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Psychotherapie: Manuale

Steffen Moritz
Eva Krieger · Francesca Bohn
Ruth Veckenstedt

MKT+
Individualisiertes Metakognitives
Therapieprogramm für Menschen
mit Psychose
2. Auflage
Psychotherapie: Manuale
Steffen Moritz
Eva Krieger
Francesca Bohn
Ruth Veckenstedt

MKT+
Individualisiertes Metakognitives Therapieprogramm
für Menschen mit Psychose

2. Auflage

123
Steffen Moritz Francesca Bohn
Universitätsklinikum Hamburg Klinik und Poliklinik für Psychiatrie
Krankenhaus Eppendorf, Hamburg, Deutschland und Psychotherapie, Hamburg, Deutschland

Eva Krieger Ruth Veckenstedt


Asklepios Klinik Nord-Wandsbek, Hamburg, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie
Deutschland und Psychotherapie, Hamburg, Deutschland

Ergänzendes Material finden Sie unter http://extras.springer.com 978-3-662-52997-3

ISBN 978-3-662-52997-3 978-3-662-52998-0 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-662-52998-0

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V

Geleitwort zur 2. Auflage

Nationale und internationale Leitlinien für die Angebot vor allem für Patienten mit Schizophre-
Therapie psychotischer Störungen unterstreichen nie.
einhellig die Bedeutung bestimmter psychothera-
peutischer Verfahren, insbesondere die der kogni- Eine wichtige Möglichkeit zur Entstigmatisierung
tiven Verhaltenstherapie (KVT), zur Linderung der schizophrener Psychosen bieten allgemein der wis-
Positiv- und Negativsymptome, komorbider Stö- senschaftliche und speziell der neurobiologische
rungen und kognitiver Einschränkungen. Speziell Zugang zu diesen Erkrankungen. Parallel sollte
die im Jahr 2014 aktualisierte NICE-Guideline be- eine moderne Konzeption der Psychotherapie so-
tont in ihrer Empfehlung lapidar: »Offer CBT to all mit selbstverständlich auch die neurobiologischen
people with psychosis or schizophrenia«. Grundlagen der Erkrankungen thematisieren.
Auch daraus werden die Indikation, die Methodik
Diese Ratschläge zur Therapie basieren auf der in und Maße der therapeutischen Wirksamkeit abge-
kontrollierten Studien erzielten Evidenz. Nicht nur leitet. Dies zeigt sich konkret in der Anwendung
akute Effekte, sondern auch Langzeitverbesserun- neuropsychologischer Testverfahren, der topi-
gen wurden belegt, wobei die KVT von den Patien- schen Zuordnungen von Gehirnfunktionen und
ten gut toleriert und akzeptiert wird. zuweilen auch schon in physikalischen Nachweisen
der psychotherapeutisch erzielten Veränderungen
In der Versorgungsrealität aber finden diese Fakten zentral-nervöser Funktionen durch funktionelle
wenig Niederschlag. Dies kann verschiedene Bildgebung. Seelische Erkrankungen an sich und
Gründe haben: Zum einen werden Psychothera- Psychotherapie im Speziellen umfassen natürlich
pieverfahren, die im Diagnosespektrum der Psy- zahlreiche Dimensionen. Eine neurobiologische
chosen auf Evidenz verweisen können, nicht in der Beschreibung von Psychotherapie stellt sicher eine
Fläche angeboten und angewandt, während gleich- Reduktion des Blickwinkels und der erfassten Di-
zeitig an Patienten mit Schizophrenie zuweilen mensionen dar, sie bedingt aber keine Reduktion
noch andere Verfahren auf der Grundlage einer des Wesens der psychotherapeutischen Arbeit an
Expertenmeinung oder Tradition durchgeführt sich. Subjektiv erlebte Probleme der Patienten sind
werden. Zum anderen werden überwiegend Pa- durchaus neurobiologisch beschreibbar, ebenso
tienten mit Angststörungen, Anpassungsstörun- wie erzielte Therapieeffekte, seien diese nun Ergeb-
gen oder leichten bis mittelgradigen Depressionen nis einer pharmakologischen, sonstigen sog. biolo-
in niedergelassenen, psychotherapeutischen Pra- gischen oder eben psychotherapeutischen Inter-
xen behandelt. Beides führt dazu, dass Patienten vention.
mit affektiven oder schizophrenen Psychosen in
Deutschland wie in sehr vielen anderen Ländern Im Schwesterfach der Neurologie wurde vor Jahr-
viel zu selten mit manualisierten und evidenz- zehnten bei vielen Erkrankungen durch ein verbes-
basierten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Pro- sertes neurobiologisches Verständnis eine bemer-
grammen behandelt werden. In der Konsequenz kenswerte Entstigmatisierung erreicht. Parallel
kommen die hohen Kosten für Psychotherapie, die kann so auch eine Entideologisierung und »Nor-
die Versichertengemeinschaft aufbringt, viel zu malisierung« psychiatrischer Erkrankungen er-
wenig auch den chronisch und teilweise schwer er- hofft werden, die dazu beitragen können, die Stig-
krankten Patienten zugute. matisierung der Schizophrenie in der Gesellschaft,
die Selbststigmatisierung der Betroffenen, dys-
Diese Fakten reflektieren mehrere Aspekte funktionale Interaktionsstile in der unmittelbaren
der Stigmatisierung psychischer Erkrankungen. sozialen Umgebung und im therapeutisch-profes-
Trotz verbesserten Wissens durchdringen irratio- sionellen Umfeld zu reduzieren.
nale und ideologische Vorstellungen noch immer
alle gesellschaftlichen Gruppen. Stigmatisierung Wenn eine einheitliche und möglichst wenig ideo-
stört die Selbstperzeption der Patienten, erschwert logische Sichtweise seelischer Erkrankungen er-
die Beziehungsgestaltung und sicher auch das reicht ist, werden eine gemeinsame Begrifflichkeit
breite medizinische und allgemeintherapeutische und Sprache möglich: Die verschiedenen gleichzei-
VI Geleitwort zur 2. Auflage

tig oder nacheinander angewandten Therapiefor- Am Ende können sich Psychotherapie, eine fun-
men ergänzen sich, die involvierten Berufsgruppen dierte Psychoedukation, die Angehörigenarbeit
konvergieren im Fokus auf den Patientennutzen, und die Psychopharmakotherapie sehr wertvoll
der Patient (und ggf. seine soziale Umwelt) kann ergänzen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die genann-
zum zentralen Subjekt werden und ist nicht mehr ten Verfahren, ebenso wie das MKT+, immer mehr
Objekt bestimmter Aspekte der z. B. pharmakolo- als Partner in einer umfassenden Therapie anse-
gischen Therapie. Im Idealfall partizipiert der Pa- hen, die den Patienten ins Zentrum stellt.
tient bei Entscheidungen, bestimmt mit, leistet mit,
wird aktiv übend und nicht passiv behandelt. Ge- Sarah Eisenacher und Mathias Zink
messen an der aktuellen Realität psychiatrischer Mannheim, im März 2016
Therapie in Deutschland stellt diese Sichtweise
vielerorts noch eine Utopie dar. Zweifellos würde
sie auch und gerade von der psychopharmakologi-
schen Psychiatrie Schritte weg vom Paternalismus
und hin zu partizipatorischer Entscheidungsfin-
dung verlangen.

Ein hervorragendes Beispiel für diese moderne


Form therapeutischer Arbeit ist das psychothera-
peutische Konzept des Individualisierten Meta-
kognitiven Therapieprogramms (MKT+). Die
Grundhypothesen basieren sehr klar auf neurobio-
logischer Empirie. Die Befunde wurden testpsy-
chologisch und teilweise auch schon in topischer
Zuordnung mit funktionell bildgebenden Verfah-
ren validiert. Vor allem aber orientiert sich diese
Therapie nach einer diagnostischen Phase an den
erhobenen und naturgemäß individuell unter-
schiedlichen Fähigkeitsprofilen der Patienten. Da-
neben ist diese Individualisierung sicher auch ein
Schritt zu einer ökonomischen Optimierung und
Verbesserung des Quotienten aus Aufwand und
Effekt, vor allem aber stehen der Patientennutzen
und die aktive Teilnahme des Patienten im Fokus
und sind somit im besten Sinn eine Therapie für
das betroffene Subjekt. Das MKT+ vereint meta-
kognitive und kognitiv-verhaltenstherapeutische
Methoden zur Behandlung kognitiver Verzerrun-
gen. Die Fortentwicklung des Konzepts in der
2. Auflage dieses Buches teilt und erweitert die vor-
malige Therapieeinheit 9 zu Selbstwert und Stim-
mung nun in zwei Einheiten und bietet damit eine
sehr wertvolle Möglichkeit, sich intensiver mit den
wichtigen Themen Depression und Denken sowie
Selbstwert auseinanderzusetzen.
VII

Geleitwort zur 1. Auflage

Wer in der Suchmaschine Google die Begriffe gen akuter Symptome oft nicht gänzlich. Deshalb
»Schizophrenie« und »Therapie« eintippt, stößt liegt es nahe, davon auszugehen, dass es sich zum
überwiegend auf Abhandlungen über medika- Teil um stabile Merkmale handelt, die die Ent-
mentöse Behandlungen und muss schon etwas wicklung von Wahn begünstigen. Folglich sollte
Geduld aufbringen, um auch Hinweise auf psycho- eine Reduktion dieser Verzerrungen Wahn redu-
therapeutische Verfahren zu erhalten. Schizophre- zieren oder zumindest die Wahrscheinlichkeit,
nie wird üblicherweise als qualitativ andere und dass in Zukunft weitere Wahnideen entstehen. Da
im Vergleich zu anderen psychischen Erkrankun- die »klassische« kognitive Verhaltenstherapie je-
gen viel stärker, wenn nicht sogar ausschließlich, doch überwiegend aus der Behandlung der De-
biologisch bedingte psychische Erkrankung klas- pression auf die Behandlung schizophrener Psy-
sifiziert, deren Symptome einer Psychotherapie chosen übertragen wurde, greift sie diese stö-
nicht oder nur schwer zugänglich sind. Wo psy- rungsspezifischen kognitiven »Verzerrungen« al-
chotherapeutische Maßnahmen erwähnt werden, lenfalls indirekt auf.
bleiben sie unkonkret und werden zurückhaltend
oder lediglich als Zusatz nach der Besserung durch Genau hier liegt der besondere Verdienst des
Pharmakotherapie empfohlen. Hinweise auf spe- MKT+-Ansatzes, den Steffen Moritz, Ruth Ve-
zifische therapeutische Verfahren sind kaum zu ckenstedt, Sarah Randjbar und Francesca Vitz-
finden. thum vorlegen. Die Arbeitsgruppe Klinische Neu-
ropsychologie um Steffen Moritz ist mit zahlrei-
Dies spiegelt zwar in etwa den Stand der Versor- chen Publikationen eine der federführenden For-
gung wider, aber glücklicherweise nicht den schungsgruppen im Bereich der kognitiven
Stand der Forschung. Es gibt inzwischen eine Grundlagenforschung von Wahn und Halluzina-
Vielzahl wirksamer psychotherapeutischer Ver- tionen. Die Autoren haben sich dieses Wissen auf
fahren, die von Familientherapie über interaktiv vorbildliche Weise zunutze gemacht, um einen
gestaltete psychoedukative Programme bis hin zu Therapieansatz zu entwickeln, der direkt auf eine
integrativen neuropsychologischen Trainings rei- Veränderung der für Patienten mit Wahnsympto-
chen. In jüngerer Zeit ist zudem ein kognitiv-ver- matik spezifischen Probleme oder Verzerrungen in
haltenstherapeutischer Ansatz (KVT) entwickelt der Informationsverarbeitung abzielt.
worden, der direkt auf die Reduktion von Wahn
und Halluzinationen abzielt. Randomisiert-kont- Die Patienten werden anhand einer Fülle von
rollierte Wirksamkeitsstudien und Metaanalysen kreativem Bildmaterial und Übungsdemonstra-
belegen zwar einerseits recht deutlich die Wirk- tionen über mögliche Denkfallen aufgeklärt. Ob-
samkeit von KVT bei Schizophrenie, andererseits wohl einerseits auf entpathologisierende Weise
weisen die doch eher kleinen Effektstärken darauf deutlich gemacht wird, dass solche Denkfallen et-
hin, dass noch viel Spielraum für Verbesserung was allzu Menschliches sind, wird auch nicht ver-
besteht. schwiegen, dass sie ein Risikofaktor für Fehlurteile
bis hin zur Entstehung von Wahn sein können.
Gleichzeitig mehren sich Arbeiten aus der Grund- Ohne sofort ihre eigenen wahnhaften Überzeu-
lagenforschung, die darauf hindeuten, dass Wahn gungen hinterfragen zu müssen, lernen Patienten
mit spezifischen dysfunktionalen kognitiven Ver- in diesem anwenderfreundlichen Therapieansatz,
arbeitungsstilen assoziiert ist. Als solche gelten wie sie in Zukunft Fehlurteile und damit auch die
unter anderem voreiliges Schlussfolgern, Schwie- Entwicklung von Wahn vermeiden können. Da
rigkeiten, die Perspektive anderer Personen zu das MKT+ diesen metakognitiven Ansatz zudem
übernehmen, sowie die Tendenz, die Ursache für mit den bereits gut erforschten wirksamen Inter-
uneindeutige Ereignisse zu externalisieren. Diese ventionen der »klassischen« KVT verknüpft,
Verzerrungen liegen zum Teil auch bereits vor der kommt auch das individuenzentrierte Vorgehen
Entwicklung einer klinisch relevanten Symptoma- nicht zu kurz.
tik vor und verschwinden auch nach dem Abklin-
VIII Geleitwort zur 1. Auflage

Alles in allem legen die Autoren somit das passen-


de Konzept zur rechten Zeit vor. Ich hoffe nicht nur,
dass der Verweis auf dieses Manual bald unter den
ersten Ergebnissen bei Google zu finden ist, son-
dern vor allem, dass es umgesetzt und vielen Be-
troffenen zur Hilfe wird.

Tania Lincoln
Marburg, im Juli 2010
IX

Vorwort zur 2. Auflage

Liebe Leserinnen und Leser, eiligen Kliniker« und die Akzeptanz bei Patienten
sehr wichtig.
wir freuen uns, Ihnen die 2. Auflage des MKT+
präsentieren zu können. Über die vielen positiven Wir haben für das MKT+ daher überlegt, wie wir
Zuschriften sowie viele konstruktive Verbesse- den Therapiekomfort verbessern können. So ste-
rungsvorschläge zur 1. Auflage haben wir uns ge- hen die Begleitmaterialien zu dieser Auflage zum
freut und diese in die Überarbeitung einfließen Download auf http://extras.springer.com/ zur Ver-
lassen. fügung und können nach Eingabe der ISBN herun-
tergeladen werden. Die Vorgabe der Therapiefolien
Obwohl sich in der Psychotherapieforschung zu des MKT+ kann über Ausdrucke erfolgen, bewährt
Psychosen in den letzten Jahren eine Menge getan hat sich aber auch die Präsentation mithilfe von
hat, ist der klinische Alltag in vielen Einrichtungen Tablet, Laptop oder PC. Das ist nicht nur modern,
relativ unverändert geblieben. Psychotherapeuti- sondern erspart Vorbereitungszeit, schont Material
sche Ansätze bei Psychosen werden weiterhin nur und ist bei einigen Übungen auch effektiver (z. B.
selten umgesetzt. Wie auch in der Therapie von Kartentrick aus 7 Therapieeinheit 4). Weiterhin
Patienten braucht Veränderung in der Medizin und wurde uns zunehmend bewusst, dass Patienten mit
Psychologie Zeit, und so manche kognitive Verzer- Schizophrenie/Psychose oft weniger unter den
rung bei Klinikern muss »gelockert« werden (»Was Wahnideen und Halluzinationen leiden (diese Ide-
gestern richtig war, kann heute nicht falsch sein!«). en können den Selbstwert vorübergehend stärken,
Ärzte und Psychologen sind sich der teilweise was wiederum die sog. Adhärenz senken kann) als
schweren Nebenwirkungen von Antipsychotika, unter sozial-kognitiven Defiziten und vor allem
auch jener der zweiten Generation, mittlerweile Depression. Diese Aspekte sind in der 1. Auflage
stärker bewusst als früher, und es wird häufiger des MKT+ bereits angelegt, wurden aber nochmals
nach der Maßgabe behandelt »so wenig wie mög- erweitert, auch um den Anspruch einzulösen, sich
lich, so viel wie nötig«. Ein prinzipieller Para- stärker an den Wünschen und Behandlungspräfe-
digmenwechsel im Sinne einer komplementären renzen der Patienten zu orientieren.
psychotherapeutischen Behandlung der Psychose
über Psychoedukation und Gruppentraining hin- Wir freuen uns weiterhin über Rückmeldungen
aus hat aber weiter nicht stattgefunden. Trotz viel- zum MKT+, seien sie positiv oder negativ. Die
versprechender Ergebnisse vor allem kognitiv-ver- Schizophrenie ist eine komplexe Störung, und wir
haltenstherapeutischer Ansätze oder ihrer Varian- tappen noch immer in ein nur mit wenigen empi-
ten wie unseres metakognitiven Trainings für Psy- rischen Teelichtern erhelltes Dunkel. Wir können
chose (MKT) ist es noch nicht gelungen, die das Rätsel nur mit vereinten Kräften lösen, indem
klinische Realität entscheidend zu verändern, wie Kliniker, Betroffene und Angehörige sich stärker
eine neuere Arbeit von Bechdolf und Klingberg austauschen.
(2014)1 nahelegt. Dies soll kein Anlass für Resigna-
tion sein, sondern eher als Ansporn dienen, posi- Steffen Moritz, Eva Krieger,
tive Ergebnisse psychotherapeutischer Ansätze Francesca Bohn, Ruth Veckenstedt
noch offensiver und über interessierte Zirkel (von Hamburg, im Dezember 2016
längst überzeugten Klinikern) hinaus zu verbrei-
ten. Weiterhin gilt es, zu überlegen, wie man psy-
chotherapeutische Konzepte wirkungsvoller und
niedrigschwelliger in den Behandlungsalltag ein-
bringen kann. Damit gute Ideen nicht »in Schön-
heit sterben«, ist gerade die Praktikabilität für »den

1 Bechdolf, A., & Klingberg, S. (2014). Psychotherapie bei


schizophrenen Störungen: Kein Evidenz-, sondern ein Im-
plementierungsproblem. Psychiatrische Praxis 41, 8–10.
Vorwort zur 1. Auflage

Das Individualisierte Metakognitive Therapiepro- der Diagnostik und Therapieevaluation bewährt


gramm (MKT+) stellt einen neuen Ansatz zur Be- haben. Herzstück des MKT+ sind die im Schuber
handlung von Menschen mit Psychose bzw. Schi- befindlichen Therapieblätter, die der Strukturie-
zophrenie dar. Das MKT+ basiert auf bewährten rung und Veranschaulichung der Therapieinhalte
verhaltenstherapeutischen Konzepten, dem von dienen. Die beiliegende CD enthält Arbeitsblätter
unserer Arbeitsgruppe erstellten Metakognitiven zu den einzelnen Therapieeinheiten, die mit dem
Gruppentraining (MKT) sowie Ergebnissen der Patienten während der Sitzungen oder auch als
kognitiven Grundlagenforschung und richtet sich Hausaufgabe bearbeitet werden können. Weiterhin
vorrangig an klinische Psychologen, psychologi- enthält die CD die Vorlage für eine rote (Krisen-
sche Psychotherapeuten und Psychiater. intervention) und gelbe Karte (»Erste Hilfe« bei
aufkeimenden paranoiden Ideen), welche die
Mit dem MKT+ haben wir ein Therapiemanual er- Nachhaltigkeit der Therapie erhöhen sollen. Auf
stellt, welches den heutigen Kenntnisstand über die der CD befindet sich zusätzlich ein Verfahren zur
Entstehung von Psychosen reflektiert. Das MKT+ Erhebung voreiligen Schlussfolgerns (Fische-Test)
zielt vor allem auf schizophrenietypische Denkver- in drei Parallelversionen sowie PDF-Versionen
zerrungen ab, welche Wahnideen begünstigen, und aller Therapieblätter, falls Sie diese lieber über
leitet Patienten an, diese zu korrigieren. Der struk- einen Computermonitor präsentieren möchten.
turierte und gleichzeitig flexible Ansatz, welcher Die Handhabung sämtlicher Materialien wird aus-
eine Vielzahl von miteinander kombinierbaren führlich im Manual beschrieben. Eine Liste der
Therapie- und Arbeitsblättern beinhaltet, erlaubt urheberrechtlichen Nachweise aller im MKT+ ver-
es auch unerfahrenen Therapeuten, sich auf unter- wendeten Abbildungen ist ebenfalls auf der beilie-
schiedliche psychotische Probleme und klinische genden CD enthalten.
Anforderungen in unterschiedlichen Settings (am-
bulant, stationär) einzustellen. Die Therapie mit Steffen Moritz, Ruth Veckenstedt,
dem MKT+ ist zeitintensiv, was angesichts der Sarah Randjbar und Francesca Vitzthum
Schwere und Komplexität der Störung unvermeid- Hamburg, im August 2010
bar ist. Die Intervention benötigt zumeist mehr
Zeit, als Patienten mit Schizophrenie üblicher-
weise, insbesondere innerhalb einer stationären
Behandlung, psychotherapeutisch gewidmet wird.
Angesichts der nachgewiesenen Effektivität psy-
chotherapeutischer Maßnahmen bei der Behand-
lung der Schizophrenie, sowohl direkt als auch in-
direkt über die Erhöhung der Adhärenz, lohnt sich
dieser Mehraufwand aus unserer Sicht jedoch un-
bedingt.

Das MKT+ hat verschiedene Bestandteile: Manual,


Schuber sowie eine CD1 mit weiteren wichtigen
Unterlagen. Das Manual gibt eine Einführung in
das Störungsbild Schizophrenie sowie einen Über-
blick über den aktuellen Stand der Forschung zu
kognitiven Verzerrungen. Zudem liefert das Ma-
nual allgemeine Hinweise und spezifische Anmer-
kungen zur Durchführung des MKT+. Im Anhang
finden Sie eine Reihe von Instrumenten, die sich in

1 Statt eines Schubers und einer CD sind alle Materialien


für die 2. Auflage nunmehr online erhältlich.
XI

Danksagung zur 2. Auflage

Bei der Neuauflage des MKT+ haben erneut viele


kluge Köpfe gemeinsam an einem hoffentlich ge-
lungenen Ergebnis gearbeitet. Wir danken Birgit
Hottenrott, Charlotte Wittekind und Martina Fie-
ker für viele hilfreiche Hinweise aus der MKT+-
Praxis, die in die Überarbeitung des Manuals mit
eingeflossen sind. Ein herzliches Dankeschön ver-
dienen Mona Dietrichkeit und Olena Stepulovs,
die uns bei der Aktualisierung der Literatur sowie
beim kritischen Durchsehen des Manuals eine
große Hilfe waren. Ein großes Dankeschön geht
auch an Jürgen Gallinat, Christoph Mulert, Liz
Rietschel, Christina Andreou und Stjepan Curic,
die mit ihrem Expertenwissen einen wichtigen Bei-
trag zur Aktualisierung einiger Buchabschnitte ge-
leistet haben. Vielen Dank auch an Lilian Krasberg,
Karen Riedesel, Heike Platow, Sarah Riker, Lara
Bücker und Janne Hottenrott für diverse Recher-
chen, Formatierungsarbeiten sowie Eure Kreativi-
tät, die sich in vielen Übungen und Abbildungen
widerspiegelt. Auch allen, die uns bei Workshops,
Vorträgen oder auf sonstigem Wege wichtige Rück-
meldungen geben, gilt unser Dank. Wir sind auch
in Zukunft an Ihren Ideen und Kommentaren inte-
ressiert.

Dem Springer-Verlag gilt erneut ein besonderer


Dank. Hier sind besonders Frau Brecht und Frau
Scheddin zu nennen, die uns bei der Überarbei-
tung des MKT+ sehr unterstützt haben. Danken
möchten wir auch Frau Stefanie Teichert für das
hervorragende Lektorat.
Danksagung zur 1. Auflage

Zur Entstehung des MKT+ haben das Fachwissen,


die Kritik, die Ideen, der Fleiß und nicht zuletzt die
Ermunterung vieler Freunde und Kollegen beige-
tragen. Wir danken Marit Hauschildt, Birgit Hot-
tenrott, Rebecca Küpper, Christiane Schmidt und
Johanna Sundag für die kritische Manuskript-
durchsicht sowie die Suche lizenzfreier Bilder und
deren sorgfältige Dokumentation, wodurch unsere
manchmal paranoid anmutende, aber nicht voll-
kommen unberechtigte Angst vor teuren Verstö-
ßen gegen das Urheberrecht im Laufe der Zeit
deutlich abnahm. Lisa Schilling, Christine Hoche,
Marina Ruiz-Villarreal und Jana Pöttgen haben uns
für die Therapieblätter freundlicherweise Zeich-
nungen angefertigt und/oder lizenzfreie Fotos für
die Therapiematerialien herausgesucht. Ulf Köther,
Johanna Sundag, Dietmar Golks und Liz Rietschel
haben durch ihre schauspielerischen Leistungen
sehr zum Gelingen der Videos zur sozialen Kogni-
tion beigetragen. Auch dafür: vielen Dank. Eben-
falls danken wir Julia Aghotor, Natascha Bischoff,
Judith Brade, Birgit Conradt, Lena Jelinek, Anne
Karow, Tania Lincoln, Daniel Nischk, Christian
Otte, Ute Pfüller, Marina Rhode und Carolin Ure-
dat für die kritische Durchsicht einer früheren Ver-
sion des Manuals. Ohne Eure Hilfe hätte dieses
Mammutprojekt nie gestemmt werden können.
Unseren Patienten gebührt besonderer Dank,
ebenso wie der zunehmenden Zahl von Anwen-
dern, die durch ihre Rückmeldungen zur steten
Verbesserung der Verständlichkeit und Anwender-
freundlichkeit des Programmpakets beigetragen
haben. Dem Springer-Verlag sind wir ebenfalls zu
Dank verpflichtet und hier allen voran Frau Sched-
din und Frau Schulz, die uns bei diesem Projekt
hilfreich begleitet und unterstützt haben. Der Lek-
torin Frau Allée möchten wir ebenfalls für die Zu-
sammenarbeit danken.
XIII

Inhaltsverzeichnis

1 MKT+: Ein innovativer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1


Steffen Moritz, Eva Krieger, Francesca Bohn, Ruth Veckenstedt
1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2 Schizophrenie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Steffen Moritz, Eva Krieger, Francesca Bohn, Ruth Veckenstedt
2.1 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.2 Diagnostik und Differenzialdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.2.1 Typologische vs. dimensionale Einteilungen der schizophrenen Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.2.2 Komorbidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.2.3 Neuropsychologische Auffälligkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.3 Ätiologische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.3.1 Genetische Einflüsse und Umweltaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.3.2 Hirnstrukturelle Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.4 Wahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.4.1 Was ist Wahn? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.4.2 Probleme des Wahnbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.4.3 Verbreitung von Wahnideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.4.4 Interkulturelle Unterschiede und zeitgeschichtlicher Wandel von Wahninhalten . . . . . . . . . . . . . . 19
2.4.5 Beziehung von Wahn und Halluzinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.5 Behandlung der Schizophrenie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.5.1 Antipsychotika (Neuroleptika) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.5.2 Verhaltenstherapie bei Schizophrenie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.5.3 Verhaltenstherapie und Antipsychotika als komplementäre Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.5.4 Andere therapeutische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.6 Metakognitive Therapie als neue Behandlungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.6.1 Metakognitives Training für schizophrene Patienten (MKT): »Making-of« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.6.2 Wieso MKT+? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.6.3 Bisherige Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

3 Theoretische Annahmen: Kognitive Verzerrungen bei Wahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39


Steffen Moritz, Eva Krieger, Francesca Bohn, Ruth Veckenstedt
3.1 Zuschreibungsstil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.2 Voreiliges Schlussfolgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.3 Unkorrigierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
3.4 Theory of Mind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
3.5 Überhöhte Urteilssicherheit bei Fehlerinnerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
3.6 Selbstwert und Stimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

4 Individualisiertes Metakognitives Therapieprogramm (MKT+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55


Steffen Moritz, Eva Krieger, Francesca Bohn, Ruth Veckenstedt
4.1 Für wen ist das MKT+ geeignet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
4.2 Therapeutische »Fallen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
4.3 Therapeutische Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
XIV Inhaltsverzeichnis

4.4 Therapieplanung: Bedeutung von Motivation, Krankheitseinsicht und therapeutischer


Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4.4.1 MKT+ im stationären Setting I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.4.2 MKT+ im stationären Setting II: Kombination von MKT+ mit MKT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.4.3 MKT+ im ambulanten Setting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.4.4 Sitzungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4.4.5 Letzte Sitzungen und Beendigung der Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

5 Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67


Steffen Moritz, Eva Krieger, Francesca Bohn, Ruth Veckenstedt
5.1 Therapieeinheit 1: Beziehungsaufbau und Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
5.2 Therapieeinheit 2: Einführung in das Metakognitive Therapieprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . 73
5.3 Therapieeinheit 3: Erklärungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
5.4 Therapieeinheit 4: Zuschreibungsstil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
5.5 Therapieeinheit 5: Schlussfolgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
5.6 Therapieeinheit 6: Korrigierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
5.7 Therapieeinheit 7: Einfühlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
5.8 Therapieeinheit 8: Gedächtnis und Urteilssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
5.9 Therapieeinheit 9: Depression und Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
5.10 Therapieeinheit 10: Selbstwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
5.11 Therapieeinheit 11: Umgang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . 112
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

6 Probleme und Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117


Steffen Moritz, Eva Krieger, Francesca Bohn, Ruth Veckenstedt

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Evaluationsinstrumente (in alphabetischer Reihenfolge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Beck Cognitive Insight Scale (BCIS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
Skalenbildung und Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
Cognitive Biases Questionnaire (CBQ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Anweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Fische-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Anweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
Insight Scale (IS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
Subskalen Insight Scale (IS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Internal, Personal and Situational Attributions Questionnaire – Revision (IPSAQ-R) . . . . . . . . . . . . . . 136
Anweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Häufig gestellte Fragen zur PANSS (FAQs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
Hinweise zur Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
XV
Inhaltsverzeichnis

Psychotic Symptom Rating Scales PSYRATS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153


Auditive Halluzinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Wahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Rosenberg Self-Esteem-Scale (RSES) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
1 1

MKT+: Ein innovativer Ansatz


Steffen Moritz, Eva Krieger, Francesca Bohn, Ruth Veckenstedt

1.1 Einführung –2

Literatur –4

S. Moritz et al., MKT+,


DOI 10.1007/978-3-662-52998-0_1, © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
2 Kapitel 1 · MKT+: Ein innovativer Ansatz

1.1 Einführung phrenie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psy-


1 chotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN; Gaebel et al.
Die Schizophrenie ist ein komplexes psychiatrisches Krank- 2006) aufgenommen wurden, stellen sie im klinischen All-
heitsbild, deren Ursachen trotz intensiver Forschung bis tag weiterhin die Ausnahme dar. Oft ist ihre Durchführung
heute nicht vollkommen enträtselt sind. Ihre charakteristi- auf Forschungsstudien begrenzt, mit deren Förderungsen-
schen Symptome sind Wahn, Halluzinationen und Ich- de die Maßnahmen ebenfalls auslaufen. Weniger als 5 %
Störungen. Angesichts der Vielgestaltigkeit der Syndroma- der Patienten mit Schizophrenie erhalten in Deutschland
tik und des Verlaufes spricht Vieles dafür, dass wir – wie eine verhaltenstherapeutische Behandlung (Puschner et al.
schon Eugen Bleuler – eigentlich im Plural von Schizophre- 2006). Bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten
nien statt im Singular von Schizophrenie sprechen sollten. sind laut eines Übersichtsartikels zur psychotherapeuti-
Neben dem Leid, welches die Krankheit für die Betrof- schen Versorgung von Patienten mit Schizophrenie sogar
fenen und vielfach auch für die Angehörigen bedeutet, weniger als 1 % der Betroffenen in Behandlung (Görgen u.
entstehen durch Interventionen, Langzeitbetreuung und Engler 2005 in Bechdolf u. Klingberg 2014). Die Gründe
Arbeitsausfall für die Gesellschaft weltweit hohe Kosten hierfür sind vielfältig. Neben einem historischen Vorbehalt
(z. B. Ekman et al. 2013; Evensen et al. 2016; Sado et al. gegenüber der Psychotherapie von Patienten mit Schizo-
2013; Sarlon et al. 2012). Laut Weltgesundheitsorganisa- phrenie, auf den wir im nächsten Kapitel näher eingehen,
tion (WHO) zählt die Schizophrenie zu den zehn teuersten ist die mangelnde Qualifizierung des klinischen Personals
Erkrankungen (Mueser u. McGurk 2004). ein weiterer wichtiger Grund (Shafran et al. 2009). Kogni-
Im vergangenen Jahrzehnt hat ein Umdenken in der tive Defizite, geringe Krankheitseinsicht und mangelnde
Forschung und Behandlung von Schizophrenie stattgefun- Änderungsmotivation aufseiten der Betroffenen führen
den. Angesichts der mäßigen Erfolge monotherapeuti- gerade bei unerfahrenen Therapeuten schnell zu Resigna-
scher Behandlungsmethoden (ausschließliche Pharmako- tion und therapeutischem Fatalismus. Überdies liegen im
oder Psychotherapie) ist Scheuklappendenken und thera- deutschsprachigen Raum nur wenige ausgearbeitete und
peutischer Purismus zunehmend der Offenheit für neue praxisnahe Behandlungskonzepte für Störungen aus dem
Ansätze gewichen, wenngleich sich die Umsetzung im schizophrenen Formenkreis vor. Dass sich die Psychothe-
klinischen Alltag noch schleppend vollzieht. Die pharma- rapie bei Patienten mit Schizophrenie lohnt, belegen zahl-
kologische Therapie mit Antipsychotika stellt nach wie vor reiche Metaanalysen, die einen immerhin schwachen bis
die Primärbehandlung der Schizophrenie dar. Die Erfor- mittleren Effekt auf die Kernsymptomatik über die Wirk-
schung komplementärer psychotherapeutischer Behand- samkeit von Antipsychotika hinaus zeigen (Burns et al.
lungsstrategien ist in den letzten Jahren jedoch nicht zu- 2014; Lincoln et al. 2008; Mehl et al. 2015; Wykes et al.
letzt aufgrund des hohen Anteils von Patienten, die nicht 2008). Auch hinsichtlich der Negativsymptomatik konnten
oder nur gering auf Antipsychotika ansprechen (Chakos et Studien Nachweise für die Wirksamkeit von kognitiver
al. 2014; Leucht et al. 2009) oder die diese aufgrund von Verhaltenstherapie finden (Elis et al. 2013).
Nebenwirkungen oder mangelnder Krankheitseinsicht ab- Das Individualisierte Metakognitive Therapiepro-
setzen (Byerly et al. 2007; Moritz et al. 2013), stark voran- gramm für Patienten mit Psychose (MKT+) stellt eine
getrieben worden. Insbesondere verhaltenstherapeutische Synthese aus Verhaltenstherapie und metakognitivem
Maßnahmen haben sich nach verschiedenen Metaanaly- Gruppentraining (MKT) für schizophrene Patienten
sen als wirksame Ergänzung erwiesen (Burns et al. 2014; (http://www.uke.de/mkt) dar, welches unsere Arbeits-
Wykes et al. 2008), wenngleich sich auch kritische Stim- gruppe 2005 veröffentlicht hat und mittlerweile in 33 Spra-
men mehren (Jauhar et al. 2014; Lynch et al. 2010). Zudem chen übertragen wurde. Wenngleich MKT+ und Gruppen-
hat in den letzten Jahren das Konzept der Recovery (Gene- MKT sinnvoll kombinierbar sind (7 Abschn. 4.4.2), handelt
sung, Gesundung, Wiederherstellung) bei der Behandlung es sich beim MKT+ doch um eine eigenständig durchführ-
von Patienten mit schizophrenen Störungen an Einfluss bare Therapieform.
gewonnen. Über die Symptomreduktion hinaus werden Was ist Metakognition und was ist innovativ an diesem
die Verbesserung der Lebensqualität und die Förderung Ansatz? Metakognition (meta = griechisch für »über/jen-
von Autonomie sowie Selbstbestimmung der Betroffenen seits«; Kognition = abgeleitet aus dem Lateinischen für
angestrebt, was psychosozialen Interventionen eine zen- »denken/erkennen«) ist ein gelegentlich irreführend ver-
trale Rolle zukommen lässt (Warner 2009). Fragt man Pa- wendeter Begriff und kann grob als »Denken über das
tienten direkt, so äußern diese vor allem den Wunsch, an Denken« definiert werden. Unser Verständnis von Meta-
emotionalen Symptomen zu arbeiten (Byrne u. Morrison kognition ist geprägt von Asher Koriat (2007), der Urteils-
2014; Kuhnigk et al. 2012; Moritz et al. 2016). sicherheit als zentralen Aspekt von Metakognition begreift.
Obwohl verhaltenstherapeutische Therapieansätze Metakognition betrifft menschliche (Fehl-)Annahmen
mittlerweile in die Behandlungsempfehlungen für Schizo- bezüglich (eigener) kognitiver Prozesse und deren Refle-
1.1 · Einführung
3 1
xion sowie den Umgang mit kognitiven Defiziten und Ver- praktisch veranschaulicht. Im zweiten Schritt werden pa-
zerrungen (englisch: »biases«). Dieses zunächst von der thologische Ausformungen der jeweiligen Denkverzer-
kognitiven Psychologie beforschte Konstrukt erwies sich rung besprochen: Dem Patienten wird behutsam vermit-
als ungemein fruchtbar für das Verständnis von psychi- telt, wie es durch Zuspitzungen der besprochenen (norma-
schen Erkrankungen. So sind metakognitive Verzerrungen len) Denkfallen zu schwerwiegenden Problemen in der
keineswegs nur bei schizophrenen Patienten zu beobach- Alltagsbewältigung bis hin zum Wahn kommen kann. Dies
ten, hier jedoch besonders akzentuiert und folgenschwer1. wird weiterhin auf einer eher allgemeinen Ebene mit
Das MKT+, welches sich vorrangig an klinische Psy- Fallbeispielen demonstriert. Diese beiden Vorstufen sind
chologen, psychologische Psychotherapeuten und Psychi- unserer Erfahrung nach ganz entscheidend dafür, dass Be-
ater richtet, verfolgt das Ziel, Patienten mit Schizophrenie troffene bereit sind, über ihre persönlichen Befürchtungen
typische Denkverzerrungen wie voreiliges Schlussfolgern zu sprechen und an diesen zu arbeiten. Sie können den
und Unkorrigierbarkeit bewusst zu machen und schritt- Betroffenen dabei helfen, ihre Erlebnisse zu versprachli-
weise zu verändern. In der Forschung wird diesen Ver- chen, jenseits eines »und dann kam die Psychose« . Im drit-
zerrungen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung und ten und letzten Schritt, der den Übergang vom eher meta-
Aufrechterhaltung von Wahn und teilweise auch von Hal- kognitiven in den kognitiv-verhaltenstherapeutischen
luzinationen zugeschrieben. Über die Korrektur dieser in Therapieteil darstellt, erfolgt die Übertragung auf die indi-
7 Kap. 3 beschriebenen Denkverzerrungen beabsichtigt viduelle Problematik des Patienten. Der Patient wird ange-
das MKT+ eine Reduktion der psychotischen Kernsymp- leitet, eigene Denkfallen zu erkennen und zu entschärfen.
tomatik, insbesondere des Wahns. Dass der Umbau der In diesem Zusammenhang werden auch dysfunktionale
»metakognitiven Infrastruktur« (z. B. sorgsameres Abwä- Copingstrategien (Vermeidung, Sicherheitsverhalten) hin-
gen von folgenschweren Handlungsoptionen statt »Kurz- terfragt und daran gearbeitet, diese schrittweise durch hilf-
schlussdenken«) hilft, die Schwere der Wahnideen sowie reichere Bewältigungsstrategien zu ersetzen. Das MKT+
die Wahnüberzeugung zu reduzieren, konnte durch meh- ist ein psychotherapeutisches Programm, in dessen Rah-
rere Studien und nunmehr auch durch eine Metaanalyse men neben einer Anamnese auch die Herleitung eines
von Eichner und Berna (2016) belegt werden (7 Ab- individuellen Erklärungsmodells vorgesehen ist. Die The-
schn. 2.6). Sechs der elf Therapieeinheiten widmen sich je men Rückfallprophylaxe und der Umgang mit der eigenen
einer typischen Denkverzerrung bei Schizophrenie. Neu in Erkrankung werden im Rahmen einer separaten Therapie-
der 2. Auflage ist, dass sich nun zwei Therapieeinheiten mit einheit ebenfalls behandelt.
den Themen Stimmung/Depression und Selbstwert be- Vor der Einführung der einzelnen Therapieeinheiten
schäftigen: Studien, aber auch die klinische Erfahrung zei- werden in 7 Abschn. 2.2–2.4 die wichtigsten Symptome der
gen, dass viele Patienten besonders unter emotionalen Schizophrenie mit einem Fokus auf Wahnideen und Hal-
Problemen leiden bzw. ein niedriges Selbstwertgefühl auf- luzinationen sowie ätiologische Modelle dargestellt. Diese
weisen (Byrne et al. 2010; Kuhnigk et al. 2012; Moritz et al. Teile können von erfahrenen Therapeuten übersprungen
2016). Die 7 Therapieeinheit 9 (Depression und Denken), werden. Anschließend folgt eine Übersicht der wichtigsten
welche mit etwas anderer Ausrichtung bereits in der Therapien bei Schizophrenie (7 Abschn. 2.5), insbesondere
1. Auflage vorhanden war, widmet sich dabei eher typisch der Psychopharmakotherapie und der kognitiven Verhal-
depressiven Denkverzerrungen, während 7 Therapieein- tenstherapie, von der das MKT+ viele Elemente übernom-
heit 10 (Selbstwert) u. a. verschiedene Strategien vermit- men hat. Vor dem praktischen Teil wird das »Making of«
telt, um einen gesunden Selbstwert zu fördern. des MKT nachgezeichnet und eine Reihe von Studien vor-
Am Anfang jeder MKT+-Einheit stehen zunächst psy- gestellt, die die Machbarkeit und Wirksamkeit dieses An-
choedukative Elemente und »Normalisierung«, d. h. eine satzes bei Psychosen bestätigen (7 Abschn. 2.6). Danach
Erklärung, aber nicht Bagatellisierung psychotischer Er- werden empirisch fundierte kognitive Theorien zur Ent-
fahrungen durch (normale) psychologische Mechanismen. stehung und Aufrechterhaltung des Wahns dargestellt, auf
Anhand von Beispielen und auf Therapie- und Arbeitsblät- denen das MKT+ fußt (7 Kap. 3). In 7 Kap. 4 erhalten Sie
tern präsentierten Übungen wird in das jeweilige Themen- eine allgemeine Einführung in die Therapieplanung und
gebiet (z. B. Schlussfolgern) eingeführt und die allgemeine -durchführung des MKT+. Im Anschluss folgen die Inhal-
Fehlbarkeit menschlicher Kognitionen thematisiert und te der Therapieeinheiten mit zahlreichen konkreten Emp-
fehlungen zur Gestaltung der Einzelsitzungen (7 Kap. 5).
1 Ein typisches metakognitives Problem bei Depression ist z. B. die Fühlen Sie sich nicht an die Formulierungsvorschläge ge-
Unterschätzung der eigenen kognitiven Leistungsfähigkeit. Men-
bunden. Diese verstehen sich als Einstiegshilfe insbeson-
schen mit einer Zwangsstörung plagt dagegen oftmals die irratio-
nale Sorge, dass negative Vorstellungen, z. B. die eigenen Kinder
dere für weniger erfahrene Therapeuten. In 7 Kap. 6 wer-
umzubringen, unweigerlich zu entsprechenden Taten führen (Ge- den mögliche Probleme, Fragen oder Herausforderungen
danken-Handlungs-Fusion). thematisiert, die während der metakognitiven Therapie
4 Kapitel 1 · MKT+: Ein innovativer Ansatz

auftreten können, und verschiedene Lösungsmöglichkei- dert werden, dass Sitzungen in eher unspezifischen All-
1 ten. Im Anhang befinden sich Skalen und Evaluationsins- tagsklagen verharren. Solche Themen sind selbstverständ-
trumente, die dem Behandler sowohl diagnostisch als auch lich wichtig und sollten sogar aktiv aufgegriffen werden –
therapeutisch wertvolle Informationen liefern können und das primäre Ziel dieser Therapie ist jedoch keine psycho-
die sich in der Grundlagenforschung und zur Therapiee- soziale Begleitung, sondern die Reflexion und Korrektur
valuation bewährt haben. grundlegender psychischer Probleme und Wahrneh-
Das MKT+ zeichnet sich durch folgende Aspekte aus: mungs- und Denkverzerrungen. Formale Denkstörungen,
insbesondere die charakteristische Sprunghaftigkeit im
j1. Theoretische Fundierung Denken vieler Patienten mit Psychose (vor allem Daneben-
Das Therapieprogramm ist abgeleitet aus einer Vielzahl re- reden und Assoziationslockerungen), machen lose Thera-
plizierter Befunde der kognitiven Grundlagenforschung zu piepläne leicht zunichte. Ein schlüssiger Therapieplan mit
Psychosen (7 Kap. 3). Wenngleich die Theoriebildung in erkennbarem roten Faden, von dem selbstverständlich
diesem Forschungszweig keinesfalls abgeschlossen ist und immer auch abgewichen werden kann (und sollte), trägt
hinter einigen Befunden weiter kleinere oder auch größere im Übrigen oft zu einer Ordnung im Denken der Betroffe-
Fragezeichen stehen, können die hier besprochenen Theo- nen bei.
rien als weitestgehend gesichertes und tragfähiges Funda-
ment gelten, auf dem sich der vorgestellte Ansatz erhebt. j4. Nachhaltigkeit
Viele Patienten sind kognitiv eingeschränkt. Man schätzt,
j2. Niedrigschwellig und unterhaltsam dass wenigstens die Hälfte der Betroffenen substanzielle
Der metakognitive Ansatz wird durch die vielen Beispiele, Defizite bezogen auf Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und
Bildmaterialien und Übungen von den meisten Patienten Abstraktionsvermögen aufweisen (Savla et al. 2013;
als abwechslungsreich und unterhaltsam erlebt (siehe auch Schaefer et al. 2013). Merkzettel, Arbeitsblätter und Haus-
Studien in 7 Abschn. 2.6). Dies bindet die Aufmerksamkeit aufgaben sollen helfen, die Lernziele über die Therapie-
und erhöht auf diese Weise eine bei vielen Patienten an- stunden hinaus im Gedächtnis zu verankern, damit diese
fänglich gering ausgeprägte Therapiemotivation. Das leichter in »Fleisch und Blut« übergehen.
MKT+ setzt zunächst bei allgemeinen Denkverzerrungen
an und nimmt erst im zweiten Schritt die persönlichen
Symptome ins Visier. Dieser »Hintertüransatz« bietet un- Literatur
seres Erachtens Vorteile gegenüber einem symptomorien-
Bechdolf, A., & Klingberg, S. (2014). Psychotherapie bei schizophrenen
tierten Vorgehen, welches mit der »Tür ins Haus fällt« und Störungen: Kein Evidenz-, sondern ein Implementierungs-
die Überzeugungen des Patienten unmittelbar herausfor- problem. Psychiatrische Praxis 41, 8–10.
dert. Patienten mit Schizophrenie sind unserer Erfahrung Burns, A. M., Erickson, D. H., & Brenner, C. A. (2014). Cognitive-
nach eher bereit, falsche Überzeugungen und Haltungen behavioral therapy for medication-resistant psychosis:
a meta-analytic review. Psychiatric Services 65, 874–880.
nachhaltig zu überdenken und im besten Falle aufzugeben,
Byerly, M. J., Nakonezny, P. A., & Lescouflair, E. (2007). Antipsychotic
wenn ihnen zuerst die Fehlbarkeit menschlicher Kognition medication adherence in schizophrenia. Psychiatric Clinics of
allgemein und im Anschluss daran die ihres eigenen Den- North America 30, 437–452.
kens vor Augen geführt wird. Behutsam wird die Eskala- Byrne, R., & Morrison, A. P. (2014). Service users’ priorities and prefer-
tion kognitiver Prozesse von normal über verzerrt bis ences for treatment of psychosis: a user-led Delphi study.
pathologisch nachgezeichnet und das eigene Erleben und Psychiatric Services 65, 1167–1169.
Byrne, R., Davies, L., & Morrison, A. P. (2010). Priorities and preferences
Verhalten bei aller »Verrücktheit« somit in Teilen versteh- for the outcomes of treatment of psychosis: a service user per-
bar gemacht. Die Änderung der kognitiven Infrastruktur spective. Psychosis 2, 210–217.
soll dazu führen, dass einfache Wahrheiten, wie sie der Chakos, M., Lieberman, J., Hoffman, E., Bradford, D., & Sheitman, B.
Wahn vorgaukelt, vom Betroffenen selbst nicht mehr ak- (2014). Effectiveness of second-generation antipsychotics in
zeptiert werden. Diese geleitete Selbsterkenntnis ist so patients with treatment-resistant schizophrenia: a review and
meta-analysis of randomized trials. Focus 2, 111–121.
gestaltet, dass sie nicht zwangsläufig frustriert oder kränkt,
Eichner, C., & Berna, F. (2016). Acceptance and efficacy of Metacogni-
sondern mit Spaß verbunden ist. tive Training (MCT) on positive symptoms and delusions in
patients with schizophrenia: a meta-analysis taking into account
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Der hohe Grad an Struktur, der durch die zahlreichen The- Ekman, M., Granstrom, O., Omerov, S., Jacob, J., & Landen, M. (2013).
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»kochbuchartige« Charakter verkürzen einerseits die Vor- Elis, O., Caponigro, J. M., & Kring, A. M. (2013). Psychosocial treatments
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dadurch der therapeutische Fokus gesichert und verhin- future directions. Clinical Psychology Review 33, 914–928.
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7 2

Schizophrenie
Steffen Moritz, Eva Krieger, Francesca Bohn, Ruth Veckenstedt

2.1 Epidemiologie –8

2.2 Diagnostik und Differenzialdiagnostik –8


2.2.1 Typologische vs. dimensionale Einteilungen der schizophrenen
Symptomatik – 12
2.2.2 Komorbidität – 14
2.2.3 Neuropsychologische Auffälligkeiten – 14

2.3 Ätiologische Modelle – 15


2.3.1 Genetische Einflüsse und Umweltaspekte – 15
2.3.2 Hirnstrukturelle Besonderheiten – 16

2.4 Wahn – 16
2.4.1 Was ist Wahn? – 16
2.4.2 Probleme des Wahnbegriffs – 17
2.4.3 Verbreitung von Wahnideen – 19
2.4.4 Interkulturelle Unterschiede und zeitgeschichtlicher Wandel
von Wahninhalten – 19
2.4.5 Beziehung von Wahn und Halluzinationen – 20

2.5 Behandlung der Schizophrenie – 21


2.5.1 Antipsychotika (Neuroleptika) – 21
2.5.2 Verhaltenstherapie bei Schizophrenie – 24
2.5.3 Verhaltenstherapie und Antipsychotika als komplementäre Ansätze – 27
2.5.4 Andere therapeutische Ansätze – 27

2.6 Metakognitive Therapie als neue Behandlungsmethode – 28


2.6.1 Metakognitives Training für schizophrene Patienten (MKT):
»Making-of« – 28
2.6.2 Wieso MKT+? – 29
2.6.3 Bisherige Befunde – 29

Literatur – 32

S. Moritz et al., MKT+,


DOI 10.1007/978-3-662-52998-0_2, © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
8 Kapitel 2 · Schizophrenie

2.1 Epidemiologie 2.2 Diagnostik und Differenzialdiagnostik

Unabhängig von Kultur und ethnischer Zugehörigkeit er- . Tab. 2.1 stellt die diagnostischen Kriterien der Diagnose-
2 krankt ca. 1 % der Bevölkerung einmal im Leben an einer systeme International Classification of Diseases der Weltge-
Schizophrenie (oft auch als schizophrene Psychose oder sundheitsorganisation (ICD-10; Dilling et al. 2000) und
auch nur Psychose bezeichnet); die Inzidenz liegt nach ei- Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
ner Metaanalyse bei 15,2:100.000 Personen im Jahr (DSM-5; APA 2013) einander gegenüber. Die heutige Syn-
(McGrath et al. 2008). Obwohl eine Untergruppe von Pa- dromatik der Schizophrenie erinnert ein wenig an ein alt-
tienten nur einmal im Leben erkrankt und manchmal etli- ehrwürdiges Gebäude, dessen Erbauer und unterschied-
che Jahre zwischen den einzelnen Krankheitsepisoden liche Bewohner über die Jahre ihre Spuren hinterlassen
verstreichen, stellt die Psychose für viele Patienten eine haben. Der Grundriss des Gebäudes (Typologie; aufgege-
lebenslange Bürde dar, welche die Lebensqualität – oft ben im DSM-5, beibehalten in der ICD-10) wurde Ende
auch der Angehörigen – erheblich reduzieren kann und des 19. Jahrhunderts von Emil Kraepelin gezeichnet. Die
mit hohen sozioökonomischen Kosten einhergeht (Ken- gegenwärtige »Einrichtung« (Leitsymptomatik) stammt
nedy et al. 2014). Die Suizidrate bei Patienten mit Schizo- von Kurt Schneider, der die Möblierung des ersten großen
phrenie ist nach neueren Schätzungen zwar nach unten Innenarchitekten, Eugen Bleuler, mehr oder weniger gänz-
korrigiert worden (Hor u. Taylor 2010), liegt aber mit ca. lich hinauswarf. Bleuler verewigte sich immerhin als Tauf-
5 % immer noch um ein Vielfaches höher als in der Nor- pate (seine Bezeichnung »Gruppe der Schizophrenien«
malbevölkerung. wurde später in den Singular »Schizophrenie« umbe-
Das Krankheitsbild Schizophrenie ist regional, kultu- nannt). Schneiders Syndromatik wurde seither nur noch
rell und kontinental keineswegs so gleichförmig wie die um wenige Stücke, u. a. aus dem Positiv-Negativ-Konzept
weltweit recht einheitliche Prävalenzrate suggeriert. Seit (vor allem von Nancy Andreasen), ergänzt. Der Vorbehalt
Langem ist bekannt, dass die Erkrankungsraten in Groß- Karl Jaspers, wonach echter Wahn nicht verstehbar sei
städten weitaus höher sind als auf dem Land, was neben (1913, S. 89), hat die ICD-10 und bis zur 4. Auflage auch
urbanem Stress auch bekannten verschlimmernden Fakto- das DSM geprägt, indem bizarrer Wahn eine besondere
ren wie Drogen geschuldet ist, deren Verfügbarkeit in der diagnostische Wertigkeit erhielt.
Großstadt deutlich größer ist. Interkulturelle Vergleichs- Die Schizophrenie nach der Definition bzw. Operatio-
studien sprechen dafür, dass die paranoide Form der nalisierung im DSM-5 (APA 2013) hat, wie angedeutet,
Schizophrenie, welche von Verfolgungsideen und Halluzi- nur noch wenig mit Eugen Bleulers ursprünglichem Kon-
nationen gekennzeichnet ist, in westlichen Industrielän- zept gemein (Kety 1980). Lediglich die Assoziationsstö-
dern häufiger vorkommt als in Entwicklungsländern. Auf rungen im Sinne formaler Denkstörungen sind von seinen
interkulturelle Unterschiede bezüglich der Wahnthemen vier Grundstörungen, abgekürzt den 4 A’s (Ambivalenz,
wird in 7 Abschn. 2.4.4 näher eingegangen. Autismus, Assoziationsstörungen und Affekt), diagnos-
Männer und Frauen erkranken ungefähr gleich häufig. tisch verblieben (. Tab. 2.1). Bleulers Entwurf wurde gera-
Ein epidemiologischer Überblick weist ein Verhältnis von dezu auf den Kopf gestellt: Symptome, die er für akzesso-
1,4:1 zwischen Männern und Frauen nach (McGrath et al. risch bzw. sekundär hielt, wie Wahn und Halluzinationen,
2008; Ochoa et al. 2012). Frauen erkranken im Durch- machen den heutigen Kern des Syndroms aus.
schnitt später (1. Manifestationsgipfel zwischen dem 25. Um bei der Metapher zu bleiben: Wie bei einem alten
und 35. Lebensjahr; 2. Manifestationsgipfel zwischen dem Haus ist einiges verblieben, was nicht mehr ganz zeitgemäß
45. und 49. Lebensjahr) als Männer (Manifestationsgipfel ist und nach gängiger Expertenmeinung eigentlich in die
zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr). Meist vergehen Rumpelkammer der Psychiatrie gehört. So ist die Diagnose
mehrere Jahre bis zur (stationären) Behandlung, die Dauer Schizophrenia simplex (. Tab. 2.2), welche nur recht un-
der unbehandelten Psychose wird u. a. mit einem schlech- spezifische Symptome einschließt, zwar noch in den Dia-
teren Ansprechen auf die Behandlung in Zusammenhang gnoseleitlinien enthalten, aber äußerst umstritten. Die
gebracht (Penttilä et al. 2014; Perkins et al. 2005). Aller- ICD-10 rät explizit von der Vergabe dieser Diagnose ab, im
dings werden Zusammenhänge mit der Dauer der unbe- DSM-5 ist sie gar nicht mehr vorhanden.
handelten Psychose nicht von allen Studien bestätigt (Craig Die Subtypen der Schizophrenie nach ICD-10 sind in
et al. 2000; Ho et al. 2003) und teilweise kontrovers disku- . Tab. 2.2 dargestellt. Das DSM-5 unterscheidet mittler-
tiert (Rund 2013). weile, wie dargelegt, keine Subtypen mehr, da die Sympto-
me von Patienten häufig zwischen verschiedenen syndro-
malen Bildern wechseln oder überlappende Symptome
vorhanden sind.
2.2 · Diagnostik und Differenzialdiagnostik
9 2

. Tab. 2.1 Gegenüberstellung der diagnostischen Kriterien für Schizophrenie nach DSM-5 (295.xx) und ICD-10 (F20.0–F20.3)

Diagnostische Kriterien nach DSM-5 Diagnostische Kriterien nach ICD-10

– Allgemeine Kriterien für die paranoide, die hebephrene, die kata-


tone und die undifferenzierte Schizophrenie:

A. Charakteristische Symptome: mindestens zwei der folgenden, G1. Während der meisten Zeit innerhalb eines Zeitraumes von
jedes bestehend für einen erheblichen Teil einer einmonatigen mindestens einem Monat (oder während einiger Zeit an den
Zeitspanne (oder kürzer, falls erfolgreich behandelt). meisten Tagen) sollte eine psychotische Episode mit entweder
Mindestens eines dieser Symptome muss (1), (2) oder (3) sein: mindestens einem der unter 1. aufgezählten Syndrome,
1. Wahn Symptome und Anzeichen oder mit mindestens zwei der unter
2. Halluzinationen 2. aufgezählten Symptome und Anzeichen bestehen.
3. Desorganisierte Sprechweise (z. B. häufiges Entgleisen oder 1. Mindestens eines der folgenden Merkmale:
Zerfahrenheit) a. Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung, Gedankenent-
4. Grob desorganisiertes oder katatones Verhalten zug oder Gedankenausbreitung
5. Negativsymptome (z. B. verminderter emotionaler Ausdruck b. Kontrollwahn, Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten,
oder reduzierte Willenskraft/Avolition) deutlich bezogen auf Körper- oder Gliederbewegungen oder
bestimmte Gedanken, Tätigkeiten oder Empfindungen;
Wahnwahrnehmung
c. Kommentierende oder dialogische Stimmen, die über die
Patienten reden oder untereinander über ihn diskutieren,
oder andere Stimmen, die aus bestimmten Körperteilen
kommen
d. Anhaltender kulturell unangemessener, bizarrer oder völlig
unrealistischer Wahn, wie der, das Wetter kontrollieren zu
können oder mit Außerirdischen in Verbindung zu stehen
2. Oder mindestens zwei der folgenden Merkmale:
a. Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität, täglich
während mindestens eines Monats, begleitet von flüchtigen
oder undeutlich ausgebildeten Wahngedanken ohne deut-
liche affektive Beteiligung oder begleitet von lang anhal-
tenden überwertigen Ideen
b. Neologismen, Gedankenabreißen oder Einschiebungen in den
Gedankenfluss, was zu Zerfahrenheit oder Danebenreden führt
c. Katatone Symptome wie Erregung, Haltungsstereotypien
oder wächserne Biegsamkeit (Flexibilitas cerea), Negativis-
mus, Mutismus und Stupor
d. »Negative« Symptome wie auffällige Apathie, Sprachverar-
mung, verflachte oder inadäquate Affekte. (Es muss sicherge-
stellt sein, dass diese Symptome nicht durch eine Depression
oder eine neuroleptische Medikation verursacht werden.)

B. Soziale/berufliche Leistungseinbußen: Für eine erhebliche –


Zeitspanne seit dem Beginn der Störung sind einer oder mehre-
re zentrale Funktionsbereiche wie Arbeit, zwischenmenschliche
Beziehungen oder Selbstfürsorge deutlich unter dem Niveau,
das vor dem Beginn erreicht wurde (oder, falls der Beginn in der
Kindheit oder Adoleszenz liegt, wird das zu erwartende Niveau
der zwischenmenschlichen, geistigen oder beruflichen Leistun-
gen nicht erreicht).

C. Dauer: Zeichen des Störungsbildes halten durchgehend für siehe G1


mindestens 6 Monate an. Diese 6-monatige Periode muss min-
destens einen Monat mit Symptomen (oder weniger, falls er-
folgreich behandelt) umfassen, die das Kriterium A (d. h. floride
Symptome) erfüllen, und kann Perioden mit prodromalen oder
residualen Symptomen einschließen. Während dieser prodro-
malen oder residualen Perioden können sich die Zeichen des
Störungsbildes auch durch ausschließlich negative Symptome
oder zwei oder mehr Symptome manifestieren, die im Krite-
rium A aufgelistet und in einer abgeschwächten Form vorhan-
den sind (z. B. seltsame Überzeugungen, ungewöhnliche
Wahrnehmungserlebnisse).
10 Kapitel 2 · Schizophrenie

. Tab. 2.1 (Fortsetzung)

Diagnostische Kriterien nach DSM-5 Diagnostische Kriterien nach ICD-10


2 D. Ausschluss von Schizoaffektiver Störung, depressiven oder G2. Häufigste Ausschlusskriterien:
bipolarer Störung mit psychotischen Merkmalen: Eine Schizoaf- 1. Wenn die Patienten ebenfalls die Kriterien für eine manische
fektive Störung und eine depressive oder bipolare Störung mit Episode (F30) oder eine depressive Episode (F32) erfüllen,
psychotischen Merkmalen wurden ausgeschlossen, da entwe- müssen die oben unter G1.1. und G1.2. aufgelisteten Kriterien
der (1) keine Episode einer Major Depression oder Manie ge- vor der affektiven Störung aufgetreten sein.
meinsam mit den floriden Symptomen aufgetreten ist oder (2),
falls affektive Episoden während der floriden Phase aufgetreten
sind, ihre Gesamtdauer im Vergleich zur Dauer der floriden und
residualen Perioden kurz war.

E. Ausschluss von Substanzeinfluss/medizinischem Krankheitsfak- 2. Die Störung kann nicht einer organischen Gehirnerkrankung
tor: Das Störungsbild ist nicht Folge der physiologischen Wir- (im Sinne von F00–F09) oder einer Alkohol- oder Substanzinto-
kung einer Substanz (z. B. eine Substanz mit Missbrauchspoten- xikation (F1x.0), einem Abhängigkeitssyndrom (F1x.2) oder
zial oder ein Medikament) oder eines medizinischen Krankheits- einem Entzugssyndrom (F1x.3, F1x.4) zugeordnet werden.
faktors.

F. Beziehung zu einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung: Bei –


einer Vorgeschichte mit einer Autismus-Spektrum-Störung oder
einer Kommunikationsstörung mit Beginn im Kindesalter wird
die zusätzliche Diagnose einer Schizophrenie nur dann gestellt,
wenn mindestens einen Monat lang (oder weniger, falls erfolg-
reich behandelt) zusätzlich zu den anderen erforderlichen
Symptomen einer Schizophrenie auch ausgeprägte Wahn-
phänomene oder Halluzinationen vorhanden sind.

Leitsymptome der paranoiden Schizophrenie sind ne eines Gedankenentzugs interpretiert werden. Die
Wahn und Halluzinationen, welche in 7 Abschn. 2.4 näher Symptome können sich bis zum Mutismus, d. h. zur
erläutert werden. Ergänzend zu den Angaben in . Tab. 2.2 Weigerung oder Unfähigkeit zu sprechen, steigern.
wird im Folgenden auf zwei der häufigsten Syndrome nä- Affektverflachung ist ein Kernmerkmal der sog. Nega-
her eingegangen: die hebephrene Schizophrenie und das tivsymptomatik, welche vor allem bei der residualen Form
schizophrene Residuum. der Schizophrenie auftritt. Der Begriff Affektverflachung
Gemeinsam mit dem inadäquaten Affekt (vor allem ist irreführend, da oft nur die mimische Expression des
Lachen in Situationen, in denen dies unangemessen ist, Affekts reduziert ist, während das innere Gefühlsleben
durchgängige Albernheit) stellen formale Denkstörungen oder andere Modalitäten des Ausdrucks (z. B. Schreiben)
die Kardinalmerkmale des desorganisierten oder hebe- keinesfalls verarmt sein müssen. Das Symptom kann auch
phrenen Syndroms dar. Anders als bei den inhaltlichen durch extrapyramidale Medikamentennebenwirkungen
Denkstörungen (Wahn) zeichnen sich formale Denkstö- hervorgerufen oder verstärkt sein, wurde aber bereits in
rungen durch Defizite in der Sprachbildung aus, die in der präneuroleptischen Ära beschrieben. Es bedarf weite-
negative und positive Symptome unterteilbar sind. Im rer Klärung, ob es sich bei bestimmten negativen Sympto-
Falle des bizarren Wahns zeigt sich gelegentlich jedoch men, z. B. Avolition, nicht in Wirklichkeit um depressive
eine Überschneidung (Moritz et al. 2001a). Beispiele für Phänomene wie Antriebslosigkeit handelt und je nach
positive formale Denkstörungen sind Danebenreden und Primärdiagnose dieselben Erscheinungen unterschiedli-
Assoziationslockerung: Der Patient trifft den Gesprächs- che Namen erhalten (Moritz et al. 2016c).
gegenstand nicht voll oder verliert den roten Faden Die sog. Positivsymptome wie Wahn (eine vertiefende
während des Gesprächs (z. B. erkennbar durch plötzliche Darstellung erfolgt in 7 Abschn. 2.4) und Halluzinatio-
Themensprünge seitens des Patienten oder bei der sinn- nen besitzen ein besonderes Gewicht bei allen diagnosti-
entstellenden oder konkretistischen Interpretation von schen Überlegungen. Speziell Ich-Störungen werden als
Sprichwörtern), ohne dass dies auf Aufregung oder man- charakteristisch für die Schizophrenie erachtet. Hiermit
gelnde Bildung zurückgeht. Auch die Verwendung einer ist keinesfalls eine Störung des Ichs im Sinne einer Persön-
»Privatsprache« und agrammatikalischen Redeweise bis lichkeitsstörung gemeint, sondern eine subjektive Durch-
hin zum sog. »Wortsalat« können vorkommen. Bei den lässigkeit der Ich-Grenzen, verbunden mit dem Verlust
negativen formalen Denkstörungen liegen Denkblocka- von Privatheit: Der Patient hat den Eindruck, seine
den vor, die vom Patienten gelegentlich wahnhaft im Sin- Gedanken seien für andere Personen hörbar (Gedanken-
2.2 · Diagnostik und Differenzialdiagnostik
11 2

. Tab. 2.2 Kurzdarstellung der schizophrenen Subtypen nach ICD-10

Subtyp nach ICD-10 Merkmale

Paranoide Schizophrenie (F20.0) Die allgemeinen Schizophreniekriterien müssen erfüllt sein, Wahnphänomene oder (akus-
tische) Halluzinationen stehen im Vordergrund, andere Merkmale wie Desorganisation und
Negativsymptomatik bestimmen nicht das Symptombild.

Hebephrene Schizophrenie (F20.1) Verflachter oder inadäquater Affekt sowie desorganisierte Sprache und Verhalten stellen
Kernmerkmale dar.

Katatone Schizophrenie (F20.2) Das Erscheinungsbild ist gekennzeichnet von motorischer Unbeweglichkeit, welche sich in
Katalepsie (einschließlich wächserner Biegsamkeit) oder Stupor äußert, oder aber in über-
mäßiger motorischer Aktivität, die autonom ist und nicht durch äußere Reize beeinflusst wird.
Negativismus (grundloser Widerstand gegenüber allen Aufforderungen oder ein Beibehalten
einer starren Haltung gegenüber Versuchen, bewegt zu werden), aber auch Befehlsautomatis-
mus (automatische Befolgung von Anweisungen), Haltungsstereotypien und Mutismus
(Weigerung oder Unfähigkeit zu sprechen) kommen vor.

Undifferenzierte Schizophrenie Es werden die allgemeinen Kriterien für Schizophrenie, aber nicht jene für den paranoiden,
(F20.3) desorganisierten oder katatonen Typus erfüllt. Zudem kann die Diagnose auch gestellt
werden, wenn die Symptome so zahlreich sind, dass die Kriterien für mehr als eine der Sub-
gruppen erfüllt werden.

Schizophrenes Residuum (F20.5) Negativsymptome wie Affektverflachung, psychomotorische Verlangsamung, Passivität und
Initiativenmangel, Sprachverarmung und geringe nonverbale Kommunikation herrschen vor.
Die allgemeinen Kriterien für eine Schizophrenie (F20.0–F20.3) müssen in der Vergangenheit
erfüllt gewesen sein, sind aber zurzeit nicht nachweisbar. Positive oder desorganisierte
Symptome können vorhanden sein, sind aber nicht stark ausgeprägt.

Postschizophrene Depression Die allgemeinen Schizophreniekriterien müssen während der letzten 12 Monate erfüllt gewe-
(F20.4) sen sein, Symptome sind aktuell allerdings nicht nachweisbar; eines der Kriterien F20 G1.2a, b,
c oder d muss aber noch vorhanden sein. Die Kriterien für eine (leichte) depressive Episode
(F32) sind erfüllt.

Schizophrenia simplex (F20.6) Eine schleichende Progredienz der folgenden Symptome muss mindestens während des
letzten Jahres vorhanden sein: deutlicher Abfall der beruflichen oder schulischen Leistungs-
fähigkeit, allmähliches Auftreten und Verstärkung der Negativsymptomatik. Die ICD-10 nennt
noch deutliche und anhaltende Veränderungen in einigen früheren Persönlichkeitsmerkma-
len, die sich z. B. in Interessenverlust und sozialem Rückzug äußern. Die allgemeinen Schizo-
phreniekriterien (G1-Kriterien, . Tab. 2.1) sind nicht erfüllt.

lautwerden) oder von außen eingegeben (Gedankenein- dere bei Forschungsstudien zu beachten, die nicht nur we-
gebung). Handlungen werden als gemacht bzw. fremd- gen der US-amerikanischen Führungsposition in vielen
gesteuert erlebt. Einen Überblick über die verschiedenen Forschungsbereichen, sondern auch aufgrund seiner bes-
Ich-Störungen liefert . Tab. 2.3. Eine besondere Form der seren Handhabbarkeit eher am DSM-5 orientiert sind. Bei
Durchlässigkeit der Ich-Grenzen ist die sog. Gedanken- der klinischen Diagnostik wird dagegen hierzulande fast
Handlungs-Fusion, die jedoch eher für das Vorliegen ausschließlich die ICD-10 verwendet. Ein weiterer Unter-
einer Zwangsstörung als einer Schizophrenie spricht. schied zwischen den Diagnosesystemen betrifft die schizo-
Hierunter fallen Befürchtungen, wonach schlimme Ge- type Störung (ICD-10). Diese heißt im DSM-5 »schizotype
danken (z. B. Befürchtungen, den eigenen Kindern etwas Persönlichkeitsstörung« und wird, anders als in der ICD-
anzutun) unweigerlich entsprechende Handlungen her- 10, nicht den schizophrenen Spektrumsstörungen zuge-
beiführen. rechnet, sondern unter den Persönlichkeitsstörungen ge-
Obwohl sich ICD-10 und DSM-5 in vielen Aspekten führt. Die Kriterien dieser früher auch als »latente Schizo-
gleichen, sind einige wichtige Ausnahmen zu beachten. So phrenie« bezeichneten Vorform sind recht unterschied-
ist das Zeitkriterium in der ICD-10 kürzer gewählt als im lich. Insbesondere die ICD-10 führt eine Reihe recht
DSM-5: Eine Schizophrenie kann hier bereits diagnosti- unspezifischer Symptome auf wie kalter Affekt, zwanghaf-
ziert werden, wenn die Symptomatik einen Monat lang tes Grübeln oder Anhedonie, während Symptome der
besteht, während beim DSM-5 Anzeichen der Störung schizotypen Persönlichkeitsstörung im DSM-5 quasi Mi-
mindestens 6 Monate andauern müssen. Dies ist insbeson- niatursymptome der Schizophrenie darstellen (Argwohn
12 Kapitel 2 · Schizophrenie

. Tab. 2.3 Ich-Störungen

Formen der Ich-Störung Definition


2
Ich-Störungen im Denken

Gedankenausbreitung Die eigenen Gedanken dringen subjektiv nach außen und werden so für andere wahr-
nehmbar, bis hin zum Gefühl des Gedankenlautwerdens.

