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Dr.

Stefan Recksiegel

Mathematischer Vorkurs für Physiker 2020


Vorlesung 8: Mehrdimensionale Integration
Integration über ebene Bereiche
Wir betrachten einen regulären Bereich in der xy–Ebene, der einfach zusammenhängend ist. Gegeben sei eine
stetige und beschränkte Funktion z(x, y). Der Bereich und die Funktion sollen so beschaffen sein, dass es für
jeden Punkt des Bereichs genau einen Funktionswert z gibt. Die Funktion z = z(x, y) beschreibt eine in den
dreidimensionalen Raum eingebettete Fläche. Eine Funktion dieser Form kann man bei festgehaltenem x−Wert
über y integrieren, z.B. über das Intervall [y1 , y2 ]:
Z y2
A(x) = z(x, y) dy.
y1

Das Resultat ist offenbar eine Funktion von x. Sie gibt die Fläche A(x) des durch y1 und y2 begrenzten
Querschnitts unter der Funktion z(x, y) beim gewählten x-Wert an.

Beispiel: z(x, y) = x2 y im Bereich x ∈ [−1, 1], y ∈ [0, 1]


1 1
y 2
Z
2 2 1
x y dy = x = x2 ·
0 2 0 2

Wählen wir x = 1, so ist die Fläche unter der Kurve das


halbe Quadrat mit Kantenlänge 1, also 1/2. Die Flächen
A(x) kann man nun ihrerseits über ein x-Intervall integri-
eren, z.B. [x1 , x2 ], Z x2
A(x)dx.
x1

Das Resultat ist keine Funktion mehr, sondern eine Zahl. Sie
gibt das Volumen des Körpers an, der durch die Grundfläche
[x1, x2] × [y1, y2] in der xy–Ebene und durch die Funktion z(x, y) begrenzt wird. Im obigen Beispiel ist das:
Z 1
1 12 1
x2 dx = = .
−1 2 2 3 3

Das ist das Volumen unter der in der Abbildung gezeigten Fläche; das Volumen des einhüllenden Quaders ist
2 × 1 × 1 = 2. Zusammengenommen ist das Volumen unter einer Funktion z = z(x, y) über dem Rechteck
[x1 , x2 ] × [y1 , y2 ] also gegeben durch das Doppelintegral
Z x2 Z y2
z(x, y) dy dx.
x1 y1

Nicht immer ist die Begrenzung eines zweidimensionalen Bereichs rechteckig. Allgemein ist das Doppelintegral
oder Gebietsintegral über eine Fläche F definiert durch
x
z(x, y) dS,
F

wobei dS das Flächenelement heißt. Sucht man das Volumen eines Körpers, dessen Grundfläche zwar in der
xy–Ebene liegt, aber kein Rechteck mehr ist, sondern eine kompliziertere Form hat, dann kann man dies in karte-
sischen Koordinaten einarbeiten, indem die Grenzen der y-Integration keine Konstanten, sondern Funktionen
von x sind, die die Grenzlinien der Grundfläche darstellen:
Z x2 Z y2 (x)
z(x, y) dy dx
x1 y1 (x)

1
Beispiel 1: Gegeben sei die Ebene z(x, y) = 1, die In-
tegration soll aber über einen Kreis mit Radius 1 führen,
wie in der Abbildung gezeigt. Wir wollen das Volumen des
Zylinders durch ein Doppelintegral berechnen, obwohl wir
in diesem Fall das Ergebnis elementar berechnen könnten:
r2 πh = π. Die Grenzen für x sind [−1, 1], aber die Gren-
zen für√ y sind dann so zu wählen, dass x2 + y 2 = 1, also
y = ± 1 − x2 . Somit ist das Volumen gegeben durch

Z 1 Z 1−x2 Z 1 p (siehe Beweis)
V = √ dy dx = 2 1 − x2 dx = π.
−1 − 1−x2 −1

Beweis für das Integral: Wir substituieren x = sin u, dx =


cos u du, die Grenzen für u sind dann [−π/2, π/2] und man
erhält Z π/2 Z π/2 π/2
2 1 1
V =2 cos u du = 2 [1 + cos 2u] du = π + sin 2u = π.
−π/2 −π/2 2 2 −π/2

Beispiel 2: Der Integrationsbereich F sei berandet von


y = x, xy = 1 und y = 2. Gefragt ist der Flächeninhalt
x
dx dy.
F

Der Bereich ist gegeben durch


1
F = {(x, y), 1 ≤ y ≤ 2, ≤ x ≤ y}
y
Die Fläche ist daher
y=2 x=y y=2 2
y2
Z Z Z  
1 3
dy dx = dy y − = − ln y = − ln 2
y=1 x=1/y y=1 y 2 1 2

