ein Ober- sie bald mit selbstfahrenden Autos in Serie gehen werden,
begriff. Ich studiere „Technische Informatik“ und beschäf- aber bisher sehe ich das nicht. Es sind zwar hilfreiche
tige mich studienbedingt intensiv damit. Man muss da Assistenzsysteme im Einsatz, aber das Ganze ist doch noch
übrigens zwischen fünf Entwicklungsstufen unterscheiden: sehr weit vom autonomen Fahren entfernt. Dabei sind die
Erstens das sogenannte „assistierte Fahren“, zweitens das Potenziale dieser Technologie enorm – für die Sicherheit,
„teilautomatisierte Fahren“, drittens das „hochautomati- die Gesellschaft und den Wirtschaftsstandort Europa. Man
sierte Fahren“, viertens das „vollautomatisierte Fahren“ und weiß ja, dass die meisten Probleme aufgrund menschli-
erst im fünften Schritt kommt man zum echten autono- chen Versagens entstehen. Durch autonom fahrende Autos
men, also fahrerlosen, Fahren. würde dieser Faktor weitgehend ausgeschaltet. Für die
Die Ergebnisse der beiden ersten Entwicklungsstufen Gesellschaft läge die Chance zudem darin, dass ältere oder
findet man schon jetzt in den Serienausstattungen vieler körperlich eingeschränkte Menschen länger mobil bleiben
Fahrzeuge, z. B. in Form von Brems- und Spurhalteassis- könnten und dass man die Zeit während der Autofahrt zur
tenten. Was die anderen Entwicklungsstufen betrifft, so ist Erholung oder produktiv nutzen könnte. Außerdem würde
noch viel zu tun. Erst in Stufe 5 nämlich, beim echten „auto- der Verkehr flüssiger und damit umweltschonender laufen.
nomen“ Betrieb, wird das Fahrzeug komplett eigenständig Daher hoffe ich, dass die Hersteller – gerade jetzt, wo man
von Start zu Ziel gefahren, und der Fahrer ist endgültig wegen der Klimakrise neue Wege gehen muss – sich noch
überflüssig – er ist dann nur noch Passagier. An diesem stärker als bisher im Bereich „Autonomes Fahren“ engagie-
Prozess mitzuarbeiten, finde ich sehr aufregend. ren werden.

1 | 38 1 | 41
Sprecherin: Sprecher 5 Sprecherin: Sprecherin 8
Sprecher 5: Alle reden vom autonomen Fahren. Das geht Sprecherin 8: Gerade habe ich in einem Bericht vom ADAC
mir wirklich auf die Nerven! Ich glaube überhaupt nicht gelesen, dass sich das autonome Fahren nur langsam
dran. Wie soll das denn gehen, wenn die Autos alle ohne durchsetzen wird. Das liege daran, dass Autos durch-
Fahrer durch die Gegend fahren? Stellen Sie sich einmal schnittlich bis zu 20 Jahren im Einsatz sind. Das finde ich
folgende Situation vor: Sie fahren an einer Reihe geparkter wirklich gut nachvollziehbar. Mein Auto fahre ich schon
Autos vorbei. Plötzlich rennt ein kleines Kind auf die Straße. 15 Jahre und es fährt immer noch gut. Wenn das kaputt-
Sie können so schnell nicht mehr bremsen und fahren gehen sollte, werde ich bestimmt kein fabrikneues Auto
deshalb scharf nach links auf die entgegenkommende kaufen, das ist mir viel zu teuer. Also werde ich in meinem
Fahrspur, auf der Ihnen Autos entgegenkommen. Wie Leben bestimmt kein selbstfahrendes Auto mehr besitzen.
würde sich ein selbstfahrendes Auto in dieser Situation Und ob das bei jüngeren Leuten schnell der Fall sein wird,
entscheiden? Wer würde die Verantwortung für die Konse- das bezweifle ich stark. Ich habe nämlich in dem ADAC-
quenzen tragen und für die Schäden haften: Der Fahrer, der Bericht gelesen, dass voraussichtlich erst nach 2040 in grö-
gerade im Vertrauen auf das System die Zeitung liest? Die ßerer Zahl Autos angeboten werden, die komplett autonom
Herstellerfirma, die diese Situation nicht in ihrer Datenbank

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von Tür zu Tür kommen – also, d. h. sowohl auf Autobahnen geben. Die Besucher und Besucherinnen sollen sich darü-
und Landstraßen, als auch in der Stadt keinen Fahrer mehr ber Gedanken machen, welche Konsequenzen der Einsatz
benötigen. dieser Technologien in Zukunft haben könnte, und vor al-
lem auch darüber, wie die Zukunft aussehen soll, in der wir
1 | 42 Menschen gerne leben möchten. Das kann jeder Besucher,
Sprecher: Ich habe mich zuerst sehr für das autonome jede Besucherin zunächst für sich alleine machen. Ziel des
Fahren begeistert. Mit der Zeit bin ich aber skeptisch Konzepts ist es aber auch, Menschen zusammenzubrin-
geworden. Es hat sich nämlich gezeigt, was die techni- gen. Das Museum ist nämlich kommunikativ angelegt. Die
sche Umsetzung extrem komplex ist, denn selbstfahrende Besucher sollen angeregt werden, über Zukunftsthemen
Fahrzeuge dürfen ja keinen Fehler zulassen. Es gibt zwar miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam
bereits Systeme, die z. B. Zusammenstöße zwischen Autos über die Zukunft zu diskutieren.
vermindern, aber es ist natürlich nicht möglich, gleichzeitig
das unberechenbare Verhalten anderer Fahrer zu verhüten. 2|2
Außerdem wird für selbstfahrende Fahrzeuge eine enorme Sprecherin: Präsentation – Teil 2
Rechenleistung nötig, die hochleistungsfähige KI-Computer Student: Ein zentraler Leitgedanke des Futuriums ist die
voraussetzt. Das macht diese Fahrzeuge sehr teuer. Und Möglichkeit zur Partizipation, also dass sich die Besucher
das wieder hat Auswirkungen auf Verbraucher wie mich. Es und Besucherinnen selbst einbringen können. Das Futurium
besteht zwar ein großes Interesse an solchen Fahrzeugen, möchte – wie viele moderne Museen – nicht nur Ausstel-
aber, abgesehen vom Geld, fürchte ich, dass selbstfahren- lungsstücke präsentieren, die konsumiert werden, sondern
de Autos Opfer von Hackern werden könnten. Denn diese es möchte erreichen, dass das Publikum sich beteiligt, dass
Autos sind schließlich rollende Computer. sich die Menschen aktiv mit den Problemen und Möglich-
keiten der Zukunft auseinandersetzen. Das geschieht auf
verschiedene Art und Weise. So gibt es z. B. eine Vielzahl
Lektion 4 von Vorträgen und Debatten, in denen wissenschaftliche
2|1 Experten auch komplizierte Sachverhalte einfach und
Sprecherin: Präsentation – Teil 1 anschaulich erklären. Die leitende Idee dabei ist: Möglichst
Student: Nach diesem kurzen Überblick über die Grün- viele Menschen sollen die modernen Technologien, die in
dungsgeschichte und die spezielle Architektur des Futu- der Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden, kennen
riums möchte ich Ihnen jetzt das Konzept des Museums und verstehen. Denn nur gut informierte Menschen können
vorstellen. Bei der Konzeption des Futuriums war eine sich aktiv an der Gestaltung der Zukunft beteiligen.
Frage von besonderer Bedeutung, nämlich folgende: Wie
schafft man einen Zugang zu den Inhalten. Das Museum 2|3
hat nämlich die Zukunft zum Thema. Aber wie kann man Student: Außerdem gibt es im Museum, ein „Lab“, das ist
die Zukunft präsentieren? Man könnte z. B. Zukunftsprojek- ein Labor, in dem die Besucher selbst aktiv mit der Technik
te präsentieren. Man könnte zeigen, welche zukünftigen umgehen und eigene Ideen umsetzen können. So gibt
Technologien es vielleicht in der Robotik geben wird, oder es z. B. Mitmach-Stationen, an denen man elektrische
wie unsere Gesellschaft in der Zukunft wahrscheinlich Schaltkreise bauen oder einen Roboter programmieren
organisiert sein wird oder auch welche medizinischen Mög- kann, oder es gibt 3D-Drucker, an denen man selbst etwas
lichkeiten es in der Zukunft geben könnte. Ich könnte viele ausdrucken kann. An einer anderen Station kann man
Beispiele auch aus anderen Bereichen nennen, die man beispielsweise auf einem Tablet Sicherheitskonzepte
vielleicht in einem Museum zeigen könnte. Aber das ist für Städte – z. B. den Einsatz von Sicherheitskräften bei
nicht der Ansatz des Futuriums. Denn das wäre in weiten Demonstrationen – in einer Simulation ausprobieren. Diese
Bereichen ja reine Spekulation. Man käme in den Bereich „Technik zum Anfassen“ macht – nicht nur Kindern – Spaß,
der Science-Fiction, wenn man solche Projekte präsentieren sie nimmt den Menschen die Scheu vor den neuen Tech-
wollte. nologien und hilft, sie besser zu verstehen. Damit werden
Daher hat das Futurium einen ganz anderen Ansatz. Es die Besucher und Besucherinnen in die Lage versetzt, diese
geht ihm darum, Einsatzmöglichkeiten und Anwendungs- Technologien besser beurteilen zu können, und sie bekom-
möglichkeiten von heutigen modernen Technologien zu men so eine bessere Vorstellung davon, wie sie mithilfe
zeigen, die Funktionsweise dieser Technologien auf eine dieser Technologien die Zukunft der Gesellschaft gestalten
verständliche Art und Weise zu vermitteln und dann Fragen können.
aufzuwerfen, die die zukünftige Nutzung betreffen. Das
Museum möchte also die Vorstellungskraft der Besucher 2|4
und Besucherinnen anregen. Student: Ein dritter Punkt ist die Mitgestaltung von Aus-
Die zentrale Frage, die auch bei der Eröffnung groß auf der stellungsinhalten. Das ist die konsequenteste Form der
Fassade des Gebäudes stand, lautet: Wie wollen wir leben? Partizipation. Publikum und Museumsmacher begegnen
Die Besucher und Besucherinnen sollen die modernen sich dabei auf Augenhöhe. Dafür gibt es z. B. eine Station,
Technologien kennenlernen, sie sollen sich mögliche an der alle Besucher und Besucherinnen der Ausstellung
Szenarien für die Zukunft vorstellen und – und das ist im ihren Zukunftswunsch eingeben können. Diese Wünsche
Futurium ganz besonders wichtig: Die Installationen und werden digital gesammelt und sind dann auch ein Ausstel-
Objekte im Museum sollen Fragen aufwerfen. Sie liefern lungsobjekt. Um die Besucher einzubinden, gab es übrigens
keine fertigen Antworten, sondern sie sollen Denkanstöße schon vor der Eröffnung des Museums Workshops, in denen

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potentielle Besucher die Inhalte des Museums mitgestal- zu ermöglichen. D. h., sie wollen eine individualisierte
ten konnten. Solche Workshops, in denen man Vorschläge Erfahrung der Besucher ermöglichen. Es gibt also nicht die
zu zukünftigen Themen des Futuriums einbringen kann, eine Erfahrung im Museum, sondern zehn Besucher haben
sollen auch in Zukunft stattfinden. Das ist wirklich inno- zehn unterschiedliche Erfahrungen, und alle sind gleich
vativ! Denn man kann sich vorstellen, dass dabei nicht wertvoll. Man könnte auch sagen: Es geht mehr darum,
nur Zukunftsthemen genannt werden, die im Museum interessante Fragen zu stellen, als schnelle Antworten zu
umgesetzt werden, sondern dass es auch Workshops und geben. Ich denke, diese Folie zeigt, dass das eine entschei-
Diskussionsveranstaltungen geben wird, die zu Aktivitäten dende Veränderung der Rolle von Museen ist. Jetzt denkt
außerhalb des Museums führen können. ihr vielleicht: „Individualisierte Erfahrung“, das klingt gut,
aber wie soll das denn konkret aussehen? Ich möchte das
2|5 nun am Prinzip der Handlungsorientierung anschaulicher
Sprecherin: Referat – Einleitung 1 machen.
Hr. Fauser: Hallo, mein Name ist Simon Fauser und ich be- Um Handlungsorientierung geht es nun hier auf dieser
grüße euch zu meinem heutigen Referat. Mein Thema lau- Folie. Was bedeutet das? Nun, aus der Lernforschung weiß
tet „Konzepte einer modernen Museumspädagogik“. Zuerst man, dass Lernen durch eigenes Handeln wirkungsvoller
muss definiert werden, welche Funktion ein Museum heute ist als nur Sehen oder Lesen. Das habt ihr hier sicherlich
überhaupt hat. Laut der Museumsexpertin Nina Simon in auch schon selbst oft erlebt, z. B., wenn man hier an der
ihrem Buch „The Participatory Museum“ ist ein Museum … Uni lernen soll, ein Essay zu schreiben. In den Seminaren
wird zwar erklärt, wie ein Essay aussehen soll. Aber erst
2|6 wenn man es selbst probiert, bekommt man ein eigenes
Sprecherin: Referat – Einleitung 2 Verständnis davon, was ein Essay eigentlich ist. Man lernt
Fr. Vogt: Guten Morgen! Ich heiße Rebecca Vogt und ich also beim Tun. Museen haben nun verschiedene Möglich-
freue mich, heute mein Referat mit dem spannenden keiten, das Handeln der Besucher zu ermöglichen. Ich zeige
Thema „Konzepte einer modernen Museumspädagogik“ euch im nächsten Teil meines Referats konkrete Beispie-
präsentieren zu dürfen. Bevor ich aber in das Thema einstei- le aus Museen im deutschsprachigen Raum, bei denen
ge, möchte ich eine kleine Umfrage machen. Wer von euch Handlungsorientierung durch praktisches Ausprobieren,
geht in der Freizeit gern und regelmäßig in Museen? – Eine Interaktion oder simulierte Räume ermöglicht wird. Ein
ehrliche Antwort, bitte! – Aha, drei Personen. Und die an- interessantes Beispiel für …
deren zwanzig? Ich vermute, ihr findet Museen prinzipiell
auch nützlich und lehrreich und fragt euch selbst, warum 2|8
ihr trotzdem nicht häufiger ein Museum besucht. Ja, warum Fr. Vogt: So, jetzt muss ich zum Ende kommen, obwohl
eigentlich nicht? Und wie müsste ein Museum sein, damit ich gern noch länger reden würde! Ihr merkt schon, dass
man wirklich gern hingeht? Solche Fragen sind tatsäch- ich von diesem Thema ziemlich fasziniert bin. Halten wir
lich Kernfragen im Diskurs über Wissensvermittlung und kurz noch einmal das Wichtigste fest. Wir haben gesehen,
Lernerfahrungen in Museen. Im Folgenden will ich diesen welche neuen Zugänge die moderne Museumsvermittlung
Aspekt genauer erläutern und mich dabei auf drei Hauptas- ermöglicht, und wir haben einige innovative Beispiele da-
pekte konzentrieren. Erstens … für gesehen. Wir haben aber auch skeptische Stimmen zu
solchen Museumskonzepten gehört, bei denen es vor allem
2|7 um die kritische Frage geht, ob solche modernen Vermitt-
Sprecherin: Referat – Fortsetzung lungsformen wirklich mehr sind als oberflächliche techni-
Fr. Vogt: Zuerst möchte ich mich also auf die theoretischen sche Spielereien. Ich halte die Kritik zum Teil für berechtigt
Grundlagen der Museumspädagogik konzentrieren. Es soll und würde diese Frage daher gerne für die gemeinsame
in diesem Teil um grundsätzliche Aspekte der Vermittlungs- Diskussion vorschlagen. Ich freue mich auf eure Fragen und
arbeit und des Lernens in Museen gehen. Denn so können Kommentare. Danke für eure Aufmerksamkeit.
wir konkrete Museumskonzepte besser verstehen und
einordnen. 2|9
Zunächst sollten wir uns fragen: Welche Funktion haben Sprecherin: Radiofeature – Teil 1
Museen eigentlich. Neben Unterhaltung und Repräsentati- Moderatorin: Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer
on geht es in erster Linie um die Möglichkeit des Lernens. und willkommen zur 5. Folge in unserer Reihe „Technik, die
Damit erfüllen Museen eine gesellschaftlich wichtige die Welt verändert“, heute zum Thema „Künstliche Intelli-
Aufgabe. Lernen kann aber auf sehr unterschiedlichen genz – Wohin geht die Reise?“
Wegen geschehen. Wie ihr auf der Folie sehen könnt, hat Sprecher: Eliza, ich habe ein Problem mit meiner Mutter.
die moderne Museumspädagogik einen anderen Ansatz als Das ist wahrscheinlich nicht einfach für Sie.
die traditionelle. Sie will nicht belehren, sondern eine Art Ähm, Meine Mutter mischt sich in alles ein.
Dialog zwischen den Besuchern bzw. Besucherinnen und Auf welche Art und Weise?
den gezeigten Objekten in Gang bringen. Sie sagt mir, was ich essen soll, welche Kleidung ich tragen
Ihr seht den Unterschied zur traditionellen Museumspäda- soll und wie ich mir die Haare schneiden lassen soll. Ich
gogik hier in einer Gegenüberstellung. Man erkennt in der möchte selbst entscheiden!
rechten Spalte, dass es bei modernen Museumskonzepten Was würde es für Sie bedeuten, wenn Sie selbst entschei-
eher um offene Lernprozesse geht. Sie sind publikums- den würden?
orientiert und versuchen, unterschiedliche Perspektiven

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Moderatorin: Und so weiter und so weiter. So oder so Google Assistant: Hier das Wesentliche laut Wikipedia:
ähnlich funktionierte das erste Computerprogramm, das Künstliche Intelligenz, auch artifizielle Intelligenz, englisch
ein Gespräch zwischen einem Menschen und seinem Thera- „artificial intelligence“ ist ein Teilgebiet der Informatik, wel-
peuten simulierte. Das Programm Eliza, quasi ein Vorläufer ches sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens
heutiger Chatbots, wurde 1966 von Joseph Weizenbaum, und dem maschinellen Lernen befasst.
einem der Pioniere der KI, entwickelt. Natürlich musste
man damals noch alles in die Tastatur eintippen. Das war 2 | 11
der Stand Mitte des letzten Jahrhunderts. Und heute? Wo Moderatorin: Intelligentes Verhalten und maschinelles
stehen wir jetzt? Und – wie könnte es weitergehen? Lernen sind wichtige Stichwörter in dem Bereich künstli-
che Intelligenz. Aber wie soll man es sich vorstellen, dass
2 | 10 Maschinen lernen? Lernen ist doch eine Fähigkeit von
Sprecherin: Radiofeature – Teil 2 Menschen und von Tieren.
Person 1: Die Entwicklung digitaler Technologien, z. B. im Person 2: Das Lernen von Computern hat schon jetzt große
Bereich der IT-Hardware, ist unglaublich. Seit den 60er- Ähnlichkeiten mit dem menschlichen Lernen. Beim maschi-
Jahren des letzten Jahrhunderts wächst z. B. die Anzahl nellen Lernen werden große Datenmengen ausgewertet,
der Transistoren pro Chip exponentiell. Heute sind es schon was durch die schnelle Weiterentwicklung der Technik
Milliarden – unglaublich! Infolge dieser Entwicklung auf möglich geworden ist. Neuronale Netze, also Computerpro-
der technischen Seite haben sich die Anwendungsmög- gramme, die nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns
lichkeiten der künstlichen Intelligenz vervielfacht, da man aufgebaut sind, haben die Datenverarbeitung beschleunigt.
jetzt riesige Datenmengen in kürzester Zeit verarbeiten Das Besondere dabei ist, dass viele parallele Prozessoren –
kann. ähnlich wie im menschlichen Gehirn – die Daten gleichzei-
Dafür gibt es viele Beispiele: Fußball spielende Roboter tig verarbeiten. Dafür ist „Deep Learning“ der Schlüsselbe-
werden z. B. immer präziser in ihren Bewegungen und griff: Viele neuronale Netze werden miteinander verbunden
erkennen immer besser ihre Umwelt. Natürlich ist das nur und lösen gemeinsam ein Problem.
eine Spielerei, denn es wird wohl noch auf absehbare Zeit Beim Lernen geht es immer darum, dass ein Modell sich
interessanter sein, einem echten Fußballspiel zuzuschauen. selbstständig weiterentwickelt, d. h., dass das Modell sich
Aber es ist eine faszinierende und auch wichtige Spielerei. an seine Umwelt anpasst. Das geschieht z. B. dadurch,
Denn Roboter, die ihre Umgebung analysieren und die dass riesengroße Datenmengen in ein Modell eingegeben
sich planvoll in der Umgebung verhalten können, spielen werden; man spricht in dem Fall davon, dass das Modell
in vielen Bereichen eine wirklich große Rolle. Man denke mithilfe dieser Datenmengen „trainiert“ wird. Dabei lernt
nur an autonom fahrende Autos, die sich immer besser das Modell, welche Aktionen besonders günstig sind, um
im Straßenverkehr orientieren können. Oder an Service- ein Ziel zu erreichen. Mithilfe solcher Modelle konnten z. B.
Roboter und Pflege-Roboter, die Aufgaben von Menschen die Energiekosten bei Google deutlich gesenkt werden.
übernehmen, oder Roboter, die in der Lagerhaltung großer Das sind alles beeindruckende Entwicklungen, aber die
Unternehmen eingesetzt werden. Oder der Marsroboter Programme sind sehr komplex und bringen dadurch auch
„Mars-Rover Curiosity“, der seit vielen Jahren den Mars Probleme mit sich. Als Beispiel möchte ich hier eine Soft-
untersucht und seine Ergebnisse an die Forscher auf der ware zur Risikoeinschätzung nennen, die beispielsweise
Erde funkt. Eine andere fantastische Entwicklung sind die in den USA von Gerichten verwendet wird. Diese Software
Nanoroboter – winzigste Roboter, die z. B. in der Medizin unterstützt das Gericht dabei, die Höhe der Strafe zu
verwendet werden können. Sie sind so klein, dass sie in bestimmen, indem sie eine Prognose über die Gefährlich-
den menschlichen Körper eingeschleust werden können keit des Täters für die Gesellschaft abgibt. Das Problem
und dort z. B. Operationen durchführen können. Ein anderes dabei ist, dass das Software-Unternehmen – um sich vor
großes Entwicklungsfeld ist das Gebiet der maschinellen der Konkurrenz zu schützen – keinen umfassenden Einblick
Bildverarbeitung: Man kann riesige Bilddatenbanken in in die verwendeten Daten und die verwendeten Algorith-
kürzester Zeit analysieren und passende Bilder herausfin- men gibt. Deshalb können die Endnutzer, also das Gericht,
den. die Angeklagten und ihre Verteidigung nicht nachvollzie-
Die Anwendungsmöglichkeiten sind in den letzten Jahren hen, wie diese Prognose entstanden ist. Das Problem bei
so vielfältig geworden, man kann wirklich gespannt sein, solchen Programmen ist nämlich: Je nachdem mit welchen
was die nächsten Jahre an Neuigkeiten bringen werden! Daten es trainiert wird, kann es zu sehr unterschiedlichen
Und ich finde das fantastisch! Diese neuen technischen Ergebnissen kommen.
Möglichkeiten werden alle Bereiche unseres Alltags und Daher müsste meines Erachtens der Einsatz solcher Daten
unserer Arbeit revolutionieren und viele neue Möglichkei- und die Entwicklung solcher Software unbedingt von Ge-
ten eröffnen, an die wir jetzt noch nicht einmal denken! sellschaftswissenschaftlern begleitet werden, damit unsere
Moderatorin: Maschinelle Sprachverarbeitung, selbstfah- Gesellschaft keinen Schaden nimmt. Meine Befürchtung ist
rende Autos, maschinelle Bildverarbeitung, Nanoroboter, nämlich, dass wir Menschen mit der Technikentwicklung
die medizinische Operationen durchführen – das alles nicht Schritt halten können. Unsere menschlichen Gesell-
führt uns zur künstlichen Intelligenz. Was ist das eigent- schaften, unsere soziale und politische Ordnung werden
lich, künstliche Intelligenz? Fragen wir einen modernen sich nicht in demselben Tempo verändern können wie die
Nachfahren von Eliza, fragen wir Google Assistant. Google Technik. D. h, die sozialen und politischen Folgen werden
Assistant, was ist eigentlich „künstliche Intelligenz“? wir erst im Nachhinein erkennen und dann ist es vielleicht
schon zu spät.

