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Ruhr-Universität Bochum

Lehrstuhl für Ethnologie

Bachelorarbeit zum Thema:


Angewandte Medizinethnologie in der Praxis
Eine Untersuchung von medizinethnologischen Schulungen für medizinisches Personal
und deren Auswirkungen auf ihre Patient*innen

Vorgelegt von:

Martin Nyoni
Große Beckstraße 1A
44787 Bochum
E-Mail: martin.nyoni@rub.de

Matrikelnummer: 108017207004
BA Kultur, Individuum und Gesellschaft
8. Fachsemester
1. Betreuungsperson: Dr. David Berchem
2. Betreuungsperson: Dr. Christiane Falge

Datum: 30.07.2021
Inhaltverzeichnis
1. Einleitung...........................................................................................................................3

2. Theorie...............................................................................................................................4

2.1 Kultur...........................................................................................................................4

2.2 Implikationen von Kultur für die Gesundheit Alltag...................................................6

Literaturverzeichnis................................................................................................................7

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1. Einleitung

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2. Theorie
Grundlage für interkulturelle Schulungen aber auch grundsätzlich für das Verstehen
anderer Kulturen im medizinischen Kontext ist es wichtig, eben diesen Begriff der Kultur
zunächst zu definieren, und die theoretischen Grundlagen dazu zu behandeln. Dies soll
Aufschluss darüber geben, wieso es im Alltag zu Konflikten und Missverständnissen
besonders auch im medizinischen Kontext kommen kann. Anschließend sollen die
theoretischen Ansätze aus der Medizinethnologie herangezogen werden, Antworten auf die
Misskommunikation im interkulturellen Kontext zu finden.

2.1 Kultur
Der Kulturbegriff wird im Alltag täglich genutzt und schafft dadurch oft den Eindruck, als
wäre er klar definiert. Häufig ist dabei die Rede von Veranstaltungen von Kunst jeglicher
Art wie Musik, Tanz oder Theater. Aber auch bei Essen, Kleidern oder auch Sprache wird
häufig von Kultur gesprochen. Seit den jüngeren Migrationsbewegungen von Menschen
nach Europa wird in Deutschland allerdings Kultur mittlerweile auch immer öfter als ein
abgrenzender Begriff verwendet, um bestimmte Menschengruppen voneinander zu
unterscheiden (Witzenleiter & Luppold, 2020)

Allerdings ist Kultur ein komplexer Begriff, der vieles umfasst, nicht klar definiert ist und
sich auch mit der Zeit gewandelt hat (Genkova, 2019; Witzenleiter & Luppold, 2020). Der
Kulturbegriff wurde neben Anthropologen, die sich hauptsächlich mit dem Phänomen
beschäftigen, auch von Wissenschaftlern anderer Disziplinen, wie der Philosophie,
Soziologie und Psychologie zu erklären versucht (Genkova, 2019) Je nach Definition liegt
der Fokus dabei mal auf den materiellen Dingen, wie Werkzeug, Gebäude oder
Kunstobjekten, mal auf dem von Menschen produzierten geistigen Wissen, wie Symbole,
Traditionen, Sprache und auch Gesellschaftsformen. Dies fasst Herskovits (1955, siehe
Genkova, 2019, S.10) in seiner Definition zusammen und beschreibt Kultur als „der vom
Menschen erschaffene Teil (human made) der Umwelt“.

Dies umfasst alle Dinge, die ohne den Menschen nicht existieren würden, sowohl
materieller als auch immaterieller Natur. Dazu gehören auch abstrakte Dinge wie Normen,
Werte, Religion und auch Umgangsformen, die man von klein auf erlernt und in seiner
Identität verinnerlicht. Kultur durchdringt jeden Aspekt des Lebens, angefangen mit den
Morgenritualen eines jeden Menschen, die Art und Weise wie man miteinander in
Beziehung steht, miteinander kommuniziert, bis hin was wir tagtäglich denken (vgl.
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Hofstede & Hofstede, 2011). Diese Denk- und Verhaltensmuster werden innerhalb einer
Gesellschaft erlernt. Zunächst durch die Familie und später durch Instanzen wie Schulen,
Vereine aber auch durch Freunde und allgemein das öffentliche Leben. Nach dem
Kulturpsychologen Alexander Thomas (1993) ist Kultur ein

universelles, für eine Nation, Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber sehr
spezifisches Orientierungssystem. Dieses wird aus spezifischen Symbolen
gebildet und in der jeweiligen Gemeinschaft, Gruppe usw. weitergegeben. Es
beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller Mitglieder
und definiert somit deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Kultur als
Orientierungssystem strukturiert ein für die sich in der Gesellschaft zugehörig
fühlenden Individuen spezifisches Handlungsfeld und schafft somit die
Voraussetzung zur Entwicklung eigenständiger Formen der
Umweltbewältigung.
(S.380)