Die dargestellte Methode lässt sich immer dann anwenden, wenn die Grundfläche in der xy-Ebene liegt und ihre
Begrenzungslinien durch Funktionen von x dargestellt werden können. Ein Körper, der diese Bedingung nicht
erfüllt, lässt sich immer in Teilkörper zerlegen, die die Bedingung erfüllen.
In der Physik lautet die Problemstellung meist anders: Gegeben ist ein flacher Körper (z.B. eine Scheibe) der
Fläche F , der eine Massendichte ρ(x, y) (in Einheiten kg/m2 ) besitzt und man will die Gesamtmasse des Körpers
berechnen. Dann ist die Gesamtmasse das Flächenintegral
x
ρ(x, y) dx dy.
F

Ist stattdessen der ortsabhängige Druck p(x, y) auf der xy–Ebene gegeben, dann ist das Flächenintegral über
ein beliebiges Stück der xy–Ebene x
p(x, y) dx dy
F

die Gesamtkraft, die auf dieses Flächenstück F wirkt.

Integration in ebenen Polarkoordinaten


Wie wir gesehen haben, ist es oft günstiger, der Geometrie des Problems angepasste Koordinaten zu verwenden.
Gerade bei Beispiel 1 bietet sich an, die Integration über das Flächenelement dS nicht in kartesischen, sondern
in ebenen Polarkoordinaten auszudrücken. Dazu ist es notwendig, das Flächenstück dx dy in Polarkoordinaten
umzurechnen. Ohne Beweis sei das Ergebnis angeführt:
x x x
f (x, y) dS = f (x, y) dx dy = f (r cos φ, r sin φ) r drdφ
F F F

2
Beispiel 1 in Polarkoordinaten:
Z φ=2π Z r=1 Z φ=2π Z r=1
1
rdrdφ = dφ rdr = 2π =π
φ=0 r=0 φ=0 r=0 2

Volumenintegrale
Ein Volumenintegral ist die Verallgemeinerung von Produkten der Form

M = ρV

auf Fälle, in denen die Dichte ρ nicht mehr konstant auf dem betrachteten Volumen V ist, sondern eine kon-
tinuierlich veränderliche Funktion ρ(x, y, z) des Ortes, so dass die Gesamtmasse M durch ein Integral bestimmt
werden muss. Bei einem Volumenintegral ist das Integrationsgebiet dreidimensional, d.h. es wird eine Funktion
von 3 Variablen x, y, z über einen bestimmten Raumbereich integriert, indem man 3 sukzessive Integrationen
entlang der Achsenrichtungen ausführt:
y Z x2 Z y2 (x) Z z2 (x,y)
M= ρ dV = ρ(x, y, z) dz dy dx
V x1 y1 (x) z1 (x,y)

wobei die Integrationsgrenzen so zu wählen sind, dass durch die Variation von x, y, z das gewünschte (i.a.
krummlinig begrenzte) Volumen überstrichen wird.

Beispiel 1:

Man berechne die Masse des durch die Koordinatenebenen begrenzten Quaders mit den Kantenlängen a, b, c,
wenn die Massendichte ρ(x, y, z) = x2 y 2 z 2 ist:
Z a Z b Z c Z a Z b Z a
1 3 1 3 3 1 3 3 3
M= x2 y 2 z 2 dz dy dx = c x2 y 2 dy dx = c b x2 dx = c b a .
0 0 0 3 0 0 9 0 27

Das Ergebnis ist vernünftig: Mit zunehmender Ausdehnung des Quaders nimmt auch seine Masse zu. Ist eine der
Kantenlängen null, dann verschwindet auch seine Masse. Massedichten sind ihrem Wesen nach immer positiv,
es gibt aber auch physikalische Dichten, die beide Vorzeichen tragen können, z.B. die elektrische Ladungsdichte.

Beispiel 2:

Man berechne die Gesamtladung Q des Paraboloids z =


1 − x2 − y 2 zwischen seinem Scheitelpunkt und dem Schnitt
mit der xy-Ebene, wenn die elektrische Ladungsdichte
ρ(x, y, z) = xy ist:

Z 1 Z 1−x2 Z 1−x2 −y 2
Q = dx √ dy dz xy
−1 − 1−x2 0

Z 1−x2
Z 1
= dx √ dy (1 − x2 − y 2 ) xy
−1 − 1−x2
1 y=√1−x2
 y2 y4
Z 
3
= dx x−x −x √
−1 2 4 y=− 1−x2
= 0,

da y nur in geraden Potenzen vorkommt und der Integrand


an der oberen und unteren Grenze gleich ist. Dies ist schon
von vornherein offensichtlich, da die Ladungsdichte in jedem
Quadranten das Vorzeichen wechselt, wir aber über alle 4
Quadranten integrieren. Dies zeigt, dass es in der Physik
wichtig ist, die Symmetrie eines Problems zu beachten, bevor
man darauf los rechnet.