Gedankenentzug Die Gedanken werden als von außen gestohlen oder entzogen erlebt. Das Gefühl, dass
frühere Erinnerungen durch äußere Manipulationen gelöscht werden, stellt einen
Spezialfall dieses Symptoms dar.

Gedankeneingebung Bestimmte Gedanken werden durch eine fremde Instanz oder Macht eingegeben. Das
Denken wird als persönlichkeitsfremd und nicht meinhaft erlebt. Anders als bei Halluzi-
nationen sind diese Gedanken stumm.

Ich-Störungen im Erleben und Handeln

Fremdbeeinflussungserlebnisse Der Betroffene erlebt seinen Körper oder sein Handeln als von einer außen stehenden
Instanz oder Macht kontrolliert.

Derealisation Die Umwelt erscheint nicht real bzw. unwirklich. Dieses Phänomen gehört nicht zu den
Ich-Störungen im engeren Sinne, kann aber begleitend auftreten.

Depersonalisation Die eigene Person erscheint nicht real bzw. unwirklich. Dieses Phänomen gehört nicht
zu den Ich-Störungen im engeren Sinne, kann aber begleitend auftreten (s. Leube u.
Pauly 2008, S. 486). Das Symptom ist auch bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung
weitverbreitet.

vs. Wahn, ungewöhnliche Wahrnehmungserfahrungen vs. satz »mit psychotischen Symptomen« ergänzt werden
Halluzinationen). kann (z. B. F32.3 Schwere depressive Episode mit psycho-
Sofern nicht wenigstens einmal im Leben eindeutige tischen Symptomen). Auch die Inhalte der psychotischen
positive Symptome vorhanden waren, ist das Vorliegen Symptome können differenzialdiagnostische Hinweise
einer Schizophrenie aus der Sicht der meisten Experten geben, z. B. finden sich Themen wie Schuld (subjektiv ge-
äußerst fragwürdig, obwohl die Diagnose einer Schizo- rechte Strafe für früheres Fehlverhalten) oder Verarmung
phrenie genau genommen auch ohne positive Symptome eher bei Depression; Verschwörungsideen (subjektiv un-
gestellt werden darf. Hingegen lassen Ich-Störungen, Hal- berechtigte Opferrolle) sind charakteristisch für Schizo-
luzinationen und Wahnideen jeden erfahrenen Kliniker phrenie.
sofort an eine Schizophrenie denken und sind damit von
besonderem heuristischem Wert. Gleichwohl ist Vorsicht
geboten: Keines der Symptome der Schizophrenie ist 2.2.1 Typologische vs. dimensionale
pathognomonisch (Carpenter et al. 1973), d. h. kommt Einteilungen der schizophrenen
ausschließlich bei dieser Störung vor. Überdies sind die Symptomatik
Kernsymptome der Schizophrenie wie Halluzinationen
und Wahn je nach Studienlage mit bis zu 28 % Prävalenz Während die ICD-10 sowie das DSM bis zur 4. Auflage
in der Normalbevölkerung weitaus häufiger als das Stö- typologisch angelegt sind bzw. waren, setzt sich in der
rungsbild Schizophrenie selbst (de Leede-Smith u. Barkus Forschung seit Mitte der 1980er-Jahre zunehmend eine
2013; Freeman 2006, 2007; Moritz u. Larøi 2008). syndromale und dimensionale Sichtweise durch. In der
Differenzialdiagnostisch sind delirante Zustände nach aktuellen Version des DSM-5 wurden die Subtypen der
z. B. Alkoholentzug, akute Intoxikationen und Hirnstö- Schizophrenie daher nun gestrichen. Beginnend mit Ar-
rungen zu beachten. Wenngleich seit der Einführung der beiten u. a. von Peter Liddle (1987) ist man immer mehr
Diagnose »schizoaffektive Schizophrenie« (Kasanin 1933) vom Positiv- vs. Negativtypuskonzept der Schizophrenie
das Vorliegen affektiver Symptome eine Schizophrenie abgerückt, welches noch zwei sich weitestgehend aus-
nicht ausschließt, sollte bei schwerwiegenden affektiven schließende Syndrome annahm, deren Pole durch Wahn
Störungen, insbesondere wenn diese den psychotischen und Halluzination vs. Affektverflachung und Sprachverar-
Symptomen vorangingen, eher eine Diagnose aus dem af- mung gebildet werden. Gegen das Typuskonzept spricht
fektiven Formenkreis erwogen werden, die durch den Zu- u. a. die mangelnde zeitliche Stabilität der schizophrenen
2.2 · Diagnostik und Differenzialdiagnostik
13 2

. Tab. 2.4 Ergebnis einer metaanalytisch gewonnenen Zuordnung der Symptome der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS)
zu psychopathologischen Dimensionen. (Nach van der Gaag et al. 2006)

Positiv Negativ Desorgani- Erregung Emotionale Belas-


sation (»excite- tung (»emotional
ment«) distress«)

P1 Wahnideen +

P2 Formale Denkstörungen – +

P3 Halluzinationen +

P4 Erregung +

P5 Größenwahn + +

P6 Misstrauen/Verfolgungswahn + +

P7 Feindseligkeit +

N1 Affektverarmung +

N2 Emotionaler Rückzug +

N3 Mangelnde Beziehungsfähigkeit + +

N4 Passiver/apathischer sozialer Rückzug +

N5 Erschwertes abstraktes Denkvermögen – +

N6 Mangelnde Spontaneität und Redefluss +

N7 Stereotypes Denken +

G1 Sorge um körperliche Integrität + +

G2 Angst +

G3 Schuldgefühle +

G4 Gespanntheit + +

G5 Manieriertheit und Positur +

G6 Depressivität +

G7 Motorische Verlangsamung +

G8 Fehlende Kooperationsbereitschaft + +

G9 Ungewöhnliche Denkinhalte + +

G10 Desorientiertheit +

G11 Aufmerksamkeitsschwäche +

G12 Mangelnde Urteils- und Einsichtsfähigkeit + +

G13 Störung der Willensbildung + +

G14 Verminderte Impulskontrolle +

G15 Selbstbezogenheit + +

G16 Aktiver sozialer Rückzug + + + +

Anmerkung: Die fünf Faktoren der PANSS werden gebildet, indem man jeweils die Items, die positiv auf dem jeweiligen Faktor laden
(gekennzeichnet mit einem +) addiert und die Itemwerte subtrahiert, die negativ auf dem jeweiligen Faktor laden (gekennzeichnet
mit einem –).
14 Kapitel 2 · Schizophrenie

Symptomatik. So kann es vorkommen, dass ein Patient zu phrenie auf 15 %, von posttraumatischen Belastungs-
Beginn der Behandlung ausschließlich positive Symptome störungen auf 21 % geschätzt. Substanzmittelmissbrauch
aufweist, nach deren Abklingen jedoch affektive und nega- bzw. -abhängigkeit finden sich bei etwa der Hälfte der Pa-
2 tive Symptome hervortreten. Die Symptomatik fluktuiert tienten (Buckley u. Hwang 2015; Buckley et al. 2009). Auch
somit nicht nur quantitativ, sondern unterliegt deutlichen somatische Erkrankungen liegen häufig vor, bleiben ange-
qualitativen Schwankungen. Das Typuskonzept wurde sichts der klinischen Dominanz psychotischer Symptome,
nachhaltig auch durch eine Studie von Nancy C. Andrea- welche die Aufmerksamkeit des Personals oft gänzlich
sen und Kollegen (1990) erschüttert, eine seiner ursprüng- bindet, jedoch oft unentdeckt.
lichen Verfechterinnen, die bei mehr als drei von vier Pati-
enten Mischbilder fand. Nur wenige Fälle konnten eindeu-
tig einem Typus zugewiesen werden. Schließlich zerfällt 2.2.3 Neuropsychologische Auffälligkeiten
die schizophrene Symptomatik, gemessen z. B. durch die
Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS; Kay et al. Bei der Mehrzahl der Betroffenen sind zudem Beeinträch-
1989), in vielen Faktorenanalysen nicht in zwei, sondern tigungen des kognitiven Funktionsniveaus (vor allem Ge-
wenigstens in drei, zumeist sogar in fünf Faktoren (Wood- dächtnisprobleme) nachweisbar (Heinrichs u. Zakzanis
ward et al. 2014). Positiv- und Negativsyndrom bilden wei- 1998; Keefe u. Fenton 2007; Moritz et al. 2004; Savla et al.
terhin die tragenden Säulen dieses mehrdimensionalen 2013; Schaefer et al. 2013). Daher ist es für die Durchfüh-
Modells. Daneben kristallisiert sich mindestens ein weite- rung der metakognitiven Therapie wichtig, sich auf Ein-
rer Faktor heraus: Die Desorganisation, die sich vor allem schränkungen der Informationsverarbeitungsgeschwin-
aus formalen Denkstörungen und inadäquatem Affekt zu- digkeit und des allgemeinen intellektuellen Niveaus sowie
sammensetzt (auch der bizarre Wahn lädt auf diesem Fak- Defizite der Merkfähigkeit einzustellen, indem die Ge-
tor in faktorenanalytischen Studien; Moritz et al. 2001a). In schwindigkeit und Komplexität der Sprache dem Niveau
den 1980er-Jahren wurden formale Denkstörungen je nach des Patienten angepasst werden. Bei Patienten mit kogni-
Konzept entweder dem Positiv- oder Negativtypus zuge- tiven Einschränkungen sollte eine langsame, klare und
ordnet. Die Desorganisation passt am ehesten zum hebe- einfache Sprache verwendet werden. Zudem soll die Nach-
phrenen Typus nach Kraepelin (. Tab. 2.2). haltigkeit durch die vielen Übungen und Merkblätter un-
. Tab. 2.4 zeigt alle 30 in der PANSS (siehe auch 7 An- terstützt werden. Neuropsychologische Defizite sind je-
hang) enthaltenen Items/Symptome und deren faktoren- doch, anders als von Kraepelin angenommen, der den
analytische Zuordnung gemäß einer auf 5.769 Datensätzen später abgelösten Begriff »Dementia praecox« (vorzeitige
beruhenden Validierungsstudie von Mark van der Gaag Verblödung) prägte, weder progredient noch derart gra-
und Mitarbeitern (2006). Neben Positivsymptomatik, Ne- vierend, dass das Vollbild einer Demenz erreicht wird.
gativsymptomatik und Desorganisation finden sich noch Auch nach Falkai und Mitarbeitern (2008) sprechen so-
ein Erregungsfaktor und der Faktor emotionale Belastung. wohl neuropsychologische als auch histologische Daten
Während Positivsymptome diagnostisch weiter leitend gegen einen neurodegenerativen Prozess, vielmehr sei von
sind und im Fokus der Behandlung stehen, werden Desor- einer Hirnentwicklungsstörung auszugehen (siehe auch
ganisation und Negativsymptomatik, insbesondere aber Moritz et al. 2002a). Mangelnde soziale und geistige Stimu-
emotionale Probleme (Byrne u. Morrison 2014; Finn et al. lation (viele Patienten besitzen kein tragfähiges soziales
1990; Kuhnigk et al. 2012; Moritz et al. 2016a; Rosenheck Netzwerk, sind arbeitslos oder berentet und gehen keinen
et al. 2005), von vielen Patienten subjektiv als belastender Hobbys nach), Substanzmittelmissbrauch, (kurzfristige)
erlebt und sollten daher klinisch unbedingt stärker als bis- Nebenwirkungen anticholinerger Medikamente und Ben-
her berücksichtigt werden. In der vorliegenden Neuauflage zodiazepine können im Einzelfall zu einem starken Nach-
des MKT+ wird affektiven Störungen und Selbstwertpro- lassen der intellektuellen Leistungsfähigkeit führen (dies
blemen entsprechend mehr Raum gegeben. wurde früher oft als »Versandung« bezeichnet; ob auch
Antipsychotika zu kognitiven Defiziten führen ist derzeit
noch unklar, Hinweise dafür häufen sich aber; Ho et al.
2.2.2 Komorbidität 2011). Als Gründe für sekundäre Defizite sind geringe
Testmotivation (Fervaha et al. 2014) sowie Ablenkung
Viele Patienten mit Schizophrenie weisen zusätzliche psy- durch Wahnideen, Stimmenhören und Grübeln unbedingt
chiatrische Diagnosen (Komorbiditäten) auf. Bei mindes- zu berücksichtigen. Im Übrigen waren auch Kraepelin Fäl-
tens 50 % der Betroffenen sind Depressionen zu finden, le bekannt, deren Symptomatik remittierte, ohne dass er
auch Angsterkrankungen sind häufig (Achim et al. 2011; seine düstere Prognose einer grundsätzlichen Revision un-
Buckley u. Hwang 2015; Buckley et al. 2009). So wird die terzogen hätte.
Prävalenz von Panikstörungen bei Patienten mit Schizo-
2.3 · Ätiologische Modelle
15 2
2.3 Ätiologische Modelle
. Tab. 2.5 Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, in Abhän-
gigkeit vom Verwandtschaftsverhältnis
Im folgenden Abschnitt werden wichtige Einflussfaktoren
bei der Entstehung von Schizophrenie dargestellt. Auf Verwandtschaftsverhältnis Risiko in %
Annahmen zu beteiligten Neurotransmittern wird im Zu-
sammenhang mit der antipsychotischen Behandlung kurz Monozygote Zwillinge 48
eingegangen. Kinder zweier an Schizophrenie Erkrankter 46

Dizygote Zwillinge 17

2.3.1 Genetische Einflüsse Kinder eines an Schizophrenie Erkrankten 13


und Umweltaspekte Geschwister 9

Halbgeschwister 6
Zwillings- und Adoptionsstudien mit schizophrenen Pa-
tienten sowie Untersuchungen mit Kindern, deren Mütter Enkel 5
an Schizophrenie erkrankt waren und die von gesunden Nichten/Neffen 4
Paaren adoptiert wurden, sprechen für eine teilweise gene-
Vettern 2
tische Vermittlung der Schizophrenie. Auch Familienstu-
dien weisen in diese Richtung, wenngleich betont werden Onkel/Tanten 2
muss, dass die Mehrzahl der Patienten keinen unmittelba- Allgemeinbevölkerung 1
ren Angehörigen mit Schizophrenie hat. Die Erblichkeit
der Störung wird von den meisten Experten zwischen 60
und 80 % geschätzt (z. B. Schwab u. Wildenauer 2013). Re-
lativierend muss jedoch eingeräumt werden, dass die Raten bipolarer Störung oder Autismus-Spektrum-Störung. Ob-
in den Originalstudien teilweise deutlich auseinander- wohl einige Studien den Eindruck vermitteln, als seien die
klaffen und das schizophrene Spektrum manchmal recht Kandidatengene bereits identifiziert oder zumindest eng
übereinschließend definiert wurde. eingekreist, ist die Befundlage insgesamt noch unüber-
. Tab. 2.5 zeigt das Risiko, an Schizophrenie zu erkran- sichtlich und inkonsistent. In den letzten Jahren haben sich
ken, in Abhängigkeit des Verwandtschaftsgrades zum Er- auch namhafte biologische Psychiater wie Timothy J. Crow
krankten. Die Zahlen stammen aus einer Übersichtsarbeit (2008) kritisch zu Wort gemeldet, die beklagen, dass ein-
von Gottesman (1991). Obwohl diese Daten schon recht alt zelne Befunde von Fachzeitschriften an breitere Medien
sind, gelten sie weithin als bestätigt und finden sich weiter- förmlich »durchgereicht« werden und hier dem Laien den
hin in vielen Überblicksarbeiten (Hill u. Sahhar 2006; Eindruck von soliden Tatsachen vermitteln. Entgegen der
Mehler-Wex u. Renner 2008; Tsuang 2000). teilweise verbreiteten »Goldgräberstimmung« bei der
Seit Jahren wird nach sog. Kandidatengenen der Schi- Erforschung des Genoms sind die bisher gefundenen Ein-
zophrenie geforscht, wobei nicht mehr ein einzelnes Gen zelabweichungen (ausgedrückt über das Odds-Ratio) tat-
als Ursache vermutet wird, sondern eine Reihe sog. Sus- sächlich eher klein. Eine Übersicht über den Stand der
zeptibilitätsgene, die im Zusammenspiel mit weiteren Forschung bieten Schwab und Wildenauer (2013).
Faktoren die Entstehung der Störung begünstigen. Neben dem unbestreitbaren, aber noch lückenhaft ver-
Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei der Schi- standenen Einfluss der Gene spielen psychosoziale Fakto-
zophrenie um eine komplexe, polygene Störung handelt ren eine große Rolle, wenngleich deren spezifischer Beitrag
(Schwab u. Wildenauer 2013). Eine aktuelle genomweite zur Entstehung der Schizophrenie ebenfalls unklar ist.
Assoziationsstudie der Schizophrenia Working Group of Häufig genannte psychosoziale Risikofaktoren sind Urba-
the Psychiatric Genomics Consortium (SWGPGC 2014) nität (höheres Erkrankungsrisiko in Städten), Migrations-
identifizierte beispielsweise 108 potenzielle Risiko-Gen- hintergrund, soziale Isolation, Cannabiskonsum sowie
loci. Ripke et al. (2013) vermuten, dass 8.300 einzelne Nu- traumatische Lebensereignisse (van Os u. Kapur 2009). Ein
kleotidpolymorphismen zum Risiko beitragen, an Schizo- emotional geladenes Familienklima, geprägt von offener
phrenie zu erkranken. Weiterhin fanden sie heraus, dass Feindseligkeit aber auch Überfürsorge (»high expressed
bei einigen Erkrankten die Deletion oder auch Insertion emotions«, EE), und akute Stressoren wie Arbeitsplatz-
einer größeren Chromosomenregion eine essenzielle Rolle verlust oder Partnerschaftsprobleme stellen sowohl bei
bei der Krankheitsgenese spielen könnte. Nach Gershon Schizophrenie wie auch anderen psychiatrischen Erkran-
und Alliey-Rodriguez (2013) finden sich strukturelle Mu- kungen weitere Risikofaktoren für einen Krankheitsaus-
tationen (Mikrodeletionen oder Mikroduplikationen des bruch bzw. einen Rückfall dar (Kymalainen u. Weisman de
DNS-Stranges) bei 4–7 % der Patienten mit Schizophrenie, Mamani 2008).
16 Kapitel 2 · Schizophrenie

2.3.2 Hirnstrukturelle Besonderheiten gen bei chronisch sowie ersterkrankten schizophrenen


Patienten dar.
Mithilfe bildgebender Verfahren wurden Besonderheiten
2 in der Hirnstruktur von Patienten mit Schizophrenie viel-
fach nachgewiesen. Eine große Metaanalyse, welche die 2.4 Wahn
Ergebnisse von 65 Studien an ersterkrankten Patienten mit
Schizophrenie zusammenfasst, berichtet eine Verminde- 2.4.1 Was ist Wahn?
rung des Gesamthirnvolumens von durchschnittlich 2,7 %
(Steen et al. 2006). Das durchschnittlich festgestellte Hip- Das Wort »Wahn« leitet sich von verschiedenen Wort-
pocampusvolumen lag bei den Patienten 8 % unterhalb der stämmen ab, wobei das alt- und mittelhochdeutsche »wan«
bei Gesunden gemessenen Werte. Eine neuere Metaana- für »leer« und »Vermutung« als wesentliche sprachliche
lyse von Adriano et al. (2012) zeigt, dass das Hippocam- Wurzel gelten kann. Im allgemeinen Sprachgebrauch
pusvolumen bei Ersterkrankten bilateral reduziert ist, bei taucht Wahn im Verb »wähnen« auf und bringt einen Ver-
chronisch Erkrankten ist besonders der linke Hippocam- dacht bzw. eine vermeintliche Erkenntnis zum Ausdruck.
pus verkleinert. Diese Ergebnisse stehen aufgrund der Ebenso wie der Begriff »Schizophrenie« hat das Wort
Schlüsselrolle des Hippocampus für die Konsolidierung »Wahn« Einzug in die Alltagssprache gefunden und ein
von Gedächtnisinhalten im Einklang mit zahlreichen neu- Eigenleben entfaltet. Allzu oft wird Wahn inflationär und
ropsychologischen Befunden, die mnestische Defizite bei synonym für Verrücktsein, Spleen oder jegliche Form von
dieser Patientengruppe nachweisen konnten. Walter et al. Fanatismus verwendet. Im DSM-5 wird Wahn definiert als
(2012) kritisieren jedoch, dass auch die antipsychotische
Medikation einen Einfluss haben könnte, sodass sich eine » »eine feste Überzeugung, die trotz gegenteiliger
Evidenz nicht verändert werden kann. Wahninhalte
bereits vorher bestehende Volumenreduktion durch die
reichen von Verfolgungswahn, Beziehungswahn,
Gabe von Antipsychotika womöglich verstärkt. Für die
körperbezogenem Wahn und religiösem Wahn bis hin
Seitenventrikel findet sich eine deutliche Volumenvergrö-
zum Größenwahn. […] Manchmal ist die Unterschei-
ßerung bei Schizophrenie: Diese liegt bei ca. einem Drittel
dung zwischen einer Wahnidee und einer fixen Idee
bezüglich des linken und ca. einem Viertel bezüglich des
schwierig. Sie hängt ab vom Ausmaß der Überzeu-
rechten Ventrikels und wird mit der Atrophie grauer Sub-
gung, mit der die Ansicht trotz klarer Beweise gegen
stanz in Zusammenhang gebracht. Auch andere subkorti-
ihren Wahrheitsgehalt beibehalten wird.«
kale Strukturen wie die Amygdala scheinen ein reduziertes
(APA 2015, S. 117f.).
Volumen aufzuweisen.
Weiterhin konnte eine Metaanalyse Unterschiede Auf eine kurze Formel gebracht, beinhaltet Wahn das ri-
in der Dichte der grauen Substanz bei schizophrenen ge- gide, unbeirrbare Festhalten an falschen Überzeugungen.
genüber  gesunden Probanden feststellen (Glahn et al. Das auf Jaspers (1913; Diskussion bei Walker 1991) zu-
2008). Während sich in der Insula, im anterioren Cingu- rückgehende Kriterium der »Unverstehbarkeit«, wonach
lum, Parahippocampus, mittleren frontalen Gyrus, sich primärer, »echter« Wahn nicht auf biografische oder
postzentralen Gyrus und im Thalamus eine verringerte andere Ursachen zurückführen lässt (Jaspers 1913, S. 89),
Dichte der grauen Substanz bei Patienten mit Schizophre- ist umstritten und in neueren Definitionen nicht mehr
nie nachweisen ließ, ergaben sich im Striatum erhöhte enthalten (bis zur 4. Auflage des DSM kam bizarren
Dichtewerte. Einige Originalarbeiten fanden Assoziatio- Wahnideen eine besondere diagnostische Wertigkeit zu).
nen dieser Befundmuster mit der Gabe von Antipsychoti- Problematisch an Jaspers’ Unterscheidung zwischen
ka, sodass verschiedene der ermittelten Normabweichun- wahnhaften Ideen (aus seiner Sicht verständlich hervorge-
gen sekundär bedingt sein könnten (Fusar-Poli et al. 2013; gangen aus Affekten, sensorischen Irritationen oder ver-
Ho  et al. 2011). Auch eine Alkoholabhängigkeit, die zu ändertem Bewusstsein) und echtem Wahn (aus seiner
Atrophie und weiteren kortikalen Störungen führen kann, Sicht psychologisch nicht weiter zurückzuverfolgen und
konnte nicht in allen Studien als Einflussfaktor zweifels- phänomenologisch »etwas Letztes«) ist, dass er eine echte
frei ausgeschlossen werden (Mathalon et al. 2003). Wie Operationalisierung schuldig bleibt. Während er einer-
bereits erwähnt, nimmt man mittlerweile bei Schizo- seits pathogenetische Unterschiede annimmt, führt er an-
phrenie keinen fortschreitenden neurodegenerativen dererseits auch formale Aspekte wie Gewissheit ohne
Prozess mehr an, sondern geht davon aus, dass sich korti- anfänglichen Zweifel als Merkmal echten Wahns an. Cer-
kale Veränderungen bereits prämorbid vollziehen und molacce et al. (2010) betonen in ihrer Übersicht, dass es
danach stabilisieren (Koutsouleris et al. 2013). Eine aktu- nach wie vor nicht gelungen sei, unverstehbaren oder bi-
elle Metaanalyse (Shepherd et al. 2012) stellt die Ergebnis- zarren Wahn konsensuell zu definieren, und dass die Re-
se systematischer Reviews zu strukturellen Veränderun- liabilität des Merkmals entsprechend äußerst gering ist.
2.4 · Wahn
17 2

. Tab. 2.6 Verschiedene Formen des Wahns

Form Beschreibung

Wahnstimmung Der Betroffene erlebt seine Umgebung als verändert, unheimlich und befindet sich in einer Atmosphäre der
Erwartungsspannung. Typischerweise besteht eine abnorme Bedeutungszuweisung (Salienz) und Bezie-
hungssetzung äußerer Geschehnisse auf die eigene Person. Auch positive Affekte wie Zuversicht und geho-
bene Stimmung bis hin zu Euphorie können sich einstellen. Diese Stimmungen sind häufig Nährboden für
neue oder Dünger bestehender diffuser Wahnideen, die später durch die sog. Wahnarbeit konkreter ausge-
staltet werden.

Wahnwahrnehmung Korrekte Sinneswahrnehmungen erhalten eine abnorme Bedeutung (meist im Sinne des Bezugs auf die
eigene Person) bzw. werden fehlinterpretiert.

Wahneinfall Hierunter versteht man das plötzliche und unvermittelte Auftreten von wahnhaften Vorstellungen und Über-
zeugungen. Der Wahneinfall ist nicht immer klar von Intrusionen abzugrenzen.

Fixe Idee Dieser Begriff wird uneinheitlich verwendet. Im Kern umfasst er aufdringliche, intrusive Gedanken desselben
Themas, die den Betroffenen nicht loslassen und fortwährend plagen. Häufig besteht Einsicht in den Krank-
heitswert des Symptoms.

Dass Wahnideen nicht aus »heiterem Himmel« kom- 2.4.2 Probleme des Wahnbegriffs
men, sondern sich schleichend und im Anfangsstadium
noch reversibel über Tage bis Monate aufbauen, konnten Trotz des heuristischen Werts der Wahndefinition gibt es
longitudinale Studien, u. a. von Klosterkötter (1992) zei- unübersehbare Schwachstellen der drei zentralen Wahn-
gen. Im Durchschnitt vergehen ca. 85 Tage von ersten Ver- kriterien Überzeugung, Unkorrigierbarkeit und inhalt-
änderungen der Wahrnehmung und Bewertung der sozia- liche Unmöglichkeit. So belegen nicht alle Betroffenen ihre
len Umwelt bis hin zu unverrückbaren Wahnideen. Schon Überzeugungen mit einer Gewissheit von 100 %. Die Si-
Klaus Conrad beschrieb in seinem Werk Die beginnende cherheit, mit der eine Wahnidee verfochten wird, unter-
Schizophrenie – Versuch einer Gestaltanalyse des Wahns liegt starken, teilweise auch tageszeitlichen Schwankun-
(1959) die Schizophrenie als eine sich aufbauende Erkran- gen. Zudem ist gelegentlich eine Art »doppelte Buchfüh-
kung. Darin stellt er den aus seiner Sicht charakteristischen rung« bei den Betroffenen zu beobachten, wobei sich ein-
Verlauf der Schizophrenie anhand einer detaillierten Ana- ander ausschließende Bewertungen sprunghaft abwechseln
lyse von 107 erkrankten Soldaten in den Kriegsjahren können. So kann der Oberarzt einerseits als Dämon und
1941/42 dar. Unter Berücksichtigung gestaltpsychologi- die Station als Vorhölle verkannt werden, während im
scher Prinzipien entwickelte er ein Modell, welches den nächsten Moment um ein Familiengespräch ersucht wird;
Krankheitsverlauf in verschiedene Phasen gliedert. So oder ein Betroffener geht seiner Arbeit als Verkäufer nach
erleben Betroffene zunächst eine Art »Lampenfieber« trotz seiner Überzeugung, berühmt zu sein. Bereits Jaspers
(genannt »Trema«). In der »Apophänen Phase« erhalten (1913) beschrieb, dass sich Patienten häufig inkonsequent
alltägliche Dinge plötzlich eine Bedeutung und unabhän- verhalten, fast als ob die Betroffenen ihre Ideen selbst als
gige Sachverhalte werden in einen Zusammenhang gestellt. bloße Drohkulisse oder auch Arbeitshypothese betrachten.
Hier erfährt der Betroffene ein »Aha-Erlebnis«, und es ist (»Das Verfolgtsein dieser Kranken scheint dann nicht wie
ihm nicht mehr möglich, die Dinge aus einer anderen Per- das Erleben des wirklich Verfolgten zu sein, die Eifersucht
spektive zu betrachten. Der Patient erlebt die Welt dann, nicht wie die eines wirklich zur Eifersucht Berechtigten…«,
als drehe sich alles um ihn (»Anastrophé«). Die »Apoka- S. 88). Die Unkorrigierbarkeit, auf die in 7 Abschn. 3.3 aus-
lyptische Phase« stellt schließlich das Vollbild der Psychose führlicher eingegangen wird, ist ebenfalls nicht immer ab-
dar. Während der »Konsolidierung« tritt die abnorme Er- solut zu verstehen. Wenngleich die wenigsten Betroffenen
lebniswelt zurück und nach dem Abklingen der Psychose durch Beweise des Gegenteils sofort auf den Boden der
kommt es häufig zu dauerhaften Veränderungen der Per- Tatsachen zurückgelangen, finden Anpassungen am
son (»Residualzustand«). »Wahngebäude« statt, sofern bestimmte Vorhersagen nicht
. Tab. 2.6 definiert verschiedene Formen von Wahn. eintreffen. Dies kann als besondere Form der Wahnarbeit
. Tab. 2.7 fasst typische Wahnideen zusammen, die, wie betrachtet werden. Ein Patient, der davon ausgeht, dass die
. Tab. 2.8 zeigt, in Kombination auftreten können. Polizei ihn an einem bestimmten Tag töten will, wird am
Folgetag möglicherweise behaupten, dass man ihn nur am
Leben ließ, um keinen Märtyrer zu schaffen. Solche Anpas-
18 Kapitel 2 · Schizophrenie

. Tab. 2.7 Verschiedene Inhalte des Wahns (S = Ideen treten sehr viel häufiger bei Schizophrenie als bei anderen Störungen auf )

Inhalt Beispiel
2
1. Verfolgungswahn (Paranoia im engeren Sinne) (S) »In meinem Haus ist eine Filmproduktionsfirma eingezogen. Die haben un-
sichtbare kleine Kameras in meinem Schlafzimmer angebracht und stellen die
Videos ins Internet.«

2. Größenwahn »Aufgrund meines wirtschaftlichen Know-hows kann ich die Entwicklung an


den internationalen Börsen beeinflussen und werde ein Vermögen machen.«

3. Beziehungsideen (S) »Ich hatte immer das Gefühl, dass der Wetterbericht der Tagesschau mir
vorhersagte, wie mein Tag wird. Sonnenschein bedeutet dabei Glück, Regen
Unglück, …«

4. Schuld- und Versündigungswahn (im Zusammen- »Ich bin verantwortlich für die verheerenden Erdbeben in Südeuropa, bei
hang mit Verfolgungswahn im Englischen auch als denen viele Menschen zu Tode kamen. Ich hätte neulich nicht über Ausländer
»bad-me paranoia« bezeichnet; eher bei Depression) schlecht reden dürfen.«

5. Kleinheitswahn/nihilistischer Wahn (eher bei »Ich bin vor Jahren erst geistig und dann auch tatsächlich gestorben; man hat
Depression) vergessen, meinen Körper in die Hölle fahren zu lassen.«

6. Dermatozoenwahn »Da sind so kleine Insekten unter meiner Haut, die mich innerlich auffressen.«

7. Eifersuchtswahn »Ich bin davon überzeugt, dass mein Mann fremdgeht. Wenn er morgens aus
dem Haus geht, dann fährt er meist gar nicht ins Büro, sondern trifft sich in
Wahrheit mit seiner Geliebten.«

8. Bizarrer Wahn (S) »Ich bin der berühmte Terrorist Osama bin Logan und bereite die Ausweisung
aller Christen zum Mond vor.« (Patient hieß R. Logan)

9. Capgras-Syndrom (S) »Meine Eltern benehmen sich seit geraumer Zeit komisch. Ich bin mir sicher,
dass sie eigentlich Zombies sind, von deren Körpern Roboter Besitz ergriffen
haben.«

. Tab. 2.8 Kombination verschiedener Wahnideen

Größenwahn Beziehungsideen Schuldwahn

Verfolgungswahn »Der Geheimdienst will mich »Überall sehe ich die Zahl 13, mir »Ich bin ein zutiefst schlechter
vernichten, da ich ihren Funkver- droht Unheil durch die Illumina- Mensch. Gute Menschen werden mich
kehr mental abhören kann und ten.« aufspüren und hinrichten.«
so zur Gefahr werde.«

Größenwahn – »Ich glaube, ich bin als Deutsch- »Ich habe Gott mit meinen Erfin-
lands neuer Superstar auserse- dungen herausgefordert und vor den
hen.« (Vor dem Schlafzimmer- Menschen lächerlich gemacht. Er lässt
fenster wurde eine entspre- mich wie einst Mose 40 Jahre durch
chende Fernsehreklame an- die Welt irren, bevor ich Seelenfrieden
gebracht.) finden darf.« (religiöser Wahn)

sungen können zu ausgetüftelten Wahnsystemen führen, zu sein, ohne entsprechend zu leben), darf der Verdacht auf
die als eine Art Parallelrealität kaum noch zu »knacken« das Vorliegen eines Wahns als erhärtet gelten.
sind. Das angreifbarste Kriterium betrifft die Unmöglich- Eine radikale Neudefinition des Wahns forderte Man-
keit des Inhalts. Viele Wahnideen sind nicht völlig über- fred Spitzer (1989b). Er betrachtet Wahn als Spezialfall ei-
prüf- und damit auch nicht falsifizierbar. Wahnideen ha- ner Ich-Störung. Wahn solle nicht als falsche Aussagen
ben zudem häufig einen realen Kristallisationskern, um über die Realität, sondern als richtige Aussage über das
den sich der Wahn wuchernd rankt. Wenn weitere psy- eigene Erleben angesehen werden. Der Wahnkranke wür-
chiatrische Symptome vorliegen (z. B. formale Denkstö- de Aussagen über objektive (d. h. intersubjektiv zugängli-
rungen), die Überzeugung im krassen Missverhältnis zu che) Phänomene so treffen wie über mentale Zustände
angeführten Beweisen steht und Denkinhalte und Verhal- (z. B. »ich habe Schmerzen«), wo diese berechtigt und un-
ten auseinanderklaffen (z. B. die Behauptung, ein Heiliger zweifelhaft seien. Auch bei Wahnideen, die eher im Rah-
2.4 · Wahn
19 2
men einer Depression oder Manie zu beobachten sind, wie ist eine Behandlung angezeigt. Bei Fremd- oder Selbstge-
Größen- und Kleinheitswahn fordert er, diese zunächst als fährdung kann diese unter Umständen auch gegen den
zutreffende Beschreibung des eigenen Erlebens zu betrach- Willen des Betroffenen erforderlich sein.
ten. Wenngleich sich der Vorschlag von Spitzer nicht
durchsetzen konnte, bietet er einen Zugang zum Verständ-
nis des Betroffenen und adressiert das nach wie vor unge- 2.4.4 Interkulturelle Unterschiede
löste Problem, welches das dritte Jasper’sche Wahnkrite- und zeitgeschichtlicher Wandel
rium aufwirft: Nicht jede Wahnidee ist streng genommen von Wahninhalten
falsifizierbar.
Zunehmend wird gefordert, die drei Kernmerkmale Zahlreiche Befunde kommen zu dem Schluss, dass Verfol-
von Wahn (Überzeugung, Unkorrigierbarkeit, Unmög- gungswahn in westlichen Industrieländern häufiger anzu-
lichkeit des Inhalts) durch qualitative Aspekte zu ergänzen. treffen ist als in Entwicklungs- und Schwellenländern. Die
Als weitere relevante Merkmale sind der Leidensdruck, das Wahninhalte asiatischer, eher kollektivistisch und westli-
Ausmaß und die Dauer der Beschäftigung sowie die Beein- cher, eher individualistisch geprägter Kulturen unterschei-
trächtigung in Verhalten und sozialen Interaktionen zu den sich teilweise deutlich. In einer Vergleichsstudie wur-
berücksichtigen (Moritz u. Lincoln 2008). Je mehr eine den Patienten mit Schizophrenie in Tübingen, Wien und
Überzeugung im Widerspruch zur Realität steht und ei- Tokio untersucht (Tateyama et al. 1998). Während in allen
nem gesellschaftlich gängigen Kanon von religiösen und Städten fast 80 % der Patienten eher »negative« Wahnideen
weltpolitischen Auffassungen widerspricht, die Leistungs- aufwiesen (vor allem Verfolgungsideen), wurden bei ca.
fähigkeit des Betroffenen herabsetzt und Leidensdruck 25 % (teilweise parallel) »positive« Wahnideen beobachtet
hervorruft, desto stärker ist von einem behandlungsbe- (vor allem Größenwahn bezogen auf spezielle Fähigkeiten
dürftigen Wahn auszugehen. und eine besondere Mission). Unterschiede ergaben sich
bezüglich der Inhalte. Paranoide Befürchtungen bezüglich
Vergiftung, Schuld und Religion waren in den europäi-
2.4.3 Verbreitung von Wahnideen schen Städten deutlich häufiger anzutreffen. In Tokio wa-
ren paranoide Ängste, verleumdet zu werden, dagegen
Wahnideen sind in der Allgemeinbevölkerung stärker ver- mehr als doppelt so häufig im Vergleich zu Tübingen und
breitet, als lange Zeit angenommen. Sie bewegen sich ver- Wien, was die Autoren mit der eher gruppenorientierten
mutlich auf einem Kontinuum von leichtem Aberglauben japanischen Wertekultur in Verbindung bringen, in der
über verfestigte Überzeugungen bis hin zum behandlungs- Scham und Konformität eine große Rolle spielen.
bedürftigen Wahn. Diese Sichtweise wird durch zahlreiche Zudem ist ein interessanter historischer Trend in den
epidemiologische Untersuchungen untermauert (Freeman Industrieländern bezüglich der inhaltlichen Ausgestaltung
2006; Lincoln u. Keller 2008). Nach seriösen Schätzungen von Wahnideen zu beobachten (siehe z. B. Spitzer 1989a).
weisen 1–3 % der Bevölkerung einen behandlungsbedürf- Hierauf wies bereits Jaspers (1913, S. 614) hin, der schreibt,
tigen Wahn auf, während milde Formen bei 10–15 % der dass in früheren Zeiten Dämonomanie (Besessenheits-
Menschen nachweisbar sind. In einer eigenen Studie an wahn), Lykanthropie (Wahn der Tierverwandlung) und
200 psychisch gesunden Personen bejahte ein Drittel der Ähnliches häufiger war als bei Erscheinen seines Buches,
Teilnehmer, an Gedankenübertragung und Telepathie zu während u. a. drahtlose Telegrafie und andere technische
glauben (Moritz u. Andresen 2002), jede vierte Person be- Entwicklungen im frühen 20. Jahrhundert eine große Rol-
richtete über Erfahrungen mit dem Übersinnlichen. In US- le spielen bei der Ausgestaltung von Wahnideen (S. 191).
amerikanischen Untersuchungen sind die Prävalenzen für Während noch im 19. Jahrhundert personengebundene
psychosenahe Symptome in der Allgemeinbevölkerung Verfolgungsideen überwogen (Nachbar, Hexe), spielen In-
deutlich höher (Raine 1991). Der Großteil dieser Ideen ist stitutionen eine immer bedeutendere Rolle (z. B. Polizei,
nicht behandlungsbedürftig und kann im Einzelfall sogar Terrororganisationen, Geheimdienste). An die Stelle von
zur Stabilisierung des seelischen Gleichgewichts beitragen Gott und Dämonen treten in atheistisch geprägten Kultu-
(z. B. der Glaube, der verstorbene Partner gehe als guter ren oder solchen mit eher metaphorischem Glaubensver-
Geist mit einem durchs Leben; feste Gewissheit, dass das ständnis zunehmend Geheimdienste und andere mächtige
Schicksal es gut mit einem meine; Moritz u. Lincoln 2008). Organisationen. Anders als bei vielen Angststörungen,
In einigen Fällen kommt es jedoch zu einem Umschlag des deren Themen weitestgehend unverändert um archaische
Quantitativen ins Qualitative, d. h., die Vorstellungen er- Ängste kreisen, reflektieren schizophrene Störungen Zeit-
reichen ein Ausmaß, welches es dem Betroffenen nicht geist, Kultur und technischen Wandel, wie eine Studie von
mehr erlaubt, die eigenen Rollen zu erfüllen und in Har- Steinebrunner und Scharfetter (1976) zeigte. Personen mit
monie mit seiner sozialen Umwelt zu leben. In diesem Fall einer Störung aus dem schizophrenen Formenkreis, die
20 Kapitel 2 · Schizophrenie

sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der psychiatrischen ansonsten Unerklärlichen. In dieser extremen Formulie-
Universitätsklinik Burghölzli (Zürich) in Behandlung be- rung ist seine Theorie aus mehreren Gründen jedoch nicht
fanden, wurden mit einer Patientengruppe zur Mitte des haltbar. In vielen Fällen, vor allem bei chronifiziertem
2 20. Jahrhunderts verglichen. Auffällig war neben einer Ab- Wahn, fehlen Halluzinationen gänzlich. Schließlich gibt es
nahme des Größen- und des sexuellen Wahns und einer Betroffene, die gelernt haben, ihren Stimmen keine wahn-
deutlichen Zunahme hypochondrischer Wahnideen über hafte Bedeutung zuzuschreiben und diese als eine Art stö-
die Dekaden eine Tendenz zur inhaltlichen Verschiebung. rendes »Grundrauschen« zu ignorieren. Neurologische
Es zeigte sich insbesondere eine Vermehrung von Ideen Störungen wie Hemineglekt (Halbseitenvernachlässigung,
technisch-physikalischen, toxischen und parapsychologi- bei der eine Körperhälfte praktisch nicht mehr wahrge-
schen Inhalts sowie von Ideen, die sich mit staatlichen Or- nommen wird) gehen gelegentlich mit Derealisation und
ganen, vor allem der Polizei, beschäftigen. Häufiger als einem sog. »Durchgangssyndrom« einher (z. B. wenn die
früher sind Verfolger heutzutage anonym. Wahnideen vernachlässigte Körperhälfte als Schwester verkannt wird,
spiegeln nach den Ergebnissen auch technische Errungen- die sich zu einem ins Bett gelegt hat); überdauernde wahn-
schaften wider (siehe auch Jaspers 1913, S. 191). Steine- hafte Erklärungen sind aber selten. Weiterhin ist zu be-
brunner und Scharfetter schreiben zu Verstrahlungsängs- zweifeln, ob unspezifische psychosomatische Beschwerden
ten z. B. Folgendes: (z. B. Magendrücken) am rationalsten mit radioaktiver
Vergiftung durch den russischen Geheimdienst oder
» »Während es sich in Gruppe I [Aufnahmen ab 1913]
Schlafprobleme mit implantierten Störsendern zu erklären
aber ausschließlich um Röntgenstrahlen handelt, sind
sind. In einer Studie von Bell und Mitarbeitern (2008) wa-
es heute mehr magnetische und Laserstrahlen. Eben-
ren nicht halluzinierende Patienten mit Wahn nicht von
falls hat sich die Beziehung zum Telephon gewandelt:
gesunden Kontrollprobanden im Ausmaß sensorischer
früher ein Apparat, aus dem »die Stimmen« kamen,
Irritationen zu unterscheiden. Die Autoren gelangen zu
tritt es heute in dieser Weise nicht mehr auf.
dem Schluss, dass abnormale Wahrnehmungen keine
(Steinebrunner u. Scharfetter 1976, S. 59).«
zwingende Voraussetzung für Wahn darstellen.
Die Studie untersuchte auch Wahnideen über die Lebens- In abgeschwächter Form ist Mahers Beobachtung je-
zeit. Abstammungswahn, wahnhafter Identitätswandel doch durchaus klinisch zutreffend: In vielen Fällen nähren
und Liebeswahn scheinen Themen des jungen Erwachse- Halluzinationen den Wahn. Es gibt jedoch auch Fälle, in
nenalters (bis 30 Jahre) zu sein. Mit zunehmendem Alter denen Wahnideen Halluzinationen wiederum vorausge-
schränken sich die Wahnthemen auf den Verfolgungs-, hen (Huschka 2005), da wahnhafte Ideen den Wahrneh-
religiösen und hypochondrischen Wahn ein. mungsapparat und kognitive Bewertungsprozesse zuneh-
mend dominieren. So können halbakustische Gedanken,
wie sie auch bei vielen gesunden Personen vorkommen
2.4.5 Beziehung von Wahn (z. B. »Ohrwürmer« von Liedern), als sog. gemachte Ideen
und Halluzinationen oder sogar Stimmen fehlinterpretiert werden. Inwieweit
Halluzinationen echten Stimmen oder Geräuschen ähneln
Ein weiteres charakteristisches Symptom bei Betroffenen oder Fehlattributionen starker, aber prinzipiell normaler
mit Schizophrenie sind Halluzinationen, vor allem Stim- Kognitionen sind, ist derzeit noch in Diskussion (Moritz et
menhören. Das DSM-5 definiert Halluzinationen wie folgt: al. 2014c). Die obige Definition aus dem DSM-5 suggeriert,
dass Halluzinationen und echte Eindrücke praktisch nicht
» »Halluzinationen sind wahrnehmungsähnliche Erfah-
diskriminierbar sind. Zweifel sind jedoch angebracht. In
rungen, die ohne adäquate externe Reize auftreten.
einer Befragung an 45 Patienten mit Schizophrenie (82 %
Halluzinationen erscheinen den Betroffenen eindeu-
Stimmenhörer), 55 Zwangspatienten (15 % Stimmenhö-
tig und klar, können durch die Betroffenen nicht kon-
rer) und 60 Personen ohne psychiatrische Diagnose (15 %
trolliert werden und treten mit der gleichen Intensität
Stimmenhörer) untersuchten wir die Übereinstimmung
und Wirkung auf wie normale Wahrnehmungen […].
von echten und eingebildeten Stimmen anhand von vier
(APA 2015, S. 118).«
Kerncharakteristika echter Stimmen (»four A’s«): Laut-
Häufig stülpen sich Wahnideen Halluzinationen als erklä- stärke (»acoustic«), Unkontrollierbarkeit (»autonomous«),
render Überbau auf. Forscher wie Brendan A. Maher Fremdheit (»alien«) und Echtheit (»authentic«). Wenn hal-
(1974) halten Halluzinationen und andere ungewöhnliche luzinierte Stimmen echten Stimmen täuschend ähnlich
sensorische sowie neuropsychologische Störungen, für die sind, so sollten diese als ähnlich laut, unkontrollierbar,
es keine Referenzerfahrungen gibt, sogar für die Kernstö- fremd und echt bewertet werden. Jedoch gab ca. jeder
rung der Schizophrenie. Wahn ist gemäß Maher ein ratio- zehnte Stimmenhörer an, die Stimmen nicht wirklich hö-
naler (normalpsychologischer) Erklärungsversuch des ren zu können (Moritz u. Larøi 2008). Dies lässt zumindest
2.5 · Behandlung der Schizophrenie
21 2
bei einigen Formen von Stimmenhören den vorsichtigen Antipsychotika der ersten und
Schluss zu, dass es sich um eine Art Behelfsbezeichnung zweiten Generation
zur Etikettierung fremd erscheinender Gedanken handelt. Die Neuroleptika der ersten Generation, auch typische,
Etwa jeder zweite Stimmenhörer konnte die Stimmen kon- konventionelle oder klassische Neuroleptika genannt
trollieren. Nur eine Minderheit von 31 % der Patienten mit (z. B. Butyrophenone und Diphenylbutylpiperidine), blo-
Schizophrenie vermochte die halluzinierten nicht von ech- ckieren vor allem mesolimbische und nigrostriatale
ten Stimmen unterscheiden. Es stellt sich damit die Frage, Dopaminrezeptoren. Während der erste Mechanismus
inwieweit Halluzinationen und Stimmenhören ein Prob- eine Reduktion der Positivsymptomatik bewirkt, führt der
lem der sensorischen Verarbeitung widerspiegeln oder zweite ab einer Rezeptorbesetzung von ca. 70–80 % zu un-
vielmehr auf (vorschneller) Bewertung und Fehlattributi- erwünschten extrapyramidal-motorischen Störungen
on beruhen. Nach neuen Studien erleben im Übrigen auch (EPS; Kapur et al. 2000). Hierzu zählen parkinsonoide
viele Patienten mit Zwang und Depression ihre intrusiven Symptome wie Tremor (Ruhezittern, z. B. der Hände),
Gedanken lauthaft, ohne dass hier Halluzinationen im en- Akinese (u. a. mimische Reglosigkeit) und Rigor (zahnrad-
geren Sinne vorliegen (Moritz et al. 2014a; Moritz et al. artige Tonuserhöhung der Muskulatur). Darüber hinaus
2014c). kann die von vielen Betroffenen als besonders quälend
erlebte Akathisie (Bewegungsdrang und innere Unruhe)
auftreten. Bei langfristiger Einnahme von typischen Neu-
2.5 Behandlung der Schizophrenie roleptika treten bei ca. jedem 5.–10. Patienten sog. Spät-
dyskinesien auf, die vielfach irreversibel sind. Darunter
2.5.1 Antipsychotika (Neuroleptika) fallen Bewegungsstörungen im Gesichtsbereich (Zuckun-
gen, Schmatz- und Kaubewegungen) und unwillkürliche
Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis und hier Bewegungsabläufe der Extremitäten. Anders als die Früh-
speziell die Positivsymptome werden pharmakologisch zu- dyskinesien werden die Spätdyskinesien häufiger von der
meist mit Antipsychotika bzw. Neuroleptika behandelt, die Umwelt als von den Betroffenen selbst wahrgenommen
auf das Dopaminsystem des Gehirns Einfluss nehmen. und können Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung
Kleinster gemeinsamer und entscheidender Nenner dieser verstärken (7 Exkurs 2.1).
heterogenen Klasse von Medikamenten ist die Blockade Die neue Generation von Antipsychotika, die sog. aty-
mesolimbischer Dopaminrezeptoren. Diese Anfang der pischen Antipsychotika, deren erster Vertreter das
1950er-Jahre eher zufällig entdeckten Substanzen haben die Clozapin war, wirkt ebenfalls auf das mesolimbische Do-
Therapie der Schizophrenie entscheidend verändert und paminsystem. Die Bindungsaffinität für die nigrostriatalen
ermöglichen einer Reihe von Patienten ein relativ normales Dopaminrezeptoren ist bei den meisten neueren Präpara-
Leben. Zahlreiche Betroffene wurden vorher mit oft wir- ten deutlich niedriger als bei typischen Neuroleptika, was
kungslosen und aus heutiger Sichtweise grausamen Metho- zu einer geringeren Rate von extrapyramidalen Nebenwir-
den, gelegentlich als »harte Kuren« verklärt, behandelt. Bis kungen führt. Viele atypische Substanzen besitzen zudem
in die 1950er-Jahre war z. B. die Lobotomie, eine neurochi- einen Dopamin-Serotonin-Antagonismus. Dieser bewirkt
rurgische Intervention, zumindest in den USA bei Schizo- eine höhere Dopaminverfügbarkeit im Frontalhirn, die mit
phrenie verbreitet. Hierbei wurden Teile des Frontalhirns einer günstigen Beeinflussung der negativen Symptomatik
zerstört. Eine von uns vergebene Diplomarbeit ergab, dass in Verbindung gebracht wird.
die sog. Insulinschock-Therapie noch bis in die 1970er- Die auch aus marketingstrategischen Erwägungen
Jahre durchgeführt wurde (Carillo u. Klein 2011). verfochtene Trennung von atypischen (modernen) vs. ty-

Exkurs 2.1: Dopaminhypothese

Die schon früh formulierte Dopaminhypo- charakteristischen positiven Symptome tive Symptome oder verstärkt bestehende
these der Schizophrenie führt die Positiv- der Erkrankung hervorgerufen werden. psychotische Erscheinungsbilder. Gleich-
symptome auf eine Überaktivität dopa- Empirisch gestützt wird diese Annahme zeitig wurde unter der Gabe dieser Präpa-
minerger mesolimbischer Bahnen zurück. durch die Wirksamkeit von Neuroleptika rate gelegentlich eine Linderung der ne-
Die erweiterte Dopaminhypothese be- auf Positivsymptome sowie Untersuchun- gativen Symptomatik berichtet. Eine wei-
sagt, dass eine verminderte Aktivität des gen mittels Positronen-Emissions-Tomo- tere Variante der Dopaminhypothese von
frontokortikalen Dopaminsystems zu ne- grafie (PET; Laruelle 1998). Ebenfalls im Kapur schreibt der Dysregulation des prä-
gativen Symptomen führt und sekundär Einklang mit der Hypothese induziert die synaptischen Dopaminumsatzes eine
eine Überaktivität des mesolimbischen Gabe von L-Dopa, z. B. bei der Therapie Schlüsselrolle zu (Howes u. Kapur 2009).
Dopaminsystems erzeugt, wodurch die des Morbus Parkinson, gelegentlich posi-
22 Kapitel 2 · Schizophrenie

pischen (älteren) Antipsychotika weist eine Reihe von Vorgängen steht, gerät zunehmend in den Fokus der wis-
Schwierigkeiten auf, da extrapyramidale Nebenwirkun- senschaftlichen Aufmerksamkeit (Gallinat et al. 2016).
gen dosisabhängig auch unter atypischen Antipsychotika, Erste Hinweise diesbezüglich lieferte die Beobachtung,
2 mit Ausnahme des Clozapins, vorkommen können und dass bestimmte Antagonisten am Glutamatrezeptor (z. B.
die Überlegenheit bei der Behandlung der Negativsymp- Phencyclidin [PCP], Ketamin) bei Gesunden bereits nach
tomatik nicht für alle neueren Wirkstoffe belegt ist. Laut einmaliger Gabe schizophrenieähnliche Symptome, da-
einer Metaanalyse können nur die atypischen Antipsycho- runter Positiv- und Negativsymptome sowie kognitive Ein-
tika Clozapin, Olanzapin, Risperidon und Amisulprid für schränkungen, hervorrufen können (Gouzoulis-Mayfrank
sich beanspruchen, die Negativsymptomatik wirkungs- 2008; Javitt u. Zukin 1991).
voller als typische Präparate bei gleichzeitig niedriger Rate Neuere Überlegungen zur Pathophysiologie der Schi-
motorischer Nebenwirkungen zu reduzieren (Leucht et al. zophrenie beschäftigen sich mit der glutamatergen Neuro-
2009b). Die lange postulierte Annahme, dass atypische im transmission (Howes et al. 2015), und hier insbesondere
Gegensatz zu typischen Antipsychotika überdies zu Ver- mit dem N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor (NMDA-Rezep-
besserungen der kognitiven Leistungsfähigkeit führen, tor), einem Subtyp des ionotropen Glutamatrezeptors, der
musste im Laufe der Zeit relativiert werden. Ein ursprüng- eine wichtige Rolle bei Neurokognition und -toxizität
licher Vertreter dieser Annahme, Richard Keefe, hat ein- spielt. Veränderungen der NMDA-Rezeptoren werden vor
geräumt, dass neuere Daten diese These erschüttern und allem mit der Negativsymptomatik in Verbindung ge-
ein scheinbar geschlossenes Kapitel somit wieder geöffnet bracht (Pilowsky et al. 2006). Die Glutamathypothese der
werden muss. So ist beim Atypikum Clozapin bekannt, Schizophrenie besagt, dass vermittelt über eine glutama-
dass es vermutlich aufgrund seiner intrinsischen anticho- terge Unterfunktion oder ein gestörtes Gleichgewicht zwi-
linergen Eigenschaften bei einigen Patienten in hohen schen dem (ekzitatorischen) Glutamat- und dem (inhibi-
Dosierungen Gedächtnisprobleme hervorruft. In einer torischen) GABA-System eine kortikale Minderaktivität
sehr großen multizentrischen Studie (sog. CATIE Trial) des Dopaminsystems, aber eine Überfunktion im Striatum
konnte kein substanzieller Unterschied bezüglich objekti- resultiert (Gallinat u. Gudlowski 2008). Multimodale Un-
ver neuropsychologischer Parameter zwischen konven- tersuchungen mittels PET und Magnetresonanzspektros-
tionellen und atypischen Präparaten nachgewiesen wer- kopie (MRS) legen eine solche Interaktion zwischen Glut-
den (Keefe et al. 2007). Studien unserer Arbeitsgruppe amat und Dopamin zumindest bei Gesunden nahe (Gleich
fanden wiederholt einen Zusammenhang zwischen der et al. 2015). Inwieweit Veränderungen des Glutamatsys-
Höhe der neuroleptischen Dosis von typischen Neurolep- tems tatsächlich Veränderungen des Dopaminsystems be-
tika mit subjektiven kognitiven Beschwerden. Bei atypi- dingen, oder aber erst durch diese verursacht werden, ist
schen Antipsychotika kam es unter höheren Dosen dage- nicht abschließend geklärt. Auf die Entwicklung einer me-
gen teilweise sogar zu subjektiven Verbesserungen (z. B. dikamentösen Therapie, die in den Glutamatstoffwechsel
Moritz et al. 2002b). der Patienten entsprechend modellierend eingreifen kann,
Mit der Einführung des Antipsychotikums Aripipra- wird große Hoffnung gesetzt. NMDA-Rezeptoragonisten
zol, einem Dopaminpartialagonisten, welches sich dem (Glyzin, D-Serin, Sarkosin), die ergänzend zu Antipsycho-
»Bauplan« bisheriger atypischer Antipsychotika entzieht, tika gegeben wurden, zeigten in der Folge teilweise einen
und Amisulprid, welches nicht wie andere atypische Anti- Effekt auf die Negativsymptomatik (Tuominen et al. 2005).
psychotika auf die 5-HT2-Rezeptoren wirkt, ist die Unter- Es gab daher Bestrebungen, sich diesen Umstand bei der
teilung atypisch vs. typisch weiter infrage gestellt worden. Suche nach neuen Therapieoptionen zunutze zu machen.
Ältere Präparate wie Haloperidol kommen im klinischen Schließlich wurde eine Reihe neuer Medikamente entwi-
Alltag aufgrund ihrer Wirksamkeit je nach Zielsymptoma- ckelt wie Bitopertin, ein Glyzin-Wiederaufnahme-Hem-
tik auch weiterhin zum Einsatz und unterscheiden sich vor mer, der die Aktivität des NMDA-Rezeptors beeinflusst.
allem bezüglich ihres Nebenwirkungsspektrums von den Der erhoffte Effekt, insbesondere auf die Negativsympto-
atypischen Antipsychotika. Die Unterschiede in der Wirk- matik, konnte bisher jedoch nicht erzielt werden (Hasan et
samkeit zwischen verschiedenen Antipsychotika erreichen al. 2014). Trotz dieser empirischen Rückschläge erscheint
dagegen nur einen schwachen Effektstärkebereich (Leucht die Beschäftigung mit dem Glutamatsystem weiterhin aus-
et al. 2013). sichtsreich (Goff 2014).
Neben der klassischen und gut etablierten Dopaminhy- Außerdem wird seit Längerem die Beteiligung des
pothese der Schizophrenie (7 Exkurs 2.1) wird zunehmend Transmitters Serotonin bei der Entstehung schizophrener
auch anderen Neurotransmittern eine Bedeutung bei der Symptome diskutiert. Für diese Annahme spricht zum ei-
Entstehung der Störung zugesprochen. Besonders das glu- nen, dass das Serotoninsystem an der Wirkung halluzino-
tamaterge System, das in einem komplexen Wechselspiel gener Drogen, wie LSD, beteiligt ist. Zum anderen inter-
mit anderen Transmittersystemen und neurobiologischen agiert das Serotonin- mit dem Dopaminsystem, und viele
2.5 · Behandlung der Schizophrenie
23 2

Exkurs 2.2: »Medikamentencocktail«

Sofern hochpotente typische Präparate niedrigpotente Neuroleptika und Benzo- tive Beeinflussung von Aufmerksamkeit
(starke antipsychotische, aber gering diazepine) sowie zur Reduktion extrapyra- und Gedächtnis (Vinogradov et al. 2009),
sedierende Wirkung bei relativ hoher Rate midal-motorischer Nebenwirkungen (vor wie sie auch beim Clozapin in hoher
von extrapyramidalen Symptomen) ver- allem Anticholinergika) weitverbreitet. Dosierung und anderen cholinerg wirk-
abreicht werden, ist die Beigabe von wei- Ein Problem anticholinerg wirksamer An- samen Substanzen auftritt. Mono- statt
teren Pharmaka zur Sedierung (vor allem ti-Parkinson-Mittel ist die potenziell nega- Polypharmazie ist anzustreben.

der heutzutage eingesetzten Antipsychotika wirken auf stützung. In einem aufsehenerregenden Interview mit der
beide Systeme (Brandl et al. 2014). New York Times wies Nancy C. Andreasen, u. a. ehemalige
Die Vorstellung, dass die Über- oder Unterfunktion ei- Herausgeberin des renommierten American Journal of Psy-
nes einzelnen Systems die psychotische Kernsymptomatik chiatry, auf die Probleme von Antipsychotika hin und rät
hervorruft, gilt als überholt. Stattdessen ist von komplexen zu einer möglichst niedrig dosierten Pharmakotherapie,
Wechselwirkungen unterschiedlicher Transmittersysteme welche in Kombination mit der Behandlung von kogniti-
im Zusammenspiel mit äußeren Einflüssen wie Stress und ven und sozialen Problemen erfolgen sollte (siehe auch Ho
weiteren Umweltfaktoren auszugehen (7 Exkurs 2.2). et al. 2011).
Einer der wichtigsten Vorteile von Antipsychotika der
Wirksamkeit, Nebenwirkungen zweiten Generation ist die deutlich geringere Rate von
und Medikamentenadhärenz Spätdyskinesien und anderer extrapyramidaler Störungen.
Im deutlichen Kontrast zu ihrer »gefühlten« starken Wirk- Laut einer aktuellen Multiple-Treatments-Metaanalyse
samkeit belegen Übersichtsarbeiten insgesamt eine geringe von Leucht und Kollegen (2013) treten unter der Behand-
(Lepping et al. 2011) bis mäßige (Leucht et al. 2009a, 2013) lung mit klassischen Substanzen bzw. Antipsychotika mit
Verbesserung der Symptomatik durch Antipsychotika im höherer Affinität zum D2-Rezeptor wesentlich stärkere
Vergleich zu Placebo, wobei Clozapin, Amisulprid, Olanza- extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen als unter
pin und Risperidon zu den wirksamsten Medikamenten Clozapin auf. Allerdings kann es unter der Gabe bestimm-
unter den 15 wichtigsten Antipsychotika zählen (für eine ter neuerer Präparate, vor allem Olanzapin, Zotepin und
Übersicht siehe Leucht et al. 2013). Je nach verwendetem Clozapin, zu schwerwiegenden metabolischen Verände-
Kriterium sind bis zu 50 % aller Patienten therapieresistent rungen kommen, die u. a. zu starker Gewichtszunahme
(Lambert u. Naber 2009, S. 46). Die meisten Experten (Leucht et al. 2013) und sogar Diabetes führen können.
schätzen den Anteil auf ein Viertel bis ein Drittel. Thera- Auch sexuelle Funktionsstörungen werden berichtet. Die-
pieresistenz manifestiert sich gelegentlich bereits bei der se Nebenwirkungen führen zu einem oft ebenso starken
Erstbehandlung, tritt jedoch häufiger im Laufe der weite- Leidensdruck wie die induzierten neurologischen Symp-
ren Erkrankung auf. Risikofaktoren, die mit Therapieresis- tome. Nebenwirkungen sind einer der Hauptgründe für
tenz in Verbindung gebracht wurden, sind eine lange die unzureichende sog. Adhärenz der Patienten (früher oft
Dauer der unbehandelten Psychose, wiederholte Rückfälle, als Medikamentencompliance bezeichnet). Diese beträgt
hirnstrukturelle Veränderungen, vorherrschende Nega- auch nach Übersichtsarbeiten nur rund 50 % (Byerly et al.
tivsymptomatik, schwere komorbide psychische Erkran- 2007). Einige Studien berichten sogar von einer Absetzrate
kungen, eine schlechte prämorbide Anpassung, Minder- bis zu 75 % innerhalb von 18 Monaten, die unter neueren
begabung sowie eine geringe initiale antipsychotische Re- Präparaten etwas geringer ist als unter den alten (Lieber-
sponse (Lambert u. Naber 2009). Die Rückfallquote unter man et al. 2005). Andere Ursachen für das Absetzen der
Antipsychotika liegt bei 27 % und unter Placebo bei 64 % Medikamente gegen ärztlichen Rat oder die selbstständige
nach einem Jahr (Leucht et al. 2012). Änderung der Dosierung sind in der Störung selbst zu su-
Anders als bei Antidepressiva oder Antidementiva, bei chen. So nimmt eine Subgruppe von Patienten die Medi-
denen eine heftige Diskussion über ihren generellen Nut- kation nach der Entlassung nicht weiter, weil sie sich für
zen bei Depression bzw. Demenz entbrannt ist, ist die Ef- gesund hält (mangelnde Krankheitseinsicht). Vergesslich-
fektivität von Antipsychotika unbestritten trotz der mäßi- keit ist bei ca. einem Drittel der Patienten laut Selbstaussa-
gen Response-Rate bei einer Vielzahl der Betroffenen. Die ge ein weiterer Einflussfaktor (Moritz et al. 2009a, 2013c).
wenigsten Kritiker raten bei akuten, fremd- oder selbstge- In diesem Zusammenhang sind prospektive Gedächtnis-
fährdenden Patienten ernsthaft zu einem vollkommenen störungen besonders relevant (das Erinnern, sich zu erin-
Medikationsverzicht, empfehlen jedoch eine möglichst nern, z. B. Termine merken), die neben Problemen der
niedrige Dosis. Hierbei erhalten sie zunehmend auch von Neugedächtnisbildung (z. B. Wortlistenlernen) bei Men-
namhaften Vertretern der biologischen Psychiatrie Unter- schen mit Schizophrenie wiederholt beschrieben wurden
24 Kapitel 2 · Schizophrenie