Wichtig ist hierbei anzumerken, dass Kultur (nicht wie in früheren und veralteten
Konzepten der Fall) kein starres, homogenes Konstrukt ist (vgl. Knipper & Bilgin, 2009).
Ein essentialistisches oder in der Literatur vielfach als „Klassischer Kulturbegriff“
beschriebenes Kulturverständnis beinhaltet die Vorstellung, dass Kultur ein natürlich
auftretendes, unveränderbares Konstrukt ist, dass an Sprache und Ländergrenzen gekoppelt
sei. Diese Überlegungen, so die Ethnologin M. Knecht (2008) hätten „sich als viel zu
simples Modell erwiesen, um kulturelle Dynamiken und Verflechtungszusammenhänge in
Gegenwartsgesellschaften angemessen zu theoretisieren“ (S.172-173). Stattdessen wird
Kultur heute in der Anthropologie eher als ein prozesshafter Handlungs- und
Orientierungsrahmen gesehen der einem ständigen Wandel ausgesetzt ist (vgl. Knipper &
Bilgin, 2009; vgl. Lux, 2003).

Auch wenn Kultur im Kollektiv erfahren wird, und in einer Gruppe relativ weitgehend
gleiche Wertemaßstäbe, Verhaltensweisen und Normen etabliert, so ist eine Person auch
noch von anderen Faktoren beeinflusst. Was einen Menschen in seinem Denken, Fühlen
und Handeln letztlich ausmacht, ist zu dem auch geprägt von seiner individuellen
Biographie, seiner eventuellen Zugehörigkeit zu einer Minderheit, zu seinem sozialen
Status und mehr (Knipper & Bilgin, 2009, S.22). Somit liefert Kultur zwar einen breiten
„Orientierungs- und Interpretationsrahmen, [welcher] (…) Lebenserfahrungen einen Sinn
verleih[t]“ (Lux, 2003, S.282), jedoch ist dieser nicht eins zu eins von Individuum zu Individuum,
die sich der gleichen kulturellen Gruppe zugehörig fühlen, übertragbar. Auf diesen Aspekt von
Kultur soll in dieser Arbeit an späterer Stelle noch einmal näher eingegangen werden.

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Festzuhalten ist , dass Kultur ein Individuum oder eine Gruppe von Menschen in der Art
und Weise, wie sie die Welt verstehen, stark prägt. Sie hat großen Einfluss darauf, wie
Menschen wichtige Grundkonzepte des Lebens, wie z.B. Geburt, Krankheit oder auch Tod
wahrnehmen.

2.2 Implikationen von Kultur für die Gesundheit


Im Alltag kann das Phänomen Kultur einige zwischenmenschliche Herausforderungen
schaffen. Wenn Menschen die kulturell sehr unterschiedlich geprägt sind, miteinander
arbeiten, leben oder auch einfach nur kommunizieren, kann dies zu Missverständnissen, im
schlimmsten Fall sogar zu Streit führen. Dies ist kein unerhebliches Problem, besonders in
Einwanderungsgesellschaften. Wenn Menschen wichtige Grundaspekte des Lebens wie
Krankheit oder Gesundheit unterschiedlich verstehen, kann das gesundheitliche
Konsequenzen nach sich ziehen (vgl. Bischoff et al., 2009). Wird ihre Art und Weise mit
Kranksein anders verstanden, kann Ihnen nicht adäquat geholfen werden. Bringt eine
Patient*in aufgrund seiner/ihrer kulturellen Prägung Schmerzen anders zum Ausdruck
kann das dazu führen, dass der/die Patient*in mehr oder weniger Schmerzmittel
verschrieben bekommen. Oder es passiert, dass gewisse religiöse Regeln der/des
Betroffenen sich nicht mit der vorgeschriebenen Therapie vereinbaren lassen. So passiert
es manchmal, dass Patien*innen aufgrund dessen ihre Therapie nicht einhalten oder dieser
nur teilweise nachkommen (vgl. Lux, 2003; vgl. Six-Hohenbalken, 2009). Das arbeitende
medizinische Personal, sofern es dahingehend nicht sensibilisiert ist, handelt für
gewöhnlich nur nach den Maßstäben und Deutungsrahmen der eigenen Kultur (ebd. S. 10).
Daraus ergibt sich ein nicht zu vernachlässigendes Risiko für Patient*innen.

