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Weiterbildung

Eine Gruppenarbeit machen

Aus der Praxis 1 – Kurs Niveau A1

Ablaufbeschreibung der Kursleitung


Kursgruppe
In der dritten Kurswoche wollte ich das Wagnis einer etwas
Eine Anfängergruppe mit eher schulungewohnten längeren Gruppenarbeit eingehen. Zuerst sollte die Grup-
Lernenden. Es handelt sich um 7 Frauen und 3 Män- penarbeit ausgeführt, danach aber auch ausgewertet und
ner, mehrheitlich aus dem vorderen Orient und Afri- dokumentiert werden, so gut das auf dieser Stufe geht – so-
ka; 2 Frauen kommen aus Südamerika. Die meisten zusagen ein Szenario im Szenario. Wir bearbeiten zurzeit das
sind über die Regelungen zum Familiennachzug oder Szenario «Einer Nachbarin begegnen»: verschiedene Gruss-
durch Heirat erst vor kurzer Zeit in die Schweiz ge- formen (du / Sie) und ein paar Worte wechseln zur Person,
kommen. 2 Frauen und 1 Mann sind schon etwas län- zum Wetter oder zur Wohnumgebung.
ger hier, waren aber bisher vor allem zuhause, und die
Aussenkontakte wurden durch Verwandte geregelt. Um in Hausgemeinschaften das Treffen von Nachbarn zu si-
mulieren, wollte ich die TN Wohnumgebungen zusammen-
Der Kurs dauert insgesamt 60 Std., 5 x 3 Std. pro Wo- stellen lassen. Ich hatte dafür auf Flipchart-Blättern 4-stö-
che. Die Lektionen sind jeweils von 8.30 – 12.00, mit ckige Häuser skizziert. Ausserdem hatte ich einen grossen
zwei 15-minütigen Pausen. Es wurde von Anfang an Stapel von alten Zeitungen und Zeitschriften sowie Scheren
nach dem fide-Konzept ohne Lehrbuch gearbeitet und Leim bereitgestellt. Die Gruppen sollten 3 Stockwerke
(vergl. Praxisbericht zum Szenario «Am ersten Kurs- ihres Hauses mit Einwohnern «beleben». Die Personen oder
tag teilnehmen»). Der Kurs befindet sich in der 3. Familien konnten sie ausschneiden und hinkleben, und sie
Woche, d.h. die Gruppe hat schon gut 30 Unterrichts- sollten den Personen einen Namen und ein Alter geben und
stunden besucht. eventuell noch weitere Angaben machen. Eine Wohnung
sollte frei bleiben – da würden dann am folgenden Tag die TN
selber einziehen. Dann sollten sie das Haus und ihre Bewoh-
ner zusammen präsentieren. Ich habe mit einem Beispiel
Ausgangssituation gezeigt, was zu machen ist, und die Instruktionen auch mit
ganz einfachen Worten an die Tafel geschrieben. Da eine der
Seit Ende der zweiten Woche bewegt sich die Klasse TN fehlte, haben wir drei 3er-Gruppen gebildet. Die TN konn-
im Handlungsfeld «Wohnumgebung». Inhaltlich geht ten die Gruppen selbst zusammenstellen. Das geht in dieser
es darum, Nachbarn (oder andere Leuten, die man Klasse gut, es gibt keine speziellen Zu- oder Abneigungen.
trifft) zu grüssen und ein paar Worte mit ihnen auszu-
tauschen. Seit dem Anfang haben die TN immer wie- Die Gruppen haben sich recht schnell an die Arbeit gemacht
der kleine Aufgaben in Gruppen erledigt. Jetzt möchte und die Zeitschriften durchgeblättert. Einige haben spontan
die KL einen etwas umfangreicheren Gruppenauftrag Leute ausgeschnitten, andere haben zuerst die Gruppenkolle-
geben, um die Selbständigkeit der TN zu fördern. gInnen konsultiert. Mit den Namen kamen einige Gruppen in
Verlegenheit, da sie wenige Bekannte in der Schweiz hatten.
Nach einer Weile habe ich Ihnen dann eine Liste mit «schwei-
zerischen» Vornamen und Namen an die Tafel geschrieben.