3
Das Volumen des Paraboloids ist übrigens

Z 1 Z 1−x2 Z 1−x2 −y 2
V = dx √ dy dz
−1 − 1−x2 0

Z 1−x2
Z 1
= dx √ dy (1 − x2 − y 2 )
−1 − 1−x2
1 y=√1−x2
y3
Z 
2
= dx (1 − x )y −
−1 3 y=−√1−x2
Z 1
(1 − x2 )3/2
 
2 3/2
= dx 2(1 − x ) − 2
−1 3
Z 1
4
= dx (1 − x2 )3/2
3 −1
4 3π
=
3 8
π
= .
2
Das Integral über x berechnen wir wieder mit einer Substitution, die den Integranden vereinfacht. Für Terme
der Form (1 − x2 )1/2 bietet sich stets eine trigonometrische Funktion an. Wir substituieren x = sin u, damit ist
dx = cos u du und wir können (wiederum mit Hilfe von cos2 u = 1/2 (1 + cos 2u)) schreiben:
Z 1 Z π/2
(1 − x2 )3/2 dx = cos3 u cos u du
−1 −π/2
Z π/2
= (cos2 u)2 du
−π/2
Z π/2
1 2
= (1 + cos 2u) du
−π/2 4
Z π/2
1
1 + 2 cos 2u + cos2 2u du

=
−π/2 4
Z π/2  
1 1
= 1 + 2 cos 2u + (1 + cos 4u) du
−π/2 4 2
Z π/2  
1 3 1
= + 2 cos 2u + cos 4u du
−π/2 4 2 2
π/2
3 1 1
= u + sin 2u + sin 4u
8 4 32 −π/2
3
= π+0+0
8

Mathematica V
Mehrdimensionale Integrale können in Mathematica einfach durch die Angabe mehrerer Integrationsvariablen
berechnet werden. Das “Tortenstück”:
Integrate[1, {y, 1, 2}, {x, 1/y, y}]
ergibt 3/2 - Log[2].
(Achtung: Integrate[1, {x,1/y,y}, {y,1,2}] ergibt -(1/y)+y, das hintere Integral wird zuerst ausgeführt!)
Das Volumen des Paraboloids:
Integrate[1, {x, -1, 1}, {y, -Sqrt[1 - x^2], Sqrt[1 - x^2]}, {z, 0, 1 - x^2 - y^2}]

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Dr. Stefan Recksiegel

Mathematischer Vorkurs für Physiker 2020


Übungsblatt 8
Wichtige Formeln aus der Vorlesung:
ZZ ZZ ZZ
f (x, y) dS = f (x, y) dxdy = f (r cos φ, r sin φ) r drdφ
F F F

Basisaufgaben
Beispiel 1:
Z x=1 Z y= π
4
Berechnen Sie das Doppelintegral x cos (2y) dy dx
x=0 y=0

Beispiel 2:
Berechnen Sie das Doppelintegral
√ √
Z 1 Z x Z x=1 Z y= x
xy dy dx ≡ xy dy dx
0 x x=0 y=x

Beispiel 3:
Berechnen Sie das Volumenintegral Z 1 Z x Z x−y
yez dz dy dx
x=0 y=0 z=0

Hinweis: Z
ye−y dy = −e−y (y + 1)

Beispiel 4:
Berechnen Sie das Dreifachintegral:
Z 1 Z 4 Z π
x2 y cos(yz) dz dy dx
x=0 y=−1 z=0

Beispiel 5:
Welchen Wert besitzt das Doppelintegral der Funktion f (x, y) = xy,
ZZ
xy dA
A

für eine Achtelkreisfläche mit Radius r = 2?


Benutzen Sie die Polarkoordinatendarstellung.
Hinweis: Z  
1 2
sin φ cos φ dφ = sin φ
2

Beispiel 6:
Berechnen Sie das Volumenintegral
Z π/2 Z 1 Z y2
yz sin(x) dz dy dx
x=0 y=0 z=y

1
Ergänzungsaufgaben
Beispiel 7:
Zeigen Sie, dass durch Rotation einer Ellipse (mit den Halbachsen
a in x-Richtung und b in z-Richtung, d.h. x2 /a2 + z 2 /b2 = 1) um
die z-Achse ein Rotationsellipsoid vom Volumen
4 2
Vz = πa b
3
entsteht.

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