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39
Der deutsche
Rückzug aus
Frankreich 1944
ISB 3-7930-0696-4
E: GT
Teil A
Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944- die Situa
tion in Nordfrankreich und die alliierte Landung an der Mittel-
meerküste ......... ........................................................................... . 21
Teil B
Der Rückzug des Westheeres bis zum Höhepunkt der Krise. Das
Kampfgeschehen vom 20. August bis zum 4. September 1944 ... 121
Teil C
Die Entwicklung vom Höhepunkt der Krise bis zum Übergang
zum Stellungskrieg im Westen- Das Kampfgeschehen im Sep-
tember 1944 .. ............ ......................... .................... ..................... 249
Kartenverzeichnis
1. Gliederung im Bereich Ob. West, Stand 5. 6.1944 ... nach S. 48
2. Frontverlauf am 31. 7.1944 ........................................... 56/57
3. Frontverlauf am 15. 8.1944 . . ......... nach S. 64
................ .............
Personenregister . ..
. ........... . .
.. ............... ......................... ...........
.... 365
Vorwort
Die Invasion der Alliierten vom 6. Juni 1944 in der Normandie mar
kiert einen dramatischen Wendepunkt im Kriegsgeschehen des Zwei
ten Weltkrieges. Ähnlich der »Wende vor Moskau« im Winter 1941
veränderte sich die politische und militärische Lage grundlegend. Die
über drei Jahre sorgfältig vorbereitete und von der Wehrmachtführung
erwartete Landung an der Atlantikküste Frankreichs ließ den Alptraum
Adolf Hitlers, Frontsoldat im Ersten Weltkrieg, zur folgenschweren
Realität werden: Diese »zweite Front« im Rücken des verzweifelt rin
genden deutschen Ostheeres veränderte in unterschiedlicher Weise und
Gewichtung das politische und militärstrategische Kalkül der Kriegs
koalition ebenso wie das der deutschen Reichsleitung. Die bis heute
größte triphibische Landung in der Kriegsgeschichte mit ��n Opera
tionen »Overlord« und »Neptun«, gestützt auf eine totale Uberlegen
heit bei den Luft- und Seestreitkräften, sowie eines nie dagewesenen,
riesigen logistischen Apparates, entlastete zunächst die Rote Armee,
indem 59 Divisionen unter Generalfeldmarschall v. Rundstedt, darun
ter die Heeresgruppe B mit der 7. und 15. Armee unter Generalfeld
marschall Rommel, im Westen gefesselt wurden.
Die z. T. personell aufgefrischten und mit den modernen Panzertypen
»Panther« und »Tiger« ausgestatteten Panzerdivisionen fehlten dem deut
schen Ostheer für eine großräumige, defensive, bewegliche Operations
führung großen Stils. An Stelle eines operativen »Schlagens aus der
Nachhand« wurde das »Halten<< zur Methode Hitlerscher Kriegfüh
rung. Diese Lage erhöhte das politische und militärische Gewicht der
Sowjetunion gegenüber ihren Kriegsverbündeten wie auch dem Deut
schen Reich entscheidend. Dem deutschen Ostheer wurde das Gesetz
des Handeins aufgezwungen.
Die deutsche Führung sah sich vor die Entscheidung gestellt, auf wel
chen Kriegsschauplatz sie den militärischen Schwerpunkt legen sollte,
damit die politischen und militärischen Ziele erreicht werden konn
ten, um doch noch ein akzeptables Kriegsende zu erwirken, das nicht
einer bedingungslosen Kapitulation gleichkam. Das Kalkül eines »Son
derfriedens<< der beiden Diktatoren Hitler und Stalin, oder eine »West
lösung«, durch die den Westalliierten der schnelle Vorstoß auf das
Reichsgebiet ermöglicht werden sollte, beherrschte die handelnden poli
tischen und historischen Figuren Churchill, Roosevelt, Stalin und Hitler
wie deren Generalstäbe.
12 Vorwort
Dieses Buch ist die überarbeitete Fassung einer Dissertation, die im Win
tersemester 1989/90 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu
Köln angenommen wurde.
Erster Referent -war Prof. Dr. Jost Dülffer, zweiter Referent Prof. Dr. Günter
Kahle. Der mündliche Teil der Doktorprüfung fand am 3. Februar 1990
statt.
Der Verfasser weiß sich der Hanns-Seidel-Stiftung, München, verpflich
tet, die das Promotionsvorhaben zw ischen 1987 und 1990 finanziell unter
stützte.
Voller Dankbarkeit erinnert sich der Autor an Prof. Dr. Andreas Hillgru
ber, der die Arbeit bis zu seinem Tode geduldig und mit großem Interesse
gefördert hat. Auch in schwierigen Situationen stand er dem Verfasser oft
richtungweisend, stets aber ermutigend zur Seite.
Ohne die spontane Bereitschaft von Prof. Dr. Jost Dülffer, die Betreuung
des Autors - vor allem im Promotionsverfahren - zu übernehmen, wäre
die Publikation in der vorliegenden Form ebenfalls nicht möglich gewe
sen. Hierfür gebührt ihm besonderer Dank.
Für den großzügig gewährten Einblick in wichtige Unterlagen, viele detail
lierte Informationen, praktische Hinweise, ständige Diskussionsbereitschaft
und Kritik möchte der Verfasser den seinerzeit zu Rate gezogenen Mitar
beitern des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes und des Bundesarchivs
Militärarchivs in Freiburg, erwähnt seien nur Oberregierungsrat Dr. Die
ter Ose und Archivamtsrat Brün Meyer, ebenso danken wie Brigadegene
ral a. D. Hansgeorg Model und Ministerialrat Dr. Hubertus Deßloch, die
dem Autor darüber hinaus noch ihre Privatzeit zur Verfügung stellten.
Letzteres gilt vor allem auch für Oberstleutnant a. D. Klaus-Jürgen T hies,
dem der Verfasser die rasch und mit großer Akribie erfolgte Anfertigung
der Karten zu verdanken hat.
Last but not least habe ich meiner Frau Birgit für die Reinschrift des Manu
skripts, aufgebrachte Geduld und manche Opfer, meinem Vater Ehrhard
und meiner Schwester Kirsten für Kor rekturlesen, Frau Marianne Göhre
für die Eingabe der Korrekturen und meinem Freund Heinrich Riggert
für Rat und Tat in EDV-technischer Hinsicht herzliehst zu danken.
1 Ose, Entscheidung.
2 Jung, Ardennenoffensive.
3 Der deutsche Einmarsch in den 1940 nicht besetzten Teil Frankreichs (Unter
nehmen »Anton«) erfolgte erst ab dem 11. 11.1942. Die Gebiete ostwärts der
Rhone wurden nach dem italienischen Waffenstillstand (8.9.1943} besetzt. Einige
»Festungen« an den französischen Küsten und die Kanalinseln blieben bis Kriegs
ende in deutscher Hand.
4 So teilte beispielsweise der Chief of Staff to the US-Army, General Marshall,
noch am 13.9.1944 seinen Senior Commanders mit, bis zum November 1944
sei mit der Beendigung des Krieges in Europa zu rechnen, vgl.: Papers of Eisen-
16 Einführung
hower, IV, S. 2117. Für die deutsche Seite etwa: Generaloberst Jodls Äußerung
in Nürnberg, in: Der Prozeß, XV, S. 441 f., und die Äußerung Albert Speer ebd.,
XVI, S. 533 ff.
5 Klein, Militärge chichte, S. 193.
6 Groote, Militärgcschichte, S. 18.
Einführung 17
t2 RW 4/v. 34.
13 Vgl. hierzu u. a. Joachim Ludewig, Stationen eines Soldatenschicksals: Gene
17 Hierb ei venvendete L iteratur: Ralph Bennctt, Ultra in the West - The Nor
mandy Campaign 1944/45, London 21980; Ronald Lewin, Entschied Ultra den
Krieg?, Koblenz Bonn 1981; F. H. Hinsley with E. E. Thomas, C. F. G. Ransom,
R. C. Knight, British lntelligcnce in the Second World War, 3, Part I, London
1984.
chrciber, Der Zweite Weltkrieg, S. 473.
Teil A
Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944 -
potentielle Vorteil der >>inneren Linie« für den Verteidiger konnte somit
nicht zur Geltung kommen. Mit der See- und Luftüberlegenheit waren be
reits die ent scheidenden Voraussetzungen für das Gelingen der für 1944
geplanten Invasion in Frankreich gegeben. Die mit dem Übergang zur
Defensive praktizierte, den Lehren Clausewitz' diametral entgegenstehen
de starre Haltestrategie wurde von Hitler im November 1943 dahingehend
interpretiert, daß nun - zur Abwehr der erwarteten Landung - der
Schwerpunkt wieder im Westen gebildet werden sollte. Abgesehen davon,
daß eine geglückte Invasion aufgrund der geringen räumlichen Entfernung
zum Zentrum der deutschen Schwerindustrie schneller den >>Lebensnerv«
der Rüstung bedrohen konnte als russische Offensiven im Osten, war nur
im Westen mit den noch verfügbaren Mitteln ein durchschlagender militä
rischer Erfolg zu erzielen, der auch, so Hitlers Auffassung, Möglichkeiten
gesamtstrategischer Ausnutzung bot. Anders als im Osten würde - zumin
dest anfangs - die entstehende Invasionsfront einen geographisch relativ
begrenzten Kampfraum umfassen, und die deutsche Seite hatte nicht sofort
mit einer erdrückenden zahlenmäßigen Überlegenheit gegnerischer Ver
bände zu rechnen. Gelang es, wie in der sogenannten »Führerweisung 51«
vom 3. November 19431 niedergelegt, die alliierte Invasion durch »die ent
scheidende Landungsschlacht« abzuwehren oder - nach gegnerischen An
fangserfolgen - »den Feind« »durch Gegenangriff[ ..] ins Meer zurück
.
sieht also eine Reminiszenz an die Zeit vor dem Sieg über Frankreich -
cha rakte risierte die letzte große Phase in Hitlers militärischem Denken.
Entscheidend aber in diesem Zusammenhang blieb, daß diese Konzeption
auch dann noch Gültigkeit behielt, als sich die Gesamtlage des Reiches
im Laufe des Jahres 1944 so rapide verschlechterte, daß »im Vergleich zu
1940 der Abstand von L<.itvorstellung und realen Gegebenheiten fast ins
Unermeßliche«2 gewachsen war. Abgesehen von den Ereignissen in Frank
reich wurde diese - im Sommer 1944 schließlich schier hoffnungslos
erscheinende- Gesamtsituation durch ein beständiges Zurückweichen der
Fronten und den allmählichen Abfall der Verbündeten des Dritten Rei
ches, beginnend mit Italien im September 1943, gekennzeichnet. W ährend
die Lage auf dem italienischen Schauplatz allerdings im wesentlichen sta
bilisiert werden konnte - die Verbände des Oberbefehlshabers Südwest
setzten sich bis September 1944 schrittweise auf die Apenninstellung ab-
erlitt die Wehrmacht im Kampf gegen die Sowjetunion die bisher schwer
sten Rückschläge.
Die Ostfront, die aufgrund der Schwerpunktbildung im Westen vor allem
dadurch geschwächt war, »daß sie Kräfte nicht mehr bekam, die sie sonst
hätte erwarten können«3, wurde in den Sommermonaten durch mit wech
selnden Schwerpunkten geführte russische Großoffensiven schwer erschüt
tert. Dabei wirkte sich der am 22. Juni 1944 beginnende Zangenangriff,
der den Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte auslöste, zur entschei
denden Niederlage des deutschen Heeres im Ostkrieg aus. Diese Offensi
ve, die neben ungeheuren Menschenverlusten - 28 Divisionen mit 350000
Mann wurden zerschlagen- auch zur Folge hatte, daß bereits Ende Juli
die deutschen Ostgrenzen als bedroht angesehen werden mußten, dehnte
sich in den nächsten Wochen auf die Frontabschnitte der Heeresgruppen
ord, ord- und Südukraine aus. Die sich hieraus entwickelnden deut
schen Niederlagen und Rückzüge ließen die Stellung bisheriger Verbün
deter unhaltbar werden. Um die Monatswende August/September sagten
sich Rumänien, Bulgarien und Finnland vom Deutschen Reich los, das
damit außenpolitisch fast völlig isoliert war. Ungarn, das nur noch müh
sam an der deutschen Seite gehalten werden konnte und Japan, mit dem
bisher nie eine sinnvolle Koordination der militärischen Operationen gelun
gen war, blieben die letzten bedeutenderen Verbündeten des Reiches.
Je mehr der von Deutschen beherrschte »Wehrraum«, der die Kriegfüh
rung mit materiellen Ressourcen und Arbeitskräften versorgte, schrumpf
te, um so stärker traten auch die Mangelerscheinungen an der Rohstoffba
sis der Rüstungsindustrie hervor. Zwar hatte vor allem auch Albert Speer4
16
Matloff, Planning, S. 179ff.
17
Die tatsächliche Stärke belief sich bis Kriegsende jedoch auf nur 89 Divisio
nen, iehe ebd., S. 183, Anm. 56.
IS
Ebd., s. 522.
19 Matloff, Anvil, S. 286 ff.
28 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
Reich mit der Invasion den »Fangstoß« geben konnte20, war angesichts der
noch ungelösten Japan-Problematik vor der US-Öffentlichkeit schon wegen
seiner langfristigen Perspektiven nur schwer vertretbar-11•
Wenn Roosevelt sich in Teheran gegen eine Verzögerung der Invasion, wie
sie Churchill zur Intensivierung der Kampfführung in Italien bzw. im öst
lichen Mittelmeer vorschlug, zur Wehr setzte und demgegenüber auf die
Errichtung der von Stalin schon seit 1941 geforderten »Zweiten Front«
in Westeuropa drängte, so trug hierzu die 'fatsache bei, daß die amerikani
sche Seite den Faktor Sowjetunion nunmehr gewaltig überschätzte.
Ausgehend von einer als zwangsläufig betrachteten Vorherrschaft der Sow
jetunion im achkriegs-Europa hatten die US-Joint Chiefs of Staff dem
Präsidenten im August 1943 empfohlen, ihr gegenüber einen eindeutigen
Kooperationskurs einzuschlagen. Nach diesem für Roosevelt bis 1945 maß
geblichen Gutachten war die Entwicklung und Festigung »freundschaftli
cher Beziehungen« zu Rußland im vitalen Interesse der Vereinigten Staa
ten22. Diese Beurteilung lag der amerikanischen Position in der bis August
1944 geführten Diskussion um die Operation ANVIL zugrunde, die schließ
lich zur schärfsten Kriegsdebatte zwischen den Westalliierten wurde23•
Mit den Resultaten von Teheran waren die Weichen zwar gestellt, die Ver
knüpfung der Operation OVERLORD mit dem Prozedere im Mittelmeer
raum zu einer Gesamtstrategie aber blieb eine Quelle von Friktionen, deren
Ursache in den unterschiedlichen strategisch-politischen Prioritäten der
USA und Großbritanniens begründet lag. Die Argumentation Churchills,
der weiterhin als Verfechter der alten Empire.:Yradition den unter briti
schen Oberbefehl (General Sir Henry Maitland Wilson) stehenden medi
terranen Kampfraum verstärkt sehen und hier -vor allem in Italien -die
entscheidende Entlastungsfront zugunsren von OVERLORD aufgebaut
wissen wollte -in diesem Fall wäre ANVIL gänzlich überflüssig gewor
den -, bekam einen immer deutlicher werdenden machtpolitischen Ak
zent. Dafür sprachen auch die im Mai 1944 begonnenen Verhandlungen
Churchills mit der sowjetischen Führung über die Abgrenzung von »Ope
rationszonen« in Südosteuropa, mit Hilfe derer er die russische Expan
sion in die britische Interessensphäre in zumindest vertraglich geregelte
Schranken zu weisen hoffte24• Der Absicht Churchills, in die militärische
Strategie gegen Deutschland auch die politischen Vorbehalte gegenüber
sowjetischen Ambitionen zu integrieren, lief die Operation ANVIL zuwi-
für die See-Luft-Macht USA im Westen des Kontinents« (und an der ost
asiatischen Gegenküste des Pazifiks)30• Bei aller in vorsichtige, von über
großer Risikoscheu getragene Planungen mündende Überschätzung der
deutschen W iderstandskraft im Lager der Westmächte31 blieb der ameri
kanische Generalstabschef des Heeres, General Marshall32, doch davon
überzeugt, daß dieses Ziel mit dem sog. »90-Divisionen-Programm«- spä
ter als eine der kühnsten Kalkulationen des Krieges bezeichnet33 - er
reichbar sei. Gegenüber den Einwänden des Kriegsministers Stimson, die
Unerfahrenheit der US-Verbände mache aus taktischen und psychologi
schen Gründen eine auch in numerischer Hinsicht erdrückende Überle
genheit im Kampf gegen die Wehrmacht erforderlich, betonte Marshall
nochmals, worin man die eigenen Erfolgserwartungen begründet sah: In
der eigenen Luftüberlegenheit, der zahlenmäßigen Übermacht der Sowjets
zu Lande und in der Qualität der materiell hervorragend ausgerüsteten,
gegenüber ihren Gegnern durch stärkste Artillerie- und Luftnahunterstüt
zung bevorteilten US... Heeresdivisionen34•
Vor diesem Hintergrund entw ickelte sich die militärische Planung der
Invasion in Nordwestfrankreich. Der hiermit beauftragte Stab unter Lei
tung des britischen Generals Morgan35 ( COSSAC = Chief of Staff to
Supreme Allied Commander) hatte bereits auf der Konferenz von Que
bec (QUADRANT, August 1943) den Delegationen der Westalliierten erste
Entwürfe unterbreitet. Doch erst mit den Entscheidungen von Teheran und
Kairo war sich Morgan sicher, daß OVERLORD auch tatsächlich reali
siert werden sollte36• Die bis zum Beginn der Invasion noch mehrfach im
einzelnen revidierten Planungen sahen mehrere Phasen vor, die dem eigent
lichen Landeunternehmen in der Normandie (Operation NEPT UNE) fol
gen sollten.
Das Ziel der auf eine Dauer von 90 Kampftagen veranschlagten Opera
tion OVERLORD bestand darin, den alliierten Streitkräften einen genü
gend großen Aufmarschraum (Lodgment Area) auf dem Kontinent zu
sichern, von dem aus dann später die entscheidungssuchenden Offensi
ven in Richtung Reich entwickelt werden konnten37•
Die Tatsache, daß die US-Army einen gegenüber den europäischen Hee
ren wesendich höheren materiellen Standard aufwies, erklärt - neben dem
ausgeprägten Sicherheitsdenken und dem anderen »Anspruchsniveau« -
den großen Stellenwert des Bereichs Logistik im Rahmen der militärischen
Planungen. So benötigte eine US-Division täglich circa 600-700 Tonnen
achschubgüter38, während ein deutscher Verband - bei vergleichbarer
Stärke - mit circa 200 Tonnen auskam39•
lS Eisenhower, Kreuzzug, S. 343; Ruppenthal, Support, II, S. 173, nennt 840 t, davon
280 für Reserven. Wilmot, Kampf, S. 564, weist darauf hin, daß diese dem »Offi
cers Field Manual« entnommene Größe zu hoch gegriffen sei. Eine alliierte Divi
sion hätte mit 500 t in Kampf und Vormarsch, in der Defensive mit der Hälfte,
auskommen können. Die zu hohe Zahl enthielte alle »normalerweise« vorhan
denen Güter, die aber nicht unbedingt erforderlich seien. Entscheidender ist
jedoch, \vie die an diese »normale« Rate gewöhnten alliierten Befehlshaber die
Aktionsfähigkeit der eigenen Verbände beurteilten, wenn weniger achsehub
bereitstand.
39 Liddeli Hart, Geschichte, S. 700.
�0 Angaben für die alliierte Seite nach: Ellis, Victory, I, S. 535-541; Leighton, Coak
ley, Logistics, S. 724. Angaben für die deutsche Seite nach: Mueller-Hillebrand,
Heer, 111, S. 138; Ose, Entscheidung, S. 67 ff.; Ellis, V ictory, I, S. 553 ff.; RH
10/141, RH 10/148, RH 10/149, RH 10/163, RH 10/172, RH 10/178 (Stärke
meldungen der Panzer- und Panzergrenadierdivisionen).
41 Der Oberbefehl umfaßte Luft-, Boden- und Marineverbände. Eisenhowers Stell
v�rtreter wurde Luftmarschall Sir Arthur W. Tedder. Auf die Erläuterung der
32 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
unterstrich die Bedeutung, die der Bretagne im Rahmen der alliierten Vorstel
lungen zukam. Da man damit rechnete, daß zumindest die bedeutenderen
Häfen verteidigt, ihre Anlagen vermutlich zerstört werden würden, planten
die Amerikaner, in der Bucht von Quiberon zusätzlich einen Hafenkomplex
gänzlich neu zu errichten48• Bereits ein bis zwei Monate nach der Landung
erwartete man erste Nachschubtransporte über St. Malo (ab D + 27), Brest
(ab D +53), die Bucht von Quiberon (ab D + 54) und Lorient (ab D + 57)49•
Marinekriegführung wird hier wie im folgenden, da für das Thema nicht rele
vant, verzichtet.
42 Der Planungsstab COSSAC bildete den Kern von Eisenhowers Stab SHAEF
(Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Forces). Sein Stabschef wurde
General Walter Bedell Smith.
43 Schreiben Eisenhowers an Montgomery vom 10. 7. 1944, in: Blumenson, Break-
out, S. 346.
44 23 lnf.-, 10 Panzer- und 4 Luftlandeverbände.
4S Matloff, Planning, S. 170.
46 Blumenson Breakout, S. 348.
47 Schreiben Eisenhowers an Montgomery von Anfang Juni 1944, in: Ruppenthal,
Support [ S. 474.
4 Blumenson, Breakout, S. 346 f.
49 Ruppenthal, Support, I, S. 288.
II. Die Ausgangslage auf alliierterSeite 33
.
$0 In Großbritannien vorgefertigt, sollten sie über den Kanal geschleppt und dann
an den normannischenStränden von Arromanches undSt. Laurent installiert
werden und hier die fehlenden Großhafendocks ersetzen.
51 Matloff, Planning S. 170.
52 Von Port en Bessin (nördlich Bayeux) bzw. von der Isle of Wight aus, mit Hilfe
von PLUTO (Pipeline under the Ocean) über Cherbourg siehe: Ruppcnthal
upport I S. 322 f.
5' Ebd. S. 319.
54 �bd.,S.189.
34 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
hindern. Des weiteren mußte der »Build-Up« streng auf die Zuführung
der für die geplanten Operationen unbedingt erforderlichen Verbände be
schränkt bleiben55•
Auch die Grundzüge der nach der auf ca. einen Monat veranschlagten
Konsolidierungs- und Aufmarschphase geplanten »Post-OVERLORD«
Offensiven lagen weitgehend schon mit dem Beginn der Invasion fest56•
Sie waren im Endeffekt auf die Ausschaltung des Ruhrgebiets gerichtet.
Berlin wurde zwar als >)ultimate allied goal« erkannt, die Reichshauptstadt
lag aber nach Meinung des Planungsstabs zu weit ostwärts, um als Ziel
für die Invasionsstreitkräfte dienen zu können57•
Nach der zu diesem Zeitpunkt de facto bereits entschiedenen Frage der
späteren »Demarkationslinie zwischen Ost und West« lag Berlin ohnehin
- wenn auch als Enklave - in der sowjetischen Besatzungszone. Die von
britischer Seite, vor allem vom COSSAC-Chef General Morgan seit Juli
1943 vorangetriebenen Überlegungen zu diesem Thema hatten schließ
lich in dem die Linie Lübeck-Helmstedt-Eisenach-Hof beinhaltenden
Vorschlag vom 15. Januar 1944 Ausdruck gefunden58• Wenn es auch noch
nicht zur Unterzeichnung des Zonenaufteilungsprotokolls kam, so hat
ten zuerst die Sowjets {18. Februar 1944) und dann auch Roosevelt (3. April
1944) diesem Entwurf zugestimmt. Die die Sowjets »angenehm überra
schende<< Initiative59 erschien auch der britischen Seite als günstige Lö
sung. Diese Auffassung fand in der Kriegslage um die Wende 1943/44 und
der bereits oben erwähnten Überschätzung des Faktors Sowjetunion ihren
Grund. Hinzu kam die Ungewißheit bezüglich des eigenen Landeunter
nehmens, dessen Scheitern Eisenhower noch im Frühjahr 1944 für mög
lich hielt60• Da vor dem Hintergrund dieser Einschätzungen ein militäri
sches Vordringen der Sowjets tief in den Westen - etwa bis an den Rhein
wahrscheinlicher war, als umgekehrt ein Stoß der Invasionsstreitkräfte in
den Osten Deutschlands - schon die ersten Studien ließen einen eher zeit
raubenden Vormarsch erwarten -, mußte der erwähnte Linienverlauf den
Angelsachsen vorteilhaft erscheinen.
Standen bei der Konzeption der Operation OVERLORD selbst logisti
sche Faktoren im Vordergrund61, so wurde die Herstellung und Sicherung
der Luftüberlegenheit von Beginn der Planungen im Sommer 1943 an als
>>overriding factor«, als Voraussetzung für den Erfolg, angesehen62•
S5 Ebd., s. 327.
56 Ruppenthal, Support, I, S. 485.
57 Pogue, Supreme Command, S. 249.
ss Vgl. hierzu und zum folgenden: Caspar, Kriegslage, S. 173-183.
59 Abgesehen von Ostpreußen umfaßte ihre Zone so 40°/o der Fläche, 36°/o der
Einwohner und 33 °/o der W irtschaftskapazität Deutschlands.
60 Hillgruber, Problem der »Zweiten Front« S. 346.
6t Ruppenthal, Support, I, S. 178.
62 Matloff, Planning, S. 170.
11. Die Ausgangslage auf alliierter Seite 35
3. Alliierte Unterstützungskräfte
a} Die Luftwaffen
Ohne im einzelnen auf die Luftkriegführung und insbesondere die hoff
nungslose Unterlegenheit der Deutschen auf diesem Sektor eingehen zu
\vollen, sollen im folgenden die Grundlinien des alliierten Luftwaffenein
satzes skizziert werden. Die im Januar 1943 in Casablanca gefallene Ent
scheidung, eine »Combined Bomber Offensive« gegen die Lebenszentren
de deutschen Volkes zu führen63, fand in der Operation POINTBLANK
ihren Ausdruck. Allgemeine Ziele dieser mit wechselnden Schwerpunk
ten geführten Operation waren die fortschreitende Vernichtung bzw. Stö
rung des deutschen militärischen und wirtschaftlichen Systems, die Unter
brechung lebenswichtiger infrastruktureller Verbindungslinien und die wei-
estmögliche Ausschaltung der deutschen Luftwaffe64• Im Zusammenhang
mit den Invasionsvorbereitungen wurden nach langen Diskussionen im
März 1944 die Prioritäten neu festgelegt.
In erster Linie sollten die Einsätze der in Großbritannien stationierten stra
tegischen Bomber die deutsche Luftwaffe niederhalten und dieJagdflugzeug
Industrie im Reich treffen. Ein weiteres Hauptziel bildete das Verkehrsnetz
in ordwesteuropa. Hierdurch sollte vor allem erreicht werden, das nord
französisch-belgische Eisenbahnsystem zu lähmen, um die rasche Heranfüh
rung deutscher Reserven in Richtung >>Lodgment Area« zu verhindern. Nach
dem »Transportation Plan« lag der Schwerpunkt der Angriffe im Raum
zwischen der französisch-belgischen K üste, einer Linie über Reims-Paris
Tours und der Loire. Vorrangige Ziele bildeten hier Hauptknotenpunkte,
Verschiebebahnhöfe und bahntechnische Einrichtungen wie Eisenbahnde
pots, Produktions- und Instandsetzungsbetriebe für rollendes Material65.
Zur taktischen Vorbereitung von OVERLORD unterstanden Eisenhower
2 Luftflotten (unter dem Kommando von Luftmarschall Sir Trafford Leigh
Mallory): die 9. US Army Air Force (Gen. Lt. Brereton) und die 2. (bri
tische) Tactical Air Force (Luftmarschall Coningham) mit zusammen rund
8000 Flugzeugen66• In.Frankreich befanden sich ihnen gegenüber nur 900
deutsche Flugzeuge der Luftflotte 3 unter Generalfeldmarschall Hugo Sperr
le. Von diesen Maschinen waren AnfangJuni ca. 500, davon etwa 100Jäger
einsatzbereit.
Die generelle zahlenmäßige alliierte Überlegenheit gegenüber den Deut
schen - an diesem Mißverhältnis sollte sich auch in der Folgezeit nichts
mehr ändern - betrug etwa 16: 1 bis 20: 167•
6 Luftmar chall Sir Arthur Tedder als Eisenhower Stellvertreter nahm die schwie-
rige Koordinationsfunktion wahr.
69 W ilmot, Kampf, S. 221 f., und Galland, Die Ersten, S. 29Sf.
7o Vgl. hierzu die Angaben bei Wegmüller, Die Konzeption, S. 236 f.
7' Ose, Entscheidung, S. 115.
72 Ebd., S. 84 und Galland, Die Ersten, S. 299.
n Die V-Waffen 'varen nicht zum Einsatz gegen militärische Ziele geeignet, son
dern wegen ihrer großen Streuung lediglich als »Terrorwaffen«, iehe: Hölsken,
V-\'(/affen, . 206 f.
li. Die Ausgangslage auf alliierter Seite 37
Mit großem Materialeinsatz-bis Mitte Juni wurden ca. 32 000 Tonnen Bom
ben abgeworfen - konnten im Rahmen der sogenannten CROSSBOW
Luftoperation zwar fast alle der 93 erkannten Startbasen vernichtet wer
den. Dennoch stellte dieses Unternehmen insofern einen Fehlschlag dar,
als es sich bei den angegriffenen, wegen ihrer Form so genannten »Ski
Sire « nur um von den Deutschen zu T äuschungszwecken aufrechterhal
tene Scheinstellungen für die V-1 handelte74. Schon die ersten Bombardie
rung en der »Ski-Stellungen« hatten die deutsche Seite Anfang 1944 dazu
veranlaßt, ein völlig neues, einfacher zu errichtendes und gegen Luftsicht
bes er getarntes Abschußrampensystem aufzubauen75. Im Endeffekt tru
gen die alliierten Luftangriffe also lediglich mit zur zeitlichen Verzöge
rung des V-1-Einsatzes bei, der aber im wesentlichen auch durch techni
·che Probleme dieser Waffenentwicklung verursacht wurde.
Die Tatsache, daß sich der Einsatz der alliierten Luftwaffen trotz der für
OVERLORD als überragend eingestuften Unterstützungsfunktion keines
\vegs konsequent an einem völlig einheitlichen Operationsplan ausrich
tete76, sondern daß Raum für die unterschiedlichen Konzeptionen der
>)Bombergenerale« blieb, verdeutlicht in gewisser Hinsicht das Ausmaß des
7Ur Verfügung stehenden Potentials. Ohne die Invasionsvorbereitungen
zu beeinträchtigen, konnte vor allem Harris seine Flächenbombardements
gegen deutsche Städte - wenn auch im Vergleich zu den Vormonaten in
�eringerem Umfang - fortführen77•
Als militärisch bedeutsamer sollte sich erweisen, daß auch Gen. Lt. Carl
Spaatz (Oberbefehlshaber der OS-Strategie Air Forces in Europa), der im
\liärz mit seinem Vorschlag, der Treibstoffindustrie oberste Priorität im
Zielkatalog zuzuerkennen, nicht durchgedrungen war, seine Vorstellun
gen wenigstens teilweise umsetzen konnte: Am 12. Mai 1944 begannen syste
matische Angriffe gegen die deutschen Hydrierwerke78. Da diese Werke
1m Gegensatz zu anderen Industriezweigen als nicht dezentralisierbar und
omit besonders »luftgefährdet« galten, hatte das bisherige Ausbleiben von
Bombenangriffen die deutsche Seite mit Verwunderung erfüllc19• Diese,
gemessen an den alliierten Möglichkeiten begrenzte Luftoffensive80 - mit
zunächst nur circa 5 200 Tonnen Bomben81 - zeitigte sehr schnell nach-
b) DieResistance
Oie »Resistance«-Bewegung und ihre Aktionen,denen vor allem im fran
zösi chen Schrifttum breiter Raum eingeräumt worden ist86, verdienen es,
im Zusammenhang mit den alliierten Unterstützungskräften behandelt zu
\verden. Ist die sekundierende Funktion der Partisanen auch unumstrit
ten, so trifft dies nicht auf den Grad, die Bedeutung ihrer »irregulären
Kampfführung« im großen Rahmen zu: Waren sie, wie Ose für die Nor
mandie feststellte, auch beim Fortgang der Kämpfe im deutsch besetzten
We ten Europas »für den Ausgang der[...] Schlacht nicht entscheidend«87,
erfüllten sie eher die Rolle eines zwar »nützlichen Bundesgenossen« der
:·egulären Truppen, mit dem jedoch eine »Zusammenarbeit im größeren
t(lktischen Rahmen nicht zustande[kam] [ ... ],da hierzu die Voraussetzun
gen [...] sowohl führungs- wie[...] ausrüstungsmäßig fehlten«88? Oder aber
:>teilten sie, wie Eisenhower im Mai 1944 behauptete, eine »Strategie wea
pon« dar89, die, wie er nach dem Krieg konstatierte, dem Äquivalent von
15 Kampfdivisionen entsprochen habe90?
\Xfie der Partisanenkrieg sich tatsächlich im Rahmen des Kampfgeschehens
bis zum Herbst 1944 auswirkte,soll in den folgenden Kapiteln »fallweise«
untersucht werden. Zunächst sollen einige für diese Problematik grundle
gende Voraussetzungen geklärt werden.
Zumindest der erfolgreiche Partisanenkrieg bleibt abhängig von einer
tärkeren »Anlehnungsmacht«91. »An der W iege des französischen W ider
<;tands« stand die Hoffnung auf das überlegene anglo-amerikanische Poten-
6al92. Großbritannien und die USA wurden zu den Anlehnungsmächten,
die dem W iderstand Waffen, Finanzmittel und Kommunikationsmöglich
keiten boten. Da mit der 1943 deutlich spürbaren Kriegswende die Befrei
ung Frankreichs in absehbarer Zukunft bevorstand, konkretisierten sich
1m Lager der Resistance hierauf bezogene Konzeptionen. Im Frühjahr 1944
gelang es,die paramilitärischen Verbände im Innern Frankreichs zusammen
zufassen93. Die »Armee secrete«, hervorgegangen aus den nach Organisa-
6 Dies ist bei der »l'importance de la Liberation de la France pour les Fran�ais
euxmemes«, bei der Bedeutung der Resistance für das achkriegsselbstver
ständnis der Franzosen, wie Henri Michel 1974 ausführte, nur zu verständlich.
Siehe Henri Michel, Sur la Resistance (Kolloquium Oktober 1974 in Paris), in:
RHDGM 99, (1975), S. 101 ff. Im folgenden soll aber lediglich die militäri
sche Effizienz des Widerstands und sein Einfluß auf die Operationen behan
delt werden.
0 e, Entscheidung, S. 118.
1il) Staiger, Rückzug, S. 38.
9 Eisenhower an 21. Heeresgruppe vom 24. 5. 1944, zit. nach Pogue, Supreme Com-
mand, S. 154.
9C Beaufre, Revolutionierung, S: 147.
'J Hahlweg, Typologie, S. 29 f. und 47.
CJ! Knipping, Konzeptionen, S. 127.
9' Vgl. hierzu Goyet, Unification, RHA 4/1974, S. 104-121.
40 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
Strategy, V, S. 326.
97 Sehr anschaulich hierzu das Beispiel der FFI:fruppen vor Lorient und St. Na
ning, S. 339.
101 Am 11. 7. 1944 erkannte Roosevelt das CFLN an, allerdings nur als »De-fac
10• Schreiben Eisenhowers an die CCS vom 4. 6. 1944, in: Papers of Eisenhower,
III, S. 1906 f.
tos Pogue, Supreme Command, S. 236.
to6 Reaktion auf die Rundfunkerklärung de Gaulies und eine Anfrage beim OKW,
12o
KTB OKW, IV/1, S. 315.
121
Ebd., S. 318.
122 Umbreit, Strategie, S. 136.
III. Die Lageentwicklung bis Mitte August
ge etzt und die Einheiten nur leicht infanteristisch - oft mit »Beutewaf
fen« - ausgestattet wurden.
eben den Heeresverbänden waren die in Frankreich stationierten Luft
waffenfeld- und Fallschirmjäger-Divisionen sowie die Truppen der Waf
fen-55 dem OB West wenigstens einsatzmäßig unterstellt126• Bei allen über
die Heeresebene hinausgreifenden Maßnahmen blieb der OB West auf die
Zusammenarbeit mit der Luftflotte 3 unter Generalfeldmarschall Hugo
perrle und der Marinegruppe West des Admirals T heodor Krancke ange-
.
wtesen.
In der Normandie, die dem Befehlsabschnitt der Heeresgruppe B unter
Generalfeldmarschall Erwin Rommel zugehörte, waren am 6. Juni nur
ieben deutsche Divisionen eingesetzt127• An diesem Tage gelang es hier
einer ersten, etwa acht Divisionen starken Welle alliierter Streitkräfte im
Rahmen eines »triphibischen Unternehmens«128, Brückenköpfe an der
Calvadosküste zu bilden. Der Vorteil einer dreidimensionalen Kriegfüh
rung konnte sich eindrucksvoll manifestieren, ein Faktor, der sich bis
Kriegsende zugunsren der Alliierten auf dem westlichen Schauplatz aus
"virken sollte.
eit dem 11. Juni, als es zur Verbindung der Brückenköpfe gekommen war,
mußte die Landungsoperation als gelungen bezeichnet werden. Obwohl
mit dem Verlust dieser vorher als entscheidend propagierten Schlacht die
einer eits erwartete, andererseits befürchtete »Zweite Front« zur Realität
und der Krieg nun endgültig zum Allfrontenkampf ge\vorden war, konn
ten mit Hitler die spätestens jetzt nötigen Konsequenzen nicht gezogen
werden, im Gegenteil, man hatte »weiterzumachen«.
Die geschah im Juni 1944 durch das Bemühen, einen »offensiven Abwehr
kampf« zu führen. Hierbei kam Rundstedt auf seine, vor der Landung
im Verein mit General Geyr v. Schweppenburg in der sogenannten »Pan
zerkontroverse« gegen Rommcl vertretene Auffassung zurück, nach der
eine den Alliierten zu liefernde große Panzerschlacht im Landesinnern das
cheitern des Invasionsunternehmens bewirken sollte. Doch wie schon vor
der Invasion, als es im Rahmen der obengenannten Kontroverse um die
Dislozierung der Panzerverbände ging und Hitler einen sich im militä
risch-operativen Sektor meist verhängnisvoll auswirkenden Kompromiß
wählte, fällte er auch diesmal keine ganze Entscheidung, so daß eine wich
tige Voraussetzung für Rundstedes Lösungsversuch nicht gegeben war.
Andererseits ermangelte es noch anderer zum Gelingen dieses Planes not
wendiger Grundbedingungen, deren Fehlen die Kämpfe des Westheeres
auch in der Folgezeit schicksalhaft begleiten sollte: Die gegnerische Luft
herrschaft vermochte man nicht einzuschränken, eigene Offensivopera-
einflussen zu können. Zum einen verlöre man bei einer Räumung Frank
reichs »den Ausgangspunkt des U-Boot-K.rieges« und einen wichtigen Rah
stofflieferanten (Wolfram, Bauxit etc.), zum anderen sei den Divisionen
des Westheeres »ein Operieren[...] völlig unmöglich«. Zu diesem Resultat
gelangte Hitler durch eine erstaunlich realistisch anmutende Analyse der
düsteren Rahmenbedingungen in der Normandie:
»die Verbände ind weder in ihrer Bewaffnu�g noch ihrer sonstigen Ausrüstung
nach überhaupt zu einer beweglichen Kampfführung geeignet [ ...] die Gesamt-
summe der Kräfte[ ... ] kann überhaupt nicht gemessen werden nach der Zahl der
Divisionen, die 'vir [...]hier haben, sondern wirklich nur nach der geringen Zahl
der Verbände, die tatsächlich bewegungsfähig sind. Das ist nur ein ganz kleiner
Bruchteil139.«
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IIL Die Lageentwicklung bis Mitte August 49
-fand ihre Ursache auch in seinem Mißtrauen gegenüber dem als »Saula
den« diffamierten Stab in Frankreich 147• »Was hier an operativen Absich
ten sofort durchsickert und den Engländern bekannt wird, wissen wir
nicht«148• Daher, und das wiederholte er im Laufe der Besprechung mehr
fach, hatten die für notwendig befundenen Maßnahmen und Befehle zwar
einem Plan zu folgen, der im Westen jedoch nicht bekannt werden durfte.
Zum anderen verriet Hiders W ille, den Führungsschwerpunkt »wieder
nach Westen« zu verlagern, insbesondere mit dem Nachsatz: »SO wie es
einst war«, mit der angesichts der völlig gewandelten Rahmenbedingun
gen deplacierten Reminiszenz an den »sechswöchigen glorreichen Sieg [sie]«
von 1940149 andeutungsweise, unter welchen Vorzeichen er die bevorste
hende Kampfphase begriff: Es ging ihm letztlich nur um Zeitgewinn, Zeit,
die man benötigte, um die Initiative selbst wieder ergreifen und »eine Wen
de«150 herbeiführen zu können. Diesem Zweck hatte auch sein »Plan« zu
dienen, der auf der grundlegenden Erkenntnis basierte, man könne zwar
»nicht selber operieren, aber [...] dem Gegner [...] das Operieren in die
T iefe des Raumes kolossal erschweren«151•
Hider formulierte damit das, worin zumindest bis in den September hin
ein die verzweifelten Bemühungen des Westheeres bestehen sollten: im
Versuch, das Vordringen des Gegners irgendwie zu verlangsamen und
dadurch kostbare Zeit zu gewinnen. Als probates Mittel, ja als »einzige
Bremse« der sonst »uferlosen Möglichkeiten« der Alliierten 152 erschien
Hitler die von ihm an erster Stelle genannte bedingungslose Verteidigung
oder gegebenenfalls Zerstörung der größeren Seehäfen 153• Anderenfalls,
damit unterstrich er seine Forderung, müsse man »den Gedanken aufge
ben, daß wir uns auch nur mit wesentlichen Kräften [...] zurückziehen
könnten.« Gelang es aber, den Alliierten diese Nachschubumschlageplät
ze bis zur Schlechtwetterperiode, also, wie Hitler ausführte, für etwa sechs
bis zehn Wochen, vorzuenthalten, so bedeutete das in dem Ringen um
Zeit sehr viel. Dafür mußte man in seinen Augen auch bereit sein, die
als »Festungsbesatzungen« der Häfen »bestimmte[n] Truppen einfach zu
opfern« 154• Konkret sollten zunächst nochmals die unter allen Umstän
den zu haltenden Häfen festgelegt (schon am 19. Januar 1944 waren Ijmui
den, Hoek, Dünkirchen, Boulogne, Le Havre, Cherbourg, St. Malo, Brest,
Lorient , St. Nazaire, Gironde-Mündung-Nord und -Süd als Festungen
befohlen worden. Zu dieser Liste kamen später noch die Kanalinseln, La
Rochelle, Marseille und Toulon hinzu155) und deren Festungskomman
danten in Anbetracht der »Schande von Cherbourg«156 schärfstens über
prüft werden. Darüber hinaus hoffte Hitler, durch Anwendung des Prin
zips der »versengten Erde« in Frankreich mit umfangreichsten Zerstörun
gen die überlegene Operationsfähigkeit alliierter Verbände hemmen zu
können 157•
Obwohl er eben selbst noch das Beziehen einer rückwärtigen Linie als aus
sichtsloses U neerfangen abqualifiziert und Jodl schon Mitte Juni vorher
gesagt hatte, nach dem Bruch der Invasionsfront sei >)ganz Frankreich ver
loren«, die nächste Verteidigungsmöglichkeit böten allenfalls ))Maginodi
nie bzw. alter Westwall«158, bildete die Frage einer quer durch Frankreich
verlaufenden Stellung dann doch einen zentralen Punkt dieser Lagebespre
chung. W ährend Jodl sicherlich erleichtert war, Hider auf diesem Wege
die Rückzugsproblematik an sich näher bringen zu können, so setzte man
157 Hitlers Lagebesprechungen, Besprechung vom 31. 7. 1944 S. 594 und 606.
158 Seekriegsleitung, 1. SKL I b Nr. 1750/44 vom 13. 6. 1944, in: Lagevorträge Kriegs-
marine, S. 589.
111. Die Lageentwicklung bis Mitte August 51
beweglich geführt werden« müßte, sonst sei »die Sache verloren«164• Der
im gleichen Atemzuge formulierte Satz: »Ich muß( ... ] die Luftwaffe trei
ben, daß diese 12 oder 15 Gruppen165 fertiggemacht werden«166, verdeut
licht dem nachlebenden Betrachter, daß schon in dieser Nacht trotz der
düsteren Rückzugsperspektiven Hitlers Offensivwille wieder zum Vor
schein kam. Mit dieser Bemerkung schlug er den Bogen zum Beginn der
Unterredung, zu seiner Äußerung, eine Wende im Westen sei erst dann
zu erwarten, wenn »man die Luftwaffe halbwegs wieder hinkriegt«. Die
noch in Aufstellung befindlichen Luftv.raffenverbände wolle er dann dort
hin werfen, »WO die letzten W ürfel fallen«167•
Diese Wende setzte implizit bereits eine Gegenoffensive im Westen vor
aus. Wenn auch im Verlaufe der Besprechung nicht expressis verbis erwähnt,
so war sie doch erforderlich, um die »kontinentale Rückenfreiheit« wie
der herzustellen und damit die Voraussetzung für das zu schaffen, was Hitler
dann genau einen Monat später nochmals ausformulierte: nämlich für einen
))auch das Leben der kommenden Geschlechter sichernden [ . . ]« Frieden168,
.
der aber in seiner ideologischen Verhaftung eben nur mit dem »Lebens
raum im Osten« denkbar war. Dieser Leitlinie seiner Strategischen Konzep
tion folgend, mußte zunächst Zeit gewonnen werden, bis die neuen Flug
zeugtypen im Westen in genügender Quantität eintrafen bzw. die Wetter
lage eigene Aktionen »begünstigte« (wegen der alliierten Luftüberlegenheit
hieß das: eine Schlechtwetterperiode) und die Alliierten logistische Proble
me bekamen, weil sie über »keine leistungsfähigen Häfen« verfügten169.
Die eben anlaufenden, auf Freimachung eines >)Höchstmaßes von Kräften
für Wehrmacht und Rüstung«170 abzielenden Maßnahmen Goebbels', die
in ))V-Waffen-Krieg« und »Rüstungsboom«171 gesetzten unrealistischen
Erwartungen mochten derartige Hoffnungen Hitlers stützen. Sein W ille
zur »offensiven Bereinigung« der Lage im Westen war aber so übermächtig,
daß er in der Folgezeit auch die geringsten Chancen - meist unter Ver
kennung der militärischen Realitäten - in diesem Sinne zu nutzen suchte.
1M
Ebd., s. 607.
165 Dabei handelte es sich um das neue Strahlflugzeug Messerschmitt Me 262. Jede
Gruppe um faßte 68 Maschinen dieses Typs, vgl. RW 4/v. 34, $. 57, und Kom
mentare Gen. d. Art. Walter Warlimonts hierzu in: Warlimont, Kommentare,
MS-P-215, S. 314 f.
166 Hitlers Lagebesprechungen, Besprechung vom 31.7. 1944, $. 607.
167 Ebd., S. 586.
l68 Ebd., Besprechung mit Gen. Lt. Westphal und Gen. Lt. Krebs vom 31. 8. 1944,
$. 616.
169 Hitlers Lagebesprechungen, Besprechung vom 31.7. 1944, $. 595.
170 Völkischer Beobachter vom 26.7. 1944.
171
So etwa das neue Jägerprogramm, mit dem Hitler bis etwa November 1944
die Luftherrschaft der Alliierten brechen wollte, siehe KT B OKW, IV/1, S. 60;
oder die Hoffnungen auf den »neuen U-Boot-Krieg«, siehe: Salewski, Seekriegs
leitung, 2, S. 483 ff.
lll. Die Lageentwicklung bis Mitte August 53
Obwohl mit dem an diesem 31. Juli erfolgenden Durchbruch von Avranches
die »Krise« eintrat, die auch seiner während der Besprechung geäußerten
uffassung nach sofort die Rückzugsoperation - vor allem aus Süd- und
Südwestfrankreich - hätte auslösen müssen, sanken alle derartigen Erwä
gungen und vorbereitenden Befehle172 zu sekundärer Bedeutung herab.
Der Grund dafür lag darin, daß Hitler alles auf eine Karte, auf einen sofor
tigen Gegenangriff zur Schließung des Durchbruchs setzte. Noch einmal
wurde der längst notwendige Rückzug - um etwa zwei Wochen - »ver
drängt« und damit wertvolle Zeit verloren.
Gegenüber den abgekämpften Verbänden des OB West hatten sich die Alli
ierten im Landekopf weiter verstärkt. Die Heeresgruppe B, deren Ober
befehl Kluge nach der Verwundung Rommels (17. Juli) übernommen hat
te verfügte um die Monatswende im Kampfraum über etwa 25 Divisio
nen (hinzu kam noch die 15. Armee Generaloberst Hans v. Salmuths, die
aber befehlsgemäß weiter »Untätig« an der Kanalküste verharrte). Von die-
en, durch die Stäbe der 7. Armee unter Oberstgruppenführer und Gene
raloberst der Waffen-$$ Paul Hausser und der Panzergruppe West (am 5. Au
gust umbenannt in 5. Panzerarmee) des Generals d. Pz. Tr. Heinrich Eber
bach geführten Verbänden (gegliedert in 8 Armeekorps) waren allerdings
zumindest elf nicht mehr voll kampfkräftig. Sie firmierten auf den L age
karten im Westen nur noch als »Reste« oder »Kampfgruppen«173•
uf der anderen Seite der Front standen am 1. August ca. 31 Divisionen
bereit. Nach der an diesem Tage in Kraft tretenden Gliederung wurde neben
Montgomer ys 21. Heeresgruppe mit der 1. Kanadischen Armee Gen. Lt.
H. D. G. Crerars und der 2. Britischen Armee Gen. Lt. M. Dempseys (mit
zusammen fünf Armeekorps) nun ein OS-Heeresgruppenstab zur Führung
der amerikanischen Verbände aktiviert174• Der 12. Heeresgruppe des Gen.
Lt. Omar N. Bradley unterstanden fortan die 1. US-Army Gen. Lt. Courtney
H. Hodges' und die ebenfalls neu eingesetzte 3. US-Army Gen. Lt. George
S. Patton {mit zusammen sieben Armeekorps)175•
In den ersten Augusttagen gelang es Pattons 3. US-Army, den Durchbruch
durch die Front der Heeresgruppe B am Südwestzipfel des Cotentin
(Avranche ) auszunutzen und ins Freie, nämlich ins Innere Frankreichs
vorzustoßen {Karte 2).
Damit begann ein neuer Abschnitt im Kampfgeschehen, der Bewegungs
feldzug. Die Initiative lag nun völlig auf seiten der Alliierten. Die deut
sche Führung, auch Kluge, richtete in der ersten Augusthälfte ihr Haupt
augenmerk darauf, den entstandenen Durchbruch zu schließen, ohne der
gegnerischen Kräfteentwicklung zw ischen Seine und Loire die gebühren
de Beachtung zu schenken. achdem Rennes und am 11. August Nantes
geräumt und somit die Bretagne von den Amerikanern umschlossen war,
blieb den hier stehenden sechs Divisionen des XXV. Armeekorps keine
andere Wahl, als sich auf die bis zum letzten zu verteidigenden Festungen
St. Malo, Brest, Lorient und St. Nazaire zurückzuziehen und dort ihres
Schicksals zu harren. Sie fielen damit für das Kampfgeschehen an der
Hauptfront ebenso aus, wie die ca. 31 000 auf den Kanalinseln stationier
ten Soldaten, die hier bis zum Kriegsende verblieben176• Obwohl der lin
ke Flügel der 7. Armee, infolge des Durchbruchs »total zerschmettert«177
in der Luft hing und der eigene Gegenstoß auf Avranches am 8. August
vor allem auf:grund des alliierten Luftwaffeneinsatzes scheiterte, hielt Hit
ler daran fest, den Durchbruch doch noch mittels eines eigenen Gegenan
griffes zu schließen. Dabei blieb es auch, als Le Mans gefallen war und
die US�ruppen nicht nur bereits in den Raum Orleans an der Loire vor
fühlten, sondern auch mit Teilen des XV. US-Corps nach Norden auf
Falaise und Caen einschwenkten.
Obwohl schon der erste mißlungene deutsche Angriff auf Avranches die
Fragwürdigkeit von Panzerangriffen bei totaler feindlicher Luftüberlegen
heit bewiesen hatte, gab auch der OB West diesen Grundgedanken noch
nicht auf und hielt seine Verbände in ihrer exponierten Position fest. Erst
kurz bevor die Kanadier im Raum Caen eine Großoffensive in Richtung
der ihnen von Süden entgegenkommenden US-Verbände gegen die 5. Pan
zerarmee begannen, resignierte Kluge. Er bat am 13. August »Um eine wei
tere Weisung für die Kampfführung«17 und drang einen Tag später ver
geblich darauf, den »großen Entschluß« zu fassen, um noch zu verhin
dern, daß »die gesamte H. Gr. B verlorengehe«179•
Damit zeichnete sich bereits ab, daß das erste schwerwiegende Resultat
des Bewegungsfeldzuges in die Umfassung deutscher Krät
f e durch die Alli-
17S
Pogue, Supreme Command S. 262 ff.
176
OB West I a r. 6297I44 vom 2. 8. 1944, RH 19 IV/52, S. 89.
1 77
Ose, Entscheidung, S. 221.
11 RH 19 IX/8, S. 124 f.
179 KTB Pz. AOK 5 vom 14. 8. 1944, RH 21-5/52, S. 13.
111. Die Lageentwicklung bis Mitte August 55
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III. Die Lageentwicklung bis Mitte August 57
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58 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
auf eine Frontreise in Richtung des Kessels begeben hatte, riß am folgen
den Tag gegen 9.30 Uhr184 ab. Kluge blieb für seine Stäbe, für das OKW
und Hitler mehrere Stunden unerreichbar, sein Aufenthaltsort war unbe
kannt 185.
Der Feldmarschall war zwar nicht aktiv in das Attentat auf Hitler invol
viert, dennoch rechnete er damit, selbst Opfer der sofort einsetzenden Ver
folgungen werden zu können: er hatte über seinen ehemaligen Ia in Ruß
land, Henning v. Tresckow, einige Male Verbindung zu Männern des 20. Juli
gehabt.
Zu dieser psychischen Belastung, von der Blumentritt später sagte, »man
kann nicht in schwersten Lagen sich für sein Volk einsetzen und an der
Front kämpfen, wenn zugleich von rückwärts stets die Bedrohung durch
Kriegs- und sonstige Gerichte in der Luft hängt«186, kam noch hinzu, daß
Hitler ihm die Schuld an der verfahrenen Situation bei der Heeresgruppe
B zuschob. Das mag dazu beigetragen haben, daß der OB West durch häu
fige Reisen in die vorderste Linie sich nun persönlich den Gefahren sei
ner Truppen aussetzte und sein eigenes Schicksal mit der drohenden Kata
strophe der Heeresgruppe B zu verknüpfen suchte. Damit zeichnete sich
die Tragödie Feldmarschall v. Kluges ab, der noch Anfang Juli voller Zuver
sicht den Oberbefehl im Westen übernommen hatte. Mit der ihm gestell
ten Aufgabe, die Diskrepanz zwischen den Befehlen Hiders und dem mili
tärisch Durchführbaren und otwendigen zu vereinen, war er offensicht
lich überfordert.