Mit dem Zuordnen und Anschreiben der Personen hielten


die Gruppen die Arbeit eigentlich für fertig. Es war für mich
schwierig zu erklären, dass sie die Präsentation «üben»

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sollten. Zum Schluss habe ich gesagt, dass sie zwei Präsen- Gruppen dann gefragt, was «kein Problem», was «ok» war
tationen durchführen sollten, zuerst mir und dann der Kurs- und was «schwierig» war. Es hat mich etwas erstaunt, dass
gruppe. Und bei der Präsentation sollten alle TN der Gruppe es anscheinend am schwierigsten war, die anderen Gruppen-
etwas beitragen, z. B. immer ein TN eine Wohnung und ihre präsentationen zu verstehen. Ich habe das aber nicht ver-
Bewohner präsentieren. tieft, sondern noch das Blatt Redemittel ausgeteilt, und wir
haben gemeinsam für die verschiedenen Etappen ein paar
Ich habe mir dann zuerst die Präsentation der schnellsten Schlüsselwörter und Kurzsätze notiert. Es war wieder etwas
Gruppe angehört, und dabei darauf geachtet, dass die Atmo- schwierig, dabei von der eben ausgeführten Arbeit auf die
sphäre etwas «intim» war und die anderen Gruppen nicht generelle Ebene zu kommen, z. B. bei «Fragen zur Arbeit klä-
auch gleich zuhörten. Ich habe jeweils nach einer Vorstel- ren» nicht von den fehlenden Vor- und Nachnamen zu reden.
lung korrigiert, wenn Das ist... / Er ist... / Sie ist... nicht richtig Hinterher habe ich gedacht, dass ich das Blatt zu früh ein-
verwendet wurden, und sonst noch aufgezeigt, wie sie ihre gesetzt hatte. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, auf
Präsentation und ihre Darstellung auf dem Plakat noch et- dem Lernergebnisblatt die positiven Resultate mit ein paar
was erweitern oder verbessern könnten, z. B. den Personen Wörtern festzuhalten.
einen Beruf geben:
- Er ist Elektriker. Mit den gelungenen Collagen und ein paar abschliessenden
- Sie ist Verkäuferin. Fragen zu den Hausbewohnern gab es aber doch einen sehr
- Er arbeitet in Zürich. positiven Ausklang des Vormittags.
- Sie geht zur Schule.
Am nächsten Tag haben wir die Collagen dann eingesetzt,
Es war für mich eine Herausforderung, die schnellere Grup- um uns in den Häusern zu bewegen und die Bewohner im
pe, die immer wieder «fertig» war, zu beschäftigen, während Treppenhaus zu begrüssen – jeweils mit der passenden
die anderen beiden Gruppen noch mit ihrem Plakat beschäf- Begrüssungsformel – und ein paar kurze Sätze zu üben, z. B.
tigt waren... - Wie geht’s?
- Geht’s gut?
Schliesslich waren alle so weit und hatten die erste Präsen- - Schön heute!
tation mit mir hinter sich, und ich forderte die Gruppen auf, - Alles ok.
eine nach der anderen das Plakat aufzuhängen und ihre Häu- - Schönen Tag!
ser den anderen vorzustellen. Jetzt waren doch einige etwas Etc.
nervös bei der Vorstellung, und es war nicht alles so gut ver-
ständlich wie zuvor. Trotzdem gab es jeweils Applaus von mir Ausgewählten Nachbarn konnten die TN auch etwas mehr
und den KurskollegInnen. von sich und ihrer Familie erzählen. Insgesamt waren die
Collagen ein guter Hintergrund für Rollenspiele. Ich werde
Ich habe hinterher noch lange darüber nachgedacht, wie ich sie aufheben und wieder hervorholen, wenn es um andere
erklären könnte, was «vorbereiten» und «üben» ist... Ich habe Situationen in der Wohnumgebung geht, oder wenn man für
keine eigentliche Lösung gefunden, aber ich bin zum Schluss irgendein Thema «Gesprächspartner» braucht.
gekommen, dass ich die Präsentation der Gruppenarbeiten
das nächste Mal anders organisieren werde: Die Gruppen Für meine Kursplanung habe ich gelernt, dass ich bei Aus-
sollten ihre Arbeit «rotierend» den anderen Gruppen und wertungen und Reflexionen – besonders auf diesem Sprach-
einmal mir präsentieren, bei drei Gruppen müssten sie also niveau – immer ganz konkret bleiben muss und am besten
drei Mal die Plakate präsentieren. Danach könnte man fra- direkten Bezug nehme zu dem, was die TN gemacht haben.
gen, ob es mit der Zeit immer besser ging und dann erklären,
dass das «üben» ist.

Mit der aktuellen Gruppe habe ich anschliessend an die


Präsentationen eine kurze Auswertung gemacht. Ich habe
die Schritte des Szenarios an die Tafel geschrieben und die

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