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Prüfungsdauer: Abschlussprüfung 2012

240 Minuten
an den Realschulen in Bayern

DEUTSCH Haupttermin

- Textgebundener Aufsatz -
Aufgabengruppe B Thema 9

Kinder im Kaufrausch
Wie das Verhalten Minderjähriger vom Konsumzwang gesteuert wird
und warum Jugendliche den Geldbeutel der Eltern im Griff haben
mics. Ältere Kinder geben erstaunlicherweise
am meisten Geld für Bücher und Zeitschriften
aus eine gute Nachricht. 45 Prozent der deut-
schen Kinderzimmer sind mit einem Fernseher
35 ausgestattet, 89 Prozent der Kinder haben zu
Hause die Möglichkeit, im Internet zu surfen,
mehr als die Hälfte besitzt ein Handy.
Die Werbeindustrie hat also jede Menge An-
satzpunkte, um an die Kinder heranzukommen.
40 Spezialisten wie Christopher Schering wissen,
wie das am effektivsten geht. Im Auftrag von
großen Konzernen macht seine Agentur Marke-
Von Titus Arnu ting für Minderjährige. Schon Kindergartenkin-
Wenn ein 14-Jähriger einkaufen geht, kann das der werden als Zielgruppe erfasst und nach allen
erstaunliche Folgen haben. Gibt man ihm zum 45 h-
Beispiel 15 Euro, um Brot, Milch, Käse und ren beginnt die Mark
Joghurt zu besorgen, kann es sein, dass er eine Untersuchungen zeigen, dass Dreijährige bereits
5 halbe Stunde später mit Chips, Cola, Schokola- Automarken, Firmenlogos und Fernsehwerbung
de und einem Deospray zurückkommt. Auf Fra- erkennen und bewerten. Grundschüler sind be-
gen reagiert er mit undefinierbarem Grunzen. 50 reits im Internet unterwegs, Zehnjährige melden

Was ist da passiert? Kann die Werbung Jugend- sich, indem sie beim Alter schummeln, bei sozi-
liche fernsteuern? alen Netzwerken wie Facebook an. Junge Teen-
10 Wissenschaftler können nachweisen, dass bei ager im Alter von 11 bis 13 Jahren benutzen
Jugendlichen tatsächlich etwas aussetzt, wenn Kleidung, Musik und elektronische Geräte, um
sie in einen Kaufrausch geraten: Eine Gehirn- 55 zu einer bestimmten Gruppe zu gehören.
region, die für strategische Entscheidungen und 16-Jährige gelten aus Sicht der Marktforscher

15 für die Werbung kritisch hinterfragen.


Gesundheit der Teenager, für die Erziehung und Daraus ergibt sich für die Werber, dass sich
für die Wirtschaft. Einige davon beleuchtete die 60 Geschmack und Markenbindung eher früher als

n der später herausbilden. Manche Kampagnen setzen


Marketingleute, bereits bei Kleinkindern an. Produkte, die früher
20 Psychologen und Mediziner kamen. Erwachsenen vorbehalten waren, werden immer
Es gibt in Deutschland zwar immer weniger jüngeren Konsumenten angedreht. Es gibt zum
Kinder, aber die haben immer mehr Geld. Zwölf 65 Beispiel eine auf junge Mädchen spezialisierte

Millionen Menschen unter 18 Jahren leben in Kosmetikfirma, die pro Jahr Millionen von Pro-
Deutschland, sie haben laut der Kids- dukten verkauft Cremes, Lidschatten und Lip-
25 Verbraucheranalyse 4,5 Milliarden Euro jährlich penstifte. Der Erfolg wird mit dem günstigen
zur Verfügung, monatlich sind das bei den Preis und mit der modischen Präsentation er-
Sechs- bis Dreizehnjährigen im Durchschnitt 23 70 klärt. Internetseiten mit Schminktipps, Blogs