(z. B. Moritz et al. 2004). Solche Defizite sind vor allem bei lung häufig weiter vorhanden, treten aber in den Hinter-
der großen Gruppe von Betroffenen zu beachten, die meh- grund und dominieren nicht mehr das Verhalten und
rere Psychopharmaka gleichzeitig einnehmen. Einige Pa- Erleben des Patienten. Laut Kapur (2003) liegt bei Schizo-
2 tienten vergessen zudem das Rational der Verschreibung phrenie aufgrund des angenommenen Dopaminüber-
und gehen fälschlicherweise davon aus, Antipsychotika schusses eine abnorme Salienz vor, die bestimmten Objek-
nur bei Bedarf einnehmen zu müssen oder die Dosis je ten der Wahrnehmung besondere Bedeutung verleiht. Do-
nach Stärke der Beschwerden eigenständig variieren zu pamin ist seiner Ansicht nach »der Wind im Feuer der
können. Auch »Krankheitsgewinn« spielt eine Rolle bei Psychose«, der die Flammen anfacht, nicht aber verursacht.
einer Subgruppe von Patienten, bei denen Stimmenhören In einer eigenen Untersuchung an schizophrenen
z. B. eine soziale Funktion erfüllt oder die Wahnideen wie- Stimmenhörern ließ sich eine signifikante negative Korre-
der herbeisehnen (Moritz et al. 2013c). Mangelnde Adhä- lation zwischen der Dosishöhe und der Lautstärke der
renz ist jedoch kein spezifisches Problem psychiatrischer Stimmen nachweisen (Schneider et al. 2011). Dies stimmt
Patienten im Allgemeinen und schizophrener Patienten im mit der Rückmeldung vieler Patienten überein, die Anti-
Besonderen. Auch bei vielen somatischen und teilweise psychotika als kognitiv dämpfend beschreiben, was je nach
lebensbedrohlichen Erkrankungen wie HIV ist die Absetz- Patient positiv (vor allem Beruhigung des Denkchaos) bis
rate von Medikamenten hoch (WHO 2003). stark negativ (quälende Gefühlstaubheit) bewertet wird
Die Gabe von Depotneuroleptika, die mittlerweile (Moritz et al. 2009a, 2013a). Inwieweit Antipsychotika die
auch für die atypischen Antipsychotika verfügbar sind, in 7 Kap. 3 beschriebenen charakteristischen Denkver-
stellt gerade bei Vergesslichkeit und fluktuierender Adhä- zerrungen von schizophrenen Patienten wie voreiliges
renz eine Alternative zur herkömmlichen Verabreichung Schlussfolgern günstig beeinflussen, ist bei der heutigen
in Form von Tabletten dar. Depotneuroleptika, die von schmalen Datenbasis nicht zu beantworten. Mehrere
einer großen Gruppe von Patienten gut akzeptiert werden Studien fanden jedoch einen Zusammenhang zwischen
(Moritz et al. 2009a), werden jedoch weiterhin relativ sel- Urteilssicherheit und neuroleptischer Dosis: Patienten mit
ten appliziert (z. B. Heres et al. 2007). höherer Medikamentendosis sind demnach in ihren Urtei-
len zweifelnder als Patienten mit niedriger Dosis (Andreou
Psychologische Wirkung von Antipsychotika et al. 2014), auch nach statistischer Kontrolle der Psycho-
auf die schizophrene Symptomatik pathologie (z. B. Moritz et al. 2003). Dies spiegelt auch das
Antipsychotika wirken entgegen früherer Auffassungen subjektive Empfinden vieler Patienten wider (Moritz et al.
meist innerhalb von wenigen Tagen (Agid et al. 2003) und 2013a).
reduzieren zunächst Halluzinationen und im weiteren Ver- Abschließend lässt sich feststellen, dass es derzeit keine
lauf Wahnideen (Gunduz-Bruce et al. 2005). Durch die Alternative zu Antipsychotika bei der psychopharmakolo-
Verminderung der Halluzinationen wird den Wahnideen gischen Behandlung schizophrener Zustandsbilder gibt.
quasi der Boden entzogen (siehe hierzu auch die Ausfüh- Angesichts des hohen Anteils von Patienten, welche die
rungen zu Mahers Hypothese in 7 Abschn. 2.4.5). Aber Antipsychotika im Laufe der Behandlung absetzen, nicht
auch bei nicht schizophrenen Patienten ohne Halluzina- bzw. ungenügend auf die Präparate ansprechen (vor allem
tionen ist die Wirksamkeit belegt. Entsprechend werden persistierende Positivsymptomatik) sowie der kurz- und
Antipsychotika zunehmend bei Patienten mit überwerti- langfristigen schweren Nebenwirkungen einiger Medika-
gen, fixen Ideen und gelegentlich wenig Krankheitsein- mente wird der Ruf nach komplementären psychologi-
sicht eingesetzt (z. B. bei einer Subgruppe von Patienten schen Behandlungsstrategien, vor allem Verhaltensthera-
mit einer Zwangsstörung), bei denen Halluzinationen eher pie, zunehmend lauter. Verhaltenstherapeutische Maßnah-
selten zu beobachten sind. men werden im klinischen Alltag jedoch weiterhin leider
Während die biochemischen Eigenschaften von Anti- selten eingesetzt (Bechdolf u. Klingberg 2014).
psychotika weitgehend entschlüsselt sind, liegen die psy-
chologischen oder kognitiven Wirkmechanismen weiter-
hin im Dunkeln. Es mehren sich Hinweise, wonach die 2.5.2 Verhaltenstherapie bei Schizophrenie
Präparate Positivsymptome nicht etwa löschen, sondern
vor allem die Bewertung innerer und äußerer Vorgänge ver- In den vergangenen Jahren wurden verstärkt verhaltens-
ändern. Patienten berichten von einer größeren Entrü- therapeutische Konzepte für die Schizophreniebehand-
ckung (»detachment«), Gefühlstaubheit und Gleichgültig- lung entwickelt und evaluiert. Da viele Techniken der
keit unter Antipsychotika. Zentrale Aspekte des Wahns wie kognitiven Verhaltenstherapie im MKT+ aufgegriffen
der Grad der Überzeugung werden laut einer Studie von wurden (. Tab. 2.9), bitten wir um Verständnis, dass wir an
Mizrahi und Kollegen (2006) dagegen kaum beeinflusst. dieser Stelle nur kurz und relativ allgemein auf den verhal-
Die wahnhaften Ideen sind unter neuroleptischer Behand- tenstherapeutischen Behandlungsansatz eingehen und den
2.5 · Behandlung der Schizophrenie
25 2
Leser auf die weiteren Kapitel (insbesondere 7 Abschn. 4.3 Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie
zu therapeutischen Strategien und 7 Kap. 5 zu den spezifi- und Nervenheilkunde (DGPPN; Gaebel et al. 2006) aufge-
schen Anleitungen zum Einsatz der Therapieeinheiten) nommen worden. Zudem wurde 2014 die Psychotherapie-
verweisen möchten. Richtlinie entsprechend angepasst. Psychotherapie ist nun
Erste verhaltenstherapeutische Behandlungsansätze bei Schizophrenie, schizotypen sowie wahnhaften Störun-
bei Schizophrenie reichen bis in die 1950er-Jahre zurück gen uneingeschränkt indiziert (Gemeinsamer Bundesaus-
und gehen u. a. auf den Psychiater Aaron T. Beck zurück, schuss 2014; Mehl u. Lincoln 2015).
einen der Begründer der kognitiven Verhaltenstherapie. Klingberg und Kollegen (2008) weisen zu Recht darauf
Die Inhalte der Verhaltenstherapie von Psychosen haben hin, dass unter der Bezeichnung »kognitive Verhaltensthe-
sich im Laufe der Zeit erheblich gewandelt. Entwicklungen rapie für Psychosen« eine Vielzahl von Techniken subsu-
und gesicherte neue Erkenntnisse wurden beständig in das miert ist, wodurch eine konsensuelle Definition dieser
Repertoire aufgenommen. Standen in den 1970er-Jahren Behandlungsform erschwert wird. In . Tab. 2.9 werden
noch Münzverstärkersysteme (Token Economy) im Vor- ohne Anspruch auf Vollständigkeit wichtige Techniken der
dergrund, welche vor allem bei negativer und desorgani- kognitiven Verhaltenstherapie für Psychosen aufgeführt
sierter Symptomatik zum Tragen kamen, wurde ab den (siehe z. B. Vauth u. Stieglitz 2007; Lincoln 2014; Nelson
1980er-Jahren das Vulnerabilitäts-Stress-Modell fester 2010), die teilweise auch von anderen Therapieformen
Bestandteil der Therapieplanung. Die Befunde zum übernommen wurden oder von diesen entlehnt sind.
Expressed-Emotions-Konzept führten seit Ende der Im Rahmen der Verhaltenstherapie werden mit den
1970er-Jahre dazu, Familie und Familienklima therapeu- Betroffenen alternative Interpretationen ihrer Empfindun-
tisch stärker zu berücksichtigen. Auch kognitive und so- gen entwickelt und bestehende Überzeugungen modifi-
zial-kognitive Befunde wurden integriert und in eigenen ziert (kognitive Umstrukturierung). Neben der Erarbei-
Behandlungseinheiten aufgegriffen. Seit den 1990er-Jah- tung eines Krankheitsmodells und der Ableitung eines
ren liegt der Schwerpunkt auf kognitiven Ansätzen zur Veränderungsmodells werden auch psychoedukative Ele-
Verminderung persistierender Positivsymptomatik. Viele mente, Rollenspiele, Aktivitätenaufbau und Entspan-
der neueren Bemühungen bei Psychose wurden maßgeb- nungstechniken in der Verhaltenstherapie für Psychose-
lich durch die Londoner Arbeitsgruppe um Philippa patienten aufgegriffen. Die verwendeten Techniken sind
Garety und Elizabeth Kuipers vorangetrieben. Auch die vor allem der kognitiven Verhaltenstherapie von Depres-
Arbeitsgruppe um Richard Bentall hat sich um die Verbrei- sion und Angststörungen entliehen, wobei kognitive An-
tung dieses Ansatzes verdient gemacht. Während Verhal- sätze dominieren. Die Expositionsbehandlung, welche vor
tenstherapie bei Schizophrenie mittlerweile in Großbritan- allem bei Angststörungen höchst wirksam ist und das
nien in die verpflichtenden Behandlungsrichtlinien (NICE Flaggschiff der Verhaltenstherapie darstellt, bedarf für Psy-
Guidelines; National Institute for Health and Care Excel- chosepatienten einer deutlichen Abwandlung und ist eher
lence) aufgenommen wurde, vollzieht sich die Umsetzung als Realitätstestung zu bezeichnen. Die Realitätstestung
in der Bundesrepublik weiterhin eher schleppend. Promi- benötigt gründliche Vorbereitung, um wahnhafte Alterna-
nente Vertreter hierzulande sind die Arbeitsgruppen um tiverklärungen statt der erhofften korrigierenden Erfah-
Andreas Bechdolf, Stefan Klingberg und Birgit Conradt, rungen zu verhindern (Vauth u. Stieglitz 2007; Lincoln
Tania Lincoln sowie Roland Vauth und Rolf-Dieter Stieg- 2014). Fast alle Manuale und Behandlungsprogramme er-
litz. Nach wie vor sind allerdings fest implementierte ver- wähnen in ihren Theorieabschnitten »voreiliges Schluss-
haltenstherapeutische Behandlungsprogramme in Klini- folgern«, »Theory of Mind« und andere Denkverzerrun-
ken die Seltenheit. Historisch spielt in diesem Zusammen- gen. Diese werden aber anders als bei unserem Ansatz
hang ein großer Psychotherapiepessimismus bei Schizo- selten direkt therapeutisch bearbeitet (siehe auch 7 Geleit-
phrenie eine Rolle, der u. a. auf prägende Figuren und wort zur 1. Auflage).
Meinungsführer in der Psychiatrie wie Freud und Jaspers Eine Reihe von Metaanalysen bestätigt die Effizienz
zurückgeht. Während Freud die Schizophrenie, verein- von Verhaltenstherapie sowohl in direktem Vergleich mit
facht dargestellt, zwar für verstehbar, aber nicht psychothe- anderen therapeutischen Interventionen (Turner et al.
rapierbar ansah, hielt Jaspers eines ihrer Leitsymptome, 2014) als auch über die Wirksamkeit von Antipsychotika
den Wahn, für psychologisch unzugänglich (siehe auch hinaus (Burns et al. 2014; Sarin et al. 2011; Wykes et al.
7 Abschn. 2.4). Eine noch in den 1980er-Jahren verbreitete 2008) vor allem bei Patienten, die nicht oder nur ungenü-
Annahme, wonach man die Wahnideen des Patienten gend auf diese ansprechen. Kuipers und Kollegen (2006)
weder bestärken noch kritisch hinterfragen sollte und ab- berichten eine Gesamteffektstärke von d = .37 für persis-
wartete, bis die Medikamentenwirkung einsetzte, gilt mitt- tierende Symptomatik. In einer weiteren Metaanalyse wer-
lerweile jedoch als obsolet (Lincoln 2014). Die Verhaltens- den für die Positivsymptomatik Werte in derselben Höhe
therapie ist nunmehr in die Behandlungsrichtlinien der berichtet (Wykes et al. 2008). Niedrigere Anspracheraten
26 Kapitel 2 · Schizophrenie

. Tab. 2.9 Wichtige Behandlungstechniken der kognitiven Verhaltenstherapie bei Psychosen. Einige dieser Techniken wurden von
anderen Therapieansätzen aufgegriffen oder aber diesen entliehen

2 Bausteine von Verhaltenstherapien bei Psychosen (in Verwendung/Berücksichtigung im MKT+


alphabetischer Reihenfolge)

Abbau dysfunktionaler Copingstrategien (z. B. Gedanken- 7 Therapieeinheit 4: Zuschreibungsstil


unterdrückung) zugunsten funktionaler Strategien (z. B. 7 Therapieeinheit 9: Depression und Denken
Achtsamkeitsübungen u. a. »detached mindfulness«, 7 Therapieeinheit 11: Umgang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe
Aufbau von stressreduzierenden Copingstrategien) (vor allem die Materialen zu Stressabbau)

Arbeit am Selbstwert (z. B. Herstellen von Zusammen- 7 Therapieeinheit 9: Depression und Denken
hang Selbstwert und Psychose; Arbeit mit innerem 7 Therapieeinheit 10: Selbstwert
Kritiker und wohlwollendem Begleiter)

Aufbau einer therapeutischen Beziehung Vor allem 7 Therapieeinheit 1: Beziehungsaufbau und Anamnese

Entpathologisierung (»normalizing«) Alle Therapieeinheiten

Erstellen eines individuellen Vulnerabilitäts-Stress- 7 Therapieeinheit 3: Erklärungsmodell


Modells unter Berücksichtigung von Anlagefaktoren,
Biografie, Ressourcen und Risikofaktoren, Ableitung von
möglichen aufrechterhaltenden Faktoren

Erstellen einer Problemliste und Erarbeitung von 7 Therapieeinheit 2: Einführung in das Metakognitive Therapieprogramm
Therapiezielen

Identifikation und Korrektur von Denkverzerrungen 7 Therapieeinheiten 4–9 zu den Denkverzerrungen


sowie dysfunktionalen Überzeugungen

Kognitive Umstrukturierung (Entwicklung alternativer Alle Therapieeinheiten, insbesondere 7 Therapieeinheit 9: Depression


Bewertungen) und Denken

Psychoedukation (u. a. Vermittlung des Vulnerabilitäts- Alle Therapieeinheiten, insbesondere 7 Therapieeinheit 3: Erklärungs-
Stress-Modells) modell und 7 Therapieeinheit 11: Umgang mit der Diagnose und Rück-
fallprophylaxe

Reduktion von Vermeidung und Sicherheitsverhalten 7 Therapieeinheit 5: Schlussfolgern


7 Therapieeinheit 11: Umgang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe

Rollenspiel 7 Therapieeinheit 5: Schlussfolgern


7 Therapieeinheit 7: Einfühlen

Rückfallprophylaxe und -management 7 Therapieeinheit 11: Umgang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe
(z. B. Erarbeiten von Frühwarnsymptomen, Erstellung (z. B. mittels Einsatz der »gelben Karte«)
eines Notfallplans)

Selbstbeobachtungsübungen (Selbstbeobachtungs- Alle Therapieeinheiten; insbesondere 7 Therapieeinheit 5: Schlussfolgern


protokolle)

Sokratische Gesprächsführung Alle Therapieeinheiten

Stressreduktion und -bewältigung (Auswirkungen von 7 Therapieeinheit 11: Umgang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe
Stress auf Symptome, Stimmung und Verhalten sowie
Vermittlung von Entspannungsstrategien)

Training sozialer Fertigkeiten 7 Therapieeinheit 7: Einfühlen

Umgang mit/Interventionen bei depressiver Symptoma- 7 Therapieeinheit 9: Depression und Denken


tik (z. B. Einführung eines Teufelskreismodells; Aufbau
positiver Aktivitäten)

Umgang mit/Interventionen bei Halluzinationen (z. B. 7 Therapieeinheit 4: Zuschreibungsstil


Re-Attribution von Stimmen)

Umgang mit/Interventionen bei Wahnideen (z. B. Hinter- 7 Therapieeinheit 5: Schlussfolgern


fragen der Gedanken mit Pro- und Kontra-Listen) 7 Therapieeinheit 6: Korrigierbarkeit

Verhaltensexperimente (vor allem Realitätstestung) 7 Therapieeinheit 5: Schlussfolgern


7 Therapieeinheit 6: Korrigierbarkeit
2.5 · Behandlung der Schizophrenie
27 2
berichten Mehl et al. (2015) in einer neueren Metaanalyse, Ansätze wie das MKT+ können daher gute Ergänzungen
die schwache bis mittlere Effekte fand. darstellen, da neben den klassischen Denkverzerrungen,
Eine große Studie (Garety et al. 2008) an 301 Patienten die mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von Wahn-
mit kürzlich erfolgtem Rückfall, die entweder einer kogni- symptomen in Verbindung gebracht werden, auch emo-
tiven Verhaltenstherapie, Familientherapie (nach Kuipers) tionale Probleme wie Depression sowie niedriger Selbst-
oder Standardbehandlung (»treatment as usual«) zugewie- wert behandelt werden.
sen wurden, ergab dagegen enttäuschende Ergebnisse. We-
der kognitive Verhaltenstherapie noch Familientherapie
waren in den Zielparametern wirksamer als die Standard- 2.5.4 Andere therapeutische Ansätze
behandlung. Selbst kurzfristig war keine Überlegenheit
nachweisbar. Die Autoren schränken aufgrund ihrer Er- Neben verhaltenstherapeutischen Bemühungen gibt es
gebnisse die Kernindikation von kognitiver Verhaltensthe- zahlreiche alternative Ansätze, die auf verwandten, teilwei-
rapie auf Patienten ein, die medikamentenresistente Posi- se jedoch auch vollkommen anderen ätiologischen Model-
tivsymptome aufweisen. Wenngleich diese große Studie len fußen. Das Spektrum in seiner vollen Breite darzustel-
früher berichtete positive Effekte nicht völlig egalisieren len, übersteigt den Anspruch dieses Behandlungsmanuals.
und aufzehren wird, findet derzeit ein Umdenken statt1. Wir können daher an dieser Stelle nur kurz auf einige an-
Überlegungen, wie die Wirksamkeit von kognitiver Ver- dere Behandlungsmethoden eingehen mit der Bitte, die
haltenstherapie verbessert werden kann, sind in vollem Knappheit der Darstellung nicht als Maß der wahren Rele-
Gange. Das MKT+ stellt einen in diese Richtung weisen- vanz und Verbreitung zu betrachten.
den Ansatz dar. In Deutschland sind kognitive Remediationsprogram-
me, z. B. CogPackp (Marker 2003) oder auch mybraintrai-
ningp (erste Wirksamkeitsstudie bei Moritz et al. 2015),
2.5.3 Verhaltenstherapie und Antipsycho- verbreitet. Einige dieser Programmpakete sind seit den
tika als komplementäre Ansätze 1980er-Jahren im Einsatz. Das CogPackp ist ein Compu-
tertraining, mit dessen Hilfe kognitive Funktionen wie lo-
Antipsychotika und Verhaltenstherapie sind keineswegs gisches Denkvermögen, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und
»Rivalen«, sondern stellen komplementäre Behandlungs- Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit verbessert
strategien dar. Während die neuroleptische Behandlung werden sollen. Es besteht aus 64 Test- und Übungspro-
dem Betroffenen einen gewissen Abstand zu seinen Ideen grammen, die insgesamt 334 Aufgabenvarianten umfas-
verschafft, beabsichtigt die Verhaltenstherapie die kogni- sen. Die Übungsserien, z. B. die sog. Olbrich-Serie, können
tive Umstrukturierung maladaptiver Bewertungen und an das aktuelle Leistungsniveau des Teilnehmers angepasst
die Vermittlung von Copingstrategien. Angesichts der an- werden. Die Teilnehmer erhalten Rückmeldung über ihren
gesprochenen Abbruchrate für Antipsychotika von etwa jeweiligen Leistungsstand und erzielte Trainingsfortschrit-
50 % im Verlauf der Behandlung (Hutton et al. 2012), ist te, was sekundär zu einer Verbesserung der Selbstwirksam-
ein wichtiges Ziel von Psychotherapie, die Einsicht der keit und der häufig subjektiv empfundenen kognitiven
Patienten in die eigene Erkrankung und Behandlungsbe- Beeinträchtigungen beitragen kann. Bender und Ditt-
dürftigkeit zu erhöhen, was sekundär auch die Adhärenz mann-Balzar (2008) kommen in ihrer Übersicht zur Wirk-
bzw. Medikamentencompliance stärken kann. Umgekehrt samkeit zu dem Schluss, dass im Vergleich zu anderen
fruchten psychotherapeutische Maßnahmen oft erst, Therapien »der Erfolg eines Trainings kognitiver Defizite
wenn die psychomotorische Erregung abgenommen hat. noch deutlich weniger empirisch belegt ist« (S. 597). Die
Im Akutstadium kann dies meist durch die Gabe von Psy- Behandlungsleitlinien der DGPPN (Gaebel et al. 2006)
chopharmaka erreicht werden. Eine weitere Schwierigkeit rechnen kognitive Rehabilitationsprogramme (noch) nicht
bei der Behandlung mit Antipsychotika ist die oft man- zu den evidenzbasierten Therapiemethoden.
gelnde Wirksamkeit auf Negativsymptomatik (Hanson et Eines der ältesten und in Deutschland am weitesten
al. 2010) und emotionale Probleme. Psychotherapeutische verbreiteten psychologischen Interventionsprogramme ist
das Integrierte Psychologische Therapieprogramm bei schi-
1 Die Arbeitsgruppe um McKenna äußert sich recht kritisch und zophren Erkrankten (IPT; Roder et al. 2006). Das Training
pessimistisch über die kognitive Verhaltenstherapie bei Psycho- ist manualisiert und besteht aus 5 Unterprogrammen, die
sen. Eine Metaanalyse von Lynch und Kollegen (2010) wurde von sequenziell durchlaufen werden. Diese trainieren die
Kingdon (2010) aufgrund methodischer Mängel in seiner Erwide-
Bereiche Neurokognition (Unterprogramm 1 und 2) und
rung zu Recht zurückgewiesen (»Lynching-Party«). Allerdings
räumen auch Befürworter ein, dass die Wirksamkeit der kognitiven
soziale Interaktion (Unterprogramm 3–5). Das gesamte
Verhaltenstherapie bei Psychosen geringer ist als z. B. bei Angst- Programm erstreckt sich über einen Behandlungszeitraum
störungen. von etwa 3 Monaten. Für das IPT gibt es zahlreiche Effek-
28 Kapitel 2 · Schizophrenie

tivitätsnachweise. Eine Metaanalyse von Roder und Kolle- Bundesgebiet rekrutiert wurden, nahe, dass solche Ange-
gen (2006), welche 30 publizierte Studien mit insgesamt bote nur selten durchgeführt werden (Moritz et al. 2016a).
1.393 Patienten berücksichtigte, ergab eine Überlegenheit
2 des IPT gegenüber Kontrollgruppen in allen Parametern,
vor allem aber bezüglich neuropsychologischer Funktions- 2.6 Metakognitive Therapie
bereiche. Bezüglich des psychosozialen Funktionsniveaus als neue Behandlungsmethode
erreichte das IPT kleinere Effekte. Mit der Integrativen
Neurokognitiven Therapie (INT) geht die Arbeitsgruppe 2.6.1 Metakognitives Training für schizo-
um Volker Roder und Daniel Müller neue Wege, indem der phrene Patienten (MKT): »Making-of«
IPT-Ansatz u. a. mit einem kognitiven Training auf Basis
des CogPackp kombiniert wird (Roder u. Müller 2013). Gemeinsam mit Kollegen aus Vancouver forscht unsere
Familientherapeutische Ansätze haben sich in den al- Arbeitsgruppe seit 2001 aktiv zu kognitiven Entstehungs-
lermeisten Studien als effektiv erwiesen. Angehörigen- mechanismen schizophrener Symptome wie Wahn, Hallu-
und Familienprogramme gehören in der einen oder ande- zinationen und formalen Denkstörungen. Aus dieser Ar-
ren Form zum Standardrepertoire in der Behandlung von beit sind zahlreiche Veröffentlichungen zu voreiligem
Patienten mit Schizophrenie. Die Einbeziehung von Ange- Schlussfolgern, Unkorrigierbarkeit und Gedächtnispro-
hörigen ist zentral, um das Verständnis für den psychisch blemen sowie überhöhter Urteilssicherheit für Fehlerinne-
Kranken und dessen Symptome im persönlichen Umfeld rungen hervorgegangen. Der Hauptbeweggrund für die
zu vergrößern und rückfallbegünstigende emotionale Entwicklung dieses Programms war der Wunsch, das
Spannungen innerhalb der Familie zu vermindern (vor al- damals schon recht fundierte Wissen über die am Wahn
lem »high expressed emotions«). Dieser Ansatz verspricht beteiligten kognitiven Faktoren in einem Therapieansatz
außerdem, die Medikamentenadhärenz zu erhöhen und zu bündeln, welcher ohne viel Vorbereitung und techni-
Rückfällen vorzubeugen, indem die Wahrnehmung für schen Aufwand auskommt, um die nur schleppende Ver-
Prodromalsymptome (Veränderungen, die einem Rückfall breitung psychologischer Behandlungsansätze bei Schizo-
typischerweise vorausgehen) geschärft wird (Errichtung phrenie voranzubringen. Mit der Sammlung von Therapie-
eines »Frühwarnsystems«). Die präventive Wirkung auf material wurde etwa 2003/2004 begonnen.
erneute Rückfälle, Senkung der Wiederaufnahmewahr- Im Jahr 2005 veröffentlichten wir das Metakognitive
scheinlichkeit und Steigerung der Medikamentenadhärenz Training für schizophrene Patienten (MKT). Das Grup-
konnte in einer Metaanalyse (Pilling et al. 2002) bestätigt pentraining steht im Internet kostenlos in vielen Sprachen
werden. Für diese Studie wurden Familieninterventionen (Stand November 2016: 33 Sprachen) zur Verfügung:
berücksichtigt, die Psychoedukation, Training von Pro- www.uke.de/mkt. In acht Trainingseinheiten (Modulen)
blemlösefähigkeiten, Krisenmanagement und/oder Part- werden Patienten mit Schizophrenie typische Denkverzer-
nertherapie vorsahen und wenigstens 6 Wochen dauerten. rungen und einseitige Problemlösestile (7 Kap. 3) spiele-
Schließlich bieten die meisten psychiatrischen Kliniken risch vor Augen geführt (Moritz et al. 2005). Zudem gibt es
Psychoedukation an, welche sich nach der Metaanalyse von zwei Zusatzmodule, die sich verstärkt mit dem Thema
Lincoln und Mitarbeitern (2007) bei aktiver Beteiligung der Selbstwert sowie dem Umgang mit Vorurteilen/Stigmati-
Familie als wirksam für die Reduktion der Symptomatik sierung aufgrund der Erkrankung beschäftigen. Diese
sowie die Vorbeugung von Rückfällen erwiesen hat. Primä- Inhalte wurden ergänzt, weil sowohl die klinische Praxis
res Ziel dieser Maßnahme ist die Aufklärung und Informa- als auch die Forschung zeigten, dass der therapeutische
tionsvermittlung für Patienten und Angehörige bezüglich Bedarf der Patienten an dieser Stelle sehr groß ist (Brohan
des Störungsbildes (z. B. Symptome, Verlauf, Ursachen), et al. 2010; Moritz et al. 2016a). Das MKT wurde zunächst
Behandlungsmöglichkeiten und Rückfallprophylaxe (u. a. als Gruppentraining konzipiert, welches möglichst zwei-
Identifikation von Frühwarnsymptomen). Zudem spielen mal wöchentlich stattfinden sollte.
die Förderung der Behandlungsbereitschaft, Stärkung von Die Module des Gruppenansatzes werden über PDF-
Problemlösestrategien und die Ermittlung von Ressourcen konvertierte Powerpoint-Folien präsentiert. Die allerers-
sowie Stressbewältigung eine wichtige Rolle. Eine deutsche ten Übungen waren fast 1:1 dem Stimulusmaterial unserer
Studie zeigt, dass die günstigen Auswirkungen von psycho- Grundlagenforschungsstudien entliehen und zielten nach
edukativer Behandlung auch 7 Jahre später nachweisbar kurzer Einleitung darauf ab, den Patienten die Fehlbarkeit
bleiben (Bäuml et al. 2007). ihrer Bewertungen und Urteile zu demonstrieren, um mit-
Obgleich Studien belegen, dass Angebote, die Angehö- telbar Zweifel zu säen und über »Aha-Erlebnisse« starre
rige einbeziehen, wie Familientherapie oder Psychoeduka- Wahnideen und Überzeugungen von der Existenz von
tion besonders effektiv sind, legt eine eigene Befragung Stimmen zu erschüttern. Über die Jahre wurde das Trai-
von 80 Menschen mit Psychosen, die aus dem gesamten ning weiter verfeinert und um viele Übungen ergänzt. Das
2.6 · Metakognitive Therapie als neue Behandlungsmethode
29 2
Rational des Trainings, die Reduktion psychotischer Sym- setzt ein Gruppentraining aus Gründen von Zeit und Pri-
ptome durch »Begradigung« zugrunde liegender Denkver- vatsphäre der Behandlung individueller Themen enge
zerrungen, wurde den Patienten zunächst nicht explizit Grenzen. Patienten mit Schizophrenie unterscheiden sich
mitgeteilt, da wir befürchteten, dass diese gekränkt reagie- außerdem sehr bezüglich ihrer Störungseinsicht, Wahnin-
ren oder intellektuell überfordert sein könnten, wenn sie halte und ihrem Grad der Überzeugtheit von ihren Ideen.
mit Erkenntnissen der Grundlagenforschung konfrontiert Es ist daher schwer möglich, in der Gruppe direkt über
werden und ein allzu expliziter Bogen zur Symptomatik individuelle Wahnthemen zu sprechen. Öffnen sich Pa-
geschlagen wird. tienten bezüglich ihrer Wahnideen, verhalten sich manche
Die Akzeptanz des Trainings durch die Patienten war Mitpatienten »unsolidarisch« und verständnislos. Nieder-
von Beginn an sehr gut (7 Abschn. 2.6.3), wobei die Rück- gelassene Kollegen baten uns außerdem, eine Variante für
meldungen und Änderungsvorschläge der Teilnehmer zu die Einzeltherapie zu erstellen, da sich die Gruppenfolien
laufenden Revisionen geführt haben. So wurden Übungen, hierfür nicht optimal eignen. Den endgültigen Startschuss
die sich als langatmig oder unbeliebt herausgestellt haben, für die Erarbeitung einer individualisierten Variante liefer-
entfernt. Uns fiel jedoch im Laufe der Zeit auf, dass einige te eine eher zufällige Begebenheit. Einer unserer Patienten
Patienten das Training als reinen Denksport betrachteten brach das Gruppentraining mit der Begründung ab, die
und den Bezug zur Psychose allgemein und ihren persön- behandelten Themen seien für ihn nicht relevant. Er würde
lichen Symptomen im Besonderen nicht herzustellen ver- nicht voreilig schlussfolgern und hätte keine der bespro-
mochten. Auch die Frage, was das Ganze denn soll, wurde chenen Denkverzerrungen. Ein Gespräch mit seiner Mut-
gelegentlich laut und seit 2006 dann auf einer eigenen Folie ter sowie die Verhaltensbeobachtung während der Grup-
pro Modul aufgegriffen und beantwortet. Entgegen unse- pensitzungen zeichneten dagegen ein deutlich anderes
rer initialen Befürchtung machten wir durchweg positive Bild: Der Patient wies viele Denkverzerrungen auf, war
Erfahrungen damit, den Patienten das Rational des Trai- sich dieser aber aufgrund mangelnder Introspektions-
nings transparent zu machen und mit Fallbeispielen die fähigkeit (Metakognition) ungenügend bewusst. Hier hätte
möglichen Konsequenzen von Denkverzerrungen auf psy- eine angepasste, individuelle Therapie möglicherweise hel-
chotische Symptome zu vermitteln. Hierdurch wird oft fen können. Weitere Erfahrungen zeigten, dass gerade
eine lebhafte Diskussion in der Gruppe angestoßen, bei der auch affektive oder Selbstwertprobleme besser im Einzel-
die Teilnehmer eigene Erfahrungen austauschen. Da Pa- setting besprochen werden können, da diese häufig zu pri-
tienten mit Schizophrenie in etwa 50 % der Fälle starke vat sind, um sie in der Gruppe zu thematisieren. Im MKT+
Gedächtnisprobleme aufweisen, die vor allem das Neuler- wurde der Bedarf der Patienten nach Bearbeitung affekti-
nen und weniger das Behalten bereits gelernten Materials ver und Selbstwertthematiken aufgegriffen und in zwei
betreffen (Moritz et al. 2001b), erarbeiteten wir Merkblät- Trainingseinheiten umgesetzt (7 Therapieeinheit 9 »De-
ter mit Hausaufgaben, die die Nachhaltigkeit des Trainings pression und Denken« und 7 Therapieeinheit 10 »Selbst-
stärken sollten. Inspiriert durch die Fußballweltmeister- wert«).
schaft im eigenen Lande haben wir 2006 laminierte gelbe Die im Gruppentraining thematisierten Denkverzer-
und rote Karten im Training ausgegeben, die in den spezi- rungen bilden die theoretische Basis des MKT+. Das
fischen Anleitungen zur 7 Therapieeinheit 2 (Einführung MKT+ ist jedoch autonom (7 Abschn. 4.4.2, in dem eine
in das Metakognitive Therapieprogramm) in 7 Abschn. 5.1 mögliche Kombination von Einzel- und Gruppen-MKT
vorgestellt werden und die Umsetzung der Lernziele im besprochen wird). Die Therapie setzt bei kognitiven Ver-
Alltag befördern sollen. Das MKT+ ist aus diesem Grup- zerrungen an (metakognitiver Teil) und schlägt dann die
penansatz hervorgegangen. Brücke zu psychotischen Symptomen. Im Gegensatz zum
Gruppentraining werden im MKT+ die erarbeiteten Er-
kenntnisse mithilfe bewährter verhaltenstherapeutischer
2.6.2 Wieso MKT+? Techniken auf persönliche Probleme und Symptome über-
tragen und angewendet. Die Therapie wird durch eine
Das Gruppentraining hat sich bewährt, und es gibt eine Anamnese eingeleitet, und auch die Erarbeitung eines in-
Reihe – auch unabhängiger – Belege für die Effektivität des dividuellen Erklärungsmodells und einer Rückfallprophy-
Trainings (7 Abschn. 2.6.3). Gleichzeitig reicht das Grup- laxe sind wesentliche Bestandteile des MKT+.
pentraining unseres Erachtens bei einigen Patienten nicht
aus, erzielte Änderungen langfristig zu verankern und ei-
nem erneuten Rückfall prophylaktisch entgegenzuwirken. 2.6.3 Bisherige Befunde
Gerade bei hoch psychotischen Patienten ist das Gruppen-
training nicht indiziert (Moritz et al. 2016b, Kommentar zu Eine Reihe von Studien hat die Akzeptanz und Wirksam-
der Metaanalyse von van Oosterhout et al. 2015). Zudem keit des Metakognitiven Trainings untersucht. Die meisten
30 Kapitel 2 · Schizophrenie

dieser Untersuchungen evaluierten das Metakognitive beobachtete Ausmaß der Veränderung von Positivsympto-
Gruppentraining (MKT) in der im Internet bereitgestellten men gegenüber Kontrollgruppen reicht von kleinen
Fassung. Einzelne andere Arbeiten untersuchten entweder (Aghotor et al. 2010) und mittleren (Briki et al. 2014;
2 eine verkürzte Version oder eine Kombination aus MKT Favrod et al. 2014; Gawęda et al. 2015; Kumar et al. 2010;
mit anderen Ansätzen. In den letzten Jahren wurden zu- Kuokkanen et al. 2014; Moritz et al. 2011b, 2013b), bis zu
nehmend auch individualisierte Ansätze des MKT auf ihre großen Effektstärken (Balzan et al. 2014; Erawati et al.
Wirksamkeit hin überprüft. Insbesondere das Individuali- 2014; So et al. 2015). Faktoren, die zu den verschiedenen
sierte Metakognitive Therapieprogramm (MKT+) oder Effektstärken beigetragen haben, betreffen unseres Erach-
angepasste Gruppen-MKT-Module, welche auf die Be- tens vor allem Unterschiede in der Wahl der Zielparameter
dürfnisse einzelner Patienten zugeschnitten wurden, wa- (z. B. subjektive vs. objektive Erfassung von Wahn) sowie
ren Untersuchungsgegenstand. des gewählten Designs (Wartekontrollgruppe vs. aktive
Im Folgenden werden die uns bekannten Studien zu- Kontrollgruppe).
nächst in Hinblick auf die Akzeptanz des MKT und seine Die Auswirkung auf die Schwere des Wahns oder ande-
Wirksamkeit auf Positivsymptome und kognitive Verzer- re Dimensionen des Wahns (Moritz et al. 2011a), die mit der
rungen narrativ zusammengefasst. Am Ende jeden Ab- Wahnskala der Psychotic Symptom Rating Scales (PSYRATS;
schnitts folgen die Ergebnisse metaanalytischer Übersich- Haddock et al. 1999) und/oder Items der PANSS (Kay et al.
ten (Eichner u. Berna 2016; van Oosterhout et al. 2015). 1989) erfasst werden, zeigt häufig höhere Effekte gegenüber
der Erfassung des gesamten Positivsyndroms. Während
Sicherheit und Akzeptanz einige Studien eine Verbesserung sowohl auf der PANSS
Nachdem am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf wie auch der PSYRATS zeigen (u. a. Favrod et al. 2014; Fer-
eine Machbarkeitsstudie (Moritz u. Woodward 2007) viel- werda et al. 2010; So et al. 2015), lässt sich in anderen eine
versprechende Ergebnisse erbrachte, belegten weitere Stu- höhere Sensitivität der PSYRATS im Vergleich zur PANSS
dien die Sicherheit und Akzeptanz des MKT. Die bisheri- finden (Moritz et al. 2011a; Moritz et al. 2013b). Aber auch
gen Studien demonstrieren einhellig, dass das MKT von umgekehrte Ergebnismuster wurden einzeln berichtet
den Patienten gut angenommen wird (Aghotor et al. 2010; (Briki et al. 2014; Moritz et al. 2011b). Diese Diskrepanzen
Balzan et al. 2014; Briki et al. 2014; Buonocore et al. 2015; könnten partiell auf gewichtige Unterschiede zwischen den
Erawati et al. 2014; Favrod et al. 2011, 2014; Ferwerda et al. beiden Skalen zurückgeführt werden. Die PSYRATS ist
2010; Lam et al. 2014; Moritz et al. 2011a, 2011b, 2013b; So feinkörniger und unterscheidet verschiedene Aspekte von
et al. 2015; Ussorio et al. 2015). Die Teilnehmer berichte- Wahn und Halluzinationen (wie Überzeugung und Belas-
ten, das MKT habe ihnen Spaß bereitet, und ca. drei von tung), die in den PANSS-Items P1 (Wahnvorstellungen)
vier Teilnehmern würden es anderen Betroffenen weiter- und P3 (Halluzinationen) zusammengefasst werden. Aller-
empfehlen. Obwohl Spaß am Programm sowie der subjek- dings ist zu berücksichtigen, dass Patienten teilweise zu
tive Nutzen selbstverständlich allenfalls sekundäre Ziel- Beginn einer Studie aufgrund mangelnder Krankheitsein-
parameter darstellen, halten wir sie dennoch für essenziel- sicht oder Misstrauen Symptome unterberichten. Dies
le Voraussetzungen für eine erfolgreiche und nachhaltige kann dazu führen, dass das Ausmaß der Symptomreduk-
Behandlung der Zielsymptomatik. Menschen mit Psycho- tion nicht ausreichend/weniger stark abgebildet wird. Die
se weisen häufig Antriebsminderung und Affektverfla- PSYRATS ist wahrscheinlich anfälliger für derartige Effek-
chung auf, die Risikofaktoren für eine geringe Adhärenz te als die PANSS, da das Rating der PSYRATS in höherem
und Änderungsmotivation darstellen. Maß von Selbsteinschätzungen des Patienten determiniert
In einer Metaanalyse von Eichner und Berna (2016), in ist. Aus den genannten Gründen werden weitere kontrol-
der 16 Studien berücksichtigt wurden, fand sich eine hohe lierte Studien mit einheitlichen Zielparametern benötigt,
Effektstärke gegenüber einer Kontrollintervention bezüg- um Effekte und Wirkungsgrad des MKT auf Positivsym-
lich der Akzeptanz seitens der Patienten (Hedges g = 0.84). ptome abschließend zu beurteilen.
Hedges g-Werte können analog den Werten von Cohens d Die meisten Studien befassen sich vor allem mit der
interpretiert werden: 0.2 = schwacher Effekt, 0.5 = mittle- kurzfristigen Wirksamkeit des MKT: Veränderungen der
rer Effekt, 0.8 = starker Effekt. Symptome und kognitive Verzerrungen wurden lediglich
unmittelbar nach Beendigung der Intervention abgebildet.
Wahnvorstellungen und Positivsymptome Zwei Studien (Favrod et al. 2014; Moritz et al. 2013b) legen
Die meisten Studien konnten eine Symptomverbesserung darüber hinaus die langfristige Wirksamkeit des MKT
auf den Dimensionen Positivsymptomatik und Wahn nahe (bis zu 6 Monaten nach der Intervention). Moritz und
durch unsere metakognitiven Interventionen belegen. Le- Kollegen (2014b) konnten zudem sog. »Schläfereffekte«
diglich eine Studie bildet eine Ausnahme (van Oosterhout 3 Jahre nach der Intervention feststellen: Verglichen mit
et al. 2014), auf die unten näher eingegangen wird. Das der aktiven Kontrollgruppe zeigten die MKT-Teilnehmer
2.6 · Metakognitive Therapie als neue Behandlungsmethode
31 2
eine signifikante Verbesserung im PANSS-Gesamtscore oder zu Beginn der Therapie. Da diese konfundierenden
sowie bezüglich der Lebensqualität und des Selbstwertge- Variablen im Laufe der Zeit abnehmen, kann der paradoxe
fühls; zum Messzeitpunkt 6 Monate nach der Intervention Effekt auftreten, dass Symptome im Verlauf verschlechtert
lagen in diesen Parametern noch keine derartigen Unter- scheinen, obwohl sich diese in Wahrheit verbessert haben.
schiede zwischen den Gruppen vor. Noch wichtiger ist aus unserer Sicht, dass in diese Studie
Positive Auswirkungen auf die Symptome konnten nur Patienten mit mittlerem oder hohem Wahnerleben
ebenfalls mit abgeänderten oder verkürzten Versionen des eingeschlossen wurden. Obwohl dies für ein Training zur
MKT (Ross et al. 2011) wie dem Maudsley Review Training Verbesserung von Wahnvorstellungen auf den ersten Blick
Programme bzw. Reasoning Training (Waller et al. 2011) folgerichtig erscheint, sind homogene Gruppen hoch
festgestellt werden. Hierbei handelt es sich um ein compu- wahnhafter Patienten aus klinischer Sicht und nach unse-
tergestütztes Trainingsprogramm mit fünf Aufgaben, rer Erfahrung problematisch, da sich die Patienten oft
welche voreiliges Schlussfolgern und problemlösendes leicht ablenken lassen oder durch unangemessene Kom-
Denken (»reasoning«) zum Inhalt haben. Zwei der fünf mentare die Gruppe stören. Daher empfiehlt das Manual,
Aufgaben orientieren sich an Modul 2 (voreiliges Schluss- dass Patienten das Gruppentraining beginnen, sobald sie
folgern) des MKT (eine Aufgabenstellung wurde direkt aus einen ausreichend stabilen Zustand erreicht haben.
dem MKT-Modul übernommen; eine andere aus der Stu- Die bereits genannte Metaanalyse von Eichner und
die von Ross et al. (2011) wurde später in das MKT einge- Berna (2016) findet für die 16 berücksichtigten Studien
arbeitet). Eine portugiesische Studie (Rocha u. Queirós signifikante schwache bis mittlere Effekte zugunsten des
2013), die das MKT mit Aspekten zu sozialer Kognition MKT in Bezug auf die Positivsymptomatik (Hedges g = 0.34)
und Interaktionstraining kombinierte (SCIT; Combs et al. sowie Wahn (Hedges g = 0.41) im Vergleich mit einer
2007), fand einige allgemeine Verbesserungen, jedoch kei- Kontrollgruppe, wobei der Effekt im Einzelsetting er-
ne Verbesserung der Positivsymptomatik. wartungsgetreu größer ausfällt. Eine weitere Metaanalyse
Eine Studie von Ussorio und Kollegen (2015) unter- von van Oosterhout und Kollegen (2015) ist von uns aus-
suchte die Wirksamkeit des MKT auf Positivsymptome in führlich in Psychological Medicine diskutiert worden (Mo-
zwei Gruppen von Patienten mit Schizophrenie, die sich in ritz et al. 2016b). Diese Metaanalyse schloss eine Reihe von
Bezug auf die Dauer der unbehandelten Psychose unter- Studien mit positiven Ergebnissen für das MKT aus, da
schieden. Es wurde kein signifikanter Unterschied zwi- nach Angabe der Autoren bestimmte Werte in den Origi-
schen Patienten mit einer kurzen Dauer der unbehandel- nalarbeiten nicht zu finden waren. Einer Empfehlung der
ten Psychose (<12 Monate) und einer längeren Dauer sog. PRISMA-Richtlinien, nach denen Autoren einer
(>12 Monate) festgestellt. In beiden Gruppen fanden sich Metaanalyse Studienleiter kontaktieren sollten, um fehlen-
Verbesserungen in Höhe einer großen Effektstärke in de Werte zu ermitteln, wurde nicht Folge geleistet bzw. die
Bezug auf die allgemeine Psychopathologie und die Posi- übermittelten Werte nicht übertragen. Dennoch findet die
tivsymptome. Die Befunde weisen darauf hin, dass die Metaanalyse mindestens schwache Effekte für die Positiv-
Wirksamkeit des MKT von der Dauer der unbehandelten symptomatik und den Wahn. Der interessierte Leser sei auf
Psychose nicht beeinflusst wird. die Metaanalyse von van Oosterhout und Kollegen (2015)
Wie bereits erwähnt, zeigte eine niederländische Studie bzw. unseren eingeladenen Kommentar verwiesen, um
(van Oosterhout et al. 2014) keine Vorteile des MKT ge- sich ein eigenes Bild zu machen.
genüber einer Kontrollbehandlung bezüglich der Zielpara-
meter. Die Verbesserungen in der MKT-Gruppe, insbeson- Kognitive Verzerrungen
dere für Wahn gemessen mit der PSYRATS (3,5 vs. Verschiedene Studien untersuchten die Auswirkungen des
1,6 Punkte) und den Green et al. Paranoid Thought Scales MKT auf kognitive Verzerrungen, insbesondere auf das
(GPTS; 16,9 vs. 14,7 Punkte), waren kleiner als in der Pi- voreilige Schlussfolgern. Einige (Aghotor et al. 2010; Bal-
lotstudie derselben Arbeitsgruppe (Ferwerda et al. 2010). zan et al. 2014; Ferwerda et al. 2010; Moritz et al. 2011a,
Die Studie basiert zudem auf einer großen Teilstichprobe, 2011b; Ross et al. 2011; So et al. 2015; Waller et al. 2011),
die an einer frühen Version des MKT teilnahm. Spätere aber nicht alle Studien (Gawęda et al. 2014; Kuokkanen et
Versionen legen ein größeres Augenmerk auf das »Säen al. 2014; Moritz et al. 2013b) konnten für MKT oder MKT-
von Zweifel« und ermutigen die Teilnehmer, ihre Entschei- Varianten eine Verbesserung der Informationserfassung
dung zu überdenken, wenn Beweise schwach und/oder die oder des voreiligen Schlussfolgerns nachweisen. Hier
Folgen schwerwiegend sind. Eine mögliche Einschrän- konnten zumindest schwache bis moderate Effektstärken
kung dieser Studie ist, dass eine Selbstbeurteilungsskala als erreicht werden. Eine neuere Studie (Köther et al. 2016)
primärer Outcome-Parameter fungierte. Aufgrund von zeigt, dass die übermäßige Sicherheit bei Fehlern 6 Mona-
Symptomen wie Misstrauen und mangelnder Krankheits- te nach der Behandlung in größerem Umfang durch das
einsicht verschweigen Patienten häufig Symptome vor MKT gegenüber einer aktiven Kontrollgruppe abnahm.
32 Kapitel 2 · Schizophrenie

Belege aus drei Untersuchungen weisen vorläufig darauf Literatur


hin, dass ein individuelles Training im Vergleich zu einem
Achim, A. M., Maziade, M., Raymond, É., Olivier, D., Mérette, C., & Roy,
Gruppentraining effektiver auf die Korrektur dieser, eher M. A. (2011). How prevalent are anxiety disorders in schizophre-
2 tief verwurzelten Verzerrungen, wirken kann (Balzan et al. nia? A meta-analysis and critical review on a significant associa-
2014; Moritz et al. 2011b; Ross et al. 2011). Positive Aus- tion. Schizophrenia Bulletin 37, 811–821.
wirkungen des MKT wurden auch für eine weitere kogni- Adriano, F., Caltagirone, C., & Spalletta, G. (2012). Hippocampal
tive Verzerrung, die illusionäre Kontrolle, festgestellt (Bal- volume reduction in first-episode and chronic schizophrenia:
A review and meta-analysis. The Neuroscientist 18, 180–200.
zan et al. 2014). Weitere Arbeiten sind jedoch erforderlich,
Agid, O., Kapur, S., Arenovich, T., & Zipursky, R. B. (2003). Delayed-onset
um zu untersuchen, ob und in welchem Maß das MKT hypothesis of antipsychotic action: a hypothesis tested and
auch einen Effekt auf andere Verzerrungen als das voreilige rejected. Archives of General Psychiatry 60, 1228–1235.
Schlussfolgern hat. Aghotor, J., Pfueller, U., Moritz, S., Weisbrod, M., & Roesch-Ely, D. (2010).
Einsicht in kognitive Fehler (»cognitive insight«) oder Metacognitive training for patients with schizophrenia (MCT):
Feasibility and preliminary evidence for its efficacy. Journal of
Metakognition wurden mit verschiedenen Fragebögen,
Behavior Therapy and Experimental Psychiatry 41, 207–211.
z. B. der Beck Cognitive Insight Scale (BCIS; Beck et al. American Psychiatric Association (APA). (2013). Diagnostic and statisti-
2004) erfasst. Verbesserungen wurden in einigen (Erawati cal manual of mental disorders (5th ed.). Arlington, VA: American
et al. 2014; Ferwerda et al. 2010; Gawęda et al. 2014; Lam Psychiatric Publishing.
et al. 2014), aber nicht allen Studien verzeichnet (van Oos- American Psychiatric Association (APA). (2015). Schizophrenia spec-
trum and other psychotic disorders: DSM-5 selections. Arlington,
terhout et al. 2014). Eine Studie fand eine größere Verbes-
VA: American Psychiatric Publishing.
serung bezüglich der klinischen, nicht aber der kognitiven Andreasen, N. C., Flaum, M., Swayze, V. W., Tyrrell, G., & Arndt, S. (1990).
Einsicht (»insight«) (Balzan et al. 2014). Eine indonesische Positive and negative symptoms in schizophrenia. A critical
Studie (Erawati et al. 2014) hat mithilfe des Metacognitive reappraisal. Archives of General Psychiatry 47, 615–621.
Abilities Questionnaire (MAQ) sehr große Effekte zuguns- Andreou, C., Moritz, S., Veith, K., Veckenstedt, R., & Naber, D. (2014).
ten des MKT erzielt, wobei hier zu beachten ist, dass in Dopaminergic modulation of probabilistic reasoning and over-
confidence in errors: a double-blind study. Schizophrenia Bulletin
dieser Studie kein randomisiertes kontrolliertes Design
40, 558–565.
angewendet wurde. Balzan, R. P., Delfabbro, P. H., Galletly, C. A., & Woodward, T. S. (2014).
Die bereits angesprochene Metaanalyse von van Oos- Metacognitive training for patients with schizophrenia: Prelimi-
terhout und Kollegen (2015) ermittelte einen schwachen nary evidence for a targeted, single-module programme. The
bis mittleren Effekt zugunsten des MKT für kognitive Ver- Australian and New Zealand Journal of Psychiatry 48, 1126–1136.
Bäuml, J., Pitschel-Walz, G., Volz, A., Engel, R. R., & Kessling, W. (2007).
zerrungen (Hedges g = 0.31), der aufgrund der geringen
Psychoeducation in schizophrenia: 7-year follow-up concerning
Teststärke infolge weniger berücksichtigter Studien nicht rehospitalization and days in hospital in the Munich Psychosis
signifikant war. Information Project Study. Journal of Clinical Psychiatry 68, 854–861.
Einige der eben erwähnten Instrumente finden sich im Bechdolf, A., & Klingberg, S. (2014). Psychotherapie bei schizophrenen
7 Anhang dieses Manuals. Sie eignen sich zum einen für die Störungen: Kein Evidenz-, sondern ein Implementierungspro-
blem. Psychiatrische Praxis 41, 8–10.
klinische Einschätzung des Patienten und können einen
Beck, A. T., Baruch, E., Balter, J. M., Steer, R. A., & Warman, D. M. (2004).
Bezugspunkt für die Therapie und Therapieevaluation bil- A new instrument for measuring insight: The Beck Cognitive
den (z. B. der Fische-Test zur Messung des voreiligen Insight Scale. Schizophrenia Research 68, 319–329.
Schlussfolgerns, Moritz et al. 2010; angelehnt an den Ku- Bell, V., Halligan, P. W., & Ellis, H. D. (2008). Are anomalous perceptual
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aber auch eine wichtige diagnostische Ergänzung zu etab- Birchwood, M., Smith, J., Drury, V., Healy, J., Macmillan, F., & Slade, M.
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39 3

Theoretische Annahmen:
Kognitive Verzerrungen bei Wahn
Steffen Moritz, Eva Krieger, Francesca Bohn, Ruth Veckenstedt

3.1 Zuschreibungsstil – 40

3.2 Voreiliges Schlussfolgern – 42

3.3 Unkorrigierbarkeit – 44

3.4 Theory of Mind – 46

3.5 Überhöhte Urteilssicherheit bei Fehlerinnerungen – 48

3.6 Selbstwert und Stimmung – 50

Literatur – 52

S. Moritz et al., MKT+,


DOI 10.1007/978-3-662-52998-0_3, © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
40 Kapitel 3 · Theoretische Annahmen: Kognitive Verzerrungen bei Wahn

Eine psychologische, verständnisbasierte Auseinanderset- Fallbeispiel


zung mit Wahn und Schizophrenie hat erst in jüngster Zeit Herr L. leitet die Buchhaltung einer Möbelfirma. In der
an wissenschaftlicher Akzeptanz und klinischem Einfluss ersten Therapiesitzung berichtet er, dass er bei seiner Arbeit
gewonnen. Für diese verzögerte Entwicklung scheint, wie stets hervorragende Leistungen erbringe und der Betrieb
bereits erwähnt, ein historischer Vorbehalt bezüglich der durch seine legale, aber »kreative Buchführung«, vor allem
Durchführbarkeit und des Erfolgs psychotherapeutischer bei Abschreibungen, viel Geld spare. Sein Vorgesetzter habe
3 Maßnahmen bei psychotischen Störungen seitens der letzte Woche eine Krisensitzung einberufen, da schwere
großen therapeutischen Schulen, u. a. der Psychoanalyse, Fehler bei der Abrechnung aufgefallen seien. Der Chef habe
verantwortlich zu sein (für neuere Entwicklungen siehe ihn zwar nicht direkt der Fehler bezichtigt, aber längere Zeit
jedoch u. a. von Haebler 2015). Unter dem Jaspers’schen fragend angeschaut. Als Leiter der Abteilung müsse er jetzt
Postulat der Unverstehbarkeit von Psychosen und Freuds wohl den Kopf hinhalten. Herr L. ist sich sicher, dass die Feh-
Annahme der fehlenden Gegenübertragung galten Schizo- ler durch seinen direkten Mitarbeiter absichtlich begangen
phrenie und Wahn lange Zeit auch unter Psychologen als wurden, da dieser neidisch auf seine guten Ideen sei und
rein biologisch begründet und damit als »Sache des Arztes seinen Posten wolle. Auf Nachfrage, wie er darauf komme,
bzw. Apothekers«. Diese Vorstellungen sind nicht zuletzt antwortet er nur kurz, dass er das wisse, er habe genügend
durch zahlreiche Befunde der Grundlagenforschung und Menschenkenntnis und bei einem früheren Arbeitgeber im
erfolgreiche verhaltenstherapeutische Ansätze korrigiert Übrigen Ähnliches erlebt. In der Sitzung habe er dann »Klar-
worden. text geredet« und seinen Verdacht geäußert. Er sei darauf-
Übersichtsarbeiten (Bell et al. 2006; Bentall et al. 2001; hin von seinem Chef abgemahnt worden, weil der seine Vor-
Dudley et al. 2015; Freeman 2007; Freeman et al. 2002; würfe für haltlos erachtete. Sein Chef habe ihm versichert,
Garety u. Freeman 2013; Savulich et al. 2012; Savla et al. dass er an ihm festhalte, aber dass er dringend »mal zum
2013; van der Gaag 2006) benennen verschiedene kogni- Psychologen« müsse. Aus Sicht des Chefs gingen alle Ent-
tive Domänen, denen eine pathogenetische Bedeutung bei scheidungen nun mal über seinen Schreibtisch und er sei
Wahn zukommt. Insbesondere Attributionsstil, schlussfol- daher mitverantwortlich. Der Chef meine, Herr L. sei er-
gerndes Denken, Integration von Widersprüchen, Einfüh- schöpft und daher teilweise unkonzentriert und leicht
lungsvermögen (»Theory of Mind«) und Selbstwert stehen reizbar. Daher sei er hier. Er säße aber, ehrlich gesagt, jetzt
im Fokus derzeitiger theoretischer Modelle. Nachfolgend lieber beim Betriebsrat oder Anwalt.
werden diese Domänen dargestellt und Studien beschrie-
ben, die Belege für die Stichhaltigkeit der Annahmen lie- Bentall und Kinderman griffen Anfang der 1990er-Jahre
fern. Die Behandlung dieser Funktionsbereiche ist zentra- eine bereits bei Alfred Adler anklingende Theorie auf, nach
les Anliegen des MKT+, und es mehren sich Hinweise, dass der Wahn auf eine übersteigerte Selbstdienlichkeitsten-
die verschiedenen Denkverzerrungen (»cognitive biases«) denz zurückgeht (»self-serving bias«). Selbstdienlichkeit
relativ unabhängig voneinander sind (Moritz et al. 2010a). beschreibt ein zweiseitiges Zuschreibungsmuster: Wäh-
Jeder Abschnitt wird mit einer Definition eingeleitet und rend man sich Erfolg selbst anrechnet, werden Schuld, Ver-
stellt mindestens eine zentrale Originalarbeit ausführlich sagen oder eigenes Missgeschick als Fehler anderer Perso-
vor. Ein Fallbeispiel illustriert zudem, wie die jeweilige nen oder Pech umgedeutet. Dieser »Knick in der Linse« bei
Denkverzerrung in Kombination mit anderen Faktoren der Bewertung von Situationen dient dem impliziten Ziel,
zur Entstehung von Wahnideen und Alltagsproblemen ein primär niedriges Selbstbewusstsein zu steigern (Bentall
beitragen kann. 1994; Bentall et al. 1991, 1994). Passend hierzu ist in frü-
heren Studien wiederholt ein erhöhtes explizites Selbst-
wertgefühl bei Wahn beschrieben worden (für eine Über-
3.1 Zuschreibungsstil sicht älterer Arbeiten siehe Bentall et al. 2001). Während
dieser Attributionsstil in schwacher Ausprägung durchaus
normal ist (ein deutsches Sprichwort besagt: »Der schlechte
Definition Schwimmer beschuldigt die Badehose«) und dem mensch-
Unter Attribution versteht man Ursachenzuschrei- lichen Bedürfnis entspringt, sich ins rechte Licht zu rü-
bungen, die Menschen für das Zustandekommen von cken, begünstigt dessen abnorme Steigerung zwischen-
Ereignissen anführen. Bei Menschen mit paranoiden menschliche Konflikte und eine zunehmende Realitätsver-
Ideen wurde wiederholt die Tendenz festgestellt, kennung bis hin zum Wahn (»Alle sind gegen mich«; »Man
Misserfolg anderen Personen zuzuschreiben. Weiter- sabotiert meine Arbeit«).
hin besteht die Tendenz, Ereignisse monokausal zu Beginnend mit einer Studie von Kinderman und Ben-
attribuieren. tall (1997, 7 Exkurs 3.1) konnte in einer Reihe von Arbeiten
gezeigt werden, dass Menschen mit Wahn die Ursache für
3.1 · Zuschreibungsstil
41 3
negative Ereignisse eher bei anderen Menschen oder In-
stitutionen suchen (external-personaler Attributionsstil),
während gesunde Personen zumeist besondere Umstände
oder Zufall für Misserfolge anführen. Wahnhafte Patienten
schreiben persönliches Scheitern häufig der Missgunst an-
derer Personen oder einem Komplott zu. Im Extremfall
können auch normale körperliche oder geistige Vorgänge
als Folge finsterer Machenschaften begriffen werden, z. B.
die Annahme, dass Konzentrationsstörungen oder Magen-
schmerzen durch bestimmte Substanzen oder Elektroden
hervorgerufen werden. Demgegenüber neigen depressive
Menschen dazu, Misserfolge sich selbst, Erfolge aber ande-
ren Personen oder äußeren Umständen zuzuschreiben
(u. a. Kinderman u. Bentall 1997). Teilweise ist bei de- . Abb. 3.1 Beispiel aus dem MKT-Gruppenmodul 1 (Zuschrei-
pressiven Patienten auch ein sog. depressiver Realismus bungsstil). Die Patienten werden mit mehrdeutigen positiven oder
negativen Situationen konfrontiert und sollen mögliche Entste-
beschrieben worden (Moritz et al. 2007): Der Wahrheit
hungsursachen erörtern. Ziel ist es, zu vermitteln, dass Situationen
wird illusionslos und ungeschönt ins Auge geblickt, und meist mehrere Ursachen haben (im Beispiel: ich = trage T-Shirt mit
die menschliche Tendenz, sich die »Dinge hinzubiegen«, provozierendem Aufdruck; andere Personen = haben über mich
ist nicht vorhanden. geredet und fühlen sich ertappt oder sind neugierig, wer gerade
Attributionsverzerrungen müssen nicht immer dra- hereinkommt; Umstände = zufällige Gesprächspause) und mono-
kausale Zuschreibungen häufig wirklichkeitsfern sind
matische Konsequenzen haben oder in Wahn münden,
führen aber – wie im 7 Fallbeispiel – häufig zu zwischen-
menschlichen Konflikten, die sich im Zusammenspiel mit Auch Stimmenhören stellt möglicherweise eine be-
anderen Faktoren, vor allem Stress und kognitiven Defi- sondere Form der externalen Attribution negativer Ereig-
ziten, leicht zu psychischen Krisen steigern können. Im nisse und somit kein ausschließlich sensorisches Phäno-
Stationsalltag ist häufig zu beobachten, dass Patienten vor- men dar, wie die in 7 Abschn. 2.4.5 zitierte Definition aus
bestehende oder rein subjektiv vorhandene (nicht objek- dem DSM-5 suggeriert. Danach werden vom Patienten als
tivierbare) kognitive Probleme auf die Medikamente fremd, unangenehm und anstößig empfundene Gedanken
schieben und sich bei Auseinandersetzungen mit anderen durch die Bewertung »So etwas würde ich nie denken«
Patienten selten an die »eigene Nase« fassen bzw. Fehler nach außen verbannt, während gesunde Personen in der
einräumen. Lage sind, auch persönlichkeitsfremde Gedanken als zu
Das Vorhandensein von Auffälligkeiten im Attribu- sich gehörend wahrzunehmen. Eine Externalisierungs-
tionsstil bei Wahn ist in der Wissenschaft weitestgehend tendenz für selbst generierte negative Wörter wurde bei
unstrittig. In den meisten Studien konnte eine Veränderung halluzinierenden Patienten mit Schizophrenie sowie hoch
des Attributionsstils mit akuten Wahnideen assoziiert wer- schizotypen Probanden wiederholt in neuropsychologi-
den. Allerdings finden sich über verschiedene Untersu- schen Tests gefunden. Dabei wurde von den Probanden
chungen hinweg Abweichungen des Ergebnismusters. verlangt, zu unterscheiden, ob zu lernende Wörter von
Während die Externalisierung und vor allem Personalisie- einem Versuchsleiter oder Computer vorgegeben wurden
rung von Misserfolg als gut belegt gilt, fand sich in einer oder selbst generiert waren (Larøi u. Woodward 2007).
Untersuchung unserer Arbeitsgruppe (Moritz et al. 2007) Ziel der 7 Therapieeinheit 4 (Zuschreibungsstil) des
sowie in anderen wissenschaftlichen Studien (z. B. Lincoln MKT+ ist es, Patienten zum einen die Multikausalität von
et al. 2010a; Mehl et al. 2010b) neben einer verstärkten Ex- Ereignissen vor Augen zu führen und zum anderen die
ternalisierung für Misserfolg eine ebensolche Tendenz für negativen Konsequenzen zu verdeutlichen, die entstehen,
positive Ereignisse, die auf ein »Ohnmachtsgefühl« bei ge- wenn andere Personen einseitig für Misserfolge verant-
genwärtig wahnhaften Patienten hindeutet. Der Erkrankte wortlich gemacht werden (z. B. werden Freunde zuneh-
erlebt sich als eine Art Marionette und empfindet wenig mend verärgert reagieren, wenn sie ständig als Sünden-
Kontrolle über sein Leben. In einer weiteren Studie unserer böcke instrumentalisiert werden). Diese Lernziele werden
Arbeitsgruppe (Randjbar et al. 2011) wurde eine Tendenz zunächst an fiktiven, später an eigenen Beispielen verdeut-
von Menschen mit Schizophrenie belegt, monokausal zu licht. . Abb. 3.1 zeigt eine typische Aufgabe aus dem Grup-
attribuieren: Statt mehrere Möglichkeiten zu erwägen, pen-MKT, welche an den Internal, Personal and Situational
schossen sich die Patienten auf eine Alternative ein. In einer Attributions Questionnaire (IPSAQ, Kinderman u. Bentall
neueren Studie zeigten Patienten ebenfalls eine stärkere 1996) angelehnt ist, der auch in einer deutschen Überset-
Tendenz, monokausal zu attribuieren (Mehl et al. 2014). zung vorliegt (7 Anhang und 7 Exkurs 3.1).
42 Kapitel 3 · Theoretische Annahmen: Kognitive Verzerrungen bei Wahn

Exkurs 3.1: Grundlagenforschung zum Attributionsstil bei Psychose

Kinderman und Bentall (1997) setzten fordert, Ursachen für die positiven und anführten, wiesen paranoide Patienten
erstmals den Internal, Personal and Situa- negativen Situationen anzugeben. Bei der die Tendenz auf, Schuld auf spezifische
tional Attributions Questionnaire (IPSAQ) in Zuschreibung soll zwischen den Ursa- andere Personen abzuwälzen. Die Resul-
einer Studie mit 20 wahnhaften, 20 de- chenquellen ich, andere Personen und Um- tate werden von Kinderman und Bentall
3 pressiven Patienten und 20 Kontrollperso-
nen ein. Der IPSAQ besteht aus insgesamt
stände unterschieden werden. Im Ein-
klang mit vielen Vorbefunden zeigten
als Beleg für ihr Modell erachtet, wonach
Wahnideen der Aufwertung eines tief
32 Items (Beschreibungen 16 positiver depressive Patienten in der Studie eine verwurzeltem reduzierten Selbstwertge-
sowie 16 negativer Situationen, z. B. »Ein Tendenz, sich selbst vor allem für nega- fühls dienen. Eine autorisierte Modifika-
Freund sagte, dass er Ihnen etwas übel tive Ereignisse verantwortlich zu fühlen. tion dieses Testverfahrens findet sich im
nimmt.«) und gilt seither als Goldstandard Anders als gesunde Versuchspersonen, 7 Anhang.
in der Attributionsforschung zu Wahn. die eher Zufall bzw. Pech für das Zustan-
Der Proband wird im Fragebogen aufge- dekommen von negativen Ereignissen

3.2 Voreiliges Schlussfolgern nen gefunden worden und scheint ein allgemeines Charak-
teristikum der paranoiden Schizophrenie zu sein (u. a.
Definition Garety et al. 1991; Moritz u. Woodward 2005).
Belege für diese Annahme sind vor allem mit dem sog.
Unter voreiligem Schlussfolgern werden (hastige) Ent-
Kugeltest (synonym: probabilistische Denkaufgabe) er-
scheidungen auf der Grundlage spärlicher oder wenig
bracht worden (Huq et al. 1988), der in . Abb. 3.2 in einer
verlässlicher Informationen verstanden. Diese Tendenz
Variante mit Fischen dargestellt ist. Dieser Test findet sich
konnte bei einer Vielzahl von Patienten mit einer
auch im 7 Anhang und unter http://extras.springer.com/.
(paranoiden) Schizophrenie nachgewiesen werden.
In der klassischen Variante werden dem Probanden
zwei Behälter mit bunten Kugeln in umgekehrten Mi-
schungsverhältnissen präsentiert (z. B. 85 %:15 % grüne
Fallbeispiel und rote Kugeln in Behälter A, das umgekehrte Verhältnis
Frau B., eine weitestgehend remittierte Patientin mit Schizo- in Behälter B) und anschließend verdeckt. Nachfolgend
phrenie, beschuldigt nach einer Gruppentherapiesitzung werden Kugeln aus einem der beiden Behälter gezogen,
den Therapeuten, in Wirklichkeit ihr Exfreund zu sein, der ihr und der Proband soll nach jedem Zug mitteilen, ob die
unter dem Deckmantel des Psychologen seit Jahren in der dargebotene Information für eine Entscheidung über die
Psychiatrie auflauere, um sie »fertigzumachen«. Der verblüff- Herkunft der Kugel(n) ausreicht oder ob weitere Kugeln
te Therapeut fragt, wie sie denn darauf komme – er sähe zur Sicherung des Urteils benötigt werden. Je nach Unter-
doch sicherlich ganz anders aus, und erkundigt sich weiter, suchung treffen etwa 40–70 % der Patienten mit Schizo-
ob der Exfreund denn überhaupt Psychologe sei. Dies, so die phrenie bereits nach einer oder zwei gezogenen Kugeln
Patientin, sei durch plastische Chirurgie und Urkundenfäl- eine Entscheidung. Korrelative Analysen, Vergleiche von
schung alles leicht zu realisieren. Nochmals auf den Grund akut wahnhaften mit remittierten Patienten sowie die
des Verdachts angesprochen, gab sie an, dass beide, Thera- wenigen vorhandenen Längsschnittstudien lassen den
peut und Exfreund, dieselben Initialen hätten. Das sei für sie vorsichtigen Schluss zu, dass auch nach Abklingen der
Beweis genug. Da es sich in diesem Fall um eine vage (»als psychotischen Symptomatik eine Tendenz zu überhasteten
ob«) Idee ohne den Charakter einer verfestigten wahnhaften Entscheidungen bestehen bleibt (Menon et al. 2008; Moritz
Überzeugung handelte (Wahneinfall), konnte sich die Pa- u. Woodward 2005; Peters u. Garety 2006). In Untersu-
tientin von der Idee zunehmend distanzieren und begeg- chungen, die emotional bedeutsameres Material einsetzten
nete dem Therapeuten in späteren Sitzungen ohne beson- (Young u. Bentall 1997) oder begleitend Stress ausübten
deres Misstrauen. (Lincoln et al. 2010b; Moritz et al. 2009b) wurden die Ef-
fekte bei Patienten mit Schizophrenie und hoch vulnerab-
Angesichts der oft abwegigen und scheinlogischen Erklä- len Personen in der Tendenz noch deutlicher (7 Exkurs 3.2).
rungen von Patienten mit Schizophrenie für alltägliche Gesunde und psychiatrische Kontrollen warten dagegen
Phänomene wurde schon früh angenommen, dass Dys- meist mehrere Züge ab, bevor sie sich entscheiden (Dudley
funktionen des abstrakt-rationalen Denkens an der Wahn- u. Over 2003) und reagieren bei Zugrundelegung der tat-
entstehung beteiligt sind. Voreiliges Schlussfolgern oder sächlichen Wahrscheinlichkeiten sogar überzögerlich.
»Kurzschlussdenken« (»jumping to conclusions«) ist wie- Neben dem Kugeltest konnte das Befundmuster auch in
derholt auch in neutralen (wahnunabhängigen) Situatio- anderen Paradigmen gesichert werden, z. B. mit einem von
3.2 · Voreiliges Schlussfolgern
43 3

. Abb. 3.2 Messung des voreiligen Schlussfolgerns mittels einer Modifikation des »Kugelparadigmas«: Die Aufgabe des Probanden ist es, zu
entscheiden, ob die geangelten Fische jeweils aus Teich A (vorwiegend orange Fische) oder Teich B (vorwiegend graue Fische) stammen.
Eine Entscheidung nach nur einem oder zwei Fischen weist auf voreiliges Schlussfolgern hin

unserer Arbeitsgruppe entwickelten Paradigma, welches frühzeitiger Abbruch der Aufgabe durch eine Entscheidung
an die »Wer wird Millionär?«-Quizshow angelehnt ist nicht möglich war, voreiliges Schlussfolgern bei Menschen
(Moritz et al. 2006b). mit Schizophrenie ebenfalls bestätigen (Moritz u. Wood-
Als weiterer Beleg für die Assoziation zwischen vorei- ward 2005). Auch wenn kein Zusammenhang zwischen
ligem Schlussfolgern und Wahn gelten Studien, die diese dem Wunsch nach sinnhafter Geschlossenheit und vorei-
Denkverzerrung an hochschizotypen Probanden demons- ligem Schlussfolgern nachgewiesen werden konnte (Free-
trieren konnten, d. h. Personen mit abgeschwächten, schi- man et al. 2006), belegen mehrere Studien sowohl eine er-
zophrenienahen Symptomen wie Argwohn und sensori- höhte NFC-Neigung bei Schizophreniepatienten (Bentall
schen Irritationen (Colbert u. Peters 2002; Ziegler et al. u. Swarbrick 2003) als auch bei subklinisch wahnhaften
2008). Zusätzlich ließ sich in einer Studie eine treppenför- Probanden (Colbert u. Peters 2002). Wiederholt konnte
mige Zunahme voreiligen Entscheidungsverhaltens von unsere Arbeitsgruppe voreiliges Schlussfolgern mit einer
niedrig über hoch schizotype Personen und biologische erniedrigten Entscheidungsschwelle bzw. liberaler Akzep-
Verwandte von an Schizophrenie Erkrankten bis hin zu tanz in Verbindung bringen (Moritz et al. 2006b, 2012a,
Patienten mit manifester Schizophrenie nachweisen (Van 2016b).
Dael et al. 2006). Für einen spezifischen Zusammenhang Neueren Studien zufolge ist Patienten das voreilige
zwischen Wahn und voreiligem Schlussfolgern spricht au- Schlussfolgern häufig nicht bewusst (Freeman 2006; Mo-
ßerdem, dass entsprechende Auffälligkeiten auch bei ritz et al. 2016c). Daher ist eines der Kernanliegen der ent-
nichtschizophrenen wahnhaften Patienten (ICD-Dia- sprechenden MKT+-Therapieeinheit, den Betroffenen die
gnosegruppe F22) berichtet wurden (Garety et al. 1991; Tendenz zum voreiligen Schlussfolgern erfahrbar zu ma-
Fear u. Healy 1997). Metaanalysen bestätigen einen linea- chen und dessen (negative) Konsequenzen an fiktiven (vor
ren Zusammenhang zwischen voreiligem Schlussfolgern allem die moderne Legende), später an eigenen Beispielen
und Paranoia, wenngleich die Effektstärke klein ist (Ross zu verdeutlichen. Die Übungen verwenden Aufgaben, bei
et al. 2015). dem frühe Festlegungen zu Fehleinschätzungen verleiten,
Als mögliche Einflussfaktoren für voreiliges Schluss- wodurch »Aha-Erlebnisse« vermittelt werden (. Abb. 3.3).
folgern im Kugeltest sind der Wunsch nach sinnhafter Ge-
schlossenheit (»need for closure«, NFC) sowie Motiva-
tionsdefizite angeführt worden. Verschiedene empirische
Arbeiten lassen den Einfluss dieser Variablen jedoch zwei-
felhaft erscheinen. So konnten Paradigmen, bei denen ein
44 Kapitel 3 · Theoretische Annahmen: Kognitive Verzerrungen bei Wahn

. Abb. 3.3 Aufgaben aus den MKT-Gruppenmodulen 2 und 7 (Voreiliges Schlussfolgern). Die Übungen beabsichtigen, Patienten die Nach-
teile und vor allem die Fehleranfälligkeit von voreiligem Schlussfolgern zu vermitteln. Bei oberflächlicher Betrachtung des linken Bildes wird
meist nur ein Tier entdeckt (Hase oder Ente). Beim rechten Bild (hier ist auf den tatsächlichen Bildtitel zu schließen) verführt eine vorschnelle
Vorgehensweise leicht zu einer falschen Wahl (z. B. b oder c). Erst bei gründlicher Betrachtung erblickt man Hinweise (z. B. der Brief auf den
Knien der Frau; die zweite Uniform, die wohl dem gefallen Ehemann gehört), die für die korrekte Lösung sprechen (d)

Exkurs 3.2: Grundlagenforschung zu voreiligem Schlussfolgern bei Psychose

In einer eigenen Untersuchung wurden und 10 (= passt exzellent) zu bewerten tienten selbst dann noch gefällt, wenn
27 Patienten mit Schizophrenie und (obligatorisch). Waren sich die Probanden der Abstand zur zweitbesten Alternative
32 gesunden Kontrollpersonen 15 klassi- bezüglich ihrer Einschätzung sicher, konn- gering war (sog. »photo finish«). Angstin-
sche Gemälde (analog . Abb. 3.3 rechts) ten sie eine Entscheidung treffen (optio- duzierende Musik führte zu einer Verstär-
gezeigt (Moritz et al. 2009b). Fünf Bilder nal). Die Bilder waren so gewählt, dass sie kung des voreiligen Schlussfolgerns bei
wurden mit positiver (»Take Five«) und häufig zu falschen Alternativen verführ- aktuell paranoiden Patienten. Die Studie
fünf mit negativer Musik (Filmmusik aus ten und die Darstellungen keine verläss- validiert zum einen die Behauptung, dass
dem Horror-Klassiker »Halloween«) unter- liche Wahl erlaubten. Patienten mit Schi- Patienten mit Schizophrenie voreilig
legt. Fünf weitere wurden ohne Musik zophrenie, vor allem jene mit erhöhten schlussfolgern, mit einem neuartigen
dargeboten, wobei die Reihenfolge der Ausprägungen von Verfolgungsideen, Paradigma und zeigt zum anderen, dass
Untermalung (positiv, negativ, keine) der fällten mehr unvorsichtige Entscheidun- diese kognitive Verzerrung durch emotio-
drei Bilderblöcke zwischen den Proban- gen als Gesunde, was sich u. a. in einer nale Einflüsse bzw. Stress verstärkt wird
den variierte. Die Aufgabe der Probanden erniedrigten Entscheidungsschwelle (d. h. (siehe auch Lincoln et al. 2010b; Mujica-
bestand darin, jeden von vier Titelvor- eine Entscheidung bei gleichzeitig niedri- Parodi et al. 2002).
schlägen für ein Gemälde nach Plausibili- ger Plausibilitätseinschätzung) zeigte.
tät zwischen 0 (= passt überhaupt nicht) Entscheidungen wurden bei vielen Pa-

3.3 Unkorrigierbarkeit Fallbeispiel


Herr S. ist Student an einer Musikhochschule. Er beschwert
Definition sich beim Direktor der Einrichtung, weil Mitstudenten seine
Kompositionen klauen würden. Bei einem Konzert, bei dem
Unter Unkorrigierbarkeit versteht man die Tendenz,
Kompositionen von Studenten vorgestellt wurden, ähnelte
einmal gefasste Annahmen beizubehalten und auf
der Refrain eines vorgetragenen Stückes seiner Meinung
diesen zu beharren trotz stichhaltiger Beweise für das
nach stark einer seiner eigenen Melodien. An dieser habe er
Gegenteil. Unkorrigierbarkeit ist eines der Haupt-
zu Hause in den letzten vier Wochen intensiv gefeilt. Nach
kriterien von Wahn. Eine verringerte Bereitschaft, die
der Aufführung konfrontiert er seine Mitstudenten mit sei-
eigene Position zu revidieren, ist jedoch auch bei
nem Verdacht. Diese versichern ihm, dass sie nichts kopiert
remittierten Schizophreniepatienten und in wahn-
hätten und dies ja auch praktisch unmöglich gewesen sei,
neutralen Situationen nachgewiesen worden.
da er im letzten Monat nie in der Musikhochschule gewesen
sei. Er spreche außerdem nie über seine Kompositionen
3.3 · Unkorrigierbarkeit
45 3
oder zeige ihnen keines seiner Notenblätter (7 Exkurs 3.3). Gegenbeweise häufiger an falschen Alternativen festhiel-
Diese Einwände überzeugen ihn nicht, sondern bestärken ten und so »auf dem Holzweg« blieben (7 Exkurs 3.4). Für
ihn noch in der Annahme, dass seine Kommilitonen sich die Bedeutsamkeit des BADE bei der Wahnentstehung
rausreden wollen und, in welcher Form auch immer, an sein spricht zum einen, dass sich eine verstärkte Unkorrigier-
geistiges Eigentum gelangt sind. Nachdem der Direktor die barkeit bei Schizophrenie nicht nur gegenüber gesunden,
Ähnlichkeit zwischen Original und »Plagiat« infrage stellt, sondern auch gegenüber psychiatrischen Kontrollperso-
erwägt Herr S. den Weg zum Anwalt, da er ein Komplott ver- nen nachweisen ließ (Sanford et al. 2014). Zudem weisen
mutet. auch hoch schizotype (Woodward et al. 2007) sowie erster-
krankte Patienten (Woodward et al. 2006a) diese Verzer-
Unkorrigierbarkeit stellt ein zentrales Wahnkriterium dar rung auf. Unkorrigierbarkeit scheint somit keine Folge der
(7 Abschn. 2.4). Der Betroffene leugnet Gegenargumente, Störung oder der Behandlung zu sein.
verweigert sich einer Diskussion durch sozialen Rückzug Im auffälligen Kontrast zu der festgestellten Rigidität
oder interpretiert selbst behutsam vorgebrachte und wohl- im Denken erachten sich viele Patienten mit Schizophrenie
meinende Kritik von Freunden oder Verwandten als zen- als unentschlossen (Freeman et al. 2006). Wie auch bei den
tral gelenktes, konspiratives Manöver. Wie schon bei den anderen hier besprochenen Denkfallen sind sich die Be-
vorigen Denkverzerrungen handelt es sich um eine Über- troffenen ihrer Denkverzerrung nicht (gänzlich) bewusst.
spitzung normaler menschlicher Rigidität, die manchmal Daher ist es ein zentrales Anliegen des MKT+, Patienten
als »Vogel-Strauß-Politik« oder »Scheuklappendenken« zu besserer Introspektion bezüglich ihrer problematischen
bezeichnet wird. Patienten neigen auch in neutralen, Informationsverarbeitung zu verhelfen.
wahnirrelevanten Situationen dazu, an frühzeitig favori- In 7 Therapieeinheit 6 (Korrigierbarkeit) des MKT+ wer-
sierten Meinungen festzuhalten und diese gegen Wider- den Bildergeschichten gezeigt, die Nachteile von mangeln-
sprüche zu verteidigen. Dies wurde mehrfach mit dem der Korrigierbarkeit erfahrbar machen: Die Geschichten
BADE-Paradigma (»bias against disconfirmatory evi- nehmen eine unerwartete Wendung und eine mangelnde
dence«) geprüft, welches in Form einer MKT-Gruppen- Offenheit für neue Hypothesen und Informationen verlei-
übung in . Abb. 3.4 veranschaulicht wird (Woodward et al. tet zur falschen Wahl (. Abb. 3.4). Im Rahmen dieser Ein-
2006b). Woodward und Mitarbeiter (2008) fanden, dass heit können auch Übungen zur Realitätsprüfung geplant
Patienten über sukzessiv dargebotene Bilder oder Sätze, die werden. Die Vorteile des Austausches mit anderen Perso-
auch Gesunde zunächst irreführen, trotz zunehmender nen werden zudem unterstrichen.