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2 | 12 der DeepMind-Software „AlphaGo“, einem von Google ent-
Moderatorin: Angesichts der großen technischen Möglich- wickelten Programm, über den weltbesten Go-Spieler. Da-
keiten stellt sich also die Frage nach der Verantwortung. bei muss man wissen, dass das Go-Spiel komplexer ist als
Der Verantwortung für das, was die Entwickler mit der Schach. Es gibt zwar nicht so viele Regeln, aber bei jedem
künstlichen Intelligenz in die Welt setzen. Zug gibt es sehr viele verschiedene Möglichkeiten, sodass
Person 3: Ja, das ist eine ganz zentrale Frage. Wenn man es nicht möglich ist, den besten Zug mit reiner Rechenkraft
sich Filme und Literatur anschaut, sieht man Science- zu bestimmen. Ein Spieler braucht somit Intuition. Deshalb
Fiction-Modelle, in denen die Maschinen die Oberhand hat man bei der Entwicklung von AlphaGo ein anderes
über die Menschen gewinnen. Natürlich sind diese Visionen Verfahren als beim Schachcomputer gewählt. AlphaGo ist
weit entfernt von der Wirklichkeit. Aber schon bei den ein komplexes Modell aus sogenannten tiefen neuronalen
heutigen Möglichkeiten der Robotertechnik stellen sich Netzen. Dieses Modell hat man anhand einer Datenbank, in
viele ethische Fragen. Wenn Roboter, die mit Informationen der 30 Millionen Züge gespeichert waren, trainiert. Mithilfe
über den Feind gefüttert sind, in einen Krieg geschickt der Erfahrungen aus diesen Spielzügen hat sich das Modell
werden und dann anhand dieser Informationen über den selbstständig weiterentwickelt, sozusagen seine eigenen
Feind selbstständig entscheiden, gegen wen oder was sie Intuitionen aufgebaut – und hat schließlich auch den Welt-
tödliche Waffen einsetzen, dann stellt sich die Frage, wie meister des Go-Spielens überflügelt. Das Spiel ging 4:1 für
ein solches Programm gestaltet sein muss, damit die Men- den Computer aus.
schen die ethische Entscheidung über Leben und Tod in der Auch im Bereich der bildenden Kunst, also einem eindeutig
Hand behalten und verantworten können. kreativen Bereich, kann künstliche Intelligenz dank der
Die Frage der Verantwortung gilt für mich auch für die For- neuen technischen Entwicklungen beachtliche Erfolge
schung. Schon in der Pionierzeit der künstlichen Intelligenz aufweisen. 2018 wurde in dem renommierten Auktionshaus
stand die Vision im Raum, dass Roboter Menschen ersetzen Christie’s ein von einem Computerprogramm geschaffenes
sollten. Für Marvin Minsky war es das Ziel, das menschliche Bild für über 400.000 Dollar versteigert. Das Computerpro-
Gehirn im Computer nachzubilden – auch Emotionen wa- gramm, das dieses Bild geschaffen hat, wurde ebenfalls
ren für ihn Prozesse des Gehirns, die nachgebildet werden anhand einer großen Anzahl von berühmten Gemälden
können. Man spricht heute in diesem Zusammenhang von trainiert, hat daraus gelernt und dann selbstständig etwas
starker KI bzw. von Super-KI, wenn es darum geht, dass Neues geschaffen.
Computer handeln und Gefühle entwickeln können wie Dies sind zwar beeindruckende Entwicklungen der KI. Doch
Menschen. fehlt ihnen allen noch die Vielseitigkeit. Noch haben wir je-
Auch wenn viele KI-Forscher viel praktischere Anwendungs- weils ein Programm, dass eine Art von Tätigkeit bewältigt:
möglichkeiten, also keine Super-KI verfolgen, muss man Ein Programm erkennt Gesichter, ein anderes lenkt Autos
sich doch fragen, warum so viele Roboter menschliche und wieder ein anderes schafft ein Gemälde. Der Mensch
Gestalt, ein menschliches Gesicht haben. Für ihre Funktio- funktioniert aber ganz anders. Er hat viele Fähigkeiten und
nalität ist das nämlich nicht notwendig. Ein Serviceroboter, kann diese zudem aus einem Bereich auf einen anderen
der das Personal im Krankenhaus oder Altenheim in der übertragen. Wenn Ingenieure es schaffen, einen Computer
Pflege unterstützt, braucht kein Gesicht, er könnte einfach mit vergleichbaren Fähigkeiten zu entwickeln, also eine
ein viereckiger Klotz mit Sensoren und Griffen sein. Dann Art Supercomputer zu bauen, dann haben sie es geschafft,
wäre es für alle klarer, dass der Roboter eine Maschine ist dann kann man von echter menschlicher Intelligenz spre-
und er kein Ersatz für einen menschlichen Kontakt sein chen. Es gibt Forscher, die meinen, dass das in 40 bis 50
soll. Oder wollen wir, dass die Grenzen zwischen Mensch Jahren der Fall sein kann. Ich bin gespannt!
und Maschine verschwimmen? Ich sehe das Problem, dass (Musikeinspielung)
ungeachtet dieser Gefahr, sich der Trend fortsetzen wird, Moderatorin: War die Musik nun vom Menschen oder von
Roboter dem Menschen optisch anzugleichen. Ich habe der Maschine? Das ist in vielen Fällen gar nicht mehr so
Angst, dass dies zur Folge haben wird, dass wir Menschen einfach zu entscheiden. Intelligente Systeme sind nämlich
uns in unserem Verhalten zumindest teilweise den Compu- bereits Teil unseres Alltags geworden. Die spannende Frage
tern anpassen werden. Für mich ist das eine sehr beunruhi- ist, ob die technische Entwicklung es auch ermöglichen
gende Vorstellung! wird, die verschiedenen erfolgreichen KI-Programme zu
einer Super-KI zu verbinden – in einem Super-Computer,
2 | 13 der dann tatsächlich in der Lage ist, den Menschen zu er-
Moderatorin: Die Grenzen zwischen Mensch und Maschi- setzen. Ob das gelingen wird, das wird die Zukunft zeigen.
ne, das ist ein spannendes Thema. In den Anfängen der KI Ich freue mich schon darauf, in 30 Jahren eine Sendung zu
konnte man das noch eindeutig zugunsten des Menschen diesem Thema zu moderieren und darin die technischen
entscheiden. Ein Computer, dachte man, kann vielleicht Fortschritte zu präsentieren! Und damit verabschiede ich
schnell rechnen und zuverlässig Routineaufgaben ausfüh- mich von Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer. Die Sendung
ren, aber nur der Mensch kann kreativ handeln, hat ein können Sie – wie immer – auch als Podcast in unserer
Bewusstsein und Emotionen. Mediathek finden …
Person 4: Bei der Kreativität ist das mittlerweile schon
nicht mehr so eindeutig. Denn durch die Entwicklung der KI
seit den 90er-Jahren verfügen Computer inzwischen über
Fähigkeiten, die sich dem menschlichen Verhalten und sei-
nem Können annähern. Ein Meilenstein war 2016 der Sieg

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Auf dem Weg zu Prüfung 4 und Maschine Aufgaben nacheinander schrittweise erledi-
gen, also sequenziell arbeiten. Interessanter und weitaus
2 | 14
anspruchsvoller ist jedoch die gemeinsame Bearbeitung
Dozentin: Guten Tag, meine Damen und Herren, ich möchte
von Aufgaben. Um dies zu ermöglichen, arbeiten Forscher
unseren Veranstaltungstag zum Thema „Einsatz von
derzeit an Methoden, die Roboter befähigen, das Verhalten
Robotern in der Arbeitswelt“ mit einem kurzen Vortrag
von Menschen zu verstehen und auf sie zu reagieren. Denn
beginnen. Wie Sie alle wissen, hat sich der Einsatz von
nur wenn das gelingt, können Roboter am Arbeitsplatz
Robotern in der Industrieproduktion in den letzten Jahren
direkt mit dem Kollegen Mensch zusammenarbeiten. Eine
und Jahrzehnten rasant entwickelt. Die ersten Industriero-
entscheidende Voraussetzung hierfür sind weitere Entwick-
boter wurden in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts
lungen in der maschinellen Erkennung von menschlicher
in der Automobilbranche eingesetzt. Inzwischen hat sich
Gestik und der menschlichen Stimme – ein Forschungsfeld,
die Robotik stark weiterentwickelt und kommt in vielen In-
das im Moment intensiv bearbeitet wird.
dustriebranchen zur Anwendung, so z. B. in der Elektro- und
Der dritte Bereich ist die digitale Vernetzung. Um eine
Elektronikindustrie, im Maschinenbau, in der Chemie- und
solche Vernetzung überhaupt zu ermöglichen, müssen
Pharmaindustrie oder in der Landwirtschaft. 2019 waren –
Roboter miteinander kommunizieren können und zwar
laut dem Bericht der International Federation of Robotics –
unabhängig vom Hersteller. Dafür arbeitet die Industrie seit
weltweit 2,7 Millionen Industrieroboter im Einsatz. 2022
einiger Zeit an der Entwicklung einheitlicher Standards für
sollen es 4 Millionen werden.
Schnittstellen von Robotern. Diese Entwicklung, dass unter-
Im Ländervergleich verwendet man die Kennzahl der
schiedlichste Roboter unkompliziert miteinander kommu-
Roboterdichte. Diese Kennzahl besagt, wie viele Roboter
nizieren können, wird die Einsatzmöglichkeiten und damit
im Vergleich zur Anzahl menschlicher Mitarbeiter in einem
die Marktakzeptanz von Robotern noch einmal deutlich
Land eingesetzt werden. Betrachtet man die Roboterdichte
erhöhen. Zudem können dadurch neue Geschäftsmodelle
zum jetzigen Zeitpunkt, stehen Singapur und Südkorea mit
entstehen, z. B. das Roboterleasing. Dies hat den Vorteil,
918 bzw. 855 Robotern auf 10.000 Mitarbeiter an der Spitze.
dass insbesondere mittlere oder kleine Firmen, die sich die
Japan, Deutschland und die USA folgen. Und die Progno-
hohen Anschaffungs- und Unterhaltskosten für Roboter
sen sagen eine deutliche Steigerung der Produktion und
nicht leisten können, mithilfe eines solchen Modells Robo-
des Einsatzes von Robotern in der industriellen Fertigung
ter leasen und so ihre Produktion modernisieren können.
voraus. Diese Vorhersagen basieren auf den folgenden Ent-
Die drei genannten Entwicklungen senken die Hürde für
wicklungen: erstens auf den Verbesserungen bei der Pro-
Unternehmen, ihre Produktion mithilfe von Robotern zu au-
grammierung und Bedienbarkeit von Robotern, zweitens
tomatisieren und damit zu modernisieren. Dies eröffnet die
auf den Fortschritten bei der Interaktion von Menschen mit
Perspektive, dass die Robotik in der Wirtschaftsentwicklung
Robotern und schließlich auf den Entwicklungen bei der
der kommenden Jahre eine prägende Rolle spielen wird.
digitalen Vernetzung.
Kommen wir nun zum ersten Punkt. Roboter sind bislang
2 | 15
nicht nur teuer in der Anschaffung, sondern ihr Einsatz
Moderatorin: In der industriellen Produktion werden zuneh-
führt in der Regel auch zu erheblichen Folgekosten. Robo-
mend Roboter eingesetzt, um die menschliche Arbeitskraft
ter sind nämlich auf einen einzelnen Arbeitsschritt in der
zu ersetzen. Und wie wir im Einführungsvortag eben gehört
Produktion programmiert. Muss das Produktionsverfahren
haben, wird dieser Trend aufgrund der neusten technischen
geändert werden, müssen die Roboter für die neue Aufga-
Entwicklungen noch zunehmen. In unserer Diskussion
be neu programmiert werden. Diese Programmierarbeit
heute geht es daher um die Frage, in welche Richtung sich
kann meist nicht von den Mitarbeitern, die die Maschine
unsere Gesellschaft durch den wachsenden Einsatz von
bedienen, erledigt werden. Stattdessen müssen für jede
Robotern in der Arbeitswelt verändern wird. Mit unseren
Änderung teure externe Informatiker beauftragt werden.
Gästen, Frau Dr. Petri, Referentin für Wirtschaftsplanung im
Inzwischen geht die Entwicklung aber schon dahin, dass
Wirtschaftsministerium, und Herrn Prof. Steger, Professor
die Bedienbarkeit von Robotern erheblich vereinfacht
für Wirtschaftssoziologie wollen wir nun über die Vor- und
wird. Künstliche Intelligenz in der Software ermöglicht
Nachteile, die durch den Einsatz von Robotern entstehen,
es nämlich zunehmend, dass sich Roboter selbst umpro-
diskutieren. Frau Dr. Petri, was können Sie uns zum Einsatz
grammieren können. Soll ein Roboter beispielsweise einen
von Robotern sagen?
neuen Arbeitsschritt in der Produktion ausführen, kann
Dr. Petri: Nun, zunächst mal kann man festhalten, dass der
der Mitarbeiter dem Roboter die gewünschte Bewegung
Einsatz von Robotern große Vorteile hat. Das gilt beson-
zeigen, indem er den Roboterarm so führt, wie es der neue
ders, wenn Roboter gefährliche oder schwere Aufgaben
Produktionsschritt erfordert. Mithilfe von Sensoren erkennt
übernehmen und so die Menschen vor Gefahren bewahren
der Roboter die Bewegung und passt daraufhin sein
oder entlasten. Die Arbeit in radioaktiver Umgebung, mit
Programm selbstständig an. Dadurch kann der Betrieb von
gefährlichen Chemikalien, in der Tiefsee oder im Weltall –
Robotern für die Unternehmen erheblich kostengünstiger
das sind Arbeitsumgebungen, die für die Menschen äußerst
werden.
gefährlich sind. Und wir können froh sein, dass Roboter
Der zweite Bereich, in dem sich eine entscheidende Ent-
diese Aufgaben übernehmen können.
wicklung abzeichnet, ist die Zusammenarbeit von Mensch
Prof. Steger: Da bin ich ja ganz Ihrer Meinung. Roboter leis-
und Roboter. Ein kollaborativer Roboter, auch kurz „Cobot“
ten in diesen Fällen wertvolle und hilfreiche Arbeit für den
genannt, arbeitet gemeinsam mit Menschen an einer
Menschen. Aber ich kritisiere, dass die Befürworter haupt-
Aufgabe. Gegenwärtig gelingt es schon gut, dass Mensch
sächlich diese Beispiele anbringen, die Sie gerade gebracht

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haben. Denn tatsächlich werden Roboter aber auch – und 2 | 17
zwar in sehr sehr großem Umfang – in Bereichen einge- Martin: Ich bin Martin. Seit zwei Jahren arbeite ich jetzt
setzt, in denen Menschen ohne Gefahr für ihre Gesundheit hier. Mein Chef vertraut mir sehr und bespricht alles mit
gut arbeiten können. Ein Beispiel sind die Automobilbran- mir. Der Nachteil ist, ich muss immer mehr Arbeit überneh-
che oder die Chipherstellung. Beide Branchen haben die men, während die anderen in der Abteilung es ruhig ange-
Produktion bereits zu großen Teilen automatisiert. Dabei hen lassen. Natürlich weiß der Chef, dass ich es besonders
geht es aber weniger um den Schutz der Mitarbeiterinnen gut kann, aber trotzdem! Es wird einfach zu viel. Und wenn
und Mitarbeiter, sondern um Effizienz. Roboter produzieren ich abends mal wieder länger bleiben muss, verabschieden
rund um die Uhr, brauchen keinen Urlaub, werden nicht sich die anderen manchmal richtig fies mit „Viel Spaß bei
krank und verlieren nicht die Konzentration. Deshalb sind der Nachtschicht!“ Niemand hilft mir und ich habe das
sie kostengünstiger als Menschen. Aber was geschieht mit Gefühl, dass sie hinter meinem Rücken über mich reden.
den Menschen, die dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren? Ich glaube, sie sind einfach neidisch auf mich.
Dr. Petri: Ich verstehe Sie ja, aber ich bin überzeugt davon,
dass es sinnlos ist, sich gegen technologische Verände- 2 | 18
rungen zu stellen. Man muss zwischen kurzfristigen und Noah: Ich bin Noah. Ich leite hier den Online-Vertrieb. Wir
längerfristigen Auswirkungen unterscheiden. Kurzfristig haben gerade ein schwieriges Projekt begonnen, das mit
verlieren natürlich dadurch einige Menschen ihre Stelle. sehr viel Arbeit verbunden sein wird. Leider gelingt es mir
Das war in der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert nicht, die Aufgaben so auf das Team zu verteilen, dass alle
nicht anders. Aber dadurch, dass Roboter eingesetzt wer- zufrieden sind. Es gibt die ganze Zeit Konflikte, mal fühlt
den, kann die Industrie kostengünstiger produzieren. Die sich der eine überlastet, mal der andere. Einer wirft dem
Automatisierung ist somit eine Notwendigkeit, um wettbe- anderen vor, dass er zu wenig tut, der andere ihm, dass er
werbsfähig zu bleiben. Und in einer wettbewerbsfähigen zu langsam arbeitet. Obwohl ich ihnen immer sage, dass
Industrie entstehen wiederum neue Chancen, neue Jobs. sie sich beruhigen sollen und dass wir doch ein Team sind,
Davon profitieren alle Menschen. geht das immer weiter. Es ist die Hölle! In der letzten Be-
Prof. Steger: Das bestreite ich ja nicht. Robotereinsatz in sprechung haben sich zwei so gestritten, dass ich dachte:
der Produktion und auch in anderen Bereichen hat viele „Jetzt gehen die aufeinander los.“ Wie soll das bloß weiter-
Vorteile. Selbstverständlich! Aber ich möchte, dass wir gehen? So kann das doch nicht mit dem Projekt klappen!
den Einsatz von Robotertechnologie kritisch begleiten.
Ich möchte, dass wir auch ehrlich auch über negative 2 | 19
Konsequenzen sprechen. Eine Frage, die mich z. B. sehr Hella: Ich heiße Hella. Ich hab’ eine neue Teampartnerin
beschäftigt, ist die psychosoziale Frage. Was macht es mit und leider muss ich sagen, dass ich überhaupt nicht glück-
uns Menschen, wenn wir den Arbeitstag nicht mehr mit lich bin. Sie nimmt die Arbeit kein bisschen ernst, kommt
anderen Menschen, sondern mit Robotern verbringen? zu spät, hält keine Termine ein und hängt die ganze Zeit
Welche Auswirkungen wird das auf unsere psychische an ihrem Handy, ist am Whatsappen und so. Sie sagt, ich
Gesundheit haben? soll mich nicht aufregen, sie wäre doch immer nur ein paar
Dr. Petri: Ja, die Einführung von Robotertechnologie stellt kurze Sekunden am Handy, das wäre doch überhaupt nicht
eine große gesellschaftliche Herausforderung dar. Verges- schlimm und das würde ihre exzellente Leistung überhaupt
sen Sie aber nicht, dass die Entwicklung in der Robotik nicht beeinträchtigen. Aber das stimmt einfach nicht. So
große Fortschritte macht. Computer lernen inzwischen, kann man doch nicht zusammenarbeiten! Die Arbeit leidet
menschlich zu reagieren. Betrachtet man die derzeitige total darunter.
Entwicklung halte ich es für möglich, dass es in 10 bis 20
Jahren ganz normal sein wird, dass wir als Arbeitskollegen 2 | 20
einen Roboter haben. Sprecherin: Teambesprechung – Teil 1
Prof. Steger: Ja, das ist durchaus möglich. Hr. Walz: Guten Tag zusammen.
Hr. Fischer: Tag!
Fr. Ruhe: Hallo!
Lektion 5 Hr. Meinhardt: Guten Tag!
2 | 16 Hr. Walz: Also, Sie hatten mich ja um diesen Termin gebe-
Isa: Mein Name ist Isa. Ich arbeite in einem super netten ten. Angeblich herrscht schlechte Stimmung im Team –
Team. Nur mit unserer Teamleiterin kommen wir überhaupt das habe ich zwar bisher noch nicht bemerkt, aber wenn
nicht zurecht. Wenn wir uns treffen, redet sie endlos und Sie das sagen! Ähm, also – dass es mit dem Projekt nicht
dabei noch so laut! Sie will alles bestimmen und lässt kei- so rund läuft, habe ich allerdings schon bemerkt und da
nen zu Wort kommen – und nach ’ner Zeit hat auch keiner müssen wir was machen. Was die Stimmung betrifft, das
mehr Lust, was zu sagen. Wir haben schon versucht, mit ihr kann doch nicht so problematisch sein, oder? Ich denke, Sie
darüber zu sprechen, aber da ändert sich nichts. Wir sind sind doch alle erwachsen und wenn sich jeder ein bisschen
echt schon alle ganz verzweifelt und total demotiviert. Ich mehr zusammennimmt …
denk’ sogar schon manchmal daran, mir eine neue Stelle zu Fr. Ruhe: Also, entschuldigen Sie, Herr Walz, dass ich Sie
suchen. unterbreche. Was wollen Sie denn mit „angeblich“ und „Sie
sind doch alle erwachsen“ sagen? Meinen Sie, wir bilden
uns das nur ein und sind kindisch? Oder was soll das hei-
ßen? Außerdem …