Die Ereignisse des 15. August ließen ein weiteres, militärischer Effizienz
widersprechendes Moment deutlich hervortreten, das bereits seit dem Zeit
punkt, an dem Kluge zusätzlich zum Oberbefehl auch noch die Führung
der Heeresgruppe Rommels übernehmen mußte, latent vorhanden war:
die fehlerhafte Führungskonstruktion im Westen.
Als sich die alliierte Landung an der provenzalischen Küste entwickelte
und der Kampf nun an zwei französischen Fronten geführt werden muß
te, war der hierfür vorgesehene Koordinator auf deutscher Seite, der OB
West, im Raume des Kessels von Falaise verschwunden und blieb in den
nächsten Stunden unauffindbar. Die Krise bei der Heeresgruppe B nahm
ihn so in Anspruch, daß sein »ganzes Denken und Handeln [ ...] von der
unmittelbaren Gefahr an diesem Schwerpunkt diktiert war«187 und er sich
trotz bereits vorliegender Meldungen, die auf den 15. August als Invasions-
tag im Süden hinwiesen 188, auf die erwähnte Frontreise begab. Daß bei
de Aufgaben von ihm aber faktisch nicht zu bewältigen waren, verdeut
lichte der Inhalt des Ferngesprächs, mit dem sich der OB West bei seinem
Stabschef Gen. d. Inf. Blumentritt am nächsten Tag dann zurückmelde
te189: Kluge war offensichtlich noch durch die niederdrückenden Erleb
nisse der Frontreise {sein Funkwagen wurde von Jagdbombern zerschos-
en, wobei vier Soldaten fielen) gefesselt und stand der Entwicklung in
Südfrankreich ziemlich ratlos gegenüber.
Aufgrund der sich verschärfenden Lage im Rücken der Normandiefront
war die Situation am 15. August für General Blumentritt, der in Abwe
senheit Kluges die Führungsarbeit beim Stabe des OB West übernommen
hatte, immer unangenehmer geworden. Nachdem der Feldmarschall sich
seit 9 Stunden nicht mehr gemeldet hatte, rief Blumentritt den Chef des
Wehrmachtführungsstabes, Generaloberst Jodl an, unterrichtete ihn über
das Verschwinden Kluges, bat um Ernennung eines kommissarischen Ober
befehlshabers und forderte, wie er es ausdrückte, endlich den »großen Ent
schluß«, wohinter sich nichts anderes als der Befehl zum Rückzug, zur
Absetzbewegung, vor allem zur noch möglichen Räumung des Falaise-Kes
sels verbarg190.
Für Hider, der sich durch das anscheinend unerklärbare Verschwinden
Kluges in seinen Verdachtsmomenten bestärkt sah, konnte es nun keine
andere Entscheidung mehr geben, als den OB West zu ersetzen.
Der 15. August, der Tag, den Hider zwei Wochen später als den schlimm
sten seines Lebens bezeichnen sollte191, verlief nicht nur bei den Füh
rungsstäben im Westen, sondern auch im Führerhauptquartier wegen der
Koinzidenz einer Führungs- und Lagekrise in größter Aufregung192.
achdem er sich entschlossen hatte, Kluge seines Postens zu entheben,
mußte die Frage der Nachfolge gelöst werden. Zunächst aber wurde, wie
von Blumentritt gefordert, ein Offizier kommissarisch mit der Führung
der Verbände der Heeresgruppe B beauftragt: Paul Hausser, bislang Ober
befehlshaber der 7. Armee, übernahm für die Zeit der Abwesenheit Klu
ges auch die Führung der 5. Panzerarmee und der Gruppe Eberbach193•
Auch für Hausser blieb trotz des Drängens Blumentritts nach einem Ent
schluß im großen und damit nach Aufgabe des Offensivgedankens194 der
Auftrag Hitlers bestehen, angriffsweise vorzugehen und einen Stoß in süd-
193 WFSt/Op Nr. 772887/44 vom 15.8. 1944, zit. nach Obkdo HGr. B Ia
Nr. 6073/44, RH 19 IX/7, S. 27 f.
194 Ferngespr. Blumentritt-Jodl vom 15. 8. 1944 RH 19 IV/53, S. 170ff.
60 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
ostwärtiger Richtung gegen das XV. US-Korps zu führen. Doch nach An
sicht Hitlers konnte die Befehlsführung durch Hausser nur eine Über
gangslösung195 darstellen.
Um die drohende Katastrophe im Westen abzuwenden, suchte er einen
Mann, der über ausreichende Erfahrungen im Meistern solcher Situatio
nen verfügte. Zwei Feldmarschälle, Kesselring und Model, beide noch am
selben Tage ins Führerhauptquartier befohlen196, hatte Hitler hierzu in
die engere Wahl gezogen.
Kesselring, seit 1943 Oberbefehlshaber Südwest in Italien, hatte hier die
Angriffe bis zum August noch südlich der sogenannten »Grünen Linie«
( = Gotenlinie: La Spezia-Apennin-Pesaro) zum Stehen bringen und so
den Alliierten einen langwierigen, verlustreichen Kampf aufnötigen
können.
Model, der erst Ende März (mit W irkung vom 1. März 1944) zum Gene
ralfeldnlarschall befördert worden war197, hatte, nachdem er 1939 als
Generalstabschef des IV. Armeekorps in Polen und im Westfeldzug in glei
cher Funktion bei der 16. Armee eingesetzt worden war, den weiteren
Kriegsverlauf ausschließlich an der Ostfront in verschiedenen Verwendun
gen als Truppenführer miterlebt. Für die Einsetzung Kesselrings im Westen
sprach, daß er als Oberbefehlshaber des Nachbarkriegsschauplatzes Ita
lien mit der Kampfführung der Westalliierten und den durch die Landung
in Südfrankreich entstehenden Problemen an der Naht beider Fronten
bereits vertraut war. Model hingegen hatte sich die Hochschätzung Hit
lers als Oberbefehlshaber an nahezu allen Abschnitten der Ostfront erwor
ben. Zunächst schien es am späten Abend des 15. August im Führerhaupt
quartier, als ob Kesselring zum neuen OB West ernannt würde, da Model
wieder zu seiner Heeresgruppe an der nicht mehr weit von Rastenburg
entfernten Ostfront abgereist war.
Für Model entschied sich Hitler jedoch wohl noch in der Nacht vom
15./16. August: Denn um 23.00 Uhr wurde der Stab des OB Südwest dar
über unterrichtet, daß Kesselring nicht wegen einer anderweitigen Verwen
dung, sondern zu einer Besprechung in die »Wolfsschanze« gerufen wor
den sei 198. Der Oberbefehlshaber der H. Gr. Mitte wurde für den folgen
den Tag erneut ins Führerhauptquartier befohlen: Die hier eingegangene
Meldung, der Verbleib Kluges sei mittlerweile geklärt, war nun nicht mehr
von Belang. Doch bevor der sich abzeichnende Kommandowechsel im
Westen in Kraft trat, trieben die Ereignisse in Südfrankreich einem ersten
Höhepunkt zu.
195 Hausser hatte mit seinem II. SS-Panzerkorps am 15. 2. 43 gegen Hitlcrs Befehl
Charkow eigenmächtig geräumt, siehe: Hillgruber/Hümmelchen, Chronik,
s. 162.
196 KTB OKW, IV/ 1, S. 345.
197 Keilig, Generale, S. 228.
19 KTB OKW, IV/1, S. 466.
IV. Die Aus gan gslage in Südfrankreich
Hitler bestand darauf, diesen Raum zu halten. Blaskowitz blieb nichts anderes
übrig, als zu melden, »daß infolge des Abzuges an Menschen und Waffen die
Verteidigungskraft der [ 19.] Armee derart geschwächt ist, daß eine erfolgrei
che Verteidigung der Küste bereits jetzt kaum mehr gewährleistet«210 sei.
Innerhalb der deutschen Führung war man sich allerdings nicht mehr
sicher, ob die alliierte Landung in Blaskowitz' Mittelmeerabschnitt erfol
gen würde. Nach einer Kurzbeurteilung des Wehrmachtführungsstabes vom
27. Juli rechnete man nun eher mit einer Operation gegen die ligurische
Küste211. Etwa eine Woche später erfuhr Feldmarschall Kluge, daß nach
neuesten Erkenntnissen >)eine unmittelbare Bedrohung der französischen
üdküste z. Zt. nicht mehr als gegeben« angesehen wurde und er deshalb
Überlegungen wegen eines weiteren Kräfteabzuges aus diesem Raum anzu-
tellen habe. Daraufhin forderte Kluge, ein Generalkommando, drei Infan
teriedivisionen und vor allem die letzte mobile Reserve der Armeegrup
pe, die 11. Panzerdivision, sofort in die Normandie zu verlegen212. Wohl
\vissend, daß die Erfüllung dieses Antrages dem endgültigen Abbruch
ernsthafter Verteidigungsanstrengungen im Süden gleichkommen würde,
fügte er hinzu: >)Die Entscheidung dieses Feldzuges liegt in Nordfrank
reich213.« Doch wiederum entschloß sich Hitler nur zu einem unbefrie
digenden Kompromiß: Einerseits beließ er der Armeegruppe G mit der
Panzerdivision den einzigen zu beweglicher Kampfführung geeigneten Ver
band und lehnte damit die von den Oberbefehlshabern im Westen seit Juni
wiederholt gestellten Anträge auf Verlegung dieser Division zur Heeres
gruppe B ab21"'. Auf der anderen Seite genehmigte er, von der bereits stark
geschwächten 19. Armee eine weitere Infanteriedivision (338.) sowie Pan
zerjägerkompanien215 von drei in der Küstenverteidigung eingesetzten Ver
bänden (242., 244., 198. Inf. Div.), die dadurch erheblich an Feuerkraft ein
büßten, nach Norden abzuziehen216.
Derweil ging innerhalb der Stäbe das Rätselraten um den Zielraum der
alliierten Mittelmeeroperation weiter, die mehreren Anzeichen zufolge nun
unmittelbar bevorstand: Nach einer Meldung aus Madrid vom 10. August
war das Auslaufen von Truppentransporten aus Nordafrika beobachtet
worden217. Einen Tag später orientierte der OB West den Wehrmachtfüh-
210
Gez. Blaskowitz, Obkdo. AGr. G Ia r. 1598/44 vom 4. 8.1944, in: Staiger,
Rückzug, S. 19 ff.
lll
Die Wahrscheinlichkeit einer Landung in Ligurien-Südfrankreich-Adriaraum
wurde mit 5:4: 1 »berechnet«, KTB OK\XI, IV/1, S. 349.
212
Ferngespr. Maj. Friede! (WFSt}-la OB West vom 5. 8.1944 21.00h, RH 19 IV/52,
s. 186.
213
K TB OB \XIest vom 5. 8. 1944, RH 19 IV/45, S. 40.
lH
Befehl vom 11. 8. 1944, RH 19 IV/ 45, S. 90.
lts
Eine Inf. Div. verfügte 1944 über 4-5 Pan�rjägerkompanien mit je 12 Pak,
Mueller-Hillebrand, Heer, III, S. 225.
216
OB West Ia Nr. 6726/44 vom 10. 8.1944, RH 19 IV/52, S. 381.
217
KTB OKW, IV/1, S. 512.
64 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
221
Ebd., S. 350.
222 Mitteilungen Gen. Warlimonts vom 12.8.1944, 10.00h, KTB OKW, IV/1, S. 465.
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IV. Die Ausgangslage in Südfran kreich 65
für die 19. Armee angeordnet, außerdem dringend beantragt, die Verlegung
der 338. Infanteriedivision zur Heeresgruppe B abzustoppen226• Doch
hierz u konnte man sich im Wehrmachtführungsstab noch nicht entschlie
ßen obwohl Hitler am 13. August nochmals befohlen hatte, die Front der
9. Armee gegen Landungsunternehmen zu verteidigen227• Das Zögern, die
fortgesetzte Schwächung der 19. Armee zumindest jetzt aufgrund der dro
henden Gefahr zu unterbinden, lag auch darin begründet, daß nach wie •
,or über die alliierten Absichten keine Klarheit herrschte. Auch aus den
Luftangriffen, deren Häufigkeit im Bereich der 19. Armee das dreifache
der Vorwoche erreichte, war die Richtung der gegnerischen Operation bis
zum letzten Augenblick nicht zu erkennen. Sowohl Ziele in Ligurien wie
auch die Rhonebrücken, Eisenbahnanlagen und Flugplätze in Südfrank
reich wurden bombardiert228•
rst nach einer weiteren Lagezuspitzung - die Armeegruppe hatte am
4. August die gründliche Zerstörung des Verkehrsnetzes zwischen Rhone
und Var-229 und der OB West zusammenfassend gemeldet, »daß zahlreiche
lomente auf eine Landung an der französischen Mittelmeerküste«230 hin
deuten würden - genehmigte das OKW, die Verlegung der 338. Infante
nedivision abzubrechen und die noch nicht abgefahrenen Teile dieses Ver
bandes bei der 19. Armee zu belassen.
Über Zeit und Ort der erwarteten Mittelmeeroperation herrschte, das ist
htermit zu konstatieren, innerhalb der deutschen Führung bis zum letz
ten Moment Ungewißheit. Die Bildung eines Abwehrschwerpunktes wurde
cadurch vereitelt.
J)aneben bleibt in diesem Rahmen ein weiterer Problemkreis untersu
chungswürdig:
Warum widersetzte sich Hitler auch Mitte August noch der von Rund
stedt und Rommel vorgeschlagenen »VOm Feinde ungedrängten« Räumung
Süd- und Südwestfrankreichs? Dagegen sprach wohl, daß in Hitlers Sicht
1 eine freiwillige Räumung dem Eingeständnis militärischer Schwäche
gleichkam,
2. beim Absetzen auf eine rückwärtige Linie die Gefahr einer unkontrol
lierbaren sogartigen Fluchtbewegung entstand231,
3. wichtige Rohstoffvorkommen »früher als nötig« preisgegeben wurden232,
leichte rn237• Als die Kontroverse im Januar 1944 begann, betonte Eisen
hower in einem Schreiben an Marshall den hohen Stellenwert dieses Vor
teils23 . Dariiber hinaus sah er zwei weitere Argumente, die für die Durch
führung von DRAGOON sprachen:
1. die Einhaltung der den Sowjets in Teheran gegebenen Zusicherung und
2. die bestmögliche Verwendung der von den Amerikanern ausgerüste
ten französischen Divisionen, die nach dem Wunsch de Gaulies vor
allem im Süden Frankreichs eingesetzt werden sollten239•
Die notwendige Bereitstellung von Landungsschiffsraum für OVERLORD
und die sich gleichzeitig verschlechternde L age in Italien, die das Heraus
ziehen von Truppen aus der Frontlinie nicht zuließ, machte jedoch eine
\\resentliche Änderung des DRAGOON-Konzeptes erforderlich. Am
21. März 1944 kam es zwischen den Generalstäben der Westalliierten zu
einem Kompromiß, nach welchem man dem italienischen Kriegsschau
platz so lange den Vorrang einräumte, bis hier die Offensive erfolgreich
\\'ieder angelaufen war. Hierdurch wurde die L andung in Südfrankreich
zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben240• Damit war DRAGOON
zwar nicht, wie von britischer Seite erhofft, gänzlich verschwunden, aber
als Simultanoperation zu OVERLORD aufgehoben. Ein Argument sei
ner Befürworter, durch die Fesselung deutscher Kräfte zur Entlastung von
OVERLORD beitragen zu können, büßte so an Durchschlagskraft ein.
Es bestand aus amerikanischer Sicht die Gefahr, daß das verlorenging,
woran Churchill ohnehin nicht glaubte: die strategische Kopplung zwi
schen OVERLORD und DRAGOON241•
achdem im Mai 1944 die Front in Italien wieder in Bewegung geraten,
Monte Cassino genommen und der Brückenkopf Anzio in die alliierten
Linien integriert war, entflammte auch die Diskussion um die L andung in
Südfrankreich aufs neue. Die Argumentation auf amerikanischer Seite be
wegte sich zunächst im Rahmen des schon Bekannten und oft W iederhol
ten, so wie die nachteiligen Auswirkungen eines Verzichts auf DRAGOON
darin gesehen w urden, daß politische Schwierigkeiten mit den Franzosen
entstehen könnten, oder daß OVERLORD zehn Kampfdivisionen vor
enthalten blieben und die kräftezehrende Alternative über Italien letztlich
nach Südosteuropa führen würde242• Erst Mitte Juni - die Normandie
invasion war bereits angelaufen, der Termin für die L andung im Süden
dagegen immer noch nicht geklärt - gewann im Rahmen der Debatte ein
anderes Argument an Gewicht, das für die Amerikaner nun von überra
gender Bedeutung zu sein schien.
23
7 CCS vom 16. 8. 43, in: Wilt, Riviera, S. 5, Anm. 1.
238
Pogue, Supreme Command, S. 111.
n9 de Gaulle, Memoiren, S. 130.
240 Matloff, Planning, S. 422 f.
241
Pogue, Supreme Command, S. 112.
242 Matloff Planning, S. 425.
68 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
In einem Treffen am 17. Juni vertrat General Marshall gegenüber dem bri
tischen Oberbefehlshaber des Mittelmeerraums, W ilson, die Auffassung,
daß DRAGOO schon deshalb stattfinden müsse, um in den Besitz der
Häfen der Riviera, Marseille und Toulon zu gelangen. Nur so sei es mög
lich, die in den USA \Vartenden 30-40 Divisionen243 schnell nach Frank
reich zu bringen. W ilson schien beeindruckt und befürwortete zwei Tage
später unter der Voraussetzung, daß auch die Combined Chiefs of Staff
der Einnahme der Großhäfen Priorität zuerkennen würden, DRAGOON.
Wenn der Höhepunkt der Kontroverse, ein mehrtägiger Telegrammwech
sel zwischen Churchill und Roosevelt auch noch bevorstand, so war damit
doch ein erster Einbruch in die zuvor geschlossene militärische Opposi
tion Großbritanniens gelungen. Wenige Tage später verlieh Eisenhower
dem Argument Marshalls besonderen Nachdruck: In seinem Schreiben
an die CCS hob er hervor, daß DRAGOON nicht nur deutsche Truppen
binden, sondern auch den »lebenswichtigen« Besitz eines Hafens ermög
lichen würde244•
Für Eisenhower wurde dieses Problem immer drückender, da Cherbourg
zu dieser Zeit noch nicht erobert war und den alliierten Truppen in der
ormandie keine größeren Nachschubumschlagplätze zur Verfügung stan
den. Hinzu kamen die Schwierigkeiten, die der Oberbefehlshaber der
OVERLORD-Streitkräfte kurz zuvor >>hautnah« erlebt hatte: Am 21. Juni
wurden die beiden künstlichen Häfen {Mulberries), über die zu dieser Zeit
der gesamte achschubumschlag lief, durch Stürme an der normannischen
Küste erheblich beschädigt und vorobergehend außer Betrieb gesetzt.
Funktionsfähige Hochseehäfen und ihre ungehinderte Zugänglichkeit stell
ten ein Problem dar, das im Laufe der Debatte zunehmend an Bedeutung
gewonnen hatte und das mit zu der Entscheidung vom 2. Juli beitrug, den
Beginn der Operation DRAGOON endgültig auf den 15. August festzu
legen245. Neun Tage bevor das Unternehmen anlief, trug Churchill beim
letzten Versuch, DRAGOON zu verhindern, dem Hafenproblem auf sei
ne Weise Rechnung: Er schlug vor, die Landung wegen der größeren Bedeu
tung der Atlantikhäfen Brest, Lorient und St. Nazaire vom Mittelmeer an
die bretonische Küste zu verlagern246• Auch dieser Alternativplan, wegen
der fortgeschrittenen Vorbereitungen für DRAGOON trotz einiger deut
licher Vorzüge praktisch kaum noch durchführbar, wies damit, wenn auch
indirekt, auf einen der neuralgischen Punkte im komplizierten logistischen
System hin. Die aus diesem Bereich resultierenden Schwierigkeiten beein
trächtigten zumindest noch bis zum Ende des Jahres 1944 die Kampffüh
rung der Westalliierten.
243 Schreiben W ilsons an Eisenhower vom 19. 6. 1944, in: Matloff, Planning, S. 470,
und Pogue, Supreme Command, S. 220.
2·44 Schreiben vom 24. 6.1944, Pogue, Supreme Command, S. 219 ff.
2"s Ebd., S. 222.
246 Ehrman, Strategy, V, S. 362 ff.
IV. Die Ausgangslage in Südfrankreich 69
Grundsätzlich waren die Faktoren, die den Ausgang der Debatte um die
Operation DRAGOON - auf höchster, wie auf militärischer Ebene -
maßgeblich beeinflußten, von der deutschen Führung schon früh zutref
fend analysiert worden. In der »Führerweisung 40« vom 23. März 1942
hatte Hitler betont, daß Zeitpunkt und Ort von » Landeunternehmungen
nicht allein von operativen Gesichtspunkten«, sondern auch durch »Miß
erfolge auf anderen Kriegsschauplätzen, Verpflichtungen gegenüber Verbün
deten und politische Erwägungen« bestimmt werden könnten247•
Rundstedt, der als OB West Ende 1943 eine Landung am Kanal, verknüpft
>>mit einem Angriff[ ...] gegen die französische Mittelmeerküste«, als wahr
scheinlichste Möglichkeit bezeichnet hatte, begründete diesen Zusammen
hang u. a. logistisch: »Abgesehen von politischen Rücksichten ist für den
Feind die Gewinnung von Toulon und Marseille [ ...] wichtig248.«
Der deutschen Führung gelang es jedoch nicht, zum rechten Zeitpunkt
entscheidende Gegenmaßnahmen zu treffen. Im Sommer 1944 waren die
Voraussetzungen hierfür wegen des kräftezehrenden Kampfes in der N or
mandie und der Ungewißheit über die alliierten Absichten im Mitreimeer
raum nicht mehr gegeben.
Die nördlich der Gironde eingesetzte 16. Infanteriedivision (Gen. Lt. Ernst
Haeckel) war erst kurz zuvor aus Restteilen der in der Normandie zer
schlagenen 16. Luftwaffenfelddivision und der 158. Reservedivision gebil
det worden. Bis dahin in erster Linie Ausbildungsverband, wies sie einen
geringen Mobilitätsgrad auf und wurde nur als >)bedingt zur Verteidigung
geeignet« eingestuft251• Eine vergleichbare Situation bestand südlich der
Gironde: Die hier führende 159. Reservedivision (Gen. Lt. Albin Nake),
ebenfalls nur »bedingt zur Abwehr geeignet<< , verfügte wie die 16. Infan
teriedivision über drei Regimenter mit sieben Infanteriebataillonen. Das
im gesamten Bereich des Westheeres nun verstärkt zu Tage tretende Feh
len von gut ausgebildeten deutschen Soldaten wurde an der Atlantikküste
durch den vermehrten Einsatz »fremdvölkischer Freiwilliger« erkennbar:
So bildete das indische Grenadierregiment 950 mit seinen drei Bataillonen
eben o einen Teil der Küstenverteidigung wie die zum Schutze der Insel
oirmoutier eingesetzten italienischen Soldaten252•
Im Bereich des LXIV. Armeekorps standen neben den rund 24 000 deut
schen Heeressoldaten etwa 8 500 Mann anderer Nationalitäten. Davon wa
ren 1 500 Italiener, 4 000 gehörten dem Kosakenregiment 360 und 3 000
dem indischen Regiment an253• Ob sie bereit waren, ihr Leben weiterhin
für eine fremde, noch dazu nun eindeutig unterlegene Seite einzusetzen,
blieb zurnindest fraglich. Der Einsatz dieses »V ölkcrgemischs« zur Küsten
sicherung war notwendig, um, wie Rundstedt es 1943 formuliert hatte,
»überhaupt Menschen an den dünnen Fronten [...] zeigen«25� zu können.
Die Küstensicherung, ohnehin beim Stabe des OB West als reine »Karten
angelegenheit ohne praktischen Wert«255 erkannt, war seit Anfang August
zudem nicht mehr die Hauptaufgabe des LXIV Armeekorps. Mit dem nach
dem Durchbruch bei der Heeresgruppe B erfolgten Vordringen der Ame
rikaner nach Süden sah Blaskowitz nicht nur die von Paris über Orleans
und Tour in Richtung Bordeaux laufende Hauptnachschubstrecke der Ver
bände des Armeekorps gefährdet, sondern befürchtete weitaus Schlimme
res: Überquerten die Amerikaner die Loirelinie nach Süden, so konnten sie
nahezu ungehindert in den Rücken seiner Armeegruppe stoßen256• Bereits
jetzt standen die Amerikaner im Raum nördlich der Loire weniger als halb
soweit entfernt von den Vogesen \vie die in Südfrankreich eingesetzten deut
schen Verbände. Schon aus diesem Grunde war, wie sein Stabschef Gen.
252 Te sin, Verbände, 7, S. 113 ff., und Wegmüller, Die Konzeption, S. 199.
253 OB We t Ia r. 7317/44 vom 24.8.1944, RH 19 IV/54, S. 141, und OB West
Ia r. 7396/44 vom 25.8. 1944, RH 19 IV/54, S. 217.
25.. Lagebeurteilung OB We t vom 25.10. 1943, RH 19 IV/1 S. 71 ff.
271 W ilt, Riviera, S. 41, und Schulz, 19. Armee, MS-B-514 S. 9ff.
272 Staiger, Rückzug, S. 14 ff.
273 Siehe hierzu Gen. Lt. Oberhäuser in: Zimmermann OB West, MS�T-121, B IV,
s. 1768ff.
27.. Obkdo AGr.G lc, Nr. 636/44, RH 19 XII/31, S. 1.
275 Schulz, 19. Armee, MS-B-514, S. 9.
6
27 Ebd., S. 11.
74 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
291 Zum Vergleich: Am 6. Juni wurden in der Normandie 5 Inf.- und 3 Luftlande
divisionen mit rund 130000 Soldaten abgesetzt. Innerhalb der ersten beiden
Tage waren 185000 Soldaten und 19000 Fahrzeuge angelandet, vgl. Ehrman,
Strategy, V, S. 284.
292 Wilt, Riviera, S. 84 f.
29.3
Staiger Rückzug, S. 36.
78 TeiJ A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
294 Eisenho,ver an Wilson vom 6. 7.1944, in: Pogue, Supreme Command, S. 223.
295 Zum Vergleich: Am 6. 6. 1944 waren 8 Schlachtschiffe, 22 Kreuzer, 93 Zerstö
rer, 800 kleinere Schiffe und etwa 4 200 Landungsfahrzeuge beteiligt .
29 6 Wilt, Riviera, S. 70 f. und 83 f.
297 Oberbefehlshaber der Meditcrranean Allied Air Forccs, sein Stellvertreter war
Luftmarschall Sir John Slessor.
29 8 Wilt, Riviera, S. 71 ff.
I
304 Erstmals traten am 2. 6.1944 600 »Terroristen« geschlossen bei Figeac (nörd
lich Toulouse) auf, KTB OKW, IV/1, S. 310.
305 Monatsbericht r. 15 der Kontrollinspektion der Deutschen Waffenstillstands
kommission vom 7. 7.1944, Nr. 890/44, zit. nach: Wilt, Atlantic Wall, S. 152.
306 Lagebeurteilung Obkdo AGr.G, Ia Nr. 1859/44 vom 14.8.1944, RH 19 Xll/7,
s. 177 f.
307 Tätigkeitsbericht I c AGr. G für den 1. 8.-31.8.1944, I c Nr. 636/44, RH 19
XII/31, S. L
3° Wilutzky Heeresgruppe G, MS-A-882, S. 7ff.
309 Lagebeurteilung OB West la Nr. 6872/44 vom 14. 8.1944, RH 19 IV/53,
s. 122 f.
310 Lagebeurteilung OB West Ia Nr. 6584/44 vom 7.8.1944, RH 19 IV/52, S. 261 ff.
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IV. Die Ausgangslage in Südfrankreich 81
311 Tagebuchnotizen Gen. Lt. Walter Botsch (Chef des GenSt. AOK 19), RH 20-
19/85, s. 1.
312
KTB AOK 19, RH 20-19/88, S. 40.
313
Meldung Marinegruppe West vom 15.8. 1944, 3.15h, OB West I a Nr. 6742/44,
RH IV/53, S. 143.
314
achtragzur Tagesmeldung für den 15.8.1944, O bkdo. AGr. G Ia Nr. 1909/44
vom 16.8. 1944, RH 19 XII/7, S. 193.
82 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
Richtung Frejus hin öffnend, die Möglichkeit bot, durch einen hier ge
führten Vor roß die Küstenverteidigung auszuflankieren. Die potentielle
Gefährdung dieses Raumes hatte das AOK 19 auch rechtzeitig erkannt.
Der Empfehlung, dieses Gebiet zusätzlich durch Kräfte eines verstärkten
Regiments315 sichern zu lassen, war nicht umgesetzt worden.
So standen den mehr als 5000 Fallschirmjägern der ersten Welle nur etwa
drei deutsche Kompanien und Teile des Trosses der 242. Infanteriedivi
sion316 gegenüber. Mit diesen Kräften konnte die typische Schwächeperio
de jeder Luftlandung, die Zeit zwischen Absprung und Sammlung der Ein
heiten auf der Erde, nicht ausgenutzt werden. Während sich infolgedessen
die Luftlandung relativ ungefährdet entwickelte- schon um 9.20 Uhr flog
die zweite Welle mit Lastenseglern ein -, begann bei der 19. Armee die
verzweifelte Suche nach Reserven, um diese »Eiterbeule« hinter der Front
zu bekämpfen317.
Um 7.00 Uhr hatte Wiese Befehle erteilt, die Infanteriekräfte in Stärke von
etwa einer Division freimachen sollten. Darunter befanden sich auch Trup
pen, die ursprünglich zur Verteidigung Marseilles bestimmt waren. Doch
Wiese blieb nichts anderes übrig, als >>eine Schwächung der Küstenvertei
digung [... ]im Interesse einer Schwerpunktbildung an der angegriffenen
Front«318 in Kauf zu nehmen und damit den BefehP19, Marseille und Tou
lon durch je eine Division besetzt zu halten, zumindest vorübergehend außer
acht zu lassen. Das Grenadierregiment 932 unter Oberst Bründel und eine
Artillerieabteilung {244. Inf. Div.) wurden nach Brignoles in Marsch gesetzt.
Gen. Lt. v. Schwerin (Kdr. 189. Res. Div.) sollte hier den Befehl über die zum
Gegenangriff zusammengekratzten Einheiten übernehmen. Neben den Sol
daten aus dem »Verteidigungsbereich Marseille« {244.) wurden in Brignoles
je ein Bataillon der 338. und 189. Division und zwei Panzerjägerkompanien
erwartet, so daß Schwerin letztendlich über einen aus vier Divisionen zu
sammengewürfelten »Verband« verfügen würde. Darüber hinaus wurde die
11. Panzerdivision sofort heranbefohlen. Zur gleichen Zeit hatte die 148. In
fanteriedivision nach dem Plan Wieses »mit starken Kräften« aus der ande
ren Himmelsrichtung gegen die Fallschirmtruppen vorzustoßen320•
Noch bevor überhaupt die ersten Einheiten nach Brignoles abmarschiert
waren, begann die alliierte Hauptlandung an einem Abschnitt, der im we
sentlichen nur von einem einzigen deutschen Regiment (Gren. Rgt. 765)
derjenigen Division {242.) verteidigt wurde, die sich im Rücken durch den
Einsatz der Fallschirmjäger bedroht sah.
315 RH 20-19/85, S. 2.
316 Ebd. und KTB AOK 19, RH 20-19/88, S. 40f.
317 RH 20-19/85, S. 2.
319 Gez. Kcitcl, OK\V/WFSt Op (H) West Nr. 772752/44 vom 5.8.1944 zit. nach:
1
32 Die alliierte Lufrwaffe ve rmeldete am 15. Augu t 3 936, diedeutehe 21 Einsätze.
322 Schulz, 19. A rmee, MS-B-514, S. 18.
325 Gez. Bla ko,vitz, Obkdo AGr. G I a /Id r. 13102/44 vom 16 .8.1944, RH 19
.
XII/7, S. 203 f.
326 Rob ichon, Invasion, S. 109.
327 RH 20-19/85, S. 3.
84 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
32 Die Armeegruppe G erhielt die ersten Meldungen von der Landung über den
OB West, Ferngespräch lc OB West-Obkdo AGr. G vom 15. 8. 1944, 13.55 h,
RH 19 IV/142, $.158.
J29 Obkdo AGr. G Ia r. 1879/44 vom 15. 8. 1944, RH 19 XII/7, S. 188.
330 RH 19 IV/142, S. 158.
J3t Zimmermann, OB West, MS-T-121, B V, S. 1690.
334 Gez. Blaskowitz, Obkdo AGr. G Ia Nr. 1598/44 vom 4. 8.1944, in: Staiger,
Rückzug, S. 19 ff.
3Js KTB AOK 19, RH 20-19/88, S. 42.
.
336 1 t, R'•v•era, S. 9 1.
W'l
337 KTB AOK 19, RH 20-19/88, S. 43.
338 Gez. Blaskowitz, Obkdo AGr. G Ia/Id Nr. 13102/44 vom 16.8.1944, RH 19
Xll/7, S. 203 f.
339 RH 20-19/85, S. 3.
·Ho
Seit dem 1. 8. 1944 zur Front befohlen: 48., 49., 89., 344. Inf., 6. Fsj., 17., 18.
Lwfeld. Div.
86 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
Wiese gab die Hoffnung auf, mit Hilfe der heranbefohlenen Einheiten die
Luftlandung im Rücken schnell »bereinigen« zu können. Aus diesem Grun
de verzichtete das AOK - wohl schon mit Blick auf den Fortgang der
Kämpfe - darauf, das letzte, nur noch für die Errichtung einer einzigen
Brücke ausreiche-nde Ponton-MateriaP41 zu riskieren. Man entschloß sich
statt dessen zum langwierigeren Fährenbau342•
Um endlich über die Lageentwicklung aus erster Hand unterrichtet zu
werden, waren Blaskowitz und sein Stabschef Gyldenfeldt um 17.00 Uhr
von Rouffiac (bei Toulouse) in Richtung Av ignon zum Hauptquartier der
19. Armee aufgebrochen. Unterwegs suchte Blaskowitz General Petersen
(IV. Luftwaffenfeldkorps) in Capendu (bei Carcassonne) auf, aber auch hier
waren keine neuen Nachrichten bekannt. Während dieser Besprechung
traf gegen 21.00 Uhr ein Stabsoffizier des AOK 19 ein, der Blaskowitz über
den Kampfverlauf orientieren konnte343• Er wurde von der Absicht in
Kenntnis gesetzt, den Angriffsbefehl - zuerst Vorgehen gegen die Luft
landung, dann, was allerdings bereits utopisch anmutete, »Zurückwerfen
des Gegners ins Meer«344 - aufrechtzuerhalten. Wenn auch die Intentio
nen dieses Befehls gewesen sein mögen, die Bewegungsfreiheit des Geg
ners im wichtigen Argenstal zumindest einzuschränken und das in Dra
guignan eingeschlossene Generalkommando des LXII. Armeekorps345 zu
befreien, so standen ihm die Realitäten entgegen: Der Kommandeur der
242. Infanteriedivision, Gen. Maj. Baeßler, dem anstelle General Neulings
die Koordination des Unternehmens übertragen worden war, hatte inzwi
schen erfahren, daß die Fallschirmjäger sich auf drei Regimenter verstärkt
hatten346• Auch aus diesem Grunde kam es am 15. August nicht mehr zur
Durchführung des befohlenen Angriffs, der letztlich - kurz vor Mitter
nacht waren �erst zwei Bataillone bei Brignoles versammelt - hinsichtlich
der befohlenen Ziele (Vernichtung des Luftlandegegners und dann Durch
stoß auf St. R aphaeP41) ohne jede Chance gewesen wäre.
Der erste Tag von DRAGOON ging so mit einem vollen Erfolg der Alliier
ten zu Ende. An den drei Strandsektoren waren insgesamt 60 150 Soldaten
und 6 737 Fahrzeuge an Land gesetzt worden. An einzelnen sich noch- zum
Teil hartnäckig - verteidigenden Stützpunkten wie in Frejus und St. Ra
phael vorbeistoßend, gelang es den Spitzen der US-Divisionen, bis zu 16 km
ins Landesinnere vorzudringen. Zu regelrechten Schlachten um die Lande-
Ht Eine dieser Brücken war gerade durch Bomben zerstört worden, RH 20-19/85,
s. 4.
342 RH 20-19/85, S. 4.
H3 Zimmermann, OB West, MS:f-121, B V, S. 1700ff.
344 Befehl AOK 19 vom 15. 8. 1944, 24.00 h, RH 20- 19/88, S. 44.
H5 Es bestand allerdings noch Ferns rechverbindung, KTB AOK 19, RH 20-
p
19/88, s. 54.
346 KTB AOK 19 vom 15. 8. 1944, RH 20-19/88, S. 54.
J47 Ebd., S. 44.
IV. Die Ausgangslage in Südfrankreich 87
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0 10 20 30 40 50 km
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IV. Die Ausgangslage in Südfrankreich 89
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Karte 5
90 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
355 Meldung I a LXII. AK vom 16.8.1944, 1.15h, KTB AOK 19, RH 20-19/88,
S. 58 und 88.
356 General euling konnte zunächst entkommen und geriet am 18.8.1944 wei-
ter nördlich in Gefangenschaft.
357 Meldung AOK 19 vom 16.8.1944, 9.30h, RH 19 XII/7, S. 164.
358 KTB AOK 19 vom 16.8.1944, RH 20-19/88, S. 55.
.359 Blaskowitz, Armeegruppe G, MS-B-800, S. 12 f.
360 Blumentritt hatte die Stabschefs der im Westen führenden Armeen im Januar
1944 aufgefordert, sich angesichts der drohenden Invasion zur Frage des Ein
satzes der schnellen Verbände zu äußern. Die hier angeführten Zitate entstam
men den Antwortschreiben Feyerabends vom 4. 2.1944 und Botschs vom
29.1.1944, RH 19 IV/ 1 , S. 26ff.
IV. Die Ausgangslage in Südfrankreich 91
361
Vor Ort führte Oberst Bründel.
362 AOK 19 Ia Nr. 8505/44 vom 16.8.1944, RH20-19/88, S. 68.
J63 RH20-19/85, S. 7.
364 KTB AOK 19 vom 16. 8.1944, RH20-19/88, S. 93.
365 Meldung vorgeschobener Gefechtsstand AGr.G vom 16. 8.1944, zit. nach:
Obkdo AGr. G Ia Nr. 1922/44 vom 17.8.1944, RH19 XII/7, S. 165.
92 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
Marseille erneut zu schwächen und ein weiteres Regiment der 244. Infan
teriedivision (Gren. Rgt. 933) heranzuziehen. Dieser Entschluß war W ie
se durch die »Feindlagebeurteilung« des AOK 19 erleichtert worden, wo
nach nun »mit einer weiteren Anlandung, insbesondere im Raum Mar
seille [ ...] nicht mehr gerechnet zu werden braucht«366•
Mittlerweile hatte sich die Situation an der Rhone drastisch zugespitzt:
An den drei Fährstellen Arles, Vallabregues (nördlich von Tarascon), Avi
gnon und an der zumindest für leichte Lasten wieder passierbaren Briicke
von Roquemaure (nördlich von Avignon) entstanden im Laufe des Tages
regelrechte Staus von Einheiten, die auf das Übersetzen warteten. Zudem
litt der in den Morgenstunden aufgenommene Fährbetrieb unter perma
nenten T ieffliegerangriffen. Der Schwerpunkt der alliierten Luftwaffe lag
am 16. August eindeutig über dem Rhonedelta367• Insbesondere die von
den Flugzeugträgern startenden Jagdbomber zwangen zeitweilig dazu, den
Übersetzverkehr völlig einzustellen368• An dem nur SO km langen Rhone
abschnitt zwischen Arles und Roquemaure hatten sich inzwischen folgende
Truppenteile versammelt: Die 11. Panzerdivision3 69, ein Regiment der
198., ein Regiment der 338. Infanteriedivision, sowie drei weitere Batail
lone (von der 189. und 338. Div. sowie das Heerespionierbataillon 669). Die
damit wohl seit langer Zeit stärkste Konzentration deutscher Truppen in
Südfrankreich umfaßte - nach vollständiger Versammlung - immerhin
fast drei Divisionen. Hierdurch war die Kapazität der Fähren restlos über
fordert. Auch der Armeegruppenstab370 geriet am Morgen in einen der
entstehenden Staus und mußte seine Verlegung nach Pierrelatte unterbre
chen, da die Fähre bei Av ignon bereits völlig durch Einheiten der 11. Pan
zerdivision ausgelastet war371• Das Übersetzen der Truppen erfolgte des
halb zu langsam, »die[...] herangeführten Reserven« konnten im Kampf
gebiet »nur tropfenweise zum Einsatz kommen«. Blaskowitz meldete an
den OB West: >Non seiten der Führung wird alles getan372, um Kräfte[...]
über die Rhone zu bringen; dieses ist augenblicklich der entscheidende Fak
tor für den gesamten Ablauf der Kampfhandlungen373.«
J69 Die »Panther« des Pz.Rgt. 15 lagen zum Großteil noch bei Toulouse fest,
RH 20-19/85, S. 7.
370 Blaskowitz und Gyldenfeldt waren jedoch auf dem vorgeschobenen Gefechts
372 Er war allerdings damit einverstanden, daß W iese sein Pontonmaterial, das für
die weitere Entwicklung noch entscheidend sein konnte, zurückhielt. Er ließ des
halb Brückenkolonnen aus dem übrigen Armeegruppenbereich heranbefehlen,
Obkdo AGr. G Ia Nr. 1913 und 1914/44 vom 16.8.1944, RH 19 Xll/7, S. 201 f.
Jn Gez. Blasko\vitz, Lagebeurteilung Obkdo AGr. G. Ia/Id Nr. 13102/44 vom
Bis zum Abend des 16. August hatte aber lediglich das Regiment der 338. In
fanteriedivision das Ostufer erreicht, die Mehrzahl der anderen Einhei
ten sollte erst in der Nacht übersetzen.
Inzwischen bauten die Alliierten relativ ungestört ihren Brückenkopf aus
und nahmen die Ausschaltung einzelner noch haltender W iderstandsnester
in Angriff. Das AOK 19 rechnete damit, daß der gegnerische Landekopf zwi-
chen Cap Negre und St. Raphael mittlerweile konsolidiert war. Nach den
beobachteten weiteren Anlandungen schätzte man die Stärke der Invasions
truppen nun bereits auf vier Divisionen mit Panzereinheiten und einem
Lufdandeverband374• Tatsächlich waren an diesem Tage die ersten Kampf
gruppen des 11. Französischen Corps unter General de Lattre de Tassigny375
gelandet, dem die Befreiung von Marseille und Toulon zufallen sollte.
In seiner Lagebeurteilung für den OB West hatte Blaskowitz dieses erste
Operationsziel der Alliierten auch zweifelsfrei erkannt. Unklar erschien
ihm jedoch noch, ob die Fortführung der Operation nach der Abschnürung
der Großhäfen direkt in Richtung Rhonetal beabsichtigt war. Die andere
Möglichkeit, die nun erstmals erwogen wurde, bestand seiner Ansicht nach
darin, über Digne direkt nach Norden Richtung Grenoble vorzugehen.
Blaskowitz war vermutlich durch die Luftlandung bei Draguignan auf diese
Möglichkeit aufmerksam geworden. Dafür sprach auch, daß gerade in die
sem Raum -an der Naht zwischen der 242. und 148. Infanteriedivision376
-der Aufbau der Abriegelungsfront noch völlig in Frage stand. Die Vor
teile dieser Lösung für die Alliierten sah Blaskowitz in der Kontaktauf
nahme zum »Starken Bandengebiet« in den Westalpen. W ichtiger jedoch
war die sich hier bietende Chance, durch schnellen Vorstoß nach Westen
ungehindert in das mittlere Rhonetal zu gelangen. Ohne es auszuformu
lieren, hatte Blaskowitz damit bereits die »überholende Verfolgung« erahnt,
die zu einer tödlichen Gefahr für die 19. Armee werden sollte.
Am 16. August fielen in Rastenburg Entscheidungen, mit denen die deut
sche Führung in Südfrankreich wohl schon nicht mehr zu rechnen wagte.
Anscheinend auf Drängen Blumentritts3n trat nun Jodl nochmals mit der
Bitte um eine neue »Weisung für die Kampfführung« an Hitler heran. Doch
auch jetzt faßte der » Führer« keinen ganzen Entschluß. Wenn überhaupt, so
kam für ihn ein Rückzug der Armeegruppe nur in zwei deutlich voneinan
der getrennten Phasen in Betracht37 Das erste Resultat dieser Halbheiten
•
l74 Ebd.
175 Er übernahm am 21. 8. 1944 das Kommando über die »Französische Armee B«,
am 15. 9. 1944 um benannt in: 1. Französische Armee.
l76
KTB AOK 19 vom 16. 8. 1944, RH 20-19/88, S. 93.
Jn Zimmermann, OB West, MS.:f-121, B V, S. 1716.
J71> Ebd., S. 1721 ff.
94 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
379
Gez. Keitel, OK\XI/WFSt Op (H) Nr. 009944/44 vom 17. 8.1944, zit. nach OB
West I a Nr. 6945/44 vom 17. 8. 1944, 3.20h, RH 19 IV/53, S. 252. Bei der Da
tumsangabe des Bezugsbefehls muß es sich um einen Irrtum handeln. Der Befehl
wurde am 16. 8.1944 erteilt, vgl. Mitteilungen Warlimont vom 18. 8. 1944,
20.00h, KTB OKW, IV/1, S.466, und RH 19 IV/53, S. 276.
380 Zimmermann, OB West, MS:r-121, B V, S. 1715 und 1736 ff.
381 Beim Stab der Armeegruppe G in Rouffiac traf der Befehl am 17. 8. 1944, 11.15 h
ein, KTB AGr. G, RH 19 XII/5, S. 121. Blasko\vit z und Gyldenfeldt waren zu
dieser Zeit in Avignon. Da von Rouffiac aus wieder einmal die Fernmeldever
bindungen zusammengebrochen waren, erreichte der Befehl Blaskowitz erst
am Abend, vgl. W ilutzky, Heeresgruppe G, MS-A-882, S. 16.
382 Die 16. und 159. Inf. Div. am Atlantik waren viel zu weit entfernt, die '\Vestl.
Montpellier stehende 716. Inf. Div. galt als unbeweglich.
383 Gyldenfeldt, Armeegruppe 4, MS-B-488, S. 1.
384
Zimmermann, OB West, MS:r-121, B V, S. 1739.
385 Gez. Blumentritt, OB West Ia Nr. 6945/44 vom 17.8.1944, 3.20h, RH 19 IV/53,
s. 252.
IV. Die Ausgangslage in Südfrankreich 95
anderthalb Tage zuvor hatte Hitler eine diesmal umfassendere, aber noch
nicht bis zum Stab der Armeegruppe vorgedrungene Entscheidung gefällt.
resgruppe B389.«
Beim AOK 19 in Avignon löste die Freigabe des Rückzugs sogar Überra
schung aus390, weil bis dahin jeder Gedanke an ein Absetzen verboten
war. Aufgrund der zuvor stereotyp wiederholten Weisungen der obersten
Führung, die Küste sei zu verteidigen, hatte man sich hier bereits damit
abgefunden, daß das Schicksal der 19. Armee sich in Südfrankreich vollen
den werde391• Ausgeschlossen war diese Möglichkeit nach wie vor nicht,
da Hitler mit seiner Rückzugsfreigabe eine Reihe von bis in den takti
schenBereich hinabführenden, der Lage nicht mehr ent sprechenden Ein
zelbestimmungen verbunden hatte.
Grundsätzlich bestand ja die Frage, ob die Armeegruppe überhaupt in der
Lage war, rechtzeitig die befohlene Aufnahmelinie »Sens-Dijon-Schwei
zer Grenze« zu erreichen und dort dann auch noch Anschluß an die Heeres
gruppeB zu finden. Das wiederum hing zum einen davon ab, mit welcher
392 Gez. Adolf Hitler, WFSt Nr. 772916/44 vom 18.8.1944, in: RH 19 IV/53, S. 276.
393 Gez. Jodl, WFSt Qu 1 r. 009986/44 vom 19.8.1944, zit. nach: OB \'V'est Ia
r. 7023/44 vom 19.8.1944, ebd., S. 315.
394 Gez. Adolf Hitler, WFSt Nr. 772916/44 vom 18. 8.1944, ebd., S. 276.
395 Obkdo AGr.G Ia Nr. 42(?)/44 vom 12.8.1944, RH 19 XII/9, S. 19f.
396 Hitler Lagebesprechungen, Besprechung vom 31.7.1944, S. 593 ff.
IV. Die Ausgangslage in Südfrankreich 97
V öllig ergebnislos verlief dagegen der Versuch der Armeegruppe, den Stab
des LXIV. Armeekorps an der Atlantikküste zu informieren403• Weder
Fernsprech- noch Funkverbindung kamen zustande. Schließlich wurde
sogar versucht, den Befehl auf dem Straßenweg zu übermitteln404.
Blaskowitz' knapper Kommentar, eine »neuzeitliche Führung war unmög
lich«405, traf den Kern. Die hinsichtlich der Bedeutung des Befehls enor
men Verzögerungen konnten im operativen Rahmen folgenschwere Aus
wirkungen haben. Dies galt um so mehr, als die Alliierten mit Hilfe von
ULTRA genauestens über die deutschen Absichten im Bilde waren. Der
entscheidende Rückzugsbefehl wurde schon am frühen Nachmittag des
18. August entschlüsselt mit höchster Dringlichkeit an die im Felde füh
renden Stäbe übermittelt406• Damit konnte die »überholende Verfolgung«
bereits eingeleitet werden, bevor die deutsche Führung vor Ort überhaupt
in der Lage war, erste praktische Maßnahmen zu treffen.
Seit dem 16. August standen- nun auch von Hitler erkannt- die Zei
chen im Westen auf Rückzug. Der »wieder aufgetauchte« Kluge hatte die
notwendige Absetzbewegung der Heeresgruppe B immer dringlicher- mit
»beschwörenden Worten«407 - gefordert und schließlich erregt ausgeru
fen, »VOn einem Angriff der Gruppe Eberbach kann keine Rede mehr sein«,
man könne befehlen, was man wolle, die vorhandenen Kräfte brächten »es
nicht fertig, sie können es nicht«408.
Erst jetzt rückte Hitler von seinem bisherigen »Konzept« ab, die Lage bei
der Heeresgruppe B doch noch durch Offensivstöße zu bereinigen. Am
Nachmittag wurde die Genehmigung erteilt, wonach der Rückzug im Nor
den wenigstens eingeleitet werden konnte409.
Hitler verschloß sich jetzt den damit verbundenen Erfordernissen nicht
mehr. Der beginnende Rückzug der Heeresgruppe B mußte, das war zwin
gend, mit einer Absetzbewegung aus dem Süden zeitlich und räumlich
koordiniert werden. Nur so blieb die Hoffnung, jemals wieder eine zusam
menhängende Frontlinie im Westen aufbauen zu können.
Der damit nun auch von der obersten Führung akzeptierte, längst über
fällige Übergang zu einer neuen Kampfphase im Westen fand seine sinn
fällige Bestätigung in dem personellen Revirement, das den Abwehrexperten
der Ostfront, Feldmarschall Model, zum Nachfolger Kluges bestimmte.
403 Gen. Sachs erhielt ehließlieh über die Marinedienststelle de Admirals Atlan
tik in Royan Kenntnis vom Rückzug befehl, Zimmermann, OB West, MS.:f-121,
B V, S. 1749 f.
40.. W ilutzky, Heeresgruppe G, MS-A-882, S. 17.
Anl. 24.
409 OB West Ia r. 726/44 vom 16.8. 1944, RH 19 IV/53, S. 217.
V Die Ausgangslage in Nordfrankreich
.;to
KTB OKW, IV/2, S. 466 f.
-411
KTB HGr. B vom 16. 8. 1944, RH 19 IX/88, S. 4 ff.
"'2 OB We t I a r. 726/44 vom 16. 8.1944, RH 19 IV/53, S. 217.
4t3 RH 19 IX/88, S. 7 f.
land 1940.
100 Teil A : Die Au gangslagc für den OB We t Mitte August 1944
den ollte konnte dagegen vorerst nicht durchgeführt werden, da sich das
OKW die Freigabe des neuen Quartier noch vorbehielt418•
In g amt ge ehen, lassen die e Tatsachen deutlich erkennen, daß Kluge
in den letzten Tagen vor einer Ablösung, abgesehen von seiner ohnehin
pürbaren Re ignation, auch faktisch als eigenständig handelnder Befehls
träger im Westen au geschaltet wurde. Ob der so hervorgerufene Bedeu
tung verlust der Position des OB West im Gefüge der militärischen Füh
rung nach einem personellen Wechsel ruckgängig gemacht werden konn
te, hing auch von der Persönlichkeit des achfolgers ab.
Am Abend des 17. August erschien der hierzu ausersehene Feldmarschall
Model beim Stab der Heeresgruppe B in La Roche-Guyon zur Übernah
me des Oberbefehls im Westen419• Er überreichte dem bis zu diesem Zeit
punkt über die fast zwei Tage vorher gefallene Entscheidung im unklaren
gelassenen Kluge ein Handschreiben Hitlers, woraus dieser entnehmen
konnte daß er »infolge der Belastung in den vorangegangenen Wochen
den Anforderungen der Führung gesundheitlich nicht mehr gewachsen
[sei]«420 und deshalb in die Führerreserve versetzt werde.
Wenn auch die Ablösung Kluges durch Model gewisse Parallelen zu der ein
einhalb Monate zuvor vollzogenen Entlassung Rundstedes aufweist, so blieb
Rundstedt auch nachher in der Gunst Hiders und wurde im September 1944
erneut mit dem Posten des OB West betraut. Für Kluge hingegen mußte
es aufgrund der vorangegangenen Ereignisse und vor allem des letzten Sat
zes in Hider Handschreiben: »Feldmarschall von Kluge hat zu melden,
nach welcher Gegend Deutschlands er zu gehen gedenkt«421, klar werden,
daß sich die Verdachtsmomente gegen ihn erhärtet hatten. Somit zeichnete
sich eine zeitliche Verknüpfung zwischen dem mit der Kommandoübernah
me Models beginnenden neuen Abschnitt in der Befehlsführung, der Orga
nisation der Absetzbewegung im Westen und der persönlichen Katastrophe
Kluges ab: Er gab sich im Bewußtsein, daß die schwere Krise des Westhee
resauf sein Versagen zurückgeführt werden würde und das ihm Bevorstehen
de ahnend422, am 19. August auf dem Weg nach Deutschland den Tod423•
Der zum OB West ernannte Feldmarschall Model kam, hierin seinem Vor
gänger ähnelnd, mit einer vorgefaßten Meinung nach Frankreich424• Noch
41 Die Folge der dadurch hervorgerufenen Verzögerung war, daß dieser Stab erst
am 19. August - im gegnerischen Feuer - verlegen k9nnte, Tagesmeldung
HGr. B vom 19.8., RH 19 IX/88, S. 37f.
4t9 KTB HGr. B vom 17.8. 1944, 18.15h, RH 19 IX/88, S. 23.