. Abb. 3.4 Aufgabe aus dem MKT-Gruppenmodul 3 (Korrigierbarkeit), angelehnt an die Aufgabenstellung des BADE-Paradigmas. Der Pro-
band soll nach jedem von drei sukzessiv eingeblendeten Bildern die Plausibilität der vier unteren Aussagen einschätzen. Das letzte Bild der
Sequenz (also 3) wird stets zuerst dargeboten. Dann folgt das zweite Bild und schließlich sieht man die ganze Sequenz. Auch in unabhängi-
gen Studien wurde festgestellt, dass Menschen mit Schizophrenie trotz wachsender Informationsmenge an »Köder-Interpretationen« (hier: 1
und 2) stärker festhalten als Gesunde, welche nach der Präsentation des zweiten Bildes die korrekte Lösung (hier: 3) bereits erahnen und im
Urteil umschwenken. Als wichtigster Aufgabenparameter gilt die Abschwächung ursprünglich plausibler – letztendlich aber falscher – Kö-
der-Alternativen im Verlauf (BADE-Index)
46 Kapitel 3 · Theoretische Annahmen: Kognitive Verzerrungen bei Wahn

Exkurs 3.3: Grundlagenforschung zu Vermeidungsverhalten bei Psychose

Vermeidung und Sicherheitsverhalten keine korrigierenden Erfahrungen ge- zelung). Die Mehrheit der Patienten wen-
(z. B. Vermummung durch Sonnenbrillen macht werden und so an einmal gefass- dete darüber hinaus verschiedene Arten
oder Kopftücher; Tragen von Glücksamu- ten falschen Überzeugungen unbeirrbar von Sicherheitsverhalten an. Es ist zu ver-
letten) werden eine besondere Rolle bei festgehalten wird. Freeman und Kollegen muten, dass diese Verhaltensweisen
3 der Aufrechterhaltung von psychischen
Erkrankungen zugeschrieben. Sicherheits-
(2007) untersuchten diese maladaptiven
Copingstrategien bei Patienten mit Wahn.
Wahnideen aufrechterhalten: Falsche An-
nahmen werden nicht auf ihren Realitäts-
verhalten bedeutet, dass eine Situation Die Autoren befragten 100 Patienten mit gehalt überprüft und herausgefordert.
nur ausgehalten werden kann, wenn akuten paranoiden Wahnideen zu ihren Das Ausbleiben korrigierender Erfahrun-
Rituale oder subjektiv sinnvolle Schutz- Strategien im Umgang mit wahnrelevan- gen zementiert die Erwartungsangst und
maßnahmen angewendet werden. Bei ten Situationen. Am häufigsten fand sich fördert dadurch weiteres Sicherheits- und
Patienten mit Schizophrenie könnten die- Vermeidungsverhalten (96 %, z. B. Meiden Vermeidungsverhalten.
se Verhaltensweisen dazu beitragen, dass von Polizeistationen bei Angst vor Bespit-

Exkurs 3.4: Grundlagenforschung zu mangelnder Korrigierbarkeit bei Psychose

Um die Unkorrigierbarkeit auch unabhän- ferte neue Informationen für das be- phrenie (unabhängig vom Wahnstatus),
gig von wahnhaften Überzeugungen zu schriebene Szenario. Mit der Präsentation im Vergleich zur gemischten Kontroll-
untersuchen, führten Woodward und Kol- des ersten Satzes wurden jeweils vier In- gruppe, ihr Urteil bezüglich der falschen
legen (2008) ein Experiment durch, bei terpretationen eingeblendet, die nach ih- Köder weniger korrigierten, wenn die Kö-
dem Interpretationen von Situationen be- rer Plausibilität bewertet werden sollten. der-Alternative zu Beginn sehr plausibel
urteilt werden sollten, die sich unerwartet Zwei Köder waren zu Beginn plausibel, war. Bei Interpretationen mit geringer
weiterentwickelten. An der Untersuchung wurden durch die Präsentation des zwei- Überzeugungsstärke (schwache Köder-
nahmen 33 wahnhafte und nichtwahn- ten und dritten Satzes aber immer un- Items) und der Integration passender In-
hafte Patienten mit Schizophrenie sowie wahrscheinlicher, während die zunächst formationen zeigten sich hingegen keine
25 gesunde und 18 zwanghafte Kontroll- unwahrscheinliche, aber richtige Erklä- Gruppenunterschiede. Die Ergebnisse
probanden teil. Per Computer wurden rung im Aufgabenverlauf an Plausibilität sprechen dafür, dass sich Menschen mit
25 schriftliche Situationsbeschreibungen zunahm. Eine der Alternativen war im einer Schizophrenie schlechter als Kon-
vorgegeben, die aus drei aufeinanderfol- ganzen Aufgabenverlauf unplausibel. Es trollpersonen von starken »Irrlichtern« lö-
genden Sätzen bestanden. Jeder Satz lie- zeigte sich, dass die Patienten mit Schizo- sen können.

3.4 Theory of Mind aneinander vorbeigehen. Frau P. ist der Meinung, dass die
junge Frau eine Allergie gegen ihren seltsamen Geruch habe.
Definition In der U-Bahn fällt ihr ein Mann auf, der wie auf der Suche
Unter dem Begriff »Theory of Mind« (ToM) versteht nach der Quelle eines Geruchs in die Luft schnuppert und
man die Fähigkeit, sich in andere Menschen hinein- dann die Nase rümpft. Ein anderer Fahrgast hält sich ein
zuversetzen und ihre Gedanken, Motive und Wünsche Taschentuch vor die Nase. Als eine Mutter mit Kinderwagen
zu erschließen. ToM setzt die Identifikation und kor- einsteigt, die ihr Kind anschreit, dass es endlich still sein solle,
rekte Bewertung emotionaler Hinweisreize voraus. ist Frau P. davon überzeugt, dass diese sich so aufrege, da sie
Gleichzeitig beinhaltet ToM, sich der eigenen Hand- sich durch ihren Geruch gestört fühle. Die verschiedenen
lungsmotive und -ziele bewusst zu sein. Defizite der Gesten und Verhaltensweisen der anderen Fahrgäste deutet
ToM sind bei Menschen mit Schizophrenie vielfach Frau P. als Beleg dafür, dass auch diese ihren Körpergeruch
beschrieben worden. wahrnehmen und sich dadurch gestört fühlen. Sie glaubt, die
anderen Menschen dächten nun abfällig von ihr. Ihr Hausarzt
kann die Geruchswahrnehmung von Frau P. nicht bestätigen
Fallbeispiel und überweist sie zu einem psychiatrischen Kollegen.
Frau P. nimmt seit einiger Zeit einen seltsamen Geruch wahr.
Sie versucht, die Quelle für diesen Geruch in ihrer Wohnung Der Begriff »Theory of Mind« (ToM) ist nur schwer ins
ausfindig zu machen, was ihr jedoch nicht gelingt. Sie be- Deutsche übertragbar und wurde früher gelegentlich als
ginnt, mindestens 3-mal pro Tag zu duschen, da sie zuneh- »Fähigkeit zum Überstieg« übersetzt. Meist wird der eng-
mend das Gefühl hat, dass der komische Geruch von ihr lische Terminus jedoch direkt verwendet, oder es wird von
selbst ausgeht. Als sie ihre Wohnung verlässt, um einkaufen sozialer Kognition oder »Einfühlen« gesprochen. So
zu gehen, begegnet ihr eine junge Frau, die niest, als sie schwierig wie die Übersetzung ist auch die inhaltliche Fül-
3.4 · Theory of Mind
47 3

. Abb. 3.5 Das Beispiel entstammt dem MKT-Gruppenmodul 4 (Einfühlung). Die Patienten sollen auf der Grundlage des Ausschnitts
bewerten, was in der abgebildeten Person vorgeht und in welcher Situation sich diese möglicherweise befindet. Das Beispiel verführt viele
Patienten zur falschen Antwortmöglichkeit 1 und zeigt eindrücklich, dass für eine verlässliche Beurteilung anderer Menschen neben dem
Gesichtsausdruck Zusatzinformationen herangezogen werden sollten (wie Kleidung, Gestik etc.). Sofern diese nicht vorhanden sind, sollte
die Urteilssicherheit abgeschwächt und eine endgültige Entscheidung aufgeschoben werden

lung und Abgrenzung zu anderen kognitiven Konstrukten. der Forschung hat sich die Unterscheidung zwischen ToM
Im Kern geht es um die Fähigkeit, sich in andere Men- erster Ordnung, bei der sich der Proband in eine handeln-
schen, deren Denk- und Erlebnisrealität, hineinzuverset- de Person hineinversetzen soll (. Abb. 3.5), und ToM zwei-
zen. Viele Menschen mit Schizophrenie fühlen sich auch ter Ordnung bewährt, bei der ermittelt werden soll, was ein
außerhalb wahnhafter Phasen manchmal grundlos provo- Protagonist z. B. in einer Bildergeschichte über eine weite-
ziert, komisch angesehen und missverstanden. Die Fähig- re Person denkt (. Abb. 3.6, Frith u. Corcoran 1996). Bei
keit, Andeutungen zu verstehen, ist häufig vermindert. der letzteren Aufgabengruppe muss man sozial »um die
Ungeschriebene soziale Regeln werden nicht beachtet. Ne- Ecke denken«. Beurteilungsfehler kommen bei ToM-Auf-
ben einem gewissen Nonkonformismus und fehlenden gaben zweiter Ordnung vor allem dadurch zustande, dass
oder schlechten Rollenmodellen, z. B. in der Kindheit, der Proband in diesen Aufgaben nicht ausreichend zwi-
spielen auch mangelnde soziale Kontakte, ein passives und schen dem eigenen Informationsstand als »allwissender
gelegentlich übermäßig rücksichtsvolles Umfeld oder auch Beobachter«, der eigenen Befindlichkeit und dem Wissen
das genaue Gegenteil – aktive Ausgrenzung – eine Rolle. In und Fühlen der handelnden Personen zu differenzieren

. Abb. 3.6 Beispiel aus dem MKT-Gruppenmodul 6 (Einfühlung). Die Probanden sind bei dieser ToM-Aufgabe zweiter Ordnung aufgefordert,
sich in eine der handelnden Personen hineinzuversetzen (hier: das kleine Mädchen) und zu ergründen, was diese Person über eine weitere ab-
gebildete Person denkt (in diesem Fall: Was könnte der Großmutter aus Sicht des Mädchens beim nächsten Geburtstag eine Freude bereiten?).
Menschen mit Schizophrenie haben vielfach Probleme, eigenes Wissen, Vorlieben und Annahmen, von denen anderer Personen zu trennen,
und gelangen daher zu falschen Schlüssen. In der vorliegenden Aufgabe wird das Mädchen am ehesten zu der gerechtfertigten, aber dennoch
falschen Annahme tendieren, dass die Großmutter Pralinen mag, da diese ihre eigentliche Abneigung vor der Enkelin verborgen hat
48 Kapitel 3 · Theoretische Annahmen: Kognitive Verzerrungen bei Wahn

Exkurs 3.5: Grundlagenforschung zu sozialer Kognition bei Psychose

Das Deuten von Gesichtsausdrücken so- gehend untersucht. Es zeigte sich, dass für die Einschränkungen der Emotions-
wie das Einfühlen in die Gedankenwelt die Patienten in den Bereichen Emotions- wahrnehmung und des sozialen Einfüh-
und emotionale Befindlichkeit dritter Per- erkennung, (soziales) Einfühlungsvermö- lungsvermögens verantwortlich. Schwere
sonen sind bei Patienten mit Schizophre- gen sowie bezüglich neurokognitiver soziale Verhaltensauffälligkeiten wiesen
3 nie oft beeinträchtigt. In einer Studie von
Brüne (2005) wurden ToM und Emotions-
Variablen (z. B. exekutive Funktionen oder
verbale Intelligenz) signifikant schlechter
einen Zusammenhang mit der Erkran-
kungsdauer einerseits und mit ToM-Defi-
erkennung an 18 gesunden Probanden abschnitten als die gesunden Probanden. ziten andererseits auf.
und 23 Patienten mit Schizophrenie ein- Dabei waren exekutive Defizite teilweise

vermag. Die Abgrenzung von ToM zu sozialer Kognition Angesichts der Häufigkeit dieser Defizite bei Schizo-
und Metakognition ist nicht immer eindeutig und die Aus- phrenie und der Bedeutsamkeit für die Entstehung psy-
drücke werden teilweise synonym verwendet (Lysaker et chosozialer Konflikte wurde dieser Problembereich im
al. 2007). Auch die Emotionserkennung wird vielfach un- MKT+ aufgegriffen, da er in Kombination mit voreiligem
ter dem Sammelbegriff ToM subsumiert: In zahlreichen Schlussfolgern und einseitiger Attribution leicht zum
Studien hatten Patienten Probleme, den Gesichtsausdruck »Brandbeschleuniger« für wahnhafte Fehlinterpretationen
von Personen zu identifizieren (7 Exkurs 3.5; für eine Me- werden kann. Die MKT+-Therapieeinheit »Einfühlen« lei-
taanalyse siehe Bora u. Pantelis 2013; Sprong et al. 2007). tet Patienten an, wie man zu verlässlicheren Interpretatio-
Defizite sind häufig auch bei remittierten Patienten nach- nen sozialer Situationen gelangt, und zeigt ungeschriebene
weisbar (Wölwer et al. 1996). Gelingt ihnen dies bei relativ soziale Gesetze auf, deren Einhaltung dem Patienten die
einfachen Gefühlszuständen mit zahlreichen Hinweisrei- Navigation durch seine soziale Umwelt erleichtert.
zen noch recht gut (z. B. Freude: strahlende Augen, hoch-
gezogene Mundwinkel, entblößte Zähne), fällt ihnen dies
bei negativen Affekten mit weniger eindeutigen Merkma- 3.5 Überhöhte Urteilssicherheit
len deutlich schwerer (z. B. manifestiert sich Angst häufig bei Fehlerinnerungen
durch ein Aufreißen der Augen, wie es aber auch bei [freu-
diger] Überraschung vorkommt). Einige Studien fanden Definition
außerdem eine starke Tendenz bei Patienten mit Schizo-
Eine überhöhte Urteilssicherheit bei Fehlerinnerun-
phrenie, in neutrale Gesichter fälschlich Emotionen
gen bedeutet, dass eine Person in übersteigertem
hineinzuinterpretieren (Kohler et al. 2003) oder ängst-
Maße davon überzeugt ist, sich korrekt an etwas zu
liche als ärgerliche Gesichter fehlzudeuten, vor allem bei
erinnern, was sich jedoch in zentralen Aspekten an-
langer Krankheitsdauer und Vorliegen exekutiver Defizite
ders oder überhaupt nicht zugetragen hat. Patienten
(Premkumar et al. 2008). Neuere Studien unserer Arbeits-
mit Schizophrenie sind charakteristischerweise siche-
gruppen fanden zudem eine erhöhte Urteilssicherheit für
rer bei falschen Erinnerungen (bezogen sowohl auf
sozial-kognitive Fehlurteile bei Menschen mit Schizophre-
Fehlerinnerungen als auch vergessene Gedächtnis-
nie gegenüber gesunden Kontrollprobanden (Köther et al.
inhalte) als Gesunde.
2012; Moritz et al. 2012b).
Die bisherige Forschung bestätigt ToM-Defizite bei Men-
schen mit Schizophrenie gegenüber gesunden Probanden
(Janssen et al. 2003; Mehl et al. 2010a; für eine Metaanaly- Fallbeispiel
se siehe Bora u. Pantelis 2013), die sich nicht vollständig Die Mutter von Frau P. bittet um ein Gespräch mit dem
durch Intelligenzunterschiede erklären lassen (Doody et al. behandelnden Arzt ihrer Tochter. Sie sei tief verunsichert,
1998; Sprong et al. 2007). Zweifelhaft ist jedoch, ob diese nachdem ihre Tochter die stationäre Therapie abgebrochen
Defizite spezifisch für Wahn sind. Teilweise wurden Zu- habe, auf die beide so viele Hoffnungen gesetzt hätten.
sammenhänge mit Wahn gefunden, andererseits zeigen Unter Tränen habe ihr die Tochter erzählt, dass der Arzt ge-
manche Studien auch stärkere Zusammenhänge mit for- sagt habe, sie sei ein hoffnungsloser Fall und man könne ihr
malen Denkstörungen und Negativsymptomatik (siehe nicht helfen. Der Arzt ist bestürzt und gibt den Gesprächs-
Sarfati u. Hardy-Baylé 1999). Schließlich bestehen auch bei verlauf, der zum Therapieabbruch geführt hat, glaubhaft an-
autistischen und neurologischen Patienten Defizite der ders wieder. Er habe die Patientin darauf hingewiesen, dass
ToM (z. B. Uekermann et al. 2008). Entsprechende Defizite es für ihn schwierig sei, die Therapie fortzusetzen, wenn sich
stellen wahrscheinlich Aggravations- oder Risikofaktoren Frau P. allen Stationsangeboten entziehe und die Medika-
für psychische Erkrankungen allgemein dar. mente nur sporadisch einnehmen wolle. Auf Station sei im
3.5 · Überhöhte Urteilssicherheit bei Fehlerinnerungen
49 3
Übrigen schon aufgefallen, dass Frau P. Dinge oft in den phrenie können sich weniger merken als gesunde Perso-
»falschen Hals« bekäme und Begebenheiten verzerrt erin- nen, der Verfall der Gedächtnisspuren über die Zeit ist aber
nere. Auf Nachfrage erinnert sich auch die Mutter an ent- vergleichbar.
sprechende Vorfälle. So habe die Tochter sie einmal gefragt, Arbeiten u. a. von Green und Kollegen (2004) zeigen,
wieso sie als Kind nie im Urlaub gewesen sei, obwohl sie in dass kognitive Defizite, und hier vor allem mnestische
Wirklichkeit in den Sommerferien einige Male in Dänemark Dysfunktionen, bei der Vorhersage des sog. funktionellen
gewesen seien. Wieder zu Hause kann die Mutter Frau P. zu Behandlungserfolgs (z. B. selbstständiges Wohnen und
einem erneuten Therapieversuch motivieren. Frau P. hält Arbeitsfähigkeit) bedeutsamer sind als etwa die psycho-
zwar an ihrer Version der Dinge fest, will dem Arzt aber eine tische Symptomatik. Überdies sind auch die Psychothe-
zweite Chance geben. rapiefähigkeit und die Medikamentencompliance eng mit
Gedächtnisprozessen assoziiert. In einer eigenen Studie
Patienten mit Schizophrenie weisen oftmals Defizite in (Moritz et al. 2009a) gab ca. ein Drittel der Patienten an,
zahlreichen kognitiven Domänen auf, wobei das Gedächt- ihre Medikamente aus Vergesslichkeit nicht eingenom-
nis nach derzeitigem Erkenntnisstand vergleichsweise am men zu haben (siehe auch Moritz et al. 2013, 2014).
stärksten betroffen ist (Aleman et al. 1999; Heinrichs u. Depotpräparate stellen bei dieser Subgruppe eine Alterna-
Zakzanis 1998; Schaefer et al. 2013; Savla et al. 2013). An- tive dar.
ders als der von Kraepelin geprägte Begriff »Dementia Hinzu kommen Metagedächtnisdefizite, welche sich
praecox« (vorzeitige Verblödung) suggeriert, der 1908 auf Veränderungen eher qualitativer Aspekte wie der Le-
schließlich durch die Bezeichnung Schizophrenie abgelöst bendigkeit von Gedächtnisepisoden beziehen: Ähnlich wie
wurde, ähneln die kognitiven Defizite der Schizophrenie bei depressiven Patienten können sich Menschen mit Schi-
weder in Ausmaß und Verlauf noch in qualitativen Aspek- zophrenie nur recht blass und schemenhaft an Gedächtnis-
ten denen einer Demenz. Im Unterschied zu einer De- episoden erinnern (Danion et al. 2005). Teile der Kindheit
menz, bei welcher die Gedächtnisleistung mindestens zwei und Jugendzeit liegen oft im tiefen Dunkel. Für psychoti-
Standardabweichungen unter dem Niveau von Gesunden sche Episoden besteht manchmal sogar eine fast vollstän-
liegt und in späteren Stadien praktisch kein Item eines Ge- dige Amnesie.
dächtnistests nach einer gewissen Zeit mehr reproduziert Weitere mnestische Störungen betreffen Veränderun-
werden kann, bewegt sich das Leistungsprofil von Patien- gen bezüglich der Urteilssicherheit, die erstmals von un-
ten mit Schizophrenie eher im Bereich einer halben bis serer Arbeitsgruppe nachgewiesen wurden (Moritz u.
einer Standardabweichung unter dem normalen Referenz- Woodward 2002) und seither auch von anderen Forschern
wert, also im Übergangsbereich des unteren Durchschnitts bestätigt werden konnten (7 Exkurs 3.6; Doré et al. 2007;
und des unterdurchschnittlichen Niveaus. Daneben wei- Peters et al. 2007). Während gesunde Personen unwissent-
sen zahlreiche Betroffene auch keinerlei Probleme auf. An- lich begangene Gedächtnisfehler meist mit Zweifel bele-
ders als beim amnestischen Syndrom (früher auch als gen, was ihre Handlungskonsequenzen deutlich ab-
Korsakoff-Syndrom bezeichnet) zeigen die Patienten rela- schwächt, liegt bei vielen Patienten mit Schizophrenie eine
tiv unbeeinträchtigte Vergessensraten (Vergleich der Be- übermäßige Urteilssicherheit (»overconfidence in errors«)
haltensleistung von unmittelbarer zu verzögerter Repro- für Fehlerinnerungen vor, insbesondere wenn sie ihre
duktion) bei allerdings niedrigem Ausgangsniveau (Moritz Kompetenz hoch einschätzen bzw. die Aufgabe als leicht
et al. 2001). Mit anderen Worten: Patienten mit Schizo- erachten (Moritz et al. 2015). Bei gesunden Probanden

Exkurs 3.6: Grundlagenforschung zu Überkonfidenz für Fehlerinnerungen bei Psychose

Doré und Mitarbeiter (2007) unterzogen größere Probleme bei der Diskrimination falsch (Gedächtniskontamination). Zur
16 adoleszente Patienten mit Schizophre- zwischen gelernten und selbst produzier- Methodik: Untersuchungen an jungen
nie und 19 parallelisierte gesunde Kon- ten Wörtern auf. Patienten mit Schizo- und/oder ersterkrankten Patienten oder
trollpersonen einem Quellengedächtnis- phrenie waren vor allem bei falschen Ant- Risikopopulationen (biologische Ver-
test, bei dem auch die Urteilssicherheit worten sicher, und es gelang ihnen wandte, hoch schizotype Personen) sind
erfragt wurde. Die Probanden sollten zu schlechter, korrekte von inkorrekter Infor- wichtig für die Schizophrenieforschung,
vorgegebenen Wörtern eigene Assozia- mation anhand der Urteilssicherheit zu um dem Einwand zu begegnen, dass fest-
tionen generieren (z. B. konnte auf »Haus« unterscheiden (»confidence gap«). Der gestellte Defizite durch die medikamen-
das Wort »Hof« assoziiert werden). Später Anteil von Fehlern an hoch konfidenten töse Behandlung (z. B. durch anticholiner-
wurden sie gefragt, welche Wörter von ih- Antworten war signifikant erhöht. In an- ge Substanzen) oder die Chronizität der
nen stammten oder aber vorgegeben deren Worten: Ein größerer Prozentsatz Erkrankung bedingt sind.
wurden. In Übereinstimmung mit einer von Informationen, die Patienten für
Vielzahl von Befunden wiesen Patienten 100 % wahr hielten, war in Wirklichkeit
50 Kapitel 3 · Theoretische Annahmen: Kognitive Verzerrungen bei Wahn

. Abb. 3.7 Das Beispiel entstammt dem MKT-Gruppenmodul 5 (Gedächtnis). Bei der visuellen Variante des False-Memory-Paradigmas
werden den Probanden prototypische Szenen präsentiert, in denen zentrale Elemente jedoch fehlen. Beispielsweise sind im Bild keine Schul-
ranzen und keine Tafel zu sehen, die bei einer späteren Abfrage von vielen Probanden mit und ohne Schizophrenie fälschlich erinnert wer-
den. Menschen mit Schizophrenie weisen in den Aufgaben oft nicht mehr Fehlerinnerungen auf als gesunde Personen, sind aber stärker als
Nichtbetroffene von der Korrektheit ihrer Fehlerinnerungen überzeugt

führt dies zu einem deutlich geringeren Grad an Urteils- Anfälligkeit gegenüber hochkonfidenten Fehlerinnerun-
sicherheit. Gleichzeitig ist bei Patienten mit Schizophrenie gen zu sensibilisieren. Die mnestischen Defizite vieler Pa-
die Urteilssicherheit für echte Erinnerungen vermindert. tienten finden in allen Einheiten durch Zusammenfassun-
Daraus folgt, dass falsche und echte Erinnerungen nicht gen, Wiederholung essenzieller Inhalte, Hausaufgaben und
mehr klar anhand der Urteilssicherheit voneinander unter- Arbeitsblätter Berücksichtigung.
schieden werden können; Fantasie und Wirklichkeit dro-
hen im Extremfall zu verschwimmen. Dies wurde u. a. mit
Bildern wie in . Abb. 3.7 nachgewiesen: Aus relativ proto- 3.6 Selbstwert und Stimmung
typischen Szenen (z. B. Klassenzimmer) werden zentrale
Gegenstände wegretuschiert (z. B. Tafel, Ranzen), die von Definition
den meisten Personen, ob an Schizophrenie erkrankt oder
Ein positives Selbstwertgefühl bedeutet, sich als
nicht, fälschlich erinnert werden. Dieser sog. False-Me-
wertvoll zu empfinden und mit den eigenen Fähig-
mory-Effekt (oder nach seinen Erstbeschreibern auch
keiten und Aussehen im Allgemeinen und im Ver-
Deese-Roediger-McDemott-Effekt) lässt sich bei etwa
gleich zu anderen Personen zufrieden zu sein. Patien-
50–80 % gesunder Probanden auslösen. In den Studien
ten mit Schizophrenie haben ein zumeist verringertes
unterschieden sich gesunde und an Schizophrenie er-
Selbstwertgefühl, welches unter dem Einfluss von pa-
krankte Probanden jedoch deutlich im Grad der subjekti-
ranoiden Wahnideen teilweise weiter leidet, im Grö-
ven Gewissheit: Menschen mit Schizophrenie waren sehr
ßenwahn jedoch auch abnorm gesteigert sein kann.
viel überzeugter, dass Dinge abgebildet waren, die in Wirk-
lichkeit gar nicht präsentiert wurden (für eine Übersicht
siehe Balzan 2016). Fallbeispiel
In der 7 Therapieeinheit 8 (Gedächtnis und Urteilssicher- In der Straße von Frau K. hat ein Filmteam begonnen, einige
heit) des MKT+ wird dieses Befundmuster eingehend be- Szenen einer Polizeiserie zu drehen. Über Flugblätter wur-
sprochen. Zusätzlich werden Heuristiken vorgestellt, wie den Bewohner gebeten, sich zu melden, falls sie an einem
man falsche Erinnerungen besser entlarven kann. So sind Statistenjob interessiert seien. Die Dreharbeiten dauern
lebendige (wahrnehmungsnahe) Gedächtniseindrücke einige Tage an. Zunächst ist Frau K. in Hochstimmung, da sie
insgesamt bessere Indikationen für eine echte Erinnerung davon überzeugt ist, dass dies der Moment sei, in dem sie
als blasse, schemenhafte Eindrücke. Selbstverständlich endlich als Talent entdeckt werde. Aufmunternde Blicke ei-
wird in dieser MKT+-Einheit wiederum Wert darauf ge- nes Teammitglieds bestärken sie in ihrem Glauben. Sie fühlt
legt, den Effekt erfahrbar zu machen und Patienten für ihre sich beschwingt und fröhlich. Nach einiger Zeit beginnt sie
3.6 · Selbstwert und Stimmung
51 3
allerdings zu zweifeln, ob ihre Bewertung wirklich zutrifft, Problemen wird im Modell von Garety und Freeman
da kein Mitarbeiter des Filmteams auf sie zukommt und ihre (2013) eine große Rolle für die Entstehung von Paranoia
aufwendige Videobewerbung unbeantwortet bleibt. Nach zugeschrieben.
einem Gespräch mit ihrer Mutter wird ihr klar, dass sie sich In jedem Fall tragen mangelndes Selbstwertgefühl und
in Tagträumen verloren hat. Sie schämt sich zutiefst, dass sie andere affektive Störungen zu den sozialen Schwierigkei-
nahen Bezugspersonen mitteilte, dass sie bald mit wichti- ten von Menschen mit Schizophrenie bei, erhöhen den
gen Menschen aus dem Filmgeschäft zu tun habe. Zudem Leidensdruck und bedürfen auch angesichts der hohen
realisiert sie, dass sie weit über ihre Verhältnisse hinaus Geld Suizidrate bei Schizophrenie unbedingt der Behandlung.
für teure Kleider und Kosmetik ausgegeben hat, um optimal In den 7 Therapieeinheiten 9 (Depression und Denken)
auf ihre Karriere vorbereitet zu sein. Sie ist verzweifelt, da sie und 10 (Selbstwert) des MKT+ wird ein konstruktiver Um-
sich ihrer schwierigen Lebenssituation nach und nach wie- gang mit negativen Situationen besprochen und versucht,
der bewusst wird und es ihrer Meinung nach keinen Ausweg negative Denkschemata zu verändern (z. B. übertriebene
gibt. Tagelang verlässt sie nicht das Bett und denkt sogar Verallgemeinerung, eingeengte Wahrnehmung), um das
daran, sich das Leben zu nehmen. Denken für positivere bzw. ausgewogenere Sichtweisen zu
öffnen. Dysfunktionale Strategien zur vermeintlichen Ver-
Als Hauptverdienst Emil Kraepelins wird häufig betrach- besserung der Stimmung, z. B. Gedankenunterdrückung,
tet, dass er im ausklingenden 19. Jahrhundert die Schi- werden ebenfalls kritisch reflektiert. Weiterhin werden
zophrenie (damals noch »Dementia praecox«) und die Strategien vermittelt, depressive Symptomatik zu reduzie-
affektiven Störungen als diagnostische Entitäten von- ren und einen gesunden Selbstwert aufzubauen.
einander trennte. Diese Unterscheidung wurde jedoch Da die Wahnideen von Patienten häufig stark mit ihrer
spätestens seit der Einführung der Diagnose »schizoaf- persönlichen Geschichte verwoben sind, haben die Patien-
fektive Störung« (Kasanin 1933) infrage gestellt. Es wird ten subjektiv einiges zu verlieren, wenn sie ihre Überzeu-
von vielen Wissenschaftlern angezweifelt, dass Depres- gungen aufgeben. Dem Aspekt des »Krankheitsgewinns«,
sion, Manie und Schizophrenie ätiologisch klar vonein- der schon bei Karl Jaspers (1913; S. 82) anklingt, wird von
ander zu trennen sind (Häfner et al. 2005). Die Komorbi- Forschern sowie Therapeuten eine zunehmend große Be-
dität dieser Störungen, vor allem von Depression und deutung beigemessen. Hiermit ist nicht gemeint, dass der
Schizophrenie, ist eher die Regel als die Ausnahme (Buck- Patient aktiv in eine Wunschwelt flüchtet; dies ist kaum
ley et al. 2009) und eine Mischung aus maniformen und willentlich erzwingbar. Die Spannung, die durch das »Spiel
schizophrenen Zustandsbildern ist häufig zu beobachten. mit dem Feuer« entsteht, und die Stärkung des Selbstwert-
Auch andere affektive Probleme liegen bei einer Mehrzahl gefühls, die einem die Gewissheit übernatürlicher Fähig-
der Betroffenen vor. Laut wissenschaftlichen Untersu- keiten, aber auch bedeutender Feinde verleiht, können je-
chungen weisen bis zu drei Viertel aller Patienten mit doch aufrechterhaltende Faktoren darstellen und eine ge-
Schizophrenie ein niedriges Selbstwertgefühl auf (z. B. wisse Therapieambivalenz bedingen. Bis zu einem Viertel
Freeman et al. 1998; Sundag et al. 2014). Eine eigene Stu- aller Patienten gaben laut eigenen Untersuchungen an, ihre
die, die unter Verwendung der Rosenberg Self-Esteem Scale Medikamente abgesetzt zu haben, da sie das Gefühl von
(Rosenberg 1965; 7 Anhang) ein niedriges Selbstwertge- Bedeutung und Macht, das ihnen die Psychose gibt, nicht
fühl bei ca. 50 % der Betroffenen fand, ist im 7 Exkurs 3.7 missen möchten (Moritz et al. 2009a, 2013, 2014). Das darf
zusammengefasst. Ein ursächlicher Zusammenhang zwi- kein Anlass für therapeutischen Fatalismus sein, soll aber
schen Psychose und Selbstwertgefühl ist vielfach ange- verständlich machen, weshalb therapeutisch erzielte
nommen worden (Moritz et al. 2006a) und emotionalen Krankheitseinsicht selten von Euphorie, sondern laut

Exkurs 3.7: Grundlagenforschung zum Selbstwertgefühl bei Psychose

Während die positiven Symptome der (z. B. »Ich fürchte, es gibt nicht viel, wor- Selbstwertgefühl. In Übereinstimmung
Schizophrenie zumeist im Vordergrund auf ich stolz sein kann.«), im Verlauf der mit Arbeiten anderer Autoren (Mizrahi et
der Behandlung stehen, leiden die Patien- stationären Behandlung verändert (Moritz al. 2007) gingen höhere Antipsychotika-
ten subjektiv vor allem unter desorgani- et al. 2010b). Zur Aufnahme wiesen 42 % dosen mit einer gewissen Abnahme des
sierten und affektiven Störungen. In einer der Patienten ein um mindestens eine Selbstwertgefühls einher – auch bei
eigenen Studie an 58 stationären Patien- Standardabweichung gemindertes Berücksichtigung der Ausgangssympto-
ten und 45 gesunden Kontrollpersonen Selbstwertgefühl auf. Nach vier Wochen matik. Die Ergebnisse unterstreichen die
wurde untersucht, inwieweit sich das stieg der Anteil (nichtsignifikant) auf Notwendigkeit der Behandlung affektiver
Selbstwertgefühl, gemessen mit der 49 %. Eine Subgruppe von Patienten Symptome bei Schizophrenie.
10 Items umfassenden Rosenberg-Skala zeigte jedoch auch ein gesteigertes
52 Kapitel 3 · Theoretische Annahmen: Kognitive Verzerrungen bei Wahn

Metaanalysen eher von Depression begleitet wird (Lincoln Doré, M. C., Caza, N., Gingras, N., & Rouleau, N. (2007). Deficient rela-
et al. 2007). Auch bessert sich die Lage der Patienten bei tional binding processes in adolescents with psychosis: evidence
from impaired memory for source and temporal context. Cogni-
Abnahme der schizophrenen Symptomatik zunächst kaum
tive Neuropsychiatry 12, 511–536.
aufgrund ihres schlechten gesamtkörperlichen Zustands, Dudley, R. E. J., & Over, D. E. (2003). People with delusions jump to
sozialer Entwurzelung, aber auch geringer Chancen auf conclusions: A theoretical account of research findings on the
dem Arbeitsmarkt. Viele finden auch nach der Remission reasoning of people with delusions. Clinical Psychology and
3 weder einen Partner noch eine Arbeitsstelle. Daher ist es Psychotherapy 10, 263–274.
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nicht verwunderlich, dass Patienten der Verbesserung der
sions and the »Jumping to Conclusions« reasoning bias: a system-
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priorität beimessen (Byrne u. Morrison 2014; Kuhnigk et schbul/sbv150.
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54 Kapitel 3 · Theoretische Annahmen: Kognitive Verzerrungen bei Wahn

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55 4

Individualisiertes Metakognitives
Therapieprogramm (MKT+)
Steffen Moritz, Eva Krieger, Francesca Bohn, Ruth Veckenstedt

4.1 Für wen ist das MKT+ geeignet? – 56

4.2 Therapeutische »Fallen« – 56

4.3 Therapeutische Strategien – 58

4.4 Therapieplanung: Bedeutung von Motivation,


Krankheitseinsicht und therapeutischer Zielsetzung – 60
4.4.1 MKT+ im stationären Setting I – 62
4.4.2 MKT+ im stationären Setting II: Kombination von MKT+ mit MKT – 62
4.4.3 MKT+ im ambulanten Setting – 62
4.4.4 Sitzungsgestaltung – 63
4.4.5 Letzte Sitzungen und Beendigung der Therapie – 64

Literatur – 65

S. Moritz et al., MKT+,


DOI 10.1007/978-3-662-52998-0_4, © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
56 Kapitel 4 · Individualisiertes Metakognitives Therapieprogramm (MKT+)

Das Individualisierte Metakognitive Therapieprogramm selbe Ziel: Der Patient wird angeleitet, seine Überzeugun-
(MKT+) besteht aus 11 Therapieeinheiten. Inhalte einer gen kritisch zu reflektieren und zu überdenken.
Therapieeinheit können je nach Relevanz für den Patien- Nachdem im vorangegangenen Kapitel typische Denk-
ten und nach zeitlichen Rahmenbedingungen über eine verzerrungen bei Schizophrenie bzw. Wahn dargestellt
oder mehrere Sitzungen verteilt werden. Eine Sitzung ist wurden, wird in den nächsten Abschnitten das konkrete
auf 50 Minuten angelegt und kann mithilfe der beiliegen- Vorgehen für die einzelnen MKT+-Sitzungen beschrieben.
den Therapie- und Arbeitsblätter gestaltet werden. Der In der spezifischen Anleitung finden Sie konkrete Tipps
inhaltliche und zeitliche Rahmen sollte jedoch stets flexi- und Formulierungsvorschläge zu den unterschiedlichen
4 bel an das aktuelle Aufmerksamkeitsniveau des Patienten Therapieblättern. Bei selbsterklärenden Therapieblättern
angepasst werden. Sieben der elf Therapieeinheiten wid- wurde aus Platzgründen auf spezifische Anmerkungen
men sich den in 7 Kap. 3 vorgestellten Denkverzerrungen, verzichtet, sodass nicht zu jedem Therapieblatt Hinweise
wobei sich in dieser Auflage des MKT+ erstmalig zwei vorliegen. Die Formulierungsvorschläge müssen, wie er-
vollständige Therapieeinheiten (7 Therapieeinheiten 9 und wähnt, keinesfalls wortwörtlich übernommen werden. Sie
10) intensiv mit den Themen Depression und Stimmung dienen der Unterstützung vor allem wenig erfahrener The-
sowie Selbstwert beschäftigen. Darüber hinaus dient eine rapeuten und können paraphrasiert werden.
Therapieeinheit der Erarbeitung eines individuellen Erklä-
rungsmodells und eine weitere beschäftigt sich mit dem
Umgang mit der Diagnose sowie mit Rückfallprophylaxe 4.1 Für wen ist das MKT+ geeignet?
und Copingstrategien gegen Stress. Des Weiteren sollte im
Vorfeld über mehrere Sitzungen verteilt eine ausführliche Das Konzept wurde grundsätzlich für Menschen mit einer
Anamnese und eine Einführung in das Metakognitive Störung aus dem schizophrenen Formenkreis konzipiert.
Therapieprogramm erfolgen (7 Therapieeinheiten 1 und Weder fehlende Krankheitseinsicht noch eine akute psy-
2). Auch hierfür stehen zahlreiche Therapie- und Arbeits- chotische Symptomatik (z. B. Wahnideen) stellen ein Hin-
blätter bereit. Die Anamnesesitzungen dienen neben der dernis für die Arbeit mit dem MKT+ dar. Hier ist wie bei
Erfassung von Symptomen und funktionellen Problem- allen anderen (psycho-)therapeutischen bzw. psychoedu-
bereichen auch dem Beziehungsaufbau und der Prüfung kativen Bausteinen der Behandlung die Voraussetzung,
der Therapiemotivation und -eignung. dass Patienten in der Lage sind, einem Gespräch für min-
Das MKT+ beinhaltet eine Reihe von Techniken, die destens 20–30 Minuten folgen zu können. Akut-stationäre
sich im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) Patienten sind in der Regel spätestens 1–2 Wochen nach
von Psychosen als wirksam erwiesen haben (7 Abschn. 4.3). Aufnahme in der Lage, am sehr niedrigschwelligen meta-
Obwohl das MKT+ als eine Variante der KVT verstanden kognitiven Ansatz, ob im Einzel- oder auch Gruppenset-
werden kann, ist das Vorgehen stärker kognitions- als symp- ting, teilzunehmen. Scheuen Sie sich jedoch nicht, bereits
tomorientiert. Das MKT+ ist unseres Erachtens niedrig- recht früh innerhalb der Behandlung mit dem MKT+ zu
schwelliger und weniger konfrontativ als symptomzen- arbeiten – der zunächst wenig konfrontative Einstieg über
trierte Varianten der Verhaltenstherapie, da es zunächst die Denkverzerrungen wird Ihnen den Weg zur individuel-
»nur« um kognitive Prozesse geht und die Symptome des len Symptomatik und Problematik sowie einer intensiveren
Patienten erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Fokus psychotherapeutischen Arbeit mit dem Patienten ebnen.
rücken. Viele Patienten können mit dieser Vorgehensweise
unserer Erfahrung nach besser umgehen und nehmen
diese als weniger bedrohlich wahr als die Disputation der 4.2 Therapeutische »Fallen«
eigenen Wahnideen, was für den Aufbau einer therapeuti-
schen Beziehung förderlich ist. Das MKT+ zielt darauf ab, Bevor auf die spezifischen Hinweise zu den Therapieblät-
Zweifel gegenüber starren Überzeugungen zu säen, und tern der einzelnen Einheiten eingegangen wird, möchten
animiert Patienten zu einer kritischen Sichtweise gegen- wir zunächst acht therapeutische Fallstricke benennen, die
über den eigenen Vorstellungen, wodurch sekundär auch zu einer empfindlichen Störung der Therapeut-Patient-
die Wahnideen und andere Positivsymptome wie Halluzi- Interaktion bis hin zum Abbruch der Behandlung führen
nationen verändert werden können. Die Bereitschaft, an können:
einer individuellen Therapie teilzunehmen, setzt in eini-
gen Behandlungsprogrammen eine teilweise Krankheits- j1. Intellektueller Aktionismus
einsicht voraus, über welche viele Patienten am Anfang oft Menschen mit Schizophrenie geben ihre Wahnüberzeu-
noch nicht verfügen. Mit dem MKT+ kann ein behutsame- gungen nicht einfach auf, wenn sie mit einer Vielzahl elo-
rer Weg beschritten werden. »Vordertür-« (KVT) und quent vorgetragener Gegenargumente konfrontiert und
»Hintertüransatz« (MKT) verfolgen letztendlich aber das- intellektuell »niedergerungen« werden. Im Gegenteil: Es
4.2 · Therapeutische »Fallen«
57 4
besteht die Gefahr, dass Patienten die Behandlung abbre- j4. Mangelnde Distanz zum Wahn
chen oder wahnhafte Ideen für sich behalten. Ein analoges Wenn der Patient absolut nicht bereit ist, von seiner Über-
Beispiel: Menschen mit atheistischer Überzeugung lassen zeugung abzurücken, kann es notwendig sein, inner-
sich nicht durch wissenschaftlich unerklärliche Phäno- halb  des Wahnsystems zu argumentieren (»Okay. Also,
mene von der Existenz Gottes überzeugen, ebenso wenig wenn es wirklich so sein sollte, dass die Polizei verdeckt
wie die religiöse Überzeugung eines gläubigen Menschen gegen Sie ermittelt, glauben Sie nicht, dass Sie durch das
notwendigerweise ins Wanken gerät, wenn bestimmte Zerkratzen von Polizeiwagen Ihre Lage noch verschlim-
Glaubensgrundfesten wissenschaftlich erschüttert werden. mern und sich damit sogar den berechtigten Ärger der
Auch bei wahnhaften Überzeugungen gibt es für fast alle Beamten einhandeln?«). In diesem Fall sollte man versu-
Argumente Gegenargumente, Hintertüren und Wege, die- chen, dem Patienten die Übertriebenheit seiner Aktionen
se zu ignorieren, zu diskreditieren oder als Ausnahmen zu zu verdeutlichen. Machen Sie bei falschen und folgen-
betrachten. Versuchen Sie, Zweifel zu säen, indem Sie auf schweren Interpretationen klar, dass Sie diese bezweifeln.
Widersprüche hinweisen, aber lassen Sie den Patienten die Anderenfalls droht die Gefahr, dass Sie sogar als »Kron-
Schlüsse möglichst selbst ziehen. Die Analogie zwischen zeuge« instrumentalisiert werden und der Wahn sich wei-
Wahn und Religiosität ist im Übrigen nicht ganz willkür- ter verfestigt (»Mein Therapeut findet das im Übrigen
lich. So gibt es nach Kurt Schneider (1949, S. 30; zum Be- auch«).
griff des Wahns siehe Spitzer 1989) keinen prinzipiellen
phänomenologischen Unterschied zwischen religiösen j5. Übermäßige Abgrenzung
und wahnhaften Ideen. Viele Patienten mit Schizophrenie sind aufgrund mangeln-
der sozialer Kompetenz distanzlos und stellen allzu per-
j2. Funktionalität des Wahns ignorieren sönliche Fragen. Es ist zwar einerseits wichtig, den pro-
Wahnhafte Überzeugungen sind häufig verflochten mit fessionellen Charakter der Zusammenkünfte klarzustellen.
der Identität und dem Selbstwertgefühl eines Patienten Andererseits sollte man nicht unnötig schroff auf solche
und erfüllen hier eine starke selbstwertstützende Funk- Fragen reagieren und jedweden Einblick verweigern. Pa-
tion. Daher kann durch die Einsicht in die Inkorrektheit tienten erleben dies als unfair. Während sie selbst »ihr
der Wahnideen häufig ein depressives Vakuum folgen. Innerstes nach außen« kehren, gibt sich der Therapeut
Folglich ist es wichtig, mit dem Patienten im Vorfeld ein zugeknöpft. So hat es sich bewährt, den Patienten Informa-
gesundes Selbstwertgefühl jenseits des Wahns aufzubau- tionen allgemeiner Art in Form einer begrenzten Selbstöff-
en. Dies war einer der Gründe, weshalb wir für die 2. Auf- nung durchaus zukommen lassen (z. B. Ort des Studiums,
lage eine eigene Therapieeinheit zum Selbstwert entwi- ein Hobby).
ckelt haben. Es hat sich bewährt, vor allem die Kritikfähig-
keit des Patienten zu schulen, damit er einfache Wahrhei- j6. Rigide Sitzungsgestaltung/
ten (z. B. »Meine Ärzte/Eltern/Nachbarn sind die einzig »Waschstraßen-Therapie«
Schuldigen an meiner Misere«) letztendlich vor sich selbst Die Therapieblätter des MKT+ stehen im Zentrum der
nicht mehr duldet. Grundsätzlich ist zu überlegen, welche Therapie. Es liegt eine Vielzahl von Therapieblättern vor.
Wahnideen behandlungsbedürftig sind. Bei Überzeugun- Setzen Sie sich nicht zum Ziel, alle Therapieblätter einer
gen, die keinen Leidensdruck und keine Einschränkungen Therapieeinheit in einer Sitzung »durchzupeitschen«! Die
in der sozialen Funktionsfähigkeit des Patienten verursa- Materialien einer Therapieeinheit sind für mehrere Sit-
chen, ist die intensive Bearbeitung in der Therapie abzu- zungen gedacht. Zudem ist zu beachten, dass nicht alle
wägen. Therapieblätter bearbeitet werden müssen – betrachten Sie
die Inhalte jeder Therapieeinheit eher als eine Art »Buffet«,
j3. Übermäßiges Normalisieren an dem Sie sich den Bedürfnissen und Problemen Ihres
Ein zentrales und anerkanntes Behandlungsprinzip der Patienten entsprechend bedienen können. So kann es
kognitiven Verhaltenstherapie ist das Normalisieren, d. h., durchaus passieren, dass manche Materialien nicht ver-
dass dem Patienten bestimmte seiner besonderen und häu- wendet werden und Sie ohne diese Inhalte zur nächsten
fig merkwürdigen Erfahrungen als normal oder zumindest Therapieeinheit übergehen können. Zudem können jeder-
nachvollziehbar rückgemeldet oder für gewisse Phäno- zeit auch individuell Informationen ergänzt werden, z. B.
mene (z. B. Stimmenhören) normalpsychologische Refe- psychoedukative Elemente – hier sind Ihrer therapeu-
renzmodelle vermittelt werden (z. B. Ohrwürmer, laut- tischen Kreativität keine Grenzen gesetzt! Wir raten den-
hafte Grübeleien). Lassen Sie sich aber nicht dazu verlei- noch dazu, die Chronologie der Folien prinzipiell beizu-
ten, schizophrene Symptome zu bagatellisieren und gänz- behalten. Im nachfolgenden Abschnitt (7 Abschn. 4.3)
lich in das Spektrum des Normalen einzureihen (dies wird finden Sie einige therapeutische Strategien, die Sie im Rah-
gelegentlich auch als »Kumpelpsychiatrie« bezeichnet). men des MKT+ anwenden können.
58 Kapitel 4 · Individualisiertes Metakognitives Therapieprogramm (MKT+)

Verwenden Sie nicht zu viel Zeit auf eine Therapieein- Ende der Therapie auch, von welchen Inhalten des MKT+
heit/Denkverzerrung, wenn sie wenig Relevanz für den er am meisten profitieren konnte.
jeweiligen Patienten aufweist, sondern fokussieren Sie auf
Denkverzerrungen und Themen, die für den Patienten j8. Mangelnde Vorbereitung
eine zentrale Rolle spielen. Im Einzelfall kann es sinnvoll Das MKT+ ist nicht als strikter Therapiefahrplan zu
sein, eine Denkverzerrung unbehandelt zu lassen, sofern verstehen. Wir empfehlen eine Vorbereitungszeit von
diese nicht wahnrelevant ist und keinen Leidensdruck wenigstens 10–15 Minuten für jede Einzelsitzung. Die
verursacht. Geben Sie dem Patienten auch Raum für ak- Vorgabe der Therapieblätter soll individuell auf den
4 tuelle Nöte und Fragen und greifen Sie diese, wenn mög- Patienten abgestimmt werden! Bei manchen Patienten ist
lich, im Rahmen der Übungen auf. es eventuell noch zu früh, das Für und Wider eigener
Wahnthemen zu besprechen. In diesem Fall sollten Sie
j7. Mangelnde Nachhaltigkeit/fehlende Redundanz eher edukativ arbeiten und generelle kognitive Verzerrun-
Menschen mit Schizophrenie leiden, wie dargestellt, häufig gen in der Psychose thematisieren. Achtung: Welche
unter intellektuellen und kognitiven Einschränkungen. Strategie bei welchem Patienten zielführend ist, kann im
Für die Nachhaltigkeit der besprochenen Themen ist es Voraus nicht immer eingeschätzt werden – halten Sie
deshalb wichtig, dem Patienten essenzielle Informationen daher stets weiteres Material für den Fall bereit, dass sich
schriftlich zu geben und sich vor allem seinem kognitiven Übungen als über-/unterfordernd für den Patienten
Niveau angepasst auszudrücken. Tragen Sie dem Patienten herausstellen oder wider Erwarten doch die Bereitschaft
Hausaufgaben auf und besprechen Sie diese am Anfang besteht, Wahnthemen zu bearbeiten.
jeder Stunde. Hierfür können Sie das jeweils letzte Arbeits-
blatt jeder Therapieeinheit nutzen, auf dem zum einen die
wichtigsten Informationen der Sitzung zusammengefasst 4.3 Therapeutische Strategien
sind, und zum anderen Hausaufgaben und Übungen sowie
offene Fragen notiert werden können. Geben Sie dem Pa- Um Patienten Sachverhalte in den Sitzungen zu verdeutli-
tienten Kopien der Arbeitsblätter sowie der wichtigsten chen, bieten sich verschiedene therapeutische Techniken
Therapieblätter mit und leiten Sie ihn an, die Materialien an, die vor allem der kognitiven Verhaltenstherapie ent-
in einer Mappe zu sammeln. Alternativ können Sie für den lehnt sind (siehe auch die Therapiehinweise zu den einzel-
Patienten relevante und in den Sitzungen gemeinsam be- nen Einheiten). Die unten stehende Liste ist keinesfalls
arbeitete Arbeitsblätter sammeln und zu einer Mappe zu- vollständig und soll vor allem der Anregung dienen.
sammenstellen. Diese Alternative ist für solche Patienten
besonders effektiv, die zwar während der Sitzung bereit jRollentausch bzw. -spiel
sind, an ihren Ideen zu arbeiten, diese Arbeit jedoch noch Manchmal fällt es Patienten schwer, Perspektiven anderer
angstbesetzt ist. Auch wenn die Patienten sich durchaus Menschen einzunehmen. Aufgrund der bereits beschrie-
auf Gespräche über ihre Ideen einlassen, ist es häufig auf- benen Defizite der sozialen Einfühlung haben Patienten
grund der mangelnden Krankheitseinsicht sehr belastend, Schwierigkeiten, sich vorzustellen, wie ihre Überzeugun-
einzelne Aspekte der eigenen Ideen »schwarz auf weiß« gen und Verhaltensweisen auf andere Personen wirken.
aufzuschreiben und diese dann auch noch aufzubewahren Darum kann es bei klinisch stabilen, in ihrer Persönlich-
(z. B. »Ich habe ein schlechtes Gefühl dabei, das aufzu- keit gefestigten Patienten hilfreich sein, wenn Therapeut
schreiben, vielleicht hat das ja doch negative Konsequen- und Patient die Rollen tauschen und der Patient gebeten
zen für mich!«). Hier ist es von großer Bedeutung, die Be- wird, die vorgebrachten Argumente auf Schlüssigkeit,
fürchtungen des Patienten zu validieren und den Patienten Glaubwürdigkeit und auch Denkfehler zu überprüfen (sie-
nicht zu drängen, Dinge auf jeden Fall aufschreiben zu he auch 7 Therapieeinheiten 5 [Schlussfolgern] und 7 [Ein-
müssen. Sammeln Sie in einem solchen Fall die Arbeits- fühlen]). Was würde er von der Idee/Überzeugung (z. B.
blätter für den Patienten und versuchen Sie, diese Aspekte Verfolgung durch den Geheimdienst) als Außenstehender
zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufzugreifen. halten? Welche Beweise würde er fordern? Dies kann dem
In den letzten MKT+-Sitzungen sollten Sie sich neben Patienten helfen, seine Situation aus einem anderen Blick-
der Erstellung eines Notfallplans (7 Abschn. 4.4.5) ausrei- winkel zu betrachten und auch seine soziale Umwelt besser
chend Zeit nehmen, alle Sitzungen anhand dieser Mappe zu verstehen. Zudem können Rollenspiele auch eingesetzt
Revue passieren zu lassen und nochmals die wichtigsten werden, um soziale Situationen zu simulieren und zu üben
Punkte zusammenzufassen. Mithilfe der Mappe kann der (z. B. bei der bevorstehenden Rückkehr in den Beruf nach
Patient zu Hause die bearbeiteten Punkte erneut durchge- einem Klinikaufenthalt: Wie erklärt man seinen Kollegen
hen. Dies erhöht zudem die Transparenz der therapeuti- die lange Abwesenheit?).
schen Intervention. Besprechen Sie mit dem Patienten zum
4.3 · Therapeutische Strategien
59 4
jRealitätstestung erarbeiten. Gleichzeitig steigert diese therapeutische
Neben der Disputation von Überzeugungen ist es hilfreich, Strategie oft das Erleben von Selbstwirksamkeit des Pa-
Überzeugungen auch in der Realität zu überprüfen. Hierzu tienten, da sie ihm ermöglicht, selbst zu neuen Erkennt-
kann der Patient gebeten werden, Begebenheiten in seinem nissen zu gelangen und diese als eigene Leistung zu erle-
Alltag zu protokollieren, die er als Anhaltspunkte für seine ben. Übertreiben Sie die Anwendung dieser Technik aber
Wahnideen heranzieht (7 Therapieeinheit 6: [Korrigierbar- nicht, da das Frage-Antwort-Spiel schnell ermüden und
keit]). So kann er überprüfen, ob bestimmte Begebenheiten den Patienten nerven kann. Die sokratische Gesprächs-
wirklich in dem von ihm angenommenen Ausmaß auf- führung ist im MKT+ eher im Sinne einer Grundhaltung
treten (z. B. ständig stehen schwarze Autos vor der eigenen zu verstehen, die sich als offenes Nachfragen durch den
Haustür). Auch wenn der Patient aufgrund seiner Wahn- Therapeuten in den Therapiesitzungen äußert, und weni-
ideen bestimmte Dinge und Situationen vermeidet (z. B. ger als ein in sich geschlossener sokratischer Dialog, der
Telefonate, Internet, öffentliche Verkehrsmittel), bietet sich über eine gesamte Therapiestunde geführt wird. Versu-
ein Realitätstest an. Erarbeiten Sie zunächst gemeinsam, chen Sie nicht, wahnhafte Patienten durch geschickte
welche Argumente für oder gegen seine Befürchtung und Fragen »schachmatt« zu setzen (7 Abschn. 4.2 unter »In-
die Zweckmäßigkeit des Vermeidungs- bzw. Sicherheits- tellektueller Aktionismus«).
verhaltens sprechen. Sind genügend Zweifel gestreut und
hat der Patient etwas Distanz zu seinen Überzeugungen jEinbezug von Angehörigen
gewonnen, besprechen Sie behutsam, ob er sich eine Kon- Die Einbeziehung von Angehörigen in die Therapie ist,
frontation mit den bisher gemiedenen Dingen oder Situa- soweit der Patient seine Zustimmung erteilt, oftmals sinn-
tionen in Ihrer Begleitung vorstellen könnte. Erzwingen voll, vor allem bei 7 Therapieeinheit 11 (Umgang mit der
Sie keinesfalls eine Konfrontation, da dadurch der Thera- Diagnose und Rückfallprophylaxe), da Angehörige Früh-
piefortschritt und das Vertrauen untergraben werden warnsymptome oder Veränderungen im Verhalten der
könnten. Bei Zustimmung des Patienten führen Sie ihn Betroffenen häufig früher erkennen können als diese
vorsichtig an angstauslösende Reize/Situationen heran. selbst. Auch bei der Erstellung eines Notfallplans ist es
Lassen Sie den Patienten entscheiden, wie weit er gehen wichtig, Bezugspersonen zu beteiligen. So können Ange-
möchte. Ziel ist die Neubewertung der Situation und eine hörige beispielsweise darüber informiert werden, welche
damit einhergehende Reduktion negativer Gefühle. Neh- Schritte ergriffen werden sollten, wenn sich Frühwarn-
men Sie sich im Anschluss ausreichend Zeit, um die Rea- symptome häufen bzw. eine akute Krise eintritt. Herrscht
litätstestung und die damit verbundenen Gefühle zu be- ein feindseliges Familienklima vor oder ist das Verhältnis
sprechen, um dem Patienten die Angst vor möglichen z.B. zu den Eltern sehr zerrüttet, sollte auf Angehörigen-
wahnhaft interpretierten Folgen zu nehmen. Wichtig ist, arbeit (zunächst) verzichtet werden.
dass der Patient die korrigierende Erfahrung als solche er-
lebt. Setzen Sie zuerst bei Situationen an, die der Patient jVerwendung von Videos
nicht vollkommen meidet, aber als unangenehm erlebt Unsere Arbeitsgruppe hat verschiedene Videos zusam-
(z. B. Einkaufen im Supermarkt, S-Bahn-Fahren) und er- mengestellt und selbst gedreht, die kostenlos auf unserer
arbeiten Sie im Vorhinein mit dem Patienten alternative Homepage angeschaut und heruntergeladen werden kön-
Erklärungen für Situationen. Leiten Sie den Patienten an, nen (zu finden unter http://ag-neuropsychologie.de/
seine Interpretationen in der Situation selbst zu hinter- metakognitives-training-videosuite.html). Zwei der Vi-
fragen. Weisen Sie an dieser Stelle auf die gelbe Karte hin, deos, die in der folgenden Übersicht näher beschrieben
die den Patienten beim Überprüfen der eigenen Wahrneh- werden, dienen der spielerischen Veranschaulichung so-
mung unterstützen kann (siehe auch 7 Therapieeinheit 5 zialer Regeln und können mit dem Patienten optional im
[Schlussfolgern]). Zuge der 7 Therapieeinheit 7 (Einfühlen) besprochen wer-
den. Die Szenen zeigen soziale Interaktionen (Bewerbungs-
jSokratische Gesprächsführung gespräch, Cafébesuch), bei denen zehn ungeschriebene
Der Therapeut nimmt hierbei eine naiv-fragende, zuge- soziale Regeln missachtet werden. Der Patient soll mög-
wandte und offene Haltung ein. Durch gezieltes Nachfra- lichst viele der im Video dargestellten sozialen Regelver-
gen leitet der Therapeut den Patienten an, eigene dysfunk- stöße/Fauxpas entdecken und ungeschriebene soziale
tionale Denkmuster selbst zu hinterfragen und zu verän- Regeln benennen.
dern. Die Methode eignet sich zudem für die Lösung in-
nerer Konflikte und Ambivalenzen. Wird ein solcher
Konflikt spürbar, versuchen Sie durch Fragen mögliche
Vor- und Nachteile sowie Konsequenzen einer bestimm-
ten Sichtweise oder eines Verhaltens mit dem Patienten zu
60 Kapitel 4 · Individualisiertes Metakognitives Therapieprogramm (MKT+)