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Hr. Walz: Nun regen Sie sich doch nicht gleich so auf! Ich meiner Rückkehr aus Kanada kontaktiert und mir geschrie-
wollte nur sagen, dass man als Erwachsener doch kont- ben, dass es Probleme in Ihrem Team gibt. Deshalb schlage
rolliert genug sein sollte, nicht so viel auf Stimmungen zu ich vor, dass zunächst jeder von Ihnen kurz seine Sicht der
geben. Dinge schildert, sodass wir auf diese Weise die Ursachen
für die Schwierigkeiten erkennen können. Ich würde die
2 | 21 genannten Punkte hier auf dem Flipchart notieren und wir
Sprecherin: Teambesprechung – Teil 2 könnten dann über jeden einzelnen Punkt sprechen. Im
Hr. Walz: Aber was ist denn jetzt eigentlich das Problem? Anschluss daran würden wir versuchen, gemeinsam eine
Fr. Ruhe: Dazu möchte ich gerne gleich was sagen. Lösung zu finden. Wären Sie mit diesem Vorgehen einver-
Hr. Walz: O. k., Frau Ruhe, dann fangen Sie an. standen?
Fr. Ruhe: Ja, also: In unserem Team läuft es gar nicht gut. Fr. Ruhe: Ja, das finde ich gut.
Die ganze Arbeitsaufteilung stimmt nicht. Herr Meinhardt Hr. Fischer: Ich auch.
reißt alles an sich und beklagt sich dann dauernd, dass er Hr. Walz: Und Sie, Herr Meinhardt? Was meinen Sie?
zu viel zu tun hat. Wenn Herr Fischer und ich vorschlagen, Hr. Meinhardt: Ja, ja, es gibt Probleme. Es ist wohl nötig,
die Aufgaben anders zu verteilen, sagt er, dass gehe nicht, dass wir die besprechen.
weil wir ja nicht so gut Bescheid wüssten wie er. Aber wir Hr. Walz: Gut. Ähm, und sind Sie denn auch mit dem von
könnten ihm ja dies und das abnehmen. Das ist ganz schön mir vorgeschlagenen Vorgehen einverstanden, oder möch-
arrogant! Wir sind doch keine Befehlsempfänger von Herrn ten Sie es anders angehen?
Meinhardt! Hr. Meinhardt: Äh, ja, hm, o. k. – einverstanden.
Hr. Fischer: Genau! Und wenn wir einen Vorschlag machen, Hr. Walz: Sehr gut! Dann sind wir ja alle einig. Wer möchte
lehnt er den immer, aber auch immer ab! Weil er ja alles beginnen?
besser weiß. Das ist unerträglich und …
Hr. Meinhardt: Also, was soll das denn jetzt? Ich bin doch 2 | 23
hier nicht auf der Anklagebank! Es ist ja wohl nicht ohne Sprecherin: Variante der Teambesprechung – Teil 2
Grund, dass Herr Walz immer mir wichtige Aufgaben über- Fr. Ruhe: Wenn niemand was dagegen hat, möchte ich
trägt. Es ist eben so, dass ich am besten über das Projekt gerne anfangen. Ist das in Ordnung?
Bescheid weiß. Und eins muss ich sagen: Sie beide sind Hr. Walz: Ich sehe, die Kollegen nicken. Vielleicht noch kurz
leider überhaupt nicht kooperativ und wollen mich nicht etwas Wichtiges vorweg: Lassen Sie uns ein paar Regeln
entlasten, sodass ich keinen Abend vor 20:00 Uhr nach aufstellen. Herr Fischer, wären Sie so freundlich, die Regeln
Hause komme und das Wochenende … kurz auf dem Flipchart zu notieren, damit wir sie während
Hr. Fischer: Mir kommen die Tränen! Sie Armer! Wie Frau des Gesprächs vor Augen haben?
Ruhe schon gesagt hat: Sie reißen alles an sich und Hr. Fischer: Gerne.
behaupten dann, nur Sie könnten es. Dann dürfen Sie sich Hr. Walz: Vielen Dank! Also, erstens: Jeder kann ausreden,
aber auch nicht beklagen! niemand unterbricht den anderen.
Hr. Walz: Also kommen Sie mal! Jetzt muss ich hier aber mal Hr. Fischer: Ich notiere nur Stichpunkte: Ausreden lassen,
eingreifen! So können Sie doch nicht mit Herrn Meinhardt nicht unterbrechen. O. k. so?
reden! Schließlich macht er die ganze Arbeit, und zwar sehr Hr. Walz: Ja, danke. Zweitens: Wir beschreiben die Situation,
gut! Aber Sie scheinen ja nicht so engagiert zu sein, wenn wir geben keine Bewertung ab.
ich höre, dass Sie sich weigern, Herrn Meinhardt zuzuarbei- Hr. Fischer: Situation beschreiben, nicht bewerten.
ten! Ich möchte, dass Sie das in Zukunft tun und schlage Hr. Walz: Drittens: Wir machen keine Vorwürfe und fällen
vor, dass Sie sich mit ihm zusammensetzen und schriftlich keine Urteile.
festhalten, welchen Teil jeder von Ihnen übernimmt. Hr. Fischer: Drittens: Keine Vorwürfe, keine Urteile.
Hr. Meinhardt: Ja, guter Vorschlag und … Hr. Walz: Und viertens: Wir schildern die Probleme aus un-
Fr. Ruhe: Wie? Gut? Entschuldigung, Herr Walz. Aber so geht serer Sicht, d. h., jeder spricht nur für sich. Wir formulieren
das nicht. Schließlich haben wir Aufgabenbeschreibungen. also „Ich-Botschaften.“
Wir sind nicht die Untergebenen von Herrn Meinhardt, Hr. Fischer: Viertens: Eigene Sicht schildern, „Ich-Botschaf-
zumal wir die gleiche Funktion haben wie er! ten“
Hr. Meinhardt: Ähm, also ich meine … Hr. Walz: Gut! Sind Sie alle einverstanden mit diesen
Hr. Fischer: Ich meine auch: So kommen wir nicht weiter! Regeln?
Ich glaube, wir sollten uns an den Betriebsrat wenden und Fr. Ruhe: Ja, gut. O. k.
dem mal die ganze Situation … Hr. Fischer: Ja, o. k.
Hr. Meinhardt: Ähm – äh, ich …
2 | 22 Hr. Walz: Ja, Herr Meinhardt?
Sprecherin: Variante der Teambesprechung – Teil 1 Hr. Meinhardt: Ich fände es gut, wenn jeder ungefähr gleich
Hr. Walz: Guten Tag zusammen. lang sprechen würde, z. B. maximal zwei Minuten.
Hr. Fischer: Tag! Hr. Walz: Was meinen die anderen?
Fr. Ruhe: Hallo! Hr. Fischer: Ja, das fände ich auch gut.
Hr. Meinhardt: Guten Tag! Fr. Ruhe: Ich auch.
Hr. Walz: Schön, dass Sie alle da sind. Zunächst einmal Hr. Fischer: O. k., dann notiere ich noch: Fünftens: Jeder
Ihnen, Frau Ruhe und Herr Fischer, vielen Dank für die spricht ungefähr gleich lang.
Anregung zu diesem Treffen. Sie haben mich ja direkt nach

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2 | 24 haben, wenn ich mal ein bisschen über die viele Arbeit
Sprecherin: Variante der Teambesprechung – Teil 3 geklagt habe. Das war ziemlich unfair von ihnen! Schließ-
Hr. Walz: Sehr gut, dann können wir ja beginnen. Ach, ehe lich habe ich Familie und zwei kleine Kinder zu Hause. Da
ich es vergesse: Zu diesem Teil unserer Besprechung werde könnten sie ruhig etwas kooperativer sein!
ich das Protokoll schreiben. Danach kann das vielleicht ei- Hr. Walz: Herr Meinhardt, entschuldigen Sie bitte die Un-
ner von Ihnen übernehmen. Frau Ruhe, Sie haben das Wort. terbrechung. Aber darf ich Sie an die Regeln 2 und 3 hier
Fr. Ruhe: Ja, also, Herr Fischer und ich haben uns erst jetzt erinnern, ja? Ähm, aber fahren Sie doch bitte fort.
an Sie gewandt, weil Sie ja die letzten Wochen bei unserer Hr. Meinhardt: Ja, ja, ich versuche es: Also, ich habe das Ver-
Tochtergesellschaft in Kanada waren und wir das gerne halten als unfair empfunden, weil ich halt so viel mehr als
persönlich besprechen wollten. Ähm, also – Sie hatten sie arbeiten muss. Ja, und ehrlich gesagt, es gibt noch eine
ja Herrn Meinhardt den Auftrag gegeben, in Ihrer Abwe- zweite Sache: Ich habe mich auch irgendwie ausgeschlos-
senheit das neue Projekt mit uns beiden gemeinsam zu sen gefühlt, weil die beiden viel miteinander, aber nicht
starten. Aber irgendwie ist das Projekt aus unserer Sicht mit mir kommunizieren. Äh – und sie gehen in der Mittags-
nicht gut angelaufen. Wir empfinden die Zusammenarbeit pause z. B. mit den Projektmitarbeitern aus der IT-Abteilung
in unserem Team als sehr unbefriedigend. Die Aufgaben zum Essen, äh – aber mich haben sie noch nie gefragt,
sind nicht gut aufgeteilt und es gibt aus meiner Sicht zu ob ich mitgehen möchte. Und so. – Ähm, obgleich ich das
wenig Kommunikation. Herr Meinhardt beklagt sich oft, könnte, möchte ich mich jetzt allerdings nicht weiter dazu
dass er zu viel zu tun hat, während Herr Fischer und ich äußern. Ich hätte aber gern, dass Sie, Herr Walz, jetzt auch
nicht ausgelastet sind. Wir haben Herrn Meinhardt schon etwas dazu sagen.
vorgeschlagen, dass wir uns zusammensetzen sollten,
um die Aufgaben im Projekt anders zu verteilen. Aber das 2 | 27
möchte er nicht. Er sagt, dass Sie, Herr Walz, ihm die Auf- Hr. Walz: Das tue ich gern. Als erstes danke ich Ihnen, dass
gaben übertragen haben, weil er besser in der Materie Be- Sie so offen sind. Und ich werde versuchen, das auch zu
scheid wüsste und es daher nicht gehe, dass er uns etwas sein. Ich denke, dass ich selbst auch einen großen Teil der
abgibt. Wir könnten ihm höchstens bei bestimmten Details Verantwortung für diese Situation trage, denn ich muss
zuarbeiten, z. B. die Zuliefererliste aktualisieren, Termine für mich natürlich fragen, warum Sie sich nicht schon früher
ihn machen und ähnliches. Ähm. Also, äh – ich komme mir mit mir in Verbindung gesetzt haben, um mich über die
dann vor, als ob er uns für unfähig hält und uns nur Hilfs- geschilderten Schwierigkeiten zu informieren. Schließlich
arbeiten zutraut. Für mich ist das eine sehr unangenehme hatten wir ja ein paar Mal per Skype Kontakt. Hm. Aber
Situation und ich weiß, dass es Herrn Fischer genauso geht. wenn ich jetzt genauer darüber nachdenke, glaube ich,
dass das auch an mir lag. Ich habe mich ja da immer sehr
2 | 25 kurz gefasst und mich auf knappe Absprachen von Aufträ-
Hr. Walz: Dann beschreiben doch jetzt Sie, Herr Fischer, die gen beschränkt, ohne zu fragen, wie alles läuft und wie es
Situation aus Ihrer Sicht. Oder sind Sie noch nicht fertig, Ihnen geht. Das tut mir leid. Meine Gedanken waren zu viel
Frau Ruhe? bei den Problemen unserer Tochtergesellschaft in Kanada
Fr. Ruhe: Doch. Das war’s erst mal von meiner Seite. und zu wenig bei Ihnen. Eigentlich hätte ich zwischendurch
Hr. Fischer: Ähm, also – ich kann mich Frau Ruhe nur voll mal für einige Tage hierher zurückkommen müssen, um Sie
und ganz anschließen. Ich habe ein paar Mal versucht, mit hier vor Ort persönlich zu treffen. Hätte ich Sie beim Pro-
Herrn Meinhardt persönlich über das Problem zu sprechen, jektstart besser begleitet und hätten wir zusätzlich online
zumal ich auch den Eindruck hatte, dass er wirklich zu viel ein paar Projektmeetings durchgeführt, dann wären die
zu tun hat und er sich ja auch schon öfters über die viele Schwierigkeiten vielleicht gar nicht aufgetreten, da wir die
Arbeit beklagt hat. Diese Gespräche habe ich allerdings Probleme bei der Aufgabenverteilung direkt hätten bespre-
als sehr unangenehm empfunden. Ich hatte nämlich den chen können. Schließlich liegt die ja in meiner Verantwor-
Eindruck, er will so eine Art zweiter Teamleiter sein und wir tung. Ich möchte das aber in Zukunft besser machen und
sollen ihm zuarbeiten. Damit bin ich aber nicht einverstan- hätte darum gern, dass wir jetzt diesen Teil abschließen
den, denn schließlich haben wir alle die gleiche Funktion und gemeinsam Vorschläge für die Lösung des Problems
und wir, Frau Ruhe und ich, sind sogar schon länger hier im sammeln. Wäre das in Ordnung für Sie?
Betrieb als er. Ähm, deshalb haben Frau Ruhe und ich um Hr. Fischer: Ja. Machen wir.
dieses gemeinsame Gespräch heute gebeten. Ja – also, das Fr. Ruhe: Ja, das ist gut.
war’s erst mal aus meiner Sicht. Hr. Meinhardt: Ja, o. k.

2 | 26 2 | 28
Hr. Walz: Gut, dann hören wir doch jetzt, was Sie, Herr Sprecherin: Variante der Teambesprechung – Teil 4
Meinhardt, zu dieser Situation zu sagen haben. Hr. Walz: Bevor wir mit diesem Teil anfangen, eine Frage:
Hr. Meinhardt: Ähm, äh, also – ich bin gerade etwas über- Wer würde das Protokoll schreiben?
rascht und verstehe die Vorwürfe von Frau Ruhe und Herrn Hr. Fischer: Das kann ich übernehmen.
Fischer überhaupt nicht! Ich finde unsere Zusammenarbeit Hr. Walz: Vielen Dank! Also, wer hat einen Lösungsvor-
allerdings auch nicht so besonders, denn die beiden waren schlag? Ja, Frau Ruhe?
nie bereit, mir zu helfen, also mich – äh – bei bestimmten Fr. Ruhe: Mein Vorschlag ist, dass wir so schnell wie mög-
Aufgaben zu entlasten. Ähm, ich hatte sogar manchmal lich die Aufgabenverteilung überprüfen.
den Eindruck, dass sie sich über mich lustig gemacht

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Hr. Fischer: Ja, es ist unbedingt nötig, die Aufgaben anders Auf dem Weg zu Prüfung 5
zu verteilen. Allerdings glaube ich, dass wir das nicht in
2 | 30
dieser Besprechung schaffen können. Dafür brauchen wir
Eva: Hallo Sven, hallo Björn! Entschuldigt bitte die Verspä-
unsere schriftlichen Aufgabenbeschreibungen und sicher-
tung. Ich war gerade noch im Kundengespräch.
lich auch noch eine Reihe von Unterlagen aus dem Projekt.
Sven: Hallo Eva!
Fr. Ruhe: Mmh. Das stimmt. Und vielleicht können wir
Björn: Hallo!
uns erst mal zu dritt, also wir beide und Herr Meinhardt,
Eva: Sollen wir direkt anfangen?
Gedanken über die Aufgabenverteilung machen. Und wenn
Sven: Ja klar. Es geht ja eh nur um die Aufgaben, die wir
wir dann einen Vorschlag haben, besprechen wir den mit
beim letzten Gespräch nicht geklärt hatten. Ich hatte leider
Ihnen, Herr Walz, bei einer zeitnahen neuen Besprechung.
noch keine Zeit, den Vorschlag vom Chef zu lesen, du Björn?
Hr. Meinhardt: Das finde ich gar nicht gut. Ich meine, Herr
Björn: Ja, ganz kurz. Aber, Sven, ich hab’ direkt gesehen,
Walz sollte direkt bei der Besprechung der Neuverteilung
dass ich eine Aufgabe von dir übernehmen soll.
dabei sein, sonst fangen wir vielleicht wieder an zu streiten.
Sven: Echt? Was denn?
Hr. Walz: Das hoffe ich doch nicht! Aber ich denke trotzdem,
Björn: Schau bei mir, da unten: Über „Webshop – da steht’s:
es ist effektiver, wenn ich gleich an Ihrer Besprechung
„Preise für neue Produkte definieren“.
teilnehme. Immerhin trage ich ja die Verantwortung für die
Sven: Hmm, tatsächlich. Lass mal bei mir oben schauen.
Aufgabenverteilung. So können wir auch Zeit sparen. Wie
Stimmt, die Aufgabe steht bei mir nicht mehr. Sie passt bei
lange brauchen Sie denn für die Vorbereitung der Bespre-
dir aber auch besser. Dafür hab’ ich eine Sonderaufgabe
chung? Es wäre nämlich gut, wenn Sie alle Ihre Ideen den
bekommen, die vorher bei dir war, Eva.
anderen vorher schicken würden.
Eva: Ähm – ja, stimmt. Ehrlich gesagt, hatte ich darum
Hr. Meinhardt: Also bei mir geht es frühestens übernächste
gebeten, dass ich entlastet werde. Denn ihr seht ja, ich
Woche. Aufgrund der aktuellen Sachlage habe ich nächste
hab’ immer noch mehr Aufgaben als ihr. Deswegen kann es
Woche besonders viel zu tun.
sein, dass eine meiner Sonderaufgaben dir zugeteilt wurde.
Hr. Fischer: Och nee. Geht das schon wieder los!?
Welche war das denn nochmal? Ach so, genau: Die interne
Hr. Walz: Einen Moment! Ich hätte gern, dass wir jetzt
Kommunikation.
direkt einen Termin machen. Auch wenn Sie viel Arbeit
Sven: Stimmt! Ähm, also gut, ich mach’s. Dann müsst ihr
haben, Herr Meinhardt, machen Sie sich keine Sorgen,
mich aber regelmäßig informieren, sodass ich alles Wichti-
dieser Termin hat absolute Priorität. Schließlich sollen Sie ja
ge gebündelt intern weitergeben kann.
entlastet werden.
Eva: Versprochen.
Hr. Meinhardt: Aha?
Björn: Na klar, Sven.
Hr. Walz: Schauen wir mal in den Kalender. Wie wäre es mit
Sven: O. k. Ähm – äh, bevor wir weitermachen – ich würde
nächsten Dienstag, 23.03., 14:00 Uhr?
gern noch mal zu deinen Aufgaben zurückkommen, Björn,
Fr. Ruhe: Ähm da habe ich schon einen Termin mit einem
und zwar zur zweiten Aufgabe. Hast du wirklich nichts
Zulieferer. Aber 15:00 Uhr ginge.
dagegen, dass du die von mir übernimmst?
Hr. Fischer: Bei mir auch.
Björn: Nein, absolut nicht. Ich muss sowieso immer die
Hr. Meinhardt: Wenn das Priorität hat, wie Sie sagen, Herr
Produktpreise im Auge haben. Das passt doch zusammen.
Walz, dann bei mir auch.
Sven: Dann bin ich ja beruhigt, dass du das auch so siehst.
Eva, hast du noch was?
2 | 29
Eva: Ähm, bei mir ist fast alles klar. Ich behalte ja haupt-
Sprecherin: Variante der Teambesprechung – Teil 5
sächlich die alten Aufgaben: „Pressearbeit, also Pressemit-
Hr. Walz: Dann sind wir uns also alle einig. Ich fasse nun
teilungen, Beantwortung von Presseanfragen“. Äh, dann
zusammen: Sie schicken zur Vorbereitung des Meetings bis
kommt aber etwas, was ich nicht verstehe. Da steht nur
Montagmittag, 22.03., an alle ihre Vorschläge für eine neue
„Multimedia“. Keine Ahnung, was damit alles gemeint ist.
Aufgabenverteilung. Am Dienstag, 23.03., um 15:00 Uhr
Sven: Das fragen wir am besten den Chef.
diskutieren wir Ihre Vorschläge und vereinbaren eine neue
Eva: Ja, ich notier’ mir das. Ja, und der nächste Punkt, das
Aufgabenverteilung, die wir alle unterschreiben. Möchte
sind die ganzen Online-Sachen. Darum muss ich mich wohl
jemand noch etwas hinzufügen? Anscheinend nicht. Dann
mehr als vorher kümmern. Das wird alles ganz schön viel
habe ich jetzt noch eine Bitte: Vielleicht könnten Sie in
Zeit kosten. Ihr seht ja, wie viele Aspekte das sind. Deshalb
den nächsten Tagen schon einmal versuchen, Ihre Zusam-
habe ich eine Bitte an dich, Björn.
menarbeit ein klein wenig zu verbessern. Und ich fände
Björn: Da bin ich aber gespannt!
es schön, wenn Sie morgen mal zusammen Mittag essen
Eva: Das betrifft den Webshop. Björn, deine Aufgabe im
gehen würden!
Webshop ist doch sowieso schon auf Kunden-Feedback zu
Hr. Fischer: Aber gerne doch!
reagieren. Auf meiner Liste steht da noch, dass ich dafür
Fr. Ruhe: Hmhm. O. k.
zuständig bin, auf Kundenanfragen zu reagieren. Könntest
Hr. Meinhardt: Hmhm. O. k.
du das vielleicht machen? Wäre das möglich?
Hr. Walz: Dann bleibt mir nur noch, mich bei Ihnen für Ihre
Björn: Ich denke, das ist kein Problem. Das kann man
Beiträge zu bedanken. Ich freue mich schon auf unser Mee-
zusammen abarbeiten. Dann ist die Verteilung auch klarer:
ting am 23. Und ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.
Sven und ich kümmern uns gemeinsam um den Webshop
Hr. Fischer: Ja, danke. Ihnen auch einen schönen Abend!
und du machst die anderen Online-Sachen.
Fr. Ruhe: Ebenfalls. Danke.
Eva: Super, danke! Dann ist ja alles klar.
Hr. Meinhardt: Danke. Auf Wiedersehen.