Besonders Migrant*innen sind häufig von einer qualitativ minderwertigen


Gesundheitsversorgung betroffen (vgl. Saladin, 2007). Knipper & Bilgin (2009)
beschreiben die Versorgungsmängel als besorgniserregend. So seien Patient*innen von
einer vermehrten Anzahl an Fehldiagnosen betroffen, was zur einer Endlosdiagnostik führe
(ebd. S. 67, vgl. auch Geiger, 2000). In einer Studie zu gynäkologisch erkrankter
Patient*innen aus dem Jahr 2001 wurde gezeigt, dass türkische Patient*innen Vergleich
deutschen schlechter Informiert über Therapie und Krankheit beim Verlassen der
Einrichtung, und deutlich unzufriedener als die Vergleichsgruppe waren (vgl. David,
2001). Nach einer Auswertung der Studie von Martine Verwey (2003) seien existierende
Versorgungskonzepte nicht geeignet, um soziokulturelle und migrationsbedingte
Unterschiede zwischen einheimischen und zugewanderten Frauen angemessen

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auszugleichen (S. S. 285). (Dies hat neben dem Aspekt Kultur mehrere Gründe. Zum einen
sind Sprachbarrieren oder auch ein schwach ausgeprägtes Verständnis von
Körperprozessen ein wichtiger Punkt. Allerdings spielen auch der sozioökonomische
Hintergrund, fehlende Krankhäuser oder ein schlechter Zugang zu gesundheitsrelevanten
Informationen eine große Rolle (vgl. Bischoff et al., 2009; vgl. Saladin, 2007). In dieser
Arbeit soll vor allem auf den Punkt der Kultur eingegangen werden.

Es ist wichtig festzuhalten, das Gesundheit, neben Kultur, von vielen Faktoren abhängig,
wie beispielsweise auch

Wenn in dieser Definiton die Rede von einem spezifischen Handlungs- und
Orientierungsfeld ist Die Verinnerlichung von Kultur hat einen starken Einfluss auf die
Psyche, und damit auch wie Menschen die Welt betrachten, deuten und verstehen.

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Literaturverzeichnis
Bischoff, A., Chiarenza, A. & Loutan, L. (2009). "Migrant-friendly hospitals": a European
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official journal of the International Hospital Federation, 45(3).
David, M. (2001). Aspekte der gynäkologischen Betreuung und Versorgung von türkischen
Migrantinnen in Deutschland. Berlin. https://doi.org/10.18452/13766
Geiger, I. (2000). Interkulturelles Arbeiten im Gesundheitsamt - Handbuch. Berlin/Bonn.
Genkova, P. (2019). Interkulturelle Wirtschaftspsychologie. Springer-Lehrbuch. Springer.
Hofstede, G. & Hofstede, G. J. (2011). Lokales Denken, globales Handeln: Interkulturelle
Zusammenarbeit und globales Management (P. Mayer & M. Sondermann, Übers.) (5.
Aufl.). Beck-Wirtschaftsberater im dtv: Bd. 50807. Deutscher Taschenbuch Verlag
Verlag C. H. Beck.
Knecht, M. (2008). Jenseits von Kultur: Sozialanthropologische Perspektiven auf
Diversität, Handlungsfähigkeit und Ethik im Umgang mit Patientenverfügungen. Ethik
in der Medizin, 20(3), 169–180. https://doi.org/10.1007/s00481-008-0576-0
Knipper, M. & Bilgin, Y. (2009). Migration und Gesundheit. Eine Veröffentlichung der
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Konrad-Adenauer-Stiftung.
Lux, T. (2003). Kulturelle Dimensionen der Medizin: Ethnomedizin - Medizinethnologie -
Medical Anthropology. Reimer.
Saladin, P. (2007). Das Projekt ‚Migrant Friendly Hospitals': Gleiche Chancen für
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http://www.pflegeportal.ch/pflegeportal/pub/migrant_friendly_hospitals_1003_1.pdf
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Thomas, A. & Eckensberger, L. H. (Hrsg.). (1993). Kulturvergleichende Psychologie:
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Witzenleiter, H. & Luppold, S. (2020). Kulturbegriff und Interkulturelle Kompetenz. In H.
Witzenleiter & S. Luppold (Hrsg.), Quick Guide. Quick Guide Interkulturelle

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Kompetenz (S. 1–5). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-
658-29103-7_1

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