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2022/5/22 上午10:18 Warum zu viel Licht Hamster frigide und Mäuse dick und krank macht - WELT

WISSENSCHAFT SCHATTENSEITE DES LICHTS

„Lichtverschmutzung ist eine Hauptursache des globalen


Artensterbens“
Stand: 16.05.2022 | Lesedauer: 4 Minuten

Von Christiane Oelrich

Nächtliche Lichtspuren vorbeifahrender Autos in Dresden

Quelle: Robert Michael/dpa-Zentralbild/d

Hungernde Vögel, verwirrte Fledermäuse, frigide Hamster – die nächtliche


Dauerbeleuchtung gefährdet Arten und Bestände. Das gilt vor allem für nachaktive
Tiere. Aber auch den Menschen bringt die Lichtverschmutzung manchmal aus dem
Rhythmus.

D er Trend zu nächtlichen Dauerbeleuchtung ist für viele Tiere eine Qual. Zwar feiert
die UN-Kulturorganisation Unesco am 16. Mai, dem internationalen Tag des Lichts
(https://en.unesco.org/commemorations/dayoflight), die segensreiche Rolle der Beleuchtung für

Wissenschaft, Technologie, Kultur und Kunst. Aber Licht hat auch Schattenseiten.

„Lichtverschmutzung ist wahrscheinlich eine Hauptursache des globalen Artensterbens“


(https://www.birdlife.ch/sites/default/files/documents/Orn4_15-17_Dunkelkorridore.pdf), sagt

Chronobiologin Stefanie Monecke. Beispiel Straßenlaterne, wo man oft dichte


Insektenschwärme sehen kann: „Das Licht zieht abertausende Insekten an, die um die
Lichtquelle surren, ermüden oder verbrennen. Die ganze Nahrungskette gerät damit
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durcheinander: (https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-
spinnen/insektensterben/31282.html)Die Tiere, die Insekten im Dunkeln jagen, finden weniger

Nahrung.“

Viele Fledermausarten sind lichtempfindlich, meiden Lichtquellen und haben deshalb immer
kleinere Jagdgebiete, berichtet die Schweizer Naturschutzorganisation Bird Life.
Rotkehlchen, die eigentlich früh in der Dämmerung singen, sängen bei heller Beleuchtung
manchmal die ganze Nacht. Selbst Jogger, sagt Monecke, könnten Wildtiere mit lichtstarken
Stirnlampen aus dem Konzept bringen.

Aber nicht nur das: Künstliches Licht bringe die innere Uhr vieler Tiere durcheinander.
Feldhamster etwa nähmen die kürzer werdenden Tage
(https://www.iucnredlist.org/species/5529/111875852) wahr und stellten so Mitte Juli ihre

biologische Jahresuhr, die Anfang und Ende des Winterschlafs bestimme, sagt Monecke,
Gastwissenschaftlerin an der Ludwig-Maximilian-Universität München.

Wenn sie dabei durch die Lichtglocke einer Stadt oder Autolichter auf einer Straße gestört
werden, sei die Gefahr groß, dass ihre Uhr aus dem Takt gerate. Dann kämen sie im Frühjahr
weder rechtzeitig aus dem Winterschlaf noch seien sie gleichzeitig paarungsbereit. „Die
Reproduktion der Feldhamster startet heute schon bis zu zweieinhalb Monate später als in
den 80er Jahren“, sagt Monecke. „Anstatt 20 bis 25 Jungtiere im Jahr zieht ein
Feldhamsterweibchen heute nur noch fünf groß. Mit stark sinkender Tendenz.“

Bei manchen Arten gehen die Zahlen Monecke zufolge dramatisch zurück, „nicht, weil zu
viele Tiere sterben, sondern weil sie wie die Feldhamster immer weniger Nachwuchs
bekommen“. Lokale Umweltverschmutzungen und -zerstörungen können diesen Faktor ihrer
Ansicht nach nicht erklären, Lichtverschmutzung aber schon. Heute sei der Feldhamster, der
bis in die 1980er Jahre millionenfach auf den Feldern vorkam, in seinem gesamten
Verbreitungsgebiet zwischen Rheintal und Baikalsee vom Aussterben bedroht.

Nach Ansicht der Weltnaturschutzunion IUCN ist Lichtverschmutzung eine „oft


unterschätzte Gefahr“, die auch für den Hamster (https://www.welt.de/themen/hamster/)

bedeutend sein könne. Daneben nennt sie bei ihm etwa Klimawandel, industrielle
Landwirtschaft, Lebensraumverlust und Vergiftung als Schädling.