420 Domaru , Hitler, II, S. 2141.
421
Liddeli Hart Jetzt dürfen, S. 503.
422
Kluge wäre ohnehin sofort verhaftet worden, siehe: Hitlers Lagebesprechun
gen Besprechung vom 31.8., S. 610 f .
423 0 e, Ent cheidung, S. 247 ff. 0 c interpretiert auch den von Kluge an Hitlcr
adressierten Abschiedsbrief vom 18. 8. 1944. Der Text des Briefes selbst: RH 19
IV/226.
424 So hatte Kluge bereit an seinem ersten Tag im \Y/e ten eine schwere persönli-
V. Die Ausgangslage in Nordfrankreich 101
432 Mitteilungen Warlimonts vom 26. 8. 1944, 22.00h, KTB OKW, IV/2, S. 467.
433 Hitlers Lagebesprechungen, Besprechung vom 31. 7. 1944, S. 586 ff.
B IV, S. 1574 f.
V. Die Ausgangslage in Nordfrankreich 103
Welch e Lage fand Model bei der Heeresgruppe B vor? Hier war bisher
l edig lich ein Abschnitt von Kampfhandlungen verschont geblieben: Die
Kanalküste, an der die Verbände der 15. Armee (Generaloberst Hans v. Sal
muth) und des Wehrmachtbefehlshabers der Niederlande (Gen.d.Fl. Fried
rich Christiansen) stationiert waren. Das AOK 15 führte im Raum zwi-
chen der Seine und der Scheldemündung. Dieser Abschnitt umfaßte mit
dem Pas de Calais also den Teil der Küste, der vor der Invasion als am
ehesten gefährdet gegolten hatte.
Auch nach dem 6. Juni hatten die Alliierten durch ein groß angelegtes
Funktäuschungsmanöver (FORTIT UDE), das den Deutschen die Ab
sprungbereitschaft einer in Südostengland stationierten OS-Heeresgrup
pe (FUSAG436 unter General Patton) in Richtung Pas de Calais vorspie
gelte, die deutsche Führung in ihrer vor der Invasion vertretenen Ansicht
weiterhin bestärken können. Der OB West befürchtete einen zweiten, ent
scheidenden Hauptstoß am Pas de Calais. Erst nachdem Kräfte dieser ver
meintlich unter Pattons Oberbefehl stehenden Army Group in der Nor
mandie identifiziert worden waren, erschien Kluge eine »Großlandung an
[der] Kanalküste [... ] nicht mehr so wahrscheinlich«437• Deshalb began
nen ab Anfang August die Truppenabzüge von der 15. Armee438 zur
Front. Bei Models Befehlsübernahme verfügte Salmuth noch über acht
Infanterieverbände439• Der Rest war bereits im Kampfgebiet oder auf dem
Weg zur Front440•
Obwohl sich die Beurteilung der gegnerischen Absichten gewandelt hat
te blieb der Hauptauftrag der 15. Armee- Schutz der Kanalküste- bis
Ende August 1944 bestehen441• Ihr wurden sogar zu diesem Zweck die
restlichen zwei der im Reich neu aufgestellten und für die Westfront
bestimmten Divisionen der 27. Aufstellungswelle zugeführt442•
Grund hierfür war die Ansicht des Wehrmachtführungsstabes, daß der
»Schutz der tiefen Nordflanke [ ... ] und der Fernkampfanlagen« vor
dringlich sei443• Da die alliierten Luftlandeverbände längere Zeit nicht
mehr in Erscheinung getreten waren, rechnete man, wenn auch nicht
mehr mit einer zweiten Großlandung so doch mit der Möglichkeit eines
begrenzten Unternehmen am Kanal, etwa zur Ausschaltung der V-1-
Ba en4H.
Damit behielt die in der »Führerweisung 51« vertretene Einschätzung,
wonach be ondcr im Einsatzraum der V-1 die alliierte Invasion zu erwar
ten ei, noch Mitte August in abgewandelter Form Geltungskraft. F rei
lich, nun mit umgekehrtem Vorzeichen: War damals noch »gehofft« wor
den, daß den Fernkampfbasen eine ))Köderfunktion« zukommen und die
erwartete Landung in den Bereich des AOK 15 »gezogen« werden könne,
so band Mitte August im Gegenteil der seit zwei Monaten laufende »Ver
geltung waffeneinsatz« in erster Linie deutsche Divisionen, die zu seinem
Schutz an der Kanalküste verharren mußten und auf diese Weise der Front
vorenthalten blieben.
Die Verwendung der V-1 hatte damit zu diesem Zeitpunkt keinerlei posi
tiven Einfluß auf die deutsche militärische Lage. Das mit ihrem-zunächst
nur auf London be chränkten - Einsatz verbundene Ziel, die Bevölke
rung »frieden bereit zu bomben«, blieb, abgesehen davon, ob es überhaupt
zu erreichen gewesen wäre, mit täglich etwa 100 Schuß ohnehin illuso
risch'445. Von daher war- zumindest retrospektiv betrachtet- das Fest
halten am Auftrag des AOK 15 nicht gerechtfertigt-146•
Aus der Sicht Hitlers mußten Verbände der 15. Armee aber noch aus einem
anderen Grunde an der Kanalküste verbleiben. Mit Dünkirchen, Boulogne
und Le Havre lagen drei Häfen, die ihrer Kapazität nach nur mit dem
bereit gefallenen Cherbourg, mit Brest sowie im südlichen Frankreich
mit Bordeaux und Marseille vergleichbar waren, in Salmuths Befehlsbe
reich. Da mit Cherbourg den Alliierten jedoch nur eine dieser »Festun
gen« offenstand447, kam es für die deutsche Seite nun um so mehr darauf
an, ihnen die anderen Orte potentiellen logistischen Umschlags vorzu
enthalten. Daher war auch Salmuth gezwungen, einen Teil seiner Trup
pen44 als Besatzungen der drei Großhäfen zu binden, der damit für ande
re Einsatzmöglichkeiten ausfiel.
Als Feldmarschall Model den Oberbefehl übernahm, standen ihm im
Nordabschnitt der Heeresgruppe B noch zehn Divisionen {unter vier Gene
ralkommandos)449 zur Verfügung, und zwar:
-4H Ebd.
H5 Walter, V-Waffen MS-B-689, S. 57 ff.
446Zudem \vurden eit dem 12.8.1944 die V-1-Basen in ordfrankreich aufgege
ben und ihr Schwerpunkt in den belgischen Raum verlegt.
H7 In St. Malo endete der K ampf zwar am 18. 8. die Be atzung der Batterie auf
der vorgelagerten Ile de Cezembre ergab sich jedoch er t am 2.9.1944.
H Kopfzahlmäßig in Stärke von etwa 2 Divisionen, OB \V/e t Ia r. 7201/44 vom
23. 8.1944, RH 19 IV/54 S. 108.
H9
eben den 8 Verbänden de AOK 15: 347., 719. Inf. Div. des Wehrmachtbe
fehlshaber der Niederlande.
V. Die Ausgangslage in ordfrankreich 105
Im Bereich
\XIehrmachtbefehlshaber der Niederlande
LXXXV III. AK mit:
347., 719. Inf. Div.
15. Armee
LXV II., LXXXII., LXXXIX. AK mit:
47., 70., 136. z. b. V., 182., 226., 245., 348., 712. Inf. Div.
(59., 64. waren noch in Zuführung).
Es zeichnete sich ab, daß die 15. Armee ihrer zusätzlichen, seit der Monats
\vende wahrgenommenen Funktion, ein Truppenreservoir für die Norman
dieschlacht zu bilden, zukünftig nur noch begrenzt nachkommen konnte.
n der eigentlichen Kampffront der Heeresgruppe führten drei AOKs
{5. Pz.-, 7. und 1. Armee) mit insgesamt zehn Armeekorps nominell44 Divi
sionen. Model fand dort folgende Stäbe und Verbände vor:
Im Bereich
1. 5. Panzer- und 7. Armee mit:
XXV., LXXIV., LXXXI., LXXXIV., LXXXV I. AK, I.SS-, II.
SS-, XLV II., LV III. PzK, II. FsjK
(die Generalkommandos LXV I. und LXXX. AK unterstanden
dem Militärbefehlshaber zum Ausbau der »Kitzingerlinie«)
.
mtt: 48., 49., 77., 84., 85., 89., 243., 265., 266., 271., 272., 275., 276.,
277., 319., 326., 331., 338. (Masse bei A. Gr. G), 343., 344., 346.,
352., 353., 363., 708., 711. lnf.Div.,
91. Luftlandediv.,
17., 18. Lw felddiv.,
2.., 3., 5., 6. Fsj. Div.,
1., 2., 9., 10., 12. SS-Pz. Div.,
(in Zuführung: 26., 27. SS-Pz. Div.; beide hatten nur Brigade
stärke und wurden später der 17. SS-Pz. Gren.Div. unterstellt)
2., 9., 21., 116. Pz., Panzer-Lehr-Div.,
17. SS-Pz. Gren. Div.
(in Zuführung: 3., 15. Pz. Gren. Div. aus Italien; die 29.,
30. Waffen-Gren.Div. SS [russ. Nr. 1 und 2] waren auch unter
wegs, kamen aber wegen Unzuverlässigkeit nicht zum Einsatz).
Ein großer Teil dieser Verbände war jedoch bereits schwer angeschlagen
und wenn überhaupt, dann nur unzureichend materiell und personell wie
deraufgefrisch( worden, so daß Model von einer weitaus geringeren Kampf
kraft ausgehen mußte.
Ein Blick auf die Frondagekarte450 veranschaulichte die prekäre Situation:
An das AOK 15 (Trennungslinie: Seine) schloß sich in südwestlicher Rich
tung der Befehlsbereich der 5. Panzerarmee unter SS- Oberstgruppenfüh
rer und Generaloberst der Waffen-55 Dietrich an. Die Frondinie dieser
Armee verlief von der Kanalküste bei Cabourg dem Lauf der Dives fol
gend 45 km in grob südlicher Richtung. An diesen Abschnitt (LXXXVI.
AK unter Gen. d. Inf. Hans von Obstfelder) schloß sich an der Naht zweier
Armeekorps (LXXXVI. AK-1. SS-PzK) ein weit nach Westen bis über die
Orne reichender Frontbogen an, der durch alliierte Kräfte konzentrisch
zusammengepreßt wurde. In diesem Raum befand sich die Masse von Diet
richs Verbänden, sowie -südlich anschließend -die gesamte 7. Armee
mit ihrem Oberbefehlshaber, SS- Oberstgruppenführer und Generaloberst
der Waffen- SS Paul Hausser451• Die Ursache für diese mißliche Lage im
Zentrum der Heeresgruppe war, wie erwähnt, daß Hitler und auch Kluge
zu lange auf die Möglichkeit gesetzt hatten, durch einen Panzerstoß vom
linken Flügel der 7. Armee (hierzu war am 10. August die Gruppe Eber
bach gebildet worden) die Front zur Küste hin w ieder zu schließen und
gleichzeitig die bereits ins Innere Frankreichs vorgedrungenen OS-Kräfte
von ihren rückwärtigen Verbindungen abzuschneiden. Um den hierfür be
nötigten Bereitstellungsraum zu sichern, mußten die Verbände der 7. Armee
und der Gruppe Eberbach weit westlich exponiert festgehalten werden.
Mittlerweile aber war der linke Flügel der 7. Armee nach Osten zurückge
drückt und schließlich so weit nach Norden abgedrängt worden, daß sich
aus dem noch offenen Bogen endgültig eine Einschließung zu entw ickeln
schien. Bis zum 17. August hatte sich die Lage weiter verschärft. Der seit
Tagen rollende Großangriff der 1. Kanadischen Armee durchstieß die
ordfront des Bogens, während gleichzeitig im Süden OS-Verbänden ein
zelne Einbrüche in die deutsche Linie (bei Domfront und Argentan) gelan
gen. Deshalb, die alliierten Angriffsspitzen standen nur noch wenige Kilo
meter voneinander entfernt, war das erst kurz zuvor genehmigte Abset
zen der deutschen Armeen kaum noch durchführbar.
Model konnte nicht mehr viel für die in einem Kessel von nur noch
20-30 km Durchmesser eingezwängten Verbände tun. Es kam jetzt alles
darauf an, die noch von seinem Vorgänger befohlenen Rückzugsbewegun
gen in kürzeste·r Frist durchzuführen. Dabei zeigte die Entwicklung schon
am Abend des 17. August, daß die noch von Kluge angestrebte neue Linie
(Küste-Dives-Abschnitt-Morteaux-Couliboeuf-Trun-Gace-L'Aigle
unter Befehl des AOK 7, von hier: L'Aigle-Paris West unter Pz. AOK 5..52)
bereits von den Kanadiern überschritten war. Sie hatten auch die Front
des von der Küste bis zum Kessel haltenden LXXXVI. Armeekorps mehr
fach durchbrochen und die Verbände über den Dives-Abschnitt nach Osten
zurückgedrückt453•
Aus diesem Grund hatte Model bereits jetzt die potentiellen Auswirkun
gen dieser Katastrophe zu kalkulieren: Im Zentrum der Heeresgruppe B
4S1
Zusammen mit der unterstellten Gruppe Eberbach.
4S2 Obkdo HGr. B Ia r. 6078/44 vom 17.8.1944, RH 19 IX/4, S. 322f.
-lS3 Tagesmeldung OB West für den 17. 8.1944, RH 19 IV/53, S. 266.
V. Die Ausgangslage in Nordfrankreich 107
waren die Reste von 14 Divisionen mit rund 100 000 Mann, den Stäben
von vier Armeekorps und zwei Armeen454 eingeschlossen. Sie fielen damit
zunächst für weitere Kampfaufgaben aus (Karte 6).
Die Lage der Heeresgruppe B war aber nicht »nur« wegen des Kessels von
Falaise so bedrohlich: Im weiten Raum zwischen diesem Gebiet und der
Loire im Süden bildete sich mittlerweile ein neuer akuter Schwerpunkt.
Die Amerikaner hatten zwischen der L inie Dreux-L'Aigle und der Loire
neue Divisionen zum Einsatz gebracht455• Auf alliierte Offensivabsichten
in diesem Gebiet machte auch Gen. Lt. Gause (Generalstabschef Pz. AOK 5)
aufmerksam, als er Speidei darüber unterrichtete, daß erbeuteten Karten
zufolge eine US-Panzerdivision die Gegend Dreux-Evreux (50-70 km
nordwestlich von Paris) erreichen sollte456• Zum gleichen Zeitpunkt waren
die deutschen Truppen im Kessel noch etwa 180 km von Paris entfernt.
Angriffsziel würde demnach der Südflügel der Heeresgruppe sein, an dem
Model nur schwache Kräfte vorfand. Das LXXXI. Armeekorps General
d. Pz. Tr. Kuntzens schirmte den gefährdeten Raum zwischen dem »Rük
ken« des Kessels und Paris ab. Für die Verteidigung dieser 90 km langen
L inie standen Kuntzen aber nur drei Divisionen457 zur Verfügung. Bereits
am 8. August hatte der damalige OB West das OKW auf die hier drohen
den Gefahren hingewiesen und schließlich die Zuführung des AOK 1 unter
General d. Inf. Kurt v. d. Chevallerie erwirkr�5 •
Der neue Auftrag des AOK 1 ging dahin, eine Sicherungslinie zwischen
den Verbänden Kuntzens und der Grenze zur Armeegruppe G im Raum
Chartres-Odeans aufzubauen. Durch die Zuführung von drei Infante
riedivisionen sollte es, so Hitler, möglich sein, >>Paris und den Rücken der
Heeresgruppe B zu decken«459•
Bislang hatte Chevallerie aber nur eine lockere Kette von wenig kampf
kräftigen Stützpunkten errichten können, da die in Aussicht gestellten Ver
bände noch nicht eingetroffen waren. Er blieb vorerst der Oberbefehlsha
ber einer »Armee«, in deren Bereich nur ein Sturmbataillon und zwei Kom
panien des AOK 1, zehn Heeresstreifen und Einheiten von drei Sicherungs
regimentern (Nr. 1, 6, 10 10) des Militärbefehlshabers bereitstanden460• Mit
zusammengekratzten Kräften verschiedenster P rovenienz461 und unter-
454 AOK 7 und der Stab der AOK-ähnliche Funktionen ausübenden Panzergrup-
pe Eberbach.
455 Tagesmeldung OB West für den 16.8. 1944, RH 19 IV/53, S. 228 ff.
456 Ferngespr. Gause-Speidei vom 15. 8. 1944, 12.40 h, RH 19 IX/87, S. 241.
457 So zum Beispiel 331., 344. lnf., 17. Lwfeld. Div. und einige Splittertcile, z.B.
von der 352. Inf. Div.
45 OB West Ia r. 6598/44 vom 8. 8.1944, RH 19/4 S. 254.
459 Gez. Adolf Hitler WFSt/Op. Nr. 772830/44 vom 11. 8. 1944, zit. nach: Obkdo
HGr. B Ia Nr. 5951/44 vom 12.8.1944, RH 19 IX/8 S. 119f.
460 Emmerich, 1. Armee, MS-B-728, S. 3.
461 Vgl. hierzu: Meldung an OB West, Stand: 19. 8. 1944, RH 19 IV/53, S. 362 f.
108 Teil A: Die Ausgangslage für den OB We t Mitte August 1944
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V. Die Ausgangslage in ordfrankreich 109
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110 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
Fe tung fiel am 18. August474) bereits dem Ende entgegen. Vor den übri
gen drei Festungen verhielten sich die Amerikaner - handstreichartige
Unternehmungen blieben erfolglos- ruhig. Sie beschränkten sich mit ein
zelnen Aufklärungsvorstößen auf die Abriegelung.
Model konnte nur interessieren, was er bei seiner Kräfteberechnung >>abbu
chen« mußte: In St. Malo gingen dem OB West zwei Divisionen475, in den
übrigen drei Festungen rund 92 000 Soldaten, darunter vier Felddivisio
nen476, und der Stab eines Armeekorps verloren. Zwar konnten die Fe
stungsbesatzungen eine ihrer Hauptaufgaben erfüllen, indem sie den Alli-
•
ierten die utzung der Häfen zunächst verwehrten (St. Malo wurde ja noch
durch die Besatzung der Ile de Cezembre gesperrt). Auf der anderen Seite
gelang es aber nicht, starke Kräfte des Gegners zu binden. Der alliierte
Oberbefehlshaber, General Eisenhower, hatte, obwohl er zusätzliche Häfen
benötigte, die Prioritäten anders gesetzt.
Für Model blieb daher unter dem Strich nur, daß zusammen mit der
319. Infaneriedivision (Kanalinseln) allein acht, zum Teil gut ausgebildete
und voll ausge.rüstete Verbände »ausfielen«. Demnach ergab sich am 17. Au
gust folgendes Kräftebild der Heeresgruppe: Von den nominell 54 Verbän
den drohte 14 die Einschließung bei Falaise477; sieben konnten in der Bre
tagne bzw. auf den Kanalinseln als verloren betrachtet werden und elf wei
tere waren - mehr oder weniger angeschlagen - nur noch als Kampf
gruppen eingesetzt478. Von den verbleibenden 22 Divisionen standen zehn
noch an der Kanalküste, so daß Model in der F rontlinie nur über zwölf
kampfkräftige Verbände verfügte. Angesichts dieser Situation und der Tat
sache, daß auf alliierter Seite mit der Liquidierung des Falaise-Kessels wei
tere Verbände für die zum Teil schon eingeleiteten Operationen freiwer
den würden, erschienen die Zweifel Kluges, die er in seinem Abschieds
schreiben an Hitler zum Ausdruck brachte, nur zu berechtigt: >>Ich weiß
es nicht, ob der überall bewährte Generalfeldmarschall Model die Lage
noch meistern wird. Ich wünsche es ihm von ganzem Herzen479.«
Ob Model das gelingen würde, war um so fraglicher, als seinen geschwächten
Kräften in ordfrankreich - zwar nicht, wie von der Je-Abteilung der
474 ur die Batterie auf der Ile de Cezembre mit ca. 360 Mann und 3 Geschützen
käm pfte weiter.
475 Bzw. Restteile hiervon: 77. Inf. Div. und Splitterteile der 91. Luftlandediv. (sowie
Teile der 5. Fsj. Div.).
476 Brest: 266., 343. lnf., 2. Fsj. Div. Lorient: Teile 265. Inf. Div. St. Nazaire: Reste
265. Inf. Div.
477 84., 89., 271., 276., 277., 326., 353., 363. Inf., 3. Fsj., 2. und 116. Pz. Div., 1. SS-,
10. SS-, 12. SS-Pz. Div.
478 243., 275., 331., 338., 352. Inf., 5. und 6. Fsj., 9. und 21. Pz.-, Pz.-Lehr-, 17. SS
nen481 gegenüberstanden.
Die Verluste bis Mitte August bewegten sich auf beiden Seiten in vergleich
bare r Höhe: Rund 160000 Soldaten auf deutscher und 180 000 Soldaten
auf alliierter Seite. Entscheidender war jedoch, daß die Alliierten ihre Aus
fälle schnell auszugleichen vermochten, während die Verbände des OB West
allmählich »ausbluteten«. Der Ersatz für die deutschen Divisionen umfaßte
lediglich etwa 40000 Mann"82• Die Diskrepanz machte sich auch in der
Materialausstattung zunehmend bemerkbar: Waren bei Invasionsbeginn
rund 1700 deutsche Panzer und Sturmgeschütze eingesetzt, so betrug die
Zahl Ende Juli nur noch rund 750. Die Panzerstärke war um mehr als
SO Prozent zusammengeschrumpft. Die weitaus höheren Panzerverluste
auf alliierter Seite"83 änderten nichts daran, daß das Gesamtverhältnis sich
mehr und mehr zu Ungunsten der Deutschen veränderte.
480 Im Bereich der 21. Heeresgruppe: 21-23, im Bereich der 12. Heeresgruppe:
24-26 Divisionen, Vgl. RH 19 IV/68 K und 69 K sowie: Staubwasser, Feind
bild, MS-B-825, S. 63 ff.
•st
20 US-, 12 britische und 3 kanadische Verbände sowie je 1 französische und
polnische Division, vgl. Ruppenthal, Support, I, S. 457, und Eisenhower, Kreuz
zug, S. 342.
482 Für die deutsche Seite: Lagebeurteilung vom 14. 8.1944, OB West Ia Nr. 6872/
44, RH 19 IV/53, S. 122f. Für die alliierte Seite: Blumenson, Breakout, S. 516.
483
Nach deutschen Angaben bis 31.7. 1944: 2395 alliierte, 951 deutsche Panzer,
bis zum 13. 8. 1944: 3 370 alliierte Panzer, KTB OKW, IV/1, S. 329 f.
-484 Ruppenthal, Support, ll, S. 5.
485
Ebd., I, S. 465.
114 Teil A: Oie Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
86
4 Ebd., S. 413 und 465.
" 7 Ebd., S. 468 ff.
" Ebd., S. 470.
4 9 Blumenson, Breakout, S. 431 f.
490 Ruppenthal, Support, I, S. 483.
491 Eisenhower an Marshall vom 7. 8. 1944 Papers of Eisenhower, IV S. 2059 f.
492 Eisenhower an Marshall und CCS vom 2.8.1944, ebd., S. 2048 ff.
V. Die Ausgangslage in Nordfrankreich 115
akout, S. 557 f.
505 W ilmot, Kampf, S. 448.
506 Nach deutschen Schätzungen in der Woche vom 14.-20. 8. 1944: 300 alliierte
SIO
Pogue, Supreme Command, S. 214. Wenn Bradley nicht auf eine frühere Revi
sion bei seinem britischen Vorgesetzten drang, so mag hierbei auch Rücksicht
nahme auf die Empfindlichkeiten der Koalitionskriegführung ausschlaggebend
gewesen sein, vgl. Blumenson, Breakout, S. 508 f.
stt Zit. nach: W ilmot, Kampf, S. 443.
512 Blumenson, Breakout, S. 524 ff. Auch bei dem von Norden herankommenden
sts Schreiben Eisenhowers an Montgomcry vom 19. 8. 1944, in: Papers of Eisen
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V. Die Ausgangslage 1n Nordfrankreich 119
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120 Teil A: Die Ausgangslage für den OB West Mitte August 1944
1. Die ersten Maßnahmen Models und die Führerweisung vom 20. August
Wenn nicht anders möglich, dann sollten die Verbände des Westheeres hin
ter der zu verteidigenden Linie >>Seine-Yonne-Canal de Bourgogne
Dijon-Dole-Schweizer Grenze« neu geordnet werden.
Immerhin wurde so wenigstens der Rückzug zunächst der Reste der 7. Ar
mee über die Seine ins Auge gefaßt, allerdings mit Ausnahme des »Brücken
kopfes westlich Paris« Auf die französische Metropole legte Hider beson
deren Wert9. Von den weitergehenden Absichten im Führerhauptquartier
erfuhr Model noch nichts.
Am selben Tage, als er die Weisung erhielt, unterzeichnete Hider auch
den »Befehl über den Ausbau der deutschen Weststellung«10• Dies blieb
Model ebenso unbekannt wie die Tatsache, daß Hitler seine Absicht, im
Westen die Initiative zurückzugewinnen, erstmals konkretisierte. Er hatte
am 19. August geäußert, Jodl solle sich
»darauf einstellen, daß man im November offensiv wird, wenn der Feind nicht
fliegen kann« und gleichzeitig angeordnet,«in 1-2 Monaten« müßten »etwa 25
Divisionen [... ] nach dem Westen«ll.
Den Intentionen des »Führers<< entsprechend sollte sich Model, den Blick
nach vorn gewandt, ausschließlich der Front widmen.
Eine rasche grundlegende Besserung der Kräftesituation war hier nicht zu
erwarten. Neben den zwei aus Italien herankommenden Panzergrenadier
verhänden (3., 15.) konnte der Feldmarschall erst in circa zwei Wochen,
um die Monatswende, mit nennenswerten Zuführungen rechnen. Für die
sen Zeitraum waren drei Infanteriedivisionen und zwei Panzerbrigaden
angekündigt. Die bereits »im Zulauf« befindlichen 90 Feldhaubitzen und
88 Panzer12 ersetzten nur einen geringen Teil der Verluste der letzten Tage.
Model blieb vorerst auf sich selbst gestellt. Er befahl, durch »Auskämmak
tionen« und Einsatz von Sonderstäben an der Somme-Marne-Saone-Linie
zur Erfassung Versprengter »20000 [ ... ]Kämpfer als Ersatz für die Front<<
zu gewinnen 13, um die entst andenen Löcher wenigstens notdürftig stop
fen zu können. Die Kernfrage blieb für den OB West, ob solche Maßnah
men und die Verstärkungen nicht schon zu spät kamen.
Die Probleme »Seiner« Heeresgruppe nahmen Model voll in Anspruch.
Die Organisation der Rückzugsoperation aus dem südlichen Frankreich
überließ der OB West dem ihm vertrauten »Blasko«1\ seinem ehemali
gen Vorgesetzten aus Friedenszeiten.
9 Gez. Adolf Hitler WFSt/Op. r. 772956/44 vom 20. 8. 1944, zit. nach: Obkdo
H. Gr. B I a Nr. 6352/44, RH 19 IX/7, S. 30ff.
10
KTB OKW, IV/1, S. 379. Dieser Befehl wurde noch bis zum 24. August zurück
gehalten.
11
Jodl-KTB vom 19. 8. 1944, S. 57 f.
12 OK
W/WFSt.Op/West Nr. 0010144/44 vom 21. 8.1944, zit. nach: H. Gr. B Ia
Nr. 6378/44, RH 19 IX/7, S. 36f.
u OB West I a Nr. 6883/44 vom 20. 8. 1944, RH 19 IV/53, S. 345 f .
... So Model in einem Brief an einen Sohn vom 26. 8. 1944, Privatarchiv Model.
124 Teil B: Der Rückzug des Westheeres bis zum Höhepunkt der Krise
s. 28 ff.
19 Die er Befehl war vom Stabe des OB West übermittelt worden. Vgl. gez. Sachs
Genkdo LXIV. AK Ia Nr. 1288/44 vom 27.8.1944, RH 19 Xll/7, S. 363ff., und
Schuster, LXIV. AK, MS-A-885, S. 5.
20 Das sind Pers,onen, die den Streitkräften in Ausübung einer T ätigkeit folgen,
ohne in sie eingegliedert zu sein. Sie stehen unter dem Schutz des 1.-lll. Gen
fer Abkommens und sind danach in den Händen des Gegners als Kriegsgefan
gene zu behandeln. Vgl. Karl Heinz Fuchs/Friedrich W ilhelm Kölper, Militä
risches Taschenlexikon, Frankfurt 1961, S. 153.
I. D er Beginn des Rückzugs im Westen 125
26 Zunächst zusammen 7 000 Mann. Die Zahl erhöhte sich nach Aufgabe des Hafens
von Bordeaux auf ca. 9000. Vgl. OB West Ia Nr. 7191/44 vom 22. 8.1944, RH 19
IV/54, S. 53, und Hartwig Pohlman, Die Festung Gironde Nord (Royan) 1944/45,
in: Feldgrau, 8/1960, S. 14.
27 KTB H.Gr. B vom 31. 8.1944, RH 19 IX/88, S. 211.
126 Teil B: Der Rückzug des Westheeres bis zum Höhepunkt der Krise
Die geringe Mobilität der Truppen war auch hierbei ein hemmender Fak
tor. Erste Symptome sich auflösender Disziplin als Folge der überstürz
ten Maßnahmen blieben nicht aus. So kam es vielfach zu Auseinanderset
zungen zwischen Heeres- und Marinekommandeuren um die Requirie
rung von Kraftfahrzeugen35•
Bevor die kämpfende Truppe sich absetzte, wurden nicht benötigte Tros-
e und alle Nichtkombattanten36 im Rhonetal nach Norden geschleust.
Diese >>Operation« konnte bis zum 21. August auch reibungslos abgeschlos
sen werden.
General Wiese hatte Blaskowitz schon wenige Stunden nach Erhalt des
Rückzugsbefehls einen detaillierten Absetzplan vorgelegt, dem dieser sofort
zustimmte37:
1. Auf dem westlichen Rhoneufer sollte General Petersen (IV. Lwfeldkorps),
auf dem Ostufer General Kniess (LXXXV. AK), die Bewegungen koor
dinieren. Beide erhielten Wehrmachtbefugnisse, das heißt volle Befehls
ge\valt über die Soldaten aller drei Teilstreitkräfte.
2. Die 11. Panzerdivision hatte das LXXXV. Armeekorps gegen den von
Süden nachdrückenden Gegner zu unterstützen und Aufklärung in
Richtung der bedrohten Ostflanke vorzutreiben. Der Panzerdivision
kam nach Wieses Plan die »Feuerwehrfunktion« zu. Zu befürchten war
nur, daß sie durch die V ielzahl der Aufgaben zersplittert und letztlich
überfordert wurde.
3. Nach dem Hereinfließen aller Einheiten in das Rhonetal (bis zum
23. August) mußten tagsüber festgelegte Widerstandslinien verteidigt
werden. Wegen der alliierten Luftherrschaft und des klaren Sommer
wetters sollten Marschbewegungen nur nachts -von Sperrlinie zu Sperr
linie (25-30 km) - stattfinden.
4. Besondere Aufmerksamkeit widmete Wiese den Aufgaben seines Armee
pionierführers, Gen.Maj. Kaliebe, der die Überquerung der zahlreichen
Flußläufe und darüber hinaus die Einrichtung eines ständigen Rhone
fährverkehrs gewährleisten sollte. I hm wurden deshalb alle nur greif
baren, geeignet erscheinenden Einheiten - auch der Marine und der
Organisation Todt - unterstellt.
Der Plan Wieses wurde als »Befehl für die Rückverlegung« bekanntge
geben3 . Damit waren die Rückzugsvorbereitungen an der Mittelmeer
küste beendet. Von den rund 196000 Mann im Bereich des AOK 19 tra-
35 Lagevorträge Kriegsmarine, S. 612 f., Auszug aus der Meldung des Seekdt. Langue-
doc.
36 Besprechung beim LXXXV. AK von1 18. 8. 1944, RH 20-19/88, S. 201.
JS AOK 19 Ia Nr. 8680/44 vom 20. 8. 1944. Der Befehl wurde jedoch schon am
ten 138000 den Weg durchs Rhonetal an39• 31 000 Soldaten blieben als
Be atzungen der Verteidigungsbereiche Marseille (13 000) und Toulon
(18000) zurück40• Auch die 148. Infanteriedivision und mehrere tausend
Hilfswillige, zusammen etwa 27 000 Mann41, waren von W ieses Planun
gen ausgeschlossen.
ach Abschluß der Vorbereitungen begann der Rückmarsch aus Süd
und Südwestfrankreich für insgesamt fast eine V iertelmillion Menschen42
über Entfernungen von bis zu 1000 Kilometern. 51000 Soldaten aus dem
Befehl bereich der Armeegruppe G mußten jedoch die Hoffnung, die Hei
mat aus eigener Kraft zu erreichen, begraben. Sie blieben in den Festun
gen und Verteidigungsbereichen an den Küsten von Mittelmeer und Atlan
tik zurück.
.. , Auch die 157. Inf.Div. blieb zurück, ist hier aber nicht mitberechnet, da sie
zunächst dem Militärbefehlshaber unterstand und deshalb nicht in der Verpfle
gungsstärke des AOK 19 berücksichtigt ist.
42 87000 unter Führung des LXIV. AK, 145 000 unter Führung des AOK 19 sowie
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I. Der Beginn des Rückzugs im Westen 129
Das zögernde alliierte Vorgehen war nicht zuletzt mit ausschlaggebend für
das bisher reibungslos verlaufende Absetzmanöver der Deutschen. Man
trebte drei Ziele gleichzeitig an: Das II. Französische Korps unter de Lattre
de Tassigny bereitete sich auf die Offensive gegen die Großhäfen vor, die
»Task Force Butler« und die 36. US-Infanteriedivision sollte nach Norden
und die zwei verbleibenden Verbände (3., 45. US-Inf. Div.) in Richtung
Rhonemündung angreifen46•
Obwohl die Bewegung der deutschen Truppen im F luß war - auch auf
dem Westufer hatte General Petersen (IV. Lwfeldkorps) das Zurückströmen
in geordnete Bahnen bringen können -, betrachteten W iese und Blasko
witz die entstandene Lage mit Skepsis. Blaskowitz meldete an den OB West:
ur wenn »keine allzu weiten Umgehungsoperationen des Feindes«, weder
vom Norden in »Richtung Dijon« noch »in der Ostflanke« dazwischen
kämen, bestände die Chance, »die Absetzbewegungen planmäßig durch[zu}
führen«47• Wegen des »einwandfrei« erk annten alliierten Vorstoßes über
Digne auf Grenoble oder Valence mußte genau· dies jedoch befürchtet wer
den4 . W iese resumierte bitter, daß durch das Festhalten der zwei Divisio
nen ( 148., 157.) an der französisch-italienischen Alpengrenze >>die Straße
Grasse-Digne-Grenoble preisgegeben« und »dem Feind [ ...) der Stoß in
die eigene tiefe Flanke mühelos« ermöglicht würde49•
Um den völlig realitätsfernen OKW-Befehl, die 338. Infanteriedivision bald
möglichst der Heeresgruppe B in den Raum Paris zuzuführen, kümmerte
sich Blaskowitz nicht weiter. In seiner Lagebeurteilung wies er knapp darauf
hin, es sei »jedenfalls zunächst nicht tragbar, daß noch weitere Kräfte aus
der Front gezogen werden<<50•
Vorrangig blieb für ihn die Sorge um das Geschehen in der Ostflanke. Da
von der deutschen Luftwaffe nichts mehr zu sehen war - eine Tatsache,
die sich auch psychologisch ungünstig auf die Truppe auswirkte51 -, hielt
er es für notwendig, umgehend kampfkräftige Aufklärung nach Norden
und Osten vorzutreiben. Erste Einheiten der 11. Panzerdivision gingen dar
aufhin {21. August) zwischen Durance und Drome vor, um hier die aus
den Alpen kommenden Straßen zu sperren52•
Die deutschen Befehlshaber konnten nicht wissen, daß die Amerikaner
am Abend des 20. August Maßnahmen eingeleitet hatten, die ihre Befürch
tungen bald zur Realität werden ließen. Um 20.45 Uhr befahl General
46 Armeebefehl Nr. 2 für die 7. US-Army vom 19.8.1944, vgl. \'XIilt, Riviera, S. 118.
47 Gez. Blaskowitz Obkdo AGr. G Ia Nr.67/44 vom 21.8.1944, RH 19 XII/9,
s. 28 ff.
" Ebd.
-49 Wochenbericht AOK 19 vom 20.8. 1944, RH 20-19/89, S. 54 f.
so Gez. Blaskowitz Obkdo AGr. G Ia Nr. 67/44 vom 21.8.1944, RH 19 XII/9,
s. 28 ff.
SI
Ebd.
s2 AOK 19 Ia Nr. 8729/44 vom 21.8. 1944, RH 20-19/89, S. 117 f.
130 Teil B: Der Rückzug des Westheeres bis zum Höhepunkt der Krise
53 Der Task Force Butler sollte dann die 36. Inf. Div. folgen, vgl. Wilt, Riviera, S. 135.
54 Vgl. dazu Tagesmeldung für den 22. 8. 1944, OB \'V'est I a r. 7212/44, RH 19
IV/54, S. 67.
55 Eintrag Botschs für den 22. 8. 1944, RH 20-19/85, S. 14.
S7 Ebd., S. tOff.
58 Botschs Eintrag für den 22.8.1944 RH 20-19/85, S. 14, und Botsch 19. Armee,
MS-B-696, S. 24.
I. Der Beginn des Rückzugs im Westen 131
den. Wurde der Angriff in Richtung Dijon fortgeführt, dann war der
Armeegruppe G hier endgültig der Weg abgeschnitten59• Der Zeitfaktor
spielte nun die ent scheidende Rolle. Blaskowitz signalisierte der 19. Ar
mee, »Lage südostwärts Paris [ ...] [er]fordert größtmögliche Beschleuni
gung[...] Von der Truppe muß im Interesse des Ganzen das Äußerste ver
langt werden60.«
Voraussetzung eines höheren Rückmarschtempos war jedoch, die Talstra
ßen auf dem Ostufer der Rhone wieder zu öffnen. Am Vormittag des
23. August begann der Angriff der 11. Panzerdivision. Die eilig zusammen
gestellte Kampfgruppe- zwei Bataillone und zehn Panzer - war jedoch
zu schwach, um den Gegner von den Höhen bei La Coucourde zu ver
treiben. Auch ein erneuter Versuch in der Nacht schlug nicht durch. Wiese
befahl den sich bereits stark stauenden Kolonnen (LXXXV. AK), den
Marsch trotz des Artillerie- und Granatwerferfeuers nach Norden fortzu
setzen. Doch am 24. August blieb der noch in der Nacht wieder angelau
fene Verkehr an der Dromemündung erneut im amerikanischen Beschuß
liegen. Das Feuer konnte nach Tagesanbruch von den beherrschenden
Höhen aus zielsicher geleitet werden61•
General Wies�e lagen inzwischen erbeutete Unterlagen vor, wonach die
Amerikaner den Raum Montelimar-Valence nachhaltig zu sperren beab
sichtigten62.
Folgten sie dem Prinzip der Schwerpunktbildung und nahmen die ent
scheidenden Straßenabschnitte nicht »nur« unter Artilleriefeuer, sondern
tatsächlich in Besitz, dann wurde die Aufgabe der 11. Panzerdivision, die am
nächsten Morgen (25. August) abermals antreten sollte63, äußerst schwie
rig. Ob es Wiecersheims Verband gelang, den Rückzugsweg freizukämp
fen, wurde zur Schicksalsfrage für die 19. Armee {Karte 9).
s. 28 ff.
132 Teil B: Der Rückzug de Westheeres bi zum Höhepunkt der Krise
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o ===2
• o .....
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I. Der Beginn des Rückzugs im Westen 133
n Tagesmeldung für den 21.8.1944, OB \Vest Ia r. 7098/44, RH19 IV/53, S. 353 ff.
74 Tagesmeldung für den 23. 8. 1944, OB West Ia r. 7259/44, RH 19 IV/53,
S. 100ff.
75 Belfort, Besan�on, Vesoul Chaumont; gez. Blaskowitz, Obkdo AGr. G. Ia
Nr. 1962/44 vom 26.8.1944, RH19 XII/7, 5. 310.
76 Tagesmeldung für den 24.8.1944, Obkdo AGr. G. Ia Nr. 2102/44, RH19 XD/7,
S. 288, und KTB AGr. G. vom 24. 8.1944, RH19 XII/5, S. 147.
n Schuster, LXIV. AK, MS-A-885, Anlage C.
7 Täglichsbeck (ehern. Feldkommandant 651 iort), Süd westfrankreich, MS-A-
886, s. 4.
79 Ebd., S. 3 f.
I. Der Beginn des Rückzugs im Westen 135
3. die Gruppe Süd (Raum Bordeaux) unter Gen. Lt. Albin Nake. Das Rück
grat dieses Marsch-«Verbandes« war die 159. Infanteriedivision Nakes. Er
hatte die schwierigste Aufgabe. Alle bis hinab zu den Pyrenäen stationier
ten Dienststellen mußten zu einer schließlich etwa 50 000-60000 Men
schen ° starken Gruppe zusammengefaßt werden (vgl. Karte 8).
Sachs hatte- angesichts der wegen ungeheurer organisatorischer Proble
me zeitraubenden Versammlungsphase- den 27. August als eigentlichen
Rückzugsbeginn befohlen81• Er rechnete aber damit, daß wohl erst um
den 30. August auch tatsächlich alles in Bewegung sei82•
Diese Einschätzung erwies sich als durchaus berechtigt, da zudem noch un
erwartete Schwierigkeiten auftraten: Beispielsweise mußte Sachs wegen zwei
reparaturbedürftigen U-Booten den Hafen von Bordeaux länger als geplant
schützen lassen. Die Marine hatte dies direkt beim OKW erwirkt83•
Schon zu Beginn der in der Nacht vom 19./20. August anlaufenden Ver
sammlungsphase trat ein weiteres, allerdings kaum überraschendes Pro
blem zutage. Die meisten über Jahre hinweg fast friedensmäßige Zustände
gewöhnten Soldaten und Nichtkombattanten ließen kein normales Marsch
tempo zu. Es zeigten sich, wie Sachs später knapp kommentierte, »gerade
zu erschütternde Bilder«84•
Panik und eine >)Sauve qui peut«-Mentalität mußten bei der heterogenen
Zusammensetzung der Marschgruppen schnell zu einer Katastrophe füh
ren. Sachs suchte nach psychologischen Abhilfen. Marschbefehle enthiel
ten deshalb nur noch das jeweils nächste Etappenziel, um das Ausmaß des
Rückzugs und der damit verbundenen Strapazen zu verschleiern85• Ver
bindungsoffiziere verteilten Propaganda- und Nachrichtenblätter, von
denen man sich eine beruhigende W irkung versprach.
Sachs mußte also in stärkerem Maße als W iese in Südfrankreich seine Auf
merksamkeit der Problematik des inneren Zusammenhalts widmen. Wohl
auch aus diesem Grund, um die Moral nicht durch sofortige Eilmärsche zu
überfordern, gingen die einleitenden Bewegungen recht schleppend voran.
So räumten die Soldaten der Feldkommandantur 541 des Gen.Maj. Botho
Elster, vor denen der weiteste Weg lag, die Orte Mont de Marsan und Dax
im südlichen Zipfel des Korpsbereiches erst am 22./23. August86•
so
Schuster, LXIV. AK, MS-A-885, Anlage C.
• Täglichsbeck, Südwestfrankreich, MS-A-886 S. 5 f., und Gen. Lt. Ernst Haeckel,
16. Inf.Div., MS-B--245, S. 14.
82 Meldung LXIV. AK. vom 19.8.1944, zit. nach: OB West Ia Nr. 7189/44 vom
22.8.1944, RH 19 IV/54, S. 50.
SJ Es handelte sich um U-534 und 857. Vgl. OB West Ia Nr. 741/44 vom 19.8.1944,
RH 19 IV/53, S. 312.
84 Gez. Sachs, GenKdo LXIV. AK Ia Nr. 1288/44 vom 27.8.1944, RH 19 XII/7,
s. 363 ff.
ss Schuster, LXIV. AK, MS-A-885, S. 6.
86 N anteuil/Levy, Elster, S. 70.
136 Teil B: Der Rückzug de Westheeres bis zum Höhepunkt der Krise
Auch nach Sachs' Ansicht ging die Hauptgefahr für den Rückzug seines
Armeekorps von der 3. US-Army im orden aus87• Die schwachen zur
Sicherung der Leirebrücken eingesetzten Einheiten8 wurden zwar durch
einen regimentsstarken »Sperrverband« der 16. Infanteriedivision unter
stützt 9 eine wirksame Flankendeckung war dies jedoch nicht.
Vorerst aber hatten die Marschgruppenführer mehr mit internen Koordina
tionsproblemen als mit äußeren Einwirkungen zu ringen. W ährend dieses
störungsempfindlichen Zeitabschnitts blieben die auch bisher in den Samm
lungsräumen kaum hervorgetretenen FFI relativ wirkungslos. Nur verein
zelt kam es zu Schießereien oder kleineren Beeinträchtigungen, wie etwa
dem Verdrehen von Wegweisern. Auch die französische Bevölkerung ver
hielt sich zumeist ruhig90• Selbst die zwei Garonnebriicken in Bordeaux
und die wenigen Übergänge über die Dordogne- für die Guerillakampf
taktik lohnende Ziele, da mit ihrer Sprengung der Rückzug der Gruppe
Süd erheblich hätte behindert werden können - blieben unbehelligt.
Mit einer in dieser Hinsicht anderen Ausgangssituation sah sich Gen. Lt.
Ortenbacher konfrontiert, der unabhängig von den beiden großen Absetz
bewegungen der 19. Armee und des LXIV. Armeekorps die noch im Zen
tralmassiv verbliebenen Einheiten nach Norden in die Aufnahmestellung
führen sollte91• Ottenbachers Ziel bestand zunächst darin, diese Kräfte zu
einer schließlich 12000 Mann92 starken Marschgruppe93 im Raum Mont
lu�on-Clermont-Ferrand zusammenzufassen94• Anders als am Atlantik
kam es in diesem Gebiet schon in der Versammlungsphase zu Gefechten
mit den FFI. Zumindest hier gelang es ihnen, den Abmarsch zu verzögern.
Einzeln stationierte Landesschützenbataillone mußten, wie zum Beispiel
in Egletons und Gueret, zunächst freigekämpft werden, was jedoch nicht
in allen Orten gelang95•
Anhand einzelner aktenkundig gewordener Vorkommnisse wird deutlich,
was generell zumindest für die Ereignisse in Südwestfrankreich galt. Hin
ter den beträchtlichen Kopfstärken der Marschgruppen verbarg sich eine
nur äußerst geringe tatsächliche Kampfkraft, die keinesfalls mit derjeni
gen »normaler« Heeresverbände vergleichbar war. Es handelte sich eben
96 Zusatz. zur Tagesmeldung des OB West für den 23. 8. 1944, RH 19 IV/54, S. 105.
97 Tagesmeldung des OB West für den 25. 8. 1944, RH 19 IV/54, S. 182 ff.
9 KTB H. Gr. B vom 21. 8. 1944, RH 19 IX/88, S. 59 f.
99 OB West Ia Nr. 7189 und 7208/44 vom 22. 8.1944, RH 19 IV/54, S. 50f., und
gen 100, gab man sich beim Stabe des OB West keinen lllusionen hin. Blu
mentritt war sich bewußt, daß ))das Tempo [...] mit Behelfs-Kfz und Pfer
debespannung .in keinem Verhältnis zur Schnelligkeit des vollmechanisier
ten Feindes« 101 stehen konnte.
Angesichts dieser Situation auf deutscher Seite wirkte der Inhalt des Brie
fes, den Eisenhower am 24. August an Churchill schrieb, nicht übertrie
ben. Eisenhower bezeichnete den bisherigen Verlauf von DRAGOON als
»wonderful show« und war auch für die Zukunft optimistisch: »I am sure
he [DRAGOON] will grow fat and prosperous102.«
3. Das Kampfgeschehen bei der Heeresgruppe B bis zum Fall von Paris
102 Schreiben vom 24. 8. 1944, zit. nach: Pogue, Supreme Command, S. 228.
10l Tagesmeldung für den 20. 8. 1944, OB West I a Nr. 7098/44, RH 19 IV/53, S. 353 ff.
Lwfeld.Div., I. und li. SS-PzK. mit 1., 2., 9., 10., 12. SS- und 2., 21., 116. Pz.Div.
Sie w urden durch noch kampfkräftige Einheiten der 7. Armee unterst ützt,
RH 19 IV 69 K und 139 K {Karten für den 20.-25. 8. 1944).
I. Der Beginn des Rückzugs im Westen 139
0 10 20 30 40 50 km
I. Der Be ginn des Rückzugs 1m Westen 141
10
142 Teil B: Der Rückzug des Westheeres bis zum Höhepunkt der K rise
Der Feldmarschall sah nur noch die Möglichkeit, nun auch die 2. und 9. SS
Pz. Div. herauszuziehen. Immerhin bestand die Aussicht, durch das nächtli
che Absetzen auf den Toucques-Abschnitt (Deauville-Lisieux-Orbec
l:Aigle) größere Frontlücken im bei Lisieux hart attackierten Westflüg el
zu vermeiden tu.
Die Ereignisse des folgenden Tages bestätigten das, was man beim Stabe der
Heeresgruppe B ohnehin vermutet hatte114: Hitlers Befehl, durch »kon
zentrischen Angriff« die »Verbindung zwischen 5. Pz. Armee und Paris<<
noch vor der Seine zu erkämpfen, entbehrte jeglicher Grundlagen 115•
achdem die Front morgens im wesentlichen ruhig geblieben war, begann
in den Nachmittagsstunden der amerikanische Großangriff gegen den Süd
abschnitt. Allein im Raum Conches gingen acht Bombenteppiche nie
der116. Dann griffen 130 Shermans (US-Standardpanzer) das LXXXI. Ar
meekorps an. Die 25 Panzer der beiden von Model zusätzlich heranbe
fohlenen SS-Divisionen aber waren noch bei Lisieux gebunden. Gauses
Befehle, »unter allen Umständen [zu halten][ . ], da sonst nichts mehr über
. .
1u Ebd., S. 58.
114 KTB Pz. AO K 5 vom 21. 8. 1944, RH 21-5/52, .S. 24 f.
115 i. A. Gez. Jodl, WFSt/O p. Nr. 772974/44 vom 21. 8. 1944, RH 19 IX/7, S. 35.
1 16 Tagesmeldung für den 22. 8.1944, OB West Ia Nr. 7212/44, RH 19 IV/54, S. 6Sff.
117 KTB LXXXI. AK vom 22.8.1944, RH 24-81/97, S. 135/1.
118 Ebd., S. 136/1.
119 KTB H. Gr. B vom 25. 8. 1944, RH 19 IX/88, S. 138 f.
12o Ebd. vom 23. 8. 1944, S. 103.
121 Ebd. vom 22. 8. 1944, S. 80.
122 Ebd. vom 23. 8. 1944, S. 107.
I. Der Beginn des Rückzugs im Westen 143
können. Dabei war die >>Westfront« nach Meinung der dort führenden
G enerale, Obstfelder und Bittrich (LXXXV I. AK und II. SS-PzK) bereits
so dünn, daß die Briten »durchkommen [konnten], wo sie wollten«123•
Lisieux beispielsweise wurde nur noch von rund 100 Soldaten der 272. In
124•
fanteriedivision gehalten
Die riskanten, aber einzig praktikablen Maßnahmen Models wurden von
den Alliierten nicht durchkreuzt. Zum einen verhielten sich Briten und
Kanadier auch am 23. August ruhig, zum anderen zeigte es sich, daß der
US-Schwerpunkt nicht, wie von deutscher Seite befürchtet, »rittlings« der
Seine, sondern eindeutig auf dem Westufer lag125•
Gen. Lt. Gerhard Graf v. Schwerin (Kdr. 116. Pz.Div.), der vorübergehend
- ein Korpsstab stand nicht zur Verfügung - das Kommando im Seine-
'
131 Für Schwerjn, der nun die Koordinierung der Panzerverbände übernommen
hatte, führte der Stab des I. SS-Panzerkorps im Seineabschnitt.
132 KTB Pz . AOK 5 vom 23. 8.1944, RH 21-5/52, S. 31f .
133 Tagesmeldung für den 24.8.1944, OB West I a r. 7326/44, RH 19 IV/54, S. 148 ff.
134 KTB Pz. AOK 5 vom 24. und 25.8.1944, RH 21-5/52, S. 33 f .
l35 Gez. Model O bkdo H.Gr.B Ia r. 6527/44 vom 24.8.1944, RH 19 IX/4, S. 392.
136 KTB H.Gr.B vom 25.8. 1944, RH 19 IX/88, S. 141ff.
137 KTB LXXXI. AK vom 25. 8.1944, RH 24-81/97, S. 147/1.
13 Tagesmeldung für den 25.8.1944, OB \XIest Ia Nr. 7360/44, RH 19 IV/54, S. 182 ff.
139 Eberbach, 7. Armee, MS-B-841, S. 3.
HO KTB Pz. AOK 5 vom 25.8.1944, RH 21-5/52, S. 35. Vermutlich handelt es
sich hierbei allerdings um einen Druckfehler. Die Angabe erscheint dem Ver
fa er jedenfalls wesentlich zu hoch gegriffen.
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Karte 11
Lage West am 21.8.1944
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I. Der Beginn des Rückzugs im Westen 145
Auf dem Südufer standen nun die kampffähigen Teile von Dietrichs
5. Panzerarmee mit einer Gefechtsstärke von rund 18 000 Mann, »unter
stützt« durch 314 Geschütze und 42 Panzer, einer gewaltigen alliierten Über
macht gegenüber: Nach deutschen Berechnungen umfaßten die »Feindver
bände« 110500 Infanteristen, 1320 Geschütze und circa 1 900 Panzer141•
Schon deshalb waren die Aussichten schlecht, auch die 5. Panzerarmee noch
über die Seine zu bringen. General Gause äußerte an diesem 25. August,
daß - wenn es überhaupt gelingen sollte - »die Absetzbewegung wohl
in einem Zug durchgeführt werden« müsse142 (Karte 11).
1 1
4 KT B Pz. AOK 5 vom 25. 8.1944, Anlage 50, RH 21-5/53, S. 76.
1 2
4 Ferngespr. Speidel-Gause von1 25. 8.1944, RH 19 IX/88, S. 133 f.
IH
OKW/WFSt Op r. 772933/44 vom 19. 8.1944, zit. nach: OB West I a r. 740/
44 vom 19.8.1944, RH 19 IX/7, S. 29.
144 Gez. Adolf Hitler WFSt Op Nr. 772956/44 vom 20.8.1944, zit. nach: OB West
147 H. Gr. B Ic Nr. 3323/44 vom 24. 8.1944, RH 19 IX/26 Teil1, S. 61.
146 Teil B: Der Rückzug des \XIestheeres bis zum Höhepunkt der Krise
148 Gez. Model O bkdo H. Gr. B Ia Nr. 6390/44 vom 21. 8.1944, RH 19 IX/7,
s. 33 f.
149 KTB OB West vom 21. 8. 1944, RH 19 IV/45, S. 142.
t..SO Tagesmeldung für den 22. 8. 1944, OB West Ia Nr. 7212/44, RH 19 IV/54, S. 65 ff.
t5t 26., 27. SS-Pz. Oiv. Beide »Panzerdivisionen« verfügten über nur je ein ver-
stärktes Inf. Rgt., nicht aber über Panzer. Sie wurden am 24. 8. 1944 der 17. SS
Pz. Gren. Div. unterstellt, KTB OB West, RH 19 IV/45, S. 160.