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Sven: Ähm, nicht ganz. zu schützen! Aber wenn Schmerzen länger andauern,
Eva: Aha? Was ist denn nicht klar, Sven? haben sie das Potenzial, die Lebensqualität der Betroffenen
Sven: Ähm, also beim ersten Punkt bei mir „Verkaufsförde- massiv zu beeinträchtigen. Und darum soll es in diesem
rung“ finde ich etwas komisch. Jetzt muss ich nicht nur die Vortrag heute gehen.
Maßnahmen einleiten, sondern soll auch noch die Wirk- Die Deutsche Schmerzgesellschaft schätzt, dass ca.
samkeit kontrollieren. Das hast doch du vorher gemacht, 10 Millionen Menschen in Deutschland von chronischen
Eva, oder? Schmerzen betroffen sind, also Schmerzen, die länger als
Eva: Ja. Das stimmt. Aber ich finde die Änderung eigentlich drei Monate andauern. Der Medizinautor Harro Albrecht
logisch, das passt besser zu „Maßnahmen einleiten“. Was behauptet sogar, ein Großteil des Medizinsystems beschäf-
meinst du Björn? tige sich mit nichts anderem als der direkten oder indirek-
Björn: Ja, da stimme ich dir zu. ten Bekämpfung von Schmerzen.
Sven: O. k., ist vielleicht auch besser so, dann kann ich die
Maßnahmen besser einschätzen. 3|2
Eva: Genau. Dann sind wir fertig, oder? Ich würde dem Chef Dr. Klosters: Schauen wir uns dazu eine Statistik an, die
eine E-Mail schreiben – und zwar mit der Frage, mit der anhand von Daten von Schmerzpatienten erstellt wurde.
neuen Aufteilung beim Webshop, und ihn informieren, dass Wie Sie hier in der Grafik sehen, betreffen die meisten
wir drei ansonsten mit dem Entwurf einverstanden sind. Ist chronischen Schmerzen den Bereich des unteren Rückens –
das o. k. für euch? mit 55 % bei den Männern und 63 % bei den Frauen. Häufig
Sven: Ja, klar. betroffen sind außerdem der Nacken, sowie die Schulter
Björn: Ja, danke, dass du das machst. und die Hüfte, aber auch die Knie. Schmerzen im Knie
haben 44 % der männlichen Schmerzpatienten und 42 %
2 | 31 der weiblichen.
Student: Ich bin gegen „Ich-Botschaften“ beim Streiten. Schmerzerfahrungen beginnen bereits früh, wie die nächs-
Stattdessen sollte man auch mal so richtig laut werden und te Grafik hier zeigt: Die Barmer Krankenkasse hat unter
„Du-Botschaften“ verwenden. Denn so kann man seine Kri- Studierenden eine Untersuchung zum Thema „Schmerzer-
tik viel klarer äußern: Wenn ein Kommilitone seine Beiträge fahrungen“ durchgeführt. Diese Umfrage hat gezeigt, dass
nie pünktlich liefert, ist es bestimmt effektiver zu sagen: rund 64 % an Kopfschmerzen leiden. Die Hälfte davon fühlt
„Du bist echt faul! Schon wieder lieferst du deinen Teil nicht sich durch den Schmerz im Alltag deutlich eingeschränkt!
pünktlich. Das reicht uns jetzt!“. Das bringt auf jeden Fall Ja, das ist in der Tat eine erschreckend hohe Zahl.
mehr, als nur vorsichtig von der eigenen Unzufriedenheit
zu sprechen. Außerdem klingen „Du-Botschaften“ authen- 3|3
tischer und prägen sich besser ein. Sie wecken beim Ange- Sprecherin: Vortrag – Teil 2
sprochenen Emotionen, sodass er die Kritik nicht einfach Dr. Klosters: Die Herausforderung bei der Schmerztherapie
übergehen wird. Hinzu kommt, dass „Ich Botschaften“ oft liegt darin, dass die Stärke des Schmerzempfindens nicht
mit einer soften Ausdrucksweise verbunden sind, wie z. B. notwendigerweise mit der Schwere des körperlichen Pro-
„Ich fühle gerade sehr viel Ärger.“ Das wirkt antrainiert, also blems zusammenhängt. Wir Ärzte scheitern immer wieder
nicht ganz echt, und deshalb besteht die Gefahr, dass der daran, bei Patienten mit lang andauernden Schmerzen
Kritisierte die Botschaft nicht ernst nimmt. Es ist also bes- eine eindeutige Ursache zu finden. Und doch spüren diese
ser, wenn ein schwelender Konflikt durch einen richtigen Patienten die Schmerzen ganz konkret! Was wir hier
Krach beendet wird, denn dadurch wird die Zusammenar- lernen können: Schmerz ist nicht nur eine Empfindung, die
beit in der Gruppe besser und erfolgreicher. durch einen konkreten physischen Reiz verursacht wird.
Dozentin: Und was denken Sie zu diesem Thema? Was ist Schmerz ist auch eine Emotion, die in einer ganz bestimm-
Ihre Meinung dazu? ten Lebenssituation entsteht. Andere Gefühle wie Stress,
Isolation oder negative Einstellungen können dabei eine
entscheidende Rolle spielen!
Lektion 6
3|1 3|4
Sprecherin: Hörtexte zum Kursbuch Dr. Klosters: Ich möchte Ihnen das am Beispiel einer Studie
Vortrag – Teil 1 erläutern, die an der Technischen Universität München
Dr. Klosters: Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich durchgeführt wurde. Durch diese Studie wird deutlich, wie
begrüße Sie herzlich zum Patiententag an unserer Klinik. eng der körperliche Schmerz mit dem psychischen Erleben
An Ihrem zahlreichen Erscheinen sieht man, dass das Inter- zusammenhängt. Die Studie lief folgendermaßen ab: 41
esse am Thema „Schmerz“ sehr groß ist! Probanden bekamen schmerzhafte Reize auf die Hand, kon-
Wir alle kennen Schmerz, und man muss sagen: Zum Glück! kret waren das Hitzereize. Die Schmerzstärke veränderte
Denn das, was für uns so unangenehm ist, hat eine wich- sich während einer Dauer von 10 Minuten. Währenddessen
tige biologische Funktion. Akuter Schmerz sorgt nämlich mussten die Probanden ständig die Schmerzstärke bewer-
dafür, dass wir die Gefahr von Verletzungen vermeiden, ten. Dafür haben sie eine Skala benutzt. Gleichzeitig wurde
dass wir uns z. B. beim Sport nicht überlasten oder dass wir die elektrische Aktivität des Gehirns durch ein Elektroen-
im Fall einer Krankheit oder Verletzung dem Körper Ruhe zephalogramm, ein sogenanntes EEG gemessen. Ein EEG
und Gelegenheit zur Heilung geben. Dieser akute Schmerz zeichnet Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche
ist also ein wichtiges Signal und hilft uns, unseren Körper

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der Probanden auf. Dadurch kann man beobachten, was 3|7
sich in ihrem Gehirn abspielt. Hr. Hauptmann: Ich heiße Jens Hauptmann. Ich bin Ingeni-
Im Versuch der Universität München zeigte das EEG, dass eur in einem Forschungsprojekt, bei dem wir Assistenzsys-
bei diesem minutenlangen Schmerz auch Hirnbereiche für teme für den Pflegebereich entwickeln. Also sogenannte
Emotionen aktiv wurden. Der an der Studie beteiligte Neu- Pflegeroboter. Wir arbeiten daran, wie ein Roboterarm den
rologe Markus Ploner berichtet zudem, dass die Teilnehmer Patienten Gegenstände geben kann, z. B. eine Tasse Tee
schon nach einigen Minuten Veränderungen des Schmerzes oder ein Kissen. Für solche kleinen, mechanischen Tätigkei-
gespürt hätten, obwohl die objektive Hitzestärke teilweise ten muss doch nicht immer gleich eine Pflegekraft kom-
unverändert geblieben sei. Die Empfindung von Schmerz men oder ein Angehöriger zur Verfügung stehen. Das kann
habe sich also vom objektiven Reiz gelöst. Das heißt: Je län- eine Maschine genauso gut! Das wäre eine Entlastung für
ger ein Schmerz dauert, desto mehr scheint er von einem das Personal, und die Patienten würden dadurch unab-
biologischen, neurochemischen Prozess zu einem emotio- hängiger. Und außerdem könnte ich mir vorstellen, dass
nalen Phänomen zu werden. manche Situationen für die Patienten mit einem Roboter
sogar angenehmer sind – z. B., wenn man Unterstützung
3|5 bei intimen Vorgängen braucht, also wenn man sich z. B.
Sprecherin: Vortrag – Teil 3 nicht mehr allein waschen kann. Wenn dann immer eine
Dr. Klosters: Wir finden immer mehr Hinweise auf diese Pflegekraft helfen muss, dann könnte man das vielleicht
Verbindung von Körper und Psyche beim Schmerzerleben. als peinlich empfinden. Mit einem Roboter dagegen wäre
So weiß man z. B. inzwischen, dass seelischer Schmerz, wie es einfach eine neutrale Situation. In ein paar Jahren, wenn
Zurückweisung oder Trennungsschmerz, in denselben Hirn- die künstliche Intelligenz noch weiter entwickelt ist als
regionen Aktivität auslöst wie ein rein körperliches Emp- heute, werden wir noch mehr solche Vorteile sehen, davon
finden. Mein österreichischer Kollege Martin Aigner sagt bin ich überzeugt.
daher zu Recht, dass bei chronischem Schmerz ein mul-
tidisziplinärer Therapieansatz nötig sei. Bei länger beste- 3|8
henden Schmerzen sei nämlich eine Verselbstständigung Fr. Reber: Mein Name ist Christa Reber. Ich bin jetzt 78 Jahre
des Schmerzerlebens entstanden, bei dem emotionale und alt und brauche seit drei Jahren täglich Unterstützung im
soziale Aspekte dominant seien. Die traditionelle Trennung Alltag. Meine Tochter und mein Sohn kommen jeden Tag
zwischen den Fachdisziplinen Medizin und Psychotherapie vorbei, bringen Einkäufe und Essen, und morgens und
hilft hier nicht weiter! Man kann sich das gut vorstellen: Da abends kommt auch immer jemand vom Pflegedienst. Ich
sind zum einen Gefühle von Hilflosigkeit und Traurigkeit. brauche halt Hilfe beim Anziehen, im Bad und so weiter. Ich
Zum anderen reagieren Familien, Kollegen und Vorgesetzte weiß, dass das für meine Kinder manchmal schwer ist, weil
der Patienten oft mit Ungeduld und Vorwürfen. Sie sind sie ja selbst auch Kinder haben und beide voll berufstätig
genervt von der ganzen Schmerzthematik und behaupten sind. Das bedrückt mich schon ein wenig, denn ich will
vielleicht sogar, die Schmerzen würden vom Patienten als ja keine Last für sie sein. Aber stattdessen ein Roboter in
Strategie zur Vermeidung unangenehmer Aufgaben einge- meiner Wohnung? Das kann ich mir nicht vorstellen. Macht
setzt. Auch solche negativen sozialen Reaktionen werden der denn wirklich das, was ich will? Und außerdem kann
vom Patienten als Schmerz erlebt. Der Schmerz wird also ich nicht mit ihm reden, das ist ja nur eine Maschine! Nein,
noch schlimmer! Ein medizinischer Schmerzspezialist kann also ehrlich gesagt, ich möchte nicht so kalt und gefühllos
dieses Problem dann nicht allein lösen, da braucht es auch versorgt werden.
eine psychologische Perspektive. Der Kollege Aigner fordert
deshalb, dass für die Schmerztherapie ein biopsychosozi- 3|9
aler Ansatz nötig ist, d. h., dass Schmerz als Gesamtphä- Hr. Koch: Armin Koch, Pfleger. Ich arbeite in einem Senio-
nomen angesehen werden muss, bei dem physiologische, renheim. Bei uns leben viele Patienten und Patientinnen,
aber auch psychische und soziale Faktoren beteiligt sind. die schon um die 90 Jahre alt sind. Einige von ihnen leiden
an Demenz. Weil sie nicht mehr gut orientiert sind, werden
3|6 sie schnell ängstlich oder unruhig. Besonders bei neuen,
Dr. Klosters: Was bedeutet das also für die Patienten mit fremden Situationen. Ich stelle mir vor, wie so ein Pfle-
chronischen Schmerzen? Sie müssen lernen, dass ihnen geroboter einem verwirrten, ängstlichen Patienten das
allein durch ein neues Medikament oder durch einen neuen Essen bringt – du meine Güte! Das ist doch ein Schock!
Arzt nicht geholfen werden kann. Immer mehr Mediziner Das würde bedeuten, dass wir Pflegekräfte immer dabei
sind mittlerweile der Ansicht, dass eine Therapie effektiver sein müssen, um alles zu begleiten und zu kontrollieren.
sei, bei der die Eigenverantwortung und Aktivität der Pati- Da sieht man doch ganz klar: Pflegeroboter können unsere
enten gefördert würden. Manche denken, die Patienten sei- Arbeit nicht ersetzen. Wir brauchen einfach mehr Personal
en bisher teilweise nicht entsprechend behandelt worden, und nicht mehr Maschinen! – Wo ich mir dagegen Roboter
sie sollten als aktiv Handelnde gestärkt werden. Aber was eher als Unterstützung vorstellen könnte, ist der ganze
bedeutet das konkret für eine zeitgemäße Schmerzthera- Bereich von körperlich schwerer Arbeit: Patienten aus dem
pie? Das möchte ich Ihnen jetzt anschließend erläutern. Bett heben, schwere Wäschewagen transportieren und
… so weiter. Viele von uns haben ja wegen der Arbeit schon
chronische Rückenprobleme. Also, ja, da wäre ein Roboter
eine gewisse Hilfe.

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3 | 10 bei ihnen die Durchschnittswerte bei etwas weniger als sie-
Fr. Renner: Ich heiße Patricia Renner und studiere Philoso- ben Stunden Schlafzeit, d. h. sie schliefen nicht länger als
phie mit Schwerpunkt Ethik. In einem Seminar haben wir Menschen in industrialisierten Ländern. Dabei variierte die
neulich über folgendes Szenario diskutiert: Stellen wir uns Schlafdauer von Person zu Person in einem Rahmen von
einen Pflegeroboter vor, der speziell für einsame Patienten 1,4 Stunden.
entwickelt wurde. Der Roboter sieht aus wie ein kleines, Nun, wie kann man diese Daten interpretieren? Wenn Sie
weiches Haustier. Er ist süß, er kann sprechen, singen und zu jenen Menschen gehören, denen fünfeinhalb Stunden
lustige Bewegungen machen. Das ist auf den ersten Blick pro Nacht wirklich reichen, müssen Sie sich keine Sorgen
sicher eine schöne Sache für einen Patienten, der viel allein machen. Wer jedoch genetisch ein 7-Stunden-Schläfer ist,
ist. Aber wie muss man es beurteilen, wenn der Patient aber dauerhaft nur fünf Stunden schläft, tut seiner Gesund-
irgendwie glaubt, der Roboter wäre ein echtes Lebewesen heit sicherlich nichts Gutes. Komplexer ist die Situation
und es wäre eine echte Kommunikation? Nur durch diese bei Langschläfern. Die australische Studie hat nämlich
Illusion hätte er ja wirklich Freude daran. Ja, dann haben gezeigt: Auch eine überdurchschnittlich lange Nachtruhe
wir hier ein ethisches Problem, denn das ist ja eigentlich steht statistisch in Zusammenhang mit einem gesundheit-
eine Täuschung, also eine Lüge. Ist es vertretbar, den Pati- lichen Risiko. Man darf hier jedoch keine falschen kausalen
enten so zu täuschen? Also, darüber haben wir im Seminar Schlüsse ziehen. Werden die Menschen wirklich krank, weil
ziemlich kontrovers diskutiert! sie lange schlafen? Man vermutet, dass es genau anders
herum ist: Wer bereits gesundheitliche Probleme hat, die
vielleicht noch gar nicht erkannt worden sind, hat infolge-
Auf dem Weg zu Prüfung 6 dessen einen gestörten Schlaf und bleibt deshalb länger
3 | 11 liegen. Doch für einen gesunden 9-Stunden-Schläfer gibt es
Professorin: Im ersten Teil meines Vortrags haben wir nach heutigem Wissen wirklich keinen Grund, seine Schlaf-
gesehen, dass ein guter Schlaf ein Schlüssel zu Gesundheit dauer zu verändern.
und Wohlbefinden ist. Doch was ist ein guter, gesunder Den eigenen Schlaf ernst zu nehmen und ihm im Alltag
Schlaf? Die Schlafmedizin konzentriert sich traditionell ausreichend Raum zu geben, ist ein Weg, Verantwortung
vor allem auf den gestörten Schlaf. Schlafstörungen wie für seine Gesundheit zu übernehmen. Dabei sollte man sich
Einschlafprobleme oder langes Wachliegen werden von jedoch nicht von Idealen oder Zahlen bestimmen lassen. Es
den Betroffenen deutlich wahrgenommen und können genügt, auf den eigenen Körper zu hören.
auch im Schlaflabor mit objektiven Methoden identifiziert
und gemessen werden. Doch man braucht eine Vorstellung
von normalem Schlaf, um zu beurteilen, ob man es nur
Lektion 7
mit einer vorübergehenden Störung oder einem ernsten 3 | 13
gesundheitlichen Problem zu tun hat. Normalen Schlaf zu Sprecherin: Vorlesung – Einführung
definieren, ist allerdings nicht ganz einfach, denn Schlaf ist Moderatorin: Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu
etwas Lebendiges: Er verändert sich im Laufe des Lebens einer weiteren Ringvorlesung im Rahmen unseres Studi-
und je nach aktueller Lebenssituation. ums Generale mit dem Thema „Zukunftsfähigkeit: Ent-
Ein relativ einfach messbarer Faktor für guten Schlaf wicklungen und Perspektiven in den Naturwissenschaften“
ist die Schlafdauer. Wie wichtig sie ist, bestätigte eine begrüße ich Sie ganz herzlich. Heute spricht Dr. Thomas
australische Untersuchung mit über 200.000 Personen. In Geelhaar zu uns. Herr Dr. Geelhaar ist promovierter Che-
Fragebögen wurde über mehrere Jahre hinweg nach ihren miker und war in den Jahren 2014 und 2015 Präsident der
Lebensgewohnheiten gefragt. Diese Informationen wurden Gesellschaft Deutscher Chemiker. Schön, dass Sie zu uns
mit ihrem Gesundheitszustand verglichen. Ein andauernd gekommen sind. Das Wort hat nun Dr. Geelhaar, bitte.
verkürzter oder verlängerter Schlaf, d. h. weniger als sieben Dr. Geelhaar: Vielen Dank, Frau Schurich. Sehr geehrte Da-
oder mehr als neun Stunden, wurde als Risiko für die Ge- men und Herren, liebe Kollegen und Kolleginnen, es freut
sundheit identifiziert. Sieben bis neun Stunden pro Nacht mich sehr, dass Sie so zahlreich erschienen sind und dass
stehen dagegen statistisch mit einem guten gesundheitli- ich heute zu Ihnen sprechen darf. Wie Sie gesehen haben,
chen Zustand in Verbindung. Generell liegt für die meisten lautet der Titel meiner Vorlesung „Chemie – die zentrale
Menschen die optimale Länge der Nachtruhe nach eigener Wissenschaft der Zukunft“. Es soll dabei um die Chemie
Aussage im Durchschnitt bei 7,4 Stunden. im 21. Jahrhundert gehen. Dabei werde ich mich auf drei
Themenbereiche konzentrieren.
3 | 12
Professorin: Ein Team um den Schlafforscher Jerome Siegel 3 | 14
wollte herausfinden, ob Menschen länger schlafen, wenn Dr. Geelhaar: Wie bereits erwähnt, habe ich meine Vorle-
sie ohne künstliches Licht leben. Sie untersuchten dafür sung in drei Teile gegliedert: Zunächst möchte ich Ihnen
die Schlafdauer bei indigenen Bevölkerungsgruppen in darlegen, was die Chemie so besonders und so besonders
Bolivien, Namibia und Tansania. Für die Studie trugen die wichtig für unsere Zukunft macht. Im zweiten Teil zeige ich
Menschen mehrere Monate lang Bewegungsarmbänder, die Relevanz der Chemie für unsere moderne Gesellschaft
mit denen Schlafzeiten erfasst werden konnten. Die Ergeb- auf. Und abschließend spreche ich über die Probleme,
nisse waren eindeutig: Die Angehörigen der drei Gruppen vor denen die Chemie meines Erachtens in den nächsten
legten sich ungefähr drei Stunden nach Sonnenuntergang Jahren stehen wird.
zum Schlafen hin. Zur Überraschung der Forscher lagen