Euro Taschengeld, hinzu kommen Geschenke und Foren sollen die Markenbindung stärken.
und Erspartes. Auf Platz eins der Ausgaben von Was die Minderjährigen nicht ahnen: Ihre Vor-
30 Kindern stehen Süßigkeiten, gefolgt von Co- lieben und Abneigungen, die sie in den Foren
äußern, sind bares Geld wert, denn sie fließen Ganz ohne Erwachsene geht es allerdings doch
direkt in das Marketing ein.
75 Kinderkredit-
Kinder und Jugendliche sind sehr leicht beein-
flussbar, und das nutzen die Werbeprofis sehr 110
geschickt. Die Fachleute sprechen a-
lisch vertretbarer die Eltern von der Qualität des Produktes über-
80 Mittel ist die richtige Platzierung im Laden. Der zeugt werden.
Psychologe Michael Schießl hat das Einkaufs- Innerhalb der Familie kann sich da eine Wech-
verhalten von Kindern erforscht und sagt: Die 115 selwirkung ergeben die Kinder definieren, was
Kids greifen noch eher zu, wenn man das Pro- cool und erstrebenswert ist, und beeinflussen
dukt auf Augenhöhe positioniert und knallige damit auch das Kaufverhalten der Eltern.
85 Farben Gleichzeitig verschwimmen die Grenzen zwi-
Objekt sieht, löst das im Hirn sofort einen Hand- schen Erwachsenen und Kindern immer mehr.
lungsimpuls aus, Erwachsene können diesen 120 Jugendliche wollen möglichst erwachsen wirken
unterdrücken, Kinder nicht. Deshalb liegt die und fühlen sich deshalb von der Erwachsenen-
Quengelware auch an den Kassen Werbung angesprochen, umgekehrt sehnen sich
90 der Supermärkte, in Augenhöhe von Kleinkin- viele Erwachsene in ihre Kindheit zurück und
dern. Kinder können also gar nichts dafür, wenn sind deshalb von Kindermarken fasziniert.
sie an der Kasse heulen. 125 Ein 30-Jähriger, der in einem Berliner Club mit
Nach Erkenntnissen von Werbepsychologen einem Micky-Maus-T-Shirt herumläuft, wird
haben Kinder keinerlei mentale Konsumsperren. nicht etwa belächelt, sondern gilt als besonders
95 Die Verkäufer fördern den Kauftrieb noch. An- hip, hat Marketing-Mann Schering beobachtet.
regend sind etwa die diversen Sammelprämien Manche Marken machen sich solche Retro-
beim Kauf bestimmter Produkte, die Sternchen 130 Trends zunutze und bringen Neuauflagen alter
oder Sammelpunkte enthalten, für die man dann Verkaufshits heraus. Ein erstaunliches Beispiel
eine Spielzeugfigur bekommt. Moderne Unter- hierfür: Diddlmaus-T-Shirts für 40-jährige
100 nehmen transportieren ihre Werbebotschaften Frauen. Es ist nicht bekannt, welches Chaos im
auch, indem sie schon den Allerkleinsten raffi- Gehirn für das Phänomen zuständig ist.
niert gestaltete Websites mit Malbüchern zum 135 Aber es funktioniert.
Ausdrucken anbieten.
Kostenlose Online-Spiele, welche sich mehr
105 oder weniger auffällig auf Produkte beziehen, Süddeutsche Zeitung, 26.09.2011
sind ebenfalls verkaufsfördernd. (Text leicht gekürzt und verändert)

Aufgabenstellung
Lesen Sie den Text sorgfältig durch und bearbeiten Sie dann die folgenden Aufgaben.
Bei Nummer 5 können Sie a oder b wählen.

1. Fassen Sie den Text so zusammen, dass der Textaufbau erkennbar wird.

2. Ordnen Sie den einer Textsorte zu. Begründen Sie.

3. Beschreiben Sie die sprachlichen Mittel und deren Wirkung.

4. Welche Absichten verfolgt der Autor mit seinem Text?

5. a) Warum sollten Ihrer Meinung nach bereits Grundschüler den sinnvollen Umgang mit Taschen-
geld erlernen?

oder

b) Verfassen Sie einen inneren Monolog.

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