152 KTB H. Gr. B vom 22. 8. 1944, RH 19 IX/88, S. 86.
I. Der Beginn des Rückzugs im Westen 147
J\ngesichts dieser Situation drängte der OB West darauf, den Ausbau der
>Somme-Marne-Saone-Stellung« mit »größtmöglicher Beschleunigung«
vo ranzutreiben. Da Gen. d. Fl. Kitzinger, seit Anfang August hiermit beauf
t ragt, für die rund 650 km nur 20 000 Mann zur Verfügung standen153,
war noch nicht viel geleistet worden.
Model befahl, alle greifbaren Wehrmachteinheiten und die Zivilbevölkerung
- notfalls zwangsweise - zu Schanzarbeiten heranzuziehen154• Anderen
falls müsse damit gerechnet werden, daß die Amerikaner dort erschienen,
bevor »der erste Spatenstich gemacht worden« sei155•
Ein Erfolg dieser Maßnahmen war von vornherein fragwürdig. Kitzinger
veranschlagte mindestens drei Monate, um ein »Gerippe« an Feldstellun
gen errichten zu können156• Alle Anstrengungen nutzten aber wenig,
wenn die Soldaten zur Verteidigung dieser Linie fehlten. Der Feldmarschall
hatte durch den I a des OB West, Oberst Zimmermann, errechnen lassen,
daß hierzu mindestens 36 Infanterie- und acht Panzerverbände benötigt
wurden157• Dies blieb ohnehin unerfüllbare Theorie. Model forderte des
halb vom OKW - und zwar f
so ort-, wenigstens eine »Sicherheitsbesat
zung« in Stärke von 8 Divisionen als Kristallisationskern der Verteidigung
zur Verfügung zu stellen158.
Selbst wenn diese Forderung erfüllt würde - man hielt dies beim Stabe
des OB West für unwahrscheinlich, wollte aber dem OKW »unverblümt«
so den Ernst der Lage klarmachen159 -, hing alles in erster Linie von der
Operationsführung der Alliierten im Bereich der 1. Armee ab.
ahmen die Amerikaner die Chance wahr, entweder nach Südosten auf
Dijon einzuschwenken, um die Armeegruppe G abzuschneiden, oder die
»Schwachen Sicherungen« an der oberen Seine zu durchbrechen, um über
Chalons auf Metz zu marschieren, dann war »der Wert der Kitzinger-Stel
lung bereits aufgehoben«, wie Zimmermann festhielt160.
Die Absichten der Amerikaner blieben aber vorerst im Dunkeln. Luft
aufklärung konnte nicht geflogen werden, da alle einsatzbereiten Maschi
nen im Raum über Rouen gebraucht wurden161. Nach den bisherigen
Erfahrungen sah Chevallerie nur noch die Chance, daß der Gegner erst
nach Umgruppierung und planmäßigem Aufmarsch zu einer größeren
Offensive ansetzte162.
Auch Model hatte in Betracht gezogen, daß die Alliierten mit Erreichen
der Seine vorübergehend eine >)Pause« einlegen würden. Gen. d. Pz. Tr. Krü
ger, der mit seinem Stab (LVIII. Pz.Korps) die Auffrischung der Panzer
verbände der Heeresgruppe organisieren sollte - die ersten SO Kampfwa
gen trafen in diesen Tagen ein -, war hierfür der Raum Beauvais-Senlis,
nur SO km nordostwärts des F lusses, zugewiesen worden163• Krüger wur
de vom Stab der Heeresgruppe darüber informiert, daß diese Aufgabe wohl
circa drei Wochen in Anspruch nehmen würde164•
Tatsächlich verhielten sich die Amerikaner - zumindest vorerst - am
schwächsten P unkt, dem äußersten linken Flügel der 1. Armee, auch voll
kommen ruhig. Sie verlagerten jetzt ihre Angriffe auf den Seineabschnitt
Paris-Montereau und auf die französische Metropole selbst. Am 23. August
konnten die US.:Yruppen die einen SO km breiten Abschnitt verteidigende
48. Infanteriedivision zurückdrängen und bei Melun mit stärkeren Kräften
über die Seine setzen165• In der folgenden Nacht gelang dies ebenfalls bei
Fontainebleau, die FFI hatten die dortige Brücke rechtzeitig besetzt und so
deren Sprengung verhindert166• Die 48. Infanteriedivision wich allerdings
erst nach harten, für beide Seiten verlustreichen Kämpfen- innerhalb we
niger Stunden wurden allein 12 US-Panzer abgeschossen - zurück167•
ach weiteren Angriffen am 25. August war der Seineabschnitt südlich
von Paris verloren. Die Amerikaner hatten mitderweile an vier Stellen
Brückenköpfe gebildet. Die 1. Armee sollte sich deshalb in der folgenden
acht auf eine neue, rund 2S km ostwärts hiervon verlaufende Linie ab
setzen168•
Doch diese Geschehnisse verblaßten vor den zur gleichen Zeit kulminie
renden Ereignissen um Paris. Au Gründen militärischer Notwendigkeit
war es für die 1. Armee dringend geboten den Anschluß an Dietrichs Ver
bände im orden zu wahren. Da bei den deutschen Stäben mit einem
baldigen Fall der Metropole gerechnet wurde, sollte Paris ost \värts der Seine
zerniert und so den Alliierten die Nutzung der radial hiervon ausgehenden
Hauptverkehrsstraßen verwehrt werden 169 • Das Problem für den Oberbe
fehlshaber der 1. Armee bestand darin, daß die hierfür vorgesehenen Kräfte,
nämlich etwa 4S Panzer {der Panzer-Lehr- und der 9. Pz.Div.'70) und die
47. Infanteriedivision, nun nicht dem ins Wanken gekommenen linken
Armeeflügel zugeführt werden konnten. Speidei war sich dessen bewußt,
sah aber keine andere Möglichkeit, als hier »das größtmögliche Risiko in
Kauf zu nehmen<< 171•
Der Feldmarschall hatte persönlich eingegriffen und die Panzer umdiri
giert: Statt der Seinebrockenköpfe südlich, war der Raum ostwärts von
Paris jetzt das ZieP72• Chevallerie machte am Nachmittag den OB West
nochmals telefonisch auf die Gefahren aufmerksam. Da »alle vorhande
nen Panzer [...] zum Kampf um Paris eingesetzt« seien, stünden »keine
Kräfte zur Verfügung [...], um die feindlichen Vorstöße [am Südflügel]
[... ] abzuwehren, geschweige denn, den Feind über die Seine zurliekzu
werfen«173•
Seine Worte w urden nahezu gleichzeitig dadurch bestätigt, daß die Ame
rikaner im Raum Troyes sich wieder regten und zunächst mit Aufklärungs
fahrzeugen von hier nach Südosten vordrangen. Die ersten Infanterieein
heiten der 15. Panzergrenadierdivision, die gerade am Canal de Bourgogne
50 km südlich von Troyes die Eisenbahnzüge verließen, wurden sofort ins
Gefecht geschickt 174•
W ie Blumentritt Jodl gegenüber bemerkte, war zu befürchten, daß der Geg
ner den »Raum Dijon friiher erreicht, als die ( ... ] Armeegruppe G«175•
Model aber mußte zunächst darum bemüht sein, den Zusammenhalt inner
halb »seiner« Heeresgruppe nicht zu verlieren. Die aus der Entwicklung
üd- bzw. südostwärts Paris drohende operative Gefahr war zwar erkannt,
doch die eigene Kräftelage erlaubte es dem Feldmarschall nur noch, an
den jeweils akuten Krisenpunkten auf Kosten anderer F rentabschnitte
»Löcher zu stopfen«. Abgesehen davon setzten Hitlers »Paris-Befehle« sei
nem Handeln ohnehin - zumindest gewisse - Grenzen.
Schon ein Blick auf die Karte deutet das hohe Maß an Zentralität an, das
Paris innerhalb des in vielen Bereichen ganz auf die Metropole ausgerich
teten Frankreichs zukommt. Die städtische Agglomeration mit den 1944
circa fünf Millionen Einwohnern 176 mußte in militärischer Sicht beson
ders als Verkehrsknotenpunkt von Interesse sein. Diese Bedeutung beruh
te zum einen auf dem Eisenbahnring, in dem nicht weniger als 17 Bahnli
nien zusammenliefen, zum anderen auf den von hier strahlenförmig in
alle Himmels,richtungen führenden und gut ausgebauten »Routes Natio
nales«. Die während der alliierten Invasionsvorbereitungen von Bomben
angriffen verschont gebliebenen mehr als 60 Brücken im Raum Paris, davon
allein 32 im Stadtgebiet, stellten die nahezu einzigen intakten Übergänge
zwischen der Metropole und der Seinemündung bei Le Havre dar.
Infolgedessen war Paris eine entscheidende Rolle bei der Versorgung der
Normandie-Armee und für Truppenverschiebungen von und zur Front
zugekommen. Die höchsten Befehlsstellen der Wehrmacht im Westen hat
ten auch die führungstechnischen Vorteile, die die Stadt als Zentrum des
französischen Fernsprechnetzes (worauf die Deutschen größtenteils ange
wiesen waren) bot, genutzt und hier bzw. in der unmittelbaren Umgebung
ihre Hauptquartiere eingerichtet.
Die ursprünglich große operative Bedeutung für die deutsche Seite war
jedoch mit der katastrophalen Lageentwicklung und der näher rücken
den Front immer weiter gesunken. So kam der Versorgungsverkehr von
Paris über die Seine, der trotz alliierter Luftangriffe auf Verschiebebahn-
177
Hesse, Paris, MS-B-611, S. 12 ff.
178
In der acht vom 18./19. 8. hatten Teile des XV. US-Korps die Seine zwischen
Mantes-Vernon erreicht und somit die letzten Verbindungswege wesdich des
Flusses durchschnitten, KTB H.Gr.B vom 19. 8.1944, RH 19 IX/88, S. 37.
179
Choltitz, Paris, S. 44.
tso
Diese Annahme w urde auch durch Feindbeurteilungen der Ic-Abteilung des
OB West anfangs unterstützt, Ic-Tagesmeldung vom 15. 8.1944, lc-Nr. 5726/44,
RH 19 IV/137, S. 64ff.
181
Warlin1ont, Siegfriedline, MS-ETHINT 1, S. 43.
l82
Gez. AdolfHitler, WFSt Op. r. 772956/44 vom 20.8. 1944, zit. nach: O bkdo
H. Gr. B I a Nr. 6352/44, RH 19 IX/7, S. 30ff.
1
3 KTB H. Gr. B vom 20. und 22.8.1944, RH 19 IX/88, S. 42 und 86.
152 Teil B: Der Rückzug des Westheeres bis zum Höhepunkt der Krise
der Stadt konnten also kaum noch lohnender Anreiz für einen Schwer
punktangriff sein. V ielmehr deutete alles darauf hin, daß die Amerikaner
Paris einfach »aussparen« würden. Hitlers Absicht, die Metropole zur
umkämpften Bastion der Seine-Yonne-Linie werden zu lassen, hatte sich
damit zerschlagen. Dennoch bestand er weiterhin auf der Verteidigung um
jeden Preis. Dazu trieben ihn nun nicht nur vermeintliche militärische
Erfordernisse, sondern auch die Erkenntnis, daß die Stadt »von entschei
dender [...] politischer Bedeutung« sei. Außerdem, so fügte er seinem Befehl
vom 23. August düster orakelnd hinzu: »In der Geschichte bedeutete der
Verlust von Paris [...] immer den Fall von ganz Frankreich184.« Wenn dies
auch zutreffen mochte - sicher würde der Verlust von Paris in der Welt
öffentlichkeit und vor allem von den Franzosen als das Sy mbol der deut
schen Niederlage im Westen gewertet werden und die W iderstandskräfte
stärken -, so hatte Hitler nun die militärische Argumentationsbasis ver
lassen. Je mehr er sich auf diese Weise vom realen Kampfgeschehen ent
fernte, desto radikaler, ja irrationaler wurden seine Anordnungen. Der letzte
Satz seines Befehls vom 23. August verdeutlichte dies: »Paris darf nicht oder
nur als Trümmerfeld in die Hand des Feindes fallen18 5.<<
Dabei hatten die Alliierten zunächst gar nicht die Absicht, die Stadt über
haupt anzugreifen. Den vor Invasionsbeginn erstellten Studien des Pla
nungsstabs zufolge sollte Paris wegen des hier erwarteten starken gegneri
schen W iderstands vom Vormarsch ausgespart und dann im »Rücken«
umschlossen werden. Unter diesen Umständen blieb die unausweichliche
Kapitulation der eingeschlossenen deutschen Kräfte nur eine Frage der
Zeit186• Grundsätzlich dachte man auch Mitte August in den alliierten Stä
ben nicht anders. Nur war jetzt zu dem Argument einer potentiell star
ken deutschen Verteidigungsposition ein anderer gewichtiger Gesichtspunkt
hinzugekommen, der gegen eine auf Paris zielende Operation sprach.
Obwohl sich bereits erste Anzeichen der kommenden Nachschubkrise
bemerkbar machten, hatte sich Eisenhower am 19. August ja dazu ent
schlossen, die Offensive nach Zerschlagung der noch westlich der Seine
stehenden gegnerischen Kräfte sofort über den Fluß hinweg fortzusetzen.
In diese, von gewachsenem Optimismus gekennzeichneten Tage fiel gleich
zeitig ein erster Höhepunkt der Strategiekontroverse unter den alliierten
Oberbefehlshabern. Zum Gegenstand langwieriger Diskussionen, vor allem
zw ischen Eisenhower und Montgomery, wurde das geeignete Prozedere,
wie der in vermeindich greifbare Nähe gerückte endgültige deutsche Zusam
menbruch herbeizuführen sei. Beeindruckt vom Ausmaß der Erfolge in
der Normandie richtete sich der Blick bereits auf den Rhein187• Unter die
sen Auspizien kam der Befreiung von Paris allenfalls zweitrangige Bedeu
tung zu, mittler weile war sie militärisch sogar unerwünscht. So hatte die
in Eisenhowers Stab für Logistik zuständige G +Führungsabteilung schon
seit Anfang August vor den mit der Einnahme der Stadt verbundenen Im
plikationen gewarnt. Ihrer Beurteilung zufolge konnte hieraus ein ernstes
Handicap für die Fortführung des Vormarschs über die Seine entstehen 188•
Da man den täglichen Bedarf der Stadt an Versorgungsgütern auf etwa 4000
Tonnen veranschlagte189, erschien es sinnvoll, Paris zumindest solange aus
zusparen, die Offensive also an der Stadt vorbeizuführen, bis die Bahnli
nien aus der Bretagne (obwohl man dort noch über keinen leistungsfähi
gen Hafen verfügte) wie der Normandie repariert und weiterhin die Häfen
Rouen und Le Havre in eigener Hand waren 190• Erst Ende Oktober 1944,
so hatten die Planer berechnet, stand die Einnahme von Paris dem eige
nen Operationsfluß nicht mehr im Wege 19 1•
Anderenfalls lief man Gefahr, die Überlastung des bereits erheblich stra
pazierten US-Transportsystems und damit ernste Nachschubeinschränkun
gen für die Fronttruppe zu riskieren. Diese Problematik vor Augen, betonte
Montgomery noch am 20. August (in Übereinstimmung mit Eisenhower),
die französische Metropole solle erst dann befreit werden, wenn es aus mili
tärischer Sicht heraus vertretbar sei 192• Das logistisch fundierte Argument
wurde nach Auffassung Roosevelts durch die politischen, mit der Person
de General de Gaulies verbundenen Vorbehalte ergänzt. Im Zusammen
hang mit der Befreiung Frankreichs bestand Eisenhowers Aufgabe ledig
lich darin, günstige Voraussetzungen für die Bildung einer freigewählten
repräsentativen französischen Regierung zu hinterlassen 193• Nach lange
vertretener amerikanischer Auffassung schien aber die Einnahme von Paris
der Bereitung jener Voraussetzungen eher abt räglich zu sein194•
De Gaulle, dessen demokratische Legitimation zumindest angezweifelt wur
de, wollte man die Gelegenheit noch versagen, seine von der OS-Admini
stration nicht anerkannte Provisorische Regierung im Zentrum Frankreichs
zu etablieren und damit ein fait accompli zu schaffen. Die Amerikaner
zeigten sich wenig geneigt, präjudizierend zur Stabilisierung einer Regie
rung beizutragen, die ihrer Meinung nach nicht den Mehrheitswillen des
französischen Volkes repräsentierte und so womöglich die Gefahr eines
195 CCS to Eisenhower vom 17.8.1944, in: Pogue, Supreme Command, S. 241 ff.
196 Matloff, Planning, S. 501.
197 Statement de Gaulles vom 27.3.1944: »Frankreich, das der Welt die Freiheit
brachte[... ] benötigt keine auswärtigen Ratschläge in der Frage, \vie die Frei
heit zu Hause zu rckonstituiercn ist.« Über etzt nach Pogue, Supreme Com
mand, S. 145.
t9 Michel, Pari , S. 294.
cer Entschluß fest, dem W illen der Franzosen zu entsprechen. Seine Ent-
cheidung, auch darin begründet, dem amerikanisch-französischen Verhält
nis eine schwerwiegende Belastung und insbesondere der Koalitionskrieg
führung eine weitere Kontroverse zu ersparen, wurde ihm in militärischer
Hinsicht nun zumindest erleichtert. Mittlerweile rechnete man wenigstens
nicht mehr mit langwierigen Straßenkämpfen213• Durch die nicht immer
korrekten Resistanceinformationen gestützt, hatte man in Eisenhowers
Stab darüber hinaus Grund zur Annahme, Choltitz würde mit seiner Gar
nison das Feld räumen, sobald alliierte Truppen die Stadtgrenzen über
schritten214.
Eine der Folgewirkungen des 20. Juli hatte darin bestanden, daß Hitler
einen neuen Stadtkommandanten für Paris ernannte. Seine Wahl fiel auf
den General der Infanterie Dietrich v. Choltitz, der fortan den imposan
ten Titel »Kommandierender General und Wehrmacht-Befehlshaber von
Groß-Paris« führte, ein T itel, hinter dem sich allerdings-wie sich zeigen
sollte - sehr wenig militärische Macht verbarg.
Der kleine, energisch wirkende Sachse215, mittlerweile im 50. Lebensjahr
stehend, hatte den Kriegsbeginn als Bataillonskommandeur im Infante
rieregiment 16 erlebt. Im Mai 1940 konnte er sich an der Spitze seines
Bataillons bei den Luftlandeoperationen in Holland auszeichnen. Den wohl
größten Augenblick seiner militärischen Karriere stellte die erfolgreiche
Teilnahme an der Belagerung von Sewastopol im Sommer 1942 dar. Wenig
später wurde Choltitz - inzwischen Divisionskomn1andeur (260. Inf.
Div.) -zum Generalmajor befördert. Nach weiteren Verwendungen auf
dem russischen Kriegsschauplatz erhielt der General im Juni 1944 das Kom
mando über ein Armeekorps an der Invasionsfront (LXXXIV. AK). Hier
fehlte ihm jedoch die Fortune, die seinen bisherigen Werdegang ausgezeich
net hatte: In seinem Befehlsabschnitt erfolgte Ende Juli der Einbruch der
Amerikaner, der sich wenige Tage darauf zum Durchbruch von Avran
ches ausweitete. Obwohl persönlich an dieser Entwicklung schuldlos, e_nt
band ihn der OB West, Generalfeldmarschall v. Kluge, sofort von seinem
Kommando. Dennoch stand Choltitz, und das war für Hitler in dieser
Zeit das entscheidende Kriterium, im Ruf eines »starken« Mannes216, sei
ne W iederverwendung blieb damit nur eine Frage der Zeit.
Tatsächlich aber hatte der General die »Schlimme Zeit in der Norman
die«217 - am 15. Juli sprach er »VOn einer ungeheuren Blutmühle«, wie
er sie »noch nie in 11 Kriegsjahren erlebt« habe218 - mit der psycholo
gisch niederdrückenden Überlegenheit der Anglo-Amerikaner - sein
Armeekorps war allein schon durch die Bombenteppiche ohne jede Ab
wehrchance sturmreif geschlagen worden- wohl noch nicht seelisch bewäl
tigt. Folgt man Choltitz' Memoiren, so wirkte auch der Besuch im Füh
rerhauptquartier am 7. August 1944 alles andere als moralisch stärkend,
vielmehr erschütterte das Verhalten Hitlers sein Vertrauen in die oberste
Führung219• Diese Faktoren müssen sicherlich ebenso wie der infolge eines
Herzleidens angegriffene Gesundheitszustand bei Erklärungsversuchen sei
nes späteren Verhaltens mitberücksichtigt werden.
Zunächst schien Hitlers Auftrag den neuen >;wehrmacht-Befehlshaber« aber
keinen allzu großen Belastungen auszusetzen. Choltitz sollte in Paris vor
nehmlich Ruhe und Ordnung aufrechterhalten, alle sogenannten Etappen
erscheinungen beseitigen und die Stäbe nach kampffähigen Männern »aus
kämmen<�0. Mit dem raschen alliierten Vormarsch trat jedoch neben die
sem Aufgabenbereich das Problem in den Vordergrund, wie die Stadt gegen
Angriffe von außen verteidigt werden könne. Richtungsweisend und für
die folgenden Ereignisse von weitreichender Bedeutung waren die Vorstel
lungen des damaligen OB West Kluge, der richtig analysierend nicht mit
einem alliierten Schwerpunktstoß auf Paris rechnete221• Er stellte aus
drücklich fest, die Verteidigungsanseregungen hätten sich ganz auf den west
lich der Stadt verlaufenden »Sperrgürtel« zu konzentrieren222•
Hier war durch Feldstellungen und Panzersperren an den Ausfallstraßen
sowie durch die fest versoekelten 8,8 cm-Batterien des Pariser Flakrings223
zumindest die Chance gegeben, gegnerische Aufklärungsspitzen abzuweh
ren. Einen Straßenkampf, überhaupt Gefechte in der Stadt, wollte Kluge
vermeiden. Die Auslösung sogenannter »Lähmungs- und Zerstörungsmaß
nahmen«- bei Rückzugoperationen durchaus üblich, um das Nachdrän
gen des Gegners zu verzögern - machte der Generalfeldmarschall für Paris
explizit von seinem Befehl abhängig224.
Um die Entwicklung jederzeit im Griff zu behalten und selbständige Aktio
nen zu unterbinden, unterstellte er sich den »Wehrmacht-Befehlshaber« un
mittelbar. Auch nach der Ablösung Kluges blieb Choltitz weiterhin pein-
225
Gez. v. Choltitz, Kommandanturbefehl Nr. 32/44 vom 18. 8.1944, RH 36/51,
s. 40ff.
226 G
cz. Model, H.Gr. B Ia Nr. 6390/44 vom 21.8.1944, RH 19 IX/7, S. 33ff.
227 Gez. v. Aulock, Kampfgruppenbefehl Nr. 2 vom 18. 8.1944, RH 36/51, S. 42 ff.
no Hierzu u. a. Hauptmann d. R. Dr. Cartellicri in: KTB OKW, IV/1, S. 501 ff.
2ll
Michel, Paris, S. 287 ff.
232
Gez.. Eckelmann, gez. Dr. Reinhardt (Militärverwaltung), gez. v. Choltüz: Be
richt über die Ernährungslage von Paris vom 23. 8.1944, RW 35 /1137. Der
Bericht wurde an Model persönlich übersandt.
160 Teil B: Der Rückzug des Westheeres bis zum Höhepunkt der Krise
252 Hitler hatte ihn mit den Befugnissen eines ))Festungskommandanten« ausge
stattet, OB West Ia, Nr. 6454/44 vom 8. 8. 1944, RH 19 IV/52, S. 316 ff.
253 Ferngespr. Ia W. B. Groß-Paris-Ordonnanzoffizier Ia H. Gr. B vom 20. 8.,
19.00 h, RH 19 IXf88, S. 49. Zur Haltung und den unterschiedlichen Positio
nen innerhalb des französischen Lagers siehe Michel, Paris, S. 315; de Gaulle,
Memoiren, S. 278, und Blumenson, Breakout, S. 596 ff.
25.. Choltitz, Paris, S. 90.
255 Ebd., S. 75.
256 Ferngespr. Blumentritt-1 a H. Gr. B vom 21. 8., 17.45 h, RH 19 IX/88, S. 66,
RH 19 IV/54, S. 65ff., Tagesmeldung für den 22. 8., OB West Ia Nr. 7212/44.
257 Gcz. Adolf Hitler, WFSt/Op. Nr. 772956/44 vom 20. 8., zit. nach: H. Gr. B
la, Nr. 6352/44, RH 19 IX/7, S. 30ff.
164 Teil B: Der Rückzug des Westheeres bis zum Höhepunkt der Krise
dingt als notwendig erschien. Model, der zwar die Verteidigung des Sperr
riegels, nicht aber der Stadt für sinnvoll hielt, meldete zu Hitlers Weisung:
Paris bleibe »ein großes militärisches Problem, da bei Kampf ringsum und
gleichzeitigem Großaufstand mit den verfügbaren 20000 Mann [...] eine
militärische Behauptung nicht durchführbar« sei. Er »habe bereits für alle
Fälle den Auftrag zur Erkundung einer Not-Auffangstellung nördlich und
ostwärts Paris [ ...] [also hinter der Stadt, Anm. d. Verf.] gegeben«258•
Dies schloß ja eine bis zum äußersten gehende Verteidigung der Stadt nicht
aus, deutete aber an, worauf der OB West hinauswollte. In ähnlicher Wei
se reagierte er auf die vom Chef des Wehrmachtführungsstabes, General
oberst Jodl, gestellte Anfrage, ob die Seine-Brücken in Paris bereits zer-
tört seien. Der Wehrmachtführungsstab vertrete die Ansicht, »daß[der]
Kampf[ ...] ohne Rücksicht geführt [...] und die Brücken gesprengt wer
den müssen«259• Model entschied wenig später, daß derartige Vorbereitun
gen zwar getroffen werden sollten, schränkte aber gleichzeitig ein, wegen
der »V ielzahl der Brücken« sei >>eine vollständige Durchführung nicht mög
lich [...]«260 - womit die militärische Sinnlosigkeit eines solchen Unter
fangens offensichtlich war.
Bei seinen Reaktionen auf die Befehle aus Rastenburg mußte Choltitz nicht
nur ständig deren Auswirkungen auf die anscheinend wieder etwas stabi
lisierte Situation in Paris bedenken, sondern darüber hinaus auch ihre
potentiellen Folgen für das Schicksal seiner Truppen, seiner Person selbst
und schließlich das seiner Familie. Welcher dieser Beweggründe der für
seine Entschlüsse dominierende war, läßt sich im nachhinein nicht mehr
feststellen. Auf jeden Fall beabsichtigte der General alles zu unterlassen,
was zu einer weiteren Eskalation führen konnte: Bezüglich der Brücken
sprengungen meldete Choltitz, er sei nicht in der Lage, entsprechende Maß
nahmen durchzuführen261• Später wies er darauf hin, daß ein ohnehin un
realisierbares Unternehmen nur einen Großteil der »Bevölkerung in das
feindliche Lager treiben« würde262• Aus diesem Grunde lehnte er auch die
Ausstrahlung eines Aufrufs ab, der in der von Hitler gewünschten Fassung
die Bevölkerung drohend an das Schicksal Warschaus erinnern sollte263•
Hintergrund seines zumindest gegenüber den Franzosen vorsichtigen Tak
tierens - drei gefangene Vertreter de Gaulies ließ Choltitz frei, nachdem
sie ihm zugesichert hatten, auf die Einhaltung des Waffenstillstandes« zu
258 Gez. Model Obkdo H.Gr. B Ia Nr. 6390/44 vom 21. 8.1944, RH 19 IX/7,
s. 33 f.
259 Ferngespr. Blumentritt-la H.Gr. B vom 21. 8., 17.45 h, RH 10 IX/88, S. 66,
und Ferngespr. Choltitz-Ia H.Gr. B vom 21. 8., 18.15h, ebd., S. 67.
260 Mitteilung Ia H.Gr. B an Blumentritt vom 21. 8., 19.55 h, RH 19 IX/88, S. 72 f.
Die Reaktionen auf den am selben Tage aus dem Führerhauptquartier ein
treffenden, der Situation in grotesker Weise hohnsprechenden sogenann
ten »Trümmerfeldbefehl<< ließen nun nichts mehr an Deutlichkeit vermis
sen. Hitlers Forderungen, bei »ersten Anzeichen von Aufruhr mit schärf
sten Mitteln«, wie »Sprengung von Häuserblocks, öffentlichen Exekutie
rungen« einzuschreiten274, beruhten, wie Choltitz sofort empört feststell
te, auf einer völlig falschen Lagebeurteilung. V ielmehr sei damit zu rech
nen, »daß Paris bald, womöglich durch den inneren Gegner, den deutschen
Armeen entrissen« werde, »da der Feind die eigene Schwäche erkannt«
habe275• Generalfeldmarschall Model vertrat am Abend die gleiche Auf
fassung gegenüber dem Chef des Wehrmachtführungsstabes und drängte
konsequent auf eine Änderung der bestehenden Weisung. Auf die zögern
de Antwort hin, »Paris [müsse] zunächst gehalten werden« polterte der OB
West, er erwarte »keine vorläufigen Befehle, sondern eine klare Weisung
für den Fall« des Verlustes von Paris. »Eine Millionen-Stadt« könne mit
den vorhandenen »Schwachen Kräften [nicht][...] nach innen und außen
[ ... ]verteidigt werden«. Er bestand darauf, »diese Beurteilungen klar dem
Führer zu melden«276• Doch umsonst - Hitler war nicht umzustimmen.
Damit war für Choltitz die aussichtsreichere Chance und militärisch wich
tigere Aufgabe, Paris zu verlassen und die Verteidigung am Ostrand der
Stadt- ohne die permanente Rückenbedrohung durch die FFI- zu orga
nisieren, endgültig vertan. Anderenfalls mußte der General, abgesehen von
seiner besonderen Dienststellung hatte er sich durch sein Verhalten und
die harsche Kritik an Hitlers Befehl bereits weit exponiert, mit dem
Schlimmsten rechnen. Die einzig bleibende Möglichkeit, diesen düsteren
Auspizien zu entgehen und gleichzeitig seinem soldatischen Empfinden
Genüge zu tun, hieß, bis zum bitteren Ende auf dem Posten auszuharren.
Um seine Truppe nicht gänzlich ungeschützt den FFI und der zu erwar
tenden Entladung des aufgestachelten Volkszorns preiszugeben, hoffte
Choltitz, den Kampf zumindest so lange fortführen zu können, bis er regu
lären gegnerischen Einheiten gegenüberstand277•
274 OKW/WFSt/Op (H) r. 772989/44 vom 23. 8., zit. nach: Obkdo H.Gr. B I a
Nr. 6355/44 vom 23. 8., ll.OOh, RH 19 IX/7, S. 40.
275 OB West I a Nr. 7250/44 vom 23.8. 1944 und Ferngespr. Choltitz-Model,
277 In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß Choltitz bereits die Entsen
dung einer Delegation durch die Frontlinie zu de Gaulle gestattet hatte. Laut
seinen Memoiren hoffte er lediglich, über den französischen General auf diese
Weise auf die Respektierung des Waffenstillstandes hinwirken zu können. Es
erscheint jedoch fraglich, ob dies der einzige Zweck dieser Mission gewesen
ist. Die Möglichkeit, daß Choltitz vielmehr die Alliierten - wenn auch indi
rekt - zur Entsendung von Truppen be\vegen wollte, ist nicht auszuschlie
ßen, vgl. hierzu: de Gaulle, Memoiren, S. 280ff.; Michel, Paris, S. 317 ff., und
Blumenson, Breakout, S. 206.
ll. Die Ereignisse um Paris 167
Die von Choltitz nun wohl herbeigesehnte Entscheidung ließ nicht mehr
lange auf sich warten. Am 24. August begann der Angriff zweier alliierter
Divisionen gegen den äußeren Sperrgürtel (V. US-Korps mit der 2. Franz.
P z. Div. und 4. US-Inf. D1v. sowie kleineren Einheiten278). Der Vorstoß,
dessen Speerspitze der französische Panzerverband des General Leclerc dar-
teilte, erwies sich schwieriger als erwartet. Leclerc, abermals die Weisun
gen seines US-Vorgesetzten General Gerow nicht respektierend, traf auf
der von ihm gewählten Angriffsachse auf starken W iderstand der Sperr
gürtel-Besatzung-279. Argwöhnische Bemerkungen von amerikanischer Sei
te - wie die Bradleys, er wolle nicht warten bis die Franzosen nach Paris
»getanzt« seien280 -, zeugten davon, daß man hier, wohl aufgrund von
Fehlinformationen, gar nicht mehr mit einer deutschen Verteidigung ge
rechnet hatte. Tatsächlich aber war der Weg erst nach mehrstündigen ver
lustreichen K ämpfen frei281•
achdem Choltitz schon am späten Nachmittag gemeldet hatte, der »mit
40 Panzern durchgebrochene [Gegner][ ...] [fahre] in den Stadtkern von
Paris«282, rief er kurz darauf bei Blumentritt an, um »ausdrücklich [auf]
den Ernst der sich stündlich verschärfenden Lage in Paris« hinzuweisen283•
Feldmarschall Model hoffte wohl, Choltitz würde sich noch eine Zeitlang
in der Stadt halten und so die Aufmerksamkeit der Alliierten wenigstens
kurzfristig ganz auf die Ereignisse um Paris ziehen können. Das hätte Ent
lastung für die vorrangigen Aufgaben, die Flußüberquerung der beiden
Armeen nordwestlich von Paris, die Organisation der Verteidigung am
Ostrand der Stadt und der Verbände Chevalleries bedeutet .
Jene merkwürdige Pattsituation zwischen den in ihren Stützpunkten ein
geigelten und dort bisher kaum angreifbaren D eutschen und den FFI, die
Z\var das Straßenbild beherrschten, aber Choltitz' Soldaten nicht zu ver
treiben vermochten28\ wurde jedoch durch das Auftreten regulärer alli
ierter Verbände schnell beseitigt. Innerhalb der deutschen F ührung im
Westen gab man sich keinen Illusionen hin: Choltitz verabschiedete sich
bereits kurz vor Mitternacht bei der Heeresgruppe mit den allerdings vor
eiligen Worten: »Dies wird wohl mein letzter Anruf sein285.« Der Fall von
Wenige Stunden zuvor hatte Hitler ein ähnliches Vorgehen für Bukarest
befohlen und durchführen lassen. Der Vorschlag, dort einen Luftangriff
zu fliegen - »politisch gesehen [...] eine ganz große Torheit«291 -, war in
286 KTB H. Gr. B vom 24. 8., RH 19 IX/88 S. 112ff., und Ferngespr. Choltitz-
1 a H. Gr. B, 23.25 h ebd. S. 126 ff.
2 7 Ferngespr. Choltitz-Speidel vom 25. 8., 1.50 h, ebd., S. 134.
2 RH 19 IX/88, S. 139, Ferngespr. Choltitz-Speidel vom 25. 8., 11.00 h, ebd.,
s. 139.
2 9 Fernspruch AOK 1/Ic an lc H. Gr. B vom 26. 8., 5.15h, RH 19 IX/21, S. 43 ff.
Kopien der Konvention zwi chen Ledere, Rol und Choltitz sowie Choltitz'
Befehl, in: RHA r. 3/1974, S. 103 und 113.
290 Durch 0 1 OB West an H. Gr. B am 25. 8., 14.05 h, übermitteltes Fernschrei
296 Das hauen Model und Speidei Choltitz gegenüber versprochen, siehe: Chol
titz, Paris, S. 78.
297 Gez . Model, GeneraHeldmarschall OB West Ia Nr. 770/44, Abschrift vom 28.8,
12.45 h, RH 19 IV/54, S. 255.
298 6/1 Model, . 245, Befragung Oberst a. D. Freyberg (ehemaliger Adjutant
Oberbefehlshaber Heeresgruppe B) durch H. Model vom 19.8 .1955.
299 RW 4/v. 828, otiz des WFSt/Op (H)/West vom 5.11.1944 bezüglich Bitte des
Prä identen de Reichskriegsgerichts um ein Gutachten in der Sache Choltitz,
und RH 19 IV/142, S. 226, Besprechung Ober trichter Rjttau mit den Majoren
Doertenbach und Brink Abteilung lc/OB West vom 21.9.1944 um 13.00 Uhr.
JOO RW 4/v. 828.
Jot Die Verhandlung in Torgau 1945 wurde vertagt, bis Choltitz selbst gehört wer
den könne, siehe: Choltitz, Pari , S. 85 ff.
11. Die Ereignisse um Paris 171
302 Choltitz, Soldat, S. 230 ff.: »Es wäre natürlich möglich gewesen, ein zweites
\XIarschau aus Pari zu machen [ . ..] hatte ich das Recht, eine Millionenstadt
ins Unglück zu stürzen? [ ...] ich dachte an das künftige Verhältnis der beiden
großen achbarvölker, es stieg vor mir die hohe Pflicht auf[... ] schon für kom
mende Zeiten Wege offenzuhalten«.
JOJ Tagebuch des Generalobersts Deßloch, Eintragungen für den 19. und 20. 8.,
N 292/34, S. 19.
Je.. RH 19 IX/7, S. 41, durch 0 1 OB West an H. Gr. B am 25. 8., 14.05 h, übermit
teltes Fernschreiben des OKW/WFSt.
305 Tagebuch Deßloch, Eintragung für den 16. 8., N 292/34, S. 18.
JC6 Seine entschiedene Haltung in dieser Frage wird durch verschiedene Zeugnis
se bestätigt, die dem Verfasser vorgelegen haben. Aufgrund der problematischen
Quellenlage (die vorhandenen KTB der Luftflotte 3 setzen erst am 27.8.1944
ein) finden sich keine weiteren Aktenbelege dafür, daß Deßloch Hitlers Befehl
mit der Begründung, über die notwendigen einsatzfähigen Flugzeuge nicht zu
172 Teil B: Der Rückzug des Westheeres bis zum Höhepunkt der Krise
RH 19 IX/88, S. 153.
310 Hitler ließ noch am 25. 8. durch Jodl befehlen, »einige (V-1-]Stellungen ostwärts
der Somme mit Schußrichtung Paris« seien vorzubereiten. Siehe: i. A . gez. Jodl
OKW/WFStIa Nr. 773018/44, Funkfernschreiben vom 25.8., 18.20h, RH 19
IV/102, S. 8. Doch ist es nicht mehr zur Durchführung dieser Absicht gekom
men. Dagegen begann der Einsatz der V-2 am 7. 9. 1944 um 8.40 Uhr mit einem
auf Paris zielenden Schuß. Bis zum 3. 10. 1944, als das Feuer gegen die französi
sche Metropole »aus politischen Gründen[ ...] zunächst« eingestellt wurde, waren
10 V-2 auf Paris abgefeuert worden. Siehe: i. A. gez. Jodl, OKW/WFSt/Op (H)
la, r. 773619/44 vom 3.10.1944, RH 19IV/102, S. 53 und lOOff. Diese Zahl
erhöhte sich bis zum Kriegsende auf 19. Siehe: Hölsken, V-Waffen, S. 163.
311 Einzelne W iderstandsnester in der Stadt hielten noch mehrere Tage, vgl. Hes
FFI: Ledere äußerte in seinem Brief an de Gaulle, unter den FFI seien nur »10°/o
tres bons, braves et reellement combattants«. Siehe: Michel, Paris, S. 319. Für die
Haltung de Gaulies gegenüber den FFI: Er wies Ledere deshalb zurecht, weil er
den FFI-Che(Rol-Tanguy die »Kapitulations-Urkunde« ebenfalls hatte unter
zeichnen lassen und das maschinegeschriebene Dokument so einen nachträgli
chen Hinweis auf die Rolle der FFI erhielt. Siehe: de Gaulle, Memoiren, S. 282 ff.
Jas Blumenson, Breakout, S. 620.
Jl9 Die 2. Französische Panzerdivision kehrte tatsächlich erst am 8. 9.1944 an die
321
So kam es schon zu ersten Verstimmungen als Ledere die Übergabeverhand
lungen mit Choltitz ohne Anwesenheit seines Vorgesetzten Gerow und aus
schließlich im amen der provisorischen französischen Regierung unterzeich
nete. Siehe: Blumenson, Breakout, S. 617 ff.
322 Schreiben Eisenhowers an Marschall vom 31. 8. 1944., vgl. Blumenson, Break
out, S. 625.
323
ach Pogue, Supreme Command, S. 242 fühlte Eisenhower u. a. sich deshalb
am 27. 8. bemüßigt, Paris zu besuchen, um zu demonstrieren daß die Ameri
kaner auch an der Befreiung der Stadt »teilgenommen« hatten.
324 Eisenhower, Kreuzzug, S. 361.
Die jüngsten Ereignisse und Befehle hatten deutlich werden lassen, daß
Hitler und das OKW nicht fähig oder willens waren, das Kampfgesche
hen in sinnvoller Weise zu steuern.
'\ls Model in der Nacht vom 24./25. August seine erste große Lagebeur
teilung erstellte, war die nur vier Tage zuvor erteilte »Führerweisung« de
iacto bereits in allen wesentlichen Punkten überholt. Der OB West ging
deshalb nur noch am Rande darauf ein, was ihm Hitler als »wichtigste
A.ufgaben« diktiert hatte. Model hielt lapidar fest, die »Seine-Yonne
Dijon-Linie« - ohnehin von den Amerikanern schon überschritten -sei
nur zu halten bzw. wiederzugewinnen, wenn binnen zwei Wochen 15 neue
Divisionen in den operativ gefährdetsten Raum - zwischen Troyes und
der Schweizer Grenze - geführt würden326•
J\bgesehen von solch unerfüllbaren Forderungen, zeigte Model in seiner
nüchternen Analyse auf, womit tatsächlich gerechnet werden mußte. Die
>)eigene Truppe«, so wiederholte er, war »ausgebrannt«, eine Verstärkung
der Kräfte aber erst ab dem 1. September zu erwarten. Bis dahin konnten
die Alliierten »im ungünstigsten Fall«, wie er annahm, die >)Somme-Stel
lung« und den Raum zwischen Paris-Reims oder Dijon erreicht haben.
Hierzu standen Eisenhower nicht nur eine überlegene, wenn auch von
deutscher Seite stark überschätzte AnzahP27 von Infanterie- und Panzer
divisionen zur Verfügung, sondern auch die »Luftlande-Armee«, deren Ein
greifen der Feldmarschall jetzt jederzeit befürchtete.
Da man sich in Rastenburg vordringlich dem »Paris-Problem« zu widmen
schien, hielt Model sich nicht mit Anträgen oder Vorschlägen für die wei
tere Kampfführung im Westen auf. Er ergriff die Initiative und handelte.
In seiner Lagebeurteilung ließ er das Führerhauptquartier lediglich wis
sen, welche zum Teil schon eingeleiteten Maßnahmen er in nächster Zeit
ergreifen würde.
Vor allem galt es, »die Zeit mindestens bis zum 1. 9. zu überbrücken«, ohne
daß der Zusammenhalt seiner Front verloren g,ing. Um gegnerische Kräf
te zu binden und Dietrichs Panzerarmee den Ubergang über die Seine zu
ermöglichen, sollte der Brückenkopf westlich des Flusses vorerst noch gehal
ten werden. Wenn aber die achteile des Haltens die Vorteile überwiegen«,
326
Die Zitate in diesem Abschnitt entstammen, wenn nicht anders vennerkt,
der Lagebeurteilung de OB West: Obkdo H. Gr. B Ia Nr. 6360/44 vom
24.8.1944, 23.00h, zit. nach: OB \'XIest Ia Nr. 762/44 vom 25.8.1944 RH 19
IV/54, S. 146 f.
327 Model ging von 53 alliierten Divisionen aus. Bis zum 1. 9. 1944 rechnete er mit
einer Verstärkung auf 55-57 Divisionen in Nordfrankreich.
176 Teil B: Der Rückzug des Westheeres bis zum Höhepunkt der Krise
328
4 Gen.Kdos (LXXXVI.-, L XXIV.-, LXXXI. AK XXXXVII. PzK) mit: 711.,
346. Inf., 3. Fsj., 353., 271. 331., 344. Inf., 17. Lwfeld., 49. Inf., 18. Lwfeld.,
6. Fsj., 275. Inf. Div.
J29 Tatsächlich aber waren es nur 11 Divisionen, wie aus der Weisung Models vom
25. 8. 1944 hervorging (OB West I a Nr. 7346/44, RH 19 IV/54, S. 172). In sei
ner Lagebeurteilung von der Nacht zuvor war - abgesehen von Druckfehlern -
eine Div. aufgeführt (die 273.), die im Wesren nicht existierte. Im Stab der Hee
resgruppe ging allmählich die Übersicht über den Verbleib einzelner Verbän
de verloren.
JJo 352., 84., 89., 326., 363., 276., 277., 708., 272., 343. Inf., 5. Fsj.Div.
JJt KTB H. Gr. B vom 25. 8. 1944, RH 19 IX/88, S. 132.
332 276., 277., 326., 363., 708. Inf.Div., O bkdo H. Gr. B Ia Nr. 6684/44 vom
27. 8. 1944, RH 19 TX/4, S. 410f.
lJJ Gen. Kdo LVIII. PzK Ia r. 11/44 vom 25. 8. 1944, KTB LVIII. PzK Anlage,
RH 24-58/9, S. 167.
Karte 12
Lage West am 25.8.1944
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III. Führungsentscheidungen und Operationsverlauf 17 7
340 Middleton unterschätzte dessen Stärke mit 16000 Mann erheblich. Tatsäch
lich waren ca. 37000 deutsche Soldaten in der Festung, vgl. Blumenson, Break
out, S. 634, und KT B OB West vom 29. 8.1944, RH 19 IV/54, S. 294.
341 So Eisenhower, Bradley und Patton, vgl. Blumenson, Breakout, S. 633 ff.
343 Im für die Deutschen kritischsten Moment erfolgte auf alliierter Seite eine
5. Panzerarmee am 25. August eine Gefechtsstärke von ca. 18000 Soldaten gemel
det hatte, RH 21-5/53, S. 76.
H5 SHAEF-G-2 Summaries vom 23., 24. und 26. 8.1944, vgl. Pogue, Supreme Com
mand, S. 244 f.
3"6 Montgomery am 26. 8.1944, vgl. Blumenson, Breakout, S. 661.
III. Führungsentscheidungen und Operationsverlauf 179
347 Der Terminus, »Broad Front« findet sich in den SHAEF »Post-OVERLORD-
Planning«-Unterlagen vom Mai 1944, vgl. Pogue, Supreme Command, S. 249.
3"8 Ellis, Victory, ll, S. 93, und Ruppenthal, Support, I, S. 485.
l49 Pogue, Supreme Command, S. 257.
350 Schreiben Montgomerys an COS vom 24. 8. 1944, in: Ellis, Victory, I, S. 463 f.
lsa Schreiben Montgomerys an COS vom 18. 8. 1944, in: Blumenson, Breakout,
S. 658, und Ambrose, Eisenhower, S. 43.
JS2
Pogue, Supreme Command, S. 250.
180 Teil B: Der Rückzug des Westheeres bis zum Höhepunkt der Krise
Diese Pläne basierten darauf, daß ein (operativ und logistisch) eindeutiger
Schwerpunkt gebildet und dadurch der deutsche Zusammenbruch rasch
herbeigeführt würde.
Eisenhower war skeptischer. Das mit dem »Single Thrust« verbundene Risi
ko langer ungedeckter Flanken erschien ihm- abgesehen von der Frage
der logistischen Machbarkeit- zu hoch. Aber es gab auch andere als die
militärisch-operativen Faktoren, die seinen Entschluß maßgeblich beein
flußten353.
Eisenhower war nicht der Typ des Frontbefehlshabers. Gegenüber Montgo
mery und Patton mangelte es ihm an praktischer Erfahrung in der Führung
von Armeen. Aus der daraus erwachsenden Unsicherheit resultierte zum
einen sein Zögern, sich plötzlich bietende Chancen zu nutzen. Zum ande
ren wird sein stetes Bemühen um Konsensfindung von hierher verständlich.
Im Gegensatz zu Montgomery war Eisenhower ein »Committeeman«354•
Seine außerge,vöhnliche Fähigkeit, unterschiedlichste Konzepte zu einer
einzigen Lösung zu verdichten, rechtfertigt wohl die T hese, daß er »eher
militärischer Staatsmann als Feldherr«355 war. Die Suche nach Konsens,
nach einer Entscheidung, die möglichst alle Heeresgruppen- und Armee
oberbefehlshaber zumindest akzeptieren konnten356, barg naturgemäß
>>Gefahren« in sich. So wichtig ein solches Verfahren im politischen Bereich
ist, »Kompromißlösungen« sind im militärisch-operativen Sinne meist inef
fizient. Zum anderen setzte diese »Konsensabhängigkeit<< Eisenhower im
besonderen Maße den Pressionen aus den westlichen Demokratien aus.
Irritiert hatte er festgestellt, daß für Presse und Öffentlichkeit die Tat sa
che eines »resounding victory« allein nicht genügte und die Frage des »wie«
und vor allem »durch wen« dort offensichtlich genauso wichtig war357•
Schon von daher stand es um die Möglichkeit eines »Single Thrust<<
schlecht, der ja entweder nur von einem Briten oder einem Amerikaner be
fehligt werden konnte.
Eisenhower konnte es sich kaum leisten, im Augenblick großer Siegeser
wartungen den Vormarsch des einen oder anderen Flügels ganz anzuhal
ten. Wie sensibel dieser Bereich war, verdeutlichte ihm eine vertrauliche
Mitteilung des englischen Premiers (vom 22. August): Mit Rücksicht auf
die Reaktionen in der britischen Öffentlichkeit werde Montgomery an
dem Tage, an dem Eisenho,ver persönlich den Oberbefehl über die Land
streitkräfte übernehme (1. September), zum Feldmarschall befördert358•
359 Der Hinweis Bennetts (Ultra Normandy, S. 133 f.), ULTRA-Nachrichten hät
ten dies bz.w. das Festhalten an der U neerstützungsoffensive im Süden nahege
legt, da bekannt geworden sei, daß die Deutschen einen Stoß in das »Loch«
zwischen der Heeresgruppe B und der Armeegruppe G befürchteten, ist inter
essant. Jedoch fehlt die quellenmäßige Abstützung dieser T hese.
360 Schreiben Eisenhowers an Marshall vom 24. 8. 1944, vgl. Papers of Eisenhower,
IV, S. 2092 f.
36t Blumenson, Breakout, S. 659.
362 Schreiben Eisenhowers an Montgomery und Marshall vom 24. 8. 1944, vgl.
\\'ich tiger als diese Zustandsbeschreibung ist jedoch die Frage nach der
damali gen Perzeption dieser- durch erfolgreiche Aushilfen teilweise ver
deckten - Problematik auf alliierter Seite. Denn mit der Entscheidung,
d1e Verfolgung sofort - ohne die einmonatige Pause an der Seine - fort
zusetzen, mußte sich die Schere zwischen geplantem und tatsächlichem
V orma rsch mit allen logistischen Implikationen weiter öffnen.
Ein Argument Eisenhowers gegen die »Single-Thrust«-Pläne war das der
ve rsorgungstechnischen Probleme gewesen372• Tatsächlich hatten weder
�1ontgomcry noch Patton dieser Frage besondere Bedeutung beigemessen.
Patton nahm be·i der Operationsplanung ohnehin kaum Rücksicht auf Ein
wände der Nachschuboffiziere, da er ihnen mißtraute373•
Zum Zeitpunkt seiner Entscheidung wußte Eisenhower wohl lediglich,
tLtß logistische Probleme existierten. Ursachenanalyse und potentielle Ab
hilfen aber fehlten, bzw. gingen nicht in seine Direktive ein. Ihr Wortlaut
verrät, daß offensichdich auch Eisenhower nicht voll im Bilde war. Mit
der »schnellstmöglichen Säuberung der Bretagne« (das heißt vor allem der
Lroberung Brests) "\var zwar zusätzliche Hafenkapazität zu gewinnen, nicht
aber das zunächst ent scheidendere Transportproblem zu lösen. Brest lag
noch weiter von der sich immer mehr nach Osten verlagernden Front ent
fernt als Cherbourg und die Invasionsstrände.
Bei den Zielen dagegen, die er der Hauptoffensive Montgomerys steckte,
\.rschien der Begriff »Hafen« kein einziges Mal. Erst an letzter Stelle -
� nd wenig konkret - nannte Eisenhower die Absicht, eine »Secure base
at Antwerp«374 zu gewinnen. Offensichtlich wurde zu diesem Zeitpunkt
der Eroberung und Inbetriebnahme eines Hafenplatzes wie Ant werpen,
der wegen seiner Nähe zum Geschehen nicht nur Kapazitäts-, sondern
auch Transportprobleme lösen konnte, nicht die oberste Priorität ein
geräumt.
In dem Resümee, mit dem Montgomery den britischen Generalstab über
�isenhowers Entschluß informierte, tauchte »Antwerpen« bezeichnender
\veise überhaupt nicht auf375• Seine Heeresgruppe hatte aufgrund kürzerer
Versorgungswege bisher auch keine ernsthaften Nachschubprobleme376•
der erreicht, wenn auch der Red-Ball-Express bis ovember rollte, vgl. Ruppen
thal, Support, I, S. 558 ff.
372 Ehrman, Strategy, V, S. 379 f.
37' Ruppenthal, Support, ll, S. 349.
374 Aus heutiger Sicht erscheint es relativ eindeutig, daß dies den Besitz des Hafens
und vor allem auch die zu seiner utzung erforderliche Beherrschung der Schei
demündung impliziert. Wie sich noch zeigen sollte, handelte die alliierte Füh
rung aber zunächst anders. Deshalb wird auf die unklare Formulierung Eisen
howe rs besonders hingewiesen.
37s Es wurde jedenfalls nicht unter den Zielen genannt, die die Heeresgruppen
erreichen sollten, Schreiben Montgomery s an COS vom 24. 8.1944, vgl. Ellis,
V ictory I, $. 463 f.
376 Ebd., II, S. 3.
184 Teil B: Der Rückzug des We theeres bis zum Höhepunkt der Krise
Der Blick des britischen Generals richtete sich zunächst auf die Ruhr. Am
25./26. Augu t wurde gemäß Operationsplan die nächsten Ziele festgelegt:
Crerar 1. Kanadische Armee sollte entlang der Küste bis Brügge, Demp
seys 2. Britische Armee über Amiens-Lille in Richtung Gent-Antwer
pen-Brüssel und Hodges' 1. US-Army von Paris aus in den Raum Brüs-
cl-Lüttich vorstoßen377.
Patton konnte mit seiner 3. US-Army nur noch etwa eine Woche lang ope
rieren. Dann waren seine Treibstoffvorräte wegen der Schwerpunktbildung
am linken Flügel aufgebraucht. In dieser Zeit sollte seine Armee (abgese
hen vom VIII. US-Korps) auf Reims-Chalons-Troyes eindrehen und die
Offensive über Metz nach Osten {in Richtung der Rheinübergänge zwi-
chen Koblenz und Mannheim) vorbereiten378•
Der von Model befürchtete schnelle Angriff in Richtung Dijon wurde auf
alliierter Seite nicht ernsthaft erwogen. Eisenhower hatte einen Vormarsch
nach Südosten von der Besserung der Nachschubsituation abhängig ge
macht379. Damit stiegen zumindest für Blaskowitz' Verbände die Chan
cen, doch noch zu entkommen. Durch die Schwerpunktbildung am alli
ierten ordflügel war allerdings die Krise bei der Heeresgruppe B bereits
vorgezeichnet.