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3 | 15 zur globalen Nachhaltigkeit deutlich macht. Dafür müssen
Sprecherin: Vorlesung – Teil 1 wir die Forschung bei solchen Themen wie erneuerbare
Dr. Geelhaar: Lassen Sie mich zu Beginn kurz erläutern, wie Energien und natürliche Rohstoffe weiter betreiben. Wir
ich die Chemie sehe: Ich verstehe die Chemie als verbin- dürfen fossile Brennstoffe nämlich nicht weiter in die
dende Wissenschaft. Damit assoziiere ich drei Aspekte. Zu- Atmosphäre bringen, sondern müssen nach Alternativen
nächst einmal ist die Chemie ja per se die Wissenschaft, die suchen. Und da bin ich bei einem sehr wichtigen Punkt:
neue Moleküle herstellt. Chemie verbindet also bestehende Wir müssen CO2 als Rohstoff betrachten und auch nutzen.
Ausgangsstoffe zu neuen Produkten. Mit dem Verbinden Hier bedarf es weiterer Forschung. Um dies zu verdeutli-
assoziiere ich aber gleichzeitig das Trennen, denn die chen, möchte ich Ihnen zum Abschluss meiner Vorlesung
Ausgangsstoffe für neue Verbindungen müssen zuvor aus als Beispiel ein Unternehmen vorstellen, das in diesem
Rohstoffen abgetrennt werden. Und der dritte Aspekt, den Forschungsbereich sehr aktiv ist. …
ich nennen möchte, ist: Chemie ist die verbindende Wissen-
schaft. Die Chemie ist nämlich als einzige in der Lage, die 3 | 18
großen Herausforderungen der Gesellschaft zu lösen, wenn Studentin: Ähm, also – Chemie ist laut Herrn Dr. Geelhaar
sie noch enger mit Biologie und Physik – und hier insbeson- eine verbindende Wissenschaft: Sie stellt neue Moleküle
dere mit den Ingenieurwissenschaften, also dem Enginee- her, sie trennt Ausgangsstoffe von Rohstoffen ab und sie
ring – zusammenarbeitet. Die Verbindung von Chemie und arbeitet interdisziplinär mit anderen Wissenschaften wie
Engineering wird nämlich immer wichtiger – ganz gleich, Biologie und Physik zusammen. Ähm, z. B. bei der Produk-
ob in der Medizin oder der Materialwissenschaft. Denn die tion von Hightech-Produkten oder so. Dann – ähm, sagt er,
Entwicklung innovativer Hightech-Produkte erfordert, dass dass ähm, dass die Chemie eine unsichtbare Wissenschaft
diese künftig extrem interdisziplinär erfolgen muss. ist. Ihre Bedeutung wird bei neuen Entwicklungen nicht
sichtbar. Genau. Und dann sagt er noch, dass es neue
3 | 16 Herausforderungen gibt, z. B. die Energieversorgung und
Sprecherin: Vorlesung – Teil 2 den Klimawandel. Die fossilen Brennstoffe muss man da
Dr. Geelhaar: Aber hierin – in der Zusammenarbeit mit ersetzen. Und hier muss noch mehr geforscht werden. Hm,
anderen Disziplinen – liegt ein Problem, das ich als die „Un- ich glaub‘, das war’s. Und er hat noch als Beispiel ein Unter-
sichtbarkeit der Chemie“ bezeichnen möchte. Ich möchte nehmen genannt. Das stellt aus CO2 …
nun kurz erläutern, was ich darunter verstehe: Heute gibt
es beispielsweise die Bereiche Materialwissenschaften, Na-
notechnologie, Biotechnologie, Life Sciences, die alle ohne
Auf dem Weg zu Prüfung 7
das Stichwort „Chemie“ auskommen. Und diese – ich nenne 3 | 19
sie einmal – „Folgetechnologien“ haben dazu geführt, dass Moderatorin: Liebe Hörerinnen und Hörer, Kohlenstoffdi-
weniger sichtbar ist, dass es gerade die Chemie ist, die In- oxid ist ein natürlicher Bestandteil der Luft, aber auch ein
novationen auf diesen Gebieten überhaupt erst ermöglicht. wichtiges Treibhausgas. Wie wir alle wissen, hat sich der
Wir leben in einer Welt, in der es die Chemieindustrie nicht Anteil von CO2 in der Atmosphäre in den vergangenen
leicht hat, ihre Bedeutung – beispielsweise für die Techno- Jahrzehnten stetig erhöht und dadurch den Klimawandel
logiesprünge bei Smartphones – sichtbar zu machen, weil befeuert. Nun suchen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft
die Apples und Sonys dieser Welt gar nicht deutlich sagen nach Wegen, den CO2-Gehalt in der Luft zu reduzieren. So
wollen, was da drin ist. Obwohl es kein anderes Produkt entwickeln z. B. Wissenschaftler Verfahren, mit denen CO2
gibt, in dem so viel Chemie steckt! Von den Flüssigkristallen aus Abgasen getrennt und zu Kunststoffen verarbeitet
in den Displays über das Gorillaglas der Touchscreens bis werden kann. Einer, der an dieser Forschung beteiligt ist,
zu den Lithium-Ionen-Akkus und allen anderen Hightech- ist heute bei uns im Studio. Herzlich willkommen, Herr
Materialien für die Elektronik und die Gehäuse finden Sie in Günther.
der aktuellen Handy-Generation fast das gesamte Perio- Hr. Günther: Guten Tag, Frau Adamczek.
densystem der Elemente! Aber das wissen die wenigsten Moderatorin: Sie haben gemeinsam mit anderen Wis-
der Milliarden Nutzer. Ich möchte hier deutlich herausstel- senschaftlern und Wissenschaftlerinnen ein Verfahren
len, welchen wichtigen Beitrag die Chemie hier leistet. entwickelt, mit dem man CO2 als Rohstoff nutzen kann. Was
genau passiert da?
3 | 17 Hr. Günther: Nun, mit dem von uns entwickelten Verfahren
Sprecherin: Vorlesung – Teil 3 können wir das CO2 als Rohstoff für die Produktion neuer
Dr. Geelhaar: Ich glaube, ich konnte aufzeigen, welches Kunststoffe nutzen. Normalerweise wird Erdöl für die
Potenzial in der Zusammenarbeit anderer Wissenschaften Produktion von Kunststoffen eingesetzt. Unser Ziel war es
mit der Chemie liegt. nun, anstelle von Erdöl das CO2 aus Abgasen zu verwenden.
Im dritten Teil meines Vortrags möchte ich nun über die Denn Erdöl ist eine endliche Ressource, die wir späteren
große Herausforderung sprechen, vor der die Chemie Generationen noch lassen sollten.
heutzutage steht. In Zukunft wird es nämlich auch darum Moderatorin: Wie haben Sie das geschafft? Was genau
gehen, dass sich die Chemie über ihre klassischen Gebiete haben Sie da gemacht?
hinaus zu einer nachhaltigen Chemie weiterentwickelt. Hr. Günther: In unserem Modellversuch haben wir dafür
Dazu ist es dringend notwendig, dass sie sich den Themen das Abgas einer benachbarten Chemieanlage gefiltert. Das
„Wandel der Rohstoffbasis“, „Energieversorgung der Zu- aufgefangene CO2 haben wir – eben anstelle des Erdöls –
kunft“ und „Klimawandel“ widmet und damit ihren Beitrag neuen Kunststoffen beigemischt. Solche Kunststoffe finden

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nun bereits in Matratzen, Sportböden, aber auch in Socken Materialien und Produkte so lange wie möglich repariert,
und Funktionstextilien, wie z. B. in Regenjacken oder Out- aufgearbeitet, recycelt und auf diese Weise wiederverwen-
door-Kleidung, Verwendung. Und das Besondere dabei ist: det werden.
In diesen Kunststoffen sind bis zu 20 % CO2 enthalten. Das
ist bereits ein großer Beitrag zum Klimaschutz. Ein weiterer 3 | 21
Beitrag besteht darin, dass wir ein besonders ressourcen- Moderatorin: Nun sind Kunststoffe ja aber auch Teil der
und klimaschonendes Verfahren entwickelt haben, CO2 für Umweltverschmutzung. Was entgegnen Sie Aktivisten, die
die Kunststoffproduktion nutzbar zu machen. So leisten eine „No-Plastic-Strategie“ verfolgen?
wir im doppelten Sinne einen Beitrag zum Klimaschutz: Hr. Günther: Denen antworte ich, dass Kunststoffe ein äu-
zum einen, indem wir CO2 aus der Luft filtern und wieder- ßerst wertvoller Rohstoff sind. Am Ende des Produktlebens
verwenden, und zum anderen, indem wir dank unserer können sie nämlich sehr präzise wieder in den Kreislauf
neusten Entwicklung bei der Weiterverarbeitung des CO2 zu zurückgeführt werden. Sie sind dann eine alternative Roh-
Kunststoff weniger Energie aufwenden müssen und somit stoffquelle für den wichtigen Kohlenstoff. Das hilft, fossile
den CO2-Ausstoß reduzieren. Rohstoffe wie eben Erdöl einzusparen. Und genau das ist
ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zu einer funktionieren-
3 | 20 den Kreislaufwirtschaft. Es geht also darum, Kunststoff in
Moderatorin: Oh, das klingt sehr gut! Könnten Sie uns bitte besonders langlebigen und nachhaltigen Anwendungen
erklären, wie das von Ihnen entwickelte Verfahren funktio- und Produkten zu verwenden. So bleibt das CO2 in den Pro-
niert? dukten gebunden und gelangt nicht wieder in die Umwelt.
Hr. Günther: Ja, gerne. Wissen Sie, CO2 in der Kunststoff- Also, auch wir als Forscher und Forscherinnen arbeiten
produktion zu nutzen, ist ein sehr schwieriger und an- daran, Kunststoffabfall in der Umwelt zu vermeiden und
spruchsvoller Prozess. Denn CO2 ist extrem reaktionsträge. das Klima zu schützen.
Das bedeutet, dass man normalerweise sehr viel Energie Moderatorin: Das ist ein spannender Ansatz! Welche ande-
benötigt, um das Gas zu einer chemischen Reaktion zu ren Innovationen gibt es denn derzeit noch, die vielverspre-
bringen. So viel Energie aufzuwenden, ist jedoch sowohl in chend für die Zukunft sind?
ökologischer, als auch in wirtschaftlicher Hinsicht äußerst Hr. Günther: Ganz neu ist die Entwicklung von Photokataly-
ineffizient. Das ist der Grund, weshalb bisher weltweit alle satoren, also Katalysatoren, die durch Sonnenlicht aktiviert
Versuche zur Nutzbarmachung von CO2 gescheitert sind. werden. Diese können auch dabei zum Einsatz kommen,
Wir haben nun einen neuartigen Katalysator entwickelt, der CO2 in seine Bestandteile zu zerlegen, was, wie ich vorhin
die chemische Reaktion des CO2 beschleunigt und dadurch schon erläutert habe, sehr energieintensiv ist. Das Beson-
sehr viel weniger Energie benötigt. Das war der Durch- dere an diesen Katalysatoren ist: Die dafür notwendige
bruch! Energie ziehen sie aus dem sichtbaren Licht der Sonne, sie
Moderatorin: Für unsere Hörerinnen und Hörer: Können Sie benötigen also keine fossilen Energieträger mehr und scho-
den Begriff „Katalysator“ kurz erläutern? nen so das Klima. Können Sie sich das vorstellen: Allein mit
Hr. Günter: Ja, gern. Als Katalysator bezeichnet man in der Sonnenlicht! Das markiert einen entscheidenden ersten
Chemie einen Stoff, der die Reaktionsgeschwindigkeit einer Schritt auf dem Weg zum Bau von „solaren“ Raffinerien, in
chemischen Reaktion beeinflusst und dabei die Energie, die denen in großem Stil nützliche chemische Verbindungen
dafür benötigt wird, erhöht oder eben wie hier senkt. aus klimaschädlichem Abgas gewonnen werden. Aus die-
Moderatorin: Ah, so ist das. Vielen Dank! Aber nun zu einer sen lassen sich dann komplexere Produkte herstellen – wie
ganz anderen Frage: Worin lag denn Ihre persönliche Moti- z. B. Medikamente, Waschmittel, Düngemittel oder Textilien.
vation für dieses Projekt? Moderatorin: Herr Günther, das ist alles sehr beeindruckend
Hr. Günther: Nun, CO2 als Rohstoff zu verwenden und und macht Hoffnung. Vielen Dank, dass Sie uns diesen
dadurch zunehmend auf Erdöl in der Kunststoffherstel- interessanten Einblick gegeben haben.
lung verzichten zu können, ist schon lange ein Traum der
Wissenschaft. Und ich hatte jetzt mit meinem Team die
Möglichkeit, die Forschung auf diesem Gebiet entschei-
Lektion 8
dend voranzubringen. Wir können jetzt CO2 wirtschaftlich 3 | 22
profitabel nutzen und endlich das Erdöl ersetzen – das Polizistin: Es war mir immer schon wichtig, dass Ordnung
war für mich eine wirklich starke persönliche Motivation. und Recht eingehalten werden. Schon in der Schule hab‘
Außerdem finde ich es faszinierend, einen Beitrag dazu zu ich bei Konflikten und Ungerechtigkeiten aktiv eingegriffen.
leisten, die chemische Industrie kontinuierlich weiterzuent- Und es war mir auch immer klar, dass ich keinen typischen
wickeln. Dabei geht es auch um mehr Nachhaltigkeit und Bürojob mit täglicher Routine will. Bei der Polizei ist man
die Ausrichtung der chemischen Industrie auf eine moder- ständig mit neuen Situationen und Herausforderungen
ne und nachhaltige Kreislaufwirtschaft hin. Denn auch die konfrontiert. Mal geht es darum, Bürgern zu helfen, mal
Chemieindustrie muss weg von den traditionellen Produk- muss man Grenzen setzen und durchgreifen. Seit einiger
tions- und Konsummustern, bei denen Altes weggeworfen Zeit bin ich bei der Reiterstaffel der Bundespolizei, das ist
und durch Neues ersetzt wird. Denn das ist weder umwelt- mein Traumjob.
freundlich, noch können wir uns das langfristig leisten, vor
allem wenn man bedenkt, dass die Rohstoffe dieser Welt
endlich sind. Stattdessen müssen wir hin zu einem Modell
der Produktion und des Verbrauchs, bei dem bestehende

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3 | 23 genau das macht doch eine Stadt aus, oder? Klar, das ist
Streetworker: Ich hab‘ an der dualen Hochschule Sozi- manchmal schon anstrengend. Aber wer das nicht will oder
alarbeit studiert, weil ich einen Beruf wollte, bei dem davor Angst hat, der soll doch lieber gleich in ein kleines
Menschen im Vordergrund stehen. Jetzt arbeite ich als Dorf ziehen.
Streetworker. Wir sind tatsächlich oft auf der Straße Reporter: Unser Versuch, mit Bewohnern der Anlage ins Ge-
unterwegs, bei den Treffpunkten der Jugendlichen. Wir spräch zu kommen, ist nicht einfach. Kaum jemand will mit
betreuen die Jugendlichen und vermitteln ihnen Hilfe, z. B. uns sprechen. Der Bewohner, der schließlich doch bereit ist,
bei Drogensucht oder Stress in der Familie. Wenn ich das kurz unsere Fragen zu beantworten, will nicht mit Namen
Vertrauen der Jugendlichen gewinnen und helfen kann, ist genannt werden. Es scheint ihm fast unangenehm zu sein,
das wirklich toll. über seinen Wunsch nach Sicherheit zu sprechen.
Bewohner: Also, mir gefällt hier vor allem die gute Lage.
3 | 24 Das war der Hauptgrund, warum wir hier eine Wohnung
Sicherheitskraft: Meine Kumpels sagen immer: „Mensch gekauft haben. Die Mauer und das Tor, das ist uns nicht so
Alter, wirst du jetzt im Ernst so’n Security-Typ?“ Ich mach‘ wichtig. Die Wohnungen sind einfach schön. Und dass man
gerade die Ausbildung zur Fachkraft für Schutz und Sicher- hier im Sommer ohne Sorge bei offenem Fenster schlafen
heit bei ’ner großen Sicherheitsfirma. Das ist sicher kein kann, ist doch auch gut! In unserem alten Viertel ging das
Job, für den jeder geeignet ist. Man muss einfach belastbar nicht.
und sportlich sein und sich durchsetzen können. Für mich
passt das perfekt. Ich bin ja auch Kampfsportler. 3 | 28
Reporter: Wir werfen einen Blick von der Straße durch das
3 | 25 Tor in das Innere der Wohnanlage. Dort wirkt alles extrem
Richterin: Nach meinem Jurastudium hätte ich verschie- gepflegt, ordentlich, aber auch etwas leer und leblos. Ein
dene Optionen gehabt, aber der Richterdienst entspricht Nachbar hat dazu seine eigene Theorie.
mir am meisten. Ich bin ein Mensch, der keine Angst vor Nachbar: Ehrlich gesagt, ich glaub‘, die Bewohner hier, das
Entscheidungen und Verantwortung hat. Für mein Amt als sind Kontrollfreaks, die ertragen es nicht, wenn mal Kinder
Richterin am Landesgericht braucht man das. Sehr gute herumlärmen oder wenn nachts ein paar Jugendliche mit
Rechtskenntnisse sind natürlich elementar, aber auch einer Bierdose Fußball spielen. Deshalb die Mauer. – Klar,
Menschenkenntnis und Lebenserfahrung. Die psychische dann gibt es noch diejenigen, bei denen schon mal in die
Belastung in diesem Amt kann sehr hoch sein, damit muss Wohnung eingebrochen worden ist. Ich hab‘ Freunde, bei
man auch zurechtkommen. denen das passiert ist. Das will man natürlich kein zweites
Mal erleben. Meine Freunde haben danach ihre Türen und
3 | 26 Fenster besser sichern lassen. Aber sie haben nicht das
Kriminologe: Ich bin in meinem Soziologiestudium durch Bedürfnis, sich jetzt in so einer Wohnanlage vom Rest der
ein Seminar über Jugenddelinquenz zur Kriminologie Welt abzugrenzen.
gekommen. Im Forschungsbereich „Kriminologie und Reporter: Tragen solche „Gated Communities“ wirklich dazu
Gewaltforschung“ hier bei uns an der Uni beschäftigen wir bei, die Gesellschaft zu trennen, ja, am Ende vielleicht
uns mit den Faktoren, die kriminelles Verhalten in einem sogar zu spalten? Drinnen die gutverdienende obere Mittel-
bestimmten Feld wahrscheinlicher machen. Als Kriminolo- schicht, die unter sich bleiben möchte, draußen der ganze
gen stehen wir sozusagen mittendrin in den Problemfel- Rest der Bevölkerung? Genau das ist die Gefahr, meint
dern der Gesellschaft, das finde ich spannend. Martina Brecht, Mitglied des Stadtrats. Sie war gegen den
Bau dieser geschlossenen Anlage, hatte sich aber nicht
3 | 27 durchsetzen können.
Radiosprecherin: Zutritt verboten – bewachtes Wohnen in Fr. Brecht: Ich will es mal so sagen: Deutschland ist kein
Deutschland. Ein Feature von Armin Birkmayer. so gefährliches Land, hier muss man sich eigentlich nicht
Reporter: Mitten in der belebten Innenstadt stehen wir verstecken. Aber die Architektur dieser Anlagen behauptet
vor einem verschlossenen Tor. Links und rechts vor uns genau das. Diese Architektur mit ihren Mauern, Kameras
zwei Meter hohe Mauern. Überwachungskameras sind gut und Wachleuten sendet doch das Signal: „In dieser Stadt
sichtbar am Tor angebracht. Wer oder was muss hier so muss man sich vor der Masse der Bevölkerung schützen.“
gut geschützt werden? – Eine geschlossene und bewachte So ein Signal passt meiner Meinung nach nicht in eine
Wohnanlage, eine der wenigen, die es in Deutschland gibt. demokratische Gesellschaft. Das müsste man öffentlich
In anderen Ländern sind sie, unter dem Begriff „Gated stärker diskutieren, finde ich.
Communities“, schon länger Normalität. In Deutschland
verbreitet sich dieser Trend nur langsam, begleitet von der 3 | 29
meist sehr kritischen Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. – Sprecherin: Interview 1
Wir kommen mit einer Passantin ins Gespräch, die in der Journalistin: Herr Ehret, Sie sind Kriminalhauptkommissar
Nähe dieser Wohnanlage wohnt. Was denkt sie über ihre und mit der Theorie und Praxis der Erfassung von Kriminali-
Nachbarn, die hinter den hohen Mauern leben? tät vertraut. In den Medien ist gerade über die sogenannte
Passantin: Also, na ja, ich versteh‘ das nicht. Ich meine, „Polizeiliche Kriminalstatistik“ berichtet worden, die jedes
man lebt doch in einer Stadt, um da Teil des städtischen Jahr darüber informiert, wie sich die bei der Polizei regis-
Lebens zu sein. Die vielen unterschiedlichen Menschen, die trierte Kriminalität entwickelt hat. Als Laie ist man etwas
Notwendigkeit, irgendwie miteinander zurechtzukommen, überfordert von den vielen Zahlen. Es ist auch viel die Rede