4.4 Therapieplanung: Bedeutung


Filmsequenzen zu sozialer Kompetenz von Motivation, Krankheitseinsicht
Video 1: Bewerbungsgespräch und therapeutischer Zielsetzung
5 Inhalt: Ein junger Mann hat ein Bewerbungs-
gespräch. Die ersten Therapiesitzungen sind für den Verlauf und vor
5 10 (ungeschriebene) soziale Regeln, die verletzt allem den Therapieverbleib des Patienten sehr wichtig (sie-
werden: he auch 7 Abschn. 5.1). Die Behandlungssituation mit
1. Unpünktlichkeit Schizophreniepatienten ist oft eine fundamental andere als
4 2. Unangemessene Kleidung bei Patienten ohne eine solche Diagnose. Während viele
3. Unangebrachte Begrüßung (Schulterklopfen Patienten, die früher unter der Sammelbezeichnung »Neu-
statt Händeschütteln) rose« zusammengefasst wurden, nicht nur störungsein-
4. Kaugummikauen während des Gesprächs sichtig und behandlungsmotiviert sind, sondern sich häu-
5. Unangemessene Körperhaltung (z. B. auf dem fig auch über die Therapie vorinformiert haben und somit
Stuhl hinflegeln) wissen, was auf sie zukommt, kann dies bei vielen Patien-
6. Unaufmerksamkeit/mangelnder Blickkontakt ten mit Schizophrenie nicht vorausgesetzt werden. Bevor
zum Gegenüber der Patient zur Therapie seiner Symptomatik motiviert
7. Aushändigen ungeordneter und zerknitterter werden kann, muss er diese häufig überhaupt erst erken-
Dokumente nen. Viele Patienten kommen passiv in die Behandlung,
8. Abwischen der Nase am Ärmel z. B. auf Wunsch des Hausarztes, besorgter Eltern oder des
9. Einpacken sämtlicher Kekse, die angeboten Partners. Erwarten Sie nicht, dass der Patient in der Anam-
werden neseeinheit seine Wahnideen oder Halluzinationen als
10. Annehmen eines Mobilanrufs, anstatt sich zu größte Probleme angibt (siehe auch Kuhnigk et al. 2012).
verabschieden Vielfach stehen emotionale Probleme im Vordergrund, de-
ren Behandlung (vor allem 7 Therapieeinheiten 9, 10 und
Video 2: Cafébesuch 11) sich aber auch positiv auf Wahn und Halluzinationen
5 Inhalt: Ein junger Mann hat eine Verabredung mit auswirken können (siehe Garety u. Freeman 2013). Volle
einer jungen Frau in einem Café. Krankheitseinsicht, die bei vielen anderen Patienten oft
5 10 (ungeschriebene) soziale Regeln, die verletzt bereits am Anfang der Therapie vorausgesetzt werden
werden: kann, entwickelt sich hier erst langsam und ist nicht immer
1. Unpünktlichkeit ein therapeutisches (Nah-)Ziel.
2. Überhebliches Schnippen nach der Bedienung Wichtig ist es, einige Behandlungsziele zu definieren,
3. Zu viel Alkohol am helllichten Tag welche sich auf Probleme beziehen, die dem Patienten Lei-
4. Anzügliches Verhalten (gibt Bedienung einen densdruck bereiten und die gleichzeitig psychotherapeu-
Klaps auf den Po) tisch bearbeitbar sind. Psychotisch gefärbte Ziele (z. B.
5. Unterhaltung bzw. Flirt mit einer fremden Frau »Ich möchte, dass der Geheimdienst mich endlich in Ruhe
6. Ungefragtes Bedienen am Teller des Gegen- lässt«) sind ebenso wenig direkt umzusetzen wie z. B. der
übers Wunsch nach einem Lebenspartner. Ziele, von denen sich
7. Angeregte und unangemessen lange Unterhal- der Patient nicht abbringen lässt, können ggf. als persön-
tung mit einem plötzlich erscheinenden liche Anliegen des Patienten neben den engeren Therapie-
Freund, während die Verabredung ignoriert zielen formuliert werden, sofern er auf diesen besteht.
wird Machen Sie dem Patienten deutlich, dass an diesen Son-
8. Demonstratives Gähnen, Desinteresse derzielen in der Therapie vorerst nicht gearbeitet werden
9. Keine Beteiligung an der Rechnung (es wird kann. Jedoch können solche Ziele durchaus mithilfe von
eine SMS geschrieben, um sich vor der Bezah- Umformulierungen und Abwandlungen für die Therapie-
lung zu drücken) planung genutzt werden. Es kann gemeinsam nach Wegen
10. Unangemessene Verabschiedung (die Verabre- gesucht werden, wie Spannungen mit der Umwelt gemeis-
dung wird umarmt, obwohl deutlich wird, dass tert werden können (z. B. abgeleitet aus dem Patienten-
sie nach dem Verlauf der Verabredung wütend wunsch, vom Geheimdienst nicht mehr verfolgt zu wer-
auf den Mann ist und er deshalb eher Abstand den, könnte man das Therapieziel entwickeln, besser mit
halten sollte) dieser angstvollen Situation umzugehen) oder wie man
sich anderen Menschen nähert und diese kennenlernt
(z. B. bei dem angesprochenen Wunsch nach dem Le-
benspartner). Zur Konkretisierung und Operationalisie-
4.4 · Therapieplanung: Bedeutung von Motivation, Krankheitseinsicht und therapeutischer Zielsetzung
61 4
rung der Ziele können folgende Fragen zum Einsatz kom- validen, jedoch sehr aufwendigen Strukturierten Klini-
men: Woran merke ich, dass sich etwas verbessert hat? Was schen Interview für DSM-5 (SCID-5-CV; First et al. 2015)
kann ich unternehmen, was ich mich vorher nicht getraut hat sich in den letzten Jahren das Mini International Neu-
habe? (z. B. »Wenn ich weniger Angst habe, kann ich ropsychiatric Interview (MINI; Sheehan et al. 1998) erwie-
wieder alleine einkaufen gehen.«). Bei manchen Patienten sen, welches befriedigende Gütekriterien aufweist und in-
gestaltet sich die Zielsetzung, z. B. aufgrund der akuten nerhalb kurzer Zeit die Bestimmung der häufigsten psy-
psychotischen Symptomatik, als schwierig, sodass diese chiatrischen Störungen erlaubt.
auch auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden Im Folgenden finden Sie ein Fallbeispiel in Dialog-
kann. Eine Zielüberprüfung im Verlauf der Therapie ist form, das zeigt, wie trotz mangelnder Krankheitseinsicht
unerlässlich, da sich gelegentlich neue Ziele ergeben und eine realistische Zielerarbeitung erfolgen kann.
alte in den Hintergrund rücken.
Fallbeispiel
Ein Patient (P) ist davon überzeugt, dass sein Nachbar ihn
Faustregeln für die Erarbeitung von Therapiezielen
vergiftet. Er berichtet dem Therapeuten (T), dass ihn keiner
1. Das Problem ist psychotherapeutisch zugänglich.
ernst nehme und er dadurch belastet sei. Sein Hausarzt be-
2. Das Problem ist mit (hohem) Leidensdruck ver-
haupte, dass dies Ausdruck seiner Erkrankung sei; für ihn
bunden.
selber sei es jedoch alles Realität. In der Therapiesitzung
3. Das Ziel ist konkret, und die Erreichung ist realistisch.
werden Behandlungsziele erarbeitet.
T: »Sie haben hier Ihre Probleme aufgelistet. Welche Ziele
Während Kriterium 1 vorhanden sein muss, sollte
möchten Sie mithilfe der Therapie erreichen?«
ein Ziel auch dann aufgenommen werden, wenn Kri-
P: »Na ja, Sie können ja auch nicht dafür sorgen, dass mich
terien 2 und 3 zu Beginn der Therapie noch nicht voll
mein Nachbar in Ruhe lässt.«
erfüllt sind. Im Therapieverlauf sollte dann die Konkre-
T: »Ja, da haben Sie Recht, die Situation selbst kann ich nicht
tisierung der Ziele erfolgen. Psychotische Symptome
verändern. Denken Sie, dass wir gemeinsam einen Weg fin-
müssen nicht notwendigerweise zuerst bearbeitet
den könnten, wie Sie mit der Situation mit dem Nachbarn
werden. Die Behandlung nicht psychotischer Sympto-
besser umgehen können?«
me wie mangelndes Selbstwertgefühl kann zu einer
P: »Wie meinen Sie das?«
Verbesserung psychotischer Kernsymptome beitra-
T: »Sie haben mir erzählt, dass Sie manchmal sehr große
gen, wie neuere Übersichtsarbeiten bzw. Einzelstudi-
Angst haben, dass er Ihnen schadet. Glauben Sie, dass Ihre
en zeigen (z. B. Freeman et al. 2014; Kesting u. Lincoln
Angst manchmal übertrieben ist?«
2013; Tiernan et al. 2014).
P: »Das kann sein, manchmal steigere ich mich da rein,
obwohl mein Nachbar gar nicht da ist.«
Fehlende Krankheitseinsicht sowie Misstrauen, teilweise T: »Möglicherweise können wir ja einen Weg finden, diese
auch begründet in negativen Beziehungserfahrungen, las- Angst zu reduzieren.«
sen es ratsam erscheinen, in der Therapie mit Patienten P: »Das wäre gut.«
behutsam vorzugehen (Crescendo-Ansatz). Eine ausführ- T: »Okay. Woran würden Sie denn merken, dass Sie einen
liche Anamnese ist wichtig, damit der Patient Vertrauen besseren Umgang mit der Situation gefunden haben?«
fasst. Es hat sich bewährt, die Herleitung des individuellen P: »Wenn ich weniger Angst hätte.«
Erklärungsmodells nicht an den Anfang der Therapie zu T: »Also, wenn Sie weniger Angst hätten. Was würden Sie
stellen. Zum einen ist hier oft noch keine ausreichende dann tun, was Sie zuvor – mit der großen Angst – nicht
Vertrauensbasis erreicht, um »ans Eingemachte« zu gehen, getan haben?«
andererseits werden gerade zu Anfang der Therapie häufig P: »Ich würde z. B. wieder in Ruhe kochen oder den Balkon
noch Symptome bestritten und Dinge verzerrt dargestellt. machen können.«
Greifen Sie die Befürchtungen des Patienten in jedem Fall T: »Was gibt es sonst noch, woran Sie merken könnten, dass
auf und nehmen Sie die subjektive Realität ernst, wenn- das Ziel erreicht ist?«
gleich die Schilderungen eines wahnhaften Patienten auch P: »Ich würde auch wieder Gitarre spielen und abends bes-
aufgrund von Gedächtnisproblemen oft ein verzerrtes ser einschlafen können.«
Bild der Wirklichkeit widerspiegeln. Die in der Hektik der T: »Also, konkret bedeutet das, wenn Sie das Ziel erreicht
Klinik manchmal vernachlässigte Diagnostik, die allzu oft haben und Sie mit der Situation besser umgehen können,
dem schnellen klinischen Auge weicht, ist von großer Be- merken Sie das daran, dass Sie sich wieder verstärkt Ihren
deutung und keinesfalls verschwendete Zeit. Die Anamne- Hobbys widmen können und auch wieder besser einschla-
se kann selbstverständlich auch durch etablierte Diagnos- fen können. Ist das richtig so? Wollen Sie das hier auf dem
tikinstrumente ergänzt werden. Als gute Alternative zum Arbeitsblatt aufschreiben?«
62 Kapitel 4 · Individualisiertes Metakognitives Therapieprogramm (MKT+)

4.4.1 MKT+ im stationären Setting I gen hinweg thematisch einer Therapieeinheit widmen
kann, während der Patient innerhalb der Gruppe die
Das MKT+ ist zunächst für den stationären Bereich entwi- Chance hat, viele Denkverzerrungen in kurzer Zeit ken-
ckelt worden. In vielen Kliniken haben Patienten eine nenzulernen. Zudem fördern das Zusammenspiel der In-
durchschnittliche Verweildauer von ca. 2–4 Wochen. Zwei teraktion innerhalb der Gruppe und die intensivere Arbeit
Sitzungen à 50 Minuten pro Woche bieten sich an, um mit dem Therapeuten nachhaltig die metakognitiven
möglichst viele der Denkverzerrungen zu bearbeiten. Die- Kompetenzen. Patienten, die bereits Inhalte im Rahmen
ser Zeitrahmen erlaubt jedoch nicht die Bearbeitung aller der Gruppe kennengelernt haben, sind häufig in der Lage,
4 MKT+-Therapieblätter. Der Aufbau des MKT+ ist einer- zu identifizieren, welche Denkverzerrungen für sie beson-
seits sehr strukturiert, andererseits aber leicht anpassbar ders relevant sind. Es kann zudem das Selbstwirksamkeits-
im Sinne eines flexiblen Baukastensystems. Die Materia- erleben des Patienten steigern, wenn er aktiv daran betei-
lien jeder Denkverzerrung sind, anders als beim Gruppen- ligt wird, die Therapie mit zu gestalten.
MKT, jeweils für eine bis mehrere Einzelsitzungen gedacht. MKT und MKT+ sind nicht »passgenau«: Den beiden
Oft kann es sinnvoll sein, einige Übungen nach gewisser Gruppenmodulen zum voreiligen Schlussfolgern und Ein-
Zeit noch einmal zu bearbeiten, da sich zwischenzeitlich fühlen steht nur je eine MKT+-Einheit gegenüber. Zudem
neue Einsichten aufgetan haben. enthält das MKT+ über die Gruppeninhalte hinaus noch
Sie können aus der Vielzahl der Übungen und Mate- Therapiematerialien, um ein Erklärungsmodell (7 Thera-
rialien jene Therapieblätter frei wählen, die Sie als be- pieeinheit 3) zu erarbeiten sowie die Rückfallprophylaxe
sonders wichtig für den Patienten erachten, sollten aber vorzubereiten (7 Therapieeinheit 11).
nicht übereilt vorgehen oder zu konfrontativ sein. Der Ein bestimmter Einstiegspunkt für das MKT+ oder das
behutsame Übergang von der Besprechung normaler Va- Gruppen-MKT muss nicht abgewartet werden, da – wie
rianten bestimmter Denkverzerrungen, Zuspitzungen, bereits geschrieben – weder die MKT+-Therapieeinheiten
psychopathologischer Ausformungen und danach erst zur noch die MKT-Gruppenmodule aufeinander aufbauen.
Übertragung auf persönliche Problembereiche sollte bei- Besonders im stationären Kontext ist auf die episodisch
behalten werden. Die voraussichtliche Sitzungsanzahl und herabgesetzte Merkfähigkeit und Konzentration vieler Pa-
-dauer sollte mit dem Patienten zuvor besprochen werden. tienten Rücksicht zu nehmen, da diese möglicherweise mit
Die Sitzungen können im Verlauf jederzeit an veränderte der Fülle der Therapieblätter und Übungen zunächst über-
Bedingungen oder individuelle Bedürfnisse des Patienten fordert sind (siehe dazu auch 7 Kap. 6).
angepasst werden.

4.4.3 MKT+ im ambulanten Setting


4.4.2 MKT+ im stationären Setting II:
Kombination von MKT+ mit MKT Das MKT+ ist auch im ambulanten Setting gut durchführ-
bar und bietet ausreichend Materialien für eine längere
Das MKT+ ist zwar inspiriert durch das MKT-Gruppen- Therapie. Zudem können die Therapieblätter des MKT+
training, stellt jedoch ein eigenständiges Therapiekonzept als ein »Steinbruch« für andere psychotherapeutische Kon-
dar, welches den kognitionsorientierten, metakognitiven zepte verwendet werden, indem einzelne Übungen und
Ansatz des MKT fortsetzt und um Techniken der kogni- Abschnitte übernommen werden. Vor allem bei miss-
tiven Verhaltenstherapie für Psychosen erweitert wurde. trauischen und wenig krankheitseinsichtigen Patienten
Eine Verschränkung von MKT und MKT+ ist selbstver- bzw. jenen Betroffenen, die noch nicht bereit sind, konkret
ständlich möglich, stellt aber kein Muss dar. Sofern MKT an ihren Symptomen zu arbeiten, bietet sich der Behand-
und MKT+ zusammen durchgeführt werden, kann eine lungszugang des MKT+ über die kognitiven Verzerrungen
Art Nachbereitung bzw. Vertiefung der Inhalte im An- an. Wie in 7 Kap. 3 dargestellt, sind sich viele Patienten
schluss an das Gruppenmodul erfolgen. ihrer Denkverzerrungen nicht bewusst und können erst
Auf einige einleitende Therapieblätter des MKT+ kann durch direkte Übungen und »Aha-Erlebnisse« bzw. das
in diesem Fall verzichtet werden, vor allem bei Patienten, Tappen in gestellte Denkfallen dazu motiviert werden, an
die bei der Gruppensitzung aktiv mitgearbeitet haben und ihren allgemeinen metakognitiven Verzerrungen und
sich an die Inhalte noch gut erinnern können. MKT und schließlich auch spezifischen wahnhaften Überzeugungen
MKT+ können auch unabhängig voneinander parallel zu arbeiten (»seeing is believing«, wie die Amerikaner sa-
durchgeführt werden. Die Erfahrung zeigt, dass Patienten gen). So konnten wir bereits die Beobachtung machen,
dadurch keinesfalls verwirrt oder überfordert sind. Diese dass Patienten nach einem ersten Kontakt mit dem MKT+
Variante der Durchführung trägt dazu bei, dass man sich im stationären Kontext bei Entlassung aus der Klinik einer
während der MKT+-Einzelkontakte über mehrere Sitzun- ambulanten Psychotherapie gegenüber aufgeschlossener
4.4 · Therapieplanung: Bedeutung von Motivation, Krankheitseinsicht und therapeutischer Zielsetzung
63 4
waren bzw. von sich aus Interesse an einer Weiterführung Wie auch im stationären Setting sollte die voraussicht-
der psychologischen Behandlung äußerten. liche Sitzungsanzahl und -dauer mit dem Patienten vor
Selbstverständlich kann eine durch die Einzeltherapie Beginn der Therapie besprochen werden.
gewonnene Krankheitseinsicht zu Einbrüchen der Stim-
mung oder sogar depressiven Symptomen führen, wenn
Patienten realisieren, welche negativen Konsequenzen ihr 4.4.4 Sitzungsgestaltung
Verhalten während der Psychose mit sich brachte, z. B.
dass sich Bezugspersonen abgewendet haben. Aus diesem
Grund ist es besonders wichtig, innerhalb der Therapie Durchführungshinweis zur Präsentation
den Zusammenhang zwischen Psychose bzw. Wahn und der Therapieblätter
Depression zu thematisieren (siehe hierzu 7 Therapieein- Prinzipiell ist es möglich, die Therapieblätter entwe-
heiten 9 und 10) und regelmäßig affektive Symptome bei der farbig ausgedruckt vorzulegen oder zur Präsenta-
Patienten zu explorieren, um diese behandeln zu können. tion ein Tablet bzw. einen Laptop/PC zu verwenden.
Zudem sollte Wert auf die Erarbeitung eines individuellen Wir empfehlen die Präsentation mit dem Tablet, da es
Erklärungsmodells im Hinblick auf die Entwicklung der zum einen ressourcen- und auch platzsparend ist, und
Erkrankung bzw. der Symptomatik gelegt werden (siehe zum anderen bestimmte Übungen (z. B. Kartentrick
hierzu 7 Therapieeinheit 3). und Fragmentierungsübungen aus 7 Therapieein-
Hierdurch soll die Entwicklung eines (neuen) Krank- heiten 4 und 5) auf diese Weise eindrücklicher darge-
heitsverständnisses angeregt werden, was beispielsweise stellt werden können. Dennoch kann die Darbietung
durch eine biografische Aufarbeitung bzw. Verarbeitung mit einem elektronischen Medium bei manchen Pa-
der Erfahrungen innerhalb der Psychose erreicht werden tienten eventuell Ängste schüren (»Ich werde abge-
kann. Auch an dieser Stelle ist es besonders wichtig, den hört/aufgezeichnet.« etc.). Es bietet sich daher an, von
Patienten nicht penetrant von der Falschheit seiner Ideen Fall zu Fall sowie nach »eigenem Gusto« und Verfüg-
oder Befürchtungen überzeugen zu wollen, sondern ihm barkeit von Medien zu entscheiden. Es ist ratsam, am
Raum für seine Erfahrungen zu geben und ihn dabei unter Ende der Therapie die wichtigsten Therapieblätter für
Anwendung von Validierungstechniken und Wertschät- den Patienten zusammenzustellen und ihm diese in
zung zu unterstützen. Druckform mitzugeben.
Die Materialien zur Anamnese eignen sich für die pro-
batorischen Sitzungen, um die Symptomatik zu erfassen,
zu spezifizieren und zu verstehen. Da Therapeuten bei am- Für die Sitzungsgestaltung hat es sich bewährt, mit dem
bulanten Patienten häufig über wenig diagnostische Vor- Patienten an einem Tisch über Eck zu sitzen, sodass Au-
informationen verfügen, raten wir neben der üblichen genkontakt, aber auch ausreichend räumliche Distanz be-
Anamnese dazu, einige der im Anhang aufgelisteten In- steht. Alternativ können Patient und Therapeut sich auch
strumente zu verwenden. Die Psychotic Symptom Rating gegenübersitzen und das Therapiematerial für beide lesbar
Scales (PSYRATS) erheben im Unterschied zur Positive and schräg in die Mitte auf den Tisch legen. Die Therapieblätter
Negative Syndrome Scale (PANSS) einzelne qualitative As- können entweder ausgedruckt oder auf einem Tablet/Lap-
pekte des Wahns (z. B. Überzeugungsstärke, Belastung) top präsentiert werden (7 Durchführungshinweise im obe-
sowie von Halluzinationen (z. B. Lautstärke und Kontrol- ren Kasten). Der Patient sollte das Material in jedem Fall
lierbarkeit der Stimmen), auf die in der Therapie immer gut sehen und lesen können (visuelles Material fördert die
wieder Bezug genommen werden kann. Auch Verände- Behaltensleistung und fokussiert die Aufmerksamkeit).
rungen in der Symptomatik können mithilfe dieser Instru- Haben Sie die Übungen gut verinnerlicht, können Sie sich
mente gut abgebildet werden und somit der Therapieeva- aber auch vom Text lösen, die Therapieblätter lediglich als
luation und Qualitätskontrolle dienen. Die Rosenberg Self- Anregungen nehmen und den Inhalt paraphrasieren. Ach-
Esteem Scale (RSES) kann zur Messung des globalen ten Sie allerdings darauf, dass »Bild und Ton« (Therapie-
Selbstwertgefühls genutzt werden. blätter und Ihre Erläuterungen) zusammenpassen. Es ist
Wie dargestellt, gleicht die Therapie bei Patienten mit ratsam, sich dem Abstraktionsniveau und der Information
Schizophrenie manchmal einem Detektiv- und Verwirr- sverarbeitungsgeschwindigkeit des Patienten anzupassen!
spiel. Die Karten sind nicht gleich alle auf dem Tisch, und Schließen Sie jede Sitzung damit ab, zu resümieren, was für
es ergeben sich so manche falsche Fährten. Es ist daher den Patienten am Relevantesten war und was er als Übung/
sinnvoll, wiederholt Symptombereiche zu erfragen und auf Hausaufgabe ausprobieren möchte. Nutzen Sie dazu die
bereits bearbeitete Therapieblätter zurückzugreifen, nicht jeweiligen 7 Therapieblätter »Was hat das mit Psychose zu
zuletzt auch um Erkenntnisgewinn und Fortschritt zu rea- tun?« sowie das letzte Arbeitsblatt mit den Informationen
lisieren. zu jeder Therapieeinheit.
64 Kapitel 4 · Individualisiertes Metakognitives Therapieprogramm (MKT+)

4.4.5 Letzte Sitzungen und Beendigung zu erreichen oder sein Befinden zu verbessern. Schreiben
der Therapie Sie die genannten Methoden/Strategien auf und heften Sie
sie in die Mappe! Nehmen Sie nach Möglichkeit diagnosti-
jVorbereitung des Therapieendes sche Instrumente (u. a. PSYRATS, PANSS, Rosenberg-Ska-
Es ist wichtig, den Patienten auf das Ende der Therapie la) zur Hilfe, um Erfolge zu objektivieren.
vorzubereiten. Teilen Sie dem Patienten regelmäßig die Haben Sie im Therapieverlauf die Behandlungsziele im
Anzahl der verbleibenden Sitzungen mit. Ein abrupter Auge. Falls ein Ziel als psychotherapeutisch nicht erreich-
Beziehungsabbruch kann beim Patienten ein Gefühl des bar oder dem zeitlichen Rahmen nicht angemessen er-
4 »Verlassenwerdens« auslösen und schwerwiegende Konse- scheint, besprechen Sie es mit dem Patienten und brechen
quenzen nach sich ziehen bis hin zur erneuten Dekompen- Sie es eventuell gemeinsam auf Teilziele herunter. Sie soll-
sation. Bedenken Sie, dass Sie als Therapeut eventuell eine ten am Ende der Therapie nicht plötzlich entdecken, dass
wichtige Rolle im Leben des Patienten eingenommen ha- wesentliche Ziele nicht erreicht wurden.
ben. Auch vielen Therapeuten fällt die Beendigung dieser
intensiven Beziehung oft schwer. Thematisieren Sie mit jZukunftsperspektive/Ziele
dem Patienten gemeinsam den »Abschied«. Steuern Sie Besprechen Sie im Anschluss mit dem Patienten, ob und
zudem einem gefühlten Beziehungsbruch entgegen, indem welche Ziele er sich für die nahe und ferne Zukunft ge-
Sie gegen Therapieende die Zeitabstände zwischen den Sit- steckt hat. Warnen Sie vor zu großen und unrealistischen
zungen vergrößern und die Therapie langsam auslaufen Zielen (z. B. steile berufliche Karriere), indem Sie mögliche
lassen (vor allem im ambulanten Setting). Dies erleichtert Überforderungen und deren Konsequenzen (u. a. Frustra-
es, den Patienten in die Selbstständigkeit zurückzuführen tionen, Rückfall durch erhöhte Stressbelastung) gemein-
und ihm zu ermöglichen, erlernte Problemlösestrategien sam erarbeiten und thematisieren. Leiten Sie den Patienten
im Alltag eigenständig einzusetzen. Versichern Sie dem an, die Realisierbarkeit seiner Ziele zu überprüfen und
Patienten (wenn möglich), dass er sich bei Krisen oder eventuell Etappen(-ziele) zu definieren. Fragen Sie nach,
Rückfällen wieder an Sie wenden kann. Im stationären wie er diese Ziele erreichen möchte, und erarbeiten Sie die
Rahmen sind mehrere Sitzungen pro Woche möglich. Bie- Vorgehensweise in kleinen Schritten.
ten Sie dem Patienten auch hier, wenn möglich, einige
Nachsorgetermine an, um den Übergang in die Selbststän- jRückfallprophylaxe
digkeit zu erleichtern. Booster-Sessions oder auch Auffri- Benutzen Sie die Materialen der 7 Therapieeinheit 11 (Um-
schungen der metakognitiven Kompetenz (derzeit erarbei- gang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe), um mögli-
ten wir eine Online-Variante des MKT) können zur Nach- che Krankheitsverläufe zu erörtern. Dies dient der Förde-
haltigkeit der Therapieerfolge beitragen. rung eines selbstständigen Umgangs mit der Erkrankung.
Erarbeiten Sie gemeinsam, welche Faktoren zu Belastun-
jRückblick/Zielerreichung gen und im Extremfall zu einem Rückfall führen können
Sammeln Sie die Arbeitsblätter des Patienten, kopieren Sie bzw. welche ausgleichenden und stressreduzierenden Fak-
die wichtigsten Therapieblätter und heften Sie diese z. B. zu toren/Kompetenzen dem Patienten zur Verfügung stehen.
einer Mappe zusammen. Händigen Sie diese dem Patienten Erarbeiten Sie zudem in diesem Kontext gemeinsam mit
gegen Therapieende aus, damit er in unklaren Situationen dem Patienten mithilfe der »Frühwarnsymptom-Check-
oder bei Problemen die Therapiematerialen als Unterstüt- liste« Anzeichen, die eine erneute Psychose ankündigen
zung heranziehen kann. Alternativ können Sie Patienten können. Einige der an dieser Stelle zur Verfügung stehen-
Kopien der Arbeits- und Therapieblätter auch nach jeder den Übungen sind angelehnt an Materialien aus dem Ma-
Sitzung mitgeben. Der Patient sollte dann angeleitet wer- nual Psychoedukative Gruppen für Anghörige schizophren
den, diese in einer Mappe zu sammeln. Gestalten Sie dies oder schizoaffektiv Erkrankter von Behrendt (2004). Beto-
individuell nach den Bedürfnissen des Patienten. Blicken nen Sie gleichzeitig, dass ein einzelnes Symptom (z. B.
Sie in den letzten Sitzungen mit dem Patienten auf den The- Schlafstörung) keinen Grund zur Panik darstellt, sondern
rapieverlauf und die bearbeiteten Inhalte zurück. Nehmen dass meist mehrere Symptome gleichzeitig vorliegen müs-
Sie hierfür vor allem die Problemliste sowie die Zielsetzun- sen, bevor von einem sich anbahnenden Rückfall auszuge-
gen (7 Arbeitsblätter zu Therapieeinheit 2 [Einführung in hen ist. Falls das einzelne Symptom allerdings anhaltend
das Metakognitive Therapieprogramm]) zur Hilfe. Stellen und sehr beeinträchtigend ist, sollte der Patient Unterstüt-
Sie gemeinsam Veränderungen in der Symptomatik fest – zung suchen.
manchmal liegen bestimmte Probleme weiterhin vor, doch
der Leidensdruck ist deutlich geringer geworden. Loben Sie jNotfallplan
den Patienten für das, was er erreicht hat! Fragen Sie den Erstellen Sie, ebenfalls mithilfe der Materialien der 7 The-
Patienten, was ihm am meisten geholfen hat, einzelne Ziele rapieeinheit 11 (Umgang mit der Diagnose und Rück-
Literatur
65 4
fallprophylaxe), mit dem Patienten einen individuellen
Notfallplan für Krisen. Die gelbe (7 Abschn. 5.1 in den
spezifischen Hinweisen zur Anamnese) und rote Karte
(Kontaktadressen) sollten in das Maßnahmenpaket inte-
griert werden.

Literatur

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67 5

Anleitung zur Durchführung


der Therapieeinheiten
Steffen Moritz, Eva Krieger, Francesca Bohn, Ruth Veckenstedt

5.1 Therapieeinheit 1: Beziehungsaufbau und Anamnese – 68

5.2 Therapieeinheit 2: Einführung in das Metakognitive


Therapieprogramm – 73

5.3 Therapieeinheit 3: Erklärungsmodell – 75

5.4 Therapieeinheit 4: Zuschreibungsstil – 77

5.5 Therapieeinheit 5: Schlussfolgern – 83

5.6 Therapieeinheit 6: Korrigierbarkeit – 88

5.7 Therapieeinheit 7: Einfühlen – 94

5.8 Therapieeinheit 8: Gedächtnis und Urteilssicherheit – 99

5.9 Therapieeinheit 9: Depression und Denken – 102

5.10 Therapieeinheit 10: Selbstwert – 108

5.11 Therapieeinheit 11: Umgang mit der Diagnose und


Rückfallprophylaxe – 112

Literatur – 116

S. Moritz et al., MKT+,


DOI 10.1007/978-3-662-52998-0_5, © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
68 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

Im Folgenden finden Sie Anregungen zur Durchführung nachvollziehen, dass Sie vor lauter Angst nicht schlafen
der einzelnen Therapieeinheiten. können.«). Möglicherweise ist es manchmal sinnvoll, mit
dem Patienten Copingstrategien innerhalb der »wahnhaf-
ten Welt« zu entwickeln und umzusetzen. An dieser Stelle
5.1 Therapieeinheit 1: sei zudem bezüglich einer detaillierten Erhebung/Erfra-
Beziehungsaufbau und Anamnese gung psychotischer Symptome wie Stimmenhören auf die
7 Arbeitsblätter 1.1 und 1.2 hingewiesen. Ein einfühlsames
jZiel der Einheit Vorgehen an diesem frühen Punkt der Therapie kann ei-
Führen Sie mit dem Patienten ein ausführliches Anam- nen erheblichen Beitrag zum Aufbau einer vertrauensvol-
nesegespräch und nutzen Sie die ersten Stunden für den len therapeutischen Beziehung leisten.
5 Aufbau einer tragfähigen Beziehung, die psychopatholo- Wichtig ist zudem, gerade in den ersten Sitzungen
gische Diagnostik und nicht zuletzt die Klärung der The- Hoffnung zu vermitteln und dem Patienten klar zu ma-
rapieeignung bzw. Behandlungsmotivation. Eine ausführ- chen, dass die berichteten Symptome bzw. Probleme prin-
liche Anamnese ist wichtig, da ein zu schneller Therapie- zipiell psychotherapeutisch behandelbar sind.
beginn ohne Exploration von Symptomen, aktuellen Nö- Beenden Sie die erste Sitzung, indem Sie sich bei dem
ten und Erwartungen des Patienten den Therapieerfolg Patienten für das Gespräch und das Ihnen entgegenge-
untergraben könnte. Falls sich in Ihrer Einrichtung oder brachte Vertrauen bedanken! Bedenken Sie: Es ist für nie-
Praxis ein anderes Vorgehen zur Erhebung der Anamnese manden einfach, sich gegenüber einem anderen Menschen
bewährt hat, können Sie dieses selbstverständlich weiter zu öffnen.
nutzen. Leiten Sie die Therapie dann mit der 7 Therapieein- Legen Sie sich nicht zu schnell auf eine Diagnose fest!
heit 2 ein (Einführung in das Metakognitive Therapiepro- Ziehen Sie Differenzialdiagnosen und Komorbiditäten in
gramm). Das Kapitel zur Anamnese kann Ihnen dennoch Betracht. Eine medizinische Abklärung der Symptome ist
ergänzende Anregungen geben. bei dieser Patientengruppe unerlässlich, da u. a. auch Tu-
more, Schädel-Hirn-Traumata oder Gifte psychotische
jSpezifische Hinweise Symptome hervorrufen können. Differenzialdiagnostisch
Obwohl es sinnvoll ist, vor Beginn der Behandlung auf sind Persönlichkeitsstörungen, vor allem die schizotype
möglichst viele vorhandene Informationsquellen zurück- und paranoide Persönlichkeitsstörung, affektive Störun-
zugreifen (z. B. Krankengeschichte, Ergebnisse diagnosti- gen mit psychotischen Merkmalen, wahnhafte Störungen
scher Instrumente wie die Positive and Negative Syndrome und akute vorübergehende psychotische Störungen in Be-
Scale [PANSS, 7 Anhang], die Brief Psychiatric Rating Scale tracht zu ziehen.
[BPRS] oder die Rosenberg Self-Esteem Scale [RSES, 7 An- Das MKT+ lässt sich auch bei Patienten einsetzen, die
hang], Einschätzungen von Kollegen und Voruntersu- die Diagnosekriterien einer Schizophrenie nicht vollstän-
chungen), sollte die Symptomatik unbedingt nochmals dig erfüllen und nur einzelne Symptome einer Störung aus
direkt exploriert werden (7 Anamnesebogen unter: http:// dem schizophrenen Spektrum aufweisen. Das MKT+ ist
extras.springer.com/). Zum einen entgehen Ihnen ansons- vor allem für Patienten mit wahnhaften Interpretationen
ten wertvolle Informationen, zum anderen könnte beim ihrer Umgebung und/oder Wahrnehmungsstörungen ge-
Patienten der Eindruck entstehen, »abgestempelt« und eignet. Da eine große Subgruppe von Patienten affektive
nicht ernst genommen zu werden. Insbesondere wenn der Störungen (vor allem Depression) aufweist, werden im
Patient sehr einschneidende Dinge erlebt hat (z. B. Zwangs- Manual zwei Therapieeinheiten der Behandlung von De-
behandlung während einer akuten Phase), kann eine Ver- pressionen sowie mangelndem Selbstwert gewidmet.
nachlässigung der Patientensicht – unabhängig von der Regen Sie den Patienten an, einen Terminkalender
wahren Bedeutsamkeit – zu Enttäuschung, Ärger und oder ein Notizbuch zu führen, um Termine zu notieren.
Kränkung führen und dem Aufbau einer tragfähigen the- Hausaufgaben und wichtige Therapieinformationen kön-
rapeutischen Beziehung im Weg stehen. Seien Sie behut- nen auf den jeweils letzten Arbeitsblättern jeder Therapie-
sam bei Patienten mit fehlender Krankheitseinsicht und einheit (außer zu 7 Therapieeinheit 1 [Beziehungsaufbau
tun Sie deren Ansichten nicht vorschnell als Einbildung ab. und Anamnese] und 3 [Erklärungsmodell]) festgehalten wer-
Die Erschütterung des Weltbildes des Patienten kann dras- den. Auf diesem sind außerdem alle wichtigen Informati-
tische Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl (»Wenn das onen der jeweiligen Therapieeinheit zusammengefasst.
alles gar nicht stimmt, was habe ich dann noch? Wer soll Dies bietet sich vor allem bei desorganisierten Patienten an
mir noch was glauben?«) und die Lebensqualität haben. und kann dem Patienten helfen, zu einer inneren Ordnung
Nehmen Sie die Probleme und die subjektive Realität des zu gelangen.
Patienten ernst und validieren Sie die Gefühle des Patien-
ten (z. B. »Wenn Sie sich verfolgt fühlen, kann ich gut
5.1 · Therapieeinheit 1: Beziehungsaufbau und Anamnese
69 5

Wichtige Hinweise für den Therapeuten


5 Jede Psychose ist anders! Ziehen Sie selbst keine Zensur dessen, was dem Therapeuten mitgeteilt
voreiligen Schlüsse, sondern hören Sie dem Patien- wird.
ten aufmerksam zu. Viele Patienten erwarten von 5 Misstrauen und Fehlwahrnehmungen kennen auch
Ihnen keine zündenden Erkenntnisse innerhalb der gesunde Personen – dies sollte gelegentlich er-
ersten Therapiesitzungen, sondern sind dankbar, wähnt und als eine Art Brücke zwischen krank und
wenn Sie Interesse an ihren Beschwerden zeigen gesund genutzt werden. Normalisieren Sie, wo es
und dabei nicht gleich zum Rezeptblock greifen. angebracht ist, aber bagatellisieren Sie schwere
5 Oft schildern Patienten ihre Probleme recht diffus. Symptome nicht! Eine pathologische Wahnidee
Strukturieren Sie das Gespräch, indem Sie wesentli- darf nicht als gerechtfertigt und normal aufgewer-
che Inhalte aufgreifen und nachfragen (z. B. »Wie tet werden – selbst wenn einige Elemente psycho-
äußert sich das genau?«; »In welchen Situationen logisch nachvollziehbar sind (z. B. Patient wurde in
tritt das Problem auf? Können Sie mir bitte eine sol- der DDR real verfolgt, wähnt sich aber immer noch
che Situation schildern?«). von der mittlerweile aufgelösten Staatssicherheit
5 Nehmen Sie den Patienten und seine Probleme der DDR engmaschig beschattet).
ernst und stellen Sie die Beschwerden des Patien- 5 Arbeiten Sie am Aufbau einer vertrauensvollen Be-
ten nicht gleich infrage (z. B. »Von solchen Be- ziehung. Seien Sie wertschätzend und möglichst
schwerden höre ich das erste Mal.«; »Das gibt es authentisch. Zeigen Sie ruhig auch Humor, sofern
eigentlich gar nicht.«; »Könnte es sein, dass Sie sich der Patient diesen versteht und sich weiterhin ernst
das einbilden?«). genommen fühlt. So können angespannte Situatio-
5 Gehen Sie beim Erörtern möglicher Widersprüche in nen oftmals entkrampft werden.
den Ausführungen des Patienten behutsam vor – 5 Vermitteln Sie dem Patienten die Hoffnung, dass die
vermeiden Sie Kränkungen. Zeigen Sie ruhig (nicht Psychotherapie helfen kann, Symptome zu lindern.
wertende) Überraschung für offensichtlich abwe- 5 Lesen Sie auch die Erläuterungen zu den therapeu-
gige Ideen des Patienten. Offene Zurückweisung tischen Fallen (7 Abschn. 4.2) und zu möglichen
ruft bei Patienten dagegen häufig eine Verteidi- Problemen während der Therapie und deren Lö-
gungshaltung hervor und führt zu einer stärkeren sung (7 Kap. 6).

Im folgenden Abschnitt finden Sie einen Gesprächsleit- Gespräch und lässt Platz für Notizen. Versuchen Sie zu-
faden für das Anamnesegespräch. Bitte bereiten Sie sich nächst, aktuelle Nöte und Probleme des Patienten in einem
anhand dieser Materialien gut auf die ersten Sitzungen vor. freien Gespräch zu erfragen. Sie brauchen sich nicht zwin-
Wenn nötig, nehmen Sie die Fragensammlung in die Anam- gend an die Vorlagenreihenfolge zu halten. Beachten Sie,
nesesitzungen mit, um symptomzentrierte Fragen parat zu dass in den ersten Sitzungen unbedingt auch die familiären
haben. Zusätzlich steht Ihnen online unter: http://extras. Hintergründe zur Sprache kommen sowie Ressourcen, be-
springer.com/ ein 7 Anamnesebogen (Arbeitsblatt 1.0) reits angewendete Copingstrategien und Risikofaktoren
zur Verfügung, in dem die wichtigsten soziodemografi- (z. B. Drogen) erfasst werden sollten. Erfragen Sie mög-
schen und symptomatischen Aspekte aufgelistet sind. Der lichst, wann und in welchen konkreten Situationen die
Anamnesebogen dient Ihrer eigenen Strukturierung im Symptome/Probleme auftreten bzw. aufgetreten sind.
70 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

jAnamneseleitfaden
. Tab. 5.1

. Tab. 5.1 Anamneseleitfaden (7 Arbeitsblatt 1.0)

Anamnese Beispielformulierungen/Erläuterungen

Anbahnung »Bevor es in den nächsten Sitzungen mit der Therapie losgeht, möchte ich Ihnen zunächst einige Fragen zu Ihrer
Person sowie zu aktuellen und früheren Beschwerden stellen. Dies dient dazu, Sie näher kennenzulernen und Ihre
Beschwerden möglichst gut zu verstehen.« Falls der Patient bereits vorher anamnestisch befragt wurde, sollte
darauf hingewiesen werden, dass diese früheren Informationen zwar genutzt werden, es für die Therapie
aber unerlässlich ist, dass der Therapeut sich noch einmal ein eigenes Bild macht.
5
Behandlungsgrund »Können Sie mir kurz beschreiben, warum Sie zu mir gekommen sind/was zu Ihrem aktuellen Klinikaufenthalt
geführt hat? Können Sie für Ihre derzeitigen Probleme/Symptome einen Beginn bestimmen? Haben Sie eine Idee,
was als Auslöser (z. B. Stress am Arbeitsplatz, Trennung etc.) für die Schwierigkeiten in Betracht kommt? Sind diese
Probleme, die Sie mir geschildert haben, bereits früher in Ihrem Leben aufgetreten?« [Wenn ja:] »Wie häufig?
Können Sie für die einzelnen Erkrankungsphasen wiederkehrende Auslöser bestimmen?«

Sozialanamnese »Wie leben Sie zurzeit? Alleine oder in einer Partnerschaft? Sind Sie berufstätig?«

Familienanamnese Vater/Mutter/Geschwister/Partner/Kinder: Alter (falls verstorben, eventuell Todesursache). »Wie verstehen Sie
sich mit Ihren Familienmitgliedern? Stehen Sie mit ihnen in engem Kontakt? Haben Sie das Gefühl, dass Ihre
Familie Sie unterstützt? Sind Ihnen irgendwelche psychiatrischen Erkrankungen in Ihrer Familie bekannt?«

Soziale Integration »Haben Sie Freunde oder gute Bekannte? Haben Sie das Gefühl, dass diese Sie unterstützen? Wie häufig haben Sie
Kontakt zu ihnen?«

Belastende Lebens- »Manche Menschen erleben schlimme Ereignisse – z. B. Gewalt in der Familie, einen schweren Verkehrsunfall oder
ereignisse (behutsam sexuelle Übergriffe – in ihrem Leben. Haben Sie solche Dinge erlebt und wenn ja, können Sie darüber reden? Wann
erfragen) ist das Ereignis geschehen? Belastet Sie das Ereignis aktuell noch? Passiert es, dass Ihnen immer wieder Bilder
dieses Ereignisses in den Kopf kommen?«

Alkohol- und Drogen- »Trinken Sie regelmäßig Alkohol? Wie häufig, wie viel und seit wann? Nehmen Sie Drogen?« [Wenn ja:] »Welche
konsum Drogen und wie häufig? Nehmen Sie bestimmte Medikamente missbräuchlich ein bzw. anders als verschrieben?«
Seien Sie hier besonders behutsam bei misstrauischen Patienten, die eventuell befürchten, dass diese Infor-
mationen an die Polizei oder andere Sicherheitsorgane weitergeleitet werden könnten.

Wahnideen Es bietet sich an dieser Stelle an, von »besonderen Überzeugungen« oder »besonderen Ideen« zu sprechen,
anstatt von Wahnideen. »Hatten Sie in letzter Zeit oder jemals in Ihrem Leben das Gefühl, dass jemand Sie aus-
pioniert oder etwas gegen Sie ausheckt? Haben oder hatten Sie jemals das Gefühl, an Sie gerichtete Botschaften,
z. B. aus dem Fernsehen, übermittelt zu bekommen? Können Sie mir das genauer schildern? Haben oder hatten Sie
jemals das Gefühl, außerordentliche Fähigkeiten oder Kräfte zu besitzen? Welche sind/waren das? Hatten oder
haben Sie ungewöhnliche Erlebnisse? Haben Ihnen Bekannte/Freunde jemals gesagt, dass sie Ihre Ideen für merk-
würdig halten?« [Wenn ja:] »Welche dieser Ideen?«

7 Arbeitsblatt 1.1 Erarbeiten Sie mit dem Patienten anhand von 7 Arbeitsblatt 1.1 zu Beziehungsaufbau und Anamnese,
welche Überzeugungen/Ideen ihn besonders beschäftigen und zu Problemen in der Alltagsbewältigung
und im Umgang mit anderen Menschen führen. Fragen Sie den Patienten nach dem derzeitigen Grad der
Überzeugung. Sollte der Patient aktuell bereits Abstand zu seiner Überzeugung gewonnen haben, fragen Sie
ihn nach der Überzeugungsstärke während der letzten akuten Phase der Psychose (Spalte: »früher«). Bear-
beiten Sie auch die folgenden Fragen (Wie kam es dazu und wer steckt dahinter? etc.).
Sie können im Laufe der weiteren Sitzungen das Arbeitsblatt erneut zur Hand nehmen, um mögliche Verän-
derungen in der Überzeugungsstärke zu überprüfen. Gegebenenfalls können Sie so dem Patienten die
Änderungen seiner Ansichten präsent machen, welche ihm meist nicht vollends bewusst sind. Falls der
Patient noch nicht bereit sein sollte, hierüber zu sprechen (z. B. aufgrund mangelnder Krankheitseinsicht,
mangelnden Vertrauens), kommen Sie zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurück. Beachten Sie, dass
Patienten teilweise noch nie zuvor so detailliert über Inhalt und Ausmaß der besonderen Ideen befragt
wurden. Dies kann eine gute Basis für einen erfolgreichen therapeutischen Beziehungsaufbau darstellen.
Daher ist es wichtig, eine offene therapeutische Haltung einzunehmen. Versuchen Sie an dieser Stelle
keinesfalls, den Patienten von der Inkorrektheit seiner Ideen zu überzeugen.

Ich-Störungen »Haben Sie das Gefühl, andere Personen könnten Ihre Gedanken lesen oder dass Ihre Gedanken sogar laut
werden? Haben Sie das Gefühl, von anderen auf irgendeine Art und Weise beeinflusst zu werden? Oder können Sie
andere Menschen oder Ereignisse, z. B. das Wetter, beeinflussen?«
5.1 · Therapieeinheit 1: Beziehungsaufbau und Anamnese
71 5

. Tab. 5.1 (Fortsetzung)

Anamnese Beispielformulierungen/Erläuterungen

Halluzinationen »Haben Sie schon jemals etwas gehört/geschmeckt/gerochen/gesehen, was andere Personen nicht wahrnehmen
konnten oder was ungewöhnlich war? Was war/ist das? Gehen in Ihrem Körper merkwürdige Dinge vor sich?«
[Wenn ja:] »Welche? Hören Sie Stimmen, die andere Menschen nicht wahrnehmen können?« [Wenn ja:] »Was sind
das für Stimmen? Was sagen diese? Handelt es sich um unangenehme Inhalte? In welchen Situationen hören Sie
die Stimmen, oder sind die Stimmen ständig da?«

7 Arbeitsblatt 1.2 Falls der Patient Stimmen hört, fragen Sie ihn mithilfe von 7 Arbeitsblatt 1.2 u. a. nach Merkmalen, Inhalten
und möglichen Ursachen der Stimmen. Wird von dem Patienten eine wahnhafte Erklärung herangezogen,
fragen Sie ihn, ob es noch andere Erklärungen geben könnte. Falls Halluzinationen anderer Sinnesmodali-
täten (z. B. Geruchs- und Geschmackshalluzinationen) geschildert werden, wandeln Sie das Arbeitsblatt
entsprechend ab (siehe Beispieldialog nächste Seite). Sollte der Patient aktuell keine Stimmen mehr hören,
fragen Sie ihn auch nach der Stärke der Beeinträchtigung sowie dem Grad der Überzeugung zum letzten
Zeitpunkt, zu dem Stimmen gehört wurden. Falls der Patient noch nicht bereit sein sollte, hierüber zu spre-
chen (z. B. aufgrund mangelnder Krankheitseinsicht, mangelndem Vertrauen), kommen Sie hierauf zu einem
späteren Zeitpunkt zurück.

Formale »Haben Sie das Gefühl, dass sich Ihr Denken verändert hat? Haben Sie z. B. das Gefühl, zu viele Gedanken im Kopf
Denkstörungen zu haben oder dass die Gedanken abreißen?« Beachten Sie, dass sich eine formale Denkstörung nicht allein
subjektiv, sondern durch wahrnehmbare Sprachzerfahrenheit äußert.

Krankheitseinsicht »Glauben Sie, dass Sie ein psychisches Problem haben? Was halten Sie von der gestellten Diagnose Schizophrenie/
Psychose?« [Nur falls diese Diagnose überhaupt erwogen wurde und dem Patienten bekannt ist.] »Denken
Sie, dass Ihre geschilderten Probleme behandlungsbedürftig sind?«

Grundstimmung »Wie war Ihre Stimmung in letzter Zeit? Waren Sie oft traurig? Haben Sie geweint? Können Sie zurzeit Freude/
Trauer/Wut empfinden oder nehmen Sie Ihre Gefühle als allgemein gedämpft oder nicht mehr vorhanden wahr?
Ändert sich Ihre Stimmung manchmal von einer Minute zur anderen?«

Selbstwert »Wie würden Sie Ihr Selbstwertgefühl einschätzen? Haben Sie eine gute oder eher schlechte Meinung von sich
selbst?«

Schlaf/Appetit »Hatten Sie in letzter Zeit Schlafprobleme (Ein-, Durchschlafprobleme, frühmorgendliches Erwachen)? Wie sah es
in letzter Zeit mit Ihrem Appetit aus?«

Antrieb »Wie steht es mit Ihrer Energie und Initiative, bestimmte Dinge zu tun? Sind Sie zurzeit unternehmungslustig?
Nehmen Sie an vielen Aktivitäten teil?« [Wenn nein:] »Warum nicht? Kommen Sie morgens gut aus dem Bett?«

Eigengefährdung »Denken Sie derzeit, es wäre besser, nicht mehr am Leben zu sein? Haben Sie schon einmal daran gedacht, sich
das Leben zu nehmen oder sich selbst zu verletzen? Haben Sie einen konkreten Plan gemacht, wie Sie sich das
Leben nehmen könnten? Übt der Tod eine Faszination auf Sie aus? Sind die Suizidgedanken nahezu übermächtig,
oder können Sie sich davon ablenken? Haben Sie in der Vergangenheit schon einmal versucht, sich das Leben zu
nehmen?«
Bei Suizidgefahr: Sofern es sich um keine ambulante Behandlung handelt, geben Sie dem diensthabenden
Arzt auf der Station Bescheid! Ansonsten: »Können Sie mir garantieren, dass nichts passiert, wenn Sie jetzt nach
Hause gehen? Sie können mich anrufen, sollten die Gedanken übermächtig werden.« Kann der Patient sich nicht
glaubhaft von suizidalen Absichten distanzieren oder hegen Sie Zweifel, ist eine stationäre Aufnahme indi-
ziert! Ist der Patient absprachefähig, erstellen Sie zudem mit dem Patienten einen Notfallplan, der Kontakt-
daten für den Krisenfall (z. B. eines Familienmitgliedes, Therapeuten) enthält.

Angst »Sind Sie öfter ängstlich? Wovor haben Sie Angst? Haben Sie z. B. Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte?
Wie äußert sich die Angst körperlich?« Explorieren Sie zunächst nichtpsychotische Ängste wie spezifische
Phobien.

Aktiver sozialer »Sind Sie zurzeit lieber in Gesellschaft oder allein? Fühlen Sie sich unter Menschen wohl?« [Wenn nein:] »Warum
Rückzug/soziale nicht? Haben Sie Angst, die Aufmerksamkeit anderer Menschen in peinlicher oder beschämender Weise auf sich zu
Ängstlichkeit ziehen? Was befürchten Sie?«
72 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.1 (Fortsetzung)

Anamnese Beispielformulierungen/Erläuterungen

Vermeidungs- und Differenzieren Sie zwischen aktivem sozialem Rückzug oder Vermeidungsverhalten und Rückzug oder
Sicherheitsverhalten Abnahme von Aktivitäten aufgrund mangelnden Antriebs.
»Gibt es Alltagsaufgaben, denen Sie derzeit aktiv aus dem Weg gehen?« [Wenn ja:] »Welche Befürchtungen
stecken dahinter? Gibt es Aktivitäten, denen Sie früher nachgegangen sind, die Sie nun vermeiden?« Vermei-
dungs- oder Sicherheitsverhalten ist ein wichtiges »Spielfeld« für die praktische Erprobung und Übertragung
der Lernziele in den Alltag. Explorieren Sie sowohl Dinge, die der Patient aktiv meidet, als auch Situationen,
denen der Patient sich zwar nicht vollends entzieht, die er aber nur unter großer Angst bzw. mithilfe von
Sicherheitsverhalten (z. B. dicht am Ausgang stehen in der S-Bahn, kein Blickkontakt mit Passanten in der
5 Innenstadt, Tragen von Schutzamuletten oder Vermummung) durchsteht.

Zwänge »Müssen Sie bestimmte Gedanken immer wieder denken, obwohl Sie sich innerlich dagegen zur Wehr setzen?
Welche Gedanken sind das? Müssen Sie bestimmte Dinge immer wieder tun, obwohl Sie diese für übertrieben und
unsinnig halten – z. B. kontrollieren, waschen, zählen oder Dinge ordnen?«

Körperliche »Wie ging es Ihnen in letzter Zeit körperlich? Bereitet Ihnen Ihr körperliches Wohlergehen Sorgen?« [Wenn ja:]
Gesundheit »Was bereitet Ihnen speziell Sorgen? Sind Sie deswegen schon beim Arzt gewesen? Wie sehr beschäftigen Sie diese
Sorgen?« Explorieren Sie auch wahnhafte Gesundheitssorgen.

Mangelnde »Fühlen Sie sich häufig von anderen provoziert? Geraten Sie mit anderen Menschen leicht in Streit? Was sind das
Impulskontrolle für Situationen? Verlieren Sie in diesen Situationen die Kontrolle über sich? Werden Sie auch handgreiflich?«
Vorsicht: Patienten, die agitiert psychotisch sind und ihre Impulse nicht kontrollieren können, sollten erst zu
einem späteren Zeitpunkt am MKT+ teilnehmen. Achten Sie auf Ihre eigene Sicherheit!

Aufmerksamkeit/ »Können Sie Gesprächen gut folgen? Fällt es Ihnen in bestimmten Situationen schwer, bei einer Sache zu bleiben?
Gedächtnis Wie schätzen Sie Ihr Gedächtnis ein? Vergessen Sie vermehrt Dinge?«
Vorsicht: Eine Reihe von Studien zeigt, dass neuropsychologische Beschwerden (z. B. »Ich kann mir nichts
mehr merken!«) nur schwach mit objektiven Funktionseinbußen korrelieren (z. B. Ergebnissen in der Wechsler
Memory Scale), aber hoch mit depressiver Symptomatik. Die Angaben der Patienten sollten daher nach
Möglichkeit testpsychologisch verifiziert werden.

Desorientiertheit Nur bei Verdacht auf Einschränkungen explorieren. »Haben Sie Schwierigkeiten, Wege zu finden? Können Sie
mir bitte das heutige Datum sagen? Fällt es Ihnen schwer, Ihren Alltag zu organisieren bzw. zu strukturieren?«

Im Folgenden geben wir einen Beispieldialog wieder, T: »Sie nehmen also den Geruch sehr deutlich und auch als
bei dem die Übung zum Stimmenhören (7 Arbeitsblatt 1.2) unangenehm wahr. Gibt es Situationen oder Orte, wo Sie
auf olfaktorische Halluzinationen umgewandelt wurde. den Geruch besonders stark oder vielleicht auch gar nicht
wahrnehmen?«
Fallbeispiel P: »Besonders vor den Fenstern meiner Wohnung riecht es
Ein Patient ist davon überzeugt, dass er von seiner Exfreun- stark nach Benzin. Wenn ich das Fenster aufmache, zieht der
din vergiftet wird. Ähnliche Ängste sind bereits früher, bezo- Gestank in meine Wohnung. Wissen Sie, meine Exfreundin
gen auf andere Personen, aufgetreten. Er berichtet, dass er gießt das Benzin vor meine Fenster, um mich zu vergiften.«
ständig giftige Gerüche wahrnehme und dadurch sehr be- T: »Ich verstehe. Dann tragen Sie das doch mal hier ein. Zu
lastet sei. wie viel Prozent sind Sie davon überzeugt, dass der Geruch
T: »Ich möchte diese Übung gerne etwas abwandeln. Das immer von ihr kommt?«
bedeutet: Ich möchte das »Stimmenhören« durch ›Gerüche P: »Das ist so, das habe ich Ihnen doch erzählt.«
wahrnehmen‹ ersetzen.« T: »Das bedeutet also, dass Sie zu 100 % davon überzeugt
P: »Sie denken also auch, dass ich mir das einbilde!« sind, dass die Gerüche immer von Ihrer Exfreundin stam-
T: »Ich möchte mit Ihnen wertfrei an die Sache herangehen. men. Sie haben mir doch erzählt, dass Sie auch hier in der
Unser Ziel ist es, dass Sie einen besseren Umgang mit diesen Klinik einmal Benzin gerochen haben und die Angst sofort
Gerüchen, die Sie belasten, finden. Dafür ist es wichtig, dass aufkam, bis Sie bemerkten, dass Ihre Exfreundin ja gar nicht
wir uns hiermit genauer beschäftigen.« wissen kann, dass Sie hier sind.«
P: »Okay.« P: »Ja, das war so. Ich hatte große Angst, dass sie nun auch
T: »Also, was für eine Art von Geruch nehmen Sie wahr und hier sei, und habe lange darüber nachgedacht. Dann dachte
wie stark?« ich mir, dass hier immer so viele Busse und Autos fahren und
P: »Es stinkt ganz schrecklich nach Benzin.« der Benzingeruch vielleicht auch daher stammen könnte.«
5.2 · Therapieeinheit 2: Einführung in das Metakognitive Therapieprogramm
73 5
T: »Gut, also in der Klinik hatten Sie einmal Benzin gerochen, P: »Zu 90 % würde ich sagen.«
und sofort kam die Angst, da Sie sich an die Situation zu Hau- T: »Gut, möchten Sie diese Prozentzahl hier eintragen?«
se erinnert fühlten. Zu wie viel Prozent würden Sie nun sagen,
dass der Geruch immer von Ihrer Exfreundin stammt?«

5.2 Therapieeinheit 2: Einführung in das ist neben der Vorstellung der Therapie und ihrer »Spiel-
Metakognitive Therapieprogramm regeln« die Erarbeitung von Problembereichen und Thera-
piezielen.
jZiel der Einheit
Nachdem Sie die wesentlichen Beschwerden und Pro- jSpezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge
bleme des Patienten in einer ausführlichen Anamnese zu den Therapieblättern der Therapieeinheit 2 (Ein-
erhoben und Therapieeignung sowie Motivation geklärt führung in das Metakognitive Therapieprogramm)
haben, beginnen Sie anhand der Therapieblätter mit der . Tab. 5.2
Einführung in das Metakognitive Therapieprogramm. Ziel

. Tab. 5.2 Therapieeinheit 2 (Einführung in das Metakognitive Therapieprogramm)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 2.1–2.2 Stellen Sie nach der Symptomexploration anhand der Therapieblätter die Grundzüge des Therapie-
Von Therapieeinheit 2: Ein- ablaufs dar: Die weiteren Therapieeinheiten widmen sich verschiedenen Denkverzerrungen und
führung in das Metakogni- insbesondere der damit verbundenen individuellen Problematik des Patienten und möglichen
tive Therapieprogramm bis Lösungsversuchen.
Was ist das Metakognitive
Therapieprogramm?

7 Therapieblatt 2.2 Erarbeiten Sie gemeinsam mit dem Patienten, was das Wort »Metakognition« bedeutet.
Was ist das Metakognitive
Therapieprogramm?

Formulierungsvorschlag: »Das Wort ›Meta‹ stammt aus dem Griechischen und bedeutet ›über‹. ›Kognition‹ kann grob als ›Denken‹
übersetzt werden. Es geht in der Therapie darum, sich mit den eigenen Denkvorgängen (›Denken über das
Denken‹) sowie Denkverzerrungen bzw. -fallen auseinanderzusetzen.«

Erklären Sie dem Patienten das Prinzip und das Ziel des MKT+ Ansatzes.

Formulierungsvorschlag: »In den nächsten Wochen möchte ich mit Ihnen bestimmte Denkfallen bzw. Denkverzerrungen näher
besprechen, die fast alle Menschen kennen. Wenn diese aber zu stark ausgeprägt sind, können diese nach
heutigem Kenntnisstand bei der Entstehung von Psychosen [bzw. psychischen Problemen, wenn die Dia-
gnose nicht feststeht oder diese vom Patienten vehement abgelehnt wird] beteiligt sein. Hierzu gehört u. a.
die Neigung, voreilig zu schlussfolgern und an einer einmal gefassten Meinung, trotz Gegenbeweisen,
festzuhalten. Denkverzerrungen sollen erkannt und durch hilfreichere Bewältigungsstrategien ersetzt
werden. Es geht darum, dass Sie im Alltag wieder besser zurechtkommen. Die Techniken, die zur Anwen-
dung kommen, haben in verschiedenen Studien die Beschwerden vieler Patienten reduzieren können.«

Erklären Sie dem Patienten, dass Sie im Verlauf der Therapie viele Fragen stellen werden, um ihn und
seine Beschwerden möglichst gut verstehen zu können. Machen Sie ihm deutlich, dass Ihre Nachfra-
gen natürlicher Bestandteil der Therapie sind und nicht als Angriffe missverstanden werden sollen.
Gegebenenfalls können Sie auch das Prinzip der sokratischen Gesprächsführung (geleitetes Ent-
decken, 7 Abschn. 4.3) erläutern, das einen wesentlichen Baustein der Einzelsitzungen darstellt.

Formulierungsvorschlag: »Um ein vorurteilsfreies Bild Ihrer derzeitigen Ansichten zu bekommen, werde ich Ihnen in den Sitzungen
viele Fragen stellen. Dies wird auch ›sokratisches Gespräch‹ genannt, nach dem griechischen Philosophen
Sokrates. Sokrates versuchte, die Ansichten der Mitbürger seiner Heimatstadt Athen mittels ständigen
Nachfragens herauszufinden. Die Frage-Antwort-Technik hat zum Ziel, zu neuen Erkenntnissen zu führen.«
74 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.2 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblatt 2.3 Auf diesem Therapieblatt sind die Überschriften der einzelnen Therapieeinheiten aus dem Meta-
Therapieeinheiten des MKT+ kognitiven Therapieprogramm dargestellt. Stellen sie diese dem Patienten kurz vor und überlegen Sie
gemeinsam, welche der Einheiten für den Patienten sinnvoll wären. Betonen Sie auch, dass nicht alle
Therapieeinheiten bearbeitet werden müssen. Auch die Reihenfolge ist nicht festgelegt, da die Ein-
heiten nicht aufeinander aufbauen. Betrachten Sie das MKT+ als einen Baukasten, aus dem Sie sich
die Inhalte heraussuchen, die für den Patienten relevant sind.

Formulierungsvorschlag: »Hier sehen Sie mögliche Inhalte des MKT+. Wir werden wahrscheinlich nicht alle Einheiten davon bear-
5 beiten. Wir sollten jetzt überlegen, was davon für Sie relevant und interessant sein könnte. Ich stelle Sie
Ihnen nun ganz kurz vor:
– In der Einheit zum ›Zuschreibungsstil‹ geht es darum, welche Erklärungen wir für das Zustandekommen
von Situationen finden und welche Konsequenzen das dann haben kann.
– In der Einheit ›Schlussfolgern‹ diskutieren wir, welche Vor- und Nachteile es hat, schnelle Urteile zu fällen.
Zu schnelles Schlussfolgern kann dabei die Entstehung von Psychosen begünstigen.
– ›Korrigierbarkeit‹ bezieht sich auf die Fähigkeit, seine Meinung zu ändern, sofern stichhaltige Argumente
vorliegen. Ein Mangel an Korrigierbarkeit kann zur Verfestigung falscher Überzeugungen führen.
– In der Einheit ›Einfühlen‹ üben wir das Erkennen von Emotionen und Motiven anderer Menschen. Es geht
also um das ›Sich-Hineinversetzen‹ in andere Personen.
– In der Einheit zu ›Gedächtnis und Urteilssicherheit‹ setzen wir uns mit dem Gedächtnis und damit ver-
bundenen Problemen auseinander. Wir besprechen Strategien, wie man sich Dinge besser merken kann
und wie man Fehlererinnerungen, derer man sich zu sicher ist, vermeidet.
– Die Therapieeinheiten ›Depression und Denken‹ sowie ›Selbstwert‹ bieten sich vor allem dann an, wenn
man sich oft traurig fühlt und unter einem geringen Selbstwertgefühl leidet.
– Es gibt auch die Möglichkeit, ein ›Erklärungsmodell‹ der eigenen Symptomatik zu erstellen, indem wir
überlegen, was dazu geführt hat, dass Sie unter den Problemen leiden, die Sie mir berichtet haben.
– In der Therapieeinheit ›Umgang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe‹ sprechen wir noch darüber,
wie Sie mit Ihrer Erkrankung umgehen können und was wichtig ist, damit Sie keinen Rückfall erleiden.«
[Nur bei reflektierten Patienten:] »Haben Sie vielleicht schon eine Idee, was davon für Sie relevant sein
könnte?«

7 Therapieblatt 2.4 Händigen Sie dem Patienten eine gelbe und eine rote Karte aus, die Sie als Kopiervorlage unter:
Die gelbe und die rote Karte http://extras.springer.com/ finden. Auf der gelben Karte stehen drei sokratische Fragen, die sich der
Patient immer dann stellen soll, wenn er sich z. B. bedroht, beobachtet oder ausspioniert fühlt. Die
Karte soll die Nachhaltigkeit des Metakognitiven Therapieprogramms steigern, indem der Patient
angeleitet wird, seine Überzeugungen auch im Alltag zu hinterfragen und alternative Sichtweisen zu
entwickeln. Auf der roten Karte soll der Patient die Kontaktdaten von Vertrauenspersonen notieren,
an die er sich im Falle einer Krise wenden kann. Es sollten Personen ausgewählt werden, denen der
Patient möglichst auch während der Psychose ein gewisses Maß an Vertrauen entgegenbringt. Auch
die Telefonnummer mindestens einer professionellen Anlaufstelle oder eines Therapeuten (z. B. von
Ihnen selbst) sollte notiert werden! Füllen Sie die Karte ggf. gemeinsam mit dem Patienten aus. Erfah-
rungsgemäß ist es gut, dass Betroffene die Kontaktadressen stets griffbereit haben, da sie in akuten
Krisen teilweise nicht mehr wissen, an wen sie sich wenden sollen bzw. wem Sie vertrauen können.
Raten Sie dem Patienten, beide Karten stets im Portemonnaie bei sich zu tragen.

7 Therapieblatt 2.5 In der Tabelle auf 7 Arbeitsblatt 2.1 sind typische Symptome einer Psychose und damit einherge-
Probleme/Ziele hende Probleme aufgeführt. Gehen Sie gemeinsam die verschiedenen Probleme bzw. Symptome
7 Arbeitsblatt 2.1 durch, wobei der Patient jeweils diejenigen ankreuzen soll, die bei ihm aktuell vorliegen. Nennt der
Patient keine aktuellen Symptome, fragen Sie nach Symptomen in der Vergangenheit. Darüber
hinaus soll der Patient angeben, wie stark er aktuell unter den jeweiligen Problemen leidet (eventuell
leidet der Patient auch an den Folgen eines derzeit nicht mehr akut vorhandenen psychischen Pro-
blems, z. B. Arbeitsplatzverlust nach einer schizophrenen Episode).
5.3 · Therapieeinheit 3: Erklärungsmodell
75 5

. Tab. 5.2 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Arbeitsblatt 2.2 Nachdem Sie gemeinsam mit dem Patienten die aktuelle Problematik und den damit verbundenen
Leidensdruck erfasst haben, formulieren Sie im Anschluss gemeinsam auf 7 Arbeitsblatt 2.2 Ziele,
die der Patient in der Therapie erreichen möchte. Es sollte sich hierbei um realistische, d. h. für den
Patienten erreichbare, Ziele handeln, die sich möglichst auf die Bewältigung der zuvor gesammelten
Probleme beziehen sollten. Darüber hinaus soll der Patient angeben, welche Verbesserungen er sich
durch das (teilweise) Erreichen der jeweiligen Ziele erhofft. Fragen Sie den Patienten, woran er mer-
ken würde, dass er das Ziel erreicht hat, oder was er in diesem Fall eventuell wieder unternehmen
könnte, das ihm vorher nicht möglich war (z. B. »Wenn meine Ängste abnehmen, kann ich wieder
alleine einkaufen gehen.«). Konkretisieren Sie die Ziele so weit wie möglich und versuchen Sie, diese
positiv zu formulieren! Sie werden in den Einzelsitzungen allerdings selten allen Problemen gerecht
werden können und nicht immer alle der formulierten Ziele zur 100%igen Zufriedenheit beider
Seiten erreichen. Verdeutlichen Sie dem Patienten, an welchen Problemen und Zielen Sie verstärkt
gemeinsam arbeiten werden und einigen Sie sich auf konkrete Ziele. Transparenz ist wichtig, sowohl
für die therapeutische Beziehung als auch den Therapieerfolg (siehe auch 7 Abschn. 4.3–4.4).
Machen Sie deutlich, dass eine Psychotherapie helfen kann, die psychischen Beschwerden zu lindern,
wobei Fortschritte sich nicht bei allen Patienten unmittelbar einstellen und es auch zu gelegentlichen
Rückschlägen kommen kann.

Sitzungsende Nehmen Sie sich vor allem für die Erarbeitung der Ziele ausreichend Zeit. Die Therapieblätter zur
Einführung in das Metakognitive Therapieprogramm müssen nicht in einer Sitzung beendet werden.
Erinnern Sie den Patienten an den nächsten Termin. Idealerweise sollte dieser im Stationskalender
oder Kalender/Notizbuch des Patienten vermerkt werden!

7 Arbeitsblatt 2.3 Händigen Sie dem Patienten zum Abschluss der Sitzung 7 Arbeitsblatt 2.3 aus. Darauf sind die
wichtigsten Informationen zur Sitzung zusammengefasst. Zudem können hier Informationen aus der
Sitzung notiert werden, die für den Patienten besonders wichtig oder hilfreich waren. Hausaufgaben
(z. B. die selbstständige Bearbeitung von Arbeitsblättern) oder Übungen, die die Umsetzung des
Gelernten in den Alltag betreffen, sollten hier festgehalten werden. Motivieren Sie den Patienten,
offene Fragen für die nächste Stunde aufzuschreiben. Sie selber können das Arbeitsblatt für sich als
Gedankenstütze nutzen.

5.3 Therapieeinheit 3: Erklärungsmodell nie leidet, aber nicht krankheitseinsichtig ist bzw. die Dia-
gnose für sich nicht akzeptieren kann, schieben Sie die Ent-
jZiel der Einheit wicklung eines Erklärungsmodells auf bzw. begnügen Sie
Ausgehend von den in der Anamnese und während des sich mit Behelfsbezeichnungen wie »Zustand«, »Problem«
Therapieverlaufs gesammelten Informationen sollten Sie oder »Krankheit«. Das Erklärungsmodell muss keinesfalls
mit dem Patienten ein individuelles Vulnerabilitäts-Stress- abschließend sein. Bei Patienten, die sehr konkretistisch
Modell erarbeiten. sind, d. h., nach Fragen zu auslösenden Faktoren nur ein-
Weiter unten finden Sie eine Übersicht mit einer Viel- zelne konkrete Situationen nennen und nicht abstrahieren
zahl von Ressourcen und Risikofaktoren, die zu berück- können oder die zu Beginn der Therapie noch sehr ver-
sichtigen sind. Bereiten Sie sich möglichst gut auf die schlossen sind, sollte die Aufstellung des Erklärungsmo-
Sitzung(en) vor und überlegen Sie für sich im Voraus mög- dells zu einem späteren Zeitpunkt probiert werden.
liche Entstehungs- und Einflussfaktoren für den Fall, dass
der Patient nur wenige Ideen zur Entstehung seiner Er- jSpezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge
krankung hat. Anhand der Brandmetapher (7 Therapie- zu den Therapieblättern der Therapieeinheit 3
blätter 3.2 und 3.3) sollten Sie mit dem Patienten ein indi- (Erklärungsmodell)
viduelles Krankheits- bzw. Erklärungsmodell entwickeln. . Tab. 5.3
Falls der Patient unter den Symptomen einer Schizophre-
76 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.3 Therapieeinheit 3 (Erklärungsmodell)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblatt 3.1 In dieser Einheit soll gemeinsam mit dem Patienten ein individuelles Erklärungsmodell
Therapieeinheit 3: Erklärungsmodell erarbeitet werden.

Formulierungsvorschlag: »Die heutige Sitzung [bzw. die nächsten Sitzungen] möchte ich dazu nutzen, gemeinsam mit Ihnen
ein persönliches Entstehungsmodell Ihrer Beschwerden zu erstellen. […]«

7 Therapieblatt 3.2 Erklären Sie dem Patienten die Brandmetapher. Am Anfang dieses Modells stehen Aspekte, die
Brandmetapher ein Patient als Anlage/Verletzlichkeit mitbringt (in der Metapher: Brennmaterial), welche aber
nicht zwangsläufig sofort zu einer Psychose bzw. einem Zusammenbruch (Großbrand) führen.
5 Für die Psychoseentstehung gibt es vielmehr häufig einen oder mehrere Auslöser (Funke) und
langfristig fördernde Bedingungen bzw. verschlimmernde Faktoren (Brandbeschleuniger), die
zur Entstehung der Symptome, aber auch deren Aufrechterhaltung beitragen. Demgegenüber
stehen Ressourcen des Patienten (z. B. ein stabiles soziales Netz oder besondere Fähigkeiten,
die einen Neuanfang erleichtern) und (Behandlungs-)Maßnahmen, die die Psychosegefahr
eindämmen (Feuerlöscher). Nach der Psychose folgen häufig Konsequenzen (Brandschaden),
beispielsweise ein Arbeitsplatzverlust. Die Behandlung bietet jedoch auch Chancen für einen
Neubeginn (Austausch mit Leidensgenossen, Anbahnung eines Beratungstermins beim
Arbeitsamt durch die Sozialarbeiterin des Krankenhauses). Patienten mit einer schnellen Auf-
fassungsgabe können Sie die Brandmetapher auch direkt anhand des Erklärungsmodells
(7 Therapieblatt 3.3) erörtern, ohne 7 Therapieblatt 3.2 hinzuzuziehen. Vielen Betroffenen fällt
es schwer, eigene Ressourcen zu benennen aufgrund eines gering ausgeprägten Selbstwert-
gefühls. Nach Bearbeiten der Übungen zur Ressourcenaktivierung 7 Arbeitsblatt 10.2–10.4
solllte das Erklärungsmodell gegebenenfalls nachbearbeitet werden.