3 " 17. Lwfeld., 49. lnf., 18. Lwfeld., 6. Fsj.Div. mit R estteilen anderer Divisionen.
3Ss Tagesmeldung für den 27. 8.1944, OB West Ia Nr. 7441/44, RH 19 IV/54,
s. 228 ff.
386 KTB H. Gr. B vom 26. 8. 1944, RH 19 IX/88, S. 149.
387 KTB Pz. AOk 5 vom 27. 8. 1944, RH 21-5/52, S. 37 f.
3?0 Ebd., S. 17 f. , und KTB Pz.AOK 5 vom 26.8. 1944, RH 21-5/52, S. 36.
l t
9 G en.Lt. Graf v. Schwerin, 116. Pz.Div., MS-ETHINT 18, S. 6f.
400 Ferngespr. Gause-la H.Gr. B vom 27.8. 1944, 11.30h, RH 19 IX/88, S. 161f.
401 Ebd.
41o
Gez. Model, ObkdoH.Gr. B I a Nr. 6588/44 vom 27.8.1944, RH 19 IX/4,
S. 408.
411 KTB H.Gr. B vom 28.8.1944, RH 19 IX/88, S. 177.
2
41 Pz. AOK 5 I a Nr. 1049/44 vom 28.8.1944, RH 21-5/53, Anlage 63, S. 90.
419 Ebd. und KTB H. Gr. B vom 25. 8.1944, RH 19 IX/88, S. 134 und Zimmer-
mann, OB West, MS-T-121, Bd B V S. 1809ff.
420 Blumenson, Breakout, S. 665 ff. und 671 ff.
2 r. 7404/44, RH 19 IV/54,
4 1 Tagesmeldung für den 26.8.1944, OB West I a
s. 206.
22
4 Ebd., S. 207.
423 Casper, 48. Inf. Div., MS-P-166, S. 12 f.
427 KTB H.Gr. B vom 27.8. 1944, RH 19 IX/88,5. 158 und OB West Ia r. 7385/44
vom 26. 8. 1944 RH 19 IV/54, S. 210.
42 KTB H.Gr. B vom 27. 8.1944, RH 19 IX/88, S. 158.
429 Ebd., Ferngespr. Chevallerie-Speidel, 11.00 h, S. 160 f.
43o Casper, 48. Inf . Div., MS-P-166, S. 13.
43' KTB H.Gr. B vom 27. 8.1944, RH 19 IX/88, S. 170.
432 KTB H.Gr. B vom 27. 8.1944, ebd., S. 169 f.
L
190 Teil B: Der Rückzug des Westheeres bis zum Höhepunkt der Krise
und konnten sich nur mit Mühe der Gefangennahme entziehen438. Auch
Models Kommandobehörden »verlegten« am 28. August erst im letzten
Moment aus dem unmittelbar bedrohten Raum. Der Stab des OB West
wich nach Habay (bei Arlon), die Führungsstaffel der Heeresgruppe B nach
Schloß Havrincourt (südwestlich von Cambrai) aus439.
Im Kriegstagebuch der Heeresgruppe wurde der Panzerdurchbruch über
die Marne nach orden als »das wesentlichste Ereignis des Tages« festge
halten440. Tatsächlich war er der Auftakt der zum Höhepunkt der Krise
führenden >>Verfolgungsphase« im Bewegungsfeldzug.
L
192 Teil B: Der Rückzug des \XIestheere bi zum Höhepunkt der Krise
daß wiederum das Verhältnis von Zeit und Raum überhaupt nicht berück
sichtigt wurde.
Oberst Zimmermann (I a OB West) entdeckte sofort Parallelitären zum
»Avranches-Plan«, dem Anfang August folgenreich gescheiterten Gegenan
griffsvorhaben456. Da eine rasche Versammlung der vorgesehenen Verbän
de -und hierauf kam es ja an -unmöglich war, erschien Hitlers Weisung
chon »zeitlich chwer durchführbar«457• Darüber hinaus hätte das Abdre
'
hen der 3. und 15. Panzergrenadierdivision nach Langres eine Entblößung
de Gebiets südostwärts von Reims zur Folge gehabt. Mit der ebenfalls be
fohlenen Versammlung der Panzerbrigaden 105 und 106 wären die Pan
zerverbände, die dem OB West bis Mitte September neu zugeführt wer
den sollten, bereits frühzeitig gebunden gewesen. Die Anordnung Hitlers,
»die 11. Pz. Div [ ...]. sofort in Richtung Langres in Marsch zu setzen« und
die beiden Divisionen des LXIV. Armeekorps»in Gewaltmärschen« gegen
»den Rücken der amerikanischen Heeresgruppe« einzusetzen458, hätte
unweigerli�ch die Vernichtung der Infanterieverbände der Armeegruppe G
nach sich ziehen müssen.
Model ließ sich aber auch durch diesen »Führerbefehl« nicht irritieren.
Er hielt an den bereits eingeleiteten, von ihm für richtig erachteten Maß-
nah men fest. 0 hne auf den Inhalt des Befehls einzugehen, wurde beim
1b der Heeresgruppe noch in der Nacht eine ausführliche Lagebeurtei
lun g erstellt, in der der Feldmarschall seine Anordnungen begründete. Ge
g�.- nüber Speidei hatte er geäußert, sie stellten »das Äußerste [dar], was sich
im Augenblick tun« ließ, »daß aber «mehr>> [...] ausgeschlossen« sei459•
Um den Anschein zu erwecken, die Lagebeurteilung sei vor Bekanntwer
den der Weisung Hitlers verfaßt worden, brachte Speidei auf dem Fern
schre iben einen - unzutreffenden - Vermerk an, in dem er den Eingang
aes »Führerbefehls« erst auf den »30 . 8., 7.00 Uhr« datierte..60• Auf die
J nfrage des Wehrmachtführungsstabs, ob die Panzergrenadierdivisionen
bereits nach Langres abgedreht worden seien, ließ Model am 30. August
nachmittags antworten, er betrachte das von ihm befohlene Antreten beider
\er bände auf Reims - also in entgegengesetzte Richtung - »als [lagebe
dingt] erzwungene sinngemäße Durchführung« des »Führerbefehls«461•
)er Feldmarschall konnte sich gegenüber dem undurchführbaren Befehl
rlitlers zwar durchsetzen, doch reichte weder seine weitgehend selbstän
ciige Kommandoführung noch das frühzeitige Erkennen der gegnerischen
J\bsichten aus, um eine weitere Zuspitzung an der Front zu verhindern.
3is zum 30. August abends zeichnete sich ab, daß der Plan, die Amerikaner
Iurch die Zusammenfassung der Panzerkräfte aufzufangen, scheitern würde.
Der >>Flankenstoß« des II. SS-Panzerkorps auf Reims blieb nördlich der Aisne
1ereits bei Chauny liegen. Das Panzerkorps Bittrichs, das die Führung der
'on Westen angreifenden »kampffähigen Restteile« von sechs Panzerdivisio-
en {1., 2., 9., 10., 12. SS- und 116. P z.Div.462) übernommen hatte, wurde
>>durch überlegenen Feinddruck« nun selbst in die Abwehr gedrängt-463•
Die OS-Offensive lief mit unvermindertem Tempo in nord- und ostwärti
ger Richtung weiter: über die Linie Soissons-Reims bis zu 50 km weit vor
()toßend, hatten die Amerikaner bereits Laon genommen und den Raum
Montcornet-Rethel erreicht464 (Karte 13).
kung Chef« vom 30. 8., RH 19 IX/8, S. 131 ff. Hitlers Befehl war ohne Zweifel
bereits bekannt, vgl. Ferngespr. Zimmermann-Model/Speidei vom 29. 8.,
22. 00h, RH 19 IX/88, S. 190f. Daß Hitlers Befehl der Anlaß für die Lagebeur
teilung war, ergibt sich aus dem von Speidei paraphierten Entwurf vom 29. 8.,
in dem die später weggelassenen Sätze »weitergehende Angriffsabsichten wür
de die H. Gr. gerne durchführen, sie sind aber [...] leider nicht durchführbar«
und »ich halte nur die von mir eingeleiteten Maßnahmen für möglich« enthal
ten sind. Vgl. RH 19 IX/4, S. 429 f.
461 Ferngespr. F riedel (WFSt)-Ia H.Gr. B vom 30. 8., 15.30h, und Ferngespr. Blu-
"61 Tagesmeldung für den 30. 8., OB West I a Nr. 7520/44, ebd., S. 303ff.
464 Ebd.
194 Teil B: Der Rückzug des \XIestheeres bis zum Höhepunkt der Krise
Auch der deutsche Flankenangriff, der von Süden her zwischen Aisne und
Marne auf Reims geführt werden sollte, war ohne Erfolg. Dem XXXXVIT.
Panzerkorps General Frhr. v. Funcks konnte eine wirkungsvolle Koordi
nation der beiden Panzergrenadierdivisionen nicht gelingen, da ihre Ein
heiten in weit auseinanderliegenden Räumen ausgeladen wurden465• Noch
immer waren nicht alle Transpone aus Italien eingetroffen#». Hier gelang
te man nicht über das Stadium der Vorbereitungen hinaus. Die aus dem
Raum Chalons nach Osten auf die Maasübergänge zielende Offensive der
3. US-Army kam einem Stoß von Funcks Panzerkorps zuvor.
Models riskanter, aber einzig praktikabler Stabilisierungsversuch war miß
lungen. Die wenigen Panzer Bittriebs hatten gegen den amerikanischen
Durchbruch nicht viel ausrichten können, sie fehlten aber nun am rech
ten Flügel der Heeresgruppe, wo sich die Lage zusehends verschärfte.
Ein »schrittweises Absetzen hinter die Somme«, das Hitler am 31. Au
gust morgens genehmigte467, war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr
durchführbar. Die im Bereich der 5. Panzerarmee zurückweichenden Infan
terieverbände - ihre Soldaten »im allgemeinen nur mit Karabiner usw.
bewaffnet«46 - hatten der rasch über die Seine nachstoßenden 2. Briti
schen Armee keinen nennenswerten Widerstand mehr entgegenzusetzen.
Nun begannen auch für die Engländer die »dramatischen Tage« der Verfol
gungsphase469. Am 30. August gelang es ihnen, die Front des LXXXI.
Armeekorps Gen. Kuntzens an zwei Stellen zu durchbrechen und über
Beauvais hinaus vorzudringen.
Die im Durchbruchsraum stehenden Einheiten der 49. Infanteriedivision
wurden durch Panzer eingekesselt und vernichtet. Von der Division erreich
te nur der Stab Gen. Lt. Macholz und das Artillerieregiment das andere
Sommeufer470•
Kuntzen konnte nur noch melden »Reserven[ .. ] stehen nicht mehr zur Ver
.
General Horrocks XXX. Brit. Korps hatte jedoch ein anderes Ziel. Zur
Überraschung der deutschen Seite nutzten die Engländer den entstande
nen Durchbruch sofort aus und setzten ihren Vormarsch noch in der Nacht
fort474• Am 31. August frühmorgens hoben Panzereinheiten der Guards
rmoured Division den Gefechtsstand der 5. Panzerarmee in Saleux (bei
miens) aus. Generaloberst der Waffen-SS Dietrich konnte mit seinem Stab
eben noch entkommen475• General Eberbach aber, der sich mit seinem
Stabschef Gersdorff zur Befehlsübernahme in Saleux aufhielt, geriet in Ge
fangenschaft476.
Models Absicht, das AOK 7 wieder einzusetzen und Eberbach den Som
meabschnitt zwischen Amiens477 und der Oise zu übertragen478, hatte sich
damit zerschlagen. Dietrichs Stab konnte sich deshalb nicht -wie geplant
-ganz auf die »Lücke zwischen Oise und Marne« konzentrieren479, son
dern behielt zunächst den Gesamtabschnitt bis hinab zur Linie Rethel
Charleville.
Wegen des Aufsplitteros der Front sah sich das Pz. AOK 5 allerdings kaum
mehr in der Lage, tatsächlich zu führen. »Die Truppe war auf sich selbst
angewiesen480.« Die Kräfte der Heeresgruppe B waren endgültig erschöpft.
W ie es die K:ette der am 31. August nicht enden wollenden »Hiobsbot
schaften« verdeutlichte, konnte nun von einem »planmäßigen« Rückzug
keine Rede mehr sein.
m rechten Flügel erreichten die Briten Amiens, überquerten die Somme
und stießen noch ca. 30 km weit nach Nordosten bis Albert vor481• Die
1. US-Army weitete unterdessen den amerikanischen Durchbruchsraum
in nördlicher Richtung bis Vervins aus482• Ihre Angriffsspitzen standen
noch etwa 90 km von denen der 2. Brit. Armee bei Albert entfernt.
Am linken Flügel der Heeresgruppe setzte die 3. US-Army ihren »opera
tiven Stoß nach Osten« fort, durchstieß die Argonnen und konnte meh
rere Brückenköpfe über die Maas zwischen Verdun und Commercy bil
den4SJ.
331., 344., 346., 711. Inf. und 17. Lwfeld-Div., Frontlagekarten 30./31. 8., RH 19
IV/70, K 6 und 7.
47" Ellis, V ictory, I, S. 469.
-4JS Der li a und Il b, OberstLt. Horenburg und Rittmeister Ratjen sowie der Kom
"7 Gez. Model, Obkdo H.Gr. B I a Nr. 6737/44 vom 29.8., RH 19 IX/4, S. 427f.
0 10 20 30 l.O SO km
���==
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--
111. Führungsentscheidungen und Operationsverlauf 197
198 Teil B: Der Rückzug de We theeres bis zum Höhepunkt der Krise
Der Feldmarschall hielt erst entlang der >)Weststellung« und ihrem Kern,
dem Westwall493, »eine starke Verteidigung - unterstützt durch ein Volks
aufgebot - [für] möglich«49". Denn dort ließen sich zumindest »leichter
Panzersperren anlegen und ein gewisser Schutz gegen Bombenteppiche
finden«495•
d) Die Weststellung
Es bedurfte erst mehrfacher Appelle, bevor Hitler dem Drängen des OB
West nachgab. Am 1. September gingen die Befehle zur »Herstellung der
Verteidigungsbereitschaft« und >>Sicherung der Weststellung und des West
\valls« heraus496• Erst jetzt wurden die Verteidigungsvorbereitungen im
Raum der Reichsgrenze eingeleitet.
Hitler war offensichtlich durch das Tempo des alliierten Vormarsches über
rascht worden. W ährend der »Mittagslage« in der Wolfsschanze bemerkte
er zu Jodl: »Die sind ja gerast [...] das ist eine Frechheit497.«
Zum anderen trug auch wohl seine irrige Auffassung, »beim Westwall (brau
che](...] an sich [ ...] nicht viel gemacht zu werden«498 dazu bei, daß dieser
Entschluß erst so spät gefaßt wurde. Auch im OKW herrschte Unklarheit
über den Zustand des Westwalls499• Anscheinend war man der eigenen
Propaganda der Jahre 1939/40 von der >>Unbezwingbarkeit« der »größten
und modernsten Festungsanlage der Welt«500 zum Opfer gefallen.
Tatsächlich glich der Westwall im Sommer 1944 einem »abgewrackten
Kriegsschiff«501• Aus der bis 1940 errichteten Bunkerlinie zwischen Kle
ve und Lörrach waren nach Beendigung des »F rankreichfeldzuges« Waf
fen und Inneneinrichtungen ausgebaut sowie Munition und Verpflegung
ausgelagert worden. Die die »Ständigen Anlagen« ergänzenden Feldstellun
gen waren verfallen, Drahthindernisse und Minenfelder entfernt worden.
Schon seit 1941 befand sich der Westwall in desarmiertem Zustand502•
49J Beide Termini - obwohl nicht gleichbedeutend - wurden von der Führung
im Westen vielfach synonym gebraucht.
494 Ferngespr. Blumentritt/Model-Jodl von1 28. 8., 19.20 h, RH 19 IX/88, S. 180 f.
49s Ebd.
496 Hitlers »Befehl über [sie] Ausbau der deutschen Weststellung« vom 24. 8. hatte
501 Gen. Lt. Walther \�ollmann in: Zimmermann, OB West, MS-T-121, Anlagen
chen) und Rindern (bei Kleve) mit nur zwei Bunkern pro Kilometer; vgl. Groß,
WestwaH, $. 89 ff.
sos Gersdorff, Siegfriedline, MS-ETHINT 53, $. 1 .
>n6 Als West stellung sollten - abgesehen vom Westwall und seiner »Verlängerung
1 3.7 .1944, RW 4/v.703, S. 9 f.· gcz. Keitel WFSt/Qu2 Nr. 007715/44 vom
18 .7 . 1944, ebd., S. 11 ff.
III. Führungsentscheidungen und Operationsverlauf 201
Hinzu traten Kräfte der HJ und des BDM, die im Westen verfügbaren 137
RAD-A bteilungen515 sowie die Organisation Todt, die den Bauapparat
und die fachliche Aufsicht zu stellen hatte. Darüber hinaus erhielten die
Gauleiter Weisungsrecht gegenüber militärischen Dienststellen und Trup
pen in Fragen des »reinen Arbeitseinsatzes«.
Hider Befehl zufolge kam es bei den Schanzarbeiten zunächst darauf an,
ein »durchgehendes Panzerhindernis« und schließlich in Anlehnung an
vorhandene »Ständige Anlagen« ein »tief gegliedertes Stellungssystem« zu
schaffen. Um den militärischen Anforderungen zu genügen, sollten die
»taktischen und technischen Kampferfahrungen« richtungweisend für den
»feldmäßigen Ausbau« sein516•
Das Erreichen dieses Ziels war schon deshalb in Frage gestellt, weil der
Stab des OB West, der ja über diese Erfahrungswerte verfügte, ausdrück
lich von den Vorbereitungen ausgeschlossen wurde517•
Die Festungspionierstäbe im Reich \varen aber weder organisatorisch noch
personell in der Lage, die ihnen übertragenen Aufgaben (Festlegung der
taktischen Linienführung und der Dringlichkeit des Ausbaus, Auspflocken
der Stellungen) innerhalb kurzer Zeit durchzuführen518•
Deshalb begannen in den ersten Septembertagen die Schanzarbeiten vielfach
nach dem Gutdünken der Gauleiter519, die hier die Möglichkeit sahen, sich
militärische Kompetenzen anzueignen. Die »Kreisleitung Jülich<< z. B. holte
sich, da sie keine Weisungen vom betreffenden Festungspionierstab erhal
ten hatte, einen Vermessungstechniker der Stadtverwaltung heran und be
gann mit dem Ausbau von Stellungen, die sie für geeignet hielt520•
Von planmäßigen Schanzarbeiten konnte in dieser Anfangsphase keine
Rede sein. Unter großem personellem Aufwand wurden Gräben ausgeho
ben, die militärisch teilweise völlig wertlos waren. Stellungen vor den
Höckerhindernissen521 und mit taktisch falscher Linienführung - ohne
Blick- und Schußfeld - stellten keine Seltenheit dar522•
Die »notdienstverpflichtete« Bevölkerung war SO-Berichten zufolge zwar
arbeitswillig, aber skeptisch. »Wenn schon der Atlantikwall nicht hält<<, so
eine als »typisch« geschilderte Meinungsäußerung, »wie [dann] erst diese
Erdwälle und Gräben<<. Vor allem aber herrschte nach dieser Quelle die Auf
fassung vor, daß mit den Bauarbeiten »ZU spät begonnen worden sei«523•
4. Von der Krise bei Montelimar bis zur ersten Festigung des linken Flü
gels der Westfront
s o
3 Tagebuch Botsch für den 25. 8., RH 20-19/85, S. 21.
>31 AOK 19 I a N r. 8786/44 vom 24. 8., RH 20-19/90, S. 20.
sn
Ebd., S. 20.
533 Ebd.
S.H Wietersheim, 11. Pz. Div., MS-A-880, S. 15.
535 Tagesmeldung für den 26. 8., Obkdo AGr. G I a Nr. 2112/44, RH 19 XII/7,
s. 316.
>36 Tagebuch Botsch für den 26. 8., RH 20-19/85, S. 22 f.
537 Ebd.
sJs
Ebd.
III. Führungsentscheidungen und Operationsverlauf 205
sH Ebd., S. 24.
544 Ebd. für den 28. 8., S. 28.
54s KTB AOK 19 vom 27. 8., RH 20-19/90, S. 122.
546 KTB AGr. G vom 28. 8., RH 19 XIVS, S. 164f.
S.f7 Tagebuch Botsch für den 28. 8., RH 20-19/85, S. 28.
206 Teil B: Der Rückzug des \XIestheeres bis zum Höhepunkt der Krise
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J.'nllltY.al
I}
10 20 30 l.O 50 km
III. Führ ungsentscheidungen und Operationsverlauf 207
s
.. KTB AOK 19 vom 28./29. 8., RH 20-19/91, S. 10 und 24ff.
549 Ebd., S. 27 f.
sso
Meldung 11. Pz.Div. vom 29.8., RH 20-19/91, S. 72f.
5 SI Wiese, 19. Armee, MS-B-787, S. 23.
552 KTB AOK 19 vom 31.8., RH 20-19/91, S. 111.
553 Botsch, 19. Armee, MS-B-696, S. 55.
ss4
Tagebuch Botsch für den 31. 8., RH 20-19/85, S. 34.
sss
Ebd. für den 25. 8., S. 21.
ss6
KTB AGr. G vom 27. 8., RH 19 XII/5, S. 160.
557 Der Kessel war seit dem 25. 8. nicht mehr vollständig geschlossen und der letz
Der mit der »Marschregelung« auf der Talstraße betraute Gen. Lt. Baeßler
wurde schwer verwundet560• 2000 Kraftfahrzeuge, 1000 Pferde und 45 Ge
schütze bli�eben auf der Rhonestraße zurück561.
Daß der Marsch nach Norden überhaupt fortgesetzt und damit die 19. Ar
mee schließlich noch entkommen konnte, lag wesentlich in der Kampf
führung der Amerikaner begründet.
Obwohl die Spitzen des VI. US-Korps schon am 21. August nordost wärts
von Montelimar gestanden hatten, kam es nie zu einer nachhaltigen Sper
rung der Talstraße. Entscheidend war schließlich, daß die Amerikaner kei
nen eindeutigen Angriffsschwerpunkt bildeten, sondern statt dessen meh
rere Stellen - mit naturgemäß schwächeren Kräften- attackierten562• Der
Versuch, die deutschen Rückzugsbewegungen lediglich durch Artillerie
feuer zu unterbinden, scheiterte. General Truscott (VI. US-Korps) war
jedenfalls mit dem Erreichten nicht zufrieden563.
In Blaskowitz' Sicht war der »Durchbruch« vor allem den Leistungen der
»örtlichen Führung«564 und dem »aufopferungsvollen, heldenmütigen«
Kampfwillen der Truppe zuzuschreiben565.
560 Baeßler, der ehemalige Kommandeur der 242. Inf. Div. (Toulon), starb noch
1944 in Wien.
S6t Wilt, Riviera, S. 142.
562 Botsch, Kommentar, MS-B-518, S. 20ff.
56J Am 26. August erwog er, General Dahlquist (36. US-Div.) wegen taktischer Feh-
ler seines Kommandos zu entheben. Vgl. Wilt, Riviera, S. 140f.
564 Blaskowitz, Armeegruppe G, MS-B-800, S. 17.
56S Abendmeldung AGr. G vom 31.8., RH 19 XII/7, S. 386f.
566 Besprechung Blaskowitz-Wiese vom 1. 9., RH 20-19/96, S. 8f.
567 Ebd.
III. F ührungsentscheidungen und Operationsverlauf 209
\'On der Entwicklung in der Nordflanke hänge es ab, »ob es gelingen wird,
die rund 1/4 Million deutscher Menschen herauszubringen«568•
Es kam jetzt darauf an, den Brückenkopf um Dijon durch kampfkräftige
Verbände zu verstärken und die übrigen Truppen der Armeegruppe mög
lich st schnell durchzuschleusen. Den »Feinddruck« gegen die 19. Armee
chätzte Blaskowitz im Grunde >>nicht mehr als bedrohlich« ein569•
Der Erfolg der gesamten Rückzugsoperation wurde aber durch die noch
»\veit abhängenden Marschkolonnen des röm. 64. AK« in Frage gestellt570.
\us diesem Grunde nämlich, um Zeit für die Aufnahme des Armeekorps
�
in Kauf genommen werden, [daß ...] einzelne Gruppen den Anschluß nicht
mehr erreichen und abgeschnitten werden«577•
Das Herausziehen der Kampfverbände und das befohlene »Vorwerfen be
weglicher Kräfte« in Richtung Dijon bedeutete für die drei großen Marsch
gruppen des LXIV. Armeekorps, ihres Schutzes beraubt zu werden.
Gen. Maj. Elster erschien die Situation der letzten, nun unter seinem Befehl
stehenden Marschgruppe als »völlig unmöglich«578. Die aus der »Gruppe
üd« herausgelöste 159. Infanteriedivision hatte ihm die meisten Fahrzeu-
s6
Gez. Blaskowitz, Obkdo AGr. G Ia Nr. 2367/44 vom 1. 9., RH 19 XII/8, S. 14f.
S69
Ebd.
>70 Tagebuch Botsch für den 1. 9., RH 20-19/85, S. 36f.
572 Gez. Blaskowitz, Obkdo AGr. G Ia Nr. 2324/44 vom 1. 9., RH 19 XII/8, S. 18.
sn K
TB AGr. G vom 26. 8., RH 19 Xll/5, S. 158 f.
S74 Tätigkeitsbericht Heerespersonalamt vom 29. 7. und 29. 8. 1944, S. 186 und 232.
576 Gez. Blaskowitz, Obkdo AGr. G Ia Nr. 1940/44 vom 25. 8., RH 19 XII/7, S. 291.
577 Gez. Blaskowitz, Obkdo AGr. G Ia Nr. 1961/44 vom 26. 8., ebd., S. 312.
S7
Bericht der 'Verwaltungsgruppe der Feldkommandantur Bordeaux vom 17. 10.
1944, RW 35/1253, S. 71.
210 Teil B: Der Rückzug des Westheeres bis zum Höhepunkt der Krise
ge, einen Teil der Waffen und Munition abgenommen. In den Besprechun
gen vom 1. und 2. September in Poitiers machte Elster deutlich, daß er
es unter diesen Bedingungen für sinnlos hielt, den Marsch seines 28 000
Menschen starken »Verbandes«579 fortzusetzen580. Sein wenig glaubwürdi
ges »Argument«, die Rückmarschstraße Chateauroux-Bourges-Nevers
Dijon sei »von 3 regulären französischen Armeen besetzt«581 überzeugte
die in Poitiers anwesenden Offiziere nicht.
Oberst Bauer, der sich mit einer knapp 10000 Soldaten umfassenden
Kampfgruppe bereits von Pau bis Poitiers durchgeschlagen hatte, lehnte
jedenfalls Elsters >>Vorschlag« ab582. Zumindest Teile dieser Gruppe erreich
ten später noch die Aufnahmestellung um Dijon583.
Elster aber trat in Verhandlungen mit FFI-Vertretern ein und kapitulierte
am 10. September mit 19200 Mann in Issoudun vor General Macon, dem
eigens zu diesem Zweck herangeholten Kommandeur der 83. US-Infante
riedivision58...
Bei diesem einzigen »quantifizierbaren« großen Sieg der FFI hat die frühzei
tig erkennbare Resignation des deutschen Generals eine mindestens genauso
wichtige Rolle gespielt wie die militärischen Aktionen des W iderstands.
Auch General Macon vermochte bei den Übergabeverhandlungen nicht zu
erkennen, daß die Kapitulation durch die FFI erzwungen worden sei585.
Das Ereignis hatte in militärischer Hinsicht ohnehin nur untergeordnete
Bedeutung. Entscheidender war, daß unterdessen die ersten aus Südwest
frankreich zurückkommenden deutschen Einheiten den Brückenkopf um
Dijon erreicht hatten.
Die »Gruppe Ottenbacher«, die aus dem Zentralmassiv über Moulins
Autun heranmarschiert war, traf am 2. September ein586. Dem Verband
Ottenbachers, der den kürzesten Weg hinter sich hatte, folgten die Marsch
kolonnen der vorgezogenen kampfkräftigen Einheiten des LXIV. Armee
korps. Die ersten Teile der 16. Infanteriedivision erreichten am 3. September
S79 eben der 159. Inf.Div. war auch ein »Radfahrer-Verband« unter Oberst Seiz mit
ca. 5000 Soldaten aus der ehemaligen »Marschgruppe Süd« ausgegliedert und in
Richtung Dijon in Marsch gesetzt worden. Vgl. Seiz, 159. Inf.Div., MS-A-960, S. 4.
s 0 Bericht der Verwaltungsgruppe der Feldkommandantur Bordeaux vom 17. 10.
1944, RW 35/1253, S. 71 ff.
s 1 Ebd.
s 2 Zeugenaussage Oblt. Lierse (16. Inf. Div.) in der kriegsgerichtliehen Untersu
chung der »Angelegenheit Elster«, OB West I c Nr. 3045/44 vom 7. 10. 1944,
RH 19 IV/141, S. 174f.
s 3 Bericht der Verwaltungsgruppe der Feldkommandantur Bordeaux vom 17. 10.
1944, RW 35/1253, S. 71 ff.
5 4 Elster hatte sich endgültig hierzu entschlossen, nachdem ihm zugesichert worden
war, daß die Gefangennahme durch Amerikaner und nicht durch die FFI erfol
gen würde. Vgl. Nanteuil/Levy, Elster, S. 77 ff.
s 5 Nicault, La Capitulation, S. 91 ff.
56 Meldung AGr. G vom 2. 9., 4.00h, RH 19 IV/46, S. 6.
III. Führungsentscheidungen und Operationsverlauf 211
Langres587• Schon zwei Tage später war das Gros beider Infanterieverbände
(16., 159. Inf. Div.) in den Brückenkopf eingeschleust588•
Um auch noch die restlichen rund 60000 Menschen589, die unter Führung
des LXIV. Armeekorps den Marsch aus dem Südwesten angetreten hatten,
aufnehmen zu können, war die Abstützung der Nordflanke vordringlich.
Da Blaskowitz in der Sicherung dieser Linie zwischen Nancy und Chatil
lon die »Hau ptaufgabe der Armeegruppe«590 sah, wurden Ottenbachers
Regimenter (SS-Polizei-Rgt. 19, Sich. Rgt. 1000, Sich. Aufkl. Abt. 1000 so
'vie Einheiten der Sicherungsregimenter 95, 192, 194, 195, 19 8 59 1) und die
16. Infanteriedivisions92 dem hier eingesetzten Stab des LXVI. Armee
korps unter Gen. d. Art. Walther Lucht593 zugeführt (Karte 15).
Lucht gelang es am 4. September, erstmals die Verbindung zum linken Flü
gel der 1. Armee- und damit zur Heeresgruppe B- herzustellen. Die
Restteile der 21. Panzerdivision59\ die Model der Armeegruppe »ZUr Auf
frischung« unterstellt hatte, nahmen im Raum Charmes (Mosel) Kontakt
zur ebenfalls gerade eingetroffenen 553. Grenadierdivision auf595• W äh
rend so die Nordflanke allmählich an Abwehrkraft gewann, verlief auch
der Aufbau der Südflanke des Brückenkopfes um Dijon zunächst reibungs
los.
achdem die Nachhut des IV. Luft waffenfeldkorps Lyon planmäßig ge
räumt hatte, ließ sich für Gen. Lt. Botsch schon absehen, daß >>das Herein
schleusen der 19. Armee[ . .. ] in nur wenigen Tagen glatt vor sich gehen«
werde596•
Die vom Armeepionierführer Gen. Maj. Kaliebe veranlaßten umfangrei
chen Sprengungen - in Lyon wurden alle 33 Rhone- und Saonebrücken
zcrstört597- hatten den nach Norden zurückmarschierenden Infanterie
verbänden einen gewissen Vorsprung verschafft. Hinzu kam, daß die wen
dig geführte 11. Panzerdivision den in der Ostflanke angreifenden Ameri
kanern schwere Verluste beibrachte. Bei Meximieux (nordostwärts von
s
9 Berechnung des Verfassers nach obiger Quelle. In djeser Zahl ist auch die Marsch
gruppe Elsters enthalten, der die Führungsstäbe über seine Absichten im unkla
ren gelassen hatte.
590 Gez. Blasko,vitz, Obkdo AGr. G Ia Nr. 238 6/44 vom 2. 9., RH 19 Xll/8, S. 34ff.
591 Tagesmeldung für den 3.9., OB West Ia Nr. 7642/44, RH 19 IV/55, S. 78 ff.
592 Die 159. Int. Div. war für den Raum Remiremont vorgesehen.
593 Lucht hatte' bisher den Ausbau der »Kitzinger-Linie« zwischen Langres und
Pontarlier geleitet.
594 Kampfgruppe Rauch mit 2 Bataillonen und einer Artilleriebatterie, KTB AGr. G
597 Die Brücken rhoneabwärts von St. Vallier dagegen waren von der alliierten Luft
/
I
f
111. Führung ent cheidungen und Operationsverlauf 213
9
19!.
StO'l R
rno
10 20 30 40 SO km
214 Teil B: Der R ückzug d Westheer bi zum Höhepunkt der Kri e
Lyon} zer chlug W iecersheim Verband ein Regiment der 45. US.Infante
riedivi ion59 bei ontrevel eine US-Aufklärung abteilung. Die Ameri
kaner büßten h1erbe1 1200 oldaten 30 Panzer und Panzerspähwagen owie
64 Kfz ein599•
Der Oberbefehl haber der 7. U -Army, General Patch hatte inzwi chen
dem Drängen Tru cott (VI. U Corps} nachgegeben und die geplante
Umgruppierung einer Kräfte ver choben600• Doch der Entschluß, tatt
d en ))rück icht lo « die letzte Chance zu nutzen und den Deut chen
abermals den Weg nach orden zu verlegen erfolgte zu spät601. Das
AOK 19 übernahm bereit am 3. eptember die Befehl führung im Süd
teil de Brückenkopfe 602•
Die ersten Infanterieverbände der Armee (IV. Lwfeldkorps: 716., LXXXV.
AK: 19 . Inf. Div.) etzten am näch ten Tag über den Doub und bezogen
ihre telJungen zwi chen Chalon und Dole. Die 11. Panzerdivi ion war
weiterhin für den chutz der tflanke - im Raum Be an�on - vorge-
ehen603.
Blaskowitz verlegte sein Hauptquartier nach Gerardmer, um, wie bi her, die
Verteidigung vorbereitungen im rückwärtigen Raum zu organi ieren604•
Hierbei ergaben ich, veruracht durch die unklare Kompetenzenregelung
im Bereich der ,.� t tellung« ogleich chwierigkeiten mit Himmler. Blas
kowitz gelang e zwar nicht, takti ehe Wei ung recht gegenüber den Ein
heiten d Ersatzheere an den Voge enpässen605 und im Raum Belfort zu
erhalten, doch er konnte e im Gegenzug verhindern, daß der »Reichs
führer 5«606 einen Einflußbereich noch weiter au dehnte. ach der Mel
dung General Veiel d Befehl habers im Wehrkrei V, daß Himmler beab-
ichtige ich alle Truppen bi zur Linie ancy -Epinal-Belfort- chweiz
zu unterstellen bat Blaskowitz den OB We t, ofort eine anderweitige
OKW-Ent cheidung herbeizuführen607.
Er fürchtete wohl, daß der Reichsführer SS nun auch direkten Einfluß auf
die Kampfführung im Westen nehmen wolle und wie nachdrücklich auf
d1e in diesem all »unmögliche Über hneidung d r militärischen Be
tugni e« hin608• Das OKW billigte Blaskowitz' Einwand: vorerst609 blieb
rlimmlers Zuständigkeit auf die »Voge enstellung« beschränkt610•
bge ehen von die em - im großen Rahmen nachrangigen - Problem
\var es jedoch offensichtlich, daß sich am linken Flügel der Gesamtfront
eine er te Festigung der Lage abzuzeichnen begann.
b der weit nach Westen vorspringende Brückenkopf allerdings o lange
gehalten werden konnte, bis alle marschierenden Einheiten des LXIV.
rmeekorps die bei Dijon >)offengehaltene Tür«611 erreicht hatten, blieb
noch völlig ungewiß.
Dennoch, so das Resümee im Kriegstagebuch des OB West vom 5. Septem
ber hatte die Armeegruppe G die »besonders schwierige Aufgabe«, ihre
Verbände »in den Raum zw ischen [dem] linken Flügel [der] Heeresgrup
pe B und [der] Schweizer Grenze« zu führen, »in der Hauptsache bereits
gelöst«. Die es lrotz einer V ielzahl von Schwierigkeiten erzielte Ergebnis
sah man zu Recht in der »hervorragende[n] Haltung der Truppe und ihre(r]
kluge[n] und energische[n] Führung« beg.ründet612•
itentscheidend dafür daß die deut chen Truppen zunächst ungehinden
in den Brückenkopf Dijon einfließen konnten, war aber auch die durch
Ei enhower operative Entscheidungen erz,vungene Passivität der 3. US-
rmy. Die deut ehe Seite nutzte die kurze Zeitspanne, in der Patton die
Hände gebunden blieben, nahezu optimal aus: innerhalb weniger Tage ta
bilisierre sich auch die nördlich an Blaskowitz' Befehlsbereich anschlie
ßende Moselfront der 1. Armee.
623
Fernge pr. Feyerabend- peidel vom 2. 9. 2.05 h, RH 19 IX/89, . 17 f.
62• Das Gen. Kdo. LXXX. AK war ursprünglich beim Ausbau der ·Kitzinger-Linief(
eingesetzt nach dem amerikanischen Durchbruch dann der zurückweichen
den 1. Armee unter teilt worden.
6H
Hinzu traten das sog. chnelle Regiment von Frit chen• und die •Kampfgruppe
•
Dagegen waren die Ziele der 3. U -Army noch »nicht voll geklärt«. Beim
rab de OB � t erwartete man jedoch, daß Patton Angriff am näch ten
Tag (6. eptember) beginnen werde. Auch die Vermutung er beab ichti
ge in ö dieher Richtung anzugreifen� .. , ollte ich als richtig erwei en.
Die Offen ive der 3. US-Army mußte damit auf die Mo elfront den mitt
lerweile abwehr tärksten Ab chnitt im We ten treffen (Karte 16).
"Ebd.
64s
KTB H. Gr. B vom 1. 9. RH 19 IX/89 . 8.
6-46 Ob tfelder, der zunäch t den Oberbefehl über die 7. Armee übernehmen oll
te, wurde z.eitwei e durch Gen. Lt. Höcker (17. Lwfeld. Div.) vertreten.
647 Ferng pr. Ger dorff-Tempelhoff vom 1. 9. 11.30 h RH 19 TX/89 . 4 f.
KTB H. Gr. B vom 1. 9. cbd., . 9.
M9 KTB B t vom 2. 9. RH 19 IV/46 . 9.
6$0 Ferng pr. Gau e-Tempelhoff vom 1.9. 23.30h RH 19 IX/89, . 13 f.
220 Teil B: Der Rückzug de \Xfestheere bi zum Höhepunkt der Kri e
0 10 20 30 40 SO km
----e= �----c=�----
IIl. Führung ent cheidungcn und Operation verlauf 221
222 Teil B: Der Rückzug d � theer bi zum Höhepunkt der Kri e
Die deutlichen Worte Gau ent prachen den Tat achen. Der rechte Flü
gel der Panzerarmee war zersplittert die Führung verbindung zu den übri
gen, im Raum Peronne ( omme)- t. Quentin-Hir on-Charleville
(Maas} kämpfenden Korp verloren651• Für Dietrich Stab bestand keine
Möglichkeit mehr einzugreifen und die erneute Umfa ung, die dem Gros
der unter reUten Verbände mittlerweile drohte abzuwenden.
Der berbefehl haber der 12. US-Heeresgruppe General Bradley, hoffte
zwölf deut chen Divi ionen den Rückzug weg verlegen zu können652•
Hierzu ollte da XIX. US-Korp al linker »Zangenarm« der 1. US-Army
weiter in nordo twärtiger Richtung über Cambrai angreifen, das Vll . US
Korp aber nun nach orden auf Mon umschwenken653•
Das VII. U ..Korp durch tieß die nur » tützpunktartig besetzte Linie«6s..
und erreichte am 1. September von Vervin aus bereits den Raum Avesnes
ur Helpe655• Da I. SS-Panzer-Korps wurde hierdurch nach Osten abge
drängt. Keppler Korp der linke Flügel der Panzerarmee entging so der
ink elung und etzte sich hinter die Maas ab.
ur noch etwa SO Kilometer trennten die Angriffsspitzen des VII. US
Korp von denen des in der Lücke der deutschen Front vorstoßenden
XIX. U -Korps bei Cambrai656• Drei deut ehe Armeekorps mit zehn
Division -Kampfgruppen657 befanden sich zwischen beiden auf den Raum
Mon zielenden Offensivachsen der 1. US.. Army.
Da auf General Krügers Gefechtsstand (LVITI. PzK) bei St. Quentin nur noch
überholte Befehle d Pz. AOK 5 aber keine aktuellen Lageorientierungen
mehr eintrafen timmte er Bittrich (II. S -PzK} Vor chlag zu, auf eigene
Faust zu handeln65 . Eine rasch anberaumte B prechung mit General Strau
be ( LXXN. AK) bestätigte den Eindruck, daß die Amerikaner in der Mitte
vor der Front der drei Armeekorp nur chwach nachdrängten659. Späh
trupp und alliierter Rundfunk - die einzigen achrichtenquellen660 -
6S7 LXX IV. AK mit: 18. Lwfeld, 6. sj. Div. LVIII. Pz.K mit: 348. Inf. 3. Fsj. Div.;
·
II. -PzK mit: 47., 275. Inf.Div., 1. 12. 116. Pz.Div. Vgl. KTB Pz.AOK 5
·
Anlage 72 vom 1. 9., RH 21-5/53, . 99. Di e Angaben sind jedoch nur ein
Anhalt, da die Divisionen z. T. über einen weiten Raum zersplittert eingesetzt
waren. o befand sich bei pielswei e beim LXXIV. AK zusätzlich das Art. Rgt.
der 49. lnf. Div., beim LVIII. PzK die »Kampfgruppe v. Aulock«. Ein Batail
lon der 348. Inf. Oiv. dagegen kämpfte im Bereich des AOK 15 die •Gruppe
Meyer• der 12. -Pz. Div. beim 1. -PzK.
6s KTB LVlll. PzK vom 1./2. 9. RH 24-58/10
. 22 f.
6
59 Krüger, LVIII. P1..K, M -B-157 . 8 f.
660 Ebd.
111. Führung ent cheidungen und Operation verlauf 223
informierten die deutschen Stäbe darüber, daß die Gefahr vielmehr aus
eiden tiefen Flanken drohte.
och am 1. September entschlossen ich die Kommandierenden Genera
Je gemeinsam zum »Durchbruch« nach ordosten bis in den Raum ivel
lc (25 km südlich von Brüssel)661• Trotz des ra chen eigenverantwortli
chen Handels waren die Erfolg aussichten, den noch rund 70 Kilometer
entfernt liegenden Raum Mons zu passieren, zumindest für die schwerfäl-
•gen Infanterieverbände gering.
I General K rüger am nächsten Tag Kommandeure und Generalstabsof-
iziere zur mündlichen Befehl ausgabe versammelte662, hatte sich heraus
gestellt, daß die Amerikaner inzwischen von Avesnes bis zur Sambre (Mau
beuge) und über Valenciennes bis in die ähe von Mons, das noch von
einer Kampfgruppe der 9. SS-Panzerdivision verteidigt wurde663, vorgesto
ßen waren.
Wie Bittrich gegenüber dem Kommandeur der 47. Infanteriedivision äußer
te konnte es lediglich darum gehen, »möglichst viele Menschen aus die
<iem chiauch [zu] retten«�. Der »Schlauch« war aber zwischen Mons
und Maubeuge nur noch rund 20 km weit geöffnet.
m 2. September begannen die Ausbruchversuche. Motorisierten Einheiten
gelang es noch zu entkommen: o etwa den Kampfgruppen der drei Pan
zerdivisionen {1., 12. SS-, 116. Pz.Div.) die Bittrichs Korps unterstellt waren.
)ie erreichten - z. T. durch die nach orden stoßenden OS-Kolonnen hin
durchfahrend - den Raum ostwärts von Maubeuge-Beaumont66>.
Unter persönlicher Führung Krüger brach am 3. September morgens der
tab des LV III. Panzerkorps durch. ördlich von Maubeuge passierte er
die »letzte offene Stelle der Feindein chließung«666• Auch die Generalkom
mandos des LXXIV. Armeekorps und des II. SS-Panzerkorps konnten sich
der Einkesselu ng entziehen. Dann aber ging das V II. US-Korp entlang
der traße Mauheuge-Mons in Stellung und sperrte die Fluchtroute. Die
1. US-Infantericdivision stieß in den Ke el vor667, der den Resten von
ech deutschen Divisionen (3. Fsj., 6. Fsj., 18. Lwfeld, 47. Inf., 275. Inf.
348. Inf. Div.) zum Schicksal wurde {Karte 17). Bei der anschließenden »Säu
berung« wirkten belgi ehe Resistancegruppen tatkräftig mit668•
!Xtt
KTB LV III. PzK vom 1. 9. RH 24-58/10 . 22 f.
� General Straube übernahm al Rangält ter die Gesamtführung der provi ori eh
gebildeten •Armeegruppe Straube((. Die Verbände des LXXIV. AK (18. Lwfeld-
6.F j. Div.) wurden d halb Krüger zusätzlich unterstellt, vgl. KTB LVlll.PzK
vom 2. 9. RH 24-58/10 .24.
661 KTB Pz. AOK 5 vom 2.9. RH 21-5/52 . 45.
664 � ahle 47. Inf.Oiv. M -B-176 . 17.
6!STagesmeldung für den 2.9., B � t Ia r. 7623/44 RH 19 IV/55 .52ff.
666 KTB LV III.PzK vom 3. 9. RH 24--58/10 . 27.
667 Blumen on, Breakout, S. 682 f.
661 Wahle, 47. Inf. Div. M -B-176, . 21 ff.
224 11. Die Ereigni e um Pari
° KTB LXXXIX. AK vom 1.9. RH 24-89/10 . 5/2. Die Datierung ist jedoch
un icher. Der •Gefecht berichte wurde erst am 20.9.1944 verfaßt.
1 timmungsbericht de Admiral iederlande G 25312 F lll für den Zeitraum
3.-21.9.1944, RM7/131 S.492ff.
2 KTB LXXXIX. AK vom 1.9., RH 24-89/10, . 5/2
Eine Kopie dieses Aufrufs erhielt der Verfasser von Herrn Brigadegeneral
H. Model
.. Brief Model vom 4. 9.: •Gerade jetzt muß durchgehalten werden[... ], da gibt
dann die Ent cheidung ( ... ] Eine turbulente Zeit! Trotzdem durch!•, Privat
archiv Model.
6SS Ferng pr. pcidel-Warlimont vom 3.9., 2 3.35 h RH 19 IX/89 . 38 f.
226 Teil B: Der Rückzug de � theer bi zum Höhepunkt der Krise
J3)lU1J<
0 10 20 30 40 SO km
----===---.c==----
lll. Führungsentscheidungen und Operationsverlauf 227
228 Tea B: Der Rückzug d � theeli bi zum Höhepunkt der Kri e
1iehen de Pz. AOK 5 nun den ge amten Ab chnitt bi hinab nach Char
leville übernahm716, war vollauf damit au gela tet, aus ver prengten Ein
heiten »Kampfgruppen« zu bilden717• S in Problem bestand zunächst dar-
n den Raum üdlich de Albertkanal bi amur überhaupt führung -
techni eh wieder in den Griff zu bekommen71 • Lediglich am linken
rmeeflügel hinter der Maa (zwi chen amur und Charleville) exi eier
te noch eine »Frontlinie«, die vom ange chlagenen I. SS-Panzerkorps aller
ding nur »außerordentlich dünn be etzt«719 \Var.
ufgrund dieser Lage hielt es Model für möglich, daß»Panzer pitzen jeder
tteit au dem Bereich der 7. Armee nach 0 ten« durchstießen. Oe halb ei
die » ofortige Besetzung des Westwall « nun »dringend erforderlich«720•
Doch der Ein atz der er t am Tag zuvor mobilisierten721 Einheiten de
Ersatzheere konnte nur ein otbehelf ein. Jedenfalls zweifelte der Stab -
chef der Heer gruppe, ob die» icherungen an der Grenze[ ...] tark [genug
eien] um einen Stoß der Engländer in das Industriegebiet [der Ruhr] auf
/uhalten«722. Deshalb mü e chnellsten »etwas für den Nordflügel getan
\verdcn«723 (Karte 18).
och am 4. September übermittelte Model seine Forderungen dem OKW
•mit der Bitte um Vorlage im Original an den Führer«. Der Feldmarschall
chätzte die »tat ächliche Kampfkraft« der 7. Armee724 nur noch auf »3/ 4
Pz. Div. und 1 1/2-2 Inf. Div.«.
Bi zum 15. eptember müßten de halb »minde ten [ ... ] 10 [Inf.]Div. und
5Pz. Div.« zugeführt werden. ein ach atz »andernfalls ist das Tor nach
ordwest·Det�tschland offen«72s be chrieb die verzweifelte Lage treffend.
Die e Fe t tellung würde zumind t in den näch ten ent eheidenden Tagen
Gült igkeit behalten, da die angeforderten Verbände - wa Model wohl
\vußte - nicht vorhanden waren.
Die Ziele die i enho,. er einen Armeen am 24. Augu t ge teckt hatte,
waren in den ersten eptembertagen bereit weitgehend erreicht. Die Leich
tigkeit d eigenen ormars he und die Anzeichen der Auflö ung auf
deut eher eite nährten die iege zuver icht im alliierten Lager. ach der
wöchentlichen Feindlagebeurteilung d HAEF- tabe vom 2. eptem
ber teilte die deut ehe Armee nur noch eine »Anzahl flüchtender de or
gani ierter und demoralisierter Kampfgruppen darc/26• Auch am üdflü
gel ah man keine größeren chwierigkeiten: obwohl ich die Lage der
1. deut chen Armee an der Mo el unterde en ja gefe tigt hatte erwarte
te Parton erst im Bereich d e t\vall wieder auf tärkeren aber über
windbaren � ider tand zu treffen727• Der Oberbefehlshaber der 7. US
Army Gen.Lt. Patch hoffte ogar, die 19. deutehe Armee noch vor Errei
chen der Burgundi chen Pforte ( » Belfon gap«) abzuschneiden72 • Ange-
icht des vermeintlich unmittelbar bevor rehenden ieg brach die tra
tegiekontrover e erneut auf.
G tützt durch den Erfolg, der in der Pha e •eindeutiger« chwerpunkt
bildung (24. Augu t-4. eptember) erzielt worden war, drängte Mont
gomery abermal darauf, d in der •Po t-OVERLORD«-Konzeption
kizzierte Prozedere nun endgültig im inne d » ingle:rhrust«-Plan ab
zuändern.
hne im einzelnen auf die langwierigen Au einandersetzungen729 einge
hen zu wollen bleibt � tzuhalten daß Ei enhower hierzu aus dem bereits
erwähnten, vielfach verwobenen Geflecht von Gründenno heraus nicht
bereit 'War. Er zeigte ich im Gegenteil dazu ent chlo en, wieder ganz der
ursprünglichen - allerding auf einer völlig anderen Beurteilung der deut-
chen Wider tand kraft beruhenden - »Po t-OVERLORD«-Planung zu
folgen.
720 The German Army " ,.no Ionger a coh ive force but a number of fugitive
battle grouphort of equipment and arm zit. nach:
•, acOonald iegfried
Line . 14.
727 Pattons Befehl an die 3. U -Army vom 5. 9., vgl. Cole Lorraine . 55.
72 iehe hierzu KTB 7. U Army vom 2./3. 9. owie Wilt, Riviera, . 150f. Gen. Lt.
Patch 7. U -Army unte�tand noch dem Oberbefehl haber d Mittelmeer
krieg chauplatzes Gen. Wil on. Erst am 15. 9. 1944 wurde Patch Armee und
die franzö i ehe Armee de Gen. Jean de Lattre de T igny (Fran1ö i ehe
Armee B ab 15. 9. umb nannt in: 1. Franz. Armee) in der 6. Heere gruppe
(Gen. Lt. Jacob L. Dever ) zu ammcngefaßt und HAE (Ei cnhower) unter-
teilt.
71.9 Vgl. hierzu etwa: ·lli , V ictory, Vol. li, . 7 ff.; Pogue uprcme Command,
. 253 ff.; Blumen on, Breakout, . 687 ff. Ambro c, '"i enhower, . 39-48.
·
?.}()
gl. hierzu: Kapitel B 111 2 a.
IV. Die Grundlagen der weiteren Kampfführung 233
Ei enhower war der Überzeugung, daß ich bei dem »in Laufen« gekom
menen Gegner731 an der »gesamten Front« Zeichen eines »Kollap es« zeig
ten732. Deshalb, o eine chlußfolgerung, komme e nun darauf an, » o
bald wie mögli�ch« die »Siegfried Line« vor dem Ruhr- und dem Saarge
biet zu durchbrechen und beide Industriereviere einzunehmen733• Durch
die weit au einanderliegenden Schwerpunkte wollte er den Gegner zur Über
dehnung einer verbliebenen chwachen Kräfte zwingen7·H. Auf alliierter
eite rechnete man wohl damit, daß die Deut chen ver uchen würden sich
am We twall zur Verteidigung einzurichten doch billigte man dem offen
sichtlich kaum Erfolg chancen zu. Jedenfalls lagen die Ziele, die den alli
terten Armeen Anfang September g teckt wurden, bereit am Rhein735•
Ent cheidend in die em Zusammenhang war, daß in der »Endphase des
Feldzuge « die Ei enho\ver Meinung nach begonnen hatte, Patton 3. US-
rmy die »Unter tützung offensive« am Südflügel nun wiederaufnehmen
ollte736•
Damit war nicht nur die Schwerpunktbildung im orden aufgehoben, on
dern das implizierte auch daß der Vormarsch sich insgesamt verlangsamen
\vürde. Denn die ohnehin chon be rehenden logistischen Probleme hatten
ich mit dem >Pur uit«, der türmi chen Verfolgungspha e der letzten Tage
und dem damit verbundenen immer Stärkeren Auseinanderklaffen zwi chen
ur prünglich konzipiertem (d. h. nachschubtechnisch vorbereitetem) und
tat ächlichem Vormar eh weiter verschärft737• ach den Planungen ollten
am 4. eptemb r 12 US-Divi ionen an der Seine stehen. Statt dessen waren
aber bereit 16 US-Verbände z. T. rund 240 km über den Fluß hinau nach
731 »The enemy i routcd and running on our entire front« Ei enhower an Mar
hall vom 2. 9., vgl. Papers of Ei enhower IV . 2111 f.
n2 •Enemy re istancc on the entire front
how sign of collap .« Eisenhower
Directive vom 4. 9., ebd., . 2 1 1 5 f.
7·H Unterdessen ollten die ihm noch nicht {erst ab 15. 9.) unter tehenden ORA
GOO -Kräfte über B ancon-Dijon auf Belfort-Epinal vor toßen ebd.