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Auch Menschen richten ihre innere Uhr am Hell-Dunkel-Rhythmus aus, sagt Chronobiologe
Achim Kramer von der Berliner Universitätsklinik Charité. Zellen im Auge leiten Impulse von
Licht weiter, die die innere Uhr „stellen“ und dafür sorgen, dass Menschen, wenn es nachts
draußen dunkel ist, schlafen und am hellen Tag aktiv sind. „Wenn man bei Mäusen die innere
Uhr abschaltet, werden sie dick und krank“, sagt Kramer. Auch, wer im Schichtdienst ständig
gegen die innere Uhr lebe, habe ein höheres Risiko von Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- oder
Krebserkrankungen und Depressionen (https://www.welt.de/themen/depression/) als Menschen

mit intaktem Tag-Nacht-Rhythmus. „Eine gut synchronisierte innere Uhr ist für die
Gesundheit ganz wichtig.“

Eine besonders ungesunde Lichtquelle: Computer

Gegen zu starke Beleuchtung abends und nachts draußen können sich Menschen allerdings –
anders als Tiere – durch Vorhänge schützen. „Bei den Menschen ist vor allem die selbst
gemachte Lichtverschmutzung ein Problem: die stundenlange und oft späte Nutzung von
Bildschirmen“, sagt Kramer.

Leute, die ihren heimischen Garten beleuchten oder Gemeinden, die für helle
Straßenbeleuchtung sorgen, tun das oft mit dem Argument, sie wollten Kriminelle
abschrecken. Eine britische Studie konnte 2015 (https://jech.bmj.com/content/69/11/1118) aber

zeigen, dass mehr Straßenlicht in mehr als 60 Ortschaften in England und Wales weder
Unfälle noch Kriminalität verhinderte.

Deshalb ist Abhilfe für die Not der Tiere eigentlich einfach: weniger Außenbeleuchtung
(https://www.igb-berlin.de/news/schutz-der-biodiversitaet-dunkle-infrastruktur-schaffen). Damit

ließe sich auch enorm Energie sparen. „So verschwendet die dringend
modernisierungsbedürftige Beleuchtung von Straßen, Plätzen und Brücken in Deutschland
jährlich drei bis vier Milliarden Kilowattstunden Strom – mehr, als eine Million private
Haushalte zusammen verbrauchen“, rechnet der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) vor
(https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/energie/energieeffizienz-und-

gebaeudesanierung/artenschutz/28415.html). Manche Städte hätten ihren Energieverbrauch durch

intelligente Beleuchtung, unter anderem mit Bewegungsmeldern, um 50 Prozent reduziert.

Oft würden bei der öffentlichen Beleuchtung Glühbirnen durch LED-Lampen mit gleicher
elektrischer Energiemenge ersetzt, sagt der Physiker und Ingenieur Martin Löffler-Mang von
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der Hochschule für Technik des Saarlands. Diese Lampen machten aber deutlich mehr Licht.
„Wenn die Lichtmenge vorher in Ordnung war, könnte man bei LED massiv reduzieren und
den Energieverbrauch auf ein Fünftel drosseln“, sagt er. Löffler-Mang hilft Gemeinden bei
Interesse mit Lichtmonitoring, um starke Lichtquellen zu identifizieren und zu reduzieren.

Dafür werden über längere Zeit an einer festen Stelle automatisch Nachtaufnahmen gemacht,
die später ausgewertet werden. Andermatt in der Schweiz
(https://www.ur.ch/_docn/173528/Lichtmonitoring_Andermatt_Jahresbericht_2017.pdf) hat das

erfolgreich gemacht. St. Wendel im Saarland wolle nun auch etwas tun, um mit dem Konzept
„weniger Licht“ mehr Touristen anzuziehen. Fulda wurde 2019 als erste „Sternen-Stadt“
Deutschlands (https://www.sternenstadt-fulda.de)von der Dark-Sky-Association anerkannt. Sie
hat ihre Beleuchtung konsequent nach unten gerichtet und steuert sie nach Bedarf. Die Stadt
hat ihren Energieverbrauch nach eigenen Angaben gesenkt.

Löffler-Mang verweist zudem auf diese wissenschaftliche Erkenntnis: „Wenn wir weniger
Licht machen würden, werden wir sensibler und sehen dann mehr.“

dpa

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