7 Therapieblatt 3.3 Nutzen Sie zur Erstellung eines individuellen Vulnerabilitäts-Stress-Modells 7 Arbeitsblatt 3.1.
Individuelles Erklärungsmodell
7 Arbeitsblatt 3.1

Formulierungsvorschlag: »Hier sehen Sie die Abbildung eines Erklärungsmodells, dargestellt anhand des Bildes eines Großbran-
des. Welche Anlagen/Verletzlichkeit – im Bild des Brandes entspricht dies dem Brennmaterial – haben
bei Ihnen möglicherweise zur Entstehung der Psychose [bei nichteinsichtigen Patienten: der Problema-
tik] beigetragen?« [Neben einer genetischen Vorbelastung können auch dysfunktionale Erziehungs-
stile und Vernachlässigung in der Familie sowie Traumatisierungen die Vulnerabilität erhöhen.
Greifen Sie hier u. a. auch die Denkverzerrungen auf, die sich während der Sitzungen herauskristal-
lisiert haben.] »Können Sie Auslöser für Ihre Erkrankung festmachen?« [Weiteres paraphrasieren]

7 Therapieblatt 3.4 Vermitteln Sie dem Patienten anhand der Beispiele, dass Wahnideen meist eng mit aktuellen
Entstehung von besonderen Über- Geschehnissen in der Umwelt bzw. mit dem lebensgeschichtlichen Hintergrund zusammen-
zeugungen hängen und nicht aus heiterem Himmel kommen. Nutzen Sie 7 Arbeitsblatt 3.2, um mit dem
7 Arbeitsblatt 3.2 Patienten Erklärungen zu erarbeiten, warum er gerade diese Idee und nicht eine andere ent-
wickelt hat.

Mögliche Risikofaktoren für eine schizophrene Psychose vs. Ressourcen


5 Familie: psychische Erkrankungen in der Familie vs. 5 Traumatische Erfahrungen vs. keine Traumata
keine Erkrankungen 5 Geringes intellektuelles Potenzial/Bildung vs. hohes
5 Familienklima: Familie mit »high expressed emo- intellektuelles Potenzial/Bildung (nur offen ausspre-
tions« (EE; d. h., die Angehörigen üben gegenüber chen, wenn als Ressource vorhanden – mögliche
dem Patienten übermäßig viel Kritik, zeigen offene Kränkungen bei weitestgehend unabänderlichen
Ablehnung oder sind im Gegenteil emotional über- Merkmalen vermeiden!)
engagiert/einengend/überfürsorglich) vs. 5 Niedriger sozioökonomischer Status vs. hoher
angemessenes emotionales Familienklima sozioökonomischer Status (nur offen aussprechen,
5 Freunde: mangelnde soziale Integration vs. gutes wenn als Ressource vorhanden – mögliche Krän-
soziales Netzwerk kungen bei weitgehend unabänderlichen Merk-
5 Medikamente: Nonadhärenz vs. Adhärenz malen vermeiden!)
5 Drogen- oder Alkoholmissbrauch vs. kein 5 Probleme bei Stressbewältigung vs. gute Coping-
Missbrauch strategien für Stress (fragen Sie, ob der Patient Ent-
5.4 · Therapieeinheit 4: Zuschreibungsstil
77 5

spannungstechniken kennt und aktiv anwendet 5 Arbeitslos/ohne Beschäftigung vs. beschäftigt bzw.
und wie er Probleme anpackt und löst) strukturierter Tagesablauf
5 Schwangerschafts- bzw. Geburtskomplikationen vs. 5 Denkstile spielen ebenfalls eine große Rolle bei der
keine Komplikationen Entstehung und Aufrechterhaltung von Psychosen:
5 Pessimistische Grundhaltung vs. Lebensfreude/ voreiliges vs. besonnenes Vorgehen, Starrköpfigkeit
Optimismus vs. mentale Flexibilität/Offenheit, schlechtes vs. gu-
5 Verschlossenheit vs. Offenheit/Austausch mit tes soziales Einfühlungsvermögen, Neigung zu ein-
sozialer Umgebung seitiger vs. differenzierter Ursachenbetrachtung vor
5 Geringes Selbstwertgefühl vs. realistisches, gut allem für Misserfolg
ausgebildetes Selbstwertgefühl 5 Wichtig: Erfragen Sie auch positive Stressoren (z. B.
5 Stressige (städtische) Umgebung vs. ruhige Geburt eines Kindes, neuer Job, Hochzeit), da diese
(geschützte) Umgebung mittelbar ebenfalls zu Belastungen führen können.

5.4 Therapieeinheit 4: Zuschreibungsstil Situation in Betracht zu ziehen. Obwohl sich diese Thera-
pieeinheit für den Anfang der Therapie bewährt hat, da der
jZiel der Einheit Attributionsstil ein Thema ist, welches für die meisten Be-
Erarbeiten Sie gemeinsam mit dem Patienten, dass kom- troffenen relevant ist, muss die Arbeit an den Denkverzer-
plexe (soziale) Situationen selten auf nur eine einzige Ur- rungen nicht notwendigerweise mit dieser Therapieeinheit
sache zurückzuführen sondern meist das Produkt mehre- beginnen. Die Reihenfolge der Einheiten zu den Denkver-
rer Faktoren sind (ich, andere Personen, Umstände). Dar- zerrungen sollte sich vielmehr aus den Therapiezielen und
über hinaus soll dem Patienten bewusst gemacht werden, dem gesteckten Zeitrahmen ergeben.
ob oder wann er selbst zu einseitigen Zuschreibungen neigt
und auf welche Weise bestimmte (vor allem personalisie- jSpezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge
rende und Schuld-)Zuschreibungen Wahnideen verstär- zu den Therapieblättern der Therapieeinheit 4
ken können. Leiten Sie den Patienten dazu an, in Zukunft (Zuschreibungsstil)
stets mehrere Ursachen für das Zustandekommen einer . Tab. 5.4

. Tab. 5.4 Therapieeinheit 4 (Zuschreibungsstil)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 4.1–4.5 Sofern Sie dem Patienten in der letzten Sitzung Hausaufgaben oder (Beobachtungs-)Übungen aufge-
Von Therapieeinheit 4: tragen haben, besprechen Sie diese zunächst nach.
Zuschreibungsstil bis Die ersten Therapieblätter führen in das Thema ein und verdeutlichen die Relevanz von Attributions-
Was soll das Ganze? stilen für unser Alltagsverhalten. Vielen Betroffenen sind die Nachteile von einseitigen Ursachenzu-
schreibungen nicht bewusst. Finden Sie heraus, welche Zuschreibungen der Patient bevorzugt. Zum
Beispiel weisen Betroffene mit (komorbider) Depression oft die Tendenz auf, negative Ereignisse sich
selbst und positive Ereignisse dem Zufall zuzuschreiben. Dieser Zuschreibungsstil führt zu einem
geringen Selbstwertgefühl. Hingegen wird die Umwelt besonders von Patienten, die andere Per-
sonen für Misserfolge verantwortlich machen (z. B. »Einzig mein Betreuer ist an meiner misslichen
Lage schuld.«), als feindlich und bedrohlich wahrgenommen. Bei Patienten, die häufig die Ursachen
für positive wie auch negative Ereignisse dem Zufall oder anderen Personen zuschreiben, kann es zu
Ohnmachtsgefühlen bzw. einem Gefühl des Kontrollverlustes kommen. Ziel der Therapieeinheit ist,
dass der Patient lernt, stets mehrere Ursachen für das Zustandekommen eines Ereignisses in Betracht
zu ziehen.

7 Therapieblätter 4.2–4.3 Erarbeiten Sie gemeinsam mit dem Patienten, was »Zuschreibung« bedeutet.
Zuschreibung
78 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.4 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

Formulierungsvorschlag: »Diese Therapieeinheit beschäftigt sich mit dem Thema Zuschreibungsstil. Haben Sie eine Idee, was damit
gemeint sein könnte?« […] »Zuschreibung ist ein etwas umständliches Wort. Darunter versteht man,
eigene Erklärungen für das Zustandekommen von Situationen zu finden.« [Weiteren Text paraphrasie-
ren.] »Versetzen Sie sich bitte einmal in die Situation, dass Sie durch die praktische Führerscheinprüfung
fallen. Was könnten mögliche Gründe dafür sein?« Erarbeiten Sie anhand dieses Beispiels, dass es für ein
Ereignis meistens verschiedene Ursachen gibt und häufig mehrere Faktoren gleichzeitig beteiligt
sind.

5 7 Therapieblätter 4.4–4.5 Auf diesen Therapieblättern sind Ergebnisse aus der Grundlagenforschung laienverständlich zusam-
Was soll das Ganze? mengefasst, mit dem Ziel, die Essenz und die Relevanz der Einheit für die Entstehung einer Psychose,
aber auch emotionaler Probleme deutlich zu machen.

Formulierungsvorschlag: »Eine übermäßige Selbstzuschreibung von Misserfolg kann ein niedriges Selbstwertgefühl oder sogar
Depressionen begünstigen. Auf der anderen Seite zeigen viele Menschen mit Psychose die Tendenz, andere
Menschen für negative Ereignisse verantwortlich zu machen. Oft wird nur eine mögliche Ursache statt
mehrerer erwogen. Was könnten Folgen eines solchen Zuschreibungsstils sein?« [Wenn der Patient nichts
sagt:] »Man kann sich vorstellen, dass diese Ursachenzuschreibung – andere Personen zu beschuldigen
– zu zwischenmenschlichen Problemen und Konflikten führen kann.«

An dieser Stelle können auch die 7 Therapieblätter 9.6–9.9 aus der Therapieeinheit 9 (Depression
und Denken) verwendet werden. Das dortige Schaubild verdeutlicht den Zusammenhang von Ge-
danken, Gefühlen und Verhalten: Die Bewertung einer Situation (z. B. »Sie fallen durch die praktische
Führerscheinprüfung.«) bestimmt maßgeblich die Gefühle und das Verhalten einer Person. Bei Vorlie-
gen eines depressiven Bewertungs- und Zuschreibungsstils sucht die Person die Schuld eher bei sich
selbst, wertet sich ab, fühlt sich niedergeschlagen und geht mit gesenktem Kopf aus der Prüfung.
Sucht eine Person hingegen die Schuld eher bei anderen Menschen, in diesem Fall dem Prüfer,
reagiert sie eventuell unangemessen wütend gegenüber der sozialen Umwelt (für weitere Hinweise
siehe auch die Anmerkungen in 7 Therapieeinheit 9 [Depression und Denken]).

7 Therapieblätter 4.6–4.7 Ziel der Aufgaben ist es, dem Patienten auf spielerische Art zu verdeutlichen, dass ein Ereignis ver-
Aufgaben schiedene Ursachen haben kann. Bei den Aufgaben wird der Patient aufgefordert, verschiedene
Entstehungsmöglichkeiten von Ereignissen durchzuspielen, wobei drei mögliche Ursachenquellen
einzeln oder in Kombination in Betracht zu ziehen sind: ich selbst, andere Personen oder situative
Faktoren. Einseitige Zuschreibungen sind zu vermeiden. Verschiedene Entstehungsursachen sind
parallel zu erwägen, um auf diese Weise automatisierte Denkpfade zu durchbrechen.

Formulierungsvorschlag: »Überlegen Sie, was mögliche Ursachen für diese Beispielsituationen sein könnten. Versuchen Sie nicht
vorschnell, eine einzige Begründung auszuwählen. Welche Folgen könnten Ihre Zuschreibungen in der
entsprechenden Situation haben? (z. B. können Anschuldigungen zu Streit führen).«

7 Therapieblatt 4.6 Falls der Patient nur einseitige Erklärungen für das Ereignis benennt (z. B. »Sie lachen mich mal wie-
Andere fangen an zu lachen, der aus.«), versuchen Sie gemeinsam die Folgen dieser Zuschreibung zu erarbeiten (Selbstwertgefühl
während Sie reden sinkt, man fühlt sich unwohl und zieht sich zurück, man beschimpft andere Personen etc.). Fragen Sie
im Anschluss, ob wirklich keine anderen Erklärungsmöglichkeiten denkbar sind. Fragen Sie konkret
nach den drei Zuschreibungsmöglichkeiten: ich, andere Personen, Umstände. Bieten Sie folgende
Möglichkeiten an, falls der Patient keine weiteren nennt:
– Ich: Ich habe, von mir selbst unbemerkt, einen lustigen Versprecher gemacht; ich habe einen guten
Scherz gemacht.
– Andere Personen: Einer der anderen Personen hat gerade einen guten Witz erzählt, den ich nicht
gehört habe, das hatte nichts mit mir zu tun; die anderen sind immer sehr albern und lachen schon
über Kleinigkeiten.
– Umstände: Es ist Silvester – alle sind in Feierlaune und kichern beim kleinsten Anlass.

7 Therapieblatt 4.7 Gehen Sie wie beim oben beschriebenen Beispiel vor. Bieten Sie z. B. folgende Möglichkeiten als
Eine Freundin hat Ihnen ein Hilfestellung an:
Geschenk gekauft – Ich: Ich hatte ihr geholfen; ich habe eine Prüfung bestanden.
– Andere Personen: Sie ist ein großzügiger Mensch.
– Umstände: Heute ist mein Geburtstag; sie hat eine Gehaltserhöhung erhalten; sie sah im Laden
zufällig etwas Nettes, was sie mir schenken wollte.
5.4 · Therapieeinheit 4: Zuschreibungsstil
79 5

. Tab. 5.4 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblatt 4.8 Dieses Therapieblatt verdeutlicht, wie einseitige Zuschreibungen im Extremfall die Entstehung psy-
Wie einseitiges Zuschreiben chotischer Überzeugungen begünstigen können.
Fehleinschätzungen, z. B.
während einer Psychose,
begünstigt –Beispiele
7 Arbeitsblatt 4.1

7 Arbeitsblatt 4.1 Erarbeiten Sie mit dem Patienten, zunächst anhand des Beispiels auf 7 Therapieblatt 4.8, wie einsei-
tiges Zuschreiben Fehleinschätzungen, z. B. während einer Psychose, begünstigt. Nutzen Sie an
dieser Stelle 7 Arbeitsblatt 4.1 und fragen Sie den Patienten behutsam nach eigenen Beispielen.
Sollten dem Patienten keine eigenen Beispiele einfallen, sprechen Sie ihn auf psychoseferne bis -nahe
Situationen an, die er eventuell in der Anamnese oder in vorherigen Sitzungen geschildert hat.
Erarbeiten Sie gemeinsam mit dem Patienten mögliche alternative Erklärungen. Bei wenig krank-
heitseinsichtigen bzw. misstrauischen Patienten bietet es sich an dieser Stelle an, neutrale bzw.
eigene psychoseferne oder weitere fiktive Alltagssituationen, ähnlich wie auf 7 Therapieblätter
4.6–4.7, zu generieren, um den Patienten nicht zu überfordern bzw. die Therapieadhärenz zu sichern.
Eigene wahnrelevante Situationen sollten in einem solchen Fall erst zu einem späteren Zeitpunkt
bearbeitet werden! Dieses Vorgehen entspricht auch dem Hintertüransatz des MKT (siehe auch
7 Kap. 1). Sie können das Arbeitsblatt also auch überspringen und gleich mit 7 Therapieblatt 4.9
weiter machen. Weitere fiktive psychosenahe Beispiele finden Sie im Verlauf dieser Therapieeinheit
z. B. 7 Therapieblätter 4.19–4.22 oder 4.26. Siehe hierzu auch die Erläuterungen/Hinweise zum
Fallbeispiel auf 7 Therapieblätter 4.19–4.22.

7 Therapieblätter 4.9–4.14 Ermutigen Sie den Patienten, die Konsequenzen verschiedener Zuschreibungsstile für die eigene
Konsequenzen bestimmter Gefühlslage und das soziale Miteinander zu erarbeiten. Fragen Sie den Patienten nach Vor- und
Zuschreibungen für negative Nachteilen, wenn man z. B. ein negatives Ereignis allein sich selbst oder allein anderen Personen
bzw. positive Ereignisse zuschreibt. Nachdem Sie die Vor- und Nachteile einseitiger Erklärungen erarbeitet haben, regen Sie
den Patienten zu einer ausgewogenen Erklärung an, die mehrere Ursachenquellen mit einbezieht
(ich, andere Personen, Umstände). Wiederholen Sie diese Übung für ein positives Ereignis (7 Thera-
pieblätter 4.12–4.14).

7 Therapieblätter 4.15–4.18 Folgende Übung funktioniert am besten, wenn Sie die Therapieblätter am PC bzw. Tablet-PC zeigen.
Kartenspiel Sie können alternativ auch ein echtes Kartenspiel zur Hand nehmen, um den Trick vorzuführen.
Auf 7 Therapieblatt 4.15 sind 6 Spielkarten abgebildet. Der Patient wird aufgefordert, sich eine dieser
Karten im Geiste auszusuchen und einzuprägen, ohne diese zu nennen. Diese wird, so die Instruktion,
sodann aus den übrigen Karten entfernt, was suggeriert, man könne die Gedanken des Patienten lesen.
Achten Sie darauf, dieses Therapieblatt nicht zu lange darzubieten. Um die Chance zu erhöhen, dass der
Kartentrick funktioniert, lassen Sie ca. eine halbe Minute vergehen, bevor Sie ihm die Karten von 7 The-
rapieblatt 4.17 vorlegen. Der simple Trick besteht darin, dass alle Karten ausgewechselt wurden – nicht
nur die vom Patienten ausgewählte! Fragen Sie den Patienten zunächst nach seiner Erklärung. Lösen Sie
dann den Trick auf. Selbst wenn der Patient den Trick durchschaut, eignet er sich dazu, aufzuzeigen,
dass für scheinbar paranormale Phänomene meist eine einfachere Erklärung existiert.

7 Therapieblätter 4.19–4.22 Das dargestellte Fallbeispiel eignet sich vor allem für Patienten, die noch nicht in der Lage sind, an
Verfolgung/Seltsame Gerü- eigenen wahnrelevanten Themen zu arbeiten bzw. eine mangelnde Krankheitseinsicht oder Refle-
che; Für und Wider xionsbereitschaft zeigen. Oft ist es für Patienten einfacher, zunächst fiktive Beispiele statt eigene
7 Arbeitsblatt 4.2 Verkennungen zu bearbeiten. Dieses Vorgehen ebnet zu einem späteren Zeitpunkt häufig eine
kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Überzeugungen.
Gehen Sie mit dem Patienten das Fallbeispiel (Tina: Verfolgung/Seltsame Gerüche) durch und fragen
Sie ihn nach alternativen Erklärungen/Ursachen für die beschriebenen Phänomene.
Nutzen Sie das Tortendiagramm auf 7 Arbeitsblatt 4.2, um mit dem Patienten die unterschiedlichen
Zuschreibungsquellen zu besprechen. Seine Ideen kann er dann jeweils unter die Zuschreibungen
Situation/Umstände, andere Menschen und Tina selbst schreiben und den prozentualen Anteil der
verschiedenen Aspekte grafisch in die Torte eintragen. Ermuntern Sie den Patienten anschließend, eine
ausgewogene Ursachenzuschreibung zu formulieren, die mehrere Ursachen einbezieht. Hinterfragen
Sie einseitige Erklärungen und besprechen Sie mit dem Patienten deren mögliche Konsequenzen. Zum
Vergleich kann ein weiteres Tortendiagramm für eine ausgewogene Zuschreibung gezeichnet werden.
Wenn der Patient keine Ideen nennt, können Sie zur Unterstützung die möglichen Erklärungen auf
7 Therapieblatt 4.21 verwenden (d. h. »In welcher Art und Weise tragen die Umstände, andere
Personen oder Tina selbst zum Zustandekommen der Situation bei?«).
80 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.4 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 4.23–4.24 Besprechen Sie mit dem Patienten anhand der 7 Arbeitsblätter 4.3 und 4.4 jeweils 1–2 negative und
Negatives bzw. positives positive Ereignisse der letzten Tage. Wählen Sie ggf. Begebenheiten, die Ihnen der Patient in vorhe-
Ereignis in der letzten Woche rigen Sitzungen geschildert hat. Hier bietet es sich an, zu diskutieren, wie das Verhalten anderer
7 Arbeitsblätter 4.3–4.4 Personen interpretiert wurde oder wie eigenes (Fehl-)Verhalten bei anderen ankam. Es geht weniger
darum, den Patienten von einer fragwürdigen oder eventuell falschen Interpretation gänzlich abzu-
bringen, sondern vielmehr darum, den Blick für alternative Sichtweisen zu weiten.

Formulierungsvorschlag: »Fällt Ihnen ein Ereignis ein, dass Sie in der letzten Woche traurig oder wütend gemacht hat? Wie haben
5 Sie die Situation zunächst bewertet und welche Ursache haben Sie ausgemacht?« [Wenn dem Patienten
nichts einfällt, schlagen Sie etwas vor:] »In der vorletzten Sitzung wirkten Sie sehr aufgebracht, als Sie
erzählten, dass ein Arzt Sie lange hat warten lassen… Im Vorgespräch haben Sie erzählt… Spielen Sie die
Situation mal durch.« [Falls weder dem Patienten noch Ihnen ein geeignetes Ereignis einfällt, kann
auch auf ein fiktives Beispiel zurückgegriffen werden:] »Stellen Sie sich vor, ein Freund kündigt seinen
Besuch an, aber er erscheint nicht. Was könnte die Ursache dafür sein?«

Der Patient externalisiert oder internalisiert stark:

Formulierungsvorschlag: »Bestimmte Zuschreibungsstile haben unterschiedliche Konsequenzen. Welche Folgen hat die von Ihnen
hier angeführte Ursachenerklärung?« [Falls der Patient nichts benennen kann, konkretisieren Sie Ihre
Frage:] »Welche Auswirkungen hat das für Ihr Selbstwertgefühl und Ihr Verhältnis zu anderen Menschen?«

Es soll dem Patienten klar werden, dass einseitige externale Schuldzuweisungen zu zwischenmensch-
lichen Problemen führen können und einseitige Selbstanklagen das Selbstwertgefühl schwächen.
Nutzen Sie die Frage »Wie könnte man das Ereignis anders bewerten?« auf 7 Arbeitsblatt 4.3 bzw.
4.4, um alternative Erklärungen für das geschilderte Ereignis zu finden.

Formulierungsvorschlag: »Wir haben nun unterschiedliche Zuschreibungsstile besprochen und vertieft. Ohne Ihre Erklärung
gänzlich infrage zu stellen: Fallen Ihnen vielleicht noch andere Einflüsse für das Zustandekommen der
Situation ein?«

Der Patient soll nachfolgend unterschiedliche Entstehungsfaktoren sammeln und diese den drei
Zuschreibungsquellen ich, andere Personen, Umstände zuordnen.

7 Therapieblatt 4.25 Erklären Sie das Schaubild und diskutieren Sie mit dem Patienten, welchem Zuschreibungstyp er am
Was für ein Zuschreibungs- ehesten entsprechen könnte. Blau hinterlegt sind die Zuschreibungsstile, die in der Forschung als
typ sind Sie? »psychosetypisch« gelten. Wenn Sie das Gefühl haben, dass sich der Patient falsch einschätzt, führen
Sie ihm behutsam Situationen vor Augen, in denen er offensichtlich abweichend von seiner Selbst-
einschätzung attribuiert hat und leiten Sie ihn zum kritischen Hinterfragen seiner Selbsteinschätzung
an. Fragen Sie den Patienten z. B., wie Mitmenschen ihn beurteilen oder ob schon beklagt wurde,
dass er immer alles auf sich bezieht, sich Dinge so zurechtlegt, wie sie für ihn günstig sind oder er sich
schnell auf eine einzige Ursache einschießt etc. Beziehen Sie Testergebnisse mit ein, sofern vorhan-
den (z. B. aus dem IPSAQ-R, 7 Anhang).

Formulierungsvorschlag: »Hier sehen Sie, dass Personen, die sowohl positive als auch negative Ereignisse sich selbst zuschreiben,
einen ›überverantwortlichen Zuschreibungsstil‹ aufweisen. Hingegen besitzt jemand einen depressiven
Stil, der negative Ereignisse sich selbst und positive eher dem Glück oder anderen Personen zuschreibt.«
[Weiteres paraphrasieren.] »Was, glauben Sie, würde ein Freund oder eine Freundin [bzw. eine andere
Bezugsperson] sagen, wenn wir ihn/sie fragen würden, was für ein ›Zuschreibungstyp‹ Sie sind? Worauf
stützt sich diese Einschätzung?«

7 Therapieblatt 4.26
Verfolgung: Umstände, ande-
re Personen und ich selbst!

Formulierungsvorschlag: »Es gibt viele verschiedene Ursachen, weshalb Menschen sich verfolgt fühlen – z. B. tatsächliche Verfol-
gung, Mobbing, Fehlwahrnehmungen während eines Drogenrausches oder übertriebene Ängste. Meist
liegt eine Kombination von verschiedenen Ursachen vor! Hier sehen Sie ein Beispiel dafür, welche Ursachen
an der Entstehung einer entsprechenden Befürchtung beteiligt sein können.« [Beispiel vorlesen.]
5.4 · Therapieeinheit 4: Zuschreibungsstil
81 5

. Tab. 5.4 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Arbeitsblatt 4.5 Versuchen Sie, mit dem Patienten die Ursachen seiner besonderen Ideen/Befürchtungen, wie im
vorherigen Beispiel, anhand eines Tortendiagramms zu erarbeiten. Nutzen Sie dafür 7 Arbeits-
blatt 4.5. Bei Patienten, die zu einseitiger Externalisierung neigen, ist es hilfreich, zunächst bei dem
eigenen Anteil (ich) zu beginnen. Ein weiteres Tortendiagramm für eine ausgewogenere Ursachenzu-
schreibung ist sinnvoll, sofern der Patient bereits etwas distanziert ist von den Ideen. Liegt die letzte
psychotische Episode bereits lange zurück, so kann ein weiteres Tortendiagramm zum Vergleich
heute (distanziert) zu damals (frühere Episode) angefertigt werden.

Formulierungsvorschlag: »Zeichnen Sie in die ›Torte‹ ein, welche Anteile die verschiedenen Ursachenquellen für Ihre Befürchtungen
bzw. für Ihre Ideen haben.«

7 Therapieblätter 4.27–4.32 Die Bearbeitung dieser Therapieblätter bietet sich vor allem dann an, wenn der Patient wenigstens
Von Eine Stimme beschimpft zeitweise Stimmen gehört hat. Sollten diese Beschwerden auf den Patienten nicht zutreffen, so kön-
Sie, ohne dass eine äußere nen die 7 Therapieblätter 4.27–4.32 übersprungen werden. Sie können jedoch auch dann sinnvoll
Quelle sichtbar ist bis Stim- sein, wenn der Patient zwar keine Stimmen hört, aber über Gedankeneingebung klagt oder andere so
menhören – Eigene Gedan- genannte Ich-Störungen aufweist. Wenden Sie die Therapieblätter auch für taktile, optische, gustato-
ken oder ferngesteuert? rische und olfaktorische Halluzinationen an, indem Sie diese gemeinsam mit dem Patienten abwan-
Pro und Kontra deln. Ursachen für z. B. olfaktorische Halluzinationen können sein:
– Ich: Symptom der Erkrankung, empfindlicher Geruchssinn.
– Andere Personen: Jemand möchte mir schaden, mich vergiften etc.
– Umstände: Stress führt bei mir manchmal zu Fehlwahrnehmungen.
Einige Patienten äußern, dass es sich bei Halluzinationen (verschiedener Qualitäten) nicht um Fehl-
wahrnehmungen handeln kann, da sie z. B. auch körperliche Begleiterscheinungen nach sich ziehen
(z. B. Geruchswahrnehmung von Giftstoffen löst Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Atempro-
bleme aus). Um den Einfluss von Vorstellungen bzw. Fehlwahrnehmungen auf den Körper erfahrbarer
zu machen, bietet sich eine Imaginationsaufgabe als Experiment an.

Formulierungsvorschlag: »Lassen Sie uns ein Experiment machen. Schließen Sie dabei möglichst die Augen. Stellen Sie sich nun
bildlich eine aufgeschnittene Zitrone vor, die Sie in der Hand halten. Nun stellen Sie sich bitte vor, dass Sie
fest in die Zitrone hineinbeißen. Was passiert?« [Das Experiment funktioniert in der Regel sehr gut und
es wird der Speichelfluss angeregt.] »Ich gehe davon aus, dass sich in Ihrem Mund Speichel gesammelt
hat. Sie haben auch ein wenig das Gesicht verzogen. Hieran sehen Sie, wie alleine die Vorstellung unsere
Körperfunktionen beeinflussen kann. Genauso können Fehlwahrnehmungen, z. B. der angebliche Geruch
von Giftstoffen, und dazugehörige Überzeugungen, z. B. jemand möchte Ihnen schaden, zu unangeneh-
men körperlichen Reaktionen führen.«

7 Therapieblatt 4.27
Eine Stimme beschimpft Sie,
ohne dass eine äußere
Quelle sichtbar ist

Formulierungsvorschlag: »Sie berichten, dass Sie Stimmen hören bzw. in der Vergangenheit gehört haben. Es gibt ganz verschiedene
Erklärungen, wie es dazu kommt. Versuchen Sie bitte, zunächst einmal selbst ganz allgemein, verschie-
dene Gründe dafür zu benennen, wieso man Dinge hört, die andere Anwesende nicht hören.«

7 Therapieblatt 4.28
Eine Stimme beschimpft Sie,
ohne dass eine äußere Quel-
le sichtbar ist

Formulierungsvorschlag: »Hier sehen Sie eine Reihe von möglichen Zuschreibungen für das Stimmenhören. Die Erklärungen
schließen sich nicht gegenseitig aus. Können Sie die eine oder andere dieser Zuschreibungen für sich in
Betracht ziehen?«

7 Therapieblatt 4.29
Eine Stimme beschimpft Sie,
ohne dass eine äußere Quel-
le sichtbar ist

Formulierungsvorschlag: »Hier sehen Sie Zuschreibungen, wie sie während der Psychose typisch sind. Bitte formulieren Sie Argumen-
te für und gegen diese Erklärungen.«
82 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.4 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Arbeitsblatt 4.6 Erarbeiten Sie anhand des Tortendiagramms auf 7 Arbeitsblatt 4.6, welche Zuschreibungen der
Patient für seine eigenen Stimmen heranzieht.

Formulierungsvorschlag: »Welche Erklärungen haben Sie aktuell für Ihre Stimmen? Wie groß sind die Anteile der verschiedenen
Quellen – also ich, andere Personen und Umstände? Zeichnen Sie die Anteile wie Tortenstücke in den
Kreis.« Diese Übung kann auch für Halluzinationen anderer Modalitäten in abgewandelter Form
herangezogen werden.

7 Therapieblätter 4.30–4.31
5 Stimmenhören – Eigene
Das Therapieblatt ist auch für Patienten, die keine wahnhafte Erklärung für das Stimmenhören
favorisieren, geeignet.
Gedanken oder fernge-
steuert? Pro und Kontra

Formulierungsvorschlag: »Links sehen Sie Gründe, die häufig von Patienten, die Stimmen hören, angeführt werden, und warum sie
davon überzeugt sind, dass die Stimmen von außen erzeugt werden. Ich möchte mit Ihnen mögliche
Gegenargumente bzw. andere Erklärungen zusammentragen. Was sagen Sie zum ersten Argument?
Denken Sie, dass alle Gedanken stumm sind?«

Entwickeln Sie nach jedem Argument gemeinsam Gegenargumente. Erwarten Sie jedoch nicht, dass
der Patient Ihnen gleich beipflichtet. Ziel der Übung ist vielmehr, den Patienten zu motivieren, andere
Erklärungen in Erwägung zu ziehen. Diese Therapieblätter können, wie erwähnt, ggf. auch verwendet
werden für Patienten, die nicht von Halluzinationen, sondern von Ich-Störungen berichten (vor allem
Gedankeneingebung, Gedankenausbreitung, Gedankenlautwerden).

7 Therapieblatt 4.32
Stimmenhören – Eigene
Gedanken oder fernge-
steuert? Pro und Kontra

Formulierungsvorschlag: »Über die Pro- und Kontra-Argumente hinaus ist zu überlegen, ob die Annahme einer Fernsteuerung von
Gedanken als Erklärung für das Stimmenhören wirklich ausreicht. Eigentlich werden ja mehr Fragen
aufgeworfen als beantwortet, z. B. bezüglich der technischen Realisierung.«

7 Therapieblatt 11.18 aus Therapieeinheit 11 (Umgang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe)
kann hilfreich sein, um besonders belasteten Patienten zu vermitteln, dass akustische Halluzinationen
ein weitverbreitetes Phänomen sind.

7 Therapieblatt 4.33 Die formulierten Lernziele bahnen die Übertragung auf den Alltag. Patienten mit Psychose haben
Übertragung auf den Alltag häufig kognitive Probleme. Versuchen Sie daher, die »Take-home-Botschaften«/Lernziele möglichst
einfach und griffig darzustellen, damit diese leicht zu verstehen und zu merken sind. Sie sollten dem
Patienten mit auf den Weg geben, dass mindestens 2–3 Möglichkeiten zu berücksichtigen sind, wes-
halb jemand sich in einer besonderen Art und Weise verhalten hat. Eigentlich wird fast jede Situation
zu einem gewissen Grad durch drei Faktoren mit verursacht: ich, andere Personen und Umstände.

7 Therapieblatt 4.34 Besprechen Sie mit dem Patienten, welche Punkte der Therapieeinheit zum Zuschreibungsstil für
Was hat das mit Psychose zu ihn persönlich besonders hilfreich oder relevant waren. Händigen Sie ihm an dieser Stelle auch
tun? 7 Arbeitsblatt 4.7 aus.
7 Arbeitsblatt 4.7 Stellen Sie ein bis zwei konkrete Hausaufgaben (z. B. eine Übung der Arbeitsblätter, die Sie nicht oder
nur teilweise während der Therapieeinheit bearbeitet haben). Der Patient soll zudem bei sich auf
selbstdienliches Verhalten (z. B. Ausreden, einseitige Beschuldigungen anderer) oder auch depressive
Zuschreibungen (z. B. Selbstanklagen) achten. Notieren Sie die Hausaufgabe auf 7 Arbeitsblatt 4.7.
Zudem können hier Informationen aus der Sitzung notiert werden, die für den Patienten besonders
wichtig oder hilfreich waren. Nur wenn es dem Patienten gelingt, sich das Gelernte im Alltag zu
vergegenwärtigen und vor allem in diesen zu übertragen, ist eine dauerhafte Änderung des Erlebens
und Verhaltens zu erwarten. Die Sitzungen zu dieser Therapieeinheit sollen einen ersten Denkanstoß
liefern. Ermutigen Sie den Patienten, offene Fragen ebenfalls auf 7 Arbeitsblatt 4.7 zu notieren, um
diese in der nächsten Stunde zu besprechen.

7 Therapieblatt 4.35 Sollte dem Patienten die Relevanz der Therapieeinheit noch nicht klar geworden sein, nutzen Sie
Was hat das mit Psychose zu optional das Fallbeispiel, um noch einmal die Verbindung zwischen einseitigen Zuschreibungen und
tun? der Entstehung von Wahnideen zu verdeutlichen. Anhand des Fallbeispiels wird aufgezeigt, welche
Konsequenzen einseitige Zuschreibungen im Extremfall haben können.
5.5 · Therapieeinheit 5: Schlussfolgern
83 5
5.5 Therapieeinheit 5: Schlussfolgern folgenschweren Annahmen sorgfältig zu prüfen und stets
für Alternativerklärungen offen zu sein. Bei Alltagsfragen
jZiel der Einheit ohne gravierende (soziale) Konsequenzen (Wahl der
Dem Patienten wird vermittelt, dass voreiliges Schlussfol- Joghurtmarke) sollte dagegen weiterhin zügig entscheiden,
gern falsche Entscheidungen mit teilweise dramatischen um handlungsfähig zu bleiben.
Konsequenzen nach sich ziehen kann. Darüber hinaus soll
der Patient angeregt werden zu reflektieren, ob bzw. wann jSpezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge
er selbst aktuell oder in der Vergangenheit vorschnell Ent- zu den Therapieblättern der Therapieeinheit 5
schlüsse gefasst hat und wie eigene Wahnideen ggf. durch (Schlussfolgern)
solches »Kurzschlussdenken« verursacht oder verstärkt . Tab. 5.5
wurden. Der Patient soll lernen, das Für und Wider von

. Tab. 5.5 Therapieeinheit 5 (Schlussfolgern)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 5.1–5.4 Sofern Sie dem Patienten in der letzten Sitzung Hausaufgaben oder (Beobachtungs-)Übungen aufge-
Von Therapieeinheit 5: tragen haben, besprechen Sie diese zunächst nach.
Schlussfolgern bis Was soll Die einleitenden Therapieblätter führen in das Thema ein und verdeutlichen die Relevanz der Denk-
das Ganze? verzerrung für unser Alltagsverhalten.

7 Therapieblätter 5.2–5.3 Vielen Betroffenen sind die Nachteile von voreiligem Schlussfolgern nicht bewusst. Geben Sie die
Voreiliges Schlussfolgern Antworten nicht vor, sondern lassen Sie dem Patienten die Möglichkeit, einige Ideen zu entwickeln,
bevor Sie umblättern.

Formulierungsvorschlag: »In dieser Therapieeinheit wollen wir über das Thema Schlussfolgern sprechen. Können Sie etwas mit dem
Begriff anfangen? Was verstehen Sie darunter? […] Welche Vor- und Nachteile haben schnelle Entschei-
dungen?«

7 Therapieblatt 5.3
Voreiliges Schlussfolgern

Formulierungsvorschlag: »Oft entscheiden wir, ohne die ganze Wahrheit zu kennen. Entscheidungen betreffen einerseits einfache
Dinge, z. B. ›Was esse ich heute zum Mittag?‹ andererseits aber auch komplexe soziale Bewertungen, z. B.
bezogen auf unsere Freunde und unsere soziale Umwelt allgemein. In welcher Situation können schnelle
Entscheidungen Ihrer Meinung nach drastische negative Folgen haben? Wann ist es dagegen sinnvoll,
nicht allzu lange nachzudenken?«. Erarbeiten Sie an dieser Stelle mit dem Patienten, dass eine schnelle
Entscheidung vorzuziehen ist, wenn von dieser nicht viel abhängt (z. B. »Was ziehe ich an einem
normalen Tag an?«).

7 Therapieblatt 5.4 Auf diesem Therapieblatt sind die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung laienverständlich zusam-
Was soll das Ganze? mengefasst, mit dem Ziel, die Essenz und die Relevanz der Einheit für die Entstehung einer Psychose
deutlich zu machen.

7 Therapieblätter 5.5–5.6 Verdeutlichen Sie anhand der Beispiele, wie voreiliges Schlussfolgern Fehleinschätzungen, z. B. wäh-
Von Wie voreiliges Schlussfol- rend einer Psychose, begünstigt und welche Konsequenzen diese nach sich ziehen können. Danach
gern Fehleinschätzungen, richten Sie behutsam die Frage an den Patienten, inwieweit ihm voreiliges Schlussfolgern selbst
z. B. während einer Psychose, unterlaufen ist.
begünstigt – Beispiele bis
Mögliche Konsequenzen
unterschiedlicher Entschei-
dungsstile
84 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.5 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Arbeitsblatt 5.1a, b Geben Sie an dieser Stelle 7 Arbeitsblatt 5.1a, b vor. Falls der Patient keine eigenen Beispiele nennt,
sollten Sie behutsam eigene Erfahrungen mit dem Patienten anführen und bestimmte dysfunktionale
(wahnhafte) Überzeugungen des Patienten ansprechen, die als Beispiel passen könnten. Entwickeln
Sie mit dem Patienten alternative bzw. anders lautende Erklärungen für diese Ereignisse. Erarbeiten
Sie im Anschluss die möglichen Konsequenzen der vorschnellen sowie der anders lautenden Erklä-
rungen. Orientieren Sie sich hierbei an dem Beispiel auf den 7 Therapieblättern 5.5 und 5.6. Wägen
Sie gemeinsam die negativen Konsequenzen ab.
Bei wenig krankheitseinsichtigen bzw. misstrauischen Patienten bietet es sich an dieser Stelle an,
5 zunächst mögliche psychotische sowie alternative Bewertungen lediglich für fiktive Situationen zu
bearbeiten (7 Therapieblätter 5.5–5.6). Bei sehr akut erkrankten Patienten kann es ratsam sein, an
dieser Stelle die wahnneutralen Übungen (7 Therapieblatt 5.7 ff.) vorzuziehen und 7 Arbeitsblatt 5.1
zunächst nicht zu bearbeiten, um den Patienten nicht zu überfordern bzw. die Therapieadhärenz zu
sichern. Dieser Hintertüransatz (siehe auch 7 Kap. 1) ist kennzeichnend für das MKT+.

7 Therapieblätter 5.7–5.40 Ziel der Aufgaben 1 und 2 ist es, dem Patienten auf spielerische Weise zu vermitteln, wie fehlbar der
Aufgaben 1 und 2 erste Eindruck bzw. die menschliche Intuition sein kann. Daher ist es stets sinnvoll, mehr Zeit auf das
Sammeln von Informationen zu verwenden, insbesondere wenn es um folgenschwere Schlüsse geht
(z. B. den eigenen Nachbarn der Spionage zu bezichtigen). Oft lassen erst bestimmte Einzelheiten,
die bei flüchtiger Betrachtung unbemerkt bleiben oder sich mit der Zeit offenbaren, eindeutige
Schlüsse zu.

7 Therapieblätter 5.7–5.33 Es bietet sich an, die Fragmentierungsübungen auf einem Tablet-PC oder einem Laptop/PC darzustel-
Aufgabe 1 len, da der ›aha‹ Effekt der Übungen dann noch größer ist.
In der ersten Aufgabe werden Bildfolgen präsentiert, die aus aufeinander folgenden Stufen bestehen.
Nach und nach erkennt man ein Mädchen (bzw. bei den weiteren Fragmentierungsaufgaben eine
Schildkröte sowie einen Storch, der ein Baby bringt). Bitten Sie den Patienten, die Stichhaltigkeit der
vorgegebenen Interpretationen nach jedem zusätzlichen Fragment (erneut) zu beurteilen. Der Pati-
ent soll erst dann eine Alternative auswählen, wenn er sich ausreichend sicher ist. Das erste Fragment
des Mädchenbildes ähnelt einem Hemd, da nur dessen Umriss gezeigt wird. Einige Menschen mei-
nen, danach ein altes Zirkuszelt zu erkennen. Eine frühe Entscheidung führt in dieser Aufgabe leicht
zu einer Fehleinschätzung. Selbst wenn sich Patienten abwartend verhalten, verdeutlicht das Beispiel
sehr gut das Lernziel der Einheit. Bei der Durchführung der Aufgabe ist es wichtig, dass der Patient
lernt, seine Urteilssicherheit abzuschwächen, sofern er nicht über ausreichende Informationen ver-
fügt. Alternativ zu den Antwortoptionen auf den Therapieblättern (Wahrscheinlichkeitsabstufungen)
kann man den Patienten auch bitten, seine Antworten einfach mit »sicher« vs. »eher unsicher« zu
versehen. Gehen Sie bei den anderen Fragmentierungsübungen genauso vor.

7 Therapieblätter 5.34–5.40 Zeigen Sie dem Patienten die klassischen Gemälde und bitten Sie ihn, spontan den richtigen Titel aus
Aufgabe 2 den vier Antwortalternativen auszuwählen. Verleiten Sie ihn bewusst zum voreiligen Schlussfolgern.
Laden Sie ihn dann in einem zweiten Schritt zu einer genaueren Betrachtung des Gemäldes ein. Auch
hier stellt die Abschwächung von übermäßiger Urteilssicherheit ein wichtiges Ziel dar.

Formulierungsvorschlag: »Sagen Sie mir doch einmal ganz spontan, ohne lange auf das Bild zu gucken, was der richtige Titel dieses
Gemäldes ist. Betreiben Sie also bewusst voreiliges Schlussfolgern […] Welches ist der korrekte Titel? […]
Warum haben Sie sich für diesen Titel entschieden; was spricht gegen die Titelvorschläge, die Sie ausge-
schlossen haben? […] Wie sicher sind Sie sich?«

Gemälde 1 Bilddetails, die für den richtigen Titel (»Die Brautwerbung«) sprechen: Der Gesichtsausdruck der Frau
ist eher kokett und sinnlich und nicht wütend oder traurig, was gegen die Antwortmöglichkeiten
»Geständnis eines Ehebruchs« (a) und »Nachricht vom Tod eines Angehörigen« (c) spricht. Der Mann
hat ihr ein Geschenk (Blume) mitgebracht, nimmt eine ehrerbietige Haltung ein und blickt schüch-
tern zu Boden. Dies spricht für den wahren Titel: »Die Brautwerbung« (b). Gegen den »Blumenhänd-
ler« (d) spricht, dass ein Blumenhändler kaum Hausbesuche unternimmt oder dann mit größerer
Auswahl. Die Geständnisinterpretation ist auch im Hinblick auf den damaligen Zeitgeist/Normen
unwahrscheinlich (es ist aufgrund der Kleidung der Personen offensichtlich, dass es sich um kein
neueres Gemälde handelt). Selbst bei einem Zufallstreffer des Patienten werden ihm viele Details,
die für oder gegen bestimmte Alternativen sprechen, entgangen sein. Leiten Sie den Patienten an,
Bewertungen mit Zweifel zu belegen, wenn er sich nicht 100 % sicher sein kann.
5.5 · Therapieeinheit 5: Schlussfolgern
85 5

. Tab. 5.5 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

Gemälde 2 Bilddetails, die für den richtigen Titel (»Seifenblasende Kinder«) sprechen: Der Junge im Fenster bläst
Seifenblasen in die Luft. Das Mädchen rechts neben dem Fenster scheint diesen hinterher zu blicken.
Die anderen Kinder strecken die Hände in die Luft, da sie die Seifenblasen anscheinend fangen wol-
len. Gegen Antwortalternative (a) »Rosengarten« spricht, dass zwar Rosen zu sehen sind, diese jedoch
nicht im Fokus des Bildes stehen, und auch kein Garten zu sehen ist. Gegen Antwortalternative (b)
»Familienfoto« spricht, dass es sich um ein Gemälde aus einer Zeit handelt, in der die Entwicklung der
Fotografie erst begann. Die Personen blicken außerdem nicht in Richtung einer möglichen Kamera.
Gegen (d) »Vater kommt heim« spricht, dass es keine Hinweise dafür gibt, dass eine bestimmte Per-
son nach Hause kommt. Die Blicke der Personen sind in verschiedene Richtungen gerichtet. Leiten
Sie den Patienten auch hier an, Bewertungen mit Zweifel zu belegen.

7 Therapieblätter 5.41–5.42 Diese Aufgabe verdeutlicht, dass frühe Festlegungen nicht notwendigerweise zu Fehlern führen
Aufgabe 3: Von »Was sehen müssen, aber häufig nur die »halbe Wahrheit« offenbaren. Präsentieren Sie dem Patienten die von
Sie?« bis Schnelle Entschei- uns modifizierte Wilson-Figur, ein Vexierbild, bei dem je nach Betrachtungswinkel zwei verschiedene
dungen führen nicht immer Interpretationsmöglichkeiten bestehen (Inuit [Eskimo] vs. Pharao). Fragen Sie den Patienten, was er
zu Fehlentscheidungen. erkennt, und bitten Sie ihn, durch eine Änderung der Perspektive die weitere Gestalt zu entdecken.
Manchmal erkennt man aber
nur die »halbe Wahrheit«!

7 Therapieblätter 5.43–5.44 Unter der Überschrift »Besondere Ideen in der Allgemeinbevölkerung« wird die Legende besprochen,
Besondere Ideen in der nach der Elvis Presley noch am Leben sei. Ausschnitte bzw. Schlagzeilen einer amerikanischen Zei-
Allgemeinbevölkerung tung dienen als Einleitung. Im nächsten Schritt sollen Pro- und Kontra-Argumente gesammelt und
– Moderne Legenden auf ihre Plausibilität hin überprüft werden. Am Ende wird erklärt, dass solche Legenden zumeist auf
voreiligen Schlussfolgerungen und dubiosen Indizien basieren. Die Legende dient als Modell für die
Entstehung von Wahnideen und zeigt, dass solche »besonderen Ideen« auch in der Allgemein-
bevölkerung verbreitet sind. Hier kann optional auch auf die Verschwörungstheorien aus dem
Gruppen-MKT zurückgegriffen werden (z. B. Mondlandung), falls das Beispiel für den Patienten nicht
nachvollziehbar sein sollte.

Formulierungsvorschlag: »Die Legende, dass der Sänger Elvis Presley noch lebt, ist besonders in den USA recht verbreitet. Hier sehen
Sie die Schlagzeilen einer amerikanischen Zeitung. Haben Sie davon schon einmal gehört? Fallen Ihnen ein
paar Argumente für und gegen den angeblich vorgetäuschten Tod von Elvis ein?«

7 Therapieblätter 5.45–5.46
Besondere Ideen in der
Allgemeinbevölkerung
– Moderne Legenden

Formulierungsvorschlag: »Neben diesen angeblichen Beweisen finden Sie noch zahlreiche weitere Beweise in Internetforen. Was
halten Sie von diesen Argumenten? Wenn Sie sich die hier angeführten Pro- und Kontra-Argumente anse-
hen, zu welchem Schluss kommen Sie? Glauben Sie, dass die Legende stimmt? […] Wie kommt es Ihrer
Meinung nach zu solchen Legenden?«

7 Therapieblätter 5.47–5.49 Besprechen Sie mit dem Patienten, wie es seiner Meinung nach zu solchen und anderen Legenden
Von Wie kommt es zu dieser kommt. Auf den anschließenden Therapieblättern gibt es eine Zusammenstellung weiterer Verschwö-
Legende und anderen Ver- rungstheorien. Lassen Sie den Patienten einschätzen, wie weit diese wohl in der Bevölkerung verbrei-
schwörungstheorien? bis Wie tet sind und geglaubt werden. Die Zahlen verdeutlichen, dass auch viele Menschen in der Allgemein-
bekannt sind Verschwö- bevölkerung an »besondere Ideen« glauben, ohne jedoch psychisch krank zu sein.
rungstheorien, und wie viele
Menschen in der Allgemein-
bevölkerung glauben sie?

7 Therapieblätter 5.50–5.52 Nutzen Sie das Fallbeispiel und die nachfolgenden Arbeitsblätter vor allem für Patienten, die (noch)
Von Mobbing/Komplott? bis nicht bereit sind, an ihren eigenen Wahnideen zu arbeiten, und ein geringes Reflexionsvermögen
Was wäre wenn…? Konse- besitzen. Häufig fällt es Patienten leichter, zunächst an fiktiven Beispielen als an ihren eigenen Über-
quenzen von Überzeu- zeugungen zu arbeiten. Diese Vorgehensweise schärft eine kritische Sichtweise, die sich implizit auch
gungen auf eigene Erlebnisse und deren nachträgliche Bewertung überträgt. Alternativ können Sie das Fall-
beispiel auf den 7 Therapieblättern 5.53–5.55 verwenden. Wählen Sie das Fallbeispiel aus, welches
näher an der Symptomatik/ Problematik des Patienten ist. Ein Fallbeispiel pro Sitzung ist ausreichend.
86 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.5 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblatt 5.51 Erarbeiten Sie anhand von 7 Arbeitsblatt 5.2a gemeinsam Argumente, die für und gegen die Über-
Was spricht für und was zeugung von Marina sprechen. Falls der Patient Beweise heranzieht, die das Fallbeispiel nicht hergibt,
gegen Marinas Überzeu- diskutieren Sie mit ihm, ob diese Informationen wirklich zur Verfügung stehen oder ob es sich hierbei
gung? um eine nicht gerechtfertigte Ableitung (bzw. voreilige Schlussfolgerung) handelt. Hierfür steht
7 Arbeitsblatt 5.2a,b Ihnen in der Tabelle eine Spalte für zusätzlich benötigte Informationen, die für eine abschließende
Beurteilung der Situation erforderlich sind, zur Verfügung.

7 Arbeitsblatt 5.2b Nutzen Sie an dieser Stelle das Vier-Felder-Schema auf 7 Arbeitsblatt 5.2b.
5 Formulierungsvorschlag: »Was für mögliche Folgen könnten für Marina eintreten, wenn sie stur an ihrer Sicht der Dinge festhält,
obwohl diese nicht der Realität entspricht?«

7 Therapieblatt 5.52 Versuchen Sie den Patienten durch sokratische Fragen zu leiten (Anregungen bzw. Auflösung auf
Was wäre wenn…? Konse- 7 Therapieblatt 5.52). Erwägen Sie auch die Möglichkeit tatsächlichen Mobbings und dessen Konse-
quenzen von Überzeu- quenzen. Stellen Sie diese Betrachtungsweise jedoch nicht in den Vordergrund. Möglicherweise
gungen antwortet der Patient, dass Marina ihre Arbeit verliert, da sie keine »Gegenmaßnahmen« ergreifen
konnte. Diskutieren Sie mit dem Patienten, wie Erfolg versprechend Marinas Rückzug ist, um sich
wirklichen Mobbings zu erwehren. Machen Sie deutlich, dass ein solches Verhalten auch Probleme
und berechtigte Kritik nach sich ziehen kann, insbesondere, wenn die Arbeit nicht mehr sorgfältig
erledigt wird. Wägen Sie im Anschluss gemeinsam mit dem Patienten die Konsequenzen der unter-
schiedlichen Handlungsoptionen ab.

7 Therapieblätter 5.53–5.55 Hier steht Ihnen ein weiteres Fallbeispiel zur Verfügung. Nutzen Sie analog zum eben beschriebenen
Von Ermittlung gegen die Fallbeispiel 7 Arbeitsblatt 5.3a, b, um Pro und Kontra sowie die Konsequenzen von Carstens Über-
eigene Person? bis Was wäre zeugung zu erarbeiten (Anregungen zu möglichen Konsequenzen bietet auch 7 Therapieblatt 5.55).
wenn…? Konsequenzen von
Überzeugungen
7 Arbeitsblatt 5.3a, b

7 Therapieblatt 5.56 Nutzen Sie an dieser Stelle 7 Arbeitsblatt 5.4a.


Was spricht für und was
gegen Ihre besonderen
Ideen? Was wäre wenn…?
7 Arbeitsblatt 5.4a

Formulierungsvorschlag: »Ich möchte mit Ihnen jetzt ganz unvoreingenommen und ergebnisoffen zusammentragen, was für und
was gegen Ihre besonderen Ideen spricht.«

7 Arbeitsblatt 5.4a Bitten Sie den Patienten zunächst, seine wahnhafte Idee auf dem Arbeitsblatt zu formulieren und
seine gegenwärtige Überzeugung in Prozent einzutragen. Nachdem Sie alle Argumente zusammen-
getragen und gegenübergestellt haben, können Sie den Patienten fragen, ob sich etwas an seiner
Überzeugungsstärke verändert hat.
Seien Sie behutsam! Ziel ist es nicht, den Patienten innerhalb von 1–2 Sitzungen von der Inkorrektheit
seiner Ideen zu überzeugen (siehe auch 7 Abschn. 4.2 »Intellektueller Aktionismus«). Vielmehr soll der
Patient angeleitet werden, die kritische Betrachtung anderer Ideen auf persönliche Bereiche zu über-
tragen. Versuchen Sie, angebliche Beweise für den Wahn zu hinterfragen oder in Zweifel zu ziehen. Der
Patient soll darüber hinaus angeleitet werden, alternative Erklärungen zu erwägen (gehen Sie dabei
ggf. auch auf Beobachtungen während der Sitzungen bzw. auf Station ein). Es ist anfangs schon als
Erfolg zu werten, wenn der Patient bereit ist, sich auf einen kritischen Dialog einzulassen oder be-
stimmte Aspekte infrage zu stellen. Seien Sie auf keinen Fall zu ungeduldig. Veränderungen brauchen
Zeit, um angenommen, verinnerlicht und in Verhalten umgesetzt zu werden. Nicht jeder Aspekt des
Wahnsystems muss hinterfragt werden und nicht in allen Aspekten muss der Patient falsch liegen. Wie
eingangs dargestellt, stehen jene Ideen im Fokus, die Leidensdruck verursachen und zu einer empfind-
lichen Störung der Lebensführung und der sozialen Beziehungen führen. Ein Rollenspiel bzw. -tausch
(7 Abschn. 4.3) kann bei stabilem klinischem Zustand ebenfalls sinnvoll sein, da es den Patienten
manchmal schwerfällt, gedanklich andere Perspektiven einzunehmen. Gerade vor dem Hintergrund
der in 7 Abschn. 3.4 beschriebenen sozial-kognitiven Defizite haben Patienten oft Probleme, sich
vorzustellen, wie ihre Überzeugungen und Verhaltensweisen bei anderen ankommen. Sehen Sie es als
Erfolg an, wenn der Betroffene Widersprüche einräumt und nicht mehr zu 100 % von seinen Ideen
überzeugt ist oder alternative Erklärungen erwägen kann. Die Übung bietet sich auch bei Patienten
an, die ihren Stimmen eine wahnhafte Bedeutung geben, die von Halluzinationen anderer Sinnes-
modalitäten berichten oder an Gedankeneingebung oder anderen Ich-Störungen leiden. Als Gegenar-
gumente vor allem zum Stimmenhören können hierfür auch Informationen des 7 Therapieblattes 4.31
der Therapieeinheit 4 (Zuschreibungsstil) dienlich sein.
5.5 · Therapieeinheit 5: Schlussfolgern
87 5

. Tab. 5.5 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Arbeitsblatt 5.4b Wie in 7 Abschn. 3.6 zu Selbstwert und Stimmung dargestellt, sind Wahnideen, ebenso wie normale
Meinungen und Einstellungen, häufig stark verwoben mit der Biografie, der Identität sowie dem
Selbstwertgefühl des Betroffenen. Patienten, die eine gewisse Bereitschaft erkennen lassen, ihre
Ideen zu hinterfragen, sollen sich ausmalen, was jeweils passieren würde, wenn ihre Ideen falsch
wären versus wenn sie der Realität entsprächen. Nutzen Sie an dieser Stelle das Vier-Felder-Schema
auf 7 Arbeitsblatt 5.4b.

Formulierungsvorschlag: »Ohne jetzt abschließend diskutieren zu wollen, ob Sie recht haben oder nicht mit Ihren (damaligen)
Überzeugungen: Was wären die Konsequenzen, wenn Sie richtig oder falsch lagen?«

Ziel dieses Therapieblattes ist selbstverständlich nicht, den Patienten in seinen Ideen zu bestärken,
sondern Gesprächsbereitschaft zu erreichen und seine Ängste zu hinterfragen (z. B. »Wenn das nicht
stimmen würde, dann wäre ich ja verrückt, das wäre für mich das Allerschlimmste.«). Für viele Patien-
ten ist die Diagnose einer Psychose oft angstbesetzter als ausgemalte negative Konsequenzen der
eigenen Ideen/Befürchtungen (z. B. Angst, Bedrohungserleben, soziale Isolation). Erarbeiten Sie
positive Aspekte der Annahme der Diagnose (z. B. Erklärung für die eigenen Befürchtungen, Behan-
delbarkeit, Unbegründetheit der Todesängste). Nehmen Sie ggf. auch die Tabelle mit den Ergebnissen
einer Befragung in der Allgemeinbevölkerung auf 7 Therapieblatt 11.18 aus der Therapieeinheit 11
(Umgang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe) zur Hilfe, um aufzuzeigen, dass bestimmte
Ideen/Befürchtungen weitverbreitet sind (»Normalisieren«).

7 Therapieblätter 5.57–5.59 Besprechen Sie eingehend mit dem Patienten, was Vermeidung und Sicherheitsverhalten bedeuten.
Von Negative Folgen falscher Erarbeiten Sie gemeinsam, dass beide Maßnahmen einen wenig zweckmäßigen Panzer darstellen,
Überzeugungen: Vermei- der nur scheinbar Schutz bietet. Ermutigen Sie den Patienten, auszuprobieren, dass auch ohne sein
dung und Sicherheitsverhal- Sicherheitsverhalten die befürchteten Konsequenzen nicht eintreten.
ten bis Ist das wirklich alles
notwendig?

7 Therapieblatt 5.59 Nutzen Sie an dieser Stelle 7 Arbeitsblatt 5.5a. Dort finden Sie Vermeidungs- und Sicherheitsmaß-
Ist das wirklich alles notwen- nahmen, die Patienten häufig ergreifen. Fragen Sie nach Situationen oder Orten, die er aus Furcht
dig? bewusst meidet, weil er sich beispielsweise beobachtet, ausspioniert oder verfolgt fühlt. Gegebenen-
7 Arbeitsblatt 5.5a falls hat der Patient in der Anamnese bereits entsprechende Angaben gemacht, die Sie in diesem
Zusammenhang aufgreifen können.
Nachdem Sie gemeinsam alle Verhaltensweisen zusammengetragen haben, soll der Patient einschät-
zen, wie hilfreich die jeweilige Maßnahme ist, um die befürchteten Konsequenzen abzuwenden, und
was wohl passieren würde (oder schon mal passiert ist), wenn er die Maßnahme unterlassen würde.
Gleichzeitig soll erarbeitet werden, welche Einschränkungen das Vermeidungs- und Sicherheitsver-
halten im täglichen Leben mit sich bringt.

7 Arbeitsblatt 5.5b Ermuntern Sie den Patienten anschließend, zunächst jenes Vermeidungs- oder Sicherheitsverhalten
aufzugeben oder schrittweise einzuschränken, welches mit einer geringen subjektiven Wirksamkeit
verbunden und/oder besonders alltagshinderlich oder teuer ist. Nutzen Sie dafür 7 Arbeits-
blatt 5.5b. Besprechen Sie mit dem Patienten, was er befürchtet, würde er das Sicherheits-/Vermei-
dungsverhalten aufgeben und was für oder gegen seine Befürchtung spricht. Bitten Sie den Patien-
ten, nach der Übung seine Erfahrungen ebenfalls auf dem Arbeitsblatt zu notieren.
7 Arbeitsblatt 5.5b bietet sich mit ausreichender Vorbereitung auch als Hausaufgabe an.
Wiederholen Sie in späteren Sitzungen die Übungen auch für andere Sicherheits- oder Vermeidungs-
maßnahmen. Besprechen Sie alle Übungen mit dem Patienten nach. Seien Sie geduldig und vorsich-
tig. Anders als bei Angstpatienten werden potenziell korrigierende Erfahrungen von Patienten mit
Schizophrenie nicht immer als solche erlebt, und es kann sich zeitweise sogar größere Angst einstel-
len. Es ist schon viel erreicht, wenn der Patient einsieht, dass sein Sicherheits- bzw. Vermeidungsver-
halten übertrieben ist. Zu Beginn sollten Übungen zur Realitätstestung therapeutisch begleitet wer-
den.

7 Therapieblatt 5.60 An dieser Stelle sollte nochmals die gelbe Karte ins Spiel kommen (7 Abschn. 5.2). Sie soll dem
Wenn Sie sich beleidigt/ Patienten eine treue Wegbegleiterin sein, deren drei Fragen er sich bei Bedarf immer wieder stellen
bedroht fühlen: Stellen Sie sollte.
sich die 3 Fragen der gelben
Karte
88 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.5 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblatt 5.61 Die formulierten Lernziele bahnen die Übertragung in den Alltag. Versuchen Sie daher, die »Take-
Übertragung auf den Alltag home-Botschaften«/Lernziele möglichst einfach und griffig darzustellen, damit diese leicht zu verste-
hen und zu merken sind. Sie sollten dem Patienten mit auf den Weg geben, dass er möglichst viele
Informationen (z. B. vertraute Menschen nach ihrem Urteil fragen) suchen sollte, bevor er schwerwie-
gende Entscheidungen trifft.

7 Therapieblatt 5.62 Dieses Therapieblatt soll noch einmal die Verbindung zwischen voreiligem Schlussfolgern und der
Was hat das mit Psychose zu Entstehung von Wahnideen verdeutlichen. Händigen Sie dem Patienten 7 Arbeitsblatt 5.6 aus. Die
5 tun? wichtigsten Inhalte von Therapieeinheit 5 sind darauf zusammengefasst. Zudem soll die persönliche
7 Arbeitsblatt 5.6 Relevanz der Therapieeinheit sowie eine Übertragung auf den Alltag mit dem Patienten erarbeitet
werden.
Bitten Sie den Patienten, sich auf 1–2 Übungen möglichst praktisch – wenigstens aber innerlich – ein-
zulassen. Zum Beispiel könnte er darauf achten, in welchen Situationen er selbst oder auch andere
voreilig geschlussfolgert haben. Der Patient kann andererseits auch gebeten werden, Beweise und
Gegenargumente für seine wahnhaften Überzeugungen zusammenzutragen (abzuraten bei Patien-
ten mit systematisiertem Wahn, die eher »sendungsbewusst« sind; eher geeignet bei Patienten mit
diffusen und fluktuierenden Ideen). Erinnern Sie daran, die Aufgaben auf 7 Arbeitsblatt 5.6 zu notie-
ren. Auch offene Fragen und Dinge, die ihm in der Sitzung besonders relevant und hilfreich erschie-
nen, können für die nächste Sitzung auf diesem Arbeitsblatt festgehalten werden.
Nur wenn es dem Patienten gelingt, sich das Gelernte im Alltag zu vergegenwärtigen und in diesen
zu übertragen, ist eine dauerhafte Änderung zu erwarten. Die Sitzungen zu dieser Therapieeinheit
sollen einen ersten Denkanstoß hierfür liefern.

7 Therapieblatt 5.63 Optional kann anhand des Fallbeispiels noch einmal aufgezeigt werden, welche Konsequenzen
Was hat das mit Psychose zu voreiliges Schlussfolgern im Extremfall haben kann. Sprechen Sie das Beispiel mit dem Patienten
tun? durch, wenn Sie das Gefühl haben, dass ihm der Sinn und Zweck der Therapieeinheit noch nicht
ausreichend klar geworden ist.

5.6 Therapieeinheit 6: Korrigierbarkeit Austausches mit anderen Personen vergegenwärtigt, um


nicht in eine selbst geschaffene »Scheinwelt« abzudriften.
jZiel der Einheit Dieser korrigierende Austausch kann einem Rückfall ent-
Dem Patienten wird vermittelt, dass eine gewisse Sturheit gegenwirken.
und Rigidität in der Natur des Menschen liegt. Sie bewirkt,
dass wir uns nicht durch alles und jeden verunsichern las- jSpezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge
sen, birgt aber auch Risiken, sofern unbeirrbar an falschen zu den Therapieblättern der Therapieeinheit 6
Überzeugungen festgehalten wird. Machen Sie dem Pa- (Korrigierbarkeit)
tienten darüber hinaus bewusst, ob bzw. in welchen Situ- . Tab. 5.6
ationen er sich nicht von einer (falschen) Sichtweise ab-
bringen lässt oder ließ. Ferner wird die Wichtigkeit des
5.6 · Therapieeinheit 6: Korrigierbarkeit
89 5

. Tab. 5.6 Therapieeinheit 6 (Korrigierbarkeit)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 6.1–6.4 Sofern Sie dem Patienten in der letzten Sitzung Hausaufgaben oder (Beobachtungs-)Übungen aufge-
Von Therapieeinheit 6: Korri- tragen haben, besprechen Sie diese zunächst nach.
gierbarkeit bis Was soll das Die einleitenden Therapieblätter führen in das Thema ein und verdeutlichen die Relevanz der Denk-
Ganze? verzerrung für unser Alltagsverhalten.

7 Therapieblatt 6.1
Therapieeinheit 6: Korrigier-
barkeit

Formulierungsvorschlag: »In dieser Therapieeinheit [bzw. in den folgenden Sitzungen] soll es um das Thema Korrigierbarkeit gehen.
Können Sie etwas mit diesem Begriff anfangen und können Sie sich vorstellen, warum es wichtig sein
könnte, sich damit zu beschäftigen?«

7 Therapieblätter 6.2–6.3 Viele Betroffene sind sich der Probleme, die durch das starre Beibehalten falscher Sichtweisen entste-
Veränderung der eigenen hen, nicht bewusst. Geben Sie dem Patienten Zeit, sich zu überlegen, warum Menschen ihre Sicht-
Sichtweise weisen ungern ändern und welche Nachteile daraus entstehen können, bevor Sie die Lösungsmög-
lichkeiten aufdecken.

Formulierungsvorschlag: »Menschen haben die Tendenz, an einer einmal gefassten Meinung festzuhalten. So entstehen leicht
Vorurteile. Vielleicht kennen Sie die Haltung, dass der erste Eindruck angeblich der beste ist, d. h., man
beurteilt einen anderen Menschen auf den allerersten Blick, steckt ihn sozusagen in eine Schublade. Kön-
nen Sie sich vorstellen, warum viele Menschen das so machen und welche Probleme daraus entstehen
können?«

7 Therapieblätter 6.4–6.5 Auf 7 Therapieblatt 6.4 sind die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung laienverständlich zusam-
Von Was soll das Ganze? bis mengefasst, mit dem Ziel, die Essenz und die Relevanz der Einheit für die Entstehung einer Psychose
Mangelnde Korrigierbarkeit deutlich zu machen.
in der Allgemeinbevölkerung
(»Scheuklappendenken«)

Formulierungsvorschlag: »Was ist Ihrer Ansicht nach der Grund, weshalb mangelnde Korrigierbarkeit bzw. Unbeirrbarkeit zu zwi-
schenmenschlichen Problemen und Streit führen kann?« (z. B. pauschale Vorverurteilungen von Randgrup-
pen; man gerät mit anderen schnell aneinander). [Überleitung zu 7 Therapieblatt 6.5:] »Wo begegnet
uns mangelnde Korrigierbarkeit sonst noch? Fallen Ihnen hierzu Beispiele ein?«

7 Therapieblätter 6.6–6.7
Medikamentöse Behandlung
von psychischen Störungen
– Häufige Vorurteile und
Fehlannahmen

Formulierungsvorschlag: »Viele Patienten nehmen die verschriebenen Medikamente nur unregelmäßig ein, dies betrifft vor allem
Neuroleptika bzw. Antipsychotika. Oftmals liegt dies an den Nebenwirkungen, manchmal auch an Ver-
gesslichkeit. Teilweise bestehen aber auch Vorurteile oder falsche Annahmen, die ich kurz mit Ihnen be-
sprechen möchte.«

Tragen Sie dem Patienten die Antworten nicht vor, sondern entwickeln Sie diese gemeinsam. Respek-
tieren Sie die möglicherweise kritische Haltung des Patienten, aber revidieren Sie falsche Behaup-
tungen.

7 Therapieblätter 6.8–6.9 Dieses Therapieblatt bietet sich bei Patienten an, denen ein Depotpräparat verschrieben wurde.
Häufige Vorurteile und
Fehlannahmen zu Depot-
präparaten

Formulierungsvorschlag: »Hier sehen Sie Aussagen, teilweise auch Vorurteile, gegenüber Neuroleptika in Form von Depotspritzen,
die ich ebenfalls kurz mit Ihnen besprechen möchte. Kennen Sie den Begriff ›Depot‹? Haben Sie selbst
schon Erfahrungen mit Depotpräparaten gemacht?«

Tragen Sie dem Patienten die Antwort nicht vor, sondern entwickeln Sie diese gemeinsam. Respektie-
ren Sie die möglicherweise kritische Haltung des Patienten, aber revidieren Sie falsche Behauptungen.
90 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.6 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 6.10–6.11 Mithilfe der Zahlenübung soll dem Patienten das Phänomen der Bestätigungstendenz verdeutlicht
Die drei unten stehenden werden. Statt andere Erklärungen zu erwägen (im Beispiel: Alle Zahlen sind größer als 0) oder die
Zahlen erfüllen eine Regel. Vorannahme kritisch zu prüfen, suchen die meisten Menschen nach Informationen, die die erste
Welche? intuitive Hypothese bestätigen (hier: Zahlenfolge schreitet scheinbar in Zweierschritten fort).