73� Pogue, upreme Command S. 258 ff.
ns
Die 2. Brit. Armee ollte auf Arnheim-Wesel, die 1. U -Army auf Köln-Bonn
vorstoßen. Ein Korps der Armee Hodges ollte durch die Ardennen auf Koblenz.
vorgehen um o die Lücke zur 3. U -Army zu chließen. Die 3. US-Army Pat
ton erhielt den Raum Mainz-Mannheim zugewi en. vgl.: Konferenzen der
alliierten Oberbefehlshaber vom 2./3. 9., Elli , V ictory Vol.ll . 7f. und Mac
Donald, iegfried Line . 36 f.
736 »I now deem it important to get Patton moving once again [... ] to carry out
the original conception for the final tage of this campaign.•, Ei enhowcr
Memorandum vom 5. 9. vgl. Paper of Ei enhower IV . 2 1 2 1 f.
Y1
7 Ei enhower hatte die Auswirkttngen der achschubkri e erkannt. Er ah aller
ding darin, daß die Deut chen eine Verlang amung der alliierten Offensiven
zur Reorganisation der Verteidigung am WestVJall »oder am Rhein• nutzen könn
ten eher eine •potentielle Gefahr«. eine chlußfolgerung« lautete: »we mu t
•
now as never before keep the enemy trctched everywhere« , Ei enhower an Mar-
hall vom 4. 9., vgl. Paper of Ei enhower, IV . 2 1 1 8 f .
234 Teil B: Der Rückzug de We theere bi zum Höhepunkt der Kri e
ten vorge toßen7l . Die Errichtung von Zwi chendepot konnte mit
dem ormar chtempo nicht chritt halten. Obwohl die 3. US-Army ihre
Offen ivc am 31. ugu t unterbro hen hatte, blieb die Ver orgung d lin
ken, weiter angreifenden lügel trotz aller Au hilf maßnahmen unzurei
chendn9. Die 1. U �Army erhielt mit rund 3000 Tonnen pro Tag weniger
al die Hälfte de Geforderten7�0. Am 2. eptember kamen zwei ihrer drei
Korp , das . vorübergehend und da XIX. für vier Tage in Belgien wegen
Treib toffmangel zum tehen741. Auch General Dempsey mußte ein
Korp {V III.) der 2. Brit. Armee zwei Wochen lang w dich der Seine» eil
leg n« um zu ätzliehen Transportraum für den Frontnach chub zu ge,vin
nen742. Ei enhow r Ent cheidung, nun auch am Südflügel die Offen ive
wiederaufzunehmen lag al o nicht etwa eine tabili ierung des logi ti chen
y tem zugrunde. ie bedeutete de halb de facto nur eine Aufteilung des
ohnehin zu knappen ach chub .
Da ent heidende logi ti ehe Problem lag, wie erwähnt, im Tran port-
ektor. Die Hauptum chlagplätze Cherbourg und die ormandie trän
de \varen mittlerweile über 700 km von der Front entfernt. Die Häfen,
die die alliierten Truppen inzwi chen erobert hatten trugen nicht zur
Lö ung die e Problem bei. Die galt owohl für die eine- bzw. K analhä
� n (Rouen Fecamp, Dieppe743) al auch für Toulon und Mar eille.
Die beiden »Verteidigung bereiche« am Mittelmeer hatten entgegen den
Hoffnungen der deut chen Führung74.. nur wenige Tage dem Druck der
Belagerung \vider tanden. chon am 28. Augu t morgens wurden beide
den Franzo en übergeben. Gen. Lt. chaefer kapitulierte in Mar eille, Kon
teradmiral Heinrich Ruhfu in Toulon745•
Die Gewinnung zu ätzlicher Hafenkapazität war ein wichtiges Argument
der Befürworter der Operation DRAGOO gewesen. Zwar konnten Mar-
eille und Toulon we entlieh früher al geplant eingenommen werden7 ..6 ,
doch verhinderte die nach deut eher An icht »bei pielhaft« durchgeführ
te Zerstörung der Hafenanlagen747 die ofortige Inbetriebnahme. Erst am
15. eptember dockten die er ten Liberty- chiffe in Marseille an7... Weder
Mar eille noch Toulon waren al o in der ent eheidenden er ten Septem
berhälfte für die alliierte K ampfführung von utzen.
Die eroberten Häfen lagen entweder zu weit von der Front entfernt, hat
ten eine zu geringe Kapazität oder fielen aufgrund der Zer törungen ganz
oder vorübergehend al Um chlagplätze au .
Ander jedoch Antwerpen: eine Lö chkapazität hätte e mühelo ermög
licht, 54 Divisionen täglich zu ver orgen7 ..9 und damit O\.vohl den briti-
chen al auch den amerikani chen ach chubbedarf zu decken750. Der
utzung des funktionsfähig eroberten Hafen mußte lediglich noch die
)) äuberung« der Scheidemündung vorangehen. Die e Unterfangen wäre
bei ra eher und kon equenter Schwerpunktbildung in den ersten eptem
bertagen ebenso mühelo durchzuführen gewe en. E i t de halb - au
der Ex-Po t-Betrachtung herau - nur chwer verständlich, daß Eisenho
wer dennoch der Eroberung Br t weiterhin hohe Priorität zumaß751.
Die Offen ive auf die bretoni ehe Hafenstadt, die ein ver tärktes US
Korp 752, Luftwaffen- und Marine treitkräfte band und schließlich mit
rd. 10000 Mann chwere Verlu te ko tete753 entsprang in den Augen man
cher US- ach chuboffiziere »dem blinden F thalten an einer bereit über
holten Planung«754. Die Meinung Bradleys und Pattons755, wenn die ame
rikani ehe Armee eine Operation er t einmal begonnen habe, mü e ie
die e auch zu Ende führen756 mag in der siege gewi en Stimmung der
er ten Septembertage durchau Gewicht gehabt haben. Sie deutet jedoch
auch an, daß die Eroberung Bre t chon damal nicht als operativ wich
tig betrachtet wurde, daß ie im Grunde nutzlo war.
� orin letztlich auch die gegenteilige Überzeugung begründet lag, ob ihm
um die Au chaltung der »fanati chen« Festungsbesatzungl57 unter Gen. Lt.
Ramcke ging oder in er ter Linie au »Sicherheitsgründen« um die Ein
nahme eines »Re ervehafen «75 - beides Argumente mangelnder Strin
genz759 - ent cheidend ist daß elb t ein unzerstört Bre t in keiner Wei-
7"'9Ebd. . 49.
1sc Ebd. . 104 f.
7\J Bei den Zielen die Ei enhower der Central Group of Armies (12. H. Gr.) am
Korp an den neu eing etzten tab der 9. U -Army unter Gen. Lt. William
H. imp on ab.
76 Blumen on, Breakout, . 656.
757 Ruppenthal upport I, . 536.
7�� Blum en on, Breakout . 656.
7S9 Mo hte die Garni on Brest in der Defcn ive auch noch o ,.fanati eh« kämpfen,
o teilte ie do h keinerlei Bedrohung dar da ein größerer ffen ivein atz für
236 Teil B: Der Rückzug de Westheeres bi zum Höhepunkt der Krise
-
IV. Die Grundlagen der weiteren Kampfführung 237
nt
3. U -Army G 2 E timate vom 28. 8., vgl. Pogue, upreme Command 0 245.
772 Über die nicht rein militäri eh-operativen Gründe die Ei enhower dies Kon-
zept nahelegten, iehc Kapitel B 111 2 a.
23 Teil B: Der Rückzug de � theer bi zum Höhepunkt der Kri e
OKW rechnete man damit, daß der Gegner wegen seines Vormarsches auf
breiter ront ach chubprobleme bekommen würde774• Da Hitler die-
en Zeitpunkt herannahen sah, befaßte er ich - ungeachtet der drama·
ti chen Ver chlechterung der Frontlage - nun vorwiegend mit Überle
gungen wie das» teuer herumzureißen« und die Initiative wieder zu ergrei
fen ei77>.
Innerhalb weniger Tage entstand die Konzeption eines Flankenangriffs, der
unmittelbar au der Rückzugsbewegung herausgeführt werden ollte776•
Hierbei piel'te offensichtlich der Vorschlag, den Model am 24. August unter
allerding völlig anderen Ausgang bedingungen gemacht hatte, nämlich
»7-8 Panzerdivi ionen« am linken Flügel der 1. Armee zu konz.entrie
ren777 eine ent cheidende Rolle77 Was bereits Ende Juli deutlich gewor·
•
den war, bekam nun schärfere Konturen: die Absicht Hitlers, durch eine
Gegenoffen ive im We ten »die Wende« herbeizuführen.
Hitler Auffa ung, von der Entwicklung auf diesem Schauplatz hänge
»Deut chland chick al« ab, de halb mü e hier der strategische chwer·
punkt liegen und die entscheidungssuchende Gegenoffensive unternom·
men werden779, wurde durch folgende »Argumente« gestützt: Mit dem
noch vorhandenen deutschen Krieg potential glaubte Hitler nur im Westen
noch zu einem durchschlagenden Erfolg kommen zu können. Hier war
im Vergleich zum östlichen Krieg chauplatz die Anzahl der gegnerischen
Verbände gering und der Kampfraum »geographisch« begrenzt. Außerdem
nahm Hitler an, die westalliierte Führung ei in Krisenlagen besonder
,.anfällig«7 0• Die Hoffnung auf den »Bruch« der gegnerischen Koalition
hatte ich inzwi chen bei ihm zu fe ter Überzeugung verdichtet'81•
Hider Vorstellungen kristallisierten ich während der »Mittagslage« am
1. September deutlicher heraus. Den Raum westlich der Vogesen - von
793 Al Gen tChef der 9. Armee in der Zeit zwi chen Januar 1942 und März 1943.
79• Im Zeitraum zwischen dem 31. 8. und 3. 9. waren die drei Generale in Rasten·
burg.
79S Zimmermann, OB We t M :f-121 B VI, S. 2007 f., und Wcstphal in: Greiffen-
797 Ebd.
798 Gez. Adolf Hitler, WF t/Op. r. 773 189/44 vom 3. 9., zit. nach OB West I a
r. 795/44 RH 19 IV/55 . 63 f.
799 Ebd. Hervorhebung im Original.
a 0Covcnrrt
ONot-ltJ;nptono ( a...
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IV. Die Grundlagen der weiteren Kampfführung 241
Pz.-Lehr 11. Pz, 21. Pz. 3. Pz.Gren., 15.Pz.Gren. 17. S -Pz.Gren.Div. und
die Panzerbrigaden 106 107, 108 111 112, 113.
05
Vgl. hierzu: T ätigkeit bericht Heere personatarnt S. 233 ff.
� Alman Eichenla.ub S. 116 f.
07 Gerade in den letzten Tagen hatte sich die Überforderung Dietrichs deutlich
gezeigt, Vgl. hierzu: per . chreiben Gen. d.Pz. Tr. Krügers an Dietrich vom
10.9. KTB LV III.Pz.K Anlagen RH 24-58/11 S. 214 f.
· 7. Pz. Div., Pz. Gren.Div. ,.Großdeut ehland«.
� chramm, Ardennenoffen ive MS-A-862, . 128.
10
1. 2., 9 ., 10., 12. SS-Pz.Div., 2. 9., 21., 116. Pz.Div., Pz.-LehrDiv. und 3.,
15. Pz.Gren.Div. Vgl. OB West Ia r. 7588/44 vom 2.9., RH 19 IV/55, . 31.
1
Cez. Kreb Obkdo H.Gr. B Ia r. 6973/44 vom 5. 9., RH 19 IX/5 S. 497.
Gen. Patton hatte die 2. Pz. Oiv., deren Kommandeur v. Lüttwitz zuvor ge
we en war, al be te deut ehe Panzerdivision im Westen bezeichnet. Vgl. Cole,
Lorraine, S. 49.
13 Die mag mit ein Grund dafür gew en ein daß die Oberbefehl haber im
Wc ten dann er t pät vom Ardennenplan in Kenntni gesetzt wurden.
L
242 Teil B: Der Rückzug de � e theer bi zum Höhepunkt der Kri e
Wenn der Plan überhaupt reali iert werden ollte, mußten nach Models
n icht radikale Maßnahmen ergriffen werden. Dementsprechend bean
tragte er ofort der Armee v. Manteuffel bis zum 10. September drei Pan
zerdivi ionen au dem 0 ten zuzuführen 16•
Die hiermit wohl verknüpfte Ab icht, über Guderian, der diese Forde
rung »natürlich« ablehnen mußte Hitler Konzept zumindest abändern
zu Ia en, zer chlug ich denn der Chef de General tabs de Heere teilte
Hitler Überzeugung: er »belehrte« General Kreb , ein >>Erfolg auf dem
linken Flügel [werde][ ... ] ich mit Be timmtheit auf Mitte und ordflü
gel auswirken« und de halb müßten »möglichst alle Panzerkriifte zu am
mengefaßt auf dem üdflügel zum Ein atZ« kommen817• Guderians Anlie
gen be tand im lntere e » einer« (nämlich der 0 r-) Front darin daß die
Angriffoperation im Westen möglich t rasch durchgeführt wurde um noch
vor Einbruch der Fro tperiode und der dann zu erwartenden owjeti chen
Winteroffen ive \vieder Reserven für den 0 ten freizubekommen 1 • Auch
hierau erklärt ich warum Hitler bereit um die Monatswende August/
eptember al die weitere Lageentwicklung noch völlig ungewiß war kei
n fall aber ge icherte Planung grundlagen exi tierten, darauf drängte den
»ent cheidenden« chlag vorzubereiten 19•
Ander al auf alliierter eite bewertete man im OKW den »gänzlich uner
\Varteten« 2° Fall Antwerpen al »operatives Ereigni ersten Ranges« 21•
Auch Hitle,r erkannte daß mit der Einnahme de Hafen etne ge amte
))Fe tung konzeption<< zu cheitern und damit die Hoffnung auf einen aJli
iertcn Vormar eh top au ach chubgriinden illu ori eh zu werden droh-
1" Gez. Blaskowitz bkdo AGr. G Ia r. 2418/44 vom 3. 9., RH 19 XII/8 . 48.
15 erngespr. Jodl-Model vom 2. 9. 13.30h RH 19 IX/89 . 24f.
16 Gez. Model Obkdo H. Gr. B la Ir. 6912/44 vom 3. 9. RH 19 IX/5 . 477.
17 Fernge pr. Kreb -Guderian vom 4. 9., 18.55 h� RH 19 IX/89, . 56(.
1 Generalober t Heinz Guderian 0 t- und � tfront M -T-42 . 35 f.
19 � enn er auch jodl am 6. 9. zug timmt hatte daß ein Großangriff im Wc ten erst
ab dem 1. 11. in Frage komme (vgl. � arlimont, Hauptquartier . S06f.) o war er
doch ent chl cn, jede ich früher bietende-vermeintliche- Chance zu nutzen.
10 � arlimont Hauptquartier . 506.
11 chramm, Ardennenoffen ivc M -A-862, . 22.
IV. Die Grundlagen der weiteren Kampfführung 243
»Auf Befehl des Führers habe ich mit dem heutigen Tage den Befehl al Ober
befehl haber We t wieder übernommen [...]Ich bin überzeugt, daß jeder
inzelne [ ... ] weiß worum e geht! Ich vertraue auf Euch wie die ganze
Heimat ihr Vertrauen in Euch etzt 29.« Die en Appell830 richtete Rund
tedt an die oldaten des We theer , nachdem er am frühen Abend des
5. eptember im Gefechtsstand Arenberg bei Koblenz eingetroffen war 31•
eine W iederein etzung w urde von der Truppe freudig begrüßt. Der Auf
trag, den Rund tedt im »Führerhauptquanier« in mündlicher Form erhalten
hatte, war kurz: e galt vor allem das Vordringen de Gegner oweit west
li h wie möglich aufzuhalten. Gleichzeitig aber ollte die Offen ive aus
dem Raum vor den Voge en vorbereitet werden832.
Die eigene Kräftesituation allerdings war erschreckend: ur 13 Infanterie
und drei Panzerdivi ionen owie zwei Panzerbrigaden wurden noch als
»vollkampfkräftig« beurteilt. 42 Infanterie- und 13 Panzerverbände dage
gen waren »ange chlagen« »abgekämpft« »aufgelö t« ( ieben Infanterie
divisionen) oder befanden ich »in Auffrischung« (neun Inf., zwei Panzer
divi ionen) 33• Die Heeresgruppe B verfügte noch etwa über 100 Kampf
panzer83,..
Abgesehen von der alliienen Luftherrschaft war auch die gegneri ehe Über
legenheit zu Lande eindeutig: nach Beurteilung de neuen OB We t tan-
8H
Ebd.
)6 Pogue Supreme Command S. 248.
37 Ebd.
Vgl. Pogue, Supreme Command, S. 248, Anm. 10 und W ilt, R iviera, S. 160.
39 Verluste de Feldheeres vom 1. 6. 44-10. 1. 45, Der Heeresarzt im OKH,
GenStdH/GenQu Az 1335 c/d, zit. nach: Jung, Ardennenoffensive, Anlage 5.
40 Brest: 37000 Kanalinseln: 31000, St. Nazaire: 28000, Lorient: 27000, La Rochel
le: 11000 Le Havre, CaJais und Dünkirchen je: 10000, Boulogne: 9 900, Gironde
festungen: 9 000, Cap Gris ez: 1600 (vgJ. hierzu: Ellis, V ictory, II, S. 66; KTB
OKW IV/2, S. 376; Meldungen über Stärken und Bevorratung der Fe-
tungen an OKWIWF t, RW 4/v. 632, S. 67ff. und 81). Zu den 185000 Mann ka
men weitere ca. 30000, die für die og. Schcldefestungen, Ijmuiden und Hoek van
Holland vorgesehen waren (vgl. hierzu: Meldungen[ ...) an OKW/WFSt, RW
4/v. 632 S. 70; Ellis, V ictory, li, . 104 und 115; Montgomery, Normandie,
. 233. Die Verteidigung von Cherbourg, St. Malo, Mar eille und Toulon hatte
die deut ehe eite zu di em Zeitpunkt bereit rund 64000 oldaten gekostet.
41
HAEF G 2-Beurteilung für die Woche vom 3.-9. 9. vgl. Pogue, upreme Com
mand . 283.
842
Ebd.
246 Teil B: Der Rückzug de We theer bi zum Höhepunkt der Krise
In der Tat war der dem We theer durch die Zer chlagung ein Großteils
einer erbände ent tandene Kampfkraftvertu t durch »Ad-hoc-Maßnah
m n« ni ht mehr u zuglei hen.
Dem »Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegsein atz«, Dr. Goeb
bel war e mittel drasti eher, aber an cheinend in der Bevölkerung gene
rell akzeptierter 43 Eingriffe in W irtschaft, Rüstungsindustrie, Verwaltung
und kulturelle In titutionen8H innerhalb kürzester Frist gelungen, bis
zum 1. eptember rund 170 000 bisher »unabkömmlich« gestellte Männer
für den Ein atz in der Wehrmacht freizubekommen 45•
Unter An pannung letzter Reserven konnte dadurch wohl allein im August
die Er atzgestellung für da Ersatzheer auf rund 300000 Mann gesteigert
werden846• Doch das so gewonnene »Menschenpotential« wurde in erster
Linie zur Aufstellung fri eher Infanteriedivisionen im Reich, nicht aber zur
Deckung der Verlu te an der Front verwendet. Obwohl dies zur Folge hatte,
daß die kampferprobten Frontverbände mehr und mehr »ausbrannten«847,
be tand Hitler - nach Mansteins Worten in einer »rage du nombre«848 -
darauf, immer neue Verbände »aus dem Boden zu stampfen<<.
Man versprach sich offensichtlich eine Kampfwensteigerung davon, die sog.
Volksgrenadierdivisionen truppendienstlich849 Himmler zu unterstellen,
der dadurch seinem Ziel seiner »nationalsozialistischen Volksarmee«850 ei
nen Schriu näher kam. Diese neuen, nur noch rund je 11200 Mann starken
Verbände851, deren Offiziersdienstgrade auf Himmler Wunsch einer be
sonderen, vom übrigen Heer getrennten Personalsteuerung unterlagen852,
len Kriegs einsatzes vom 16.8.1944 Bestand •Höherer SS- und Polizeiführer
We t«, IfZ, MA 434.
•s Berechnet nach: gez. Keitel, Chef OK\"(1 Id r. 7/44 vom 11.11.1944 Wehrer-
atz durch den •totalen Kriegseinsatz in den Monaten August bis Oktober«,
RW 4/v.865 S. lOOff. Hiernach wurden dem Er atzheer im August und Sep·
tember 342 000 Mann durch die •Goebbel -Aktion• zur Verfügung gestellt. Hin
zu kamen 108000 Soldaten, die von Luftwaffe und Marine abgegeben wurden,
owie 79 000 »planmäßige Einziehungen« der Jahrgänge 1926/27.
46 Al ,. ormaJmaß« galten rd. 90000 Mann pro Monat. Die Höhe der Rate vom
August 1944 wurde auch im eptember erreicht. Vgl.: OKW Bestand/Verlu-
te der Wehrmacht, RW 4/v.481, S. 22.
47 Gez. Keitel, Der Chef OK W Id r. 7/44 vom 11.11.1944 RW 4/v.865 S. 100.
4 Manstein, Verlorene Siege, S. 309.
49 D.h.: di ziplinar-gerichtlich und ausbildung mäßig Tätigkeitsbericht Heeres
erhielten zwar eine relativ gute materielle Ausstattung853, doch waren ihre
chwächen, die bei nicht aufeinander eingespielter Führung und Truppe
uftretenden ogenannten »Kinderkrankheiten«, orher hbar.
ie traf in vollem Ausmaß auch auf die Panzerbrigaden854 zu, mit denen
itler eine Offensive führen wollte.
l ür die Führung im Westen aber war zunächst vor allem von Bedeutung,
1aß die Front vorerst keine fühlbare Entlastung erwarten durfte, da die
uf tellung der 41 neuen Infanterieverbände 55 erst im Juli und August
0 egonnen hatte.
a was Rundstedt zusätzlich neben den bereits herangezogenen Einhei
en des Er atzheeres sofort zur Verfügung stand, waren einige sogenannte
�F tungsbataillone«. In diesen Einheiten wurden seit Ende Juli 1944 nicht
mehr voll verwendungsfähige Soldaten und Wehrpflichtige zusammenge
faßt, die »noch[ ... ] zum Dienst in ständigen Befestigungen brauchbar wa-
cn<<856. Neun dieser schließlich über 200 aufgestellten Festungsbataillo
ne waren mittlerweile im Westen eingetroffen857•
ach den Informationen, die Rundstedt zunächst im »Führerhauptquar
tier« erhalten hatte, konnte er erst ab Mitte September mit einer nennens
\Verten Verstärkung des Westheeres rechnen. Für diesen Zeitraum war die
Luführung von vier Infanteriedivisionen, den (allerdings nur für den Süd
lüge} bestimmten) Panzerbrigaden {107, 108, 111-113) und 17 Festungs-
ataillonen zu erwartensss.
�} Allerdings war die Beweglichkeit eingeschränkt und auf Tro e wurde fast ganz
verzichtet vgl. Tessin, Verbände, 1 S. 88.
s.. Die Stärke dieser neu aufgestellten Verbände war unter chiedlich: Die Pz.Brig.
105-108 verfügten über je eine Pz. Abt. sowie je ein Pz. Gren.Btl mit 5 Kom
panien, die Pz. Brig. 111 und 112 über je eine Pz. Abt. und ein Pz. Gren. Rgt.
mit 6 Kompanien. Die Pz.Brig. 113 hatte außer der Pz. Abt. ein Pz. Gren. Rgt.
mit 8 Kompanien (vgl. Tessin Verbände, 1 S. 166 f.). Die Zahl der Panzer
chwankte zwischen 47 und 90 je Brigade. Die Panzerbrigaden 105-108 hat
ten je 11 P IV und 36 P V (Panther), die Pz.Brig. 111-113 je 45 P IV und P V.,
Gen. Insp. d. Pz. Tr r. 2920/44 vom 13. 9., RH 10/90, S. 78.
>s Der 29.-32. Welle (vgl. Tessin Verbände 1, S. 88 ff., und Mueller·Hillebrand,
Heer, Ill, S. 235 ff.). Ab Mitte September wurde die Aufstellung weiterer 6 Divi
ionen der 32. Welle befohlen. Als Hinweis auf den enormen Umfang der im
ommer 1944 angeordneten eubildung von Verbänden mag der Vergleich dje
nen daß zwischen September 1943 und Mai 1944 •nur« 37 Heeresdivisionen
aufgestellt wurden.
s6 Guderian, Erinnerungen, S. 327.
>7 Die Fest.Inf.Btl. 1406-1409, und Fest.MG.Btl. 26-30(0B West I a r. 7229/44
vom 23. 8. RH 19 IV/54, S. 87.). Zu den ab Anfang Augu t insge amt aufge·
teilten 33 F t. Inf. Btl. kamen 120 Fe t. MG.Btl., 41 Fest. Art. Abt. sowie 40
Luftwaffen-F t. Btl. (Berechnung d Verfasser nach Tessin Verbände, 1 ff.).
� Gez. Adolf Hitler, Weisung für die weitere Kampfführung OB West vom 3. 9.
z.it. nach: OB West I a N r. 795/44, RH 19 IV/55 . 63 f., und: OB We t I a
r. 766/44 vom 27. 8., RH 19 IV/54 S. 223 f.
Teil C
Die Entwicklung vom Höhepunkt der Kri e bi zum Über
gang zum Stellungskrieg im Westen - Das Kampfgesche
hen im September 1944
aufgrund der Tran portproblerne noch an der Seine tand6 • Auch bei
Horrock rechtem achbarn, dem XIX. US-Korp , konnte von zügigern
Vormar eh keine Rede ein. Hier war Treib roffmangel der ausschlagge.
bendc Grund. Der Oberbefehlshaber der 1. US-Army, GeneralHodg es,
hatte am 3. eptember ent chieden, daß zunächst der Spritbedarf des V. und
VII. USK- orp gedeckt werden mü e. Das XIX. USK - orps, das den linken
Flügel der 1. Fall chirmarmee zwi chenHasselt und Maastricht attackie
ren ollte, blieb d halb für mehrere Tage inaktiv 7 • Erst am 7. September
erreichte eine Cavalry-Group den Albert-Kanal. Weitere drei Tage vergin
��n, bi alle Verbände de Korps dorthin »aufgeschlossen« hatten8•
Ahnlieh wie an der Mo elfront bedeutete auch hier jeder verstreichende
Tag ein Gewinn für die Deut chen. Die Improvisationen größten Ausma
ß begannen ich au zuwirken: zumindest zwischenAntwerpen und Maas
tricht chloß ich die »offene Tür<< allmählich.
Noch am 5. September aber hatte die Situation ganz anders ausgesehen:
Gegen Mittag waren er t zwei der 17Brücken über den Albert-Kanal bei
Ant\verpen gesprengt9• Zu dem Zeitpunkt befanden sich vier Bataillone
der 719. Infanteriedivision in diesem Raum. Links davon stand eineKampf
gruppe die der Kommandeur der fast völlig zerschlagenen 85. Infanterie
division, Gen. Lt. Chili, aus zurückflutenden Versprengten mehrerer Ver
bände formiert hatte10• Weiter üdostwärts, zwischenHasselt und Maas
tricht, waren gerade die ersten vier Bataillone der Ersatzheer-Division
r. 176 eingetroffen 11•
Als Generaloberst Student, der erst frühmorgens vonBerlin aus abgeflo
gen war, im Gefechtsstand derHeeresgruppeB in der ähe von Verviers
bei Lüttich mit Feldmarschall Model zusammentraf, betrug die Kampf
kraft am rund 100 Kilometer langen Albert-Kanalabschnitt nicht mehr
als die einer verstärkten lnfanteriedivision.
Schon deshalh schien es zunächst fraglich, ob Students Auftrag, dieKanal
linie zu verteidigen und vor allem die »Enge bei Woensdrecht« für die
»Rücknahme der 15. Armee« offenzuhalten12, überhaupt zu erfüllen war.
Da die Briten aber nur vorsichtig vorfühlten, konnte sich die Lage der
1. Fallschirmarmee bis zum 7. September »weiter festigen«u. Die soge
nannten »Walküreeinheiten«, d. h. die restlichen sechsBataillone der Divi
sion Nr. 176 und 40 Flak-Batterien der Luftgaue VI und XI waren mitt-
11
Fernge pr. Ger dorff-Kreb von1 5. 9., 12.45h, RH IX/89, S. 69f.
12
Gez. Kreb Obkdo H. Gr. B I a r. 7006/44 vom 5. 9. RH 19 IX/5 . 507 f.
13 iehe dazu Tag meldung für den 7. 9., OB We t I a r. 7792/44 RH 19 IV/55,
. 232 ff.
I. Vom Höhepunkt der Krise bis zu den ersten Anzeichen 251
1 eile in cüe Front eingeflo en oder standen kurz vor den Ausladeräumen
bet Utrecht und Tilburg14• Ebenso rund 20000 Fallschirmjäger15, unter
ihnen jüngste Jahrgänge aber auch kampferprobte Soldaten16, die au der
\uf tellung in Bitsch, Güstrow (Mecklenburg) und Köln-Wahn herausgeris
en und in »Blitztran porten« nach Westen gefahren wurden. Die Heeres
fanzerjägerabteilung 559 hatte am Tag zuvor (6. September) in die Kämpfe
eangeg riffen und einen kleinen Brückenkopf, den die Briten bei Merxem,
vier Kilometer nördlich von Antwerpen gebildet hatten, zerschlagen 17•
'1it den ersten Abwehrerfolgen an der zunächst nur provisorisch errich
t"'ten Verteidigungslinie und dem energischen Eingreifen des täglich an der
� ront auftauchenden Generaloberst Student ver chwanden auch die Bil
er der Auflösung, die sich zuvor im mittel- und südholländischen Raum
czeigt hatten. ach dem Bericht de Admiral der iederlande trat diese
:Vende um den 6./7. September ein1 •
urze Zeit später begann die Offensive des XXX. Korp am Albert-Kanal.
er Guards Armoured Division gelang es, bei Beeringen eine Brücke un
er tört in die Hand zu bekommen und am Ostufer Fuß zu fassen. Trotz
chwerer Panzerverluste19 konnten die Briten den Brückenkopf gegen die
1ier verteidigende, durch zwei Kompanien der Panzerjägerabteilung 559
unterstützte Kampfgruppe General Chilis am 8. September kon olidie
rcn20 und den Vorstoß bis in den Raum Leopoldsburg-Hechtel fortset
len21. Der gegnerische Schwerpunkt lag a1 o -anders als es der Stab chef
der Heeresgruppe B, General Kreb , befürchtet hatte22 -nicht im Raum
\ntwerpen.
Vielmehr erhielt General Roberts an diesem Tag den Befehl, die Angriffs
versuche einer 11. Brit. Panzerdivision am ordrand der Hafenstadt abzu
brechen und statt dessen weiter im Osten, rechts an die Gardedivision ange
lehnt, zu attackieren23• Ausschlaggebend hierfür war Montgomerys Furcht
um die 0 tflanke, die -wegen des noch zurückhängenden XIX. US-Korps
ungedeckt - ihm anderenfall als zu gefährdet er chien24•
2 Die 50. Brit. lnf. Div. hatte unterd en einen Brückenkopf bei Geel gebildet.
26 Ferng
pr. Ia F .AOK 1-la H.Gr. B vom 8.9., 15.40h RH 19 IX/89, . 120.
21 Gen. Lt. Erdmann der tabchef der 1. Fall hirmarmee, führte di e rasch gebil-
dete Division.
2 ittag meldung H.Gr. B vom 10.9. RH 19 IV/46 . 57f.
29 Fernge pr. tudent-Kreb vom 1 0. 9., 11.35 h RH 19 IX/89 . 147.
30 Ebd.
IJ} Der Beginn des Rückztlgs der 15. A m1ee über die Westerschelde
t prünglich hatten die Pläne General v. Zangen ander ausgesehen. Eine
r
( ber etzoperat ion über die Scheide er chien ihm al wenig au ichtsrei-
1er Rettungsver uch37• Die Breite des Mündungsarms, der hohe Seegang,
vor allem aber die gegnerische Luftherr chaft und die Tat ache, daß die
Briten ja nur etwa 15 Kilometer von der Landenge bei Woensdrecht ent
ft'r nt tanden prachen in einen Augen gegen diese Möglichkeit38.
m 5. eptember mittag rief der Stellv. Chef de Wehrmachtführung -
tabe General Warlimont, bei der HeeresgruppeB an und teilte General
Kreb mit daß der »Führer« da »Herau ziehen der 15. Armee aus dem
Ein chließungsring [ ...] über V li ingen« ebenfalls nicht für möglich hal
t . einer (Warlimont ) Ansicht nach komme es deshalb darauf an, »mit
allen verfügbaren Kräften in Richtung Antwerpens durch[zu]brechen« und
den Gegner in der Flanke zu fassen«39•
Zangen Stab hatte unterd en bereit einen Plan entwickelt, der ich mit
tesen Vor telIungen deckte. Acht einer Divisionen sollten aus dem Raum
udenaarde nach 0 ten durchbrechen und dann nördlich anBrü el vor
bei auf Diest vor toßen, um hier wieder Anschluß an die Heere gruppe
B zu gew innen40• Die zwei verbleibenden Verbände waren für die Beset
zung Waleheren (70. Inf. Div.) und die Ver tärkung der Festung Dünkir
chen (226. Inf. Div.)41 vorge ehen.
1 eldmar chall Model chien die Ent cheidung der Frage - Durchbruch
oder Übersetzoperation - zunäch t General v. Zangen überlassen zu \.vol
len. Er drängte lediglich darauf, bald einen endgültigen Ent chluß zu tref-
cn und die en dann »mit äußer ter Tatkraft« durchzuführen..2• Offen
'ichtlich konnte ihn chließlich aber ein neuer tabschef General Kreb ,
davon überzeugen daß ein Durchbruch aussichtslo ei und statt de en
»Unter allen Um tänden« »der Weg nach orden über [die] Wester chelde«
ver ucht werden mü e43• Kreb ließ sich auch durch den abermaligen
Hinwei Warlimonts, Hitler erachte »eine Herau führung über [ ...] VIis-
ingen für nicht gangbar«44, nicht beirren.
Kreb , Auffassung erfuhr insofern Bestätigung al der Gegner im Raum
ntwerpen an cheinend keinerlei größere Offen ivab ichten hegte. Die An
griff versuche bei Merxem konnten am 6. eptember abgeschlagen werden,
Karte 19
0 50 m
I. Vom Höhepunkt der Krise bi zu den er ten Anzeichen 255
256 Teil C: Die ntwi cklung vom Höhepunkt der Kri e
46 Ebd.
47 Gefecht bericht des L XXXIX. AK, Eintrag für den 7. 9. 6.30 h RH 24-89/10,
. 6/2.
" Zangen, 15. Armee M -B-249 . 35 f. ..
49 Am 9. 9. wurde Gen. Lt. Höcker {17. Lwfeld-Div.) mit der teuerung des Uber-
etzen bei Terneuzen beauftragt, chwalbe behielt die Auf icht bei Bresken .
50 Ferng pr. 'J ühli ch-Kreb vom 8. 9., 17.55 h RH 19 IX/89, . 121.
SJ I c-Abendmeldungvom 6.9. H.Gr.Blc r. 3492/44 RH 19/IX/26, Teil 2 . 211.
s2 Die Häfen 0 tende und Blankenberghe waren zerstört und wurden von den
deut chen Truppen geräumt, vgl. KTB OB West vom 7. 9. RH 19 IV/46, . 39.
Karte 20
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•
I. Vom Höhepunkt der Krise bis zu den ersten Anzeichen 257
m Morgen des 9. September floß die 712. Infanteriedivision als letzte der
eun verbliebenen Divisionen der 15. Armee in den Brückenkopf ein53•
)er tab des OB West wurde von der günstigen Entwicklung an diesem
b chnitt offensichtlich überrascht: jedenfalls sah man erst jetzt, nach
em die Operation der 15. Armee »trotz aller Mängel in der Beweglich
eie« olche Fortschritte gemacht hatte, die Voraussetzung für eine nach-
1altige »Verteidigung der Schelde-Mündung«54 erfüllt. Man rechnete dar-
ber hinau nun mit der »Möglichkeit(<, die »Abwehrfront der 1. Fall
chirmarmee« verstärken zu können55•
Für General Crerar, den Oberbefehlshaber der 1. Kanadischen Armee, hatte
Herdings kaum eine Chance bestanden, energischer vorzugehen. Ihm wa
ren chon deshalb die Hände gebunden, weil sich seine von der Seinemün
dung bis in den Raum Gent operierende Armee befehlsgemäß zunächst
den deutschen Festungen zuwenden mußte. V ier seiner sechs Divisionen
aren vor Le Havre, Boulogne, Calais und Dünkirchen gebunden56• Das
linke Flügelkorps (XII.) der 2. Britischen Armee aber, das zunächst mit
1er Divisionen am konzentrischen Angriff auf die Scheidemündung teil
genommen hatte war am 7. September in den Raum Antwerpen-Geel
ver choben worden57• Die verbleibenden, bei Brügge und Gent eingesetz
ten zwei Panzerverbände (1. Polnische, 4. Kanadische Pz. Div.) reichten
tcht aus, um die durch künstliche Überflutungen zusätzlich geschützten
eutschen Brückenkopfstellungen ernsthaft zu gefährden.
e halb gelang es den Deutschen problemlos, die ersten Regimentsgrup-
1 en au der Front herauszulösen und an der Sperrlinie vor Terneuzen und
)re kens bereitzustellen. Bis zum 9. September waren vorwiegend Versor
:Jungseinheiten und rückwärtige Dienststellen in Stärke von etwa 31000
lann nach V lissingen und Hoedekenskerke transportiert worden58. Die
L'ber etzoperation für die Kampfverbände der 15. Armee, zunächst die
46. und 711. Infanteriedivision, begann in der folgenden Nacht59•
erwies sich rasch, daß die Hauptgefahr nun aus der Luft drohte. Bei täg
tch bi zu sechs Bombenangriffen auf die Anlegestellen60 waren Zeitver-
• ögerungen bei den Transporten über die Scheide unvermeidlich. Allein
Die e eldung war nicht nur zeitlich ondern in gewi er Hin icht auch
inhaltlich mit den Ereigni en um Le Havre verknüpft: der Ein atz der
1. Kanadi chen rmee an 320 Kilometer weit au einanderliegenden »Fron
ten« ver ionbildlicht den fehlenden chwerpunktgedanken in deutlicher
Wei e. Das wiederum erleichterte zweifello die Rückzug Operation der
15. Armee. ach der ersten »Zwi chenbilanz«, die Gen. Lt. Hofmann Krebs
gemeldet hatte blieb e nur noch eine rage von Stunden, bi Students
Fall chirmarmee eine er te Entla tung finden würde.
Die ich damit abzeichnende Fe tigung de rechten Flügel der We tfront
war für die deut ehe eite und da weitere Kampfge chehen in ge amt
icherlich von größerer Bedeutung al die Einnahme Le Havre für die
Alliierten ein konnte.
6l Tag meldung für den 10. 9., OB We t Ia r. 7916/44 RH 19 IV/55 . 322 ff.
62 Tagemeldung für den 11. 9. OB Wet Ia r. 7960/44 RH 19 IV/56, . 27ff.
63 EJli Victory, li . 14.
1>-4 Wildermuth wurde nach dem Kriege Bund mini ter für Wohnungsbau (1949
bi 1952}.
6S ontgomery, ormandie . 196.
66 Lc Havre wurde erst ab dem 9. 10. 1944 für größere ach chubtran portebenutzt
vgl. Elli ictory, ll, . 15.
67 erngepr. Ho fmann-Kreb vom 12. 9. 9.15 h, RH 19 IX/ 9, . 176.
68 � bd.
I . Vom Höhepunkt der Kri e bis zu den er ten Anzeichen 259
ni e hier ra
eh entwickelten: am gleichen Tag begann der »erwartete [US-]
ngriff nach 0 ten«76• Angesicht der prekären Kräftesituation ging es
Brandeoberger nur noch darum eine »Re tverbände so geschlos en wie
möglich für die Abwehr im We twall zu erhalten<<n.
Von amur au tießen die Amerikaner im Laufe de Tages ungehindert
im Maa tal weiter in Richtung Lüttich vor7 • Model genehmigte am
Abend die Ab etzbewegung der 7. Armee auf die Linie Hasselt-Huy
Bouillon79. Daß Hodge auch mit seinem rechten Flügel - die Maasstel
lung de I. -Panzerkorps - stark attackierte, überraschte die deutsche
Führung. Sowohl Jodl al auch die Verantwortlichen im Westen hatten viel
mehr damit gerechnet daß der Gegner den eindeutigen Schwerpunkt auf
einem linken Flügel bilden werde 0•
Tatsächlich aber griff das Vll. US-Korp mit drei Divisionen aus dem Raum
amur-Givet nach ordo ten und recht an chließend das V. US-Korps
ebenfall mit drei Divisionen auf 80 Kilometer Breite durch die Arden
nen an 1• Die Feldmarschälle Rundstedt und Model stimmten bei der Un
terredung am Mittag des folgenden Tag {7. eptember) in der Apotheke
d Eifelortes tadtkyll darin überein daß die von der auf breiter Front
geführten US-Offen ive ausgehende Hauptbedrohung in der >>Stoßrichtung
über [Lüttich und] Aachen auf da rheini eh-westfälische Industriegebiet«
liege 2• Dement prechend meldete Rundstedt dem OKW, er erblicke »hier
die akute, auch den südlich an chließenden Westwall im Rücken bedro
hende Gefahr«. Die sofortige Zuführung von »mindestens 5, besser 10 Divi-
ionen« war Rundstedt Worten zufolge »zwingende otwendigkeit« 3•
4 Allerding wurden die og. •Fe tung einheiten« früher al ur prünglich geplant
in den \Y/e ten g chickt ( . u.) Ferng pr. Zimmermann-Tempelhoff vom 8. 9.
13.00h RH 19 IX/89 . 119.
� Gez. Adolf Hitler KW/WF t/Qu 2 r. 0010783/44 vom 7. 9. zit . nach: B
We t Ia r. 7769/44 RH 19 TV/55 . 231.
I. Vom Höhepunkt der Kri e bi zu den er ten Anzeichen 261
ne92• Immerhin wurde nun wenig ten das Ab erzen auf den � twall frei
gegeben, »wenn keine andere Möglichkeit« b tünde93. Eine olche Mög
lichkeit« exi eierte aber ange icht der Lageentwicklung kaum.
achdem die aa al letzte natürliche Hinderni vor der Reich grenze
b reit forciert war re hnete Rund tedt ))in Kürze« mit einem »Zurück
klappen« der 7. Arme in die � t tellung. Er forderte de halb »die Über
tragung de takti chen Befehl über \Vest tellungen und Westwall mit al
len [ ...] icherung kräften [ ...]«94 um Einblick in den tand der Verteidi
gung vorbereitungen zu erhalten und eine klare Kompetenztrennung zu
err ichen. bwohl hierfür läng t höch te Zeit war, vergingen nochmals
zweieinhalb Tage bi Hitler dem Wun eh des OB We t nachkam.
Unterd en konnte die 1. U Army- abg ehen vom XIX. US-Korp , das
noch am Albertkanal »sammelte« - olch rasche Fort chritte erzielen, daß
Brandeoberger befürchtete die Amerikaner würden den We twall vor der
eigenen Truppe erreichen 95:
G neral CoUin ' V IT. Korp drängte weiter, nahm am 9. eptember Verviers
und tand mit Angriff pitzen bei Limbourg96• Da V. Korp General
Gerow chloß zu dieser Zeit in der Linie t. V ith-Echternach {10. eptem
ber) auf97 (vgl. Karte 19). Hier am linken Flügel von Brandenhergers
Armee klaffte ein wie befürchtet unmit telbar vor der Reich grenze beste
hende etwa 40 Kilometer breit Loch zur 1. Armee9 •
in die em Raum (zwi chen St. V ith und V ianden) über chritten am
bend d 11. eptember die ersten US-Patrouillen ungehindert die Reich -
grenze102.
Da linke achbarkorps de I. S -Panzerkorp , General Dr. Franz Beyer
LX X. Armeekorps, wurde zuer t mit den negativen Folgen der unkla
ren Befehlsverhältnisse im Raum der We t tellung konfrontiert: Bi zum
9. eptcmber abends hatten weder der Stab Beyers, noch das AOK 1 Kar
tenmarerial bzw. Unterlagen über die Befestigungslinie erhalten. Die Über
gabe der Stellung an die Fronttruppe war kaum vorbereitet, so daß »[den]
ivi ionen [... ] selbst die Einweisung und Einteilung im Westwall« zu
riel103 wa ohne Kenntni de genauen Linienverlaufs äußerst problema
ti eh ein mußte.
E war charakteristisch für die e Friktionen, daß Himmler bei pielsweise
alle inzelfahrzeuge und Offiziere« im rückwärtigen Raum des LXXX. Ar
meekorp »zur Einteilung in Alarmeinheiten« aufgreifen ließ. Der Stabschef
Beyer , Oberst W iese, bat daraufhin, »diesen Wahnsinn zu unterbinden, da
son t Ver orgung und Meldedienst im Gefechtsgebiet unmöglich« cien104•
· hnliche Vorkommnisse er chwerten auch die Kampfführung am rech
ten Flügel der 7. Armee:
Zwar hatte Brandeoberger bereits am 8. September den Stab der 353. Infan
teriedivi ion au der Front herausgelö t um die Westwallverteidigung im
Raum Aachen zu organisieren105, doch konnte der Divisionskomman
dcur, Gen. Lt. Mahlmann, es nicht mehr verhindern, daß hier auf Veran-
ung d Reichsverteidigungskommi ar Grohe106 »voreilige« Maßnah
neo ergriffen wurden107. Die »Un achgemäß« ausgeführten Sperrungen
inen) und Sprengungen hinter der Front10 trugen entscheidend dazu
bei, daß dem Versuch, den amerikanischen Vorstoß westlich und südwest
hch der Kai er tadt durch bewegliche Kampfführung aufzufangen, wenig
Erfolg be chieden war. Zum einen gelangte kaum noch Treibstoff an die
1 ront109, zum anderen cheiterte der Plan, vor Eupen einen provisori-
chen Panzerverband unter Führung Gen. Maj. Müllers (Kdr. 9. Pz. Div.)
zu bilden. Die aus dem Reich heranmar chierende Sturmgeschützbrigade
394 die mit ihren 30 Kampfwagen110 das Gro dieses aus den restlichen
�hn Panthern der Panzerbrigade 105 und den ersten eingetroffenen Infan
lerieteilen der 9. Panzerdivision b rehenden »Verbandes« bilden ollte, traf
109 Ebd.
11° Fcrnge pr. Kreb -Ger dorff vom 8. 9., 18.00 h ebd. . 121.
264 Teil C: Die Entwicklung vom Höhepunkt der Krise
Div.).
ll4 LXXIV. AK mit: 347. und 89. lnf. Div.
Die e Beurteilung deckte sich voll mit derjenigen des OB West. Rundstedt
rechnete zu diesem Zeitpunkt »unbedingt mit baldigen Durchbruchsver
uchen« der 1. US-Army die einer Ansicht nach zu »vollem Erfolg« füh-
112
Gez. Stöhr 4. Wei ung des Reich verteidigung kommissars für den Stellungsbau
im Gau We tmark Saarbrücken, 11. 9., zit. nach: IfZ, MA-137/1, S. 0157245 f.
123
Gez. Stöhr 6. Weisung (s. o.) Saarbrücken 13. 9., zit. nach: IfZ MA-137/1
. 0157242 f.
124
Der Divisionsstab hatte 3 Landesschützenau bildungs·Bataillone in Stärke von
ca. 3 700 Mann ge teilt, KTB LXXXI. AK, RH 24-81/97 S. 185/1 ff. Tessin
Verbände, 10 S. 101 f.
lS Insgesamt 8 400 Mann die noch durch 5 000 Ver prengte im Raum Aachen
ren mußten129• Zur Überraschung der deut chen Führung im � ten aber
trat der Gegner nicht ofort an.
Gen ral Kr b glaubte daß die »durch die ähe de e twall « bedingt
ein könne hinter dem die Amerikaner offen ichdich » tarke eigene [d. h.:
deut ehe] Kräfte« vermuteten130• Die e Annahme war jedoch nur teilwei-
e richtig. Die Ent cheidung d Oberbefehl haber der 1. US-Army Gene
ral Hodge den Großangriff frühe ten am 14. September zu beginnen131,
lag weder darin begründet, daß man den We twall al nur schwer über
windbare Hinderni an ah noch darin daß man dahinter tarke deut-
ehe Verbände erwartet .
Im Gegenteil, Hodge war wie die mei ten US-Offiziere der Auffa ung,
die iegfried Line« könne einem Angriff maximal drei Tage lang rand
halten 132• Die Feindlagebeurteilungen des V. und VII. US-Korp widerspra
chen di er Auffassung nicht: die G 2-Abteilungen rechneten nur noch mit
et-wa 14000 Deut chen an di er Frontt.n.
Auch hier mani� eierte ich wieder die offen ichdich untrennbar mit dem
ituation bedingt berechtigten Optimi mu verquickte Unterschätzung der
gegncri chen Wider tand kraft. Au chlaggebend für Hodge ' Entschei
dung trotz allem die Aufstockung der Artilleriemunition abzuwarten und
ich zunächst mit »kampfkräftiger Aufklärung« zu begnügen n4, waren
wohl p ychologi ehe Faktoren: Die erhebenden Tage, in denen Franzo en
und Belgier den Befreiern euphori eh zugejubelt hatten näherten ich dem
Ende. Vor den amerikani chen Truppen lag nun da eigentliche Ziel ihres
�Kreuzzug in Europa«135: der toß in Feinde land. Die Anzeichen sich
ver reifenden Widerstande entlang des Albert-Kanals und der Moselstei
lung legten Hodge nahe, die en toß sorgfältig vorzubereiten, um ihn
zu einem vermeintlich sicheren Erfolg werden zu las en. Ebenso sprach
in der icht des US-General wohl die im großen Rahmen nach wie vor
ungelöste achschubproblematik für ein vor ichtigeres Prozedere. Allein
au chlaggebend war jedoch diese Erwägung nicht, denn Hodges war der
Überzeugung, noch genügend Treib toff für eine Offensive bis zum Rhein
und Munition für etwa fünf Kampftage zu be itzen 136•
Ohne daß ich die Befehlshaber beider Seiten dessen schon bewußt waren,
kam die Verfolgung phase in diesem Frontabschnitt zu ihrem endgülti
gen Ende.
ll7
OB West I a r. 7992/44 vom 12.9. RH 19 IV/56 S. 48 f.
,
der acht zum 11. eptember unbedrängt in den We twallab chnitt zwi-
chen allendarf und Trier zu führen1H.
Mit di er Au weichbewegung de rechten Flügel war für die 1. Armee
die fa t vierwöchige »Pha e der Verfolgung« durch die amerikani eben
Truppen endgültig zum Ab chluß gekommen. Die sich au Patton wei
ter üdlich an erzender Offen ive entw ickelnden Kampfhandlungen un
ter chieden ich dagegen merklich von dem türmischen Ge chehen der
Augu ttage.
Die örtlich begrenzten Angriffe, die die Panzerbrigade 106 (ver tärkt durch
Teile der 19. Gren.- und 15. Pz. Gren. Div.) am 7./8. September »Zur Verbes-
erung der tellungen«145 vom zu die em Zeitpunkt noch weit vorgestaf
felten rechten Flügel der 1. Armee aus im Raum Audun-Briey geführt hat
te waren in den Bereit tellung raum de XX. US-Korps hineinge toßen.
ach Anfang erfolgen bei denen die Linien der überraschten Amerikaner
{90. U -Inf.Di .146) ra eh durchbrachen werden konnten, wurde Oberst
Dr. Bäke Brigade in harte >}Begegnungsgefechte« mit der 7. US-Panzerdi
vi ion verwickelt147• Beide Seiten hatten schwere Verluste. Die Panzerbri
gade verlor etwa die Hälfte ihrer 47 Kampfwagen14 (vgl. Karte 16).
Wenn auch da er trebte Ziel nicht erreicht wurde o brachte der Angriff
doch �w entliehe Erleichterung« für den Frontab chnitt zwischen T hion
ville und Metz 1..9•
Die Amerikaner drangen am 7. eptem ber wohl noch bi zur Mosel bei
Hagondange (nördl. von Metz) vor150• Sie ver uchten aber erst gar nicht,
tH
Die »Verbände« de LXXX. AK die Kampfgruppen der Pz.-Lehr-Div. und der
5. F j.Div. wurden hier von einem Regiment der Er atzheer-Oiv. r. 172 mit
4 Artilleriebatterien aufgenommen und durch �Versprengteneinheiten« notdürf
tig per onell verstärkt vgl. KTB LXXX.AK vom 10./11. 9., RH 24-80/68,
S. 47 ff. Die fast völlig z.er chlagene 48. lnf.Div. wurde am 11.9. dem LXXXII.
AK unterstellt und hinter der Mosel »aufgefri cht«. Außer der 48. Inf.Div. stan
den z.u die em Zeitpunkt die 19. und 36. Gren. Div. und die Pz..Brigade 106 in
di em Ab chnitt zwi chen Trier und Sierck vgl. ebd. und Casper, 48. Inf. Div.
M -P- 166, . 17.
145 Gez. K.reb . O bkdo H. Gr. B I a r. 6980 vom 5. 9. RH 19 IX/5, . 496.
146 Cole Lorraine S. 158 f.
147 Ic-A bendmeldung vom 7. 9. H. Gr. B I c r. 3499I 44, RH 19 IX/26, Teil 2, S. 201 f.
14 Vgl. Cole torraine S. 159 und Tage meldung für den 8. 9. OB West Ia
r. 7827I 44 RH 19 I /55 . 256 ff. Die Pz.Brig. 106 verlor über 20 Panzer.
ie verfügte am 9. 9. noch über 9 einsatzbereite Kampfwagen 15 waren in der
In tandsetzung, vgL Tag meldung für den 9. 9., OB West Ia r. 7850/44 RH 19
IV/55 S. 288 ff. und RH 19 XII/8, . 224 vom 14. 9. Auch die 7. U -Pz.Div.
muß erhebliche Verlu te erlitten haben: nach - sicherlich übertriebenen deut-
eben Zählungen - vernichtete die Pz.Brig. 106 in der Zeit vom 6.-11. 9. allein
110 Panzer und 33 pähwagen vgl. lc-Tagesmeldung für den 12. 9. OB West
Ic r. 621l/44 RH 19 IV/137, . 102f.
149 Ferng pr. Kreb -Zimmermann vom 7. 9. 13.50h RH 19 IX/89 . 104.
ISO KTB H. Gr. B vom 7. 9. 23.45 h ebd. . 109f.
I. Vom Höhepunkt der Kri e bi zu den er ten Anzeichen 269
l)t
Cole, Lorraine . 158.
152
Ebd. . 157.
153
Krau e, Metz, M B 042 S. lOf.
- - ,
as4 D
ie Lehrgangsteilnehmer der Fahnenjunker chule VI waren ·wenige Tage zuvor
zu Leuenanten befördert worden. ie wurden al Offizier-Kompanien in der Front
eing etzt Tätigkeitsbericht Heerespersonalamt vom 9. und 18. 9., S. 246 und 260.
tss
ach: Tätigkeitsbericht Heere per onalamt vom 9. 9., . 246.
t S6 D
as XIII. SS-AK übernahm den Ab chnitt Thionville-Arry ur Mo elle ( üdl.
von Metz). Das LXXX11. AK wurde im nördlich anschließenden Frontbereich
eingesetzt vgl. Tagesmeldung für den 8. 9. OB We t I a r. 7827/44 RH 19
IV/55 . 256 H.
IS7
Ebd.
1� Cole, Lorraine, . 142.
lS9
Ebd., . 145f. und 154.