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von Hellfeld und Dunkelfeld. Könnten Sie uns kurz erklären, der Polizeiarbeit, denn die Polizei hat ja den Auftrag, die
was es damit auf sich hat und was genau uns die polizeili- jeweils verbotenen Taten zu verfolgen. Und dann hat man
che Statistik über die Kriminalitätslage sagt? vielleicht plötzlich Straftaten, die vorher nicht da waren,
Hr. Ehret: Ich kann das Gefühl von Überforderung zum Teil einfach, weil es das entsprechende Gesetz noch nicht gab.
verstehen. Die „Polizeiliche Kriminalstatistik“ ist ein sehr Journalistin: Also ist Kriminalität etwas, was erst durch
umfangreicher, komplexer Bericht, der für alle Arten von unsere Definition so wahrgenommen wird? Meint man das
Straftaten genaue Fallzahlen nennt. Anhand dieser Zahlen mit dem Begriff „Konstrukt“?
kann man dann auch eine Entwicklung ablesen. Aber hier Fr. Ambross: So ist es, ja. Erst dadurch, wie wir Kriminalität
müssen wir vorsichtig sein. Die Kriminalstatistik zeigt uns definieren, nehmen wir eine Tat als kriminell wahr oder
nämlich nur die Fälle, die von der Polizei registriert wurden. nicht.
Das ist das sogenannte Hellfeld. Also der Teil der Gesamt- Journalistin: Ah ja, interessant.
kriminalität, der angezeigt oder entdeckt wurde. Es ist also
entscheidend, dass die Opfer einer Tat zur Polizei gehen 3 | 31
und dort Anzeige erstatten. Journalistin: Ich würde jetzt gerne zur Entwicklung der
Dabei ist aber zu beachten: Die Anzeigebereitschaft in der Kriminalitätszahlen kommen, also zu der Frage, ob man da
Bevölkerung kann sich verändern. Z. B. wenn Medien viel Tendenzen erkennen kann. In den Medien wird ja zum Teil
über ein Delikt berichten, dann steigt in der Bevölkerung sehr widersprüchlich darüber berichtet. Mal heißt es, dass
die Sensibilität für dieses Delikt. Als Folge dieser erhöhten die Kriminalitätszahlen sinken, dann liest man wieder, dass
Sensibilität gehen die Betroffenen auch eher zur Polizei. manche Delikte deutlich zugenommen haben. Also, was
Also ist anzunehmen, dass ein Anstieg der Zahlen im Hell- stimmt denn nun?
feld keinen Anstieg der realen Fälle bedeutet, sondern nur Hr. Ehret: Na ja, in den Medien werden diese Zahlen immer
einen Anstieg der bekannten Fälle. mit großem Interesse aufgenommen und in Schlagzeilen
Journalistin: Und der Rest der Fälle, der nicht bei der Polizei und Berichten stark vereinfacht und teilweise auch etwas
bekannt ist, ist das Dunkelfeld? dramatisiert. Das passiert übrigens nicht immer gezielt,
Hr. Ehret: Genau. Und erst, wenn man Hellfeld und Dunkel- sondern hängt schon mit der Auswahl der berichteten
feld zusammenbringt, bekommt man einen Eindruck vom Fakten zusammen.
Gesamtgeschehen der Kriminalität. Gehen nun mehr Opfer Journalistin: Meinen Sie damit, dass die Medien selektiv
zur Polizei, erhöhen sich die Fallzahlen im Hellfeld, aber sie berichten?
sinken gleichzeitig im Dunkelfeld. Insgesamt hat sich das Hr. Ehret: Durchaus, z. B. präsentieren die Medien Krimina-
Ausmaß an Kriminalität dabei aber nicht verändert! Solche lität so, als ginge es in erster Linie um Gewaltkriminalität,
Zusammenhänge muss man natürlich unbedingt beachten. also Delikte wie schwere Körperverletzung oder Tötungs-
Journalistin: Ja, vielen Menschen sind diese Zusammenhän- delikte. In Wirklichkeit ist der Anteil solcher Fälle an der
ge wohl gar nicht bewusst. Gesamtkriminalität aber sehr gering. Ich frage besorgte
Bürger gern, für wie hoch sie den Prozentsatz der Gewalt-
3 | 30 kriminalität schätzen. Da kommen dann Zahlen wie 40 %. In
Sprecherin: Interview 2 Wirklichkeit sind es aber nur ungefähr 3 %!
Journalistin: Meine zweite Gesprächspartnerin ist Frau Journalistin: D. h. also, bei allen Straftaten ist wirklich nur
Ambross. Frau Ambross, Sie sind Kriminologin und sind hier bei 3 % schwere Gewalt im Spiel?
am Institut für Kriminologie an der Universität tätig. Da Hr. Ehret: Ja, man kann das kaum glauben, wenn man all
beschäftigen Sie sich schwerpunktmäßig mit Bereichen diese Krimis im Fernsehen sieht! Aber es ist wirklich so:
der Dunkelfeldforschung. Es interessiert uns nun, wie man Die meisten Delikte beziehen sich auf Diebstahl, Compu-
es schafft, das Dunkelfeld „aufzuhellen“, wie man so schön terbetrug, Sachbeschädigung. Da sieht man, wie wichtig es
sagt. Ist das nicht ein Widerspruch in sich? ist, Fallzahlen immer im gesamten Kontext zu sehen. Nur
Fr. Ambross: Ich möchte zunächst etwas grundsätzlicher dann liefern sie ein realistisches Bild. Wir haben zwar die
antworten. Es ist ratsam, sich zuerst zu fragen: Worüber objektiven Daten, aber die brauchen immer eine gründliche
sprechen wir eigentlich, wenn wir von „der Kriminalität“ Einordnung, Erklärung und Interpretation.
reden? Und da klingt die Antwort jetzt vielleicht überra- Journalistin: Gut, d. h. dann wohl auch: Trotz aller Interpre-
schend: Man kann nicht von der Kriminalität als solcher tationsprobleme bei den Zahlen ist es möglich, ein recht
sprechen, denn Kriminalität ist etwas, was von unserer konkretes Bild von der Gesamtkriminalität zu bekommen.
Beurteilung abhängt. Man spricht daher von der Kriminali- Habe ich Sie da richtig verstanden?
tät als einem „Konstrukt“. Hr. Ehret: Ja, das würde ich schon so sagen! Die Krimino-
Nun, was bedeutet das? Wir müssen uns bewusst machen, logie hat ihre speziellen Methoden, um die Hintergründe
dass man vor hundert Jahren unter Kriminalität etwas und Zusammenhänge der statistischen Zahlen aufzeigen
anderes als heute verstanden hat. Kein Mensch hätte es zu können. Wir haben zwar kein zu 100 % verlässliches Bild
damals wohl für möglich gehalten, dass eines Tages z. B. von der Gesamtkriminalität, aber unser Bild beschreibt die
Gewalt gegenüber den eigenen Kindern eine Straftat sein Wirklichkeit doch relativ gut und man kann in der Praxis
würde. Heute ist das hier gesetzliche Normalität. damit arbeiten.
Journalistin: Hm, das ist ein interessanter Aspekt. Journalistin: Die Zahlen zur Gesamtkriminalität richtig
Fr. Ambross: Unsere Vorstellungen davon, was einem einzuordnen, ist also eine Herausforderung – ist aber doch
erlaubt ist und was nicht, verändern sich also, und das möglich. Das ist ein interessanter Hinweis.
spiegelt sich in unseren Gesetzen. Es spiegelt sich auch in

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3 | 32 typischen Gründe dafür, dass Fälle nicht angezeigt werden.
Journalistin: Ich würde aber gerne nochmal zu Ihrem Es ist ja nun einmal so, dass niemand verpflichtet ist, eine
Forschungsgebiet der Dunkelfeldforschung zurückkehren. Tat anzuzeigen. Ein wichtiger Faktor dabei, ob jemand eine
Können Sie uns dazu noch etwas sagen? Straftat anzeigt oder nicht, ist z. B. das Verhältnis, in dem
Fr. Ambross: Ja, gerne. Es ist nun mal so, dass die Daten aus Opfer und Täter zueinander stehen. Solche Erkenntnisse
dem Hellfeld nur einen kleineren Teil der Gesamtkriminali- sind für die Prävention von Straftaten ein ganz wichtiger
tät darstellen. Der größere Teil ist der Polizei nicht offiziell Anhaltspunkt.
bekannt. Und diese Summe aller nicht registrierten Fälle Journalistin: Wie gut, dass man, obwohl man das Dunkel-
nennen wir das Dunkelfeld. Jetzt muss man aber nicht er- feld nicht ganz ausleuchten kann, man trotz allem aus der
schrecken und denken, da gäbe es ein riesiges Dunkelfeld, Dunkelfeldforschung so viele Erkenntnisse für die Praxis
das uns bedroht. Da existieren in der Öffentlichkeit falsche gewinnen kann. Vielen Dank, Frau Ambross, für Ihre infor-
Vorstellungen von der Kriminalitätslage, und das führt mativen Ausführungen!
leider zu teilweise unnötigen Ängsten.
Ein Beispiel: Beim Delikt Ladendiebstahl wird geschätzt, 3 | 33
dass ganze 90 bis 95 % nicht angezeigt werden, all diese Sprecherin: Nach zehn Jahren etwa machte jener Untersu-
Täter bleiben also unentdeckt. Im Dunkelfeld ist somit gera- chungsrichter, der inzwischen Staatsanwalt geworden war,
de der Anteil von solchen kleineren Delikten recht groß. Bei mit Freunden eine Autotour in die Provence. Der Gesell-
einer so schweren Straftat wie dem Tötungsdelikt ist das schaft war in einem kleinen Städtchen ein Hotel als gut
Dunkelfeld hingegen viel geringer. Aber unabhängig davon, geführt empfohlen worden. Sie stieg dort ab. Der Wirt war
ob das Dunkelfeld größer oder kleiner ist, ist es nötig, sich ein blonder, robuster Mann, der dem ehemaligen Untersu-
Folgendes klarzumachen: Wir sprechen hier von Schätzun- chungsrichter und nunmehrigen Staatsanwalt bekannt vor-
gen, nicht von objektiven Größen, wir sind nämlich nicht in kam. Aber er grübelte nicht weiter darüber nach, er hatte
der Lage, das Dunkelfeld komplett zu bestimmen. viele Gesichter gesehen. – Bis am Schluss des Abendessens
Journalistin: Das leuchtet ein. Aber welche Methoden gibt die Wirtin erschien – da blieb ihm der Mund offen stehen,
es denn überhaupt, um das Dunkelfeld ungefähr einzu- und er wollte aufspringen. Die Wirtin lächelte ihn an, neigte
schätzen? sich über seinen Stuhl und flüsterte resolut: „Monsieur le
Fr. Ambross: Um diesen Bereich so weit wie möglich auf- procureur, kommen Sie dann noch ein wenig zu uns, auch
zuhellen, führt man z. B. regelmäßige Befragungen in der mein Mann wird sich freuen.“
Bevölkerung durch. Damit beabsichtigt man herauszufin- Im Salon des Ehepaares trank der Staatsanwalt zuerst zwei
den, wie viele Personen Opfer oder Täter bei einer Straftat Gläser Médoc. Das stimmte ihn sanftmütiger. Fräulein Hilde,
waren, ohne diese Straftat anzuzeigen. Und hier stehen jetzt Frau Niemayer, war nicht hübscher geworden, aber
wir schon vor dem ersten Problem: Wir kommen nämlich energisch war sie geblieben. „Die Geschichte ist verjährt“,
an bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht so leicht heran, sagte sie, „unnütz, sie wieder aufzurufen. Ich bin glücklich
beispielsweise Personen aus dem Drogenmilieu. Wenn wir und habe zwei Kinder. Der Mann ist ganz anständig, ich
von diesen Gruppen aber weniger Daten haben, schränkt kann mich nicht beklagen.“ Sie klopfte Herrn Niemayer auf
das die Repräsentativität der Ergebnisse ein. Zweitens sind die Schulter. „Aber ich sollte Ihnen erzählen, wie es zuge-
die Angaben der befragten Personen nicht immer zuverläs- gangen ist, nicht?“ – Der Staatsanwalt nickte.
sig. Unsere Erinnerung ist ja oft ungenau, besonders wenn „Sie sind doch damals ein paar Minuten aus der Zelle
starke Emotionen im Spiel sind. Und manches wünscht gegangen, um Papier, Tinte und Feder zu holen? Diese Mi-
man vielleicht auch zu verschweigen. – Sie sehen, die nuten habe ich benutzt. Ich hab ihm gesagt: ‚Ich hau dich
Dunkelfeldforschung ist gezwungen, systematisch auch mit raus, aber du musst mich dann heiraten, ich will nicht mein
dem Nicht-Wissen umzugehen. Leben lang Angestellte bleiben. Wir machen ein Geschäft
Journalistin: Das ist ja schon eine methodische Herausfor- auf mit dem Geld. Aber du wirst anständig bleiben. Verstan-
derung! den? Ich werd‘ dich schon dazu zwingen. Ist das Geld gut
Fr. Ambross: Sicher. Und das macht auch das Reden über versteckt?‘ Er hat genickt. Und warum ich so zu ihm gespro-
die Gesamtlage der Kriminalität zu einer eher schwierigen chen hab? Weil er mir gefallen hat. Ich hab dann zur Sicher-
Angelegenheit. heit zwei Klischees angefertigt, von seinem Nagelschmutz
Journalistin: Sie sagen „eher schwierig“. Sagen Sie das, weil und vom Raglanstaub. Sie waren beide zum Verwechseln
es an Daten fehlt? ähnlich. Die hab ich aufbehalten, bis ich sicher war, dass er
Fr. Ambross: Ja, denn sehen Sie, als Wissenschaftlerin muss brav sein würde – und auch, um ihn zu zwingen, bei mir zu
ich ja auch die Grenzen meiner Methoden erkennen! Der bleiben. Das war dann nicht nötig. Er hat sich nämlich auch
Teil der Straftaten, der auch trotz großer Forschungsbemü- in mich verliebt.“
hungen nicht sichtbar gemacht werden kann, wird von uns „Aber“, sagte der Staatsanwalt, „die violetten Partikelchen,
übrigens als absolutes Dunkelfeld bezeichnet. die Sie mir gezeigt haben?“
Aber ich sag‘s mal so: Es ist eigentlich auch nicht unbe- „Nun“, sagte das frühere Fräulein Hilde geduldig, „es konnte
dingt nötig, ein objektives Gesamtbild zu erreichen, also doch auch schief gehen. Er hätte ein Alibi brauchen kön-
eine vollständige zahlenmäßige Erfassung. Wir gewin- nen. Dann wäre er eben die Nacht bei mir gewesen. Nicht
nen durch die Dunkelfeldforschung trotzdem wertvolle wahr?“
Erkenntnisse für die Praxis. So weiß man z. B. relativ genau, „Dann waren die glänzenden violetten …“
wie hoch bei den einzelnen Deliktarten die Bereitschaft der „Mein Gott“, sie zuckte nachsichtig mit den Achseln, „ich
Betroffenen ist, Anzeige zu erstatten. Wir kennen auch die hab ein wenig an meinem Schlafrock herumgekratzt.“

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Auf dem Weg zu Prüfung 8 Vorstellungen davon sind komplett unterschiedliche Dinge.
Ich denke, es wurde deutlich, dass der Kriminalroman das
3 | 34
Potenzial hat, sich immer wieder neu zu erfinden. Daher
Professorin: In unserem Vortrag behandeln wir heute ein
wird er wohl nicht so bald aus der Mode kommen. Zu
Phänomen der Populärkultur, das im deutschen Alltag
bedenken ist aber auch: Nur Menschen, die sich insgesamt
seinen festen Platz hat, nämlich die große Beliebtheit
eher sicher fühlen, setzen sich gerne fiktiven Gefahren aus.
von Kriminalromanen. Bei einer neueren Umfrage zur
Man könnte den Erfolg von Krimis in Deutschland daher
Lieblingslektüre der Befragten waren Krimis die Spitzen-
als Zeichen für eine Gesellschaft ohne schwere Krisen und
reiter: 65 % der Leser gaben an, dass sie regelmäßig Krimis
Sorgen interpretieren.
lesen, während beispielsweise nur 26 % zu Liebesromanen
greifen. Tatsächlich: Verbrechen schlägt Romantik! Auf dem
Buchmarkt liegt der Krimianteil gemessen am gesamten Lektion 9
Bereich der Unterhaltungsliteratur bei 24,6 %. Vieles davon
4|1
ist klischeehafte Massenware. Daneben gibt es jedoch auch
Sprecherin: Hörtexte zum Kursbuch
komplexe Krimis, die ein anspruchsvolles Publikum finden.
Vortrag – Einführung
Selbst ein kritischer Kopf wie der Schriftsteller Bertolt
Dozentin: Guten Tag, meine Damen und Herren. Heute be-
Brecht liebte Krimis und schrieb darüber einen Essay.
schäftigen wir uns – wie schon angekündigt – im Rahmen
unserer Vortragsreihe „Mensch und Tier“ mit dem Thema
3 | 35
„Tierintelligenz“. Können Tiere denken? Sind sie klug? Wel-
Professorin: Krimis erzeugen Angst und Spannung, um am
che kognitiven Fähigkeiten besitzen sie?
Ende wieder einen harmonischen Zustand herzustellen:
Bevor wir uns mit der Intelligenz von Tieren befassen, stellt
Der Täter wird gefasst, die Welt ist wieder in Ordnung
sich zunächst die Frage, was man grundsätzlich unter In-
gebracht. Dieser Mechanismus wird von Experten oft als
telligenz versteht und wie man sie definiert. Nun, bis heute
ein Hauptgrund für die Beliebtheit genannt. Man identifi-
gibt es auch für menschliche Intelligenz keine einheitlich
ziert sich mit den guten Detektiven und Kriminalbeamten
anerkannte wissenschaftliche Definition, obwohl sich viele
und erlebt mit ihnen zusammen den Triumph, das Böse zu
Wissenschaftler seit Langem damit befassen. Eine heute
besiegen. Daneben trainieren die Leser auch das genaue
sehr gängige Definition ist die folgende: „Intelligenz ist
Hinsehen auf Hinweise und Spuren und aktivieren ihre
die Fähigkeit, Probleme zu lösen und Zusammenhänge zu
Menschenkenntnis: Könnte beispielsweise der harmlo-
erkennen.“ Dabei muss man noch Folgendes ergänzen: Man
se Nachbar ein Geheimnis haben? Mit Blick darauf hielt
spricht in der Regel nicht von der Intelligenz, sondern von
Brecht das Krimilesen für eine „intellektuelle Beschäfti-
unterschiedlichen Intelligenzformen, z. B. von sprachlicher
gung“, die zugleich Vergnügen bereitet.
Intelligenz, logisch-mathematischer Intelligenz, technischer
Kommen wir zu einem weiteren Merkmal des Genres, näm-
Intelligenz, musischer Intelligenz und sozialer Intelligenz.
lich die Form, die immer demselben Schema folgt: Es gibt
Und jede dieser Intelligenzformen wird auf unterschiedli-
immer ein Verbrechen, dazu eine Person, die versucht, das
che Weise gemessen.
Verbrechen aufzuklären, es gibt falsche und richtige Hin-
weise und schließlich meist ein gutes Ende. Keine andere
4|2
Romanform ist so stark festgelegt. Doch Autoren und Leser
Dozentin: Kommen wir zurück zur Tierintelligenz. Da stellen
verstehen diese Begrenzung als eine produktive Heraus-
sich natürlich mehrere Fragen: Zunächst einmal die grund-
forderung. Oft wird der Kriminalroman mit einem Spiel ver-
sätzliche Frage: Was ist Tierintelligenz und wie lässt sie
glichen, bei dem es eine begrenzte Anzahl an Spielregeln
sich messen, um zu einer sinnvollen Definition des Begriffs
gibt. Doch jede neue Spielrunde bringt eine veränderte
„tierische Intelligenz“ zu kommen?
Situation hervor. Der Reiz des Krimis liegt gerade in dieser
Will man die Intelligenz von Tieren messen, kann man
Variation des Schemas, im Spiel von Wiedererkennen des
natürlich nicht – wie beim Menschen – mit Intelligenztests
Bekannten und Entdecken des Neuen. Gerade literarisch
arbeiten. Um tierische Intelligenz zu erforschen, muss man
gebildete Leser und Leserinnen können an diesem Sche-
das Verhalten der Tiere im Labor bzw. in der freien Natur
matismus Freude finden, denn sie haben gelernt, durch
beobachten. Dabei geht es um Folgendes: Wie kann man
genaues Lesen literarische Konstruktionen zu analysieren.
bei dem jeweiligen Tier prüfen, wie gut es bestimmte mess-
Um immer wieder Neues zu bieten, thematisieren zeitge-
bare Kriterien erfüllt?
nössische Krimiautoren in ihren Geschichten gern aktuelle
Ein solches messbares Kriterium ist z. B. die Fähigkeit von
gesellschaftliche Tendenzen. Krimis spielen z. B. in der KI-
Tieren, gelerntes Wissen auf unbekannte Problemsituatio-
Branche oder thematisieren weltpolitische Probleme. Auch
nen anzuwenden. Denn je schneller und zielgerichteter ein
das kann eine Motivation zum Krimilesen sein. Sind solche
Tier Herausforderungen lösen kann, desto intelligenter ist
Krimis gut recherchiert, hat der Leser nämlich die Chance,
es.
auf spannende Weise etwas zu lernen.
Wie verhält es sich aber mit dem Einwand, dass die Gewalt
4|3
in vielen Krimis dazu führt, dass man gegenüber realer Ge-
Dozentin: Ich habe eingangs von den unterschiedlichen
walt unempfindlich wird? Medienexperten weisen darauf
Arten von Intelligenz gesprochen und da stellt sich nun die
hin, dass man beim Lesen ein klares Bewusstsein dafür hat,
Frage: Welche Arten von Intelligenz stehen bei der Unter-
dass es sich nicht um Realität, sondern um Fiktion handelt.
suchung von Tieren im Fokus? In der modernen Verhaltens-
Die reale Kriminalität und das literarische Spiel mit unseren
biologie werden hier vor allem zwei Arten von Intelligenz