Formulierungsvorschlag: »Auf diesem Therapieblatt sehen Sie drei Zahlen. Überlegen Sie bitte, welche Regel diese Zahlen erfüllen.
Bevor Sie mir jedoch die Regel sagen, bitte ich Sie zunächst weitere Zahlen vorzuschlagen, um Ihre An-
nahme zu überprüfen. Ich werde Ihnen dann mit »ja« oder »nein« antworten, ob die von Ihnen genannte
5 Zahl der Regel entspricht. Erst wenn Sie sich sicher sind, um welche Regel es sich handelt, nennen Sie mir
bitte die Lösung.«

7 Therapieblätter 6.12–6.13 Machen Sie dem Patienten anhand der Beispiele deutlich, wie sich eine Bestätigungstendenz äußert.
Sehen, was man sehen will Auch die meisten gesunden Menschen besitzen eine Reihe merkwürdiger Ansichten und verteidigen
bzw. erwartet (Bestäti- diese gelegentlich gegen Widerspruch (»Ach, das ist nur eine Ausnahme.«). Menschen mit einer
gungstendenz – im Alltag) Psychose sind zum einen jedoch überzeugter bezüglich des Wahrheitsgehaltes ihrer Ansichten. Zum
anderen sind die Inhalte meist mit Angst oder anderen starken Gefühlen besetzt, wodurch die Konse-
quenzen meist gravierender sind (siehe Beispiele in der Psychose auf 7 Therapieblatt 6.13).

7 Therapieblätter 6.14–6.19 Ziel der Aufgaben ist es, auf spielerische Art und Weise zu vermitteln, dass wir uns bei der Beurteilung
Aufgabe 1 einer Situation oder eines Ereignisses gründlich irren können, wenn wir uns zu früh festlegen. Manch-
mal stellen sich Situationen am Ende ganz anders dar, als man es auf den ersten Blick erwartet hatte.
Daher ist es wichtig, in seinem Urteil flexibel zu bleiben und sich ggf. zu korrigieren, wenn dies not-
wendig ist. Dies ist vor allem wichtig, wenn es sich um falsche Überzeugungen bezogen auf andere
Personen handelt, da so negative Konsequenzen für unsere sozialen Beziehungen entstehen können.
In den zwei Aufgaben werden Sequenzen gezeigt, die jeweils aus drei Bildern bestehen. Die Bilder
der Geschichten werden in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge präsentiert, d. h. das letzte Gescheh-
nis zuerst. Gleichzeitig werden vier mögliche Interpretationen für jede Bildergeschichte angeboten,
welche nach jedem Bild neu bezüglich ihrer Wahrscheinlichkeit/Plausibilität eingeschätzt werden
sollen. Eine der vier Interpretationen erscheint bei der Präsentation des ersten Bildes zunächst un-
wahrscheinlich, stellt sich aber im weiteren Verlauf als richtig heraus (»Der Fahrer des grauen
Mercedes wird zu unrecht kritisiert.«). Andere Interpretationen erscheinen wiederum zunächst plausi-
bel, erweisen sich aber als falsch oder sehr weit hergeholt (»Der Mann rügt den anderen zu recht, weil
er mit seinem Auto zwei Parkplätze belegt.«; »Der Mann im blauen Pullover beschimpft den anderen,
da er beim Einparken sein rotes Auto gestreift hat.«). Eine Interpretation erscheint durchgehend
absurd bzw. unplausibel (»Die Männer streiten sich über einen Parkplatz im Schatten.«). Die richtige
Lösung ist in dieser Bildergeschichte nach dem zweiten Bild zu erahnen und nach dem zuletzt ge-
zeigten Bild eindeutig ersichtlich.
Im Folgenden finden Sie spezifische Hinweise, die in den verschiedenen Bildern enthalten sind und
helfen, die richtige Interpretation zu erkennen:
erstes gezeigtes (zeitlich letztes!) Bild: Der Fahrer des grauen Mercedes hebt »abwehrend« die geöff-
neten Hände (unspezifischer Hinweis).
zweites gezeigtes Bild: Der graue Mercedes steht schon in der Nacht auf zwei Parkplätzen (Hinweis,
dass er schon länger dort steht und die Parkplatzsituation vorher möglicherweise anders war).
drittes gezeigtesBild: Einige der übrigen Fahrzeuge belegen ebenfalls zwei Parkplätze und der
Mercedes-Fahrer hatte somit keine Möglichkeit, anders zu parken (deutlicher Hinweis).
5.6 · Therapieeinheit 6: Korrigierbarkeit
91 5

. Tab. 5.6 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 6.20–6.24 Hier steht Ihnen eine weitere Bildergeschichte zur Verfügung. Lesen Sie hierzu die allgemeinen Hin-
Aufgabe 2 weise zur vorherigen Aufgabe (7 Therapieblätter 6.14–6.19). Es werden wiederum vier mögliche
Interpretationen für die Bildergeschichte angeboten, welche nach jedem Bild neu bezüglich ihrer
Wahrscheinlichkeit/Plausibilität eingeschätzt werden sollen. Eine der vier Interpretationen erscheint
bei der Präsentation des 1. Bildes zunächst unwahrscheinlich, stellt sich aber im weiteren Verlauf als
richtig heraus (»Die Frau gibt eine Vermisstenmeldung für ihren entlaufenen Hund auf.«). Andere
Interpretationen erscheinen zunächst plausibel, erweisen sich aber als falsch (»Die Frau möchte eine
Gesangskarriere ohne Rücksicht auf ihre Familie starten.«; »Die Frau möchte über das Radio ihren
Traumpartner fürs Leben finden.«). In der Aufgabe ist eine Interpretation durchgehend absurd bzw.
unplausibel (»Die Frau hat im Lotto gewonnen und möchte über das Radio ihr Geld verschenken.«),
stellt also zu keinem Zeitpunkt eine realistische Lösungsmöglichkeit dar. Die richtige Lösung ist erst
nach dem 3. gezeigten Bild eindeutig.
Im Folgenden finden Sie Hinweise in den verschiedenen Bildern, die helfen, die richtige Interpreta-
tion zu erkennen:
zuerst gezeigtes Bild: Der Radiomoderator lacht nicht; könnte aufgrund einer ernsten Botschaft sein
(Indiz, aber noch kein spezifischer Hinweis). Die Frau hat ihre linke Hand nach oben gestreckt (viel-
leicht aus Nervosität).
zweites Bild: Das Mädchen ist traurig und weint (Indiz, aber noch kein spezifischer Hinweis).
zuletzt gezeigtes Bild: Man sieht eine leere Hundehütte (deutlicher Hinweis). Überall hängen Plakate
mit einer Vermisstenanzeige (deutlicher Hinweis).

7 Therapieblätter 6.25–6.32 Im Folgenden stehen Ihnen zwei Fallbeispiele zur Verfügung. Wählen Sie das Fallbeispiel aus, welches
Fallbeispiele näher an der Symptomatik des Patienten ist. Das Fallbeispiel Klaus (7 Therapieblätter 6.25–6.28)
eignet sich vor allem für Patienten mit Verfolgungswahn, während das Fallbeispiel Simon (7 Thera-
pieblätter 6.29–6.32) vor allem für Patienten mit Größenwahn relevant ist. Ein Fallbeispiel pro Sit-
zung ist ausreichend. Leiten Sie den Patienten an, das Für und Wider der dargestellten wahnhaften
Überzeugung zu erörtern. Animieren Sie den Patienten, logische Schwachstellen in der Überzeugung
von Klaus (Verfolgung durch Scientologen) aufzudecken. Im Anschluss soll der Patient überlegen,
welche Möglichkeiten Klaus zur Verfügung stehen, seine Annahmen zu überprüfen. Dem Patienten
sollte hierbei die Wichtigkeit des Austausches mit anderen Personen als soziales Korrektiv verdeut-
licht werden.

7 Therapieblätter 6.27–6.28 Erarbeiten Sie im Anschluss mit dem Patienten anhand von 7 Arbeitsblatt 6.1 mögliche Konse-
Fallbeispiel: Echte Bedro- quenzen, falls Klaus weiterhin an seiner Überzeugung festhält bzw. zu einer alternativen Erklärung
hung oder Einbildung? gelangt. Beantwortet der Patient die Fragestellungen wahnhaft oder gar nicht, versuchen Sie ihn
7 Arbeitsblatt 6.1 durch sokratisches Fragen zu Antworten zu leiten. Anregungen bzw. die Auflösung liefert 7 Thera-
pieblatt 6.28. Diese Übung soll den Übergang zur Auseinandersetzung mit den eigenen wahnhaften
Überzeugungen erleichtern. Indem zunächst die falschen Vorstellungen einer anderen Person disku-
tiert werden, kann die Kritikfähigkeit gestärkt und die rigide Verteidigungshaltung für die eigenen
besonderen Überzeugungen aufgeweicht werden. Diese Aufgabe eignet sich vor allem für Patienten,
die noch nicht fähig sind, über die eigenen wahnhaften Überzeugungen direkt zu sprechen.

7 Therapieblätter 6.29–6.32 Verwenden Sie dieses Fallbeispiel, wie oben angeregt, vor allem für Patienten mit Größenwahn, für
Fallbeispiel: Erleuchtung die das eben dargestellte Verfolgungsbeispiel weniger relevant ist (orientieren Sie sich an den An-
oder Einbildung? merkungen zu den 7 Therapieblättern 6.25–6.28) und verwenden Sie hierzu 7 Arbeitsblatt 6.2.
7 Arbeitsblatt 6.2

7 Therapieblatt 6.33 Der Patient soll angeleitet werden, das Für und Wider seiner eigenen Ideen abzuwägen. Nehmen Sie
Ihre Ideen – eigene Beispiele 7 Arbeitsblatt 6.3a zur Hilfe. Seien Sie behutsam! Erwarten Sie nicht, dass der Patient wahnhafte
7 Arbeitsblatt 6.3a Ideen gleich aufgibt. Die Methode dient vor allem dazu, Zweifel zu säen. Lassen Sie den Patienten die
Überzeugung von seinen Ideen jeweils vor und nach dem Abwägen der Pro- und Kontra-Argumente
einschätzen. So werden auch kleine Veränderungen sichtbar.

Formulierungsvorschlag: »Sie berichteten mir, dass Sie sich verfolgt fühlen.« [Idee kurz wiederholen.] »Was spricht für diese Idee?«
[z. B. achtet der Patient verstärkt auf Autos mit Berliner Kennzeichen, die angeblich vom BND stam-
men und so auf die Verfolgung hinweisen.] »Gibt es auch etwas, was gegen Ihre Idee sprechen könnte?«
[z. B. müssen Autos mit Berliner Kennzeichen nicht zwangsläufig zum BND gehören.] »Fragen Sie
Bekannte oder Freunde um Rat? Waren Sie bislang offen für Gegenargumente oder andere Meinungen?«
92 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.6 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Arbeitsblatt 6.3b, c Der Patient soll Vorschläge entwickeln, wie er seine Annahmen überprüfen kann (z. B. »Ich frage
Menschen, denen ich vertraue, ob Sie meinen Verdacht teilen. Ich informiere mich, wie viele Autos
beispielsweise in Berlin zugelassen sind.«). Dies soll mithilfe von 7 Arbeitsblatt 6.3b realisiert wer-
den. Erarbeiten Sie anschließend mögliche Konsequenzen, die sich ergeben, wenn der Patient an
seinen Ideen fälschlicherweise festhält oder sie verwirft (7 Arbeitsblatt 6.3c). Diese Übung kann
ebenfalls bei Patienten eingesetzt werden, die über Stimmenhören mit wahnhaftem Überbau, Hallu-
zinationen anderer Sinnesmodalitäten (z. B. Geruchs- und Geschmackshalluzinationen), Gedanken-
eingebung oder andere Ich-Störungen klagen. Wie bereits erwähnt, ist für viele Patienten die Diagno-
5 se einer Schizophrenie angstbesetzter als mögliche negative Konsequenzen der eigenen Ideen/
Befürchtungen (z. B. Angst, Bedrohungserleben, soziale Isolation). Erarbeiten Sie positive Aspekte
einer Annahme der Diagnose bzw. der Einsicht, ein behandlungsbedürftiges Problem zu haben (z. B.
Erklärung für die Ideen/Befürchtungen, Behandelbarkeit, Todesängste sind unbegründet). Auch an
dieser Stelle können Sie die Tabelle mit Ergebnissen einer Befragung in der Allgemeinbevölkerung
aus 7 Therapieeinheit 11 (7 Therapieblatt 11.18) zur Hilfe nehmen, um aufzuzeigen, dass bestimmte
Befürchtungen weitverbreitet sind (»Normalisieren«).

7 Therapieblatt 6.34 Leiten Sie den Patienten an, jeweils ein dreistufiges Vorgehen zu wählen, um den Realitätsgehalt
Veränderungen in der Umge- seiner Ideen und Befürchtungen zu prüfen. Diese Übung sollte erst erwogen werden, wenn eine
bung! Ist das wirklich so? tragfähige therapeutische Beziehung besteht und der Patient klinisch stabilisiert ist.
7 Arbeitsblatt 6.4 1. Zunächst sollen die Ereignisse protokolliert werden (7 Arbeitsblatt 6.4). Definieren Sie unbedingt
zeitliche oder örtliche Vergleichspunkte. Wenn der Patient beispielsweise meint, etwas passiere
immer montags, lassen sie ihn die Protokolle auch an anderen Tagen führen; wenn behauptet wird,
etwas passiere nur vor seinem Haus, lassen Sie ihn auch an anderen Orten protokollieren.
2. Sollte sich herausstellen, dass der Patient mit seinem subjektiven Beobachtungen recht behält (das
kann durchaus der Fall sein), so sollte erörtert werden, ob alternative Erklärungen in Betracht kom-
men (ein Bezug auf 7 Therapieeinheit 4 [Zuschreibungsstil] kann hier sinnvoll sein).
3. Außerdem sollte besprochen werden, inwieweit der Patient die Dinge mit beeinflusst oder verur-
sacht haben könnte (z. B. bei Beziehungsideen: Blicke werden auf ihn gezogen durch das Tragen einer
dunklen Sonnenbrille oder einen panischen Gesichtsausdruck).
Schließlich kann es wichtig sein, den Patienten zu beruhigen und ihm zu versichern, dass die erwar-
teten Konsequenzen übertrieben sind. Achten Sie darauf, dass der Patient das Protokoll wirklich führt.
Die gelbe Karte kann diese Übungen wirkungsvoll unterstützen (7 Abschn. 5.2). Für diese Übungen
sollten Sie sich Zeit nehmen und sie gelegentlich wiederholen. Regen Sie Einsichten an, aber seien
Sie nicht zu ungeduldig. Der Patient sollte von der Ausschließlichkeit seiner Überzeugungen abge-
bracht werden; Ängste sollten verringert werden. Die Akzeptanz alternativer Annahmen braucht
dagegen häufig Zeit und ist kein realistisches therapeutisches Nahziel. Die Übung kann durch eine
entsprechende Abwandlung des Arbeitsblattes auch für das Protokollieren von Stimmen, Halluzinati-
onen anderer Sinnesmodalitäten (z. B. Geruchs- und Geschmackshalluzinationen), Gedankeneinge-
bung oder anderer Ich-Störungen eingesetzt werden. Bei Übungen zur Realitätstestung wird eine
therapeutische Begleitung empfohlen.

7 Therapieblatt 6.35 Bevor Sie dieses Therapieblatt bearbeiten, fragen Sie den Patienten, ob und wieso er den Austausch
Ist der Austausch mit ande- mit anderen Personen als wichtig bzw. unwichtig erachtet. Prüfen Sie gemeinsam, ob und in welchem
ren Menschen aus Ihrer Sicht Maße er anderen Sichtweisen gegenüber aufgeschlossen ist. Dem Patienten soll die Wichtigkeit
wichtig? Wieso? verdeutlicht werden, sich mit anderen Menschen – insbesondere Vertrauenspersonen – auszutau-
schen. Man soll sich nicht durch alles und jeden beirren lassen, aber prinzipiell einem Gedankenaus-
tausch gegenüber offen sein. Zum einen weil dies helfen kann, sich anbahnende psychotische Ent-
wicklungen frühzeitig zu erkennen, zum anderen aber auch, um ein realistischeres Bild der Welt zu
erlangen (»vier Augen sehen mehr als zwei«). Stellen Sie nach Möglichkeit einen Bezug zwischen
Unkorrigierbarkeit, Bestätigungstendenz und Rückzug während der Psychose her.
5.6 · Therapieeinheit 6: Korrigierbarkeit
93 5

. Tab. 5.6 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

Formulierungsvorschlag: »Hält man an einer falschen Meinung übermäßig fest, kann es schnell zu zwischenmenschlichen Konflik-
ten kommen. Längerfristig kann dies dazu führen, dass man sich von anderen zurückzieht – und auch
andersherum – oder sich anderen nicht mehr mitteilt, um nicht ständig Widerspruch zu ernten. Es besteht
die Gefahr, sich zu verrennen und nur noch auf Dinge zu achten, die für die eigene Sichtweise sprechen.
Dies nennt man, wie vorhin besprochen, Bestätigungstendenz. Sozialer Rückzug und Bestätigungstendenz
führen dazu, dass sich falsche Annahmen verfestigen. Dagegen können sozialer Austausch und Offenheit
für neue Erfahrungen dazu beitragen, die eigenen Meinungen und Einstellungen, wenn nötig, anzupassen
oder zu korrigieren.«

Explorieren Sie, ob der Patient im Alltag allgemein zu Uneinsichtigkeit und Starrköpfigkeit neigt.
Wenn es um den Austausch mit anderen Menschen geht, ist es wichtig, auch solche Personen zu
identifizieren, die den Patienten in seinen Wahnideen eventuell bestärken. Dies könnte beispiels-
weise in Internetforen passieren, in denen über Verschwörungstheorien diskutiert wird. Der Aus-
tausch mit diesen Personen sollte kritisch hinterfragt werden.

7 Therapieblatt 6.36
Austausch mit anderen
Menschen während einer
psychischen Krise?

Formulierungsvorschlag: »Wie ist das während der Psychose (bzw. jetzt)? Suchen Sie das Gespräch mit anderen über Ihre Ideen oder
eher nicht?« [Weiteres paraphrasieren, eventuell auch von Krise statt von Psychose sprechen.]

7 Therapieblatt 6.37
Austausch mit anderen vs.
Rückzug während einer
psychischen Krise

Formulierungsvorschlag: »Es zieht eine Reihe negativer Konsequenzen nach sich, wenn Sie den Kontakt zu anderen Menschen meiden
oder bestehende Freundschaften nicht pflegen. Dadurch kann man schnell einsam werden. Dies kann sich
zu einer Depression steigern. Darüber hinaus drängen sich Ihre Ängste oder besonderen Annahmen zuneh-
mend ins Bewusstsein, da sich Ihre gesamte Aufmerksamkeit mangels anderer Beschäftigungen auf diese
richtet. Zudem haben Sie ohne andere Menschen kaum die Möglichkeit, Ihre Ideen auf deren Wahrheits-
gehalt hin zu überprüfen, sodass die Gefahr besteht, sich zu verrennen.« [Weiteres paraphrasieren.]

7 Therapieblatt 6.38 Besprechen Sie mit dem Patienten nochmals die Bedeutung der gelben und in diesem Zusammen-
Gibt es Personen, denen Sie hang insbesondere auch der roten Karte (7 Abschn. 5.2). Die beiden Karten soll der Patient ständig
durchweg vertrauen? Wer bei sich führen, um sich im Falle aufkeimender wahnhafter Interpretationen Hilfe, Rat oder auch
käme infrage? Bestätigung zu holen (Letzteres im Falle einer wahren Bedrohung, denn »auch paranoide Menschen
haben Feinde« [Zitat von Golda Meir, frühere israelische Politikerin]). Die Entwicklung merkwürdiger
Ideen bis hin zum Wahn ist keine Einbahnstraße und »überkommt« Patienten selten unvermittelt. Im
Frühstadium, wenn wahnhafte Ideen von realistischen Überzeugungen noch in Schach gehalten
werden, handelt es sich oft um einen umkehrbaren Prozess.

7 Therapieblatt 6.39 Die formulierten Lernziele bahnen die Übertragung auf den Alltag. Patienten mit Psychose haben
Übertragung auf den Alltag häufig kognitive Probleme. Versuchen Sie daher die »Take-home-Botschaften«/Lernziele möglichst
einfach und griffig darzustellen, damit diese leicht zu verstehen und zu merken sind. Verdeutlichen
Sie nochmals das Lernziel dieser Sitzung.

Formulierungsvorschlag: »Manchmal kann der erste Eindruck trügen. Deshalb ist es wichtig, flexibel zu sein und bei Bedarf sein
Urteil zu korrigieren. Der Austausch mit anderen Menschen kann dazu beitragen, zu einer realistischen
Sicht der Dinge zu gelangen.«
94 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.6 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblatt 6.40 Dieses Therapieblatt soll noch einmal die Verbindung zwischen Unkorrigierbarkeit und der Entste-
Was hat das mit Psychose zu hung von Wahnideen verdeutlichen. Händigen Sie dem Patienten an dieser Stelle das 7 Arbeits-
tun? blatt 6.5 aus. Die wichtigsten Informationen zur Therapieeinheit 6 sind darauf zusammengefasst.
7 Arbeitsblatt 6.5 Erarbeiten Sie mit dem Patienten, welche Punkte der Therapieeinheit für ihn besonders relevant und
hilfreich waren. Stellen Sie ein bis zwei konkrete Hausaufgaben. Zum Beispiel könnte der Patient
gebeten werden, sich über andere Weltanschauungen zu informieren, die Ängste bei ihm hervorru-
fen, aber über die er augenscheinlich wenig Hintergrundwissen hat (z. B. Islam, Freimaurertum).
Tragen Sie dem Patienten auf, seriöse Quellen aus dem Internet (z. B. Wikipedia, Online-Archiv der
5 Zeit etc.) oder die Bibliothek zu dem gewählten Thema zu bemühen. Alternativ könnte der Patient
ermutigt werden, ein Gespräch mit einer Person zu suchen, mit der er in Streit geraten ist, um noch-
mals unvoreingenommen zu prüfen, wie die andere Person zu ihrer Sicht der Dinge gelangt ist. Die
wenigsten Menschen hegen von Grund auf böse Absichten, sondern sind meist der festen Überzeu-
gung, dass ihr Denken und Handeln rational und fair. Stabile, nicht mehr akut wahnhafte Patienten
können aufgefordert werden, in Rollen von Personen zu schlüpfen, die sie nicht schätzen (z. B. Poli-
zisten, Pflegepersonal, Politiker etc.), um sich zu überlegen, was diese Personen gegen die Vorhal-
tungen einwenden könnten. Darüber hinaus soll der Patient Beispiele eigener mangelnder Flexibilität
notieren. Erinnern Sie den Patienten daran, die Hausaufgaben möglichst auf 7 Arbeitsblatt 6.5 zu
notieren! Nur wenn es dem Patienten gelingt, sich das Gelernte im Alltag zu vergegenwärtigen und
es in diesen zu übertragen, ist eine dauerhafte Änderung zu erwarten. Die Sitzungen zu dieser Thera-
pieeinheit sollen einen ersten Denkanstoß liefern.

7 Therapieblatt 6.41 Sollten dem Patienten die Inhalte der Therapieeinheit nicht ausreichend klar geworden sein, dann
Was hat das mit Psychose zu können Sie mit ihm anhand des Fallbeispiels noch einmal besprechen, welche Konsequenzen über-
tun? steigerte Unkorrigierbarkeit im Extremfall haben kann.

5.7 Therapieeinheit 7: Einfühlen gemacht werden, dass soziale Wahrnehmung oft von den
eigenen Gefühlen beeinflusst wird und Menschen allzu
jZiel der Einheit leicht dazu neigen, innere Gefühlswelt und Außenwelt zu
Dem Patienten wird vermittelt, dass »Irren menschlich« verwechseln. Überdies wird erörtert, ob oder wann der Pa-
ist, vor allem wenn es darum geht, die Gefühle und Beweg- tient selbst schon einmal Menschen falsch eingeschätzt hat
gründe seiner Mitmenschen einzuschätzen. Zum einen und wie Fehlinterpretationen bis hin zu Wahnideen hier-
soll dem Patienten deutlich gemacht werden, dass wir nicht durch begünstigt wurden, z. B. indem er sich von stim-
allein aufgrund der Mimik auf den Gefühlszustand eines mungskongruenten Interpretationen leiten ließ (z. B. bei
Menschen schließen können und unser Urteil in Zweifel Angst: »Alle sind gegen mich.«). Die Beziehung zum Wahn
ziehen sollten, wenn wir jemanden nur flüchtig kennen wird behutsam verdeutlicht. Schließlich können – sofern
oder nur wenige Anhaltspunkte für unsere Einschätzung hier Defizite bestehen – dem Patienten Grundregeln für
haben. Zur sicheren Interpretation müssen weitere Infor- ein besseres soziales Miteinander vermittelt werden.
mationsquellen hinzugezogen werden (z. B. in welcher Si-
tuation befindet sich die Person; Vorwissen über die Per- jSpezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge
son). Zum anderen soll dem Patienten die Wichtigkeit von zu den Therapieblättern der Therapieeinheit 7 (Ein-
Perspektivenwechseln vor Augen geführt werden, um fühlen)
mögliche Beweggründe für das Handeln anderer Personen . Tab. 5.7
zu erschließen. Darüber hinaus soll dem Patienten bewusst
5.7 · Therapieeinheit 7: Einfühlen
95 5

. Tab. 5.7 Therapieeinheit 7 (Einfühlen)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 7.1–7.4 Sofern Sie dem Patienten in der letzten Sitzung Hausaufgaben oder (Beobachtungs-)Übungen auf-
Von Therapieeinheit 7: Einfüh- getragen haben, besprechen Sie diese zunächst nach.
len bis Was soll das Ganze? Die einleitenden Therapieblätter führen in das Thema ein und verdeutlichen die Relevanz der Denk-
verzerrung für unser Alltagsverhalten.

7 Therapieblatt 7.1
Therapieeinheit 7: Einfühlen

Formulierungsvorschlag: »In dieser Therapieeinheit [bzw. in den folgenden Sitzungen] möchte ich mit Ihnen über das Thema
Einfühlen sprechen. Können Sie etwas mit dem Begriff anfangen? […] Was verstehen Sie darunter?«

7 Therapieblätter 7.2–7.3 Vielen Betroffenen ist nicht auf Anhieb klar, dass Mimik und Gestik manchmal nicht eindeutig zu
Gesichtsausdrücke und interpretieren und gelegentlich sogar widersprüchlich sind. Geben Sie die Antworten nicht vor,
Gesten sind oft mehrdeutig! sondern lassen Sie den Patienten zumindest einige Möglichkeiten selbst entwickeln, bevor Sie
umblättern.

Formulierungsvorschlag: »Ich würde gerne mit Ihnen dieses Beispiel durchgehen. […] Was könnten Gründe dafür sein, dass sich eine
Person an der Nase kratzt? Und was hilft uns bei der Beantwortung, wieso sie das tut?«

7 Therapieblatt 7.4 Auf diesem Therapieblatt sind die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung laienverständlich zusam-
Was soll das Ganze? mengefasst, mit dem Ziel, die Essenz und die Relevanz der Einheit für die Entstehung einer Psychose
deutlich zu machen.

7 Therapieblatt 7.5 Benutzen Sie an dieser Stelle 7 Arbeitsblatt 7.1 und fragen Sie den Patienten nach Begebenheiten,
Wie Probleme der Emotions- in denen er die Mimik oder Gestik anderer Menschen fehlinterpretiert haben könnte.
erkennung Fehleinschät- Bei wenig krankheitseinsichtigen bzw. misstrauischen Patienten sollte 7 Arbeitsblatt 7.1 zunächst
zungen, z. B. während einer nicht bearbeitet werden, um den Patienten nicht zu überfordern bzw. die Therapieadhärenz zu si-
Psychose, begünstigen – chern. Alternativ können Sie an dieser Stelle die fiktiven Beispiele auf 7 Therapieblatt 7.5 bespre-
Beispiele chen und dann gleich zu den folgenden Übungen zur Emotionserkennung übergehen. Dieses behut-
7 Arbeitsblatt 7.1 same Vorgehen ist kennzeichnend für das MKT+ (»Hintertüransatz«).

7 Therapieblätter 7.6–7.7 Bevor Sie 7 Therapieblatt 7.7 aufdecken, bitten Sie den Patienten einige Gefühle zu benennen.
Nennen Sie einige Gefühle

Formulierungsvorschlag: »Zählen Sie bitte einige menschliche Gefühle und Empfindungen auf. Würden Sie sagen, dass jeder
Gefühlsausdruck direkt am Gesicht ablesbar ist? Kann es da auch zu Verwechslungen kommen?«

7 Therapieblätter 7.8–7.9
Manchmal ist es einfach, zu
erschließen, was in anderen
Menschen vorgeht, vor allem
wenn man den Zusammen-
hang kennt…

Formulierungsvorschlag: »Bitte bestimmen Sie den zugehörigen Gefühlsausdruck.« [Das meiste wird korrekt gelöst werden.] »Sehr
gut, woran haben Sie das im Einzelnen festgemacht – nur am Gesichtsausdruck?«

Falls der Patient die Frage bejaht, weisen Sie darauf hin, dass auch andere Merkmale unterstützend
oder sogar leitend sind, z. B. Umarmung der Frau im oberen mittleren Bild weist ebenfalls auf Freude
hin.

7 Therapieblatt 7.10
Schwieriger wird es, wenn
man nur das Gesicht sieht,
aber weder die Person kennt
noch andere Anhaltspunkte
besitzt!

Formulierungsvorschlag: »Wie Sie hier sehen können, gibt es Gefühlsregungen, die sich im Gesichtsausdruck ähnlich äußern – z. B.
sind sowohl bei Überraschung als auch bei Angst die Augen meist geweitet. Hier kommt es leicht zu Ver-
wechslungen. Kennen Sie weitere Beispiele?«
96 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.7 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 7.11–7.12 Der Patient wird aufgefordert, jedem der vier Personen auf den Fotos einen der vier »Berufe« zuzu-
Lassen Gesichter auf die ordnen (Sportler, Psychologe, Moderator oder Serienmörder). Es soll auf humorvolle Art deutlich
Persönlichkeit oder den werden, dass Klischeevorstellungen (Serienmörder = brutal aussehend; Psychologe = sanftmütig
Beruf schließen? aussehend) oft nicht auf den Einzelfall anwendbar sind.

7 Therapieblätter 7.13–7.17 Diese Therapieblätter beinhalten Aufgaben zur Emotionserkennung, welche verdeutlichen, dass die
Aufgabe 1 Emotionsidentifikation allein auf der Grundlage des Gesichtsausdrucks leicht zu Fehlern führt. Erst
die Betrachtung und Kenntnis kontextueller Faktoren (7 Therapieblätter 7.15 und 7.17) ermöglicht
5 eine eindeutige Interpretation. Der Patient wird angehalten, seine Urteilssicherheit abzuschwächen,
sofern nicht ausreichend Hinweise vorhanden sind. Die Wichtigkeit von Zweifeln als Korrektivfunktion
soll verdeutlicht werden.
Zeigen Sie zunächst nur die 7 Therapieblätter 7.14 (bzw. später 7.16) und fragen Sie, welche der vier
Antwortmöglichkeiten als am wahrscheinlichsten erachtet werden, bevor Sie die Übung auflösen.

Formulierungsvorschlag: »Hier sehen Sie einen Bildausschnitt. Was könnte in der gezeigten Person vorgehen? Wählen Sie die
Antwortalternative aus, die Sie am wahrscheinlichsten finden, und beschreiben Sie, woran Sie das fest-
machen. […] Wie sicher sind Sie sich?«

7 Therapieblätter 7.18–7.21
Unsere Stimmung beein-
flusst unsere Wahrnehmung
und Bewertung!

Formulierungsvorschlag: »Schauen Sie sich den Mann auf dem Foto genau an. Was glauben Sie, geht in ihm vor? Was würden Sie
denken, wenn Sie diesem Mann begegnen würden? Abhängig davon, ob Sie selbst gerade traurig oder
misstrauisch gestimmt sind, würden Sie den Mann jeweils gleich beurteilen?«

Leiten Sie den Patienten dazu an, dass unsere Wahrnehmung und Bewertung der Außenwelt durch
unsere aktuellen Gefühle mit beeinflusst wird. Sind wir verärgert, so nehmen wir unsere Umwelt oft
feindseliger wahr, als sie ist. Sind wir guter Stimmung, entgeht uns manchmal, dass unsere Späße
anderen auf die Nerven gehen. Bei Menschen mit psychischen Erkrankungen kommen solche Fehl-
einschätzungen häufiger vor.

7 Therapieblatt 7.21
Unsere Stimmung beein-
flusst unsere Wahrnehmung
und Bewertung!

Formulierungsvorschlag: »Menschen reagieren ganz unterschiedlich auf Stress. Unter Belastung kommt es jedoch leichter zu Ver-
kennungen, da unsere Wahrnehmung, wie eben besprochen, auch durch unsere Gefühle mit beeinflusst
wird. Je nach Stimmung bewerten wir daher Situationen anders. In Stresssituationen sind wir oft in
schlechter Stimmung, was Bewertungen in eine negative Richtung verschieben kann. Auch spontanes
Herzrasen, z. B. nach dem Genuss von zu viel Kaffee, kann dazu führen, dass wir uns über Kleinigkeiten
aufregen, denen wir die Anspannung fälschlicherweise zuschreiben!«
»Gefühle spiegeln nicht immer die Realität wider. Manchmal haben wir z. B. Angst, was aber nicht auto-
matisch bedeuten muss, dass wirklich Gefahr besteht. Gefühle können also manchmal ein ›schlechter
Ratgeber‹ sein, und es ist wichtig, dass wir uns dessen bewusst sind.«

7 Therapieblätter 7.22–7.23 Nutzen Sie hier 7 Arbeitsblatt 7.2.


Einfluss von äußeren Fak-
toren auf Befindlichkeit und
Denken
7 Arbeitsblatt 7.2

Formulierungsvorschlag: »Geben Sie bitte an, wie die Faktoren in der Tabelle Ihr Befinden verändern und vielleicht auch Ihre Wahr-
nehmung verzerren.«

Versuchen Sie, mit dem Patienten möglichst konkrete Situationen zu finden, in denen aufgrund
äußerer Faktoren die Gefühle mit ihm »durchgingen« bzw. er eine Situation verkannt hat (z. B. »Beim
letzten Discobesuch hatte ich zu viel Alkohol getrunken und fühlte mich durch den Spruch eines
Freundes über mein T-Shirt gleich extrem beleidigt.«).
5.7 · Therapieeinheit 7: Einfühlen
97 5

. Tab. 5.7 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblatt 7.24
Erstes Fazit

7 Therapieblätter 7.25–7.27 Erarbeiten Sie mit dem Patienten, auf welche äußeren Merkmale (z. B. Blick, Sprache, Körperhaltung,
Einfühlen/Beurteilung eines Kleidung etc.) er achtet, wenn er einer Person zum ersten Mal begegnet, und bewerten Sie gemein-
Menschen sam deren jeweilige Aussagekraft.

Formulierungsvorschlag: »Auf welche äußeren Merkmale achten Sie, wenn Sie jemanden, z. B. die junge Frau auf dem Foto, zum
ersten Mal treffen? Wie verlässlich sind diese Merkmale für die Beurteilung eines Menschen? Fallen Ihnen
noch weitere Informationsquellen ein, die man heranziehen sollte, um eine Person beim ersten Treffen
besser einschätzen zu können? Wie aussagekräftig sind diese? Welche Irrtümer sind möglich?«

7 Therapieblätter 7.28–7.30 Diese Therapieblätter sollen dem Patienten verdeutlichen, dass nicht alle an einer Situation beteili-
Aufgabe 2 gten Personen stets über das gleiche Wissen verfügen. Insbesondere für Patienten mit einem gestei-
gerten Bedürfnis nach sinnhafter Geschlossenheit ist diese Bildergeschichte lehrreich. Es macht
deutlich, dass viele Ereignisse keine eindeutigen Schlüsse zulassen. Daher soll erarbeitet werden,
welche Zusatzinformationen eine Annahme klar bestätigen könnten. Auch die Annahmen der Per-
sonen können erörtert werden, z. B. könnte der Spaziergänger den Mann für einen Einbrecher halten.
Allerdings könnte er den Mann auch kennen (eventuell handelt es sich um einen Nachbarn) oder
vorher von ihm angesprochen worden sein. Die Handbewegung des Hausbesitzers auf dem 3. Bild
könnte so gedeutet werden, dass er den Spaziergänger über den wahren Hergang in Kenntnis setzt.

Formulierungsvorschlag: »Beschreiben Sie bitte kurz die Bildergeschichte. Was denkt der Spaziergänger höchstwahrscheinlich?
Warum? Brauchen wir weitere Informationen, um abschließend beurteilen zu können, was der Spazier-
gänger denkt?«

7 Therapieblatt 7.31 Vermitteln Sie dem Patienten anhand des Marionettenbeispiels, dass an einer Situation beteiligte
Perspektivwechsel Personen dieselbe Situation jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven wahrnehmen. Bei Patienten
mit Fremdbeeinflussungsgefühlen kann es sinnvoll sein, die Therapieblätter zu überspringen oder
eine andere Metapher zu wählen, da das Marionettenbeispiel angstbesetzte Assoziationen auslösen
kann (vor allem Fremdbeeinflussung).
Die Zuschauer blicken von vorne auf die Bühne und tauchen in die Geschichte der Marionetten ein.
Vor allem Kinder vergessen beim Zusehen schnell, dass es sich bei den Akteuren nur um Puppen
handelt. Der Marionettenspieler dagegen schaut von oben auf die Szene, zieht dazu die Fäden seiner
Puppen und bestimmt so über deren Handeln. Ihm ist zu jeder Zeit klar, dass es sich um ein Puppen-
spiel handelt. Ähnlich ergeht es uns im Alltag, da wir meist nicht die Perspektive eines allwissenden
Beobachters (Marionettenspieler) haben, sondern das Geschehen nur durch unsere persönliche Brille
sehen. Um die Handlungen unserer Mitmenschen besser verstehen zu können, ist es wichtig, deren
Sichtweisen und Motive, die den eigenen nicht immer entsprechen, nachzuvollziehen. Gelingt es
einem nicht, die Motive anderer richtig zu erschließen, fühlt man sich durch deren Handlungen leicht
ignoriert oder missverstanden.

7 Therapieblatt 7.32 Schildern Sie dem Patienten die Szene im Supermarkt und bitten Sie ihn, sich so gut wie möglich in
Perspektivwechsel das Geschehen und in die handelnden Personen hineinzuversetzen. Alternativ können Sie den Pa-
7 Arbeitsblatt 7.3 tienten auch bitten, die Geschichte laut vorzulesen, um ihn zu aktivieren. Erarbeiten Sie anhand von
7 Arbeitsblatt 7.3, wie sich der Patient, die Kassiererin und der alte Herr, dem das Öl herunterfällt, in
dieser Situation fühlen bzw. was sie denken könnten. Wenn der Patient sich auf eine Antwort festlegt
und darauf beharrt (z. B. dass die Kassiererin wütend sein muss), lenken Sie ihn auf andere Möglich-
keiten, wie jemand auf die Geschehnisse reagieren könnte und stellen Sie weiterführende Fragen
(z. B. »Bedenken Sie, inwieweit das persönliche Verhältnis der Beteiligten zu anderen älteren Men-
schen, z. B. zum eigenen Großvater, auch die Bewertung des alten Mannes verändern kann.« etc.).

7 Therapieblatt 7.33
Perspektivwechsel

Formulierungsvorschlag: »Hier sehen Sie Möglichkeiten aufgelistet, wie sich die beteiligten Personen fühlen könnten. Es handelt sich
um Anregungen; die Aufzählung ist keinesfalls vollständig.«
98 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.7 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 7.34–7.37 Die folgenden Therapieblätter eignen sich besonders für Patienten mit Problemen im sozialen
Was macht einen guten Miteinander, was sich in schlechtem Benehmen äußern oder distanzlosem Verhalten kann und häufig
Gesprächspartner aus? zu sozialen Konflikten führt (z. B. auf der Arbeit, auf Ämtern, bei der Interaktion mit Stationspersonal).
Bei der Behandlung von Patienten mit guter sozialer Kompetenz oder sozialem Gespür sind diese
Therapieblätter verzichtbar. Bevor Sie die Therapieblätter aufdecken, fragen Sie den Patienten, wel-
che Eigenschaften einen guten Gesprächspartner ausmachen.

Formulierungsvorschlag: »Was würden Sie sagen, macht einen guten Gesprächspartner aus? Hier sehen Sie einige Eigenschaften
5 und Fähigkeiten, die einen guten Gesprächspartner ausmachen. Es handelt sich um keine vollständige
Liste. Vermissen Sie etwas oder finden Sie einen der Punkte eventuell besonders wichtig?« [Weiteres para-
phrasieren; Übergang zum 7 Therapieblatt 7.37:] »Mit vertrauten Menschen pflegen wir meist einen
anderen Umgang als mit fremden Personen. Was für Verhaltensweisen sollten Sie beim ersten Kennenler-
nen vermeiden? Was wäre Ihnen selbst unangenehm?«

Falls der Patient Defizite in der sozialen Kompetenz aufweist und/oder von ihm keine Vorschläge
kommen, bietet sich ein Rollenspiel an.

Formulierungsvorschlag: »Stellen Sie sich vor, ich bin Ihnen fremd und wir begegnen uns in einem Café und kommen ins Gespräch.
[…] Lassen Sie uns das einmal durchspielen. […]«

Falls der Patient keine Fauxpas begeht, begehen Sie bewusst welche, z. B. klopfen Sie ihm kumpelhaft
auf die Schulter. Besprechen Sie anschließend das Rollenspiel mit dem Patienten nach.

7 Therapieblätter 7.38–7.41 Bei der Behandlung von Patienten mit guter sozialer Kompetenz oder sozialem Gespür sind diese
Ungeschriebene soziale Therapieblätter ebenfalls verzichtbar. Erarbeiten Sie mit Patienten, die Schwierigkeiten/Defizite im
Gesetze sozialen Miteinander haben, zunächst, was ungeschriebene soziale Gesetze sein könnten. Fragen Sie,
7 Arbeitsblatt 7.4 ob Schwierigkeiten mit der Umsetzung der einen oder anderen Regel bestehen und welche vielleicht
neu ist. Erarbeiten Sie mit ihm ggf., welche Konsequenzen es haben könnte, wenn man diese Regeln
missachtet. Benutzen Sie 7 Arbeitsblatt 7.4, um dem Patienten soziale Fauxpas in Alltagssituationen
deutlich zu machen. Die soziale Kompetenz soll hierdurch unterstützt und gefördert werden. An
dieser Stelle können Sie auch eines der oben vorgestellten Videos zeigen (7 Abschn. 4.3), die Sie
unter folgendem Link herunterladen können: http://clinical-neuropsychology.de/metakognitives-
training-videosuite.html.

Formulierungsvorschlag: »Hier finden Sie allgemeine Verhaltensregeln, die man im Alltag beachten sollte.«

7 Therapieblatt 7.42 Besprechen Sie mit dem Patienten, ob er im Alltag eine soziale Situation üben könnte, die ihm eher
Vom Therapiezimmer in den schwerfällt. Achten Sie darauf, dass die Situation nicht zu schwierig gewählt ist. Beispielsweise könnte
Alltag der Patient versuchen, mit einem neuen Nachbarn in Kontakt zu treten und ein Gespräch zu begin-
7 Arbeitsblatt 7.5 nen. Möglich wäre, die Situation zunächst in einem Rollenspiel während der Sitzung vorzubereiten.
Achten Sie darauf, dass der Patient, sollte er denn soziale Kompetenzdefizite aufweisen, die zuvor
besprochenen Regeln zu »Was macht einen guten Gesprächspartner aus« sowie »Ungeschriebene
soziale Gesetze« befolgt. Die Erfahrungen, die der Patient bei der Übung macht, kann er auf 7 Ar-
beitsblatt 7.5 notieren. Die Übung könnte als mögliche Hausaufgabe zur nächsten Sitzung aufge-
geben werden.

7 Therapieblätter 7.43–7.44 Die formulierten Lernziele bahnen die Übertragung auf den Alltag. Patienten mit Psychose haben
Übertragung auf den Alltag häufig kognitive Probleme. Versuchen Sie daher, die »Take-home- Botschaften«/Lernziele möglichst
einfach und griffig darzustellen, sodass diese leicht zu verstehen und zu merken sind. Sie sollten dem
Patienten mit auf den Weg geben, dass mindestens 2–3 Möglichkeiten zu berücksichtigen sind,
weshalb jemand sich in einer besonderen Art und Weise verhalten hat. Hier bietet sich auch ein
Querverweis auf 7 Therapieeinheit 4 (Zuschreibungsstil) an, falls diese bereits behandelt wurde.
Zudem sollte deutlich werden, dass die aktuelle Stimmung die soziale Wahrnehmung beeinflusst.

7 Therapieblatt 7.45 Dieses Therapieblatt soll noch einmal die Verbindung zwischen Defiziten in der Emotionserkennung
Was hat das mit Psychose zu und der Entstehung von Wahnideen verdeutlichen. Besprechen Sie mit dem Patienten, welche
tun? Punkte der Therapieeinheit für ihn persönlich relevant oder hilfreich waren. An dieser Stelle können
7 Arbeitsblatt 7.6 Sie auch Übungen oder Hausaufgaben für die nächste Sitzung besprechen. Händigen Sie dem
Patienten an dieser Stelle 7 Arbeitsblatt 7.6 aus.
5.8 · Therapieeinheit 8: Gedächtnis und Urteilssicherheit
99 5

. Tab. 5.7 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Arbeitsblatt 7.6 Auf 7 Arbeitsblatt 7.6 sind die wichtigsten Informationen zu Therapieeinheit 7 zusammengefasst.
Ermutigen Sie den Patienten auch, mögliche offene Fragen zur Therapieeinheit zu notieren und beim
nächsten Mal zu thematisieren. Zudem können hier Informationen aus der Sitzung notiert werden,
die besonders wichtig oder hilfreich waren. Weiterhin können Sie hier Übungen oder Hausaufgaben
festhalten. Bitten Sie den Patienten, sich auf 1–2 Übungen möglichst praktisch – wenigstens aber
innerlich – einzulassen. Zum Beispiel könnte der Patient darauf achten, welche Stimmung zu welchen
Wahrnehmungsverzerrungen führt oder in welchen Situationen er selbst sich in Menschen (z. B.
Mitpatienten) auf den ersten Blick getäuscht haben. Dem Patienten sollte zudem bewusst werden,
wovon er sich leicht blenden lässt (z. B. geschliffener Ausdruck, attraktives Äußeres). Der Patient
könnte sich auch vornehmen, mit 7 Arbeitsblatt 7.5 eine soziale Situation zu üben, die ihm vielleicht
eher schwerfällt. Nur wenn es dem Patienten gelingt, sich das Gelernte im Alltag zu vergegenwärti-
gen und vor allem auf diesen zu übertragen, ist eine dauerhafte Änderung zu erwarten. Die Sitzun-
gen zur Therapieeinheit Einfühlen sollen einen ersten Denkanstoß liefern.

7 Therapieblatt 7.46 Sollten die Inhalte der Einheit zu Einfühlen noch nicht ausreichend verständlich geworden sein,
Was hat das mit Psychose zu können Sie optional noch einmal anhand des Fallbeispiels aufzeigen, welche Konsequenzen Defizite
tun? in der Emotionserkennung im Extremfall haben können.

5.8 Therapieeinheit 8: Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass man sich irrt und
Gedächtnis und Urteilssicherheit nach weiteren Informationen suchen sollte, z. B. indem man
Beteiligte bzw. Zeugen fragt oder Dokumente heranzieht.
jZiel der Einheit Zudem sollte in solchen Fällen die Urteilssicherheit abge-
Dem Patienten wird eingehend erläutert, dass unser Ge- schwächt werden. Weiterhin sollen Patienten mit Gedächt-
dächtnis fehleranfällig ist und Erinnerungen trügen kön- nisproblemen Memorierungsstrategien vermittelt werden,
nen. Diese Erkenntnis ist vor allem für soziale Situationen derer sie sich im Alltag bedienen können (z. B. Kalender,
mit potenziell folgenschweren Konsequenzen (Streit, Zeu- Notizheft), um wichtige Termine nicht zu vergessen.
genaussagen etc.) von Bedeutung. Darüber hinaus wird
dem Patienten bewusst gemacht, dass sich falsche Erinne- jSpezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge
rungen von echten Erinnerungen meist durch ihre Leben- zu den Therapieblättern der Therapieeinheit 8
digkeit und Detailliertheit unterscheiden lassen. Daher ist (Gedächtnis und Urteilssicherheit)
es insbesondere bei nur vagen Erinnerungen ratsam, die . Tab. 5.8

. Tab. 5.8 Therapieeinheit 8 (Gedächtnis und Urteilssicherheit)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 8.1–8.10 Sofern Sie dem Patienten in der letzten Sitzung Hausaufgaben oder (Beobachtungs-)Übungen aufge-
Von Therapieeinheit 8: Ge- tragen haben, besprechen Sie diese zunächst nach.
dächtnis und Urteilssicher- Die einleitenden Therapieblätter führen in das Thema ein und verdeutlichen die Alltagsrelevanz von
heit bis Was soll das Ganze? Gedächtnisproblemen und übermäßiger Urteilssicherheit. Vermitteln Sie dem Patienten, dass unser
Gedächtnis nicht passiv wie ein Videorekorder funktioniert. Häufig dichten wir (unabsichtlich) Dinge
dazu (z. B. durch logisches Schlussfolgern). Bearbeiten Sie mit dem Patienten die wahnneutralen
False-Memory-Aufgabe und verdeutlichen Sie, wodurch Fehlerinnerungen häufig ausgelöst werden
(z. B. beim Bild des Malers: aus Erfahrung und logischen Erwägungen wird fälschlich geschlossen,
dass eine Staffelei gezeigt wurde).

Formulierungsvorschlag: »In den nächsten Stunden setzen wir uns mit dem Thema Gedächtnis auseinander. Die Speicherungsfähig-
keit unseres Gedächtnisses ist begrenzt.« [Tragen Sie hier das Beispiel des Therapieblattes vor.] »Unser
Gedächtnis funktioniert nicht wie ein Videorekorder, der alles aufzeichnet und nichts vergisst. Warum,
glauben Sie, können wir uns nicht alles merken? Mit welchen Vor- und Nachteilen ist das aus Ihrer Sicht
verbunden?« […]
»Was glauben Sie? Sind Menschen mit Psychose allgemein vergesslich?«
100 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.8 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 8.2–8.5 Die 7 Therapieblätter 8.2–8.3 führen in das Thema Gedächtnis ein und weisen darauf hin, dass die
Von Gedächtnis bis Sind Speicherungsfähigkeit unseres Gedächtnisses begrenzt ist. Erarbeiten Sie mit dem Patienten die
Menschen mit Psychose Vor-und Nachteile davon.
allgemein vergesslich? Die 7 Therapieblätter 8.4–8.5 fassen laienverständlich die Studienergebnisse zum Zusammenhang
zwischen Psychose und Gedächtnisdefiziten zusammen. Dies dient zum einen der Entpathologisie-
rung, soll aber zum anderen auch auf die Relevanz der Therapieeinheit hinweisen.

7 Therapieblätter 8.6–8.9 Als Eingangsbeispiel wird das Bild eines Malers mit zahlreichen typischen Einzelheiten gezeigt (Pinsel,
5 Aufgabe 1 Leinwand etc.). Andere Objekte, die man in einer solchen Szene ebenfalls vermuten würde (Staffelei,
bunte Malpalette), werden dagegen nicht gezeigt. Dennoch meinen viele (auch gesunde) Menschen,
diese Dinge gesehen zu haben. Zeigen Sie das Bild ungefähr 10–30 Sekunden, je nach Leistungsni-
veau des Patienten.

Formulierungsvorschlag: »Ich möchte Ihnen nun ein Bild mit zahlreichen Einzelheiten zeigen. Prägen Sie sich möglichst viele davon
ein!« [Beim Wiedererkennen 7 Therapieblatt 8.8:] »Was wurde Ihrer Meinung nach auf dem Bild gezeigt
bzw. nicht gezeigt? Wie sicher sind Sie sich? Können Sie das Objekt beschreiben? Wo war es? Welche Farbe
hatte es?« [Erklären Sie ggf. den Effekt, der darauf beruht, dass das Gedächtnis per Logik oder Vorer-
fahrung (prototypisches Bild) Details ergänzt.]

7 Therapieblatt 8.10 Auf diesem Therapieblatt sind die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung laienverständlich zusam-
Was soll das Ganze? mengefasst, mit dem Ziel, die Essenz und die Relevanz der Einheit für die Entstehung einer Psychose
deutlich zu machen. Paraphrasieren Sie dieses Therapieblatt und weisen Sie darauf hin, dass Men-
schen mit Psychose nicht notwendigerweise mehr Fehlerinnerungen aufweisen als Menschen ohne
Psychose, aber dazu neigen, an diesen mit übermäßiger Sicherheit festzuhalten!

7 Therapieblatt 8.11 Anhand dieses Therapieblattes wird nochmals verdeutlicht, wie das Beharren auf Fehlerinnerungen
Wie Gedächtnisprobleme eine Psychose bzw. Krise begünstigen oder Fehlinterpretationen verstärken kann. Der Patient soll
und übermäßige Urteils- eigene Situationen rekapitulieren, in denen er an einer Fehlerinnerung festhielt (wählen Sie je nach
sicherheit Fehlurteile wäh- Krankheitseinsicht des Patienten psychosenahe oder -ferne Beispiele). Nutzen Sie hierfür 7 Arbeits-
rend einer Psychose begün- blatt 8.1. Eventuell sind Anstöße Ihrerseits aus der Krankengeschichte des Patienten nötig. Bei man-
stigen – Beispiele gelnder Störungseinsicht sollte dies Arbeitsblatt erst zu einem späteren Zeitpunkt verwendet wer-
7 Arbeitsblatt 8.1 den. Häufig ist es schwer, eine Fehlerinnerung als solche zu identifizieren. Versuchen Sie daher, den
Fokus des Patienten auf Situationen zu lenken, in denen er sich mit einem anderen Menschen uneins
war, was die Erinnerung betrifft (insbesondere Streitsituationen bieten sich hier an, bei denen oft
unklar ist, wer angefangen hat, und die Wahrheit daher oft relativ ist). Machen Sie deutlich, dass
Fehler an sich normal sind. Folgenschwer werden diese oft erst dadurch, wenn man zu 100 % daran
festhält, im Recht zu sein. Daher ist es in diesen Fällen ratsam, Zweifel anzumelden und sich zu verge-
wissern, wie andere die Situation vielleicht beurteilen.

7 Therapieblätter 8.12–8.24
Aufgabe 2

Formulierungsvorschlag: »Ich möchte Ihnen nun ein weiteres Bild mit vielen Einzelheiten zeigen. Prägen Sie sich möglichst viele
Details ein!«

7 Therapieblätter 8.14–8.16
Von Brainstorming bis Grillen

Formulierungsvorschlag: »Zunächst einmal: Was fällt Ihnen ein, was man beim Grillen typischerweise so alles sieht, unabhängig
vom gerade gezeigten Bild?«

Dieses vorgeschaltete Brainstorming steigert meist den Fehlerinnerungseffekt. Nachdem der Patient
einiges genannt hat, fragen Sie ihn nach den Einzelheiten des präsentierten Bildes (7 Thera-
pieblatt 8.15). Fragen Sie den Patienten auch, wie sicher er sich in seiner Einschätzung ist. Bespre-
chen Sie im Anschluss mögliche Fehler. Erklären Sie, dass unser Gedächtnis nicht exakt arbeitet,
sondern »erfinderisch« ist und oft nicht zwischen einer konkreten Begebenheit, früheren ähnlichen
Situationen und logischen Ergänzungen unterscheiden kann.

7 Therapieblätter 8.17–8.20 Gehen Sie bei diesem Bild von einem Kinderzimmer genauso vor, wie zuvor beim Bild vom Grillen.
Kinderzimmer

7 Therapieblätter 8.21–8.24 Gehen Sie beim Foto von der Küche genauso vor, wie vorher bei den anderen Bildern.
Küche
5.8 · Therapieeinheit 8: Gedächtnis und Urteilssicherheit
101 5

. Tab. 5.8 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblatt 8.25 Bevor Sie das Therapieblatt zeigen, fragen Sie den Patienten, welche Arten von Gedächtnisfehlern es
Arten von Gedächtnisfehlern gibt. Beispielsweise erinnern sich depressive Menschen vor allem an negative Ereignisse, während
positive Ereignisse leichter in Vergessenheit geraten.

7 Therapieblatt 8.26
Was sind Ursachen von
Fehlerinnerungen?

7 Therapieblatt 8.27
Fehlerinnerungen im Alltag

Formulierungsvorschlag: »Niemand ist frei von Fehlerinnerungen. Links sehen Sie Situationen, in denen diese besonders häufig
vorkommen. Kennen Sie das vielleicht von sich selbst?«

7 Therapieblatt 8.28 Verdeutlichen Sie mit diesem Beispiel, dass Fehlerinnerungen menschlich sind und sich auch kollektiv
Fehlerinnerungen in der fortpflanzen können. Das Beispiel demonstriert eindrücklich, dass wir unserem Gedächtnis nicht blind
Allgemeinbevölkerung vertrauen können und somit besonders bei folgenschweren Anlässen (z. B. Auseinandersetzungen)
überprüfen sollten, ob sich die Dinge so zugetragen haben, wie wir es zu erinnern glauben. Hinter-
grundinformation zum Therapieblatt: Die Oper erzählt vom kretischen König Idomeneus, der nach
seiner Rückkehr vom trojanischen Krieg seinen Sohn töten sollte. Idomeneus gerät in einen Gewis-
senskonflikt. In der erwähnten Inszenierung trägt Idomeneus in der Schlussszene einen Sack mit den
abgetrennten Köpfen von Mohammed, aber auch Poseidon, Jesus und Buddha auf die Bühne.

7 Therapieblätter 8.29–8.30 Besprechen Sie mit dem Patienten mögliche Konsequenzen, die eintreten können, wenn man an
Beharren auf Fehlerinne- Fehlerinnerungen festhält.
rungen – Welche Konse-
quenzen kann das haben?

7 Therapieblatt 8.31 Das Therapieblatt beschäftigt sich mit Strukturierungshilfen. Viele Patienten haben neben mnes-
Gedächtnisstützen im Alltag tischen Dysfunktionen auch exekutive Probleme, die sich u. a. in Schwierigkeiten äußern, den Alltag
zu meistern und selbst einfache Abläufe zu organisieren (z. B. Einkäufe tätigen). Beides führt dauer-
haft zu Überforderung und Stress, was die Wahrscheinlichkeit einer Dekompensation erhöht (hier
sprach man im klinischen Jargon früher gelegentlich von einer »Umzugspsychose«: Bereits ein kleiner
Stressor löst einen psychotischen Rückfall aus). Besprechen Sie mit dem Patienten eingehend die
dargestellten Techniken zur Strukturierung des Alltags.

Formulierungsvorschlag: »Stress kann psychische Krisen auslösen. Stress lässt sich u. a. durch eine bessere Organisation des Alltags
reduzieren. Häufig macht man sich durch schlechte Planung unnötig zusätzlichen Stress. Wie koordinieren
Sie Ihre Termine? Führen Sie z. B. einen Terminkalender?«

Falls der Patient wenig strukturelle Hilfen zur Hand hat, entwickeln Sie mit ihm Strategien.

Formulierungsvorschlag: »Schreiben Sie wichtige Termine und Aufgaben stichwortartig in ein Notizheft. Streichen Sie diese bei
Erledigung ab. Sortieren Sie die Dinge auch nach ihrer Bedeutsamkeit. Tragen Sie auch Dinge ein, die Sie
von anderen noch bekommen oder erwarten, z. B. ein Schreiben vom Arbeitsamt oder ein verliehenes
Buch. Versuchen Sie dennoch, sich einige Dinge auch ohne Hilfsmittel zu merken.«

7 Therapieblatt 8.32 Fragen Sie den Patienten zunächst nach Strategien, mithilfe derer er sich Dinge besser merken kann.
Wie kann ich mir Dinge Decken Sie erst danach das Therapieblatt auf. Sofern der Patient in einer früher durchgeführten
besser merken? psychometrischen Untersuchung oder nach Verhaltensbeobachtung Gedächtnisdefizite aufweist,
animieren Sie ihn, sich für zu memorierende Dinge Eselsbrücken zu bauen und/oder diese aufzu-
schreiben.

Formulierungsvorschlag: »Hier stehen ein paar Tipps, wie Sie sich Dinge besser einprägen können. Gibt es Eselsbrücken, die Sie
bereits anwenden? Welche der Strategien sind Ihnen bekannt und mit welchen können Sie sich vielleicht
anfreunden?«

7 Therapieblatt 8.33 Wie die Abbildung stark vereinfacht zeigt, steigt die Lernleistung eines Menschen, je mehr Sinne am
Wie kann ich mir Dinge Lernvorgang beteiligt sind. Demnach können sich Menschen nach einer gehörten Geschichte an
besser merken? durchschnittlich 20 % erinnern. Wird die Geschichte mit visuellem Material unterstützt, steigt die
Behaltensleistung auf 50 % usw. Das Metakognitive Therapieprogramm bedient sich dieses Befund-
musters, indem es multimodal und auch multimedial arbeitet.
102 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.7 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 8.34–8.35 Die formulierten Lernziele bahnen die Übertragung auf den Alltag. Patienten mit Psychose haben
Übertragung auf den Alltag häufig kognitive Probleme. Versuchen Sie daher die »Take-home-Botschaften«/Lernziele möglichst
einfach und griffig darzustellen, damit diese leicht zu verstehen und zu merken sind. Sie sollten dem
Patienten insbesondere mit auf den Weg geben, dass das eigene Gedächtnis fehlbar ist und somit
stets die Möglichkeit besteht, sich zu irren.

7 Therapieblatt 8.36 Erarbeiten Sie, welche Inhalte der Therapieeinheit zu Gedächtnis und Urteilssicherheit für den
Übertragung auf den Alltag Patienten besonders hilfreich oder relevant waren. Teilen Sie an dieser Stelle 7 Arbeitsblatt 8.2 aus.
5 7 Arbeitsblatt 8.2

7 Arbeitsblatt 8.2 Ermutigen Sie den Patienten, auf dem Arbeitsblatt die für ihn wichtigsten und hilfreichsten Inhalte
der Therapieeinheit zu Gedächtnis und Urteilssicherheit zu notieren. Stellen Sie 1–2 konkrete Haus-
aufgaben, z. B.: »Wann werden eigene Erzählungen mit Details gewürzt und ausgeschmückt?« Tragen
Sie Patienten, die Gedächtnisprobleme haben, die Anwendung und Protokollierung von bespro-
chenen Strategien auf (»Wann habe ich die Strategie angewandt? Wie hat es geklappt auf einer Skala
von 1–10?« etc.). Erinnern Sie den Patienten, die Aufgaben auf dem Arbeitsblatt zu notieren! Bespre-
chen Sie die Übungen stets nach. Nur wenn es gelingt, das Gelernte im Alltag zu vergegenwärtigen
und vor allem in diesen zu übertragen, ist eine dauerhafte Änderung zu erwarten. Die Sitzungen
dieser Therapieeinheit sollen einen Anstoß liefern und den Patienten gezielt zu Übungen anleiten.

7 Therapieblatt 8.37 Dieses Therapieblatt kann optional verwendet werden, wenn dem Patienten die Inhalte der Therapie-
Was hat das mit Psychose zu einheit nicht ausreichend klar geworden sein sollten. Nutzen Sie dafür das Fallbeispiel, anhand des-
tun? sen noch einmal die Verbindung zwischen dem Beharren auf Fehlerinnerungen und der Entstehung
von Wahnideen verdeutlicht werden soll. Es wird aufgezeigt, welche Konsequenzen das Beharren auf
Fehlerinnerungen bzw. übermäßige Urteilssicherheit für Fehlerinnerungen im Extremfall haben kann.

5.9 Therapieeinheit 9: Einsamkeitsgefühle und Depressionen bedingt, welche


Depression und Denken Grübeleien und auch Halluzinationen verstärken können,
die teilweise eine soziale Ersatzfunktion erfüllen. Der Pa-
jZiel der Einheit tient wird deshalb ermuntert, stimmungsförderliche sozia-
Mit dem Patienten wird eingehend besprochen, dass De- le Aktivitäten zu planen und die besprochenen Strategien
pressionen nicht primär angeboren oder schicksalhaft be- anzuwenden. Die Therapieeinheit soll dem Patienten hel-
stimmt sind, sondern vor allem durch bestimmte Denkver- fen, nicht nur sich selbst wieder mehr zu schätzen, sondern
zerrungen gefördert bzw. aufrechterhalten werden, welche auch seine Beziehungen zu anderen zu verbessern.
prinzipiell veränderbar sind. Der Patient soll dafür sensibi-
lisiert werden, ob und wann er selbst zu diesen Denkverzer- jSpezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge
rungen neigt und wie Depressionen und/oder eigene zu den Therapieblättern der Therapieeinheit 9
Wahnideen hierdurch verstärkt oder begünstigt werden/ (Depression und Denken)
wurden. Darüber hinaus wird mithilfe eines Teufelskreis- . Tab. 5.9
modells vermittelt, dass sozialer Rückzug häufig starke
5.9 · Therapieeinheit 9: Depression und Denken
103 5

. Tab. 5.9 Therapieeinheit 9 (Depression und Denken)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 9.1–9.5 Sofern Sie dem Patienten in der letzten Sitzung Hausaufgaben oder (Beobachtungs-)Übungen auf-
Von Therapieeinheit 9: De- getragen haben, besprechen Sie diese nach.
pression und Denken bis Was Fragen Sie den Patienten zunächst, wie sich eine Depression äußern kann und tragen Sie zentrale
soll das Ganze? Symptome zusammen. Fragen Sie den Patienten im Anschluss nach seinem emotionalen Befinden.
Beziehen Sie ggf. auch die Ergebnisse relevanter Voruntersuchungen (z. B. Beck-Depressions-Inventar,
Rosenberg-Skala, Hamilton Depression Rating Scale, depressive Symptome gemessen mit der PANSS,
7 Anhang) mit ein. Vertiefen Sie im Rahmen der Übungen vor allem jene Problembereiche, bei denen
der Patient entweder die stärksten Einschränkungen bzw. den größten Behandlungswunsch bekun-
det oder die Ihnen als Therapeut am wesentlichsten erscheinen.

7 Therapieblatt 9.2
Wie kann sich eine Depres-
sion äußern?

Formulierungsvorschlag: »In der heutigen Einheit beschäftigen wir uns mit dem Thema Depression und Auffälligkeiten im Denken,
die emotionale Probleme hervorrufen können. Welche Symptome sind Ihrer Meinung nach typisch für eine
Depression?«

7 Therapieblatt 9.3
Wie kann sich eine Depres-
sion äußern?

Formulierungsvorschlag: »Hier sehen Sie häufige Symptome einer Depression aufgelistet. In der einen oder anderen Form kennt
jeder Mensch diese Symptome, und sie gehören zum Auf und Ab des Lebens. Wenn diese Symptome
überhandnehmen, sollte man aber unbedingt etwas unternehmen. Bestehen bei Ihnen derzeit einige
dieser Beschwerden, oder kennen Sie diese eventuell aus der Vergangenheit?«

7 Therapieblatt 9.4 Fragen Sie den Patienten nach möglichen Faktoren, die seiner Meinung nach bei der Entstehung
Entstehung von Depression: einer Depression eine Rolle spielen, bevor Sie das Therapieblatt aufdecken.
Ich bin halt so geboren…
dazu geworden?

Formulierungsvorschlag: »Bei der Entstehung einer Depression spielen verschiedene Aspekte eine Rolle. Zum einen sind das unsere
Erbanlagen, unsere Gene. Wie bei vielen anderen Erkrankungen wird das Risiko für eine Depression teil-
weise vererbt. Aber nicht jeder, der z. B. einen Elternteil mit Depression hat, wird automatisch ebenfalls
daran erkranken. Auch die Umwelt, in der wir leben bzw. aufgewachsen sind, übt einen großen Einfluss
aus. Damit sind die Erfahrungen gemeint, die man in seinem Leben, auch in der Kindheit, gemacht hat.
Bestimmte Erbfaktoren und Umwelteinflüsse erhöhen das Risiko einer Erkrankung, besiegeln aber keines-
falls das Schicksal.«

7 Therapieblatt 9.5 Auf diesem Therapieblatt sind die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung laienverständlich zusam-
Was soll das Ganze? mengefasst, mit dem Ziel, die Essenz und die Relevanz der Einheit für die Entstehung einer Depres-
sion deutlich zu machen.

7 Therapieblätter 9.6–9.8 Das Beispiel (erfolgloses Vorstellungsgespräch) vermittelt, wie ein bestimmtes Ereignis die Gefühle
Ein Ereignis – viele mögliche und Verhaltensoptionen eines Menschen nicht deterministisch beeinflusst. Vielmehr bestimmt die
Gefühle… Was führt zu subjektive Bewertung der Situation nachfolgende Gefühls- und Verhaltensreaktionen: Unterschied-
den unterschiedlichen Reak- liche Menschen reagieren auf ein Ereignis mit oft sehr unterschiedlichen Gefühlen und Verhaltens-
tionen? weisen.

Formulierungsvorschlag: »Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie waren bei einem Vorstellungsgespräch für einen attraktiven
Job, bekommen später allerdings eine Absage. Hier auf dem Therapieblatt stehen drei mögliche Reaktio-
nen auf diese Situation – jeweils ein Gefühl und eine entsprechende Verhaltensweise. Wovon hängt es Ihrer
Ansicht nach ab, ob man z. B. wütend oder traurig reagiert?«

Wenn der Patient nicht darauf kommt, dass unterschiedliche Bewertungen zu diesen unterschied-
lichen Reaktionen führen, decken Sie 7 Therapieblatt 9.7 auf und erklären Sie den Zusammenhang
zwischen Bewertung, Gefühl und Reaktion. Fragen Sie den Patienten nach möglichen Gedanken, die
zu den Reaktionen »wütend«, »gelassen« oder »traurig« führen könnten, bevor Sie 7 Therapie-
blatt 9.8 aufdecken. Obwohl es manchmal scheint, als könne man in einer Situation nur so und nicht
anders reagieren (z. B. Wut nach Misserfolg), gibt es tatsächlich viele unterschiedliche Bewertungs-
optionen – hilfreiche und weniger hilfreiche.
104 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.9 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblatt 9.9 Anhand des Schaubildes soll die Quintessenz der vorherigen Übung wiedergegeben werden. Ge-
Zusammenhang zwischen fühle, auch depressive Symptome wie Traurigkeit, sind nur bedingt das Produkt eines äußeren Ereig-
Gedanken, Gefühlen und nisses, sondern vielmehr Resultat der persönlichen Sichtweise und Bewertung eines Menschen.
Verhalten Bewertungen werden zudem durch eigene Grundüberzeugungen und Denkstile beeinflusst. Dies
stellt einen zentralen Aspekt der Einheit dar: Denkstile, die eine Depression begünstigen können (wie
übertriebene Verallgemeinerungen), werden identifiziert und alternative Bewertungen erarbeitet.
Nutzen Sie das Schaubild, um die Veränderung der depressiven Denkstile in das Modell einzubetten.
Da neben depressiven Denkstrukturen auch andere Denkverzerrungen wie voreiliges Schlussfolgern
5 oder ein veränderter Zuschreibungsstil die aktuellen Gedanken vieler Betroffener bestimmen, bietet
es sich an, dieses Schaubild auch in anderen Therapieeinheiten, beispielsweise in 7 Therapieeinheit 4
(Zuschreibungsstil), zu verwenden. Hier kann anhand des Schaubildes z. B. der Einfluss des Zuschrei-
bungsstils auf den Selbstwert (Selbstabwertung sowie Selbstwertsteigerung) verdeutlicht werden.