270 Teil C: Die ntwicklung vom Höhepunkt der Kri e
160
Tag mcldung für den 6. 9., B We t Ia r. 7756/44 RH 19 IV/55, . 178ff.
owie Cole Lorraine, . 65 und: piwoks XIII. -AK, . 51 f.
161
Cole Lorraine . 69 f.
161 Tätigkeit bericht Heere pcr onalamt vom 5. 9. . 242.
163 Gez. tphal, B t Ia r. 7296/44 vom 10.9. RH 19 IV/55, . 331.
164 R 4/v. 34 . 59 f., und Warlimont, Kommentare, M P-215, IV, Teil2, . 348f.
16S Gen. aj. Feyerabend wurde durch bcrst Mantey er etzt.
I. Vom Höhepunkt der Kri e bi zu den er ten Anzeichen 271
für die Zukunft derartige Eingriffe ohne ein Einver tändni , zumal er an
der bi herigen ührung arbeit des AOK 1 nicht auszu etzen wußte166•
bwohl General v. Knobel dorff persönlich nicht zu verantworten hatte,
begann damit eine Kommandoführung unter einem ungünstigen tern.
Da galt auch für da Ge chehen an der Front, allerding nicht für den
ordab chnitt der Mo ellinie. Hier blieb die Lage weiterhin stabil. Die
ngriffe auf die deutSchen Stellungen vor Metz ebbten nach erneut chwe
ren erlu ten de Gegner ab und ,.vurden chließlich (14. September) vor
übergehend eingestellt 167•
Wenige Kilometer üdlich von Metz gelang der 5. US-Infanteriedivi ion
am 10. eptember zwar bei Arnaville Truppen über den Fluß zu bringen
doch bedeutete die au deut eher Sicht in ofern noch keine Ver chärfung
der ituation, al die Amerikaner nahezu gleichzeitig (10./11. September)
ihren Brückenkopf Dornot aufgeben mußten 168• In der Morgenmeldung
de OB West vom 11. eptember hieß e , an der Front der 1. Armee fän
den nur »Kämpfe [von] örtlicher Bedeutung« statt169• Auf Drängen de
OKW lö te General v. Knobel dorff daraufhin den Stab de XXXXVII.
Panzerkorp au einem Befehlsbereich herau und etzte ihn nach üden
zur 5. Panzerarmee in arsch170• In dem Frontab chnitt den das Xlll. S-
rmeekorp nun zu ätzlieh übernehmen mußte begann sich die Lage am
bend die e Tage (11. eptember) zuzu pitzen: am achmittag war ein
amerikani eher »Über tzver uch üdlich [von] ancy« noch abge chla
gen worden. Ober t Löhrs 553. Grenadierdivision konnte hierbei 250 Sol
daten der 35. U Infanteriedivision gefangennehmen 171• Dann aber er
-
� o =====j
......
.
o 0 ====�405sSDali
2o._....3c �km
I. Vom Höhepunkt der Kri e bis zu den er ten Anzeichen 273
fJllrotJ.
Karte 21
274 Teil C: 0je Entwicklung vom Höhepunkt der Krise
Der deut ehe achtangriff gegen den Brückenkopf DieuJouard (12./13. Sep
tember), der auf beiden Seiten zu chweren Verlusten führte, blieb kurz
vor dem Ziel, der Übergang telle Le Mont, stecken und mußte dann wegen
fehlender Stoßreserven abgebrochen werden174•
Die 15. Panzergrenadierdivision, die gegen die US-Verbände südlich von
ancy vorgehen ollte, konnte wegen Betriebsstoffmangels nicht sofort
antreten175• Die Amerikaner setzten deshalb ihren Vormarsch aus dem
Brockenkopf Bayon »ungehindert« fort und stießen bis in den Raum Ger
beviller , zehn Kilometer südlich von Luneville vor176•
Da das XV. US-Korps eit dem 11. September mit seinen zwei Divisionen
{79. US-Inf., 2. Franz. Pz.Div.) auch in die Kämpfe am rechten Flügel der
3. US-Army eingriff geriet die deut ehe Mo elstellung nun mehr und mehr
unter Druck.
Abgesehen von der gleichzeitig immer bedrohlicher werdenden Lage der
19. Armee im rontbogen vor Dijon sah von Rundstedt schon deshalb
die Chancen für die geplante Offen ive der 5. Panzerarmee schwinden1n.
Die Deut chen hatten es aber immerhin verhindert, daß die 3. US-Army
ihre »weitgesteckten Angriffsziele« erreichen konnte178•
Obwohl die Kämpfe an der Mosel insge amt gesehen eher auf eine Ent
wicklung in Richtung »Stellungskrieg« hindeuteten, blieb Patton optimi-
ti eh. Er nahm an der Gegner verfüge weder über eine »tiefe Verteidi
gung« noch über die nötigen Re erven, um einen nachhaltigen Abwehr
kampf zu führen.
De halb, o äußerte Patton am 12. September gegenüber Bradley, sehe er
den Weg zum Rhein frei, sobald der in den nächsten Tagen zu erwartende
endgültige Durchbruch gelungen ei179•
174 Tage meldung für den 13. 9., OB We t Ia r. 8081/44, RH 19 IV/56 . 91ff.
17S Tagesmeldung für den 12. 9. OB West Ia r. 8035/44, ebd. S. 67 ff.
176 Tagesmeldung für den 13. 9., OB We t la r. 8081/44 ebd. . 91 ff.
177 Gez. Rund tedt OB West Ia r. 821/44 vom 13.9. cbd., S. 81 f.
'7 Ic.:rätig keitsbericht für die Zeit vom 1. 9.-30. 9. 1944, Obkdo H. Gr. G Ic
r. 636/44, . 2 RH 19 XII/31.
179 Cole Lorraine . 213.
Il. Die Lagebeurteilungen der Führungsstäbe und das Scheitern
des Konzepts einer deutschen »Gegenoffensive aus der Be
wegung«
a) Die Alliierten und die »Endphase« des Kampfes gegen das Deutsche Reich
In seinem Lagebericht für die Combined Chiefs of Staff vom 9. September
betonte Eisenhower unter anderem, der gegnerische W iderstand, den man
in den »vergangenen Wochen« als dem Kollaps nahe beurteilt hatte, habe
sich mit der Verlagerung des Kampfgeschehens in die Nähe der Reichs
grenze >)etwas versteift«. Darüber hinaus sah er jetzt die Gefahr, daß die
Entwicklung der eigenen Operationen durch die Sperrung der noch in
deutschen Händen befindlichen Scheidemündung erheblich beeinträch
tigt werden würde180• Damit schien sich eine Neueinschätzung der Situa
tion im alliierten Hauptquartier abzuzeichnen. V ieles deutete darauf hin,
daß Eisenhower der »Broad-Front«-Strategie nun das bislang fehlende logi-
ti ehe Fundament geben wollte.
Anders als Pogue meint, begann mit dem Hinweis auf die Bedeutung
Antwerpens aber noch keine ))neue Phase in der alliierten Operationspla
nung«181. Es blieb de facto vorerst bei der verbalen Referenz gegenüber
der wichtigen Rolle der Scheldemündung. Im Vordergrund der wenig später
erteilten Direktive Eisenhower (13. September) tand vielmehr als neues
Element das von Montgomery vorgeschlagene Luftlandeunternehmen
MARKET-GARDE . Im Rahmen dieser Operation sollte zunächst die
1. Allied Airborne Army (US-Gen. Lt. L. H. Brereton) mit dreieinhalb Luft
landedivisionen (82. 101. US-, 1. Brit. LL.-Div., 1. Poln. LL.-Brig.182) die
Brücken über Maas, Waal, Neder Rijn und einige Kanäle im Raum Grave-
ijmegen-Arnheim einnehmen (Operation MARKET). Der 2. Brit. Ar
mee wurde das Ziel gesteckt, unterdessen über den Maas-Schelde-Kanal
anzugreifen und dann über die von den Fallschirmjägern eroberten Briicken
hinau bis zum Ijsselmeer (Zwolle) vorzustoßen (Operation GARDEN).
Die Vorteile, die dieses Unternehmen bringen konnte, waren offensicht
lich: einer eits wären hierdurch die gesamten deutschen Kräfte in We t
holland abgeschnitten worden, anderer eit würde der Westwall au flan
kiert und eine gün tige Position für den Stoß in die norddeutsche Tief
ebene erreicht werden183• Auch die Tat ache, daß man die britische Be-
1 0 »T he ho tile occupation [...] at the mouth of the cheldt [.. ] will vitally in
.
völkerung v�on der Bedrohung durch die »V 2« die eit dem 8. September
einge etzt wurde, befreien \VOllte pielte beim Ent chluß zur Operation
MARKET-GARDE eine Rolle18 ... Ei enhower war ich bewußt, daß die-
arhaben da am 17. eptember beginnen ollte, zu einer zeitlichen
Verzögerung der Öffnung der cheldemündung führen konnte1 5•
,.po t- VERL RD«-Plan er t im Mai 1945 (D + 330) erreicht ein ollte vgl.
Pogue, upremc Command . 257.
1 Ruppenthal Logi ti . 327.
I 9 Ebd. . 321.
I. Vom Höhepunkt der Kri e bi zu den er ten Anzeichen 277
.It i ba ically a matter of rail and road and air transport and uni thi is concen
trated to give impetu to the selected thrust then no one is going to get very far190«.
1
90 chreiben Montgomery an Ei enhower vom 11. 9., Ellis ictory, 11 . 22.
191
Zit. ebd. S. 23 f.
t9l
Auch das folgende ist wenn nicht ander vermerkt entnommen au der Direk
tive Ei enho\·vers FWD 14764 vom 13. eptember, Paper of Eisenhower IV
. 2136ff.
9
1 3 Da untermauert ein Schreiben Montgomery an den Oberbefehlshaber der
l. Kanadi chen Armee General Crerar vom 13.9. 1944. Hiernach ollre Crerar
Boulogne Dünkirchen und Calais angreifen owie die cheldemündung frei
kämpfen. Letztere Operation o Montgomery ei ,. probably the mo t impor
tant«. Dennoch ollten die Häfen imultaneou ly« attackiert werden. Zit. nach
»
die Offen ive Patton abzubrechen. achdem der Oberbefehl haber der
Invasion tr itkräfte in einem »maneuver plan« zunäch t be timmt hatte,
daß die 3. U --Army olange auf eine Defen ivrolle (»holding and threaten
ing action«) be chränkt bleiben ollte, bi der linke Flügel eine Ziele
erreicht hätte, machte er dann in den folgenden Einzelbestimmungen die
�Au nahmen« von die er Regelung deutlich.
r t wenn Patton Armee Mo elbrückenköpfe erkämpft hatte, die groß
genug waren um für die Deut chen eine » tändige Bedrohung« zu bilden,
ollte der logi ti ehe chwerpunkt zur 1. US-Army verlegt werden.
Ei enhower mußte aber doch nach seinen bi herigen Erfahrungen mit Pat
ron einkalkulieren daß der von unbändigem Vorwärt drang getriebene
herbefehl haber der 3. U -Army sich die e »Zuge tändni e« zunutze
machen würde. Ei enhower Wei ung zeigte ogar einen Weg auf, in wel
cher Art und Wei e die g chehen könne:
·After the attainment of the Mo elle bridgehead above directed, operation on
our left will until the Rhine bridgehead are won take priority in all forms of
logi tical upport except for [ . .} adequate measures and continuous reconnaissance
by forces on che right. «
Patton gab päTJer zu, tet nach olchen »Loopholes« in Ei enhowers Befeh
len g uchr zu haben 195•
Letztendlich bestand Ei enhowers Reaktion auf die Tatsache daß der eigene
Vormarsch langsamer und der deu ehe W iderstand zumind t an einzelnen
Frontab chnitten wieder fühlbarer ge\.vorden war darin die Operation
MARKET-GARDE durchzuführen. ie war das eigentlich neue Element
einer Wei ung vom 13. eptember. An on ten jedoch blieb e bei der
»Broad- ront«-Doktrin, die in der Kommando truktur nun dadurch ihre
Ergänzung fand daß die DRAGOO - treitkräfte - zu ammengefaßt in
General Dever ' » outhern Group of Armie « (6. Heere gruppe mit der
1. Franz. und 7. U -Armee) - unter Ei enhowers Befehl traten. Die er
» traregic« fehlte jedoch nach wie vor das logisti ehe Fundament. Die Öff
nung der eezugänge zum Antwerpener Hafen hatte wohl im Bewußt-
ein Ei enhower - nicht aber in einer Befehlsgebung - hohe Bedeu
tung ge\.vonnen.
Dem Oberbefehlshaber der Invasion treitkräfte waren zweifello Fakto
ren bekannt, die eigentlich gegen MARKET-GARDE sprechen mußten:
er erwartete das Ein erzen der Schlechtwetterpha e »späte ten am
20. eptember«. Die e aber würde nach einen Worten alle Luftoperatio
nen ern dich behindern ie » pa modic« werden la en 196•
Das auf eine Dauer von sieben bis zehn Tagen au gelegte Unternehmen
ARKET-GARDE ollte aber erst am 17. eptember beginnen!
200 chreiben Ei enhower an Mar hall vom 14. 9., Paper of Ei enhower, IV,
. 2143ff.
20 I
bd., . 2117.
202 C par, Krieg lage . 178.
203 Matloff Planning, . 508 ff.
2 0 Teil : Die ntwicklung vom Höhepunkt der Kri e
20-4 Die er Plan ah u. a. die weitgehende Entindu triali ierung Deutschland vor,
da zu einem Agrar taat umgewandelt werden ollte. Kurz bevor Roo evelt sei
ne Paraphe unter die en Plan etzte haue er den Briten die indu trieil geprägte
ordwe tzone überla en Madoff, Planning . 511, Anm. 11.
20s Alfred Gro er Ge chichte Deut chland nach 1945 München 31975 S. 45f.
lCO Quellen hierzu (für den 28. 8. und 18. 9. 1944) bei teinert Hitler Krieg,
. 495 ff.
207 � öchend. T ätigkeit bericht der Propagandaämter vom 18. 9. 1944 ebd. . 499f.
20 . Goebbcl zu W ilfried v. ven ( einem per önlichen Pre ereferenten) am
3. 12. 1944, ven Goebbel . 1 3 f.
:!09 teinert, Hitlers Krieg, . 546.
210 \Xfilmot Kampf . 5 5.
211 Warlimont, Hauptquartier . 506 und chramm, Andennenoffen ive M -A·
62 . 21 f.
I Die Lagebeurteilungen der Führung täbe
I . 281
2t2
KTB OKW, I 1'1 . 367.
213
Dafür daß die Offen ive der 5. Panzerarmee die Hitler am 3.9. befohlen hat
te nach dem Fall von Antwerpen vorübergehend au einem Blickfeld geraten
war pricht auch daß d Pz. AOK 5 zunäch t nicht nach üden, ondern nach
Koblcnz zur Auffri chung beordert wurde vgl. KTB Pz. AOK 5 vom 6.9.
RH21-5/52 .47· de weiteren ge tattere Hitler der 1. Armee mit zwei ur-
prünglich für jene Offen ive vorg ehenen erbänden (Pz. Brigade 106 15. Pz.
Gren. Div.) incn lokalen Gegenangriff im Raum üdwe dich von Luxemburg
zu führen vgl. KTB H.Gr. B vom 5. 9. RH19 X I /89 .77.
214 Jod] Ardennenoffen ive M -ETHI T 50 .5.
Hs
. chramm Ardennenoffen ive M -A-862 .57.
216 KTB A Gr. G vom 3. 9. RH19XII/5 .193 f. und B We t Ia r. 810/44
vom 11.9. RH19 I /'56 .20f.
211
Gez. Keitel, KW/WF t /Op. r. 773260 vom 7.9. zit. nach B � e t Ia
r. 01/44 RH19IV/55 .207f.
21
Gez. Rund tedt B We t Ia r. 7770/44 vom 7.9. ebd., . 211 f.
2 2 Teil C: Die ntwicklung vom Höhepunkt der Kri e
Das er hien in ofern innvoller al Bla kowitz fortan elb t die Ent chei
dung zufiel ob und wann die erwähnten erbände au der Mo elfront her
au g lö t und nach üden geführt werden konnten. Der Bedeutung des ge
planten neernehmen ent prechend ollte die Offensivarmee {5. Panzer
armee) ihre ei ungen unmittelbar vom Stab de OB We t erhalten219•
och am Abend de 7. eptember erteilte Rund tedt den Aufmarsch
befehP20. Unter Manteuffel Pz. AOK 5 ollten fünf Panzer- bzw. Panzer
grenadierdivi ionen und ech Panzerbrigaden221 zu ammengefaßt werden.
Bi zum 12. eptember mußte die Bereit tellung di er Kräfte im Brücken
kopf im w entlichen222 beendet ein.
Rund tedt ma hte das K jedoch nachdrücklich auf weitere »Vorbedin
gungen für die ffen ive aufmerk am, nämlich die » ofonige Zuführung
von 10000 [!] cbm Betrieb toff« und außerdem die Ein chränkung der
alliierten Luftherr chaft durch den »Ein atz aller verfügbaren Luft treit
kräfte [...] unter Entblößung der übrigen Fronten«223• Beide Forderungen
waren jedoch kaum erfüllbar. Ein derartiger Treib toffvorrar konnte in die-
er ri t nicht aufgebracht � erden224•
Auch hin ichdich de Problem ein »Luft chirm «für die Offensive sah
Rund tedt keine Lö u ng. ach Au kunft der Meteorologen war in der Zeit
vom 12. bi zum 20. eptember mit einer »Hochdruckwetterlage« d. h.
guten Iugbedingungen zu rechnen225. Ange icht der Schwäche der eige
nen Luftwaffe mußte die vor allem den Alliierten zugute kommen. Wel
che kata trophalen olgen da für eine deut ehe Panzeroffen ive haben
konnte, hatte ich bereit Anfang Augu t bei dem fehlgeschlagenen Gegen-
roß auf Avranch gezeigt226• Erschwerend kam hinzu, daß die Bereitstel
lung der Angriff verbänd nur chleppend voranging: am Abend des
10. eptemher meldete der tab de OB We t nach Rastenburg daß bis
her lediglich eine Panzerdivi ion {21.) und die er ten Transporte von drei
Panzerbrigaden (111 112 113) im vorge ehenen Raum eingetroffen eien.
Die Kampfhandlungen bei der 1. Armee hatten e nicht erlaubt, die Pan
zergrenadierverbände au der ront zu ziehen227•
Hitler allerdings vermutete, daß dies vor allem auf Blaskowitz per önlich
zurückzuführen sei. Obwohl das ungleiche Kräfteverhältnis im Gebiet des
Brückenkopfes um Dijon allseits bekannt war, sah Hitler in Blaskowitz den
Haupt chuldigen dafür, daß dieser Aufmar chraum ständig »schrumpfte«.
ein Eindruck »die Heeresgruppe G[ ei ich] ihrer Aufgaben nicht voll be
wußt[... ]«, wurde in er ter Linie durch ogenannte »Informationen« eines
Gauleiter gestützt228• Auch hier ließ der betreffende Reich verteidigung -
kommissar-229 die »Chance« nicht ungenutzt, die Militär zu diskreditieren.
Trotz allem hielt Hitler unverrückbar an einem Plan fe t. Er befahl Blas
kowitz bei einen Verbänden »jeden Gedanken [an ein ... ] Ausweichen
auf die Vogesen oder Westwall mit drakoni chen Mitteln auszurotten«. Die
Heere gruppe G müsse den Raum halten, »den sie in der acht vom
10./11. 9. innehatte«23o.
Gegenüber dem Chef de Wehrmachtführungsstabes verlangte Hitler am
bend de 11. eptember die »5. Panzer-Armee[hat] unter allen Umstän
den gegen den Rücken de Feinde [...] unter Au nutzung der günstigen
Gelegenheit« anzugreifen231•
ll Gez. Jodl OK\Xf/\VF t Op. r. 773331 f. 11. 9. zit. nach OB� t I a r. 815/
44 RH 19 IV/56, . 22.
229 Vermutlich handelte e ich um den Gauleiter Wagner.
2lo Ebd.
231 RW 4/v. 34, . 59 f.
232 Verlauf: Charm (Mo el)- eufchateau-Chaumont-Chatillon sur cine
Autun-Chalon ur aone-Dole (Doub )- chweizer Grenze.
23-' Tagebuch d Gen. Lt. Bot eh, RH 20-19/85 . 42.
2 4 Teil C: Die Entwicklung vom Höhepunkt der Kri e
Hiergegen tanden nun keine R erven mehr zur Verfügung. Dennoch hatte
am Vortag Blaskowitz den Antrag Gen. Lt. Bot chs (Stab chef AOK 19) auf
Verkürzung d rontbogen mit der »Bitte« abgelehnt »das A K [ olle],
wenn irgend möglich, noch länger halten«, um auch die restlichen Marsch
kolonnen noch »ein chleu en« zu können2 ..5• W ie in den vergangeneo
Wochen be chäftigte sich Bla kowitz allerding auch chon mit der Lage
im Rücken der Front.
ufgrund einer bi herigen Erfahrungen mit Himmler hegte er wenig Ver
trauen in de en Kommandoführung im Bereich der Weststellung. Bla -
kowitz ließ de halb da Generalkommando LXXXV. Armeekorps au
der Front he.rau lö en und nach Belfort verlegen. General Kniess ollte
mit einem Stab hier Ver prengte ammeln Eingreifgruppen bilden246 o
wie eine reibung lose und vor allem rechtzeitige Befehlsübernahme sicher-
tellen247.
Wegen de Einbruchs bei Be an�on drängte das AOK 19 aber nun auf eine
weiterreichende Entscheidungl48• Gen. Lt. Botsch chlug am 7. September
frühmorgen vor, die 198. und 338. Infanteriedivision in der folgenden
acht au ihren Stellungen am Doub beiderseits von Dole herauszuzie
hen und nach 0 ten gegen den amerikanischen Einbruchsraum antreten
zu la en. Die Führung de Angriff ollte das Generalkommando de
IV. Luftwaffenfeldkorps übernehmen2 ..9• Die geplante Ostver chiebung
machte aber gleichzeitig, so Botsch, eine Rücknahme de LXIV. Armee
korp im West- und Südwe tab chnitt250 des Frontbogen notwendig251•
Der Stabschef der Armeegr uppe, Gen. Maj. v. Gyldenfeldt, billigte aber
zunächst nur den Angriff plan252• Bla kowitz, der um 9 Uhr in Lure auf
dem Gefecht tand des AOK 19 eintraf erklärte, daß ein großzügig Ab et
zen mit Rücksicht auf die » pätere Operation von Panzerkräften« ausge-
chlo en und der »Schulterpunkt Langres unter allen Umständen« zu hal
ten ei253• Der Frontbogen dürfe deswegen im Westen und Südwe ten nur
bi zur Linie Chaumont-Langres-Dijon-Dole verkleinert werden25...
.
Hs
Ebd. für den 5. 9. . 45 f .
.!46 Ebd. . 46.
.!47 AOK 19 Ia r. 9150/44 vom 5. 9., RH20-19/96, . t83f. und KTB AGr. G
vom 8. 9., RH19 XII/5 . 222.
24" RH20-19/85 für den 7.9., . 50.
2-49 Seide Divi ionen hatten zuvor dem LXXXV. AK unter tanden, da ja mittler-
Blaskowitz waren einer eit die Hände durch die Weisungen der ober ten
Führung gebunden, anderer it hoffte er die »T ür bei Dijon« noch eine
zeitlang offenhalten zu können. Das AOK 19 ah die e Ent cheidung als
nicht au reichend an. Man betonte, daß die rund 200 Kilometer lange Stel
lung zwi chen Langres und der chweiz »mit den jetzigen Kräften«, d. h.
ech materiell und per onell ge chwächten Verbänden255, nicht lange zu
verteidigen ei. »Mit Durchbrüchen mü e daher überall gerechnet wer
den256.« Da Kampfgeschehen der folgenden Tage bestätigte im wesentli
chen die e Ein chätzung.
Der Angriff d IV. Luftwaffenfeldkorp chlug fehl noch am gleichen Tag
(8. eptember) fiel B an�on257. Die 159. Infanteriedivision verlor bei den
Kämpfen um die tadt zwei ihrer Regiment täbe und etwa 1200 Mann258.
Da cheitern die e Unternehmens zeigte, daß elbst örtlich begrenzte
Offen iv töße mit den erschöpften Infanterieverbänden nicht mehr geführt
werden konnten.
Die eit dem 15. Augu t eingetretenen materiellen Verlu te hatten ein un
tragbar Maß angenommen. So waren beispielsweise 1316 von 1481 Artil
leriege chützen bei den R ückzug kämpfen au Südfrankreich verloren ge
gangen259.
Am Abend de 8. September beantragte Gen. Lt. Botsch, die 19. Armee
auf eine enge Brückenkopf tellung um Belfort zurückzunehmen260. Aus
den erwähnten Gründen konnte Bla kowitz diesem Antrag jedoch nicht
tattgeben. bwohl die Front der 19. Armee »zum Zerreißen gespannt«
war261 durften »Ab etzbewegungen [ ...] nicht auf mehrere Tage dispo
niert [... ondern] nur >>vom Feinde gedrängt» durchgeführt werden«262.
Um die Kräfte an der operativ entscheidenden Südfront »verdichten« zu
können263 biUigte Blaskowitz aber den üdw tab chnitt d Frontbogens
nun relativ rasch zurückweichen zu la en.
ach dem all von Be an�on mußte auch die Doub Iinie aufgegeben wer
den. Lediglich die 11. Panzerdivi ion konnte ihre Verteidigungsstellungen
auf dem Südufer d Flu e von L' I le- ur-le-Doub bi zur chweizer
Grenze bei Blamont26-4 behaupten.
2ss LXIV. AK mit 716. 189. lnf.Div.; IV. Lwfeldkorp mit 338. 198. lnf.Div.;
Gen.Kdo Dehner mit der 159. Inf.Div.; und die 11. Pz.Div.
256 KTB AGr. G vom 7. 9. RH 19 Xll/5 . 214.
257 Fernge pr. Wi e-Blaskowitz vom 8. 9., 18.27h RH 20-19/97, . 102.
lS Gez. Dehner. vom 12. 9. RH 20-19/9 . 155.
2S9 KTB AGr. G vom 15. 9. RH 19 XII/5, . 254.
160 Tage meldungfür den 8. 9., B W e t Ia r. 7827/44 RH 19 IV/55, . 256ff.
261 RH 20-19/ 5 für den 7. 9., . 52 f.
261
A K 19 Ia r. 9214/44 vom 8. 9. RH 20-19/97, . 129.
26l Gez. Blaskowitz Obkdo H. Gr. G I a r. 77I 44 vom 11.9. RH 19 XII/9
,
. 34 ff.
264 KTB AGr. G, Karte vom 14. 9. RH 19 XII/5 . 249.
li. Die Lagebeurteilungen der Führung täbe 287
den eigenen Linien lag, wurden aber noch Einheiten der 716. Infanterie
division belassen, die der letzten, etwa 10 000 Mann starken Marschgrup
pe267 den Rückweg offen halten ollten268.
Da da Il. Französische Korps chon am Vortag Flankenstöße gegen die
traße Autun-Dijon geführt hatte, be tand jedoch kaum Au icht darauf,
daß auch diese Kolonne Tod oder Gefangen chaft noch zu entrinnen ver
mochte. Jedenfalls war der Verkehr durch Dijon seit Mitternacht (9./10.
September) bereits spärlicher geworden269.
De halb ollten die Einheiten der 716. Infanteriedivision in der folgenden
acht An chluß an die eigenen Linien suchen270. Die Räumung Dijons
(10./11. September) erfolgte dann etwa zur gleichen Stunde, als eine Pa
trouille der von Süden kommenden 1. Franzö i chen Panzerdivision bei
ombernon (20 km we dich von Dijon) auf eine Aufklärungsgruppe
der 2. Französi chen Panzerdivision traf und damit den »Link-Up« der
OVERLORD- und DRAGOO -Streitkräfte herstellte271• Die Hauptsorge
der deutschen Führung täbe aber galt dem Südabschnitt des Frontbogens.
Gen. Lt. Bot eh vermerkte in einem Tagebuch, im Bereich des I V. Luft
waffenfeldkorp 272 sei mit der Aufspaltung der Front zu rechnen, »wenn
der Gegner auch nur einigermaßen scharf angreife«273• Der Oberbefehls
haber der 19. Armee, Gen. Wi e, hatte befürchtet daß den Alliierten noch
am 9. eptember der Durchbruch nach Belfort gelingen werde274.
Wider Erwarten kam e aber hierzu nicht obwohl der Gegner eine An
griff gruppe in die em Ab chnitt auf fünf Divi ionen ver tärkte (3., 36.,
45. US-Inf. 3. Algeri ehe und 9. Kolonial-Div.). Für die Verteidiger wirkten
26S RH 19 XII/8 Anlage für den 9. 9. . 149 und Ferngespr. Bot ch-1 a 11. Pz. Oiv.
vom 12. 9. RH 20-19/86 . 32.
266 Tagemeldung für den 10. 9., B '\ est I a r. 7916/44 RH 19 I /55 . 322ff.
267 ie bestand au dem Gro der Gruppe von Ober t Bauer der ich in Poitier
vom Verband EI ter abg etzt hatte und dem Ko aken-Regiment 360 vgl.
RH 20-19/97 . 262.
2 ·ernge pr. Bot ch-Gyldenfeldt vom 10. 9. 9.38 h ebd. . 254.
269 Fernge pr. Bot ch-Gyldenfeldt vom 10. 9., 18.50h ebd. . 262.
27o Ebd.
271 Am 10./11. 9., vgl. Wilt, Riviera . 154.
272 Die inheiten d Gcn.Kdo Dehner wurden am 9. 9. Peter en Lwfeldkorp
unterstellt. Damit unterstanden dem IV. Lwfeldkorp nun die 159. 198. 338. Inf.
Div. vgl. KTB AGr. G vom 9. 9. RH 19 XJI/5 . 224 f.
27.l RH 20-19/ 5 für den 9. 9., . 56.
274 Fernge pr. Bla kowitz-Wi e vom 9. 9. 12.30h RH 20-19/97, . 202.
2 Teil C: Die ntwicklung vom Höhepunkt der Kri e
275 U. a. die .Kampfgruppe Degener« mit 4 Bataillonen und etwa 2 000 Mann.
276 Fernehr. LXXX . AK vom 12. 9. RH 20/19/86 . 32f.
2n AOK 19 la r. 9288/44 RH 20-19/98 . 16f.
27 RH 20-19/85 für den 9. 9., . 55.
179 Ebd. für den 10. 9. . 58.
1 0 Tage meldung für den 10. 9. AOK 19 Ia r. 9288/44 RH 20-19/98 . 16f.
2 1 on 87000 Men chen die den Mareh angetreten hatten. Gen. Maj. EI ter hat-
te mit rund 20000 Mann kapituliert. Am 10. 9. ,.fehlten« nach Angaben Bot eh
von den verbleibenden 67 000 noch 10000 Mann der Gruppe Bauer und da
Ko aken-Regiment. Versprengte der Gruppe Bauer (vgl. Bericht der er,val
tung gruppe der FKdtr. Bordeaux vom 17. 10. 1944, RW 35/1253, . 71 ff.) und
das Ko aken-Regiment (1400 Mann, vgl. Meldung Ia LXIV. AK vom 12. 9.
RH 20-19/98 . 46) erreichten die deut eben Linien noch nachdem Dijon
bereit aufgegeben war.
2 2 Gez. Blaskowitz, Obkdo H.Gr. G la r. 77/44 vom 11. 9., RH 19 XII/9, . 34ff.
II. Die Lagebeurteilungen der Führungsstäbe 289
b) Das Scheitern des 0/Jensivkonzepts: die iederlage bei Dompaire und ihre
Folgen
Die ffen ivvorbereitungen liefen auf Geheiß der obersten Führung trotz
dem weiterl92• Feldmarschall v. Rundstedt war sich aber der mißlichen La
ge am immer noch weit vorgestaffelten linken Flügel der Westfront bewußt.
Er ließ de halb der Heeresgruppe G darin »freie Hand«, die herankom
menden Panzerverbände zunächst zur Stabili ierung de Frontbogen ein
zu etzen um den »Aufmarschraum« überhaupt sichern zu können293•
Blaskow itz unter teilte daraufhin die Panzerbrigade 112, den er ten für die
Offen ive vorg ehenen Verband, der voll tändig eingetroffen -wa?J� dem
LXVI. Armeekorp General Lucht 295•
Da aber noch kein Panzerkorps- tab (Pz. Gen. Kdo) zur Verfügung stand,
fiel Lucht die Aufgabe zu, mit der Brigade 112 und der Kampfgruppe der
21. Panzerdivision (sie bestand nur au zwei verstärkten Panzergrenadier
bataillonen. Panzer waren noch nicht vorhanden296) die Lage am ord
flügel »ZU bereinigen«. Feldmar chall v. Rundstedt glaubte offensichtlich
zu die em Zeitpunkt nicht mehr daran daß die 5. Panzerarmee noch zu
der geplanten großen Offensivoperation kommen würde. Jedenfalls hatte
er Manteuffel erst im Entstehen begriffene Armee bereits der HeeresgruJr
pe G unter tellt297•
290 Field O rder r. 5 vom 14. 9. Danach ollten das I. und 11. Franzö ische Korps
nun auf dem rechten Flügel vor Belfon zu ammengeführt werden. Da VI. US
Korp wurde für den Angriff in nordo twärtiger Richtung (Straßburg) •reor
gani ien«, vgl. W ilt Riviera, . 157.
29a Ebd. . 156 f.
192 KTB OB We t vom 10. 9. RH 19 IV/46 . 58.
293 Gez. Rund tedt, OB� t Ia r. 810/44 vom 11.9. RH 19 IV/56 . 20f., und
Rückfrage H. Gr. G vom 11.9. RH 19 IV/46 . 64.
294 tand der i enbahnbewegung vom 11.9., OB We t la r. 7954/44, RH 19
IV/56, . 31.
29S Tage meldung für den 11.9., OB We t Ia r. 7960/44 ebd. . 27ff.
296
bkdo H.Gr. G Id r. 824/44 vom 14. 9., RH 19 XII/8 . 220.
297 Gez. Rund tedt B W4 t Ia r. 10/44 vom 11.9. RH 19 IV/56 . 20f.
li. Die Lagebeurteilungen der Führungsstäbe 291
301 Ebd.
302 Das LXVI. AK unter tand eit dem 12.9. 06.00h dem AOK 19.
03 Ferng pr. Wiese-Bot eh vom 12.9. 19.12h RH20-19/98
, , . 44.
04 Fernge pr. Bot ch-Gyldenfeldt vom 12.9. 19.30 h ebd. . 44 f.
los Ferng pr. Oberst iebert (Stabchef LXVI. AK}-Ia AOK 19 vom 12.9. 21.05 h
,
ebd., . 46.
292 Tei I C: Die Entwicklung vom Höhepunkt der Krise
RH 20-19/98, . 6.
Ju Ebd .
.lH Besprechung \XIi es beim LXVI. Ak vom 12. 9., RH 20--19/98 18-20 h, . 60f.
.us RH 20-19/85 für den 13. 9., . 66.
11. Die Lagebeurteilungen der Führung täbe 293
H6
. Fonde Panzerbrigade . 177-201.
.) 17 bd.
31 Fernge pr. Gyldenfeldt-Bot eh vom 13. 9. 21.55 h. RH 20-19/98, . 106.
319 Ebd.
320 RH 20-19/85 für den 13. 9. . 67.
321 Ebd., S. 68.
322 Fern pruch XXXXVIl. Pz. Korp vom 15.9., 0.30 h, RH 20-19/99, . 77.
323 Fernge pr. Ia H .Gr. G-Ia Pz.AOK 5 vom 14. 9. 13.15h RH 19 Xll/8 . 220.
32.. onde Panzerbrigade . 199. ie verfügte am 15. 9. noch über 22 ein atzberei-
te Panzer (vgl. hierzu Ferng pr. iebert-Bot eh vom 15. 9., 13.10h RH 20-
19/99 . 64 f .). Die 2. Franz. Pz. Div. verlor etwa 10 herman-Panzer (Fonde
Pan7..erbrigade . 177 ff.).
HS Außer dem Divi ion tabkonnten ich bi 7um 16. 9. nur in ge amt 30 Mann
hinter die Mo el reuen, Tage meldung für den 16. 9. B � t I a r. 8274/44
RH 19 IV/56, . 19l ff.
294 Teil : Die ntwicklung vom Höhepunkt der Kri e
......
0 ......�
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E===�d · SOkm
1. Vom Höhepunkt der Krise bis zu den ersten Anzeichen 295
296 Teil C: Die Entwicklung vom Höhepunkt der Kri e
Blaskowitz teilte die Auffa ung d tab chef der 19. Armee Gen.Lt,
Bot eh, der telefoni eh abermal einen Antrag auf Frontverkürzung tell
te326. Im Hauptquartier der Heeresgruppe G in Mol heim (bei traß..
burg) bereitete man am Mittag d 14. eptember einen »neuen Ent chluß.c
vor327•
Um 12.30 Uhr meldete Blaskowitz dem OB We t, die »Heeresgruppe [sei
...]mit allen Mitteln be trebt gewe en den ack vorwärt der Vogesen zu
erhalten«. Infolge der ungün tigen Entwicklung an d en ord- und Süd..
flanke waren die »Feindspitzen [...] nun nur noch 40 km« voneinander
getrennt. Blaskowitz wie auch Manteuffel hielten damit den »Raum vor·
wärt der Voge en [... für] derart eingeengt, daß au ihm eine Operation
wie bi her vorge ehen, nicht mehr möglich« er chien.
tan de en chlug der Oberbefehl haber der Heere gruppe G vor, mit
den noch zu versammelnden Verbänden der 5. Panzerarmee einen »Angrifi
ostwärt der Mo el au [dem]Raum t. Die-Ramberviller -Epinal nach
orden« zu führen um dem beider eit ancy über den Fluß gegange..
nen Gegner in die lanke zu toßen. Die 19. Armee allerding sollte, so
Blaskowitz, endlich die Ermächtigung bekommen,[... ich]auf die Linie
Charme -Epinal-vorwärt Belfort [... ] zurückzukämpfen«32 •
Feldmar chall v. Rundstedt timmte die er Beurteilung zu und ließ sie am
achmittag mit dem Zu atz in Führerhauptquartier übermitteln »um
ofortige Ent cheidung wird gebeten«329• Hitler gab dem klar und ent
ebio en wirkenden Drängen noch in der acht nach330•
In dem Moment al Hitler den Vor chlägen Blaskowitz' und Rundstedes
»im Großen« zu timmte331, war prinzipiell zweierlei ent chieden. Zum
einen konnte nun der bisher weit vorge taffelte linke Flügel der Westfront,
die 19. Armee, »eingezogen« und auf eine verkürzte, von der Mosel bei
ancy direkt zur Burgundischen P forte führende Stellung zurückgenom
men werden. Zum anderen legte Hider nun ein bisheri ges Offensivkon
zept endgültig ad acta.
Insgesamt gesehen hatte ich die militärische Situation in den Tagen bis
zum Beginn der zweiten Septemberdekade zweifelsohne zugunsten der
Deut chen verändert. Diese Zwi chenergebni er cheint ange icht der
katastrophalen Lage in der ich das� theer um die Monat wende befun
den hatte bemerkenswert genug.
Die Front zeigte ich jedoch noch nicht oweit gefestigt, daß e möglich
·war, die für eine Großoffen ive notwendigen Re erven zurückzuhalten und
geordnet aufmar chieren zu lassen. Bei dem nicht über Ansätze hinau ge·
kommenen Unternehmen erwies sich abermal , welche Bedeutung der Wet·
terlage angesicht der alliierten Luftherrschaft zukam, worauf Feldmarchall
v. Rund tedt zuvor vergeblich hingewie en hatte.
Retrospektiv betrachtet wird noch deutlicher, welchen Stellenwert di
Operation, deren Realisierung die bisher größte Massierung deut eher Pan·
zer im We ten bedeutet hätte in der Strategie Hitlers einnahm: da Schei·
tern des Versuchs direkt au der Rückzugsbewegung herau zu einer Flan·
kenoffen ive überzugehen, mündete - nicht nur in zeitlicher Hin icht:
ondern auch bezüglich der inhaltlichen Folgerungen - unmittelbar in Hit·
ler Ent chluß zur Ardennenoffen ive332. Die Erkenntnis, daß eine der·
artige Großoperation nur aus einer konsolidierten,fostgefügten Front her·
aus durchführbar war, hatte sich durchge etzt.
Die für die es Unternehmen notwendige Auffri chung der Panzerverbän·
de konnte nach Guderian Meldung erst im Oktober beginnen3·n. Auch
im Hinblick auf die zu erwartende Schlechtwetterphase kristalli ierten sich
damit die letzten beiden Monate de Jahre 1944 al der Zeitraum heraus:
der frühe tens für eine entscheidende deut ehe Großoffensive in Frage
kam.
332 Diesen Ent chluß gab Hider nach dem Zeugni de Gen. d. Fl. Werner Kreip
am 16 9. gegen 13.00h bekannt (vgl. Greiffenberg Ardennes-Questionnaire:
.
.nl Gen. In p.d. Pz.Tr. r. 2920/44; Ent cheidung des Führer zum Führervor·
trag vom 13. 9., RH 10/90, S. 90f. Zu diesem Zweck wurde das Pz. AOK 6 unte1
Generalober t der Waffen- Dietrich gebildet (ebd.). Der Befehl zur Auf tel·
lung d tab der 6. Panzerarmee erging bezeichncnderwei e am 14. 9. (vgl.
chramm Ardennenoffen ive M -A-862, . 56).
m. Das Ende der Rückzug Operationen im Westen und der Über
gang zum Stellungskrieg
it ffen ivplänen zum Jahre ende 1944 befaßten sich allenfalls Hitler
und das OK . Die Führung täbe im We ten aber waren vollauf damit be
chäftigt zu verhindern, daß die Verteidigungslinie zwischen Antwerpen
und Belfort unter dem Druck der alliierten Offensiven wieder aus den
ugen geriet. Die »akute Gefahr« das hatten die Feldmarschälle Rund-
tedt und Model bereit vor Tagen (7. September) deutlich gemacht lag
im Raum Aachen. Beide rechneten mit einem gegnerischen Stoß über die
Kai er tadt in »Richtung [ ...] auf das rhein.-we tf. Industriegebiet«33,..
Di e Befür htung schien sich zu bestätigen, als US-Truppen am Abend des
12. eptember den er ten Westwall- Bunker südlich der Stadt besetzten. Tat-
ächlich jedoch handelte e ich nicht um den Beginn einer großangeleg
ten Durchbruch offen ive. W ie bereit erwähnt hatte sich der Oberbe
fehl haber der 1. US-Army, Gen. Hodges, zu einem vorsichtigen Vorge
hen ent chlo en. Er genehmigte den beiden in der ähe der Reichsgrenze
tehenden Korp aber, »kampfkräftige Aufklärung« vorzutreiben.
General Collin der da V II. US-Korp (we dich der Linie Aachen-Mon
chau) führte war mit diesem Zuge tändni zunäch t auch zufrieden. Da
eine G 2-Abteilung davon ausging, der Gegner könne nur hinhaltenden
W iderstand lei ten wollte Collins den Westwall noch in der »Aufklärungs
pha e« durch toßen335•
Er ließ und das war entscheidend, die drei Divisionen (3. US-Pz., 1., 9. US
Inf. Div.) ein Korp auf einer Breite von rund 30 km antreten. Dabei
ollte die Stadt Aachen elbst zwar ausgespart werden, doch war es nicht
vorge ehen, von vornherein einen wirkung vollen Schwerpunkt zu bil
den. Lediglich im sogenannten >)Stolberggap«, das die 3. US-Panzerdivi-
ion - in den Flanken durch Infanterieeinheiten gedeckt -zu durch chrei
ten hatte, zeichnete ich eine gewi e Konzentration der amerikanischen
Kräfte ab336•
Am rechten Flügel der 1. US-Army liefen die Vorbereitungen für den Stoß
in Reich gebiet in ähnlicher Wei e. Die Feindbeurteilung General Gerows
( . U -Korp ) timmte weitgehend mit der Collin ' überein. Man rechne
te im Ab chnitt d V II. US-Korp auf etwa 7000 im Ab chnitt d V. US
Korp (w dich der Linie Prüm-Bitburg) ogar nur noch auf 6000 Deut-
ehe zu treffen337•
Gerow beabsichtigte, seine drei Verbände (4., 28. US-Inf., 5. US-Pz. Div.)
auf einer Breite von 40 km in Richtung Prüm-Bitburg vorgehen zu las
sen. Als Angriffsdatum bestimmte er den 14. September338• Die Kampf
handlungen bei Aachen begannen friiher.
Das auf deutscher Seite hier führende LXXXI. Armeekorps war denkbar
chwach. Am rechten Flügel, zwischen Maastrichtl39 und der Kaiserstadt,
tanden General Schack nur zwei abgekämpfte Infanteriedivisionen {275.,
49.) zur Verfügung. Im Raum Aachen-Roetgen {ca. 10 km nördlich von
Monschau) befanden sich die Kampfgruppen der 9.340 und 116. Panzer
division mit zusammen etwa 40 Kampfwagen3'u, dahinter lag die 353. In
fanteriedivision.
Der Abschnitt, auf den Collins seinen Panzerverband ansetzte, zählte sicher
lich noch zu den abwehrstärksten der gesamten 7. Armee342, er bot den
noch kaum Aussicht, einem US-Angriff längere Zeit standhalten zu kön
nen. Die deutsche militärische Führung wurde zusätzlich mit einem Pro
blem konfrontiert, das sich ihrem Einfluß weitgehend entzog.
Am 11. September hatte Hitler befohlen, die Bevölkerung der bedrohten
Gebiete im Westen - u. a. des Stadt- und Landkreises Aachen -zu evaku
ieren343. Die hierfür zuständigen Parteifunktionäre wie auch die Polizei
dienststellen setzten sich jedoch ab, nicht ohne zuvor die Parole ausgege
ben zu haben, »daß jeder, der die Stadt nicht sofort« verlasse ein Landes
verräter sei. Hieraus resultierte eine Panik, die - unmittelbar hinter den
deutschen Linien - unter der »ohne Ziel und Organisation« auf die Stra
ßen »gejagten« Zivilbevölkerung ausbrach3"4•
Zu diesem Zeitpunkt hatten US-Einheiten den ersten Westwall-Bunker am
Stadtrand eingenommen, weiter südlich die Ortschaft Roetgen passiert
und waren auch hier vor den »Höckerhindernissen« der sogenannten
»Scharnhorst-Linie«345 aufgetaucht.
JJ Ebd. S. 39 ff.
339 Die Stadt selb t gehörte allerding zum Befehlsbereich der 1. Fallschirmarmee.
.H o Mit unter tellter Pz. Brig. 105.
341 Die 116. Pz.Div. verfügte am 12. 9. über 19 die 9. Pz.Div. über 3 einsatzberei
te Panzer vgl. Ferngespr. Gersdorff-Tempelhoff, 20.35h RH 19 IX/89, S. 183f.
Der 9. Div. Gen.Maj. Müller wurden am gleichen Tag noch 19 Panzerjäger
IV der Sturmgeschützbrigade 394 unter tellt vgl. Brandenberger, 7. Armee, M -
B-730, S. 7 4.
1
. 4 2 Dem LXXIV. A.K standen z. B. zur Sicherung d Raum Mon chau-Ormont
nur Reste von 2 Infanteriedivisionen ( 89., 347.), Einheiten des Ersatzheer (Div.
r. 526.) und 3 Luftwaffen� tungsbataillone zur Verfügung, vgl. KTB H. Gr. B
vom 12. 9. . 172 und 14. 9., S. 209.
l4.l Zit. nach: OB West I a r. 7853/44 vom 11.9. RH 19 IV/56 . 9 f.
344 Ferng pr. Gersdorff-Krebs vom 13. 9. 16.10h RH 19 IX/89 . 192
4S Zwi chen AJ dorf {15 km nordo tw. von Aachen) und Ormont {ca. 12 km nördl.
von Prüm) be tand die Westwallzone au zwei Bunkerlinien. Aachen lag zwi
chen der er ten der » charnhor t«- und der zweiten, der chill-Linie•.
»
300 Teil C: Die Entwicklung vom Höhepunkt der Krise
Dann trat noch einmal Ruhe an di em Ab chnitt ein. Der Angriff des
II. U Korp begann am orgen d 13. eptember. Zu di em Zeitpunkt
war Aachen nahezu ungeschützt.
Die 116. Panzerdivision tand noch nicht in den tellungen, die sie west
lich und üdwe dich der tadt beziehen ollte. Wegen des aufgrund von
Minenfeldern und perrungen chiecht zu durchquerenden Geländes hat
te Gen. Lt. v. chwerin seinem Verband beim Ab etzen durch den West
wall befohlen, zunäch t im orden Aachen zu ammeln und sich hier
notdürftig aufzufri chen346•
Die Division konnte frühesten am achmittag in die ront einfließen.
Unterd en ver uchte der Division kommandeur der Panik in Aachen
Herr zu werden. Zunächst toppte er mit Hilfe der Feldgendarmerie und
einiger Offiziere die sogenannte »Evakuierung« ab. Darüber hinau depo
nierte chwerin, da er mit dem baldigen Einmar eh gegnerischer Trup
pen rechnete ein in engli eher Sprache gehaltenes Schreiben im Fernsprech
amt mit dem er den befehlsführenden US-Kommandeur dazu aufforder
te die Bevölkerung »in humaner Wei e« zu behandeln347•
Auch der Oberbefehlshaber der 7. Armee, General Brandenberger, erwar
tete an die em Tag »Stündlich die achricht vom Fall Aachen «348• Die
Angriffach e des US-Panzerverband lief jedoch am Südrand der Stadt
vorbei. Bis zum Abend konnten die beiden »Combat Command « der Divi-
ion {3. U Pz.Div.) clie » charnhorst-Linie« bei Kornelimünster und Roet
gen durchbrechen349• Um die Mittagszeit des 14. September standen die
Amerikaner bereit 5 km üdlich von Stolberg350.
Die 9. Panzerdivision Gen. Maj. Müller setzte ihnen zwar hartnäckigen
W iderstand entgegen351, doch die deut chen Kräfte - auch Schwerins Ver
band hatte die Front mittlerweile erreicht- genügten für eine erfolgreiche
Abwehr nicht.
Feldmarschall Model erbat nun - außer den Ersatzheer-Einheiten und
den fünf Fe tungsbataillonen, die beim LXXXI. Armeekorps bisher ein
getroffen waren352 - dringend weitere Verstärkungen, »da sonst«, wie er
glaubte, »Aachen verloren« gehe353• Mit der Soforthilfe, die der OB West
zu geben im tande war - eine Artillerie-Abteilung - ließ ich die Ver-
chärfung der Lage aber kaum vermeiden.
.212/1.
3St Die 3. U -Pz.Div. verlor allein am 13. 9. 14 » herman « MacDonaJd, iegfried
Line . 74.
JS2 Meldung 353. Inf. Div. vom 13. 9. RH 24-81/97, . 204/1.
JSJ Ferng pr. Model-Kreb vom 13. 9., 13.00h RH 19 IX/89, . 205.
III. Das Ende der Rückzugsoperationen im We ten 301
)6t
OKW/WF t/Op. r. 0011273/44 vom 16. 9., zit. nach: gcz. Rund tedt OB
We t I a r. 8197/44 RH 19 IV/56, S. 187f.
l62 Der Frontbesuch fand beim LXXX. und LXXXll. AK am Vormittag d 14. 9.
tau. Vgl. gez. Rund tedt OB We t I a r. 8090/44 vom 14.9. RH 19 JV/56,
. 121 f.
302 Teil C: Die Entwicklung vom Höhepunkt der Krise
lll. Das Ende der Rückzugsoperationen im We ten 303
304 Teil C: Oie Entwicklung vom Höhepunkt der Kri e
Haltung der Truppe gut«. Der KTB-Führer des L XXX. Armeekorps notier
te bereit am 10. eptember der Befehl zum Einrücken in den Westwall
habe ))der Truppe[...] doch einen b onderen Auf chwung« gegeben. »Offi
zier und Mann empfinden, wenn zum Teil auch [unbewußt ...],daß nun
der Kampf [...] in eine neue Phase tritt«363•
Ein ähnliches Zeugni liegt au dem Bereich des LXXIV. Armeekorps
( on chau-Ormont) vor. Ober t v. Ger dorff konstatierte »die Kampf
moral habe ich in den fe ten Verhältni en d Westwall «,der in diesem
Ab chnitt am 13./14. eptember bezogen w urde »teilweise erheblich ge
be ert«364•
W ährend die abgekämpften Verbände de Westheere sich nach den Stra
pazen d Rückzuges offen ichdich schnell wieder »fingen«, schlugen sich
auch die au der Heimat an die Front verlegten Einheiten des Ersatz
heeres »au gezeichnet«365• Lediglich die provi orisch zu ammengestellten
Luftwaffenfestungsbataillone die au meist infanteristi eh kaum geschul
ten Luftwaffenangehörigen be tanden hatten »prakti eh keinen Kampf
wert«366.
Allgemein kann festgestellt werden daß e dem Westheer Mitte Septem
ber 1944 weniger an Kampfmoral als an au gebildeten Soldaten und Mate
rial gebrach. Ohne per onelle und materielle Reserven aber ließ sich die
Kri e üdlich von Aachen nicht »bereinigen«.
Anzeichen dafür daß die Amerikaner auch gegen den fortifikatorisch
chwächsten Ab chnitt der Befestigung Iinie nördlich der Stadt vorgehen
würden fehlten jedoch. Das XIX. US-Korp griff au der Linie Maastricht
Aachen nach orden an. General Corlett ah sich aus Sorge um seine lin
ke Flanke- die in Richtung Eindhoven orientierte 2. Brit. Armee - vor
er t gezwungen, diese Vormar chachse beizubehalten367• Schacks rechter
Flügel wich zwar laufend zurück, konnte aber den Kontakt zur 1. Fall-
chirmarmee halten,die in der acht vom 13./14. September Maastricht
räumte36 • Die Gefahr eines Durchbruchs ins Reichsgebiet bestand in die-
em Ab chnitt noch nicht. Der 15. September stellte sich für die deutsche
Führung im Westen nicht nur wegen der Lage bei Stolberg als besonders
kriti eher Tag dar.
Zwar waren die Infanterieverbände Gerow im Westwall vor Prüm zum
Stehen gekommen, doch üdlich hiervon hatte der Panzerverband des
V. US-Korp die deutschen Linien tief durchbrochen369•
ro
KTB LXXX. AK, RH 24-80/68 . 69ff.
371 MacDonald, iegfried Line, S. 59 f.
372 otiz für den Chef d.St. OB West vom 15. 9 ., RH 19 IV/56, . 150.
373 r. 8129/44 ebd., S. 123 ff.
Tag meldung für den 14. 9., OB � t Ia
374
Tag meldung für den 15.9. OB We t Ia r. 8195/44, ebd. . 159 ff.
37s Vgl. Kap. B IV 1.
376
Patton sollte hiernach einen ausgedehnten Brückenkopf auf dem 0 tufer der
Mo el al tändige Gefahrenquelle für die Deut chen errichten.
3n
Je ca. 3 500t täglich, vgl. Cole, Lorraine, . 210.
37
Am 16. 9. wi er einer Armee das Gebiet Manoheim-Frankfurt al •Angriffs
ziel« zu, ebd., . 214.
379 chreiben Ei enhower an Montgomery vom 15. 9. Eisenhower Paper IV,
. 2148f.