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unterschieden und untersucht, und zwar technische nischen Krähen eine Kiste, die eine kleine Box mit einem
Intelligenz und soziale Intelligenz. Bei der technischen In- Leckerbissen enthielt. Die Vorderseite dieser Box bestand
telligenz spielen z. B. folgende Fragen eine Rolle: Wie lange aus einem durchsichtigen Fenster mit einem schmalen
braucht ein Tier, um den Mechanismus zu verstehen, mit Spalt darunter. Der Leckerbissen war also zu sehen, aber
dem es beispielsweise eine Box öffnen kann, in der etwas lag so weit hinter dem Spalt, dass die Krähen ihn mit ihren
zu fressen versteckt ist? Kommt es auf die Idee, Werkzeuge Schnäbeln nicht erreichen konnten.
zu benutzen oder sogar herzustellen, um besser an das Zu Beginn der Versuchsreihe, die mit jedem Vogel einzeln
Fressen zu kommen? Demgegenüber sind bei der sozia- durchgeführt wurde, stand den Tieren ein langer Stab zur
len Intelligenz ganz andere Faktoren entscheidend, z. B.: Verfügung. Diesen konnten sie durch den Spalt in die Box
Imitieren Tiere in der Gruppe das Verhalten anderer und stecken und so das Futter durch eine seitliche Öffnung
entwickeln sich auf diese Weise neue Verhaltensmuster? hinausschieben. Alle acht Krähen schafften diese Aufga-
Im Zusammenhang mit der sozialen Intelligenz werden be ohne Schwierigkeiten. Im zweiten Schritt legten die
außerdem auch Untersuchungen zur kognitiven Begabung Wissenschaftler das Futter nach hinten in die Box und
von Tieren im Bereich der Sprache durchgeführt. stellten den Krähen verschiedene kurze Holzstifte und
hohle Stabteile zur Verfügung. Die Krähen konnten nur an
4|4 das Futter in der Box kommen, indem sie diese Stäbe inei-
Dozentin: Eine weitere grundsätzliche Frage, die sich stellt, nandersteckten. Jeder Stab, einzeln genommen, war alleine
ist die folgende: Sind die zahlreichen Untersuchungen zur zu kurz dafür. Vier Vögel erkannten das Prinzip innerhalb
Intelligenz von Tieren überhaupt vergleichbar? Denn bei von nur vier bis sechs Minuten und stellten aus den kurzen
der Untersuchung tierischer Intelligenz spielt folgender Teilen ein langes Werkzeug her. Einem Vogel gelang es am
Punkt eine wichtige Rolle: Wie zeigt ein Tier bei der Unter- Ende sogar, ein Werkzeug aus vier Einzelteilen herzustellen.
suchung, dass es eine veränderte Situation erkennt? Da Das Ergebnis zeigt, dass Krähen flexible Denkfähigkei-
gibt es ganz unterschiedliche Vorgehensweisen: Ein Affe ten besitzen, mit denen sie in der Lage sind, neuartige
kann z. B. einen Hebel drücken, ein Vogel mit dem Schnabel Probleme schnell zu lösen. Dabei ist besonders bemerkens-
darauf picken, aber ein Fisch müsste hin und her schwim- wert, dass die Krähen weder Hilfe noch Training bekamen,
men. Diese Verschiedenheiten können natürlich auch zu um diese Werkzeuge zu bauen. Sie fanden ganz alleine
unterschiedlichen Ergebnissen führen. Das bedeutet, dass heraus, wie sich das Problem lösen lässt. Eine erfolgreiche
man zwar Exemplare der gleichen Tierart gut miteinan- Möglichkeit einmal entdeckt, wurde diese immer wieder
der vergleichen kann, also Affen mit Affen oder Vögel mit angewendet.
Vögeln. Der Vergleich von Affen mit Vögeln ist allerdings Welche Schlussfolgerung ziehen die Forscher nun aus die-
schon deutlich schwieriger. Daher ist es sinnvoll, nicht ser Studie? Die Forscher können zeigen, dass auch Vögel,
generell von tierischer Intelligenz, sondern z. B. von einer als sehr entfernt verwandte Wirbeltiergruppe, Intelligenz-
spezifischen Affen-, Raben- oder Hundeintelligenz zu spre- leistungen zeigen, die auf ähnlichen Prinzipien beruhen
chen. Eine allgemeine Definition für Tierintelligenz kann es wie beim Menschen. Die Tiere simulieren das Problem,
also nicht geben. Im Folgenden nun möchte ich Ihnen drei indem sie mögliche Abläufe im Gehirn wieder und wieder
Studien vorstellen, in denen die eingangs genannten Arten durchspielen. Für die Wissenschaftler eröffnet sich damit
von Tierintelligenz am Beispiel von drei Tierarten unter- die Möglichkeit, die gedanklichen Prozesse, die für das
sucht wurden. Erfinden und den Bau von Werkzeugen nötig sind, weiter
zu erforschen.
4|5
Sprecherin: Vortrag – Studie 1 4|6
Dozentin: Kommen wir zunächst zu einem besonders Sprecherin: Vortrag – Studie 2
interessanten Studienobjekt, nämlich zu den Rabenvögeln. Dozentin: Eine weitere Vogelart, die als außerordentlich
Rabenvögel, also z. B. Raben oder auch Krähen, gelten als intelligent gilt, sind Papageien. So konnte der Graupapagei
besonders intelligent und besitzen sogar Fähigkeiten, die Alex mit ca. 500 Wörtern kommunizieren, Fragen beantwor-
bislang nur bei Primaten, also bei Halbaffen, Affen, Men- ten und spontan Objekte klassifizieren. Forscherinnen der
schenaffen und damit auch Menschen, bekannt sind. Außenstelle Teneriffa des Max-Planck-Instituts für Orni-
Ein internationales Team von Wissenschaftlern vom Max- thologie in Seewiesen wollten nun herausfinden, ob diese
Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen und von der Vögel auch soziale Intelligenz besitzen.
Universität Oxford wollte in einer Studie beobachten, ob Die Studie mit zwei Graupapageien, Bella und Kimmi, lief
Krähen in der Lage sind, nicht nur Werkzeuge zu benutzen, folgendermaßen ab: Die beiden Papageien saßen in einem
sondern auch aus einzelnen Teilen Werkzeuge herzustellen. Käfig, der aus zwei Plexiglaskammern bestand. In der
Diese Fähigkeit wurde bisher nur bei Menschen und Affen Trennwand zwischen den beiden Kammern befand sich ein
beobachtet. Welche Vorgänge dabei im Gehirn ablaufen, ist Loch und an der Vorderseite der beiden Kammern befand
jedoch noch unklar. Anthropologen sehen die Entstehung sich ebenfalls jeweils ein Loch. Dem Graupapageienweib-
der Fähigkeit, Werkzeuge aus verschiedenen Komponenten chen Bella, das in der linken Kammer saß, wurden durch
zu bauen, bei unseren Vorfahren als wichtigen Schritt in das Loch an der Vorderseite ein paar Metallmarken zuge-
der Evolution des menschlichen Gehirns an. Denn ver- schoben. Bella hatte bereits vorher gelernt, dass sie diese
mutlich muss sich das Gehirn die neuen Objekte zuerst in Marken bei den Wissenschaftlern eintauschen und dafür
Gedanken vorstellen und dann die Ausführung planen. etwas Leckeres zu fressen bekommen kann. Bei diesem
Für ihre Studie präsentierten die Forscher acht neukaledo- Versuch gibt es jedoch für Bella ein Problem: Das Loch in

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ihrer Plexiglaskammer, durch das der Tausch normalerweise in der Lage ist. D. h., ob er die Beziehung zwischen einem
stattfindet, ist diesmal versperrt. Wort und dem Objekt, auf welches sich das Wort bezieht,
In der Plexiglaskammer daneben sitzt Bellas Freundin Kim- auf indirekte Weise lernen kann. Zu diesem Zweck boten
mi. In Kimmis Kammer ist das Loch für den Austausch von die Forscher Rico zunächst ein völlig neues, unbekanntes
Metallmarke und Futter jedoch offen. Als Bella sieht, dass Spielzeug zusammen mit sieben ihm bereits bekannten
Kimmi keine Tauschmarke bekommt, nimmt sie ihre eige- Objekten an. Sie forderten den Hund auf, einen der bekann-
nen Wertmarken und reicht sie mit dem Schnabel durch die ten Gegenstände zu bringen. Dies gelang ohne Probleme.
Öffnung zwischen den beiden Kammern an Kimmi weiter. Erst im zweiten oder dritten Versuchsdurchgang wurde
So kann Kimmi diese Marken gegen Futter eintauschen. dann ein völlig neues Wort genannt: „Rico! Wo ist der x?“ In
Der Versuch wird in Variationen mehrfach wiederholt. Das insgesamt zehn Durchgängen führten die Wissenschaftler
Loch an Kimmis Käfig aufmerksam beobachtend, merkt zehn neue Objekte ein, die Rico identifizieren sollte. Er lag
Bella immer sofort, wenn dieses für den Tausch versperrt dabei in sieben von zehn Fällen richtig. Offensichtlich konn-
ist. Ist die Tauschöffnung geschlossen, reicht Bella ihrer te er das neue Wort tatsächlich im Ausschlussverfahren mit
Freundin keine Wertmarke hinüber, ist sie aber offen, gibt dem neuen Gegenstand in Verbindung bringen. Wie gelang
sie ihr eine. ihm das? Entweder wusste er, dass die ihm bekannten
Mit diesem Versuch konnten die Wissenschaftler zeigen, Objekte bereits Namen hatten, oder er schloss sie aus, weil
dass sich Graupapageien selbstlos verhalten können. Die sie für ihn nicht neu waren.
Tiere begreifen, dass ein Artgenosse Hilfe braucht, um sein Nach vier Wochen überprüften die Forscher das Ergebnis:
Ziel zu erreichen, und verhalten sich dann kooperativ, ohne Sie untersuchten erneut, ob Rico sich die Kombination
selbst einen Vorteil zu erfahren. Sie erkennen, wann ihre zwischen neuem Wort und neuem Objekt gemerkt hatte.
Artgenossen von der Hilfe profitieren und wann nicht, hel- Der Hund lag hier in drei von sechs Fällen richtig. Dieses
fen also gezielt, wenn es dem anderen tatsächlich nützt. Ergebnis ist vergleichbar mit der Erfolgsquote von drei-
Das Ergebnis überraschte die Forscher, da diese Form von jährigen Kindern. Der Hund Rico ist also in der Lage, durch
Helfen, bisher nur bei Menschenaffen beobachtet wurde, seine Erfahrung beim Lernen von Bezeichnungen die Regel
und die Papageien spontan halfen, ohne eine Gegen- anzuwenden, dass Dinge einen Namen haben. Dies ermög-
leistung zu erwarten – und das auch, wenn sie mit dem licht ihm, im Ausschlussverfahren ein neues Objekt unter
anderen Vogel nicht befreundet waren und ohne dass ein einer Anzahl von bekannten Objekten zu identifizieren
Verwandtschaftsverhältnis bestand. und mit einem neuen Namen in Verbindung zu bringen. Ein
Das Ergebnis zeigt, dass sich die Fähigkeit und die Be- erstaunliches Ergebnis, denn diese Art, die Bezeichnung von
reitschaft, Artgenossen zu helfen, im Laufe der Evolution Gegenständen im Ausschlussverfahren zu erschließen – also
unabhängig voneinander bei Menschenaffen und Vögeln das „fast-mapping“ – galt bis dato als exklusive Fähigkeit
entwickelt hat, es ist damit ein Beispiel für konvergente des Menschen. Daher besteht großes wissenschaftliches
Evolution. Interesse an weiteren Untersuchungen.

4|7 4|8
Sprecherin: Vortrag – Studie 3 Student: Mein Name ist Tom Brem. In meiner Seminarar-
Dozentin: In einer dritten Studie haben Forscher des Max- beit habe ich mich mit einer Metastudie der Universität
Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig Exeter zur kognitiven Leistung von Hunden im Vergleich zu
die kognitiven Fähigkeiten von Hunden unter die Lupe anderen Tieren befasst.
genommen. Die Forscher vermeiden in diesem Zusammen- Ähm, die Fragestellung der Metastudie war, ob Hunde
hang das Wort „Intelligenz“. Vielmehr versuchen sie her- wirklich so intelligent sind, wie das Ergebnis vieler Studien
auszufinden, was eine Tierart an besonderen Fähigkeiten zu belegen scheint. Die Schlussfolgerung, die die Forscher
mitbringt, die sie für das Überleben braucht. Hunde müssen aus ihrer Untersuchung zogen, war, dass die Studien, die
sich z. B. nicht wie andere Tierarten um die Nahrungssuche dem Vergleich zugrunde gelegt wurden, schon mit dem Ziel
kümmern. Sie leben mit dem Menschen zusammen und begonnen wurden, die besondere Intelligenz von Hunden
bekommen, was sie brauchen. Dazu ist es aber von Vorteil, zu beweisen. Daher seien manche Ergebnisse zugunsten
sich möglichst gut mit dem Menschen zu verstehen. der Hunde „überinterpretiert“ worden.
Im Verlauf ihrer Forschungen mit Hunden haben die Wis- Die Metastudie wurde von Stephen E.G. Lea von der Univer-
senschaftler besonders talentierte Hunde kennengelernt, sität Exeter und Britta Osthaus von der Canterbury Christ
die nicht nur sehr gut im Interpretieren von menschlichen Church University in Canterbury durchgeführt und 2018 in
Gesten und Blicken sind, sondern auch über einen großen der Zeitschrift „Learning and Behaviour“ veröffentlicht. Das
passiven Wortschatz verfügen. So kann z. B. der Border Ergebnis dieser Studie war, dass die Intelligenz von Hunden
Collie „Rico“ mehr als 200 Spielzeuge anhand ihres Namens zwar einzigartig ist, weil jede Tierart eine einzigartige Intel-
erkennen und zuordnen. ligenz besitzt. Sie ist aber im Vergleich mit der Intelligenz
Ausgangspunkt der Studie, über die ich nun berichten anderer Tierarten wie Wölfen, Katzen, Hyänen, Delfinen,
möchte, war die Frage: „Ist Rico in der Lage, Namen für Pferden, Schweinen oder Tauben nicht außergewöhnlich
neue Spielzeuge über ein Ausschlussverfahren zu lernen?“ hoch.
In einem ersten Schritt wurde festgestellt, dass Rico die Die Forscher verwendeten folgende Methode: Sie werteten
200 Spielzeuge und ihre Namen tatsächlich kannte. Dies über 300 bereits durchgeführte Studien zur kognitiven Leis-
festgestellt, untersuchten die Wissenschaftler als Nächstes, tung von Hunden aus und verglichen diese mit drei Grup-
ob der Hund – wie ein Kleinkind – auch zum „fast mapping“ pen von Tieren: nämlich mit fleischfressenden Raubtieren,

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Die Kopiergebühren sind abgegolten.
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mit in Gruppen jagenden Raubtieren und mit anderen Elefanten, gelten demnach als besonders kommunikations-
Haustieren. Der Grund für die Auswahl dieser Gruppen war, freudig.
dass der Hund aufgrund seiner Geschichte Eigenschaften
aller drei Gruppen in sich trägt. 4 | 10
Ähm, ach so, ehe ich es vergesse. Also, die kognitive Leis- Dr. Lössmann: Am Beispiel der Elefanten möchte ich nun
tung der Tiere wurde in den folgenden Bereichen vergli- zeigen, wie vielfältig die Kommunikationsweisen bei Tieren
chen – wie Sie hier sehen können: im sensorischen Bereich, sein können. Forscher konnten inzwischen nachweisen,
in der räumlichen Orientierung, in der sozialen Intelligenz dass Elefanten, die ja in Familienverbänden und größeren
und in der Eigenwahrnehmung. Hm, wenn Sie noch Fragen Gruppen zusammenleben, über komplexe Formen der
haben, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. Danke für Ihre Verständigung verfügen.
Aufmerksamkeit! Elefanten kommunizieren nicht nur über ein lautes, hörba-
res Schnaufen oder schrilles Trompeten miteinander, son-
dern viel häufiger brummen sie in einer Frequenz bis weit
Auf dem Weg zu Prüfung 9 unter 16 Hertz. Sie verständigen sich also hauptsächlich im
4|9 sogenannten Infraschallbereich. Dieser Bereich – diese
Sprecherin: Vortrag – Teil 1 tiefe Frequenz – liegt unterhalb der menschlichen Hör-
Moderatorin: Sehr geehrte Damen und Herren, herzlich schwelle, und ist daher für uns Menschen nicht mehr
willkommen zu unserer Vortragsreihe „Wie Tiere denken.“ hörbar. Elefanten und auch Blauwale hingegen können
Ich freue mich sehr mit Herrn Dr. Lössmann einen ausge- noch Töne um die 10 Hertz leicht hören und sie zur Kom-
wiesenen Experten auf dem Gebiet der Verhaltensbiologie munikation nutzen. Die Infraschalllaute der Elefanten sind
begrüßen zu können. Herr Dr. Lössmann wird uns in seinem für Menschen zwar nicht hörbar, aber sie sind sehr laut.
Vortrag sicherlich spannende Einblicke in „Die Sprache der Forscher haben mithilfe von Spezialgeräten herausgefun-
Tiere“ geben. Herr Dr. Lössmann, wir freuen uns auf Ihren den, dass sie bis zu 103 Dezibel erreichen. Damit sind sie
Vortrag. ungefähr so laut wie eine Kreissäge. Da nun Schallwellen
Dr. Lössmann: Vielen Dank für die Einladung und Ihre von tiefen Tönen viel weiter getragen werden als die von
freundliche Begrüßung. Nun, die Fähigkeit zu sprechen, gilt hohen, können Elefanten auf diese Weise Mitglieder ihrer
ja seit jeher als eine der wichtigsten Eigenschaften, die uns Gruppe oder Familie erreichen, die sich mehrere Kilometer
Menschen vom Tier unterscheidet. Lange Zeit ging man weit entfernt aufhalten. Die Wahrnehmung dieses tiefen
in der Wissenschaft davon aus, dass es im Tierreich keine Brummens erfolgt aber nicht etwa über die großen Ohren –
annähernd vergleichbare Form der Verständigung gibt wie wie man vielleicht annehmen könnte –, sondern über den
die unter Menschen. Denn nur der Mensch verwendet sym- Rüssel und die Füße. An der Spitze ihrer Rüssel und an den
bolische Begriffe, tauscht sich über abstrakte Sachverhalte Fußsohlen der Vorderfüße besitzen Elefanten nämlich sen-
aus und verwendet ein komplexes System von Regeln – also sible Rezeptoren, womit sie Infraschalllaute wahrnehmen
die Grammatik –, um Wörter zu sinnvollen Aussagen zu können. Forscher nehmen an, dass das Haupteinsatzgebiet
verbinden. Es ist zwar unumstritten, dass Tiere Laute von für Infraschall die Partnersuche ist. Elefantenbullen setzen
sich geben – Vögel singen, Schweine grunzen und Elefan- ganz gezielt Infraschall ein, um in der weiteren Umgebung
ten trompeten – diese tierischen Ausdrucksweisen unter- Weibchen zu finden.
scheiden sich allerdings erheblich von der menschlichen Neben den Infraschallrufen verfügen Elefanten vermutlich
Sprache. Kein Tier – sei es noch so intelligent – ist in der auch noch über eine weitere Form der Signalübermittlung,
Lage, mit seinen Artgenossen eine Unterhaltung zu führen, und zwar über seismische Signale: Droht beispielsweise
die mit einer Unterhaltung, wie Menschen sie führen, Gefahr, stampfen Elefanten mit ihren Vorderbeinen auf
vergleichbar wäre. Jedenfalls haben die Forscher bislang den Boden. Dadurch bebt der Erdboden. Diese Vibrationen
kein anderes Lebewesen außer dem Menschen beobachtet, werden über viele Kilometer weitergetragen und können
das ein derart differenziertes Sprachvermögen hat wie wir. dort von anderen Elefanten wiederum als seismisches
Allerdings wissen Forscher seit einiger Zeit, dass auch man- Signal aufgenommen werden. Über die Rezeptoren an
che Tierarten über Formen der Verständigung verfügen, die ihren Vorderfüßen sind Elefanten also in der Lage, feinste
weitaus komplexer sind, als bislang angenommen. Vibrationen des Erdbodens zu spüren. Eine US-amerikani-
Was unterscheidet nun den Informationsaustausch der sche Forschergruppe erklärt damit beispielsweise einen
Tiere von dem der Menschen? Beim Informationsaustausch bemerkenswerten Vorfall, der sich in Angola ereignete. Eine
von Tieren handelt es sich um einfache Botschaften und Elefantenherde hatte sich unter Bäume geflüchtet, als viele
Signale. Diese erfüllen hauptsächlich drei Zwecke: erstens Kilometer weit entfernt Elefanten aus einem Hubschrauber
einen Partner zu finden, zweitens Feinde und Rivalen abgeschossen wurden. Vermutlich wurde die Herde von
abzuschrecken und schließlich Artgenossen vor Gefahren den Opfern durch das Stampfen auf den Boden gewarnt.
zu warnen. Abgesehen von den Infraschallsignalen nutzen Elefanten –
Darüber hinaus gibt es bei Tieren aber noch mehr Formen wie wir Menschen auch – verschiedene Varianten von Lau-
der Kommunikation. Dies gilt besonders für Tiere, die in ten auch dazu, unterschiedliche Botschaften zu vermitteln.
Gruppen leben. Man kann also sagen: Je sozialer eine Auch bei Tieren geben die Tonhöhe und der Klang der Stim-
Tierart ist, desto häufiger und vielfältiger äußern sich die me Aufschluss über die Stimmungslage. Sie verraten also,
Individuen. Und das aus gutem Grund: Sie tun das, um sich ob ein Tier erschrocken, aggressiv oder traurig ist. Ca. 70 un-
in der Gruppe zu integrieren und zusammenzuarbeiten. In terschiedliche Töne stehen Elefanten zur Verständigung zur
Gruppen lebende Tiere wie Delfine, Primaten, aber auch Verfügung. Diese Laute sind jedoch – wie das menschliche