7 Therapieblätter 9.10–9.36 Auf den folgenden Therapieblättern werden konkrete Denkverzerrungen und dysfunktionale Bewälti-
Von Depressive Denkverzer- gungsstile thematisiert, die die Entstehung und Aufrechterhaltung einer Depression begünstigen.
rungen und dysfunktionale 7 Therapieblatt 9.10 bietet eine Übersicht über die möglichen Denkverzerrungen und dysfunktio-
Bewältigungsstrategien bis nalen Bewältigungsstile – gehen Sie mit dem Patienten die einzelnen Punkte durch und fragen Sie
Anti-Grübel-Übung 2: Kör- ihn, ob er sich vorstellen kann, was sich hinter den Begriffen verbirgt bzw. ob er konkrete Denkver-
perliche Ablenkung zerrungen/Bewältigungsversuche von sich selbst kennt.
7 Arbeitsblatt 9.1a, b Erarbeiten Sie anhand der Beispiele einen konstruktiven Umgang mit den skizzierten Situationen.
Vermeiden Sie unbedingt bloße Schönfärberei und die reflexhafte Negierung negativer Bewer-
tungen. Die Tabellen auf 7 Arbeitsblätter 9.1a und 9.1b bieten Platz, um eigene Beispiele, vor allem
zu für den Patienten relevanten Denkverzerrungen, zu bearbeiten. Achten Sie bei Patienten, die
negative Stimmen hören, auf eventuelle inhaltliche Ähnlichkeiten zwischen den Stimmen und den
Denkverzerrungen (z. B. wenn sowohl Stimmen als auch persönliche Selbsteinschätzung zu übertrie-
bener Verallgemeinerung oder zum Katastrophisieren neigen). Es kann sich anbieten an dieser Stelle
die Metapher des »inneren Kritikers« näherzubringen, der ausführlicher in 7 Therapieeinheit 10
(Selbstwert) behandelt wird. Der »innere Kritiker« ist ein innerer Anteil, der unsere Leistungen bewer-
tet und über unser Handeln moralisch urteilt. Im positiven Fall motiviert uns der innere Kritiker zu
höheren Leistungen. Im negativen Fall wird er zum inneren Feind, dem nichts genügt und der alles
schlecht macht. Seien Sie jedoch behutsam und stellen Sie den Zusammenhang zunächst nur in den
Raum (z. B. »Es scheint so, als ob Ihre Selbstsicht sehr dem Inhalt der Stimmen ähnelt.«). Kann der
Patient den Zusammenhang nachvollziehen bzw. lässt er eine Bereitschaft erkennen, darüber zu spre-
chen, erarbeiten Sie gemeinsam mögliche Gründe für diesen Zusammenhang. Die auch nur partielle
Einsicht, dass die Stimmen Ausdruck innerer Konflikte und starker Selbstkritik sind, führt bei vielen
Betroffenen zu einer Entlastung. Das Gefühl von Kontrolle und Normalität kehrt teilweise zurück. In
diesem Kontext kann es sinnvoll sein, die 7 Therapieblätter 4.30–4.32 von Therapieeinheit 4 (Zu-
schreibungsstil) heranzuziehen, bei denen gezeigt wird, dass laute und unkontrollierbar scheinende
Gedanken durchaus normal sind und nicht bedeuten müssen, dass Stimmen oder Gedanken von
außen eingegeben werden.

7 Therapieblätter 9.11–9.15 Verdeutlichen Sie dem Patienten, was übertriebene Verallgemeinerung bedeutet und, falls nicht
Von Übertriebene Verallge- bereits anhand der Übersicht auf 7 Therapieblatt 9.10 geschehen, fragen Sie ihn, ob er diese Ten-
meinerung bis Wie gelangen denz bei sich schon beobachtet hat.
Sie zu einer hilfreicheren Gehen Sie mit Ihm die Beispiele auf den Therapieblättern durch und fragen Sie ihn jeweils nach
Bewertung einer angemesseneren Bewertung. Im Anschluss können Sie mit dem Patienten eigene Beispiele auf
7 Arbeitsblatt 9.1a 7 Arbeitsblatt 9.1a erarbeiten.
Falls keine eigenen Beispiele genannt werden, bieten Sie eine Situation an, die Sie selbst in der Inter-
aktion mit dem Patienten erlebt haben. Ermutigen Sie den Patienten, eigene Begebenheiten zu notie-
ren, und fragen Sie ihn nach einer angemesseneren Bewertung. Gehen Sie bei den nachfolgenden
Denkverzerrungen analog vor.

Formulierungsvorschlag: »Hier sehen Sie eine typische selbstabwertende Aussage, die eine Depression begünstigen kann. Fallen
Ihnen eigene Beispiele ein?«
5.9 · Therapieeinheit 9: Depression und Denken
105 5

. Tab. 5.9 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 9.14–9.15
Wie gelangen Sie zu einer
hilfreicheren Bewertung?

Formulierungsvorschlag: »Überlegen Sie nun, wie man das Ereignis auch anders bewerten kann. Wechseln Sie dafür vielleicht den
Blickwinkel. Was würden Sie einem Freund, dem das passiert ist, sagen? Wie kann man das Ganze ausge-
wogener betrachten und Trost spenden?«

7 Therapieblatt 9.16–9.18 Die Vorschläge zu den 7 Therapieblättern 9.11–9.15 zu übertriebener Verallgemeinerung können
Eingeengte Wahrnehmung hier ebenfalls Anwendung finden.
– »Haar in der Suppe suchen«
7 Arbeitsblatt 9.1a

7 Therapieblatt 9.19
Stattdessen: Schließen Sie
nicht von einem Makel auf
alles!

Formulierungsvorschlag: »Die meisten Merkmale sind komplex – wie ein Mosaik, das aus vielen Einzelteilen zusammengesetzt ist. Es
gibt z. B. ganz unterschiedliche Ansichten darüber, was unter Intelligenz zu verstehen ist. Gute Schulnoten,
beruflicher Erfolg oder die Höhe des Gehalts sind hier nur schwache Maßstäbe. Auch soziale Intelligenz
kann hierunter gefasst werden.« [Weiteres paraphrasieren.]

7 Therapieblätter 9.20–9.23 Die Vorschläge zu den 7 Therapieblättern 9.11–9.15 zu übertriebener Verallgemeinerung können
Von Sollte-Aussagen bis hier ebenfalls Anwendung finden.
Weitere Beispiele für Sollte-
Aussagen
7 Arbeitsblatt 9.1a

Formulierungsvorschlag: »Die genannten Forderungen oder Sollte-Aussagen sind praktisch nicht erfüllbar und führen zwangsläufig
zu Enttäuschungen und dem Gefühl, versagt zu haben. Was wäre vielleicht ein nachsichtigerer Umgang
mit den genannten Situationen?«

7 Therapieblätter 9.24–9.25 Die Vorschläge zu den 7 Therapieblättern 9.11–9.15 zu übertriebener Verallgemeinerung können
Katastrophendenken hier ebenfalls Anwendung finden.

Formulierungsvorschlag: »Rechts sehen Sie wiederum eine typische depressive Bewertung. Aus einem geringfügigen negativen
Ereignis wird gleich eine Katastrophe gemacht. Fällt Ihnen eine konstruktivere Bewertung der Situation
ein? Neigen Sie auch manchmal dazu, alles schwarz zu sehen? Fällt Ihnen dazu ein Beispiel ein?«

Ermutigen Sie den Patienten, eigene Begebenheiten auf 7 Arbeitsblatt 9.1b zu notieren, und in
einem neuen Licht zu betrachten.

7 Therapieblätter 9.26–9.29 Depressive Stimmung entsteht nicht nur durch einen Fokus auf negative Ereignisse, sondern ent-
Von Zurückweisung positiver springt teilweise auch der mangelnden Fähigkeit, Lob anzunehmen bzw. positive Ereignisse als sol-
und Annahme negativer che zu erkennen. Auch gelingt es oft nicht, aus Rückschlägen zu lernen oder diesen etwas Konstruk-
Rückmeldung! bis Wie kann tives abzugewinnen.
ich Lob besser annehmen?
7 Arbeitsblatt 9.1b

Formulierungsvorschlag: »Rechts sehen Sie wiederum eine typisch depressive Bewertung. Hätten Sie diese Situation ebenso bewer-
tet? Kann man mit Lob und Kritik in den geschilderten Situationen auch anders umgehen?«

Ermutigen Sie den Patienten, eigene Beispiele auf 7 Arbeitsblatt 9.1b zu notieren, und in einem
neuen Licht zu betrachten.

7 Therapieblätter 9.30–9.31 Viele Patienten grübeln in der Annahme, dass sie das Brüten über bestimmte Themen zu neuen
Von Grübeln – Im Kreis dre- Erkenntnissen führt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, und vorhandene Probleme erscheinen oft
hen, statt vorwärtszukom- überdimensioniert. Grübeln gilt als möglicher Risikofaktor für Wahn, aber auch viele andere psy-
men bis Folgen des Grübelns chische Probleme. Anhand dieser Therapieblätter soll dem Patienten zunächst verdeutlicht werden,
was Grübeln von konstruktivem Nachdenken unterscheidet.
106 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.9 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 9.32–9.36 Neben den eben dargestellten Denkverzerrungen thematisiert die Therapieeinheit auch dysfunktio-
Von Grübeln und Selbstvor- nale Copingstrategien, die häufig von Menschen mit psychischen Erkrankungen angewendet wer-
würfe – Was tun? Experiment den. Beispielsweise haben Menschen mit Schizophrenie eine Neigung, negative Intrusionen (z. B.
bis Anti-Grübel-Übung 2: intensive negative Gedanken und Bilder), wie sie bei allen Menschen gelegentlich vorkommen, mit
Körperliche Ablenkung sehr viel Angst zu erleben. Die erhöhte Aufmerksamkeitszuwendung und Versuche, entsprechende
7 Arbeitsblatt 9.1b Gedanken zu unterdrücken, führen jedoch häufig zu deren paradoxer Verstärkung. Ein Gefühl der
Entfremdung von den eigenen Denkvorgängen kann eintreten, welches Ich-Störungen (z. B. Gefühl
der Gedankeneingebung oder Fremdsteuerung) und Halluzinationen hervorrufen kann. Die Pa-
5 tienten sollen lernen, dass negative Gedanken zwar lästig, aber alltäglich sind und Gedankenunter-
drückung oft zu einer paradoxen Verstärkung der Symptome führt.

Formulierungsvorschlag: [Verdeutlichen Sie diese Tatsache mit der Übung:] »Es gelingt uns nicht, bestimmte Gedanken bewusst
nicht zu denken. Versuchen Sie beispielsweise einmal, eine Minute nicht an die Zahl 8 zu denken. […]«

7 Arbeitsblatt 9.1b Sammeln Sie eigene Beispiele des Patienten für die Unterdrückung negativer Gedanken auf
7 Arbeitsblatt 9.1b. Leiten Sie den Patienten an, seine negativen Gedanken wie vorbeiziehende
Wolken zu betrachten, ohne einzugreifen (7 Anti-Grübel-Übung 1). Dieses Vorgehen bietet sich auch
bei Stimmenhören an. Ein Disput mit den Stimmen verstärkt diese dagegen häufig nur. Für manche
Patienten ist diese wirksame Strategie möglicherweise zu abstrakt. Bieten Sie in diesem Fall andere
Strategien an. So könnte sich der Patient, wenn er von negativen Gedanken heimgesucht wird, mit
positiven oder komplexen motorischen Aktivitäten ablenken (7 Anti-Grübel-Übung 2).

7 Therapieblatt 9.37 Der Austausch mit anderen Menschen ist ein wichtiges soziales Korrektiv und kann helfen, wahnhafte
Sozialer Rückzug – Wie Überzeugungen im Keim zu ersticken. Die Wiederannäherung an das alte soziale Umfeld oder dem
kommt es dazu? Knüpfen neuer Kontakte kommt daher eine besondere Bedeutung auch für die (Rückfall-)Prophylaxe
zu. Daher wird dieser Aspekt, der auch in 7 Therapieeinheit 6 (Korrigierbarkeit, 7 Therapie-
blätter 6.35–6.37) enthalten ist, hier ebenfalls aufgegriffen.

7 Therapieblatt 9.38
Teufelskreis von Antrieb und
Stimmung

Formulierungsvorschlag: »Eine depressive Verstimmung geht häufig mit Antriebslosigkeit einher, d. h., man kann sich zu nichts
mehr aufraffen bzw. muss sich zu Aktivitäten zwingen. Geht man dagegen nicht an, leidet das Sozialleben
unweigerlich. Durch den bröckelnden Kontakt zu anderen Menschen werden Einsamkeitsgefühle und
soziale Ängste verstärkt. Die depressive Stimmung nimmt zu. Die soziale Isolation kann darüber hinaus
psychotische Symptome wie Stimmenhören und ungewöhnliche Ideen verstärken, da die Aufmerksamkeit
zunehmend auf das innere Erleben gerichtet wird. Diese Entwicklung – Antriebslosigkeit führt zu weniger
Aktivität, diese wiederum zu schlechter Stimmung usw. – mündet in einen Teufelskreis. Depressive Gedan-
ken und Rückzug bis hin zu sozialen Isolation verstärken sich gegenseitig. Diese Abwärtsspirale kann
überwunden werden, indem an den besprochenen Denkmustern oder an den eigenen Aktivitäten ange-
setzt wird – möglichst bei beiden gleichzeitig.«

7 Therapieblatt 9.39
Teufelskreis von Antrieb und
Stimmung
7 Arbeitsblätter 9.2, 9.3

Formulierungsvorschlag: »Versuchen Sie diesen Teufelskreis zu durchbrechen! Auch wenn es Ihnen vielleicht schwerfällt, nehmen Sie
sich jeden Tag eine kleine Sache vor und setzen Sie diese in die Tat um, z. B. Spazierengehen oder einen
Freund anrufen. Zu Beginn kostet dies eventuell sehr viel Kraft, aber Sie werden sehen, dass sich bei konse-
quenter Anwendung Ihr Antriebsniveau steigern wird und daraufhin auch Ihre Stimmung und Ihr Selbst-
wertgefühl. Wichtig ist, dass Sie sich nicht zu viel vornehmen, um Frustration zu vermeiden! Versuchen Sie
zudem, den Kontakt zu jenen Menschen zu halten oder wieder aufzubauen, die Sie mögen, denen Sie
vertrauen und deren Rat Sie schätzen. Zunehmend sollten Sie auch Ihren Alltagspflichten wieder nach-
kommen, aber vor allem auch Dinge unternehmen, die Ihnen Freude bereiten. Sie werden sehen, dass sich
Ihre Stimmung dadurch verbessern wird! Auch die psychotischen Symptome bessern sich häufig durch die
Gesellschaft anderer. Ohne soziale Rückmeldung können sich merkwürdige Ideen verstärken.«
5.9 · Therapieeinheit 9: Depression und Denken
107 5

. Tab. 5.9 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Arbeitsblatt 9.2 Planen Sie konkrete Freizeitaktivitäten mit dem Patienten. Nutzen Sie an dieser Stelle 7 Arbeits-
blatt 9.2.

Formulierungsvorschlag: »Ich habe hier eine Liste mit vielen Aktivitäten, die man unternehmen kann. Bitte kreuzen Sie an, welche
Dinge Sie gerne oder regelmäßig machen (möchten).«

Fragen Sie den Patienten im Zusammenhang mit der Aktivitätenliste auch, ob und warum er be-
stimmte Aktivitäten nicht mehr durchführt. Es ist wichtig, zwischen aktivem Vermeidungsverhalten
aus Angst, z. B. vor Verfolgung, und der Abnahme von Aktivitäten aufgrund von mangelndem Antrieb
und Depression zu unterscheiden. Situationen, die aus Angst vermieden werden, werden in 7 Thera-
pieeinheit 5 (Schlussfolgern) im Zusammenhang mit Sicherheits- und Vermeidungsverhalten thema-
tisiert. Auch Stimmenhören kann durch bestimmte Aktivitäten reduziert werden, während z. B. sozia-
ler Rückzug oft Halluzinationen verstärkt. Erarbeiten Sie gemeinsam, welche Aktivitäten beim Pa-
tienten in der Vergangenheit zu einer Minderung der Halluzinationen geführt haben. Diese sollten
besonders gefördert werden. Versuchen Sie außerdem Aktivitäten und Situationen zu identifizieren,
die sich verstärkend auf das Stimmenhören auswirken. Diese sollte der Patient in Zukunft reduzieren
(z. B. reizüberflutende Situationen wie das Benutzen des öffentlichen Nahverkehrs zur Hauptver-
kehrszeit).

7 Arbeitsblatt 9.3 Wählen Sie zunächst möglichst einfache Aktivitäten, die leicht realisierbar sind. In der Tabelle auf
7 Arbeitsblatt 9.3 können Sie im Anschluss an die Aktivitätenliste einige Unternehmungen konkret
planen. Animieren Sie den Patienten, sich zu überlegen, wie diese Ziele realisierbar sind. Sofern der
Patient einzelne Aktivitäten umsetzt, soll er in der Tabelle notieren, welche Auswirkungen das auf
seine Stimmung hatte. Bedenken Sie bei der Auswahl, dass viele Patienten wenig Geld haben, und
gehen Sie kleinschrittig vor, da zu viele gut gemeinte Ratschläge den Patienten möglicherweise
überfordern. Fragen Sie in der nächsten Sitzung unbedingt nach, ob der Patient die Pläne auch um-
gesetzt hat!

7 Therapieblatt 9.40
Tipps, um Stimmung und
Selbstwertgefühl zu steigern

Formulierungsvorschlag: »Fallen Ihnen Strategien ein, um Ihre Stimmung zu verbessern bzw. Ihr Selbstwertgefühl zu steigern? Was
machen Sie vielleicht bereits jetzt schon?«

Decken Sie dann das Therapieblatt mit den Tipps auf.

Formulierungsvorschlag: »Die folgenden Tipps können Sie ausprobieren und zumindest versuchen, einige davon umzusetzen. Bei
regelmäßiger Anwendung üben sie einen günstigen Einfluss auf die seelische Verfassung aus. Dies kann
Ihnen helfen, sich selbst wieder mehr wie einen guten Freund zu behandeln.«

Vorsicht: Die Tipps sollten zwar jedem Patienten mitgegeben, aber nur bei jenen vertieft werden, die
deutliche Selbstwertprobleme haben. Fördern Sie keine Größenideen. Es geht darum, ein gesundes
Selbstwertgefühl aufzubauen. In Bezug auf den Tipp, sich an Situationen zu erinnern, in denen es
einem selbst richtig gut ging, sollte Folgendes berücksichtigt werden: Es gibt Situationen im Leben
eines Menschen, die zum damaligen Zeitpunkt als schön empfunden wurden, deren Erinnerungen
aber überaus schmerzlich sind und dadurch negative Gefühle verstärken (z. B. Hoffnungslosigkeit
aufgrund der Erinnerung an schöne Zeiten mit einem Partner, der einen jedoch später verlassen hat).
Sie sollten den Patienten dazu ermuntern, sich möglichst an schöne Situationen zu erinnern, die er
selbst potenziell wieder herbeiführen kann (z. B. ein geselliger Abend mit Freunden) bzw. die seine
aktuelle Stimmung heben.

7 Therapieblatt 9.41 Die formulierten Lernziele bahnen die Übertragung auf den Alltag. Patienten mit Psychose haben
Übertragung auf den Alltag häufig kognitive Probleme. Versuchen Sie daher die »Take-home-Botschaften«/Lernziele möglichst
einfach und griffig darzustellen, damit diese leicht zu verstehen und zu merken sind. Sie sollten dem
Patienten mit auf den Weg geben, dass man Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit durch
konsequentes Training (vor allem durch Veränderung depressiver Denkmuster, Abbau dysfunktio-
naler Copingstrategien, Aufbau sozialer Aktivitäten) lindern bzw. vorbeugen kann. Dies sollte in der
Therapie und zu Hause anhand von Aufgaben geübt werden.
108 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.9 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblatt 9.42 Dieses Therapieblatt soll noch einmal die Verbindung zwischen Wahnideen und depressiven Symp-
Was hat das mit Psychose zu tomen verdeutlichen. Daher nimmt in der Psychosetherapie der Aufbau eines gesunden Selbstwert-
tun? gefühls durch die gerade vermittelten Strategien einen wichtigen Platz ein. Erarbeiten Sie mit dem
7 Arbeitsblatt 9.4 Patienten, welche Inhalte der Therapieeinheit 9 für ihn persönlich besonders nützlich oder hilfreich
waren. Händigen Sie dem Patienten an dieser Stelle 7 Arbeitsblatt 9.4 aus. Die wichtigsten Inhalte
der Therapieeinheit sind darauf zusammengefasst. Außerdem kann der Patient hier notieren, was für
ihn aus dieser Einheit besonders hilfreich oder relevant war. Geben Sie dem Patienten Übungen auf
(z. B. aus den Arbeitsblättern dieser Therapieeinheit). Der Patient sollte, wie beschrieben, angeleitet
5 werden, einige (soziale) Aktivitäten umzusetzen und diese sowie deren Einfluss auf die Stimmung etc.
mithilfe des 7 Arbeitsblattes 9.3 zu protokollieren. Darüber hinaus könnte der Patient gebeten
werden, innere negative Überzeugungen zu identifizieren und auf eigene Reaktionen im Fall von
Misserfolg zu achten. Außerdem sollten unbedingt einige der Tipps zur Hebung der Stimmung um-
gesetzt werden. Überfordern Sie den Patienten aber nicht. Nur wenn es dem Patienten gelingt, sich
das Gelernte im Alltag zu vergegenwärtigen und entsprechend in diesen zu übertragen, ist eine
dauerhafte Änderung zu erwarten. Die Sitzungen dieser Therapieeinheit sollen einen Anstoß liefern.

7 Therapieblatt 9.43 Sollten die Inhalte und die Relevanz der Therapieeinheit dem Patienten noch nicht deutlich gewor-
Was hat das mit Psychose zu den sein, können Sie optional das Fallbeispiel besprechen.
tun?

5.10 Therapieeinheit 10: Selbstwert Patient lernen, eigene (verborgene) Stärken zu entdecken,
zu würdigen und zu fördern.
jZiel der Einheit Therapieeinheit 10 zum Selbstwert wurde dem MKT+
Mit dem Patienten wird besprochen, dass Selbstwert eine in dieser Auflage neu hinzugefügt. Aktuelle Studien bele-
subjektive Größe ist, die wir uns selbst beimessen. Weiter- gen, dass für viele Patienten der Stärkung des Selbstwerts
hin werden Strategien vermittelt, wie niedriges Selbstver- eine Schlüsselrolle in der Therapie zukommt, ohne dass
trauen gesteigert werden kann. Die Therapieeinheit the- dies jedoch bisher intensiv in Therapieplänen berücksich-
matisiert außerdem behutsam die divergierenden Einflüs- tigt wird.
se, die Wahnideen und Halluzinationen auf den Selbstwert Die Therapieeinheit verfolgt eine ähnliche Zielrich-
ausüben können (Spannung und Gefühl von Bestimmung tung wie 7 Therapieeinheit 9. Daher bietet es sich an, beide
vs. Angst und Schuldgefühle), welche teilweise auch soziale Einheiten durchzuführen, wenn bei Patienten Selbstwert-
Ersatzfunktionen erfüllen. Mithilfe der Metapher des inne- probleme sowie affektive Störungen bis hin zur Depression
ren Kritikers und des wohlwollenden Begleiters sollte vor- im Vordergrund stehen.
sichtig erarbeitet werden, dass die Inhalte von Stimmen
teilweise innere Konflikte widerspiegeln. Auch bei Patien- jSpezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge
ten ohne Stimmenhören ist dieses Vorgehen sinnvoll, um zu den Therapieblättern der Therapieeinheit 10
dysfunktionale Leitgedanken und Denkmuster aufzuspü- (Selbstwert)
ren, die den Selbstwert mindern. Darüber hinaus soll der . Tab. 5.10
5.10 · Therapieeinheit 10: Selbstwert
109 5

. Tab. 5.10 Therapieeinheit 10 (Selbstwert)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 10.1–10.7 Sofern Sie dem Patienten in der letzten Sitzung Hausaufgaben oder (Beobachtungs-)Übungen auf-
Von Therapieeinheit 10: getragen haben, besprechen Sie diese zunächst nach.
Selbstwert bis Innere (nicht Fragen Sie den Patienten, wie er Selbstwert definiert. Im Weiteren werden Fragen gestellt, wie sich
sichtbare) Merkmale von ein gesunder Selbstwert äußerlich, aber auch innerlich manifestiert. Beziehen Sie – wie bei 7 Thera-
gesundem Selbstwert pieeinheit 9 – ggf. Ergebnisse relevanter Voruntersuchungen (vor allem Selbstwertinventare wie die
Rosenberg-Skala, aber auch die affektiven Items der PANSS können an dieser Stelle relevant sein,
7 Anhang) mit ein.

7 Therapieblatt 10.2
Selbstwert: Was ist das?

Formulierungsvorschlag: »In der heutigen Einheit beschäftigen wir uns mit dem Thema Selbstwert. Was verstehen Sie unter Selbst-
wert?«

7 Therapieblatt 10.3
Selbstwert: Was ist das?

Formulierungsvorschlag: »Selbstwert ist eine subjektive Größe, die unabhängig von der Einschätzung anderer Personen ist. Wenn
Sie sich z. B. für klein und unbedeutend halten, heißt das noch lange nicht, dass auch andere Sie so sehen,
oder dass dies wahr ist. […] Wie würden Sie Ihren eigenen Selbstwert einschätzen? Denken Sie, dass Sie
ein gesundes Selbstwertgefühl haben, d. h., sich selbst ein guter Freund sind, der aber auch mal an sich
selbst Kritik übt? Oder gehen Sie oft zu hart mit sich ins Gericht?«

7 Therapieblätter 10.4–10.5 Fragen Sie den Patienten, an welchen äußeren Merkmalen sich ein gesunder Selbstwert bei ihm
Von Was zeichnet Menschen selbst und anderen zeigen kann. Die Antworten auf 7 Therapieblatt 10.5 verstehen sich als Bei-
mit gesundem Selbstwertge- spiele. Die Ansicht des Patienten kann hiervon durchaus abweichen. Selten zeigt eine Person alle der
fühl aus? bis Sichtbare Merk- genannten Merkmale parallel.
male von gesundem Selbst-
wert

7 Therapieblätter 10.6–10.7 Selbstwert ist, wie auf den vorherigen Therapieblättern schon dargestellt, eine subjektive Größe und
Innere (nicht sichtbare) Merk- impliziert eine Reihe von Haltungen und Persönlichkeitsmerkmalen. Fragen Sie den Patienten zuerst
male von gesundem Selbst- nach seiner eigenen Einschätzung. Bedenken Sie, dass das Thema Selbstwert recht komplex ist.
wert Versuchen Sie dementsprechend Ihre Sprache dem kognitiven Leistungsniveau des Patienten anzu-
passen, sodass er die Inhalte gut verstehen kann.

Formulierungsvorschlag: »Nachdem wir jetzt zusammengetragen haben, wie sich ein gesunder Selbstwert im Verhalten oder auch
im Auftreten eines Menschen zeigt, wechseln wir jetzt einmal von außen nach innen. Wenn man Selbst-
vertrauen hat, führt das auch oft zu einer besonderen Art und Weise, wie man mit sich selbst umgeht oder
auch auf Krisen reagiert. Haben Sie Ideen, wie sich Selbstwert über das Körperliche hinaus noch zeigen
kann?«

7 Therapieblatt 10.8 Auf diesem Therapieblatt sind die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung laienverständlich zu-
Was soll das Ganze? sammengefasst, mit dem Ziel, die Essenz und die Relevanz der Einheit für die Behandlung von
Selbstwertproblemen bei Psychose deutlich zu machen.

7 Therapieblätter 10.9–10.10 Sollte der Patient während der Psychose die Erfahrung gemacht haben, dass Selbstwert und Stim-
Psychose und Selbstwert- mung zeitweilig erhöht waren (z. B. durch das Gefühl, für eine besondere Mission bestimmt zu sein,
gefühl eine bedeutsame Person der Zeitgeschichte zu sein etc.), sollte betont werden, dass dieses Hochge-
7 Arbeitsblatt 10.1 fühl zumeist vorübergehend ist und positive Aspekte der Psychose durch negative Konsequenzen
langfristig aufgezehrt werden. Nutzen Sie an dieser Stelle 7 Arbeitsblatt 10.1 und ermutigen Sie
den Patienten, negative und ggf. auch positive Auswirkungen der Psychose auf seinen Selbstwert
und die emotionale Verfassung aufzuschreiben. Wenn dem Patienten selbst nichts einfällt, nehmen
Sie 7 Therapieblatt 10.9 zur Hilfe. Thematisieren Sie behutsam auch einen möglichen Krankheitsge-
winn, wenn der Patient positive Gefühle zwar bestreitet, aber Selbsterhöhung offenkundig oder zu
vermuten ist. Arbeiten Sie auch mögliche Ambivalenzen heraus (z. B. Hören positiver Stimmen, die
eine soziale Ersatzfunktion erfüllen, gleichzeitig Hören angsteinflößender, bedrohlicher Stimmen).
Einige Patienten geben an, dass sie die Medikamente abgesetzt haben, da sie die Stimmen oder den
besonderen »Kick« vermissen, den die Psychose ihnen manchmal verleiht. Heben Sie in diesem Fall
die langfristigen negativen Konsequenzen hervor. Seien Sie dabei nicht belehrend und bedanken
Sie sich auch für Ihnen entgegengebrachte Offenheit, da es Patienten – gerade in Remission – oft
schwerfällt über diese Erlebnisse zu sprechen oder Nonadhärenz zuzugeben.
110 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.10 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 10.11–10.15 Mithilfe dieser Therapieblätter soll der Patient dazu angeregt werden, seine vorhandenen Ressour-
Von Selbstwertquellen bis cen und Stärken zu aktivieren und zu würdigen. Viele Patienten sind sich ihrer Talente nicht bewusst
Vergegenwärtigen von Stärken oder werten diese als irrelevant oder durchschnittlich ausgeprägt ab. Die Regalmetapher auf 7 The-
rapieblätter 10.11–10.13 kann helfen, verborgene Talente aufzuspüren und stärker zu gewichten.

Formulierungsvorschlag: »Selbstwert ist keine feste Größe. Jeder Mensch kennt Hoch- und Tiefphasen. Bei Menschen mit psychi-
schen Störungen sind diese Schwankungen oft größer. Mal fühlen Sie sich vielleicht, als könnten Sie
Bäume ausreißen, Sie strotzen förmlich vor Selbstvertrauen, sodass Sie vielleicht sogar gebremst werden
5 müssen. Mal fühlen Sie sich wiederum ›ganz klein mit Hut‹. Das Selbstwertgefühl schwankt häufig auch
in Abhängigkeit vom Lebensbereich. Das soll die folgende Regalübung verdeutlichen. Die verschiedenen
Regalfächer stehen für eine Reihe von unterschiedlichen Lebensbereichen wie Hobbys, Beziehungen,
Beruf usw. Was denken Sie? Wie ist das Regal von Menschen mit niedrigem Selbstwert gefüllt, und in
welche Fächer schauen diese vorzugsweise?« [Sollte der Patient jetzt sagen, dass Menschen mit nied-
rigem Selbstwert mehr leere Regalfächer haben als andere Menschen, so korrigieren Sie diese Ein-
schätzung auf 7 Therapieblatt 10.12:] »Das mag im Einzelfall so sein, aber entscheidend ist, dass
Selbstwert eine subjektive Größe ist. Viele Menschen mit niedrigem Selbstwert haben sogar prall gefüllte
Regale, aber sie schauen nur in die leeren Fächer oder denken, dass noch mehr hineinpassen müsste.«

7 Therapieblatt 10.13 Mithilfe des 7 Therapieblattes 10.13 wird zunächst ein Beispiel durchgespielt, welches den Pa-
Nichts vergessen tienten anleiten soll, 7 Arbeitsblatt 10.2 auszufüllen, in dem er – als Hausaufgabe oder gemeinsam
7 Arbeitsblatt 10.2 mit dem Therapeuten – zunächst einzelne Lebensbereiche einträgt und dann einschätzt, wie gut die
Regalfächer jeweils gefüllt sind. Der Patient sollte auch darüber nachdenken, ob er alles fair im Blick
hat oder in bestimmte Regalfächer öfter schaut als in andere. Wiederum soll verdeutlicht werden,
dass die Betrachtungsweise relativ ist. Was dem einen wichtig ist (z. B. Fortkommen im Beruf ), mag
für jemand anderen unwichtig sein. Es existiert keine objektive Hierarchie. Es kann auch hilfreich
sein, zu fragen, was ein guter Freund über den Patienten sagen würde. Durch den Perspektivwechsel
gelingt oft ein objektiverer (360°-)Blick auf sich selbst.

7 Therapieblätter 10.14–10.15 Die Regalübung sollte möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden, da damit zu
Vergegenwärtigen von Stärken rechnen ist, dass der Patient auf viele Stärken und Talente nicht spontan kommt oder ihn hinderliche
7 Arbeitsblatt 10.3 Annahmen (»Eigenlob stinkt«) davon abhalten, diese vor dem Therapeuten zu äußern. Die Übung
von 7 Arbeitsblatt 10.3 soll den Patienten ermuntern, eigene Stärken aufzuspüren. Hierfür sollte er
sich vergangene Ereignisse in Erinnerung rufen (z. B. wofür er bereits Komplimente bekommen hat;
was ihm gut gelungen ist) oder auch gute Freunde und Verwandte hierzu befragen. Der Patient
sollte darüber hinaus angeleitet werden, ein Freude-Tagebuch zu führen (z. B. in einem Notizheft), in
das positive Begebenheiten (z. B. ein nettes Gespräch mit dem Nachbarn), aber auch Gelegenheiten
eingetragen werden sollen, die von eigenen Stärken und Talenten zeugen (z. B. jemandem Trost
gespendet oder geholfen).

Formulierungsvorschlag: »In Zeiten von niedrigem Selbstwert, insbesondere depressiven Phasen, fällt es Menschen häufig schwer,
die eigenen positiven Seiten wahrzunehmen. Deshalb wollen wir uns heute Ihren Stärken zuwenden. Was
fällt Ihnen spontan ein? Nennen Sie bitte ein Stichwort. Fällt Ihnen noch etwas ein, das Sie gut können?«
[Wenn dem Patienten nichts einfällt: den Patient nach Arbeit, Bildung/Wissen, handwerklichem
Geschick, z. B. Werken, Basteln, Dekorieren oder Kunst/Malen, Geschmack, Fähigkeiten etc. fragen.
Wenn dem Patienten auch dann nichts einfällt:] »Welche Komplimente haben Sie mal von anderen
Menschen bekommen (z. B. hilfsbereit/verlässlich sein, gut zuhören können)?« [Sollte der Patient
Schwierigkeiten damit haben, eigene Stärken zu benennen, kann der Blick auf positive Alltags-
situationen gelenkt werden. Das können auch eher geringfügige Begebenheiten sein.]
5.10 · Therapieeinheit 10: Selbstwert
111 5

. Tab. 5.10 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 10.16–10.19 Die meisten Menschen kennen negative, selbstabwertende Gedanken, die selbstkritisch und häufig
Von Innerer Kritiker bis Den unfair sind. Diese innere Instanz wird auch »innerer Kritiker« genannt. Dieser meldet sich dann »zu
wohlwollenden Begleiter Wort«, wenn z. B. etwas nicht so gelingt wie geplant. Häufig sind diese Gedanken geprägt durch
stärken Überbleibsel früherer negativer Erfahrungen (z. B. Erziehungsleitsätze, Hänseleien durch Mitschüler
etc.) und wurden über viele Jahre verinnerlicht und automatisiert. Dieser »innere Kritiker«, den fast
alle Menschen mehr oder weniger ausgeprägt kennen, ist wie eine innere »Stimme« bzw. ein innerer
Anteil, der negative und selbstabwertende Gedanken äußert. Obwohl der »innere Kritiker« auch bei
nicht psychotischen Menschen durchaus als Stimme wahrgenommen werden kann, sollte betont
werden, dass es sich in der Regel nicht um Stimmen (im Sinne von Halluzinationen) handelt, die der
Patient vielleicht hört. Es geht vielmehr um negative, selbstabwertende Gedanken, die jeder Mensch
kennt. Im Laufe der Therapie kann es zu einem Bewusstseinswandel bei Patienten mit Halluzina-
tionen kommen, indem die initial als von außen kommenden Stimmen als selbst generiert erlebt
werden. Dieser Prozess sollte äußerst behutsam begleitet werden. Es ist nicht ratsam, den Patienten
gleich mit der These zu konfrontieren, dass die äußeren Stimmen eigentlich eigene Selbstzweifel
bzw. – im analytischen Sprachgebrauch – Introjekte zum Ausdruck bringen. Ziel der Übung ist es
nicht, den inneren Kritiker gänzlich zu widerlegen, sondern zu verstehen, was ihn hervorgerufen hat
und welche Funktion er erfüllte oder noch erfüllt (z. B. kann er auch, in angemessener Form, einen
Motivator darstellen). Es sollte deutlich werden, dass die innere Stimme keine Wahrheit ausspricht,
sondern vielmehr subjektive Selbstzweifel ausdrückt. So wie es den inneren Kritiker gibt, existiert
(oft) auch ein innerer »wohlwollender Begleiter«, der häufig »leiser« ist bzw. seltener zu Wort kommt.
Dieser ist uns gegenüber fair und unterstützend. Es kann helfen, diesem in einer Imaginationsübung
eine Gestalt zu geben, um ihn zu stärken. Als Gestalt bieten sich z. B. Sinnbilder, Avatare oder auch
Comic-Figuren an, die für den Patienten ausschließlich positiv besetzt sind (z. B. gute Fee, alte/r
weise/r Frau/Mann, Schutzengel, geliebtes Stofftier, Filmheld). Statt den inneren Kritiker zu unterdrü-
cken (d. h., Gedankenunterdrückung zu betreiben), was die Probleme meist paradox verstärkt (vgl.
7 Therapieeinheit 9), soll der innere wohlwollende Begleiter als Gegenpol bei den Betroffenen
gestärkt werden.
Achten Sie bei der Durchführung der Übung und bei Folgesitzungen darauf, ob die Übung dem
Patienten guttut. Sollte die Übung dazu führen, dass der Patient zunehmend zu Selbstgesprächen
neigt oder der innere Kritiker zu einer neuen (pathologischen) Stimme wird, sollte von der Übung
Abstand genommen werden.

7 Therapieblätter 10.20–10.22 Weil es vielen Patienten schwerfällt, wohlwollende Sätze für sich selbst zu formulieren, wird dies
Den wohlwollenden Begleiter zunächst für einen fiktiven Fall geübt. Erst dann wird der Patient dazu aufgefordert, dies auch für
stärken sich selbst zu tun (7 Arbeitsblatt 10.4).
7 Arbeitsblatt 10.4

7 Therapieblätter 10.23–10.26 Nachdem der Schwerpunkt der vorherigen Übungen darauf lag, die negative Selbstsicht zu hinter-
Von Von sich selbst auf andere fragen und nicht für »bare Münze« zu nehmen sowie eigene Talente und Stärken zu identifizieren
schließen bis Vergleiche mit und zu würdigen, geht es in der folgenden Übung um eine häufige soziale Ursache von mangeln-
anderen dem Selbstwert: der Vergleich mit anderen Personen. Vergleiche mit anderen sind per se nicht ver-
kehrt und zudem unausweichlich. Dem Patienten soll aber verdeutlicht werden, dass diese Verglei-
che oft unfair sind. Häufig wählt der Patient unerreichbare Vorbilder, die auch nur in Teilaspekten als
Vergleich herangezogen werden. Depressive Menschen konkurrieren häufig mit einer Art »Fabelwe-
sen«, welches z. B. das Aussehen von Mister Germany, die Intelligenz von Einstein und die Eloquenz
von Helmut Schmidt hat. Oft würden Menschen mit Depression mit einer dieser Personen als Ganzes
betrachtet nicht tauschen wollen.

Formulierungsvorschlag: »Wir haben jetzt schon ein paar Möglichkeiten besprochen, wie das Selbstwertgefühl gesteigert werden
kann. Einerseits geht es darum, unsere Schwächen nicht überzubewerten und uns ständig fertigzuma-
chen. Andererseits sollten wir eigene Talente entdecken und stärken. Zudem kann ein niedriger Selbstwert
dazu beitragen, dass wir uns als soziales Wesen oft mit anderen vergleichen und messen. Das ist einerseits
sinnvoll, denn Vorbilder können uns beflügeln. Menschen mit niedrigem Selbstwertgefühl suchen sich
aber häufig übermächtige Vergleichspartner und messen sich nur in der »Paradedisziplin« des anderen.«

7 Therapieblatt 10.27 Zeigen Sie dem Patienten die Bilder der »Stars« und fragen Sie ihn, ob er diese kennt. Selbst wenn er
Perfektes Leben…? nicht alle benennen kann, soll gesammelt werden, was diese Personen gemeinsam haben könnten.
In vielen Fällen werden die Patienten Ruhm oder Attraktivität als Gemeinsamkeit vermuten, aber
selten psychische Probleme.
112 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.10 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 10.27–10.29 Wichtig ist es, dem Patienten zu vermitteln, dass er sich nicht übermäßig mit anderen Personen bzw.
Perfektes Leben…? einzig deren besonders positiven Eigenschaften (z. B. Schönheit, Klugheit etc.) und einzelnen Ta-
lenten vergleichen sollte. Der äußere Anschein kann häufig trügen! Aus den Beispielen wird deutlich,
dass auch Berühmtheiten, die oft beneidet werden und der Inbegriff von Erfolg und Glück sind,
psychische Probleme haben können. Nennen Sie an dieser Stelle ruhig auch Personen mit Symp-
tomen einer Psychose, die es zu Ruhm gebracht haben (z. B. der Dichter Friedrich Hölderlin, der
Maler Edvard Munch oder der Mathematiker und Nobelpreisträger John Forbes Nash).

5 7 Therapieblätter 10.30– Die formulierten Lernziele bahnen die Übertragung auf den Alltag. Patienten mit Psychose haben
10.31 häufig kognitive Probleme. Versuchen Sie daher, die »Take-home-Botschaften«/Lernziele möglichst
Übertragung auf den Alltag einfach und griffig darzustellen, damit diese leicht zu verstehen und zu merken sind. Sie sollten dem
Patienten mit auf den Weg geben, dass Selbstwert eine subjektive Größe ist. Niemand ist an sich
wertlos. Ein Auseinanderklaffen von Selbst- und Fremdsicht beruht häufig auf kognitiven Verzer-
rungen, indem bei Menschen mit geringem Selbstwert eigene Stärken unentdeckt bleiben oder
abgewertet werden. Die Überbeschäftigung mit echten oder vermeintlichen Schwächen, gepaart
mit Perfektionismus bzw. unrealistisch hohen Ansprüchen an sich selbst, kann diesen Prozess ver-
stärken. Eine Stärkung des Selbstwertgefühls ist nur erreichbar, wenn der Patient zumindest einige
der Übungen konsequent beherzigt und regelmäßig durchführt.
Am Ende der Sitzung sollte dem Patienten auch die sog. »Bohnenübung« auf 7 Therapieblatt 10.31
als mögliche Hausaufgabe mit auf den Weg gegeben werden. Diese Übung dient dazu, dass der
Patient die schönen Momente im wahrsten Sinne des Wortes festhält und diese salient im Bewusst-
sein verankert werden.

7 Therapieblatt 10.32 Dieses Therapieblatt soll noch einmal die Verbindung zwischen der Psychose und mangelndem
Was hat das mit Psychose zu Selbstwertgefühl verdeutlichen. Zudem soll an dieser Stelle mit dem Patienten reflektiert werden,
tun? welche Punkte der Therapieeinheit für ihn persönlich besonders relevant waren. Diese können auf
7 Arbeitsblatt 10.5 7 Arbeitsblatt 10.5 festgehalten werden. Weiterhin können darauf Hausaufgaben oder Übungen
(z. B. aus den Arbeitsblättern der Therapieeinheit) notiert werden. Der Patient sollte, wie beschrie-
ben, angeleitet werden, negative Selbstbewertungen zu hinterfragen und sich auf die Suche nach
verborgenen Schätzen zu machen. Zusammen mit einer Stärkung des inneren wohlwollenden
Begleiters und weiteren Übungen, die das Aufspüren (kleinerer) Glücksmomente im Alltag erleich-
tern und stärken, kann dies zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls beitragen. Überfordern Sie
den Patienten aber nicht. Für Patienten mit einem unrealistisch erhöhten Selbstwertgefühl bzw.
Größenideen sind die Übungen nicht geeignet. Wie dargestellt sollte die Metapher des wohlwol-
lenden Begleiters, die in Studien von Mayhew und Gilbert (2008) durchaus erfolgreich erprobt wur-
de, bei Menschen mit Psychose vorsichtig angewendet werden. Nur wenn es dem Patienten gelingt,
sich das Gelernte im Alltag zu vergegenwärtigen und auf diesen zu übertragen, ist eine dauerhafte
Änderung zu erwarten. Die Sitzungen dieser Therapieeinheit sollen einen Anstoß liefern.

7 Therapieblatt 10.33 Sollten dem Patienten die Inhalte der Therapieeinheit noch nicht klar geworden sein, kann dies
Was hat das mit Psychose zu anhand des Fallbeispiels optional noch einmal besprochen werden.
tun?

5.11 Therapieeinheit 11: Umgang mit der nun für immer ihr Leben dominieren wird. Allerdings darf
Diagnose und Rückfallprophylaxe nicht verschwiegen werden, dass zukünftige psychotische
Schübe möglich sind, welche sich häufig durch Vorboten-
jZiel der Einheit bzw. Prodromalsymptome ankündigen. Die Identifikation
Therapieeinheit 11 widmet sich zwei Themenkomplexen: dieser Frühwarnsymptome ist entscheidend, um rechtzei-
Zum einen wird der Umgang mit der Diagnose sowie mög- tig handeln und Unterstützung in Anspruch nehmen zu
liche Stigmatisierung aufgrund der Erkrankung themati- können. Mit dem Patienten soll ein Notfallplan erstellt und
siert. Zum anderen soll in den letzten Sitzungen der Meta- erarbeitet werden, welche Schritte zu welchen Zeitpunkten
kognitiven Therapie die Rückfallprophylaxe ausführlich unternommen werden sollten, um eine Krise abzuwenden
vorbereitet werden (siehe auch 7 Abschn. 4.4.5). Hierbei bzw. entsprechende Unterstützung oder Behandlung zu
werden dem Patienten u. a. Informationen über das Stö- erhalten. Darüber hinaus werden in dieser Therapieeinheit
rungsbild vermittelt. Besonders ersterkrankten Patienten stressreduzierende Maßnahmen bzw. Copingstrategien er-
soll nicht das Gefühl gegeben werden, dass die Psychose örtert. Es kann sinnvoll sein, der Thematik Stressabbau
5.11 · Therapieeinheit 11: Umgang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe
113 5
bzw. Umgang mit Stress mehrere Sitzungen zu widmen, je nehmbar waren. Nehmen Sie die von außen sichtbaren
nachdem wie stressbelastet der Patient ist und welche Prodromalsymptome in die Liste der Frühwarnsymptome
funktionalen Copingstrategien er bereits erfolgreich an- auf und besprechen Sie mit dem Patienten und seinen An-
wendet. Dem Patienten soll mithilfe der Stresswaage be- gehörigen die weitere Vorgehensweise (u. a. Notfallplan),
wusst werden, dass übermäßiger Stress »Gift« für die psy- wenn sich Frühwarnsymptome häufen.
chische Gesundheit darstellt. Die Einbeziehung von Ange-
hörigen ist an dieser Stelle durchaus sinnvoll, da diese oft jSpezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge
eher als der Betroffene selbst Frühwarnsymptome erken- zu den Therapieblättern der Therapieeinheit 11
nen können. Laden Sie mit Zustimmung des Patienten (Umgang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe)
Angehörige zum Gespräch ein und fragen Sie diese, welche . Tab. 5.11
Veränderungen im Vorfeld der Psychose für sie wahr-

. Tab. 5.11 Therapieeinheit 11 (Umgang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 11.1–11.3 Sofern Sie dem Patienten in der letzten Sitzung Hausaufgaben oder (Beobachtungs-)Übungen auf-
Von Therapieeinheit 11: Um- getragen haben, besprechen Sie diese zunächst nach.
gang mit der Diagnose und Fragen Sie den Patienten, was er glaubt, wie viele Menschen in Deutschland psychisch krank sind.
Rückfallprophylaxe bis Ist es Viele Betroffene sind überrascht, zu erfahren, wie häufig psychische Störungen vorkommen.
normal, psychische Beschwer-
den zu haben?

7 Therapieblätter 11.4–11.7 Besprechen Sie mit dem Patienten, was die Begriffe Stigma und Selbst-Stigma bedeuten. Fragen Sie
Von Was ist Stigma und was ihn, ob er bereits selbst Erfahrungen mit Stigmatisierung gemacht hat. 7 Therapieblatt 11.5 nennt
ist Selbst-Stigma? bis Psycho- plakative Vorurteile gegenüber Menschen mit Psychosen (gefährlich und unberechenbar; gespalte-
se als Stigma ne Persönlichkeit; weniger intelligent; unheilbar krank). Die 7 Therapieblätter 11.6–11.7 erklären,
wie solche Vorurteile zustande kommen und stellen diese richtig. Sofern der Patient weder Stigmati-
sierungserfahrungen gemacht hat noch unter Selbst-Stigma leidet, sollten diese Therapieblätter
übersprungen werden, um keine Verunsicherung zu induzieren.

Formulierungsvorschlag: »Häufig werden Menschen mit bestimmten Erkrankungen oder körperlichen Merkmalen Opfer von Stig-
matisierung. Die Schlussfolgerungen, dass dicke Menschen grundsätzlich faul oder Menschen mit psychi-
schen Störungen schwach sind, sind Vorurteile, die einige Menschen haben. Dies geschieht, obwohl die
Vorurteile meistens nicht der Wahrheit entsprechen. Folge kann sein, dass die Personen ausgegrenzt
werden oder sich gar selber abwerten. Letzteres nennt man auch ›Selbst-Stigma‹. Haben Sie bereits
Erfahrungen mit Stigmatisierung aufgrund Ihrer psychischen Erkrankung gemacht? […] Auf den folgen-
den Seiten wollen wir uns typische Vorurteile gegenüber Menschen mit Psychose anschauen und über-
prüfen, was eigentlich an diesen ›dran‹ ist.«

7 Therapieblätter 11.6–11.7 Diese Therapieblätter klären u. a. über die häufige Fehlannahme auf, dass Schizophrenie und »ge-
Psychose als Stigma spaltene Persönlichkeit« dasselbe seien. Sollte sich der Patient dafür interessieren, was die Diagnose
»multiple Persönlichkeitsstörung« eigentlich bedeutet, können Sie sich am nachstehenden Formu-
lierungsvorschlag orientieren.

Formulierungsvorschlag: »Schizophrenie hat nichts mit multipler Persönlichkeitsstörung zu tun. Multiple Persönlichkeit bezeichnet
eine psychische Störung, deren Existenz sehr umstritten ist. Man geht davon aus, dass die Person mehrere
unterschiedliche Persönlichkeiten ausbildet, die abwechselnd im Vordergrund stehen und die ›Kontrolle
übernehmen‹ können. Der Roman ›Dr. Jekyll und Mr. Hyde‹ stellt so einen fiktiven Fall dar – genialer
Wissenschaftler bei Tag, Mörder bei Nacht. Das Wechseln von einer Persönlichkeit zur anderen wird nicht
wahrgenommen und erinnert. Die häufig falsche Verwendung des Begriffes schizophren liegt vermutlich
in der wörtlichen Übersetzung des Wortes ›schizophren‹ – griechisch für ›abspalten‹ und ›Seele‹ –, was
fälschlicherweise auf eine gespaltene Persönlichkeit schließen lassen könnte.«

7 Therapieblatt 11.8
Stigmatisierung – Was tun?

Formulierungsvorschlag: »Leider werden in den Medien oder in der Gesellschaft Menschen mit psychischen Erkrankungen häufig
pauschal als gefährlich oder unberechenbar abgestempelt. Es kann daher hilfreich sein, falsche Annah-
men mit Fakten zu korrigieren. Informieren Sie sich gut über Ihre eigene Erkrankung, damit Sie solchen
Vorurteilen begegnen können.«
114 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.11 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 11.9–11.16 Ermuntern Sie den Patienten, sich über das eigene Störungsbild zu informieren, um so z. B. falschen
(Wie) kommuniziere ich Meinungen und Stigmatisierung etwas entgegnen zu können. Betonen Sie, dass der Umgang mit
meine Erkrankung? der Diagnose im Ermessen des Patienten liegt. Da die Bezeichnungen Psychose und Schizophrenie
auch unter Klinikern sehr umstritten sind (in Japan wurde der Begriff Schizophrenie sogar fallen
gelassen und durch eine weniger stigmatisierende Störungsbezeichnung ersetzt) und oft falsche
Assoziationen wecken (multiple Persönlichkeitsstörung, s. o.), ist es unsere unverbindliche Empfeh-
lung an Patienten, die Diagnosebezeichnungen in gewissen Situationen (z. B. wenn man jemanden
nicht gut kennt) zu vermeiden und anderen gegenüber eher die Symptome zu beschreiben. Die
5 7 Therapieblätter 11.11–11.16 bieten Kommunikationsbeispiele für die häufigsten Symptome. Die
Patienten sollen dadurch Anregungen erhalten, wie sie Halluzinationen, Wahn oder auch depressive
Symptome allgemein verständlich und weniger stigmatisierend kommunizieren können.

Formulierungsvorschlag: »Ob und wem Sie von Ihrer Erkrankung erzählen möchten, ist selbstverständlich Ihnen selbst überlassen.
Manchmal, z. B. wenn Personen uns nahestehen, kann es sinnvoll sein, offen mit der Erkrankung umzuge-
hen. Es gibt aber auch Situationen, da bietet es sich an, die Störung überhaupt nicht zu erwähnen oder
vielmehr die einzelnen Symptome zu umschreiben. Was glauben Sie selbst, in welchen Situationen kann
das eine oder andere von Vorteil sein?«

7 Arbeitsblatt 11.1 Nutzen Sie an dieser Stelle 7 Arbeitsblatt 11.1, um zu erarbeiten, in welchen Situationen es besser
Kommunizieren der Erkran- sein kann, anderen von der eigenen Erkrankung zu erzählen (z. B. bei nahestehenden Personen) und
kung – Pro und Kontra in welchen eher nicht (z. B. bei flüchtigen Bekannten). Besprechen Sie eine aktuelle Situation, in der
sich diese Frage vielleicht gerade für den Patienten stellt, und wägen Sie das Pro und Kontra ab.

7 Therapieblätter 11.17–11.18 Diese Therapieblätter bieten sich bei jenen Patienten an, die an ihren Ideen festhalten aus Angst,
Ergebnisse einer Befragung in dass deren Falsifizierung unweigerlich bedeutet, dass Sie »verrückt« sind. Stellen Sie dar, dass psy-
der Allgemeinbevölkerung chosenahe oder -ähnliche Phänomene auch in der Normalbevölkerung verbreitet sind. Der entschei-
dende Unterschied liegt vor allem im Grad der subjektiven Überzeugung, mit der sie von manifest
Kranken verfochten werden, dem verursachenden Leidensdruck/Stress und der Störung des sozialen
Funktionsniveaus. Diese Therapieblätter sind nicht geeignet bei Patienten mit geringer Krankheits-
einsicht, die sich in ihren Ansichten eventuell nur bestätigt fühlen würden.

7 Therapieblatt 11.19 Erklären Sie anhand dieses Therapieblattes mögliche Krankheitsverläufe einer Psychose. Die Wis-
Rückfallprophylaxe sensvermittlung an den Patienten fordert den selbstverantwortlichen Umgang mit der Erkrankung
und kann zu einer Verbesserung des Krankheitsverlaufs führen. In diesem Kontext bieten sich auch
die Therapieblätter der 7 Therapieeinheit 3 (Erklärungsmodell) an.

7 Therapieblatt 11.20 Nutzen Sie hier 7 Arbeitsblatt 11.2.


Die Stresswaage
7 Arbeitsblatt 11.2

Formulierungsvorschlag: »Das Bild der Waage symbolisiert die Balance von Belastung und Entlastung. Ich würde gerne mit Ihnen
zusammentragen, welche Dinge bei Ihnen zu Stress führen und welche Dinge oder Maßnahmen Stress
reduzieren. Glauben Sie, dass die Waage bei Ihnen momentan im Gleichgewicht ist oder sollten Sie auf
der Ausgleichsseite noch etwas nachlegen?«

Falls der Patient nur wenige stressvolle Ereignisse sowie Bewältigungsstrategien benennen kann,
zählen Sie Beispiele für mögliche stressvolle Situationen auf.

Formulierungsvorschlag: »Viele Menschen fühlen sich gestresst, wenn sie viele Termine auf einmal koordinieren müssen. Wie ist das
bei Ihnen? Was kann man gegen Stress unternehmen? Einige Menschen finden es beispielsweise entspan-
nend, spazieren zu gehen oder Musik zu hören.«

Die Besprechung der Stresswaage bietet sich in Kombination mit dem Erklärungsmodell an, in dem
Stressoren und Ressourcen eine Schlüsselrolle einnehmen.
5.11 · Therapieeinheit 11: Umgang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe
115 5

. Tab. 5.11 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblatt 11.21
Stressreduktion

Formulierungsvorschlag: »Machen Sie Dinge, die Ihnen Freude bereiten, z. B. ein Bad nehmen, ein gutes Buch lesen oder entspan-
nende Musik hören! Erkundigen Sie sich nach Entspannungstrainings (z. B. in psychiatrischen Ambulan-
zen, Volkshochschule, Sportverein – ggf. werden die Kosten solcher Kurse auch von der Krankenkasse
übernommen). Lassen Sie sich in schwierigen Zeiten von Bekannten oder Freunden unter die Arme grei-
fen! Haben Sie keinen falschen Stolz, Hilfe zu erbitten und anzunehmen! Nehmen Sie aber auch keine
übertriebene Schonhaltung ein. Es gilt Über-, aber auch Unterforderung zu vermeiden.«

Die Therapieblätter dieser Einheit zur Informationsvermittlung über die Erkrankung und zu Stress
können durchaus auch zu Beginn bzw. im Verlauf der Therapie sinnvoll eingesetzt und später bei der
Besprechung der Rückfallprophylaxe erneut herangezogen werden.

7 Therapieblatt 11.22 Nutzen Sie an dieser Stelle 7 Arbeitsblatt 11.3a.


Frühwarnsymptome: Auszug
Checkliste
7 Arbeitsblatt 11.3a

Formulierungsvorschlag: »Die meisten Krankheitsschübe kündigen sich durch jeweils ähnliche, an sich aber recht allgemeine
Beschwerden an, z. B. Schlafstörungen. Kreuzen Sie mögliche Frühwarnzeichen an, die Sie bei Ihrer letzten
Psychose (oder Ihren letzten Psychosen) bemerkt haben. Bedenken Sie auch, dass beispielsweise nicht
jede leichte Schlafstörung eine Psychose ankündigt. Wenn Sie bemerken, dass mehrere dieser Frühwarn-
zeichen gleichzeitig vorliegen, besprechen Sie zunächst mit Vertrauenspersonen bzw. Ihrem … [Arzt/
Psychotherapeuten/mir], welche Vorsorge- oder Hilfsmaßnahmen Sie treffen könnten. Hierzu könnte
gehören, dass ein schwelender Streit mit einer Ihnen nahestehenden Person geschlichtet oder die Medika-
tion geändert wird.«

Vorsicht: Vermeiden Sie es, zu pathologisieren. Nicht jede Befindlichkeitsstörung ist ein Frühwarn-
symptom. Beziehen Sie möglichst Angehörige mit ein, um auch diese für Frühwarnsymptome zu
sensibilisieren.

7 Therapieblatt 11.22 In die Tabelle »Frühwarnsymptome« des 7 Arbeitsblattes 11.3b können Sie gemeinsam mit dem
Frühwarnsymptome – Auszug Patienten Symptome eintragen, die unterschiedliche Stadien eines (möglichen) Rückfalls repräsen-
Checkliste tieren. Teilen Sie die vom Patienten auf der Checkliste angekreuzten Symptome zeitlich in frühe
7 Arbeitsblatt 11.3b (psychoseferne) und späte (psychosenahe) Warnsymptome ein.

7 Therapieblatt 11.23 Erstellen Sie anhand des 7 Arbeitsblattes 11.4 mit dem Patienten einen Notfallplan. Dieser sollte
Notfallplan individuell ausgearbeitet und auf die für den Patienten wirksamen Strategien angepasst sein – z. B.
7 Arbeitsblatt 11.4 könnte ein Patient bei Symptomverschlechterung als ersten Schritt seine Schwester aufsuchen, die
im selben Haus lebt; ein anderer könnte bei beginnenden Schlafproblemen als ersten Schritt abends
keinen Kaffee oder andere Stimulanzien mehr zu sich nehmen, als zweiten Schritt Entspannungs-
übungen machen und als dritten Schritt seinen Psychiater/Arzt/Psychotherapeuten aufsuchen. Auch
die gelbe Karte (7 Abschn. 5.2) sollte in den Notfallplan integriert werden: Der Patient soll, wenn er
sich bedroht fühlt, im ersten Schritt seine Ideen kritisch hinterfragen, im zweiten Schritt Vertrauens-
personen nach ihren Sichtweisen fragen, im dritten Schritt Reaktionen/Handlungen überdenken
und im vierten Schritt einen Arzt/Psychologen aufsuchen. Der Notfallplan sollte unbedingt auch
Kontaktadressen von professionellen Helfern (z. B. Einrichtung/Therapeut des Vertrauens) beinhal-
ten! Verweisen Sie hier auch auf die rote Karte (7 Abschn. 5.2). Ebenso bietet es sich an, das bereits
bearbeitete Erklärungsmodell in dieser Therapieeinheit heranzuziehen (7 Therapieeinheit 3). Die
erarbeiteten Auslöser und verschlimmernden Faktoren (Funke und Brandbeschleuniger), aber auch
die Behandlungsmöglichkeiten (Feuerlöscher) können in den Notfallplan integriert werden (z. B. »In
kritischen, stressigen Zeiten führt häufiges Radiohören dazu, dass ich viele scheinbar für mich be-
stimmte Botschaften wahrnehme, die dann zur Verstärkung meiner Verfolgungsängste führen. Also
sollte ich, wenn ich gestresst bin, so wenig Radio wie möglich hören.«).
116 Kapitel 5 · Anleitung zur Durchführung der Therapieeinheiten

. Tab. 5.11 (Fortsetzung)

Therapie-/Arbeitsblätter Spezifische Hinweise und Formulierungsvorschläge

7 Therapieblätter 11.24–11.25 Die formulierten Lernziele bahnen die Übertragung auf den Alltag. Patienten mit Psychose haben
Von Übertragung auf den häufig kognitive Probleme. Versuchen Sie daher die »Take-home-Botschaften«/Lernziele möglichst
Alltag – Umgang mit Vorurtei- einfach und griffig darzustellen, damit diese leicht zu verstehen und zu merken sind. Sie sollten dem
len bis Übertragung auf den Patienten insbesondere mit auf den Weg geben, dass Stress zu einem psychotischen Rückfall führen
Alltag – Rückfallprophylaxe kann und er deshalb auf die Balance zwischen Belastung und Ausgleich achten sollte. Zudem sollte
der Patient ein Bewusstsein für Frühwarnsymptome entwickeln und den individuellen Notfallplan in
eventuellen Krisen nutzen.

5 7 Therapieblatt 11.26 Besprechen Sie zum Abschluss, welche Punkte der Therapieeinheit für den Patienten besonders
Was hat das mit Psychose zu hilfreich oder nützlich waren. Dies kann der Patient auf 7 Arbeitsblatt 11.5 notieren. Hierauf sind die
tun? wichtigsten Inhalte der Einheit noch einmal zusammengefasst. Besprechen Sie auch mögliche
7 Arbeitsblatt 11.5 Übungen oder Hausaufgaben, die ebenfalls auf dem Arbeitsblatt festgehalten werden können. Stel-
len Sie ein bis zwei konkrete Hausaufgaben. Fordern Sie Patienten bei erhöhter Stressbelastung auf,
die erarbeiteten Strategien zur Stressreduktion auszuprobieren. Regen Sie den Patienten dazu an, im
Alltag von ihm angewandte Entspannungsmaßnahmen zu protokollieren (»Habe ich heute eine
Strategie angewandt? Welche?«).

Literatur

Mayhew, S. L., & Gilbert, P. (2008). Compassionate mind training with


people who hear malevolent voices: A case series report. Clinical
Psychology & Psychotherapy 15, 113–138.
117 6

Probleme und
Lösungsmöglichkeiten
Steffen Moritz, Eva Krieger, Francesca Bohn, Ruth Veckenstedt

S. Moritz et al., MKT+,


DOI 10.1007/978-3-662-52998-0_6, © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
118 Kapitel 6 · Probleme und Lösungsmöglichkeiten

Im Folgenden werden mögliche Probleme und Fragen, die könnten besprochen werden (7 Therapieeinheit 11 [Um-
sich bei der Durchführung des MKT+ ergeben können, gang mit der Diagnose und Rückfallprophylaxe]).
behandelt (siehe auch 7 Abschn. 4.2 zu therapeutischen
Fallen). j6. Der Patient ist sehr langsam bzw.
kognitiv eingeschränkt
j1. Das Material ist viel zu umfangreich Konzentrieren Sie sich auf die für den Patienten wichtigs-
für eine Sitzung ten Therapieblätter. Achten Sie auf Redundanz/Wiederho-
Die Therapieblätter einer Therapieeinheit sind nicht für lungen, sodass der Patient Ihnen folgen kann! Benutzen Sie
eine einzige Sitzung vorgesehen, sondern sollten möglichst eine einfache, klare Sprache. Abstrakte Formulierungen
über mehrere Sitzungen verteilt und durch Hausaufgaben überfordern kognitiv eingeschränkte Patienten. Verständ-
und Übungen vertieft werden. Obwohl sich die Übergänge nisdefizite werden teilweise jedoch aus Scham nicht zuge-
der Therapieblätter bewährt haben und der prinzipielle geben. Lassen Sie die Inhalte vom Patienten wiederholen
Ablauf beibehalten werden sollte, wählen Sie aus der Fülle (»teach back«), um sicherzustellen, dass er diese verstan-
6 des Materials jene Therapieblätter aus, die für die Pro- den hat. Dieses Vorgehen bietet sich auch bei kognitiv un-
bleme des Patienten relevant sind und lassen Sie – vor auffälligen Patienten an, um neu erlernte Therapieinhalte
allem bei begrenzter Therapiezeit – jene aus, die weniger zu festigen. Übergehen Sie Therapieblätter, die den Patien-
bedeutsam erscheinen. ten intellektuell überfordern könnten. Ob bei Patienten mit
Intelligenzminderung eine Metakognitive Therapie sinn-
j2. Manche Inhalte der Therapie erweisen sich voll ist, kann nicht generell verneint werden. Wägen Sie
für den Patienten als nicht relevant selbst ab, ob der Patient von der Maßnahme profitieren
Falls Sie das Gefühl haben, dass eine Denkverzerrung nicht könnte. Unsere bisherigen Erfahrungen mit dieser Patien-
auf Ihren Patienten zutrifft, belassen Sie es bei einer kurzen tengruppe sind recht positiv.
Einführung in die Therapieeinheit oder verzichten Sie
gänzlich darauf. Stellen Sie individuell Therapieblätter aus j7. Der Patient ist vergesslich und erinnert sich
den anderen Therapieeinheiten für den Patienten zusam- nicht, was in der letzten Sitzung besprochen wurde
men. Fragen Sie den Patienten zu Beginn jeder Sitzung, woran
Sie beim letzten Mal gearbeitet haben. Wiederholen Sie
j3. In meiner Einrichtung wird die Anamnese kurz die wichtigsten Inhalte. Vermeiden Sie zu viele The-
standardmäßig anders erhoben men/Übungen in einer Sitzung. Achten Sie hier auch be-
Falls in Ihrer Einrichtung ein anderes Vorgehen zur Erhe- sonders auf Redundanz. Es kann sinnvoller sein, zu einer
bung der Anamnese durchgeführt wird bzw. diese im Rah- Übung mehrere Beispiele aus dem Alltag des Patienten zu
men der Aufnahme bereits mit erhoben wurde, können Sie finden, als möglichst viele Übungen zu bearbeiten. Bespre-
unseren Anamnesevorschlag selbstverständlich überge- chen Sie nach jeder Sitzung, was für den Patienten beson-
hen. Beginnen Sie die Therapie dann mit 7 Therapieein- ders relevant war und was er üben/ausprobieren möchte.
heit 2 (Einführung in das Metakognitive Therapieprogramm). Nutzen Sie dafür das jeweils letzte Arbeitsblatt jeder Ein-
Das Kapitel zur Anamnese kann Ihnen dennoch ergänzen- heit. Nur durch regelmäßiges Üben kann das Verhalten
de Anregungen geben (z. B. 7 Arbeitsblatt 1.2). und Erleben des Patienten nachhaltig verändert werden.
Bedenken Sie auch die Möglichkeit einer oder mehrerer
j4. Der Patient ist sehr reizbar und aggressiv Booster-Sitzungen nach Beendigung der Therapie. So
Falls der Patient aggressiv und impulsiv handelt und Sie kann das Besprochene »aufgefrischt« werden, was auch
sich unsicher fühlen, beenden Sie sogleich die Sitzung. Er- mit Blick auf häufige neuropsychologische Defizite bei
scheint Ihnen das Verhalten nicht körperlich bedrohlich, Menschen mit Psychose wichtig ist für die Verstetigung des
versuchen Sie, die Impulsivität/Aggression zu thematisie- Therapieerfolgs.
ren, und nutzen Sie die Erfahrung eventuell für die weitere
therapeutische Arbeit. Treffen Sie bei aggressiven Patien- j8. Der Patient ist sehr unaufmerksam
ten stets Vorsichtsmaßnahmen (z. B. Klingel, Kollege im und leicht abgelenkt
Nachbarraum). Ihre subjektive Sicherheit steht an erster Schaffen Sie eine ruhige, reizarme Umgebung. Gehen Sie
Stelle. strukturiert vor und halten Sie sich eng an die Therapie-
blätter und beschränken Sie sich auf eine überschau-
j5. Der Patient ist aktuell sehr belastet bare  Menge an Material (»weniger ist manchmal mehr«
und angespannt Prinzip).
Holen Sie den Patienten im übertragenen Sinne stets dort
ab, wo er steht. Auch Strategien zur Stressbewältigung
6 · Probleme und Lösungsmöglichkeiten
119 6
j9. Der Patient ist affektverflacht oder macht einen höflich, aber bestimmt klar, dass Sie das nicht wollen. Falls
schwerfälligen Eindruck nötig, nehmen Sie eine klare Grenzziehung vor.
Affektverflachung ist ein klinisch gebräuchlicher, gleich-
zeitig aber oft irreführender Begriff. Häufig haben die Pa- j13. Der Patient macht anzügliche Bemerkungen
tienten ein reges emotionales Innenleben, können dieses Machen Sie dem Patienten deutlich, dass Sie das nicht wol-
aber insbesondere mimisch oder gestisch schlecht über- len und sein Verhalten unangebracht ist. Treffen Sie bei
mitteln. Reduzierte Mimik und Gestik können auch durch subjektiver Gefährdung stets Vorsichtsmaßnahmen. Klä-
Antipsychotika induziert sein (nicht nur typische, sondern ren Sie die Ziele der Metakognitiven Therapie und wie Sie
auch einige atypische Antipsychotika können extrapyra- als Therapeut und Patient zueinander stehen (z. B. »Eine
midale Symptome wie Rigor, Tremor und Akinese induzie- professionelle Beziehung auf Vertrauensbasis ist sehr wich-
ren). Erfragen Sie die Gefühle des Patienten und lassen Sie tig für den Therapieerfolg. Ich höre Ihnen gerne zu und
sich durch die scheinbar geringe Schwingungsfähigkeit unterstütze Sie, Lösungen für Ihre Probleme zu erarbeiten.
oder das geringe Interesse nicht beirren und entmutigen. Im Gegenzug erwarte ich respektvolles Verhalten und eine
Aufgrund der geringen Gefühlsübermittlung schätzen Achtung meiner Privatsphäre.«). Falls der Patient sein Ver-
Therapeuten die Arbeit mit Psychosepatienten häufig als halten Ihnen gegenüber nicht ändert, machen Sie ihm klar,
weniger erfolgreich und vertrauensvoll ein als anders- dass die Konsequenz ein Abbruch der Therapie ist.
herum.
j14. Der Patient verlangt von Ihnen die Bestätigung
j10. Der Patient ist sehr misstrauisch und wortkarg wahnhafter Ideen (z. B. verfolgt zu werden)
Misstrauen aufseiten des Patienten ist in den ersten Sitzun- Stellen Sie den Patienten nicht bloß (z. B. »Das glauben Sie
gen durchaus normal. Ignorieren Sie anfängliche Ableh- doch selbst nicht.«; »Das ist unmöglich.«), sondern geben
nung und Argwohn dennoch nicht und greifen Sie das Sie eine offene nicht wertende Antwort (z. B. »Das ist eine
Misstrauen auf, wenn es auch nach mehreren Sitzungen Möglichkeit, wobei ich finde, dass es die nicht nahelie-
fortbesteht (z. B. »Ich verstehe, dass es Ihnen nicht leicht gendste ist.«).
fällt, mit mir über Ihre Problematik zu sprechen. Gleich-
zeitig kann ich Ihnen nur helfen, wenn Sie sich mir öff- j15. Der Patient akzeptiert die Diagnose einer
nen.« »Vielleicht haben Sie auch schon schlechte Erfahrun- Schizophrenie nicht und ist nicht bereit