306 Teil C: Die Entwi klung vom Höhe punkt der Kri c
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III. Das Ende der Rückzugsoperationen im Westen 307
308 Teil C: Die Entwicklung vom Höhepunkt der Krise
Binnen weniger Tage ollte ich aber erwei en, daß ich Ei enhower hin
i helich der deut chen W ider tandskraft geirrt hatte. Im Stab des OB West
konzentrierte man ich in er ter Linie auf die beiden nördlichen Kri-
enherde.
Bei Aachen hing alles davon ab, ob die in di em Raum dirigierten Zufüh
rungen eintrafen, bevor der Gegner seinen Erfolg ausnutzte. ach Auf
fa sung General Kreb , würden chon die Ereigni e des 16. Septembers
Auf chluß über den weiteren Verlauf der Dinge südost'Wärts von Aachen
geben3 0.
Kreb behielt Recht. Mit dem Eintreffen der ersten Kampfgruppen der
12. Infanteriedivi ion am achmittag begann sich die Lage zu stabilisie
ren381. Das Eingreifen eines »fri chen, festgefügten Verbandes«382 verstärkte
die Abwehr de LXXXI. Armeekorp nicht nur zahlenmäßig. Das KTB
de OB We t vermerkte, da Er cheinen der 12. Infanteriedivision habe
ich auf »Truppe und Bevölkerung ermutigend« au gewirkt383.
General Collin dagegen begrub eine Hoffnung, den Westwall-Durchbruch
au dehnen und den Stoß in Reich fort etzen zu können3 4• Er entschied,
die Kampfführung habe ich vorerst auf die Verbesserung der Stellungen
zu be chränken3 s. Den Amerikanern fehlte nach eigener Einschätzung
nun auch die Kraft, den Angriff weiter nähren zu können. Die 3. US-Pan
zerdivision verfügte mit 70 herrnans nur noch über etwa ein Drittel ihres
Panzer ollb tands386. Auch die deutsche Seite hatte schwere Verluste erlit
ten: W ährend der fortlaufenden Gegen töße der 12. Infanteriedivision
chmolz beispielweise die Gefecht tärke ein ihrer Regimenter binnen
weniger Tage auf rund 400 Mann3 7• General Collins wies nun- symp
tomatisch für die neue Kampfphase - einem Infanterieverband die Haupt
rolle zu.
Die 9. U -Infanteriedivision erhielt den Auftrag, von Zweifall au nach
0 ten vorzugehen, das Waldgebiet bi zur Linie K.leinhau-Hürtgen-Ger
meter zu äubern und so die amerikanischen Kräfte bei Stolberg in der
Flanke zu ichern388. Die Gefechte in diesem Raum begannen am 20. Sep
temberl89.
390 Tage meldungen für den 2 0 ./21 .9., OB WestIa r. 8395 und 8 45 0/44, ebd.,
. 33 0ff . und RH 19 IV/57 . 29ff.
391 Tag meldungfür den 18 .9. OB WestIa r. 8332/44, RH 19IV/56 , . 274ff .
392 MacDonald Siegf ried Line, S. llOff .
39 Ebd.
399 Schwerin, 116. Pz. Div., MS-ETHI T 18 S. 48 ff.
400 Ferng pr. Brandenherger-Model vom 18. 9., 19.10h, RH 19 IX/90, S. 32f. Der
Verfasser hat jedoch keine Hinwei e darauf entdecken können, daß Model
die Überstellung chwerin an den Volksgerichtshof angeordnet hat. Dies aber
i t von chwerin nach dem Kriege behauptet worden; vgl. dazu MS-ETHINT
18, . 51.
40' Ferng pr. Brandenherger-Model vom 18.9., 19.10h, RH 19 IX/90, . 32f.
402 Ebd.
403 Ferng pr. Gersdorff-Kreb vom 19. 9., 9.10h RH 19/IX/90, . 41.
404 Tätigkeit bericht Heer per onalamt, 2. 10. 1944, S. 276.
406 Gez. Rundstedt, OB West Ia r. 8254 und 8256/44 vom 17. 9., RH 19 IV/56,
S. 210 und 214.
407 Tagesmeldung für den 18. 9., OB We t Ia Nr. 8332/44, RH 19 IV/56, S. 274ff.
40 MacDonald, Siegfried Line, S. 61 f.
m Die Pz. Brig. 108 verfügte über 34 Panzer, von denen am 19. 9. 22 eingesetzt
wurden, vgl. KTB LXXX. AK vom 19. 9. S. 81 ff.
410
MacDonald, Siegfried Line, S. 65.
411
Tagesmeldung für den 22. 9., OB We t Ia Nr. 8480/44, RH 19 IV/57, . 51ff.
412 MacDonald, Siegfried Line, S. 40.
41l In der Zeit vom 13.-18. 9. erhielt die 1. US-Army wegen Regens und ebel
relativ wenig »Air-Support«, vgl. MacDonald, Siegfried Line, . 86.
312 Teil C: Die Entwicklung vom Höhepunkt der K rise
den Aktionen der alliierten Luftwaffen engere Grenzen, als dies bisher der
Fall gew en war.
Di erleichterte der deut chen ührung, die vorhandenen Reserven noch
rechtzeitig an die jeweiligen Brennpunkte des Geschehens zu verlegen. Ein
Beispiel war die 183. Volksgrenadierdivision, ein anderes die 12. Infanteriedi
vision, die innerhalb von zweieinhalb Tagen vom rund 900 km entfern
ten Truppenübungsplatz Gruppe (bei Graudenz) nach Aachen transpor
tiert wurde� ....
Der 7. Armee konnten o insgesamt bis zum 20. September zwei frische
Infanterieverbände, die Panzerbrigade 108 (sowie etwa weitere 60 Panzer)
und 25 Fe tung einheiten in Bataillonsstärke415 zugeführt werden.
General Hodge mußte am 22. September eingestehen, daß seine 1. US
Army auf ganzer Front zum Stehen gebracht worden war416• Auch die
3. US-Army konnte die Ziele ihres Oberbefehlshabers nicht erreichen. Am
Abend des 20. September mußte Patton erstmals zugeben, daß seine Erwar
tungen zu optimistisch gewe en waren417•
Auch au der Sicht Rundstedt hatte sich die Lage in diesem Frontabschnitt
nicht wie erhofft entwickelt. Die Absicht de OB West, die gefährliche
Krise bei ancy durch offensive Kampfführung zu beseitigen und als »End
ziel« die Mo elfront auf ganzer Linie wieder zu stabilisieren, ließ sich nicht
durchführen.
Mit einer gewissen Zuversicht hatte Rundstedt zuvor befohlen, »spätestens
am 18. 9. in allgemeiner Richtung Luneville anzugreifen[ ... und] nach Zer-
chlagen d dortigen Feindes[...] unverzüglich gegen Pont-a-Mousson wei
terzustoßen«. Abgesehen von dem geplanten »ZU ammengefaßten Angriff
der 5. Pz. Armee« auf dem Ostufer der Mo el ordnete der OB West an, den
»Waffenplatz Diedenhofen-Metz« weiterhin wie bisher zu verteidigen418•
Zumindest letzteres gelang in vollem Umfang. In den dortigen Stellungs
kämpfen konnte das XX. US-Korp keine nennenswerten Erfolge erzie
len, erlitt aber schwere Verluste. Die 7. US-Panzerdivision beispielsweise
büßte allein 1 200 Soldaten und 55 Panzer ein419•
Am 17. September ließ General Walker den Angriff seines Korp einstel
len420. Für den Rest des Monat kehrte in diesem Frontabschnitt Ruhe
ein. Auf deut eher Seite sah man durchau die Gelegenheit, den weiter süd
lich gelegenen Kri enherd bei ancy zu »bereinigen«: Hier tanden noch
•H Vgl. hierzu KTB OB West vom 12. 9. (Antran port 12.lnf.Div. ab 13.9. 24.00h),
. 67.
41$ OB We t Ia r. 8380/44 vom 20. 9. RH 19 IV/56, . 336.
416 MacDonald iegfried Line . 115.
417 In einem G präch mit dem Kommandierenden Gen. d XII. U -Corps, Gen.
Eddy, vgl. Cole l.orraine, . 229.
4h Gez. Rund tedt OB � t Ia r. 8234/44 vom 16. 9., RH 19 IV/56, . 17Sf.
·U9 Cole Lorraine . 174.
420 bd., . 183.
III. Das Ende der Rückzugsoperationen im Westen 313
-421 Pz.Abt 103 bzw. 115 (Sollbestand: je 42 Sturmgeschütze). Am 14. 9. waren bei
der 3. Pz. Gren. Div. 39, bei der 15. Pz. Gren. Div. 17 Sturmgeschütze ein atz
bereit, vgl. Obkdo H. Gr. G Ia r. 824/44 vom 14. 9. RH 19 X II/8, . 224f.
<422 M
orgenmeldung OB West vom 17. 9., RH 19 IV/46, S. 95.
423 Vgl. hierzu die Tagesmeldung für den 18. 9. OB West Ia r. 8332/44, RH 19
IV/56, S. 274 ff.
424 Obkdo H. Gr. G Ia r. 2834 vom 18.9., RH 19 Xll/8, . 275.
<42
5 Luneville wurde von der 15. Pz. Gren. Div. am 17. 9. vorübergehend geräumt,
vgl. Tag meldung für den 17. 9., Ob. Wc t Ia r. 8295/44, RH 19 IV/56,
s. 231ff.
<426 C
ole, Lorraine, S. 214f.
427 Gez. Rund tedt OB � t Ia r. 8308/44 vom 18. 9., RH 19 IV/56, S. 249.
314 Teil C: Die Entwicklung vom Höhepunkt der Kri e
Die Panzerbrigaden 107 und 108 die ursprünglich an der Operation der Ar
mee anteuffel teilnehmen ollten, wurden wegen der Lage im orden
bei der Heeresgruppe B zurückgehalten. Auch die 11. Panzerdivision konnte
vorer t nicht eingreifen da ie noch im Raum Belfort gebunden war. Man
teuffel Armee· umfaßte deshalb zunächst lediglich die Kampfgruppe der
21. Panzerdivi ion (mit unterstellten Resten der Pz.Brig. 112) sowie die Pan
zerbrigaden 111 und 113..28• Am Abend de 17. September waren insge-
amt nur etwa 100 Kampfwagen einsatzbereit ..29•
Manteuffel und eine Kommandierenden Generale sahen deshalb dem näch-
tenTag mit Skep i entgegen. Im Stab General Krüger (LVIll. PzK), der
mit der Brigade 113 den Stoß von Blamont ausführen sollte, stellte man
einen Erfolg generell in FrageH0•
Dennoch begann der Angriff vielver prechend (vgl. Karte 24): die Grup
pe Lüttwitz (21. Pz. Div., Pz.Brig. 111) trat um 7.45 Uhr aus dem Raum
Baccarat an und stand um die Mittagszeit bereits vor LunevilJeH1• Oberst
Bron art von Schellendorffs Brigade 111 drang wenig später gegen härte
ren Wider tand in die Stadt ein und be etzte deren SüdostteilH2•
Da damit die Verbindung zur 15. Panzergrenadierdivision bereits herge
stellt war, konnte General Krüger der Panzerbrigade 113 ein anderes Ziel zu
wei en: Oberst v. Seckendorff sollte seine Panzer nun nicht mehr auf den
tadtrand von Luneville, sondern nördlich des Rhein-Marne-Kanals auf
Champenoux (10 km nordostw. von ancy) zu marschieren lassen.. 33.
General v. Manteuffel bereitete nun also den Stoß in Richtung Nancy vor,
nachdem das er te Angriffsziel überraschend schnell erreicht war.
Zunächst erhielt General v. Lüttwitz {XXXXVII. PzK) den Auftrag, mit
einen Kräften (21. Pz. Div. mit Resten Pz. Brig. 112) eine Flankensiche
rung zwischen dem Foret de Parroy-Luneville und dem Raum Baccarat
aufzubauen'0,.. Manteuffel unter teilte dem XXXXVII. Panzerkorps zu
diesem Zweck auch die 15. Panzergrenadierdivision. Die Brigade 111 aber
wurde aus Luneville herausgelöst. Sie sollte bei Parroy den Rhein-Marne
Kanal überqueren und Krüger Gruppe verstärkenH5, deren Angriff in
Richtung ancy am nächsten Morgen begann..36•
4.l5 Mündlicher Befehl Manteuffel vom 18. 9., 20.15 h RH 24-58/10 . 13.
4.l6 In ge amt g ehen blieb die tärke der Angriffsgruppe mit ca. 110 Panzern in
etwa gleich. L üttwitz' Korp nahm zwar nicht mehr teil, doch dafür erhielt
III. Das Ende der Rückzugsoperationen im Westen 315
Krüger - neben den 25 Kampfwagen der Pz. Brig. 111 - eine weitere Verstär
kung durch die P IV-Abteilung der Brigade 113, die nun auch auf dem Gefechts
feld eintraf, vgl. Ferngespr. Oberst Dingler (Chef LV III. Pz.K)-Kahlden vom
18. 9., 18.30h, RH24-58/12, S. 13.
4.l7 Lageorientierung Manteuffels an Blaskowitz vom 19. 9., 14.30h, RH 21-5/54,
s. 10.
43 Ebd., S. 11.
441 Ebd., S. 11 f .
443 Kahlden an LV IIl. PzK vom 19 . 9., 21. 40h, RH24-58/12, S. 15.
444 Vgl. hierzu die Lagemeldung Dingler an Kahlden vom 20. 9., 20.55 h,
RH24-58/13, S. 19.
445 Cole, Lorraine, S. 226 ff.
447 Ab chußmel,dungen der Pz. Brig. 111 und 113 in: Tagesmeldung für den 22. 9.,
OB West Ia r. 8480/44, RH19 I V/57, S. 51 ff.
316 Teil C: Die Ent wicklung vom Höhepunkt der Kri e
richten die U -Offen ive nach ordo ten aufzufangen •und o den [ ...]
Dur hbruch [ . .. ]zu verhindern«•_. . Die begrenzte Operation der Armee
Manteuffel war damit beendet. Da Pz. AOK 5 erhielt am 21. eptember
einen� ten Verteidigung ab chnitt zwi chen der 1. und der 19. Armee zu
gewie en449•
Blaskowitz. gab Manteuffel allerding den Auftrag, sich nicht ganz auf die
Defen ive zu be chränken. Das näch te Ziel ollte ein, vom rechten Flü
gel au in konzentri ehern Zu ammenwirken mit dem linken Flügel der
1. Armee die kleine noch b rehende Frontlücke im Raum V ic sur Seille
Moyenvic zu chließen. Hierfür wurden Manteuffel Ver tärkungen zuge-
agt. or allem aber das hatte Blaskowitz betont, lag die Aufgabe darin,
»den Gegner immer wieder anzupacken [ ... ] und ihm die operative Frei
heit zu nehmen«450•
Daß dies zu di em Zeitpunkt in der Haupt ache bereits gelungen war,
Die traf eben o wenig zu wie der atz, mit dem er Montgomery über
das Ge chehen bei der 3. U -Army zu unterrichten trachtete:
·You may not know that for four day traight Patton has been receiving eriou
counterattacks ( ...] without auempttng any real advance hJmse/f452.•
Montgomery hingegen hatte offensichtlich bereit erkannt, daß die Ver-
uche da Zentrum der deut chen We tfront im ersten Anlauf zu durch
brechen g cheitert waren. Er, der nach wie vor forderte Patton müsse ein
deutig befohlen werden, zur Defen ive überzugehen, formulierte in die
em Zu ammenhang:
»It eem clear that 12 Army Group ha been aJlowed to out trip it maintenance
and as a re ult we have lost flexibzlity throughout the baule area as a whole453.«
2. Das Ende des Rückzugs: Der Erfolg der Ab etzoperationen an den äuße
ren Flügeln der Westfront
dem intendierten inne: Tat ächlich hatte man doch auf deutscher Seite,
al die DRAGOO - treitkräfte in der Provence den Bewegungsfeldzug
begannen, da chlimm te »erwartet«.
Es war maßgeblich Blaskowitz' Verdienst, daß di nicht eintrat. Im Süden
hatte der Bewegung feldzug nun sein Ende s�funden. Am 21. eptember
traf General d. Pz. Tr. Hermann Balck zur Ubernahme des Oberbefehls
in Mol heim ein473• Er ollte die Heeresgruppe in der neuen Kampfpha-
e, dem Stellung krieg führen.
W ie im Bereich der 19. Armee waren unterdessen auch am rechten Flügel
der tfront - zuminde t bi zum Beginn der Operation MARKET
GARDE - größere alliierte Angriffe au geblieben. Die relative Ruhe vor
der HKL der 15. Armee und der 1. Fall chirmarmee wurde mit einer bevor
stehenden Großoffen ive Montgomerys in Zusammenhang gebracht.
Die Ic-Abteilung der Heer gruppe B hatte die Ziele des Briten bemer
kenswert früh und genau analysiert. eit dem 8. September erwartete sie
die gegneri ehe »Schwerpunktbildung« nicht mehr im Raum der Scheide
mündung. Die Vorbereitungen der 21. Heeresgruppe ließen nun auf eine
Offensive über »Eindhoven in den Raum Arnheim- [ ... ] ijmwegen
Wesel« chließen47,..
Fünf Tage später ah man diese Auffassung durch die »geringe feindliche
Angriff tätigke�t gegen den Brückenkopf üdlich der Wescerscheide bestä
tigt«. Der Gegner plante offen ichtlich, durch einen Großangriff »in »nord
o twärtiger Richtung« alle in We tholland )>befindlichen deutschen Kräf
te in der Tiefe475 zu umfa en«476.
Demnach mußte der chwerpunkt auf dem Ostflügel der 21. Heeresgruppe
liegen. Dafür prach daß Demp ey 2. Brit. Armee versuchte, den wohl
al » prungbrett« für die Offensive gedachten auf Eindhoven weisenden
Keil in beiden lanken auszudehnen. Dies gelang auch: Zentrum und linker
Flügel der Fallschirmarmee Generalober t tudents mußten ausweichen
und da Gebiet zwischen Albert- und Maas-Schelde-Kanal räumen4n.
DasVorgehen der Kanadier gegen den Brückenkopf üdlich der Scheide wur
de jedoch noch zögernder. achdem der Versuch den Leopold-Kanal bei
Moerkerke zu überwinden unter blutigenVerlusten g cheitert war {14. Sep
tember), be chränkte sich General Simond {II. Kanad. Korps) darauf »tO
maintain contact [.. ] without sacrificing ourforces in driving out an enemy,
.
.will be a first prionty for Canadian Army« und •the whole energies of the Army
will be directed toward operations designed to [.. . ] the part of Antwerp«479•
Die sollte tat ächlich aber - zumindest für die nächsten Wochen - ohne
Belang ein. V ielmehr hatte der britische eidmarsehall gleichzeitig ange
ordnet General Crerar olle zunächst die Häfen Boulogne und Calais
erobern4 0• Deshalb blieben wie bisher nur zwei Divisionen ( 4. Kanad.
und 1. Poln. Pz. Div.) »übrig«, die den deut chen Brückenkopf an der Schei
de attackieren konnten. ach Montgomerys »Order of battle• standen am
� tflügel einer Heeresgruppe im Raum Brügge-Antwerpen-Herentals
al o relativ schwache Kräfte481•
Für General v. Zangen stellten deshalb die der 15. Armee nachfolgenden
kanadi chen Verbände nur eines seiner Probleme dar. Die Frage, ob die
große Rückzugsoperation der 15. Armee über die Scheide letzdich in einen
zur Stabilisierung der Westfront beitragenden Erfolg münden konnte, hing
noch von anderen Faktoren ab. Dabei spielte zunächst eine Rolle, ob der
chwierige Über erzverkehr auch weiterhin bewältigt werden konnte.
ur unter dieser Voraussetzung aber be tand überhaupt Aussicht darauf,
der 1. Fall chirmarmee noch rechtzeitig Kräfte zuzuführen, bevor die erwar
tete britische Offensive hier einen operativen Durchbruch erzielte. Des
weiteren kam es für General v. Zangen darauf an, die Scheidemündung
o nachhaltig zu sperren daß den Alliierten die logistische Nutzung des
Hafen von Antwerpen auf möglichst lange Zeit verwehrt blieb.
De halb war zunächst geplant, vier Verbände - also die »Hälfte« der
15. Armee - in die em Bereich zurückzulassen. Die 64. Infanteriedivision
ollte den Brückenkopf Breskens, die 70. Walcheren, die 245. Südbeveland
und die 331. die nördlich hiervon bis zur Maasmündung gelegenen Inseln
verteidigen• 2•
Die restlichen vier Divisionen waren für den Einsatz auf dem Festland,
zur Stützung der Hauptfront der Heeresgruppe B vorge ehen. Außer der
am Südüfer der Scheide zurückbleibenden 64. Infanteriedivision mußten
insgesamt also sieben Verbände die rund fünf Kilometer breite F lußmün
dung überqueren• 3•
479 Montgomery Direktive vom 14. 9. zit. nach: Elli V ictory, li . 27 und 59.
40 Ebd.
4 1 Insge amt etwa 3-6 Verbände. li. Kan. Korps (4. Kan. 1. Poln. Pz.Div.) und
1. Brit. Korp (49. Inf.Div.). Das XII. Brit. Korp (7. Pz. 15. Inf. 53.lnf.Div.)
der 2. Brit. Armee wurde bi zum 17. 9. in den Raum w dich von Herentals
zur Flankensicherung von MARKET-GARDE verschoben, vgl. Montgomery
ormandie . 198 ff.
4 2 Gez. Kreb , Obkdo H. Gr. B I a r. 7484/44 vom 17. 9., RH 19 IX/5, S. 702.
4 3 59., 70., 245., 331., 346. 711., 712. Inf.Div. Von der 17. Lwfeld-Div. waren außer
dem Div.-Stab der unter Gen. Lt. Höcker den Übersetzverkehr bei Terneuzen
leitete nur noch R te vorhanden die anderen Verbände unter teilt wurden.
Am 28. 9. wurde die Divi ion offiziell aufgelö t vgJ. � in Verbände, 4 . 60.
322 Teil C: Die Entwicklung vom Höhepunkt der Krise
Bis zum 14. eptember hatten zwei da Festland erreicht. General Spon
heimers LXVll . Armcekorp verstärkte zu di em Zeitpunkt mit der
346. und 711. Infanteriedivision bereits den rechten Flügel der all chir
marmee im Raum Antwerpen. Dennoch reichten nach Einschätzung Feld
mar chall Models die Kräfte der Armee Students »auch nach Zuführung
der notdürftig aufgefrischten 10. S-Pz. Div. [...]zur Abwehr [der bevor
stehenden britischen Offensive ... ] nicht aus«484•
Eine Beschleunigung der Rückzugsoperation über die Scheide war aber aus
geschlossen. chon zuvor hatten alliierte Flugzeuge die Hafenausfahrt von
Terneuzen durch die Versenkung einiger Prähme vorobergehend blockie
ren können48s. Am 15. September wurde auch die zweite große Fährver
bindung durch Luftangriffe zumindest zeitweilig unterbrochen. Alliierte
Bomber beschädigten die Anlegestelle Breskens schwer486•
eben den beiden Haupttransportwegen nutzten die Deutschen eit dem
12. eptember auch die Passage zwischen Doel und Lillo etwa 15 km nord
westlich von Antwerpen..87. Diese Fäheverbindung lag jedoch im W irkungs
bereich kanadi eher G chütze. Das Artilleriefeuer erwies sich am 16. Sep
tember als so stark daß der Übersetzverkehr hier zum Erliegen kam488•
Doch trat nie ein völliger Stillstand ein. Wegen der Bedrohung aus der
Luft fanden nun die Verladung von Truppen und Material die Anlegema
növer der Fähren und Boote wie auch der Transport selbst nur noch in
den tunden der Dunkelheit oder bei ebel statt489. Trotz der enormen
chwierigkeiten lief die Rückzugoperation also weiter. Daß dies überhaupt
möglich war, reUte zweifellos eine >>Meisterleistung« der beteiligten Heeres
und Marinedienststellen dar490•
Auch die mittelbare, sicherlich kaum freiwillig gewährte Unter tützung
von niederländischer Seite spielte wohl eine nicht unerhebliche Rolle. So
ordnete General Krebs an, die vom OB West bereits »freigegebenen« Zer
störungsmaßnahmen in den Häfen Amsterdam und Rotterdam noch hin
auszuzögern. Krebs fürchtete, daß der anderenfalls zu erwartende »Stim
mungsumschwung« in der niederländischen Bevölkerung negative Folgen
für die 15. Ar'mee zeitigen würde. Er betonte Zangens Armee sei zumin
dest noch bis zum 21. eptember »auf holländische Schiffsfahrzeuge ange
wiesen«491.
Vor allem aber bleibt zu berücksichtigen daß die alliierten »Sch\verpunkte«
ander wo, jedenfall nicht im Raum cheldemündung-Antwerpen lagen.
•
, ,. Gez. Model, Obkdo H. Gr. B I a r. 7380/44 vom 15. 9., RH 19 IX/5 S. 560ff.
•ss Zangen 15. Armee, MS-B-249 S. 42.
4 6 Abendmeldung OB West vom 15. 9., RH 19 IV/46, . 88.
487 Ferngespr. Hofmann-Krebs vom 12. 9., 09.15h, RH 19 IX/89, . 176.
• s Ferngespr. ld AOK 15-:fempelhoff vom 16. 9. ll.SSh, RH 19 IX/90, S. 3.
4 9 Zangen 15. Armee M -B-249, S. 36 ff.
490 Ferngespr. Krebs-Westphal vom 22. 9., 18.10h, RH 19 IX/90, . 84.
491 Ferngespr. Wühlisch-Kreb vom 18. 9. 11.45h ebd., . 28.
III. Da Ende der Rückzugsoperationen im Westen 323
elbst das ll. Kanad. Korp , das mit zwei Verbänden gegen den Brückenkopf
der 15. Armee operierte, eröffnete am 17. September eine weitere »Front«.
An diesem Tag begann der Angriff auf die »Festung« Boulogne492• ach
starker Bombardierung der Hafenstadt traten die Kanadier mit einer Infan
terie-Division, zwei Panzerregimentern und der Unter tützung von 330
Artilleriege chützen an493• Ihnen standen auf deutscher Seite Gen. Lt.
Heim und knapp 10 000 Soldaten gegenüber.
Fast zur gleichen Stunde begann rund 300 km weiter nordoStWärt s die lange
erwartete Großoffensive, die alliierte Operation MARKET-GARDEN. Zu
diesem Zeitpunkt hatten bereits zwei Generalkommandos und fünf Infan
terie<livisionen der 15. Armee die Westerschelde überquert494• Drei dieser
Verbände waren inzwi chen auf dem Festland eingesetzt495• Das erleichter
te zweifello Models Abwehrmaßnahmen am neuen Kri enherd der Hee
re gruppe B. In Anbetracht der Lage forderte der Feldmarschall, auch die
beiden noch auf den F ährtransport wartenden Infanteriedivisionen (712.,
245.496) in den Raum T ilburg zuzuführen•97• Das gelang schließlich auch,
obwohl ich nun die Lage südlich der Scheide zuspitzte: Läng de Gent
Terneuzen-Kanal vorstoßend brachen General Simonds' Panzerverbände
am 19. eptember tief in die deut chen Verteidigungsstellungen ein49 •
Der 0 tteil des Brückenkopf mußte aufgegeben, der F ährtransport ganz
nach Bre kens verlegt werden. Die zwischen dem Gent-Terneuzen-Kanal
und dem Raum nordwe dich von Antwerpen stehenden deut chen Ein
heiten (712. Inf. Div.) etzten noch bei Doel über, dann wurde auch hier
der Fährverkehr endgültig eingestellt499• Doch der kanadische Angriff er
folgte zu pät, um noch Entscheidendes bewirken zu können.
Bi zum 22. eptember räumten die letzten Einheiten der 245. und 712. In
fanteriedivision den BriickenkopfSOO. 11000 Mann ( 64. Inf. Div.) blieben
zur Verteidigung der »Festung chelde- üd« zurückso1• Insgesamt wurden
etwa 85 000 Soldaten, mehr als 530 Ge chütze, 4 600 Fahrzeuge und 4 000
Pferde über die Wescerscheide transportiert502•
wohl annähernd zutrifft. ach Meldung d Adm. iederlande (G. 25312 F lll,
RM 7/131 . 492 ff.) belief ich die Zahl ogar auf 85000-90000 Mann. Mac
Donald ( iegfried Line . 219) gibt folgende Übersetzlei tung an: 86 000 Mann
600 G ch ülze, 6000 Fahrzeuge und 6000 Pferde.
$0l MacDonald iegfried Line . 219.
S04 Der Hafen konnte er t am 12.10. 1944 benutzt werden vgl. Ellis Victory, 11
. 61 ff.
.sos Vgl. Tag meldung für den 22.9. OB West la r. 8480/44, RH 19 IV/57 . 51 ff.
S06 Zangen 15. Armee, M -B-730, . 39.
>07 Hier seien bei pielswei e die gründlichen Analysen von MacDonaids (in: iegfried
Line, . 119-206) und von Elli (Victory, fl, . 28-58) erwähnt. Ein breitere
Publikum spricht Cornelius Ryan (Die Brücke von Arnhejm, Frankfurt 1975) an.
III. Das nde der Rückzugsoperationen im We ten 325
520 och nach dem Kriege behauptete lontgomery die er •Vorteile habe für
MARKET-GARDE g prochen, Montgomery ormandie . 198.
s21 Vgl. hierzu Lewin, Ultra, . 420 und Bennett Ultra ormandy . 147. Seide
beziehen ich hierbei auf deut ehe Funk prüche die am 9., 12. und 15.9 ent
chlü elt wurden.
522 Ic-Abendmeldung vom 12. 9., H.Gr. B l c r. 3566/44, RH 19 IX/26, Teil2,
. 161.
S2.l Ic-Abendmeldung vom 15.9., H.Gr. B Ic r. 3593/44, ebd. Teil 2, . 129ff.
S24 KTB H.Gr. B vom 10. 9. RH 19 I /89, . 144.
s2s Vgl. hierzu: KTB H. Gr. B vom 10. 9., ebd., . 153.
S26 KTB H. Gr. B vom 10. 9. ebd, . 158.
328 Teil C: Die ntwicklung vom Höhepunkt der Kri e
S27 Auf Rückfrage d OB West Antwort »Wehrmacht tandortälte ter« vom 17. 9.,
lS.OOh RH 19 IV/46, . 97.
s2 MacDonald, iegfried Line, . 139.
S29 Zit. nach Ober t Freyberg (Adjutant d OB H. Gr. B) in: 6/1, Model,
. 247.
sJo Meldung Tempelhoff vom 17. 9. 16.40h, RH 19 IV/46, . 98.
Sla chreiben Freyberg -Rommel vom 24. 9., RH 19 IX/1, S. 111 ff.
SH I c-Abendmeldung vom 17.9. H.Gr. B I c r. 3627I 44, RH 19 IX/26, Teil 2,
. 105 f.
Sl 3 Meldung H.Gr. B vom 18.9., 11.35h RH 19 IV/46, . 105.
5'4 In der T iefe des Durchbruchraums waren neben den Kampfgruppen der 9. und
10. -Pz. Div. den er ten Teilen der 15. Armee (59. Inf. Div.) zunäch r allen
fall die Fa1l chirmjägereinheiten des ll. Fall chirmkorp o zu b zeichnen.
Meindl Fall chirmjäger \vurden anfang vom Wehrkreis VI dem provi ori-
chen •Korp Feldt• geführt, vgl. gez. Model, Obkdo H.Gr. B Ia 7503/44 vom
17. 9., RH 19 IX/5 . 699.
S.lS Der Wehrkrei X mobili ierte die Div. r. 180 und r. 190. Im Wehrkreis VI
wurde der Aufruf ,.ßlücher« und »Gnei enau• au gelö t, vgl. KT B OB \Y/e t
vom 17. 9. RH 19 IV/46, . 99ff. Die oldaten d Wehrkrei VI wurden von
III. Das Ende der Rückzug operationen im Westen 329
der Div. z. b. V. 406 geführt (Korp Feldt) oder - wie z.B. die Panzerer atz
truppenteile -in einzelnen Bataillonen in R ichtung Front ge chickt, vgl. z.B.
Morgenmeldung OB � t vom 20. 9., RH 19 JV/46 S. 116.
536 So z. B. die vom Wehrmachtbefh. der iederlande aufg teilte Kampfgruppe
Tettau. Ihre 5 Bataillone be tanden aus Soldaten von Er atz- und Ausbildungs
einheiten der Waffen-SS chiffs- tammabteilungen und Alarmeinheiten der Luft
waffe, vgl. gez. Christian en WB dl. I a r. 4510/44 vom 24. 9., RH 19 IX/5
. 801 f.
SJ7 Meldung H.Gr. B vom 18.9., 11.35h, RH 19 IV/46 . 105.
53 Mittag meldung OB West vom 18. 9. ebd. S. 106.
s3 9 Ebd.
s•o Fernge pr. Kreb -Wühli eh vom 18. 9., 16.00h RH 19 IX/90 . 31.
541 Ferngespr. Wühli ch-Kreb vom 19. 9., 15.20h, ebd., . 45.
542 Ferng pr. Wühli ch-Kreb vom 20. 9. 18.35 h ebd. . 61 f.
s.u erng pr. WestphaJ-Kreb vom 21. 9., 13.45h ebd. . 71.
544 Ferngespr. Bittrich-Kreb vom 20. 9., 23.30 h, cbd., . 64.
545 Tagesmeldung für den 21. 9. OB� t Ia r. 8450/44, RH 19 IV/57 . 29ff.
546 Mittag meldung OB We t vom 22. 9., RH 19 IV/46 . 128.
330 Teil C: Die Entwicklung vom Höhepunkt der Krise
stellen, doch war es nicht mehr möglich, die auf einen Raum von 1500x500
Metern zusammengedrängten Reste der Airborne Division547 am Nord
ufer entscheidend zu verstärken und damit einen Brückenkopf jenseits des
Neder Rijn zu etablieren.
Die konzentrischen Gegenangriffe, die Model an der Wurzel des schmalen,
von Eindhoven bis vor Arnheim reichenden Korridors führen ließ, tru
gen entscheidend dazu bei, daß die Stoßkraft des XXX. Korps letztlich
nicht ausreichte, um den Weg über den Rhein zu öffnen. Den Deutschen
gelang es immer wieder, nördlich von Eindhoven die einzige Marsch- und
Nachschubroute der Verbände General Horrocks zu unterbrechen.
Ein Verband der 15. Armee548 bildete den Kern der Kräfte, die von Westen
her angriffen: die 59. Infanteriedivision Gen. Lt. Poppes war erst wenige
Tage zuvor üher die Scheidemündung entkommen549• Das galt auch für
den Stab des LXXXVI. Armeekorps, der die Vorstöße von Osten her koor
dinierte550. Ihm unterstanden Fallschirmjägereinheiten, Teile der 10. SS
Panzerdivision und die Panzerbrigade 107551.
Die Brigade des Majors v. Maltzahn sollte ursprünglich den Einsatzraum
Aachen erreichen, w urde dann aber umdirigiert und relativ rasch in die
iederlande geführt. Maltzahns Panzer waren erst am 16. September in
Thorn verladen worden, griffen aber schon am 19. in die Kämpfe zwischen
Eindhoven und St. Oedenrode ein552. Die alliierten Luftwaffen vermoch
ten es auch in diesem Fall nicht, die deutschen Transporte in Richtung
Krisenherd lahmzulegen.
och am Abend wurde der Versorgungsverkehr des britischen XXX.
Korps erstmals unterbrochen553• Auch in den folgenden Tagen gelang dies
während der ständig hin und her wogenden Kämpfe zumindest stunden
weise55... Der konzentrische deutsche Angriff vom Vormittag des 22. Sep
tember führte sogar zu einer mehr als 24stündigen Blockierung der Straße
zwischen Uden und Veghel555• Auf englischer Seite begann man nun zu
erkennen, daß MARKET-GARDEN sein Ziel nicht erreichen würde.
Am Abend des 23. September gab General Dempsey mit Billigung Mont
gomerys sein Einverständnis, die Luftlandedivision vom Nordufer des
Rheins zurückzuziehen, wenn es die Lage erfordere556.
Die erneuten Luftlandungen dieses Tages, die auf deutscher Seite starke
Befürchtungen hervorgerufen hatten557, dienten praktisch schon einem
»defensiven« Zweck, nämlich der Stabilisierung des bisher erkämpften
F rontbogens558•
Aus der Retrospektive heraus läßt sich feststellen, daß am 23. September
1944 die alliierten Offensiven an der gesamten Westfront aufgefangen wor
den bzw. zum Stillstand gekommen waren (Karte 25).
Horrocks Versuch, doch noch einen Erfolg bei Arnheim zu erzielen,
scheiterte559. Am 25. September erhielten die Überlebenden der britischen
Airborne Division den Befehl, sich nach Süden über den Rhein durchzu
schlagen560.
Am Mittag des folgenden Tages ließ der Kommandierende General des
ll. SS-Panzerkorps, Bittrich, der Heeresgruppe B melden, die »Lage bei Arn
heim« sei »bereinigt«561• MARKET-GARDEN war gescheitert.
Beide Seiten hatten mit >>großer Aufopferung« gefochten562, die Briten in
Oosterbeek »sich verbissen bis zum Letzten« gewehrt, wie Bittriebs Stab
achtungsvoll feststellte563• Feldmarschall Model gab die »Anerkennung«
des OB West mit den Worten an seine Soldaten weiter, »ich verbinde sie
55..
ur am 21.9. floß der Versorgungsverkehr unbehindert, vgl. Ellis, V ictory,
Il, s. 39 ff.
555 Vgl. ebd., $. 42.
556 MacDonald, Siegfried Line, S. 196.
557
Model rechnete wegen der Landungen im Raum Nijmegen damit, daß die Alli
ierten nun ihre Angriffsrichtung ändern und zwischen Rhein und Maas nach
Südosten auf das Ruhrgebiet eindrehen wollten, vgl. Ferngespr. Student-Krebs
vom 23. 9., 23.1Sh, RH 19 IX/90, S. 102f. Rundstedt schloß sich dieser Beur
teilung an, vgl. gcz. Rundstedt, OB West Ia Nr. 835/44 vom 24. 9., RH 19 fV/57,
s. 107ff.
558 Der Rest der 1. Poln. Fsj.Brig. landete nicht mehr bei Driel, sondern im Raum
Grave und verstärkte hier die 82. US-Airborne Div., der sie unterstellt wurde.
Dempsey verzichtete am gleichen Tag darauf, weitere Luftlande-Truppen ein
zusetzen, vgl. MacDonald, Siegfricd Line, S. 196.
559 Am 24.9., ebd., 5. 197.
560 Ellis, V ictory, II, S. 44.
S6t
Meldung II. SS-Pz. Korps vom 26.9 ., 11.55 h, RH 19 IX/90, S. 129.
562 Gez. Christiansen, WB Ndl. Ia Nr. 4510/44 vom 24. 9., RH 19 IX/5, S. 801 f.
56l
Vgl. dazu Tagesmeldung für den 24. 9., OB West Ia r. 8547/44, RH 19 IV/57,
s. 122ff.
332 Teil C: Die Entw icklung vom Höhepunkt der Krise
Ende August 1944 hatten die Amerikaner im Raum ostwärts von Paris die
wankende Front der Heeresgruppe B durchstoßen. Anfang September gelang
es den Alliierten, den Kessel von Mons zu bilden. Damit schien das nach
den Verlusten bei Falaise und dem Seineübergang noch mühsam verhinderte
Auseinanderbrechen der deutschen Abwehrlinien unabwendbar zu sein.
Das Zentrum der Heeresgruppe B war aufgesplittert. Der Durchbruch führ
te zum Höhepunkt des Bewegungsfeldzuges: am 4. September glückte es
den Briten mit dem Vorstoß auf Antwerpen, erstmals einen unzerstörten
Großhafen in ihren Besitz zu bringen und zugleich die deutsche 15. Armee
auf dem Südufer der Scheide zu umschließen.
Auf deutscher wie auf alliierter Seite w urden die weiteren Entwicklungs
möglichkeiten ähnlich beurteilt: Feldmarschall Model sah »das Tor nach
Nordwestdeutschland offen«.
Auch zwischen Aachen und Trier wäre in diesen ersten Septembertagen
eine alliierte Großoffensive nicht aufzuhalten gewesen. Beim Stabe des OB
West sprach man sogar vom »operativen Loch zwischen Maas und Mosel<<.
General Eisenhower erkannte an der gesamten Front Anzeichen für einen
deutschen Kollaps. Von der Vollständigkeit der Niederlage der gegnerischen
Armeen überzeugt, meinte er, man könne vorstoßen, »wohin man wolle«.
Der endgültige Zusammenbruch im Westen, ja das Ende des Krieges schien
unmittelbar bevorzustehen. Doch es kam anders. Die vermeintliche Nie
derlage der Deutschen trat nicht ein. Etwa drei Wochen nach der Einnah
me Antwerpens hatte sich die Situation vollkommen verändert.
Die Lage war zumindest so weit konsolidiert, daß sich Feldmarschall v.
Rundstedt, ohne über die von Hitler bereits beschlossene Ardennenoffen
sive informiert zu sein, selbst gedanklich mit einer großen Gegenopera
tion beschäftigte1•
Eisenhower mußte am 29. September gegenüber den Combined Chiefs of
Staff eingestehen, dem Gegner sei die Bildung einer »relativ stabilen Front«
gelungen2•
1 »Da Endziel«, so formulierte Rundstedt am 21. 9. 44, müsse »sein, zu einem spä
teren Zeitpunkt den Feind an einer Stelle angreifen und entscheidend schlagen
zu können. Nur auf die e Weise [ ... könne] die Bedrohung deutschen Bodens
beseitigt[...] werden.« Gez. Rundstedt, Ob. West Ia r. 835/44 vom 21. 9., RH 19
IV/57, S. 11 ff.
2 >>The enemy has now succeeded in establishing a relative stable and cohesive
334 Schlußbetrachtung
front<< Schreiben Eisenhower an CCS vom 29. 9., in: Eisenhower Papers, IV,
.2199 ff.
Schlußbetrachtung 335
Der Führungsstil Hitlers, die häufigen Eingriffe des OKW in die Kompe
tenz des OB West, das Festhalten an nicht mehr der Lage entsprechenden
Aufträgen und die Erteilung überholter Befehle hatten zu diesem Zeitpunkt
schon mitentscheidend zur folgenschweren Niederlage der Heeresgruppe
B bei Falaise und zur tödlich scheinenden, dann in den Kessel von Monte
limar mündenden Krise der Armeegruppe G beigetragen. Das Problem,
das den verant wortlichen Soldaten daraus erwuchs, von einer realitätsfrem
den, oft dem militärisch einzig noch Sinnvollen zuwider handelnden ober
sten Führung abhängig zu sein, verdeutlichten die am 25. August kulmi
nierenden Ereignisse um Paris in ganzer Schärfe.
W ie dort die involvierten Generäle, vor allem Choltitz und Deßloch, Hit
lers völlig irrationale Zerstörungsbefehle, seine >>Trümmerfeldvisionen«
unterliefen, so bewies auch Model abermals, daß er nicht bereit war, den
Weisungen aus dem »Führerhauptquartier« unbedingt Folge zu leisten.
Models Denken und Handeln orientierte sich ganz an den Grundsätzen
militärischer Effizienz. Diese bewußte Selbstbeschränkung auf das rein Mili
tärische - so problematisch dies aus heutiger Sicht erscheinen muß -
ermöglichte ihm wohl erst seine Leistungen in der Defensive. Hierdurch
und durch seinen selbstbewußten Führungsstil verfügte er über eine auf
dem Respekt Hitlers beruhende relativ große Selbständigkeit in der Füh
rungsarbeit.
Der Feldmarschall war sicherlich kein Mann großer Konzeptionen. Aber
die Zeit, in der weitreichende operative Entschlüsse noch »günstigere« Aus
sichten eröffnet hätten, war ohnehin verstrichen. Diese Möglichkeit konnte
sich nach Hitler W illen erst dann wieder bieten, wenn die Stabilisierung
der Front im Westen gelang.
Bei der unter schwierigsten Bedingungen begonnenen Rückzugsoperation
in ordfrankreich konnte Model seine Qualitäten als >>F rontflickschuster
von großem Format«3 nochmals unter Beweis stellen.
Die geschickte Führung des Abwehrkampfes, die bis zur Rücksichtslosig
keit gehende Entblößung von Frontabschnitten, um die jeweils akuten Kri
senpunkte verstärken zu können, verhinderten die Bildung eines zweiten
Kessels an der Seine und damit den Zusammenbruch der Heeresgruppe
B noch auf französischem Boden. Mit dem Flußübergang waren die Trup
pen allerdings am Ende ihrer Kraft und vor allem die Panzerverbände »ZU
Torsos [sie] ausgebrannt«. Der erwartete Durchbruch der Alliierten, der
mit der Einnahme Ant werpens seinen Höhepunkt fand, konnte nicht mehr
verhindert werden.
Die Tatsache, daß es um die Monatswende August/September zu unken
trollierten Fl uchtbewegungcn kam und sich Bilder der Auflösung zeigten,
ist angesichts der hohen Verlu te, der ständigen Luftangriffe und der Hilf
losigkeit gegenüber den rasch vorstoßenden alliierten Panzerverbänden
4 Die Verluste des Feldheeres im Westen beliefen sich bis zum 30 . 9. 1944 auf rund
419000 Mann. Im Monat September wurden im Westen rund 126000, im Osten
121000 Soldaten als verwundet, vermißt oder gefallen gemeldet, vgl. Der Hee
resarzt im OKH, GenStdH/GenQu/ Az 1335 c/d, zit. nach: Jung, Ardennenof
fensive, Anlage 5.
5 Jacob en, Krieg in Weltanschauung und Praxis des Nationalsozialismus, in: ders.,
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Schlußbetrachtung 337
Mit dem Abschluß der Kämpfe bei Arnheim fand die Phase des zügigen
alliierten Vormarschs ihr endgültiges und spektakuläres Ende.
Die Öffnung der Scheidemündung gewann nun allmählich auch für die
alliierten Oberbefehlshaber überragende Bedeutung. Doch vergingen zwi
schen Eisenhowers Erkenntnis, die Nutzbarmachung des Antwerpener
Hafens käme einer »Bluttransfusion«6 für die eigene Kampfführung
gleich, und der dann erst Mitte Oktober in diesem Raum beginnenden
Schwerpunktoffensive abermals drei Wochen.
Eine der Ursachen hierfür lag in der Art der Befehlsgebung des Supreme
Allied Commander. Die Direktiven Eisenhowers waren zwar meist sehr
umfangreich, jedoch wenig präzise. Jedenfalls forderten sie Eigenmächtig
keiten - wie etwa die Pattons - geradezu heraus. Anfang September hät
te eine solche Schwerpunktoffensive noch mit einem Schlag Hitlers ganze
Festungskonzeption aus den Angeln heben können. Dieser Konzeption
zufolge waren etwa eine viertel Million deutscher Soldaten zur Sperrung
der Häfen an Kanal-, Atlantik- und Mittelmeerküste zurückgeblieben. Das
alliierte Zöge·rn, den Raum Antwerpen entschlossen vollständig in die
Hand zu bekommen, ermöglichte es jedoch, die »Scheldefestungen« zur
Verteidigung vorzubereiten. Durch den hartnäckigen W iderstand der hier
verbliebenen zwei deutschen Divisionen stand der Hafen erst Ende Novem
ber, drei Monate nachdem er unzerstört erobert worden war, für alliierte
Nachschubtransporte offen7•
Hiders Festungen konnten ihren Zweck letztendlich nur aufgrund der ope
rativen Fehlentscheidungen auf alliierter Seite erfüllen. Dieser relative Erfolg
war jedoch mit erheblichen personellen Opfern auf deutscher Seite erkauft
worden.
Im November aber bestanden dann für die Alliierten keine Aussichten
mehr, das Kriegsende in Europa noch 1944 herbeiführen zu können. Die
hochgesteckten Erwartungen der Monatswende August/September hatten
sich nicht erfüllt. Die seit Oktober an der Westfront tobenden, für beide
Seiten verlustreichen Stellungskämpfe bildeten den Hintergrund für Mont
gomerys realistische Feststellung, einen »Strategischen Rückschlag« (30. No
vember) erlitten zu haben.
Die unter hohem Blutzoll erbrachten militärischen Leistungen auf deut
scher Seite, der Kampfwille der Soldaten sind maßgeblich aus einer Situa
tion heraus zu erklären, in der sich die militärischen Aufgaben de facto
auf eine einzige reduziert hatten, nämlich darauf, die Reichsgrenzen zu
schützen.
6 Schreiben Eisenhowers an Marshall vom 21. 9., in: Eisenhower Papers, IV, S. 2167ff.
7 Der erste Konvoi mit 17 Libcrty-Schiffen erreichte am 28. 11. Antwerpen, Ellis,
V ictory, ll, S. 127.
Schreiben Montgomerys an Eisenhower vom 30. 11., zit. nach: Pogue, Supreme
Command, S. 312.
344 Schlußbetrachtung
Auch für einen Mann wie Generaloberst Blaskowitz, der 1939 mit den
ersten furchtbaren Konsequenzen der rassenideologischen Zielsetzung des
$-Regimes konfrontiert wurde und vergeblich gegen die Greuel in Polen
aufbegehrt hatte und somit »wissen« mußte, welch menschenverachtendes
System er eben auch verteidigte, blieb diese Aufgabe ohne Alternative.
Selbst für Blaskowitz galt aus diesem Grunde damals nicht, was heute klar
ist, »daß nämlich der alle Rechtsnormen [...] zerstörende Unrechtsstaat
keinen legitimen Anspruch auf Gehorsam mehr erheben konnte und
W iderstand längst zur moralischen Pflicht geworden war«9•
In der aus deutscher Sicht bedeutsamen Frage der Festlegung der Zonen
grenzen scheint nur die Kriegslage um die Monatswende August/Septem
ber 1944 den Westalliierten die Chance geboten zu haben, einen »günsti
geren« Verlauf der Ost-West-Demarkationslinie zu erreichen. Aber diese
- wenn auch nur geringe - Chance wurde nicht genutzt. Wohl aber
erkannten die Sowjets, daß die seit dem Frühjahr 1944 generell akzeptier
te Linienführung Lübeck-Helmstedt-Eisenach-Hof durch das rasche
Vordringen der westlichen Invasionsstreitkräfte ab August nochmals in Fra
ge gestellt werden könnte. Jedenfalls zeigten sie sich nun bereit, ihre bis
herigen Vorbehalte gegenüber einer protokollarischen Fesdegung zurück
zustellen. Am 12. September paraphierte der sowjetische Vertreter bei der
»European Advisory Commission«, Gusew, das erste Zonenprotokoll. Ab
gesehen vom damals noch geringen Stellenwert dieser Frage für die bei
den Westalliierten, stand wohl ohnehin Roosevelts Kooperationskurs gegen
über der UdSSR der Möglichkeit entgegen, aufgrund der militärischen
Erfolge auf eine Ostverschiebung der Zonengrenze zu drängen. Die rasche
Reorganisation des Westheeres trug aber mit dazu bei, daß nur eine gerin
ge Zeitspanne blieb, in der ein derartiges Vorgehen zumindest theoretisch
in Betracht gekommen wäre.
Mit der Stabilisierung der deutschen Front entfielen diese, wenn auch nicht
als solche erkannten und nur vorübergehend vorhandenen Gelegenheiten
endgültig. Auch insofern mag der verbissen geführte Abwehrkampf im
Westen ein Licht auf die ambivalente, von Versagen im Großen, aber auch
von persönlicher Tragik gekennzeichnete Rolle deutscher militärischer Füh
rer werfen. Gelang es ihnen immer noch, durch die Aufbietung allen fach
lichen Könnens und letzter Kräfte zerschlagene Fronten wieder zu stabi
lisieren und Abwehrerfolge zu erringen, so trugen sie doch dadurch nur
zur Verlängerung des - längst verlorenen - Krieges bei.
Vor allem aber bewahrten sie auf diese Weise - vielfach ohne es zu wis
sen - die Möglichkeit zur Vollendung des bisher wohl größten Verbre
chens der Menschheitsgeschichte, dem bis zum Oktober 1944 betriebe
nen V ölkermord an den Juden Europas.
A. Taktische Zeichen
��lob.West Oberbefehlshaber West
�B Heeresgruppenkommando B
�5
1 Fallschirmarmeeoberkommando 1 (Fs.A.O.K.1)
Pz.Gr.West
IJ
Panzergruppenkommando West
�XXV. Generalkommando
des XXV. (röm. 25.) Armeekorps
f LVIII.
Generalkommando
des LVIII. (röm. 58.) Panzerkorps
Generalkorn mando
rTllv. des IV. (röm. 4.) Luftwaffen-Feldkorps
Lw �
�� LL.l
Kommando der 91.(Luft lande) Infanterie- Division
r,s; Res.
Kommando der 157. Reserve-Division
� o SS
Kommando der 17. SS- Panzergrenadier-Division
�:S. bo.
Kommando der 226.1nfanterie-Division bodenständig
Stellungszeicnen
� �,___-
.... Bewegungsrichtung
<_____.)
-
? 41----
.... St andort z. Zt. nicht bekannt
+----- beabsichtigte Richtung, Absichtspfeil
� �.. ...
.. ..
4 15.PGO Bewegungsrichtung der 15. Pz. Gren. Div.
mit Auf klärung voraus
Brücke gesprengt
� 2 Battr.
2 B at terien Haubitzen
Fallschirmlandung
C.Grenzen
--·--·-
Heeresgruppengrenze
Armeegrenze
�·�·�·�·� Korpsgrenze
,....._...���� Divisionsgrenze
Quellen und Literatur
1. Ungedruckte Quellen
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/90 Notizen für Vorträge des Gen.lnsp. d. Pz. Tr./Chef des Sta
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/141 Gliederung und Zustand 2. Pz.Div., Juli 1943-Febr. 1945
/148 Gliederung und Zustand 9. Pz.Div., Juli 1943-Mai 1945
/149 Gliederung und Zustand 11. Pz. Div., Aug.-Okt. 1944
/163 Gliederung und Zustand 116. Pz.Div., Aug.-Okt. 1944
/178 Gliederung und Zustand 3. Pz. Gren.Div., Aug.-Okt.
1944
/214 Gliederung und Zustand Pz.Brig. 107, Sept. 1944
/349 Panzer-/Sturmgeschützzuweisungen für die Truppe, Mai
1943 -0kt. 1944
352 Quellen und Literatur
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N Nach/4sse
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Unterlagen von Dr. Hubertus Deßloch
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·
Personenregister
Der Name Adolf Hitler wurde nicht aufgenommen.
0"\ J.1•tcrgeschkh'lt<he fofS(nung\Oml eroffenI ht in o;eser Poperboooeie A:bei·en zu ck:uellen und grund\Olzlxhen Prob!emen det
"eges. Gesum ouf omI<hM Otlellenmoreriol. erganzr durch mundll(he und S<hrih·
M1 torgeschi<hte, insbesondete der d� Zweiren Vle'
IKhe Befragungen und ernS<�Iogige tite1otu1, wetden h1e1 pol111S<he und mrbrorrS<he fnzeospe •e und foDsrudren untersucht
Ote e nzelnen SOnde SUtd hteroo rS<h und n:erhollS<h unrerschitd1i<h eng�egr. Vo� der !Wr�g sochhdten Analyse des Fachhistor kers Cber
die Problemskizze bis hin zum Erlebnrsberc
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(1987}, 310S. , 7 Karten, D',\ 26,-ISB• J.793�190 .3
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Bertoldstroße 10, 0·79098 Freiburg 1 Br
Joachim Ludewig