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Prüfungsdauer: Abschlussprüfung 2015

240 Minuten an den Realschulen in Bayern

DEUTSCH Haupttermin
- Textgebundener Aufsatz -
Aufgabengruppe B Thema 9

DENN WIR WISSEN,


WAS WIR NICHT TUN
DER WILLE IST DA, aber dann werden wir doch wieder schwach. Fahrrad
statt Auto, Nordsee statt Thailand, Kohl aus der Region statt Rindersteak
aus Argentinien: Wer das Klima schützen will, muss sein Verhalten ändern

VON ANGELIKA OHLAND

IGENTLICH. Eigent- das Klo mit Regenwasser spülen, gel. Will man diese drohende Ka-
lich wissen wir, was das Haus dämmen, zu einem tastrophe noch verhindern, darf
gut wäre: weniger Ökostromanbieter wechseln, tau- 55 jeder Mensch auf der Erde höchs-
Fleisch essen, weni- 30 schen statt kaufen, reparieren statt tens 2,7 Tonnen CO2 im Jahr aus-
5 ger Auto fahren, we- erneuern. Man müsste mal ein stoßen. Wer von uns einmal Ur-
niger Kleidung kaufen, weniger anderer Mensch werden, mit ande- laub in Thailand macht, hat allein
Flugreisen buchen, weniger im ren Gewohnheiten, Vorlieben und durch den Flug sein CO2-Budget
Internet surfen, weniger heizen, Wünschen. Dabei ist es doch ei- 60 für drei Jahre verbraucht.
überhaupt weniger konsumieren. 35 gentlich so: Man müsste sich auch
10 Weniger, weniger, weniger. Ei- mal entspannen. Man müsste mal ES GIBT VIELE GRÜNDE, wes-
gentlich. Eigentlich brauche ich halb die meisten Menschen beim
keine neuen Stiefel aber sie ste-denken. persönlichen Klimaschutz so träge
hen mir so gut. Eigentlich muss Gerade die Gutwilligen, Um- sind. Überhaupt ist es unglaublich
ich nicht nach Asien fliegen, 40 weltbewussten, leben ein Doppel- 65 schwierig, sich zu verändern und
15 Nordsee ist schön aber nicht so
leben. Sie wissen, wie es ums neue Gewohnheiten zu entwickeln
fremd und aufregend und voller Klima steht: Wenn sich das Klima ganze Berufsstände leben von
Düfte. Eigentlich bin ich fürs in den kommenden Jahrzehnten diesem Problem. Motivationsfor-
Energiesparen aber ich habe
um mehr als zwei Grad erwärmt, scher sagen, dass wir für die per-
Kinder, und für einen Trockner im
45 werden wir in Deutschland die 70 sönliche Veränderung ein Ziel
20 Keller gebe ich sogar mein gelieb-
Deiche erhöhen müssen. Das wäre brauchen. Aber was ist das Ziel?
tes gutes Gewissen auf. teuer, aber Gott sei Dank sind wir Dass die Menschen im Flussdelta
Eigentlich. Die große Schwes-ein reiches Land. Das arme Bang- von Bangladesch nicht zu Flücht-
ladesch hat kein Geld für Deiche lingen werden, irgendwann? Mo-
-müsste- s- 50 und liegt dann voraussichtlich mit 75 tivationsforscher sagen auch, dass
25 tert einem das Man-müsste-mal seinen am dichtesten bevölkerten wir für die persönliche Verände-
etwas ins Ohr: Man müsste mal Regionen unter dem Meeresspie- rung Erfolge brauchen. Aber wie
sieht der Erfolg aus, wenn ich auf le, sichtbare Erfolge, Nachvoll- 105 entwickeln. Diese brauchen vor
etwas, das ich wirklich gerne tue ziehbarkeit von Handlungsfolgen allem Training. Überzogene Er-
80 reisen, im Winter frische Paprika das sind Grundbedingungen für wartungen oder ein Alles-oder-
essen, online sein verzichte? Der Motivation. Bedingungen, die nichts-Denken torpedieren den
Erfolg ist nicht messbar. Er ver- 95 beim Klimaschutz nur abstrakt Versuch, gute Routinen zu entwi-
schwindet im Meer globaler Um- gegeben sind. Es gibt aber auch 110 ckeln. Um einen eingetretenen
weltsauereien, auf die der Einzelne eine gute Nachricht aus der Psy- Pfad zu verlassen, folgt der
85 letztlich keinen Einfluss hat. chologie: Wir überschätzen zwar, Mensch gerne einem anderen, der
was wir kurzfristig erreichen kön- den Pfad bereits erfolgreich ge-
WIR WOLLEN JA, aber wir kön- 100 nen, aber wir unterschätzen, was gangen ist. Hier kommt den Vor-
nen nicht mal eben so. Dafür gibt wir langfristig bewirken. 115 reitern, die ihren Lebensstil entge-
es viele Gründe. Nur wenn wir die Auf dem Weg zu einer um- gen allen gesellschaftlichen und
verstehen, lässt sich unsere Träg- weltbewussten Gesellschaft müs- persönlichen Widerständen anpas-
90 heit überwinden. Erreichbare Zie- sen die Menschen neue Routinen sen, eine wichtige Rolle zu.

Aufgabenstellung

Denn wir wissen, was wir nicht tun i-


ten Sie dann die folgenden Aufgaben. Bei Nummer 5 können Sie a oder b wählen.

1. Fassen Sie den Inhalt des Textes so zusammen, dass der Aufbau erkennbar wird.
2. Weisen Sie in diesem Text Elemente eines Kommentars nach. Welche Rolle spielt
hier das Layout?
3. Beschreiben Sie auffällige sprachliche Mittel und gehen Sie auf deren Wirkung ein.
4. WIR WOLLEN JA, aber wir können nicht mal eben so. Dafür gibt es viele Gründe.
(Z. 86 ff.) Erklären Sie mithilfe des Textes, was die Autorin mit dieser Aussage an-
deuten möchte.
5. a) Wie könnte man in der Schule das Thema Klimaschutz intensiver berücksichtigen?
oder
b) Fahrrad statt Auto? Schreiben Sie einen inneren Monolog eines Menschen, der sich
gerade überlegt, ob er mit dem Auto oder dem Fahrrad zur Arbeit fahren soll.

Textquelle: Evident. Ausgabe 1/2014 vom 9. September 2014, S. 38 (Evident ist ein neues
Magazin für Nachhaltigkeit, das in der Süddeutschen Zeitung erscheint.)

Hintergrund: Die Aussage Vater, vergib ihnen,


stammt aus der Bibel (Lukas-Evangelium).

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