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Sprechen auch – nicht genetisch festgelegt oder einfach Max: Stimmt! – Aber, egal, der Aufwand hat sich gelohnt.
angeboren. Die Jungtiere müssen erst einmal das richtige Unser großer Tag ist doch super gelaufen. Das war die
Brummen bzw. Trompeten erlernen und sie müssen lernen, Mühe wert!
spezielle Laute bestimmten Situationen zuordnen. Dabei Sarah: Es war irgendwie echt unglaublich. Die vielen
lernen aber nicht alle Elefanten die gleichen Laute, sondern Leute, die gekommen sind, und alle haben so interessiert
man hat festgestellt, dass sich die Laute von Elefanten- mitgemacht, das war so ’ne tolle Bestätigung für die ganze
gruppe zu Elefantengruppe unterscheiden können, es also Arbeit.
unterschiedliche Lautvarianten, unterschiedliche Dialekte Tabea: Ja, aber das Beste wisst ihr noch gar nicht! Die
gibt. Den jeweiligen Dialekt übernehmen die Jungtiere von Unileitung hat sich nämlich auch sehr positiv geäußert! Ich
ihren Müttern. zitiere die Prorektorin: „Der Nachhaltigkeitstag ist eine sehr
zu begrüßende Initiative von engagierten Studierenden.
4 | 11 Wir werden im Gespräch darüber bleiben, ob diese Veran-
Sprecherin: Vortrag – Teil 2 staltung in Zukunft regelmäßig stattfinden kann.“ – Na, was
Dr. Lössmann: Wie vorhin bereits erwähnt, kommunizie- sagt ihr dazu?
ren Elefanten auch im Infraschallbereich. Nachdem man Max: Cool!
Lautvarianten bzw. Dialekte bei den „normalen“ Lauten ent- Sarah: Echt gut, das hätte ich nicht erwartet.
deckt hatte, stellte sich die Frage, ob es bei den Infraschall- Dominik: Das hat sie wirklich so gesagt? Wow!
rufen auch Dialekte gibt. Um dies herauszubekommen, Tabea: Aber da kommt natürlich noch ein bisschen Arbeit
führten Wissenschaftler der Standford University folgendes auf uns zu. Wir müssen nämlich einen Bericht schreiben,
Experiment durch: Die Forscher nahmen die Infraschallru- in dem wir dokumentieren, was wir alles gemacht haben
fe, mit denen sich Elefanten normalerweise gegenseitig und wie es gelaufen ist. – Und deshalb auch dieses Treffen
vor Löwen warnen, von Elefantenpopulationen in Kenia jetzt. Wir sollten heute die ganze Veranstaltung noch mal
und in Namibia auf. Diese aufgenommenen Infraschall- besprechen, um eine Art Bilanz zu ziehen und so. Das muss
rufe spielten sie Elefanten in Namibia vor, die gerade an dann alles in den Bericht rein.
einem Wasserloch Wasser schöpften. Auf die Warnrufe der Sarah: Ach stimmt, der Bericht.
namibischen Artgenossen reagierten die Elefanten erschro- Max: Ach so.
cken: Sie drängten sich dicht zusammen und verließen Dominik: Oh Mann.
schnell die Wasserstelle. Die Warnung ihrer einheimischen
Artgenossen hatten sie somit offenbar verstanden. Mit den 4 | 14
Warnrufen der kenianischen Elefanten konnten sie hinge- Sprecherin: Gespräch der Organisationsgruppe – Teil 2
gen nichts anfangen. Sie registrierten sie zwar, reagierten Tabea: O. k., dann lasst uns alles mal Punkt für Punkt durch-
aber so gut wie überhaupt nicht. Diese für sie fremden gehen und für den Bericht auswerten. Jetzt brauchen wir
Warnrufe, Warnrufe in einem für sie unbekannten Dialekt, noch jemanden, der Protokoll führt. – Max, du machst das
hatten sie offensichtlich nicht verstanden. Im Folgenden ja immer so toll.
möchte ich nun auf weitere Beispiele aus der Tierwelt … Max: O. k., damit das aber klar ist, dafür ladet ihr mich
später zum Bier ein.
4 | 12 Sarah: Na klar. – Wenn wir mal bei dem Gesamteindruck
Kommilitone: Heute kaufen schon viel weniger Menschen anfangen: Es waren ca. 300 Leute da, das waren deutlich
Fleisch aus Massentierhaltung. Zum Glück achten sehr mehr, als wir erwartet hatten!
viele auf die Bezeichnungen „Bio“ oder „Tierwohl“ auf der Dominik: Ja, und das, obwohl wir so wenige Flyer hatten!
Verpackung. Das zeigt, dass die Käuferinnen und Käufer ein Ich denke, wenn man noch mehr Werbung machen würde,
Bewusstsein dafür haben, wie wichtig der Tierschutz ist. könnten sogar 400 oder noch mehr Leute realistisch sein. –
Daher lehnen sie Fleisch aus konventioneller Produktion ab. Also, für die Zukunft schlage ich vor: mehr Flyer, aber auch
Dozentin: Ja bitte? Sie möchten sich zum Beitrag Ihres noch mehr Aktivität auf Social Media. Denn man sieht ja:
Kommilitonen äußern. Die Leute haben echtes Interesse.
Tabea: Hm, ja. Und was glaubt ihr: Was hat die Leute am
meisten interessiert? Warum sind sie gekommen: wegen
Lektion 10 der Seminare oder wegen der praktischeren Sachen oder
4 | 13 war es das gesamte Ereignis, das Event?
Sprecherin: Gespräch der Organisationsgruppe – Teil 1 Max: Puh, das ist keine mal eben schnell zu beantworten-
Alle: Hi Sarah! Hey Dominik! Hey Max! Hallo Tabea! de Frage. Ähm, aber ich denke, viele wollten wirklich was
Tabea: Ja, hallo alle zusammen. Cool, dass es heute so lernen. Die Nachfrage nach den Seminaren und Vorträgen
schnell mit unserem Treffen geklappt hat. Ich hab‘ schon war ja wirklich gut. Und der Dozent bei dem Seminar über
befürchtet, ihr hättet jetzt, so direkt nach unserem Nach- nachhaltige Forstwirtschaft war ganz begeistert und hat
haltigkeitstag, erst mal gar keine Lust und Zeit mehr für gesagt, er hätte selten eine so lebendige Diskussion in
eine weitere Teambesprechung. seinen Seminaren erlebt.
Dominik: Keine Zeit? In letzter Zeit haben wir das Studium Dominik: Das stimmt, ich war dabei. Es gab dafür auch viel
wegen der ganzen Organisation des Nachhaltigkeitstags Lob von allen, die dabei waren.
eh so mega vernachlässigt, da spielt das jetzt auch keine Max: Das Entscheidende war wohl, dass die Atmosphäre so
Rolle mehr. offen war. Es war sehr interaktiv, und niemand musste sich
dumm fühlen.

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Sarah: Wir hatten die Dozenten und Dozentinnen ja extra Tabea: Stopp mal, das müssen wir nicht heute entscheiden.
vorher darum gebeten, ihre Kurse sehr kommunikativ Das ist ja erst relevant, wenn feststeht, ob es in der Zukunft
durchzuführen. Es ging ja auch darum, die Studis zu weitere Nachhaltigkeitstage gibt. Wir schreiben daher ins
aktivieren und ihnen zu zeigen: Ihr könnt selbst etwas Protokoll: Das Format, entweder 24 Stunden oder 2 Tage,
für Nachhaltigkeit tun. – Ich finde, das hat meistens auch bleibt eine noch zu diskutierende Frage.
super geklappt. Max: Meinetwegen.

4 | 15 4 | 17
Tabea: Also das Lernen war schon wichtig, ja. Aber die un- Tabea: Lasst uns jetzt mal überlegen: Was würden wir
terhaltsamen Angebote hatten auch ein großes Publikum. ansonsten gern anders, besser machen?
Die Science-Slam-Nacht war das absolute Highlight! Die Sarah: Na ja, Details hier und da, nichts Großes. Aber wir
Stimmung war sehr gut, fast partymäßig. Es war gut, dass sollten unbedingt noch ein Video über den Nachhaltigkeits-
wir das so organisiert haben. Das Thema „Nachhaltigkeit“ tag produzieren.
ist ernst, aber man muss dabei auch Spaß haben dürfen. Tabea: Ja, genau, ein Freund von Max hat ja gefilmt. Er
Dominik: Na, klar. Mein Eindruck war, dass aber auch die sagt, er könnte daraus für uns ein Video machen, wenn wir
praktischeren Elemente sehr gut ankamen. Die Präsen- wollen. Wir sollen ihm dann nur eine kleine Skizze für ein
tationstische der Unternehmen waren stark besucht. Es Video schicken. Max, bitte frag‘ ihn doch, wann er damit
war gut, dass man da sehen konnte, welche nachhaltig anfangen könnte.
wirtschaftenden Unternehmen es schon gibt und was man Max: Ja, mach’ ich gleich heute.
später beruflich in diesem Bereich alles machen könnte. Tabea: Super, danke! Übrigens, ich denke, wir sollten für
Also, man bekam einen richtig guten Überblick! Ich hab‘ den Bericht wohl auch noch eine Seite zu unserem inhalt-
selbst gestaunt, wie viele Berufe es mittlerweile im Bereich lichen Konzept über Nachhaltigkeit schreiben – für den
Nachhaltigkeit gibt. Da sieht man ganz neue berufliche allgemeinen, theoretischen Teil am Anfang.
Perspektiven. Sarah: Hm ja, zum Konzept. Ja, da müsste auch noch was
Tabea: Also, dann können wir wohl schreiben, dass alle zur Zielsetzung dazu – also, was wir mit dem Nachhaltig-
Bereiche – Theorie, Praxis, und auch die Unterhaltungsele- keitstag erreichen wollten.
mente – gut angekommen sind. Die Leute waren wegen Tabea: Ja, richtig, und natürlich zur Relevanz der ganzen
des Gesamtpakets da, nicht nur wegen einzelner Elemente. Veranstaltung und so. – Ich glaub’, dieser Einleitungsteil ist
Lasst uns das mal im Protokoll festhalten, bevor wir dann wohl am schwierigsten zu schreiben. Hm, also – wenn es
zu den Details gehen. für euch o. k. ist, überlege ich mir mal was dazu und schicke
es euch dann zum Besprechen.
4 | 16 Sarah: Das ist sehr gut, vielen Dank.
Sprecherin: Gespräch der Organisationsgruppe – Teil 3 Max: Super!
Max: O. k., ich hab‘ das nun so notiert: Alle Bereiche des Dominik: Danke, Tabea.
Programms sind auf starkes Interesse gestoßen. Tabea: Und gibt es Punkte, bei denen wir uns mehr Unter-
Dominik: Aber wenn wir jetzt ins Detail gehen: Die Exkursi- stützung wünschen würden?
onen zum Elektrizitätswerk und zu dem Biobauernhof – Dominik: Ganz klar: mehr Geld von der Uni! Dann könnte
da lief es nicht so gut. Es hätten gern viel mehr Personen man auch Gastdozenten aus anderen Städten einladen und
mitgemacht, haben aber keinen Platz mehr bekommen. Es ihnen ein Honorar zahlen.
waren wohl zu wenige Exkursionen. Sarah: Ja, genau. Die Uni hat uns ja schon ein bisschen
Tabea: Oh je, hm. Ich hab‘ aber auch von manchen gehört, unterstützt, und dafür werden wir uns natürlich bedanken,
dass sie es schade fanden, dass sie durch die Exkursion aber es hat halt kaum gereicht. Beim Science Slam z. B.
fünf Stunden unterwegs waren und auf diese Weise vom wäre eine bessere technische Ausstattung echt hilfreich
Nachhaltigkeitstag hier an der Uni nicht mehr viel mitbe- gewesen. Du, Max, das muss ins Protokoll!
kommen haben. Tabea: Mehr Geld, oh je. Ich kann mir den zu erwartenden
Sarah: Ja, schon, aber man kann halt nicht alles haben! Widerspruch vom Rektorat jetzt schon vorstellen.
Aber vielleicht – wenn man den Nachhaltigkeitstag nicht
24 Stunden am Stück macht, sondern auf zwei Tage verteilt,
wie wäre das? Dann hätte man einen Tag für Kurse und
Auf dem Weg zu Prüfung 10
Vorträge an der Uni, und am nächsten Tag folgt der praxiso- 4 | 18
rientierte Teil mit Exkursionen, Besuchen bei Unternehmen Reporter: Guten Tag, liebe Hörerinnen und Hörer. Willkom-
und so weiter. men zum wöchentlichen Wissenschaftsmagazin. Unser
Max: Was? Aber dann wäre doch das Nacht-Event weg! Und Thema heute: „Digitalisierung und Nachhaltigkeit“. Hören
das Frühstück! Das fände ich total schade! Sie zunächst die Statements von 8 Passanten, die wir zu
Sarah: Der Science Slam könnte doch einfach abends sein. ihrer Meinung befragt haben.
Und, mal ehrlich, Max, beim Frühstück waren doch nur Sprecherin: Sprecher 1
40 Leute da. Und die meisten davon waren deine Freunde. Sprecher 1: Meine Frau und ich sind Filmfans, und wir
Max: Aber wir wollten doch bewusst ein Programm schauen nicht nur im Kino, sondern auch zu Hause viele
machen, das ein bisschen ungewöhnlich ist! Und das Filme. Bevor es Streaming gab, haben wir alles auf DVD
Frühstück war ja ein relativ einfach durchzuführender gekauft. Wir haben eine große Sammlung von DVDs im
Programmpunkt. Wohnzimmer. Jetzt überlegen wir, ob wir die nicht mal

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ausräumen sollten, weil wir sie praktisch kaum noch und den Kopf darüber schütteln, wie lange man Bäume für
brauchen. Und dann ist die Frage: Was macht man mit den Papier gefällt hat, weil man einfach an alten Gewohnheiten
ganzen DVDs? Von unseren Freunden will die keiner haben. hing. So wie man heute geschockt darüber ist, wie Unter-
Sollen wir sie in den Müll geben? Ich glaube nicht, dass die nehmen früher ihr dreckiges Abwasser direkt in die Flüsse
systematisch recycelt werden. Wenn man sich vorstellt, wie geleitet haben. Aber es stimmt schon, dass man dadurch
viel Plastik allein in den DVD-Hüllen steckt, und auch die auch Risiken eingeht. Neulich hatten wir ein Systempro-
DVDs selbst bestehen ja aus so einem Polycarbonat. – Beim blem, als unser Digitalisierungsteam bei einer Fortbildung
Streamen fehlt mir als Filmfan die Verpackung mit den war. Da haben wir praktisch nicht mehr arbeiten können.
Fotos und Texten schon ein bisschen. Aber ich muss schon
sagen, es ist die viel umweltfreundlichere Option. 4 | 22
Sprecherin: Sprecher 5
4 | 19 Sprecher 5: Ich würde sagen, dass ich als Softwareent-
Sprecherin: Sprecherin 2 wickler einen nüchternen Blick auf das Thema habe. Die
Sprecherin 2: Neulich hat bei uns an der Uni ein Nachhal- Digitalisierung bringt in der Produktion der Endgeräte und
tigkeitstag stattgefunden, da haben wir einen Film über auch in der Nutzung selbst einen hohen Energieverbrauch
den Energieverbrauch durch die globale Internetnutzung mit sich, da darf man sich nichts vormachen. Trotzdem
gesehen. Es ist schon seltsam: Rational weiß man natürlich, will wohl niemand ernsthaft wieder zurück in die Zeit, als
dass jede Anwendung auf dem Computer oder dem Smart- man noch mühsam ein Telefon suchen musste, wenn man
phone Energie braucht. Aber wenn man alles so schnell unterwegs jemanden anrufen musste! Man muss aber auch
und leicht anklicken kann, fühlt es sich einfach nicht so an, sehen, dass in Zukunft immer mehr Geräte am Netz hängen
als würde man groß Energie abziehen. Mir geht es so, dass werden – Maschinen, aber auch Kühlschränke, Autos und so
ich überhaupt nicht an die Technik im Hintergrund denke, weiter. Das alles verursacht einen immer höheren Daten-
wenn ich z. B. im Bus sitze und zum Spaß ein Video an- fluss. Und dafür braucht es auch immer größere Datenzen-
schaue. Im Film haben sie gezeigt, dass aber gerade durch tren mit hohem Stromverbrauch. – Ich sag‘ immer: Wir sind
das Streaming von Videos und Filmen viel CO2 produziert gerade in einer ungeheuren digitalen Wachstumsphase,
wird, viel mehr als z. B. beim klassischen, analogen Fern- und in allen technologischen Wachstumsphasen in der
sehen. Ich hab‘ jetzt ein total schlechtes Gewissen, aber Geschichte hat man sich leider erst später Gedanken um
einfach lassen kann ich es irgendwie auch nicht. die ökologischen Folgen gemacht.

4 | 20 4 | 23
Sprecherin: Sprecher 3 Sprecherin: Sprecherin 6
Sprecher 3: Während der Corona-Pandemie sind ja sehr Sprecherin 6: Ich war schon öfter in einem Reparaturcafé
viele Geschäftsreisen weggefallen und es gab fast nur noch und finde diesen Ansatz toll. Beim letzten Mal haben wir
virtuelle Konferenzen. Klar, so viele gestrichene Flüge und die kaputte Kaffeemühle meiner Mutter wieder zum Laufen
Autofahrten bedeuten eine Entlastung des Verkehrs und gebracht. Die ist schon rund 20 Jahre alt und macht immer
weniger CO2. Aber auf Dauer funktioniert das meiner Erfah- noch einen guten Job. Aber bei Smartphones scheint es ja
rung nach nicht. Persönliche Treffen lassen sich nicht kom- jeder für normal zu halten, dass man sich alle ein bis zwei
plett durch digitale Formen ersetzen. Da geht‘s ja auch um Jahre ein neues kauft. Da müssten die Hersteller viel mehr
die Pflege von guten Geschäftsbeziehungen, und das hat in die Pflicht genommen werden, damit es auch noch für
viel mit Vertrauen zu tun. Dafür ist es einfach notwendig, ältere Geräte neue Software-Updates gibt und dass Recyc-
dass man sich beispielsweise beim Mittagessen persönlich lingprogramme entwickelt werden. Es müsste doch wirklich
austauscht oder dass man sich das Unternehmen des Ge- möglich sein, dass ein Smartphone ungefähr die Lebens-
schäftspartners direkt anschauen kann. Wir sind in meinem dauer eines Notebooks erreicht. Hier in Deutschland ver-
Beratungsunternehmen nicht mehr so oft unterwegs wie breitet sich ja allmählich eine konsumkritischere Haltung.
vor der Pandemie. Und wir planen die Reiserouten effizi- Aber wenn ein neues Handymodell auf den Markt kommt,
enter und legen Termine zusammen, dann braucht man wollen alle es haben, und kaum jemand denkt daran, dass
weniger Flüge. Aber wichtige Gespräche müssen halt doch für jedes Gerät wertvolle Rohstoffe gebraucht werden.
persönlich stattfinden. Das CO2-Problem muss man anders
in den Griff bekommen. 4 | 24
Sprecherin: Sprecher 7
4 | 21 Sprecher 7: Es wird ja viel darüber diskutiert, ob durch
Sprecherin: Sprecherin 4 Digitalisierung unser CO2-Fußabdruck steigt oder nicht,
Sprecherin 4: Bei uns auf der Arbeit haben wir auf das aber das ist ja nur ein Aspekt des Themas. Ich studiere in
„papierlose Büro“ umgestellt. Das haben wir vor einiger Zeit einem internationalen Masterstudiengang „Angewandte
beschlossen – auch deshalb, um von dem hohen Papier- Umweltwissenschaft“. Da geht es z. B. um den Einfluss
verbrauch wegzukommen. Am Anfang haben wir viel Zeit von Klimafaktoren auf die Qualität des Bodens oder des
investieren müssen, um die nötigen digitalen Strukturen Grundwassers. Wir arbeiten ständig mit digitalen Modellen.
anzulegen. Mittlerweile benötigen wir aber fast keine Konkret quantifizieren wir alle physikalischen, chemischen
Papierakten mehr und die ganzen unordentlichen Papier- und biologischen Faktoren. Dann können wir am Computer
berge auf den Schreibtischen sind auch verschwunden. In simulieren, was insgesamt passiert, wenn man einzelne
zehn Jahren wird man wohl auf unsere Zeit zurückblicken Faktoren verändert. Ohne solche Simulationsverfahren

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wüssten wir heute nur wenig über den Klimawandel! Es ist Jasmin: Ich denke, das könnte ein Schwerpunkt im Schluss-
eine tolle Chance, dass wir heute komplexe Systeme digital teil sein – wenn man so generelle Empfehlungen abgibt,
abbilden können. Das erlaubt uns einen viel genaueren und oder? Was ich mir schon zu Hause überlegt habe: Nach der
intelligenteren Blick auf die ganzen Zusammenhänge von Theorie müssen wir auf jeden Fall auf die aktuellen Rah-
Ökologie, Klima und Wirtschaft. menbedingungen eingehen, also auf die Agrarpolitik oder
die Handelsstrukturen. Und dann sollten wir wohl auch
4 | 25 verschiedene betriebswirtschaftliche Planungsansätze
Sprecherin: Sprecherin 8 vorstellen. Wertmaier findet das immer ganz toll.
Sprecherin 8: Wenn ich zurückblicke auf meine ersten Jahre Tamara: Guter Punkt! Aber, wenn ich mir das so überlege,
in unserer Firma vor 27 Jahren und auf die Entwicklungen, dann müssen wir das gut vorbereiten. Denn dafür müssen
die da seither passiert sind, dann würde ich sagen, dass wir wir vorher die Kostenfaktoren erklärt haben, also Preise
durch digitale Systeme heute schneller, günstiger und flexi- und vor allem die Betriebskosten. Sonst können wir das
bler produzieren und liefern. Und wir können Material und nicht präzise darstellen. Hm, das Thema wird jetzt irgend-
Energie effizienter einsetzen. Das alles hat auf jeden Fall wie abstrakter, als ich es mir vorgestellt habe.
Vorteile für die Umwelt. Indem wir die Produktionsabläufe Jasmin: Das ist ja irgendwie immer so, oder? Aber sagt mal,
durch eine bessere Datenvernetzung optimiert haben, ist müssten wir bei diesem ganzen Thema vielleicht auch die
es uns zudem gelungen, den Stromverbrauch zu senken. EU-Agrarförderung berücksichtigen? Darüber weiß ich über-
Wir sind jetzt außerdem gerade dabei, die Werkshallendä- haupt nichts! Du liebe Güte. Da bräuchten wir ja Monate!
cher mit Photovoltaik-Modulen auszurüsten. Damit können Benny: Nein, warte mal, das werden wir erst mal mit Wert-
wir unseren Strombedarf zu einem Teil selbst decken und maier abklären. Fragen wir ihn nächste Woche nach dem
tun aktiv was für den Klimaschutz. Seltsam ist nur, dass Seminar!
wir, obwohl wir dank der ganzen neuen Technik effizienter Tamara: Ja, das machen wir.
arbeiten können, nicht weniger Arbeit und Aufwand haben.
Irgendwie schlucken die digitalen Prozesse die Zeit, die an
anderer Stelle eingespart wurde.

4 | 26
Jasmin: Hallo ihr.
Tamara: Ah, da kommt ja auch Jasmin. Hallo! Aller guten
Dinge sind drei. O. k., dann könnten wir jetzt ja anfangen
mit der Referatsplanung.
Benny: Ja, bitte, ich hab‘ nur eine Stunde Zeit. Aber es soll ja
jetzt eh nur um eine erste grobe Planung gehen.
Tamara: Ja, eine ungefähre Gliederung, noch ohne Details.
Einfach so, dass jeder weiß, was er zu tun hat.
Jasmin: O. k. Ähm, ich sag‘s gleich, dass ich gern den ersten
Teil übernehmen will! Also die Einleitung und danach noch
die theoretischen Grundlagen, also, äh, die Definition – also
was ist solidarische Landwirtschaft überhaupt – und dann
den historischer Abriss, die Modelle und so weiter. – Wenn
ich gleich am Anfang mit Sprechen an der Reihe bin, werde
ich nicht so nervös.
Tamara: O. k., gern, aber lass uns doch erst mal alle Teile
sammeln, bevor wir die Aufgaben verteilen.
Jasmin: Ach so, Entschuldigung. Sag, Benny, hast du eigent-
lich was von Professor Wertmaier gehört?
Benny: Ja, ich hatte ihm vor ein paar Tagen geschrieben
und gefragt, ob wir ein konkretes Fallbeispiel vorstellen
können, also einen geeigneten Biohof. Er fand das im Prin-
zip gut, hat aber noch dazu gesagt, dass wir diesen Biohof
auf keinen Fall naiv darstellen sollen, also nur die Vorteile
nennen und was gut läuft, sondern er wünscht sich eine
kritische Bewertung. Darauf müssen wir achten.
Jasmin: Ist doch klar. Und das machen wir auch noch mal
zum Schluss in der Bilanz. – Äh ja, und hat er auch noch
einen Tipp gegeben, wie wir unseren Titel „Solidarische
Landwirtschaft“ noch spezifischer formulieren könnten?
Benny: Ja, er schlägt jetzt als Ergänzung vor: „Zukunftspers-
pektiven für kooperative Agrarbetriebe.“
Tamara: Puh, das hört sich nicht einfach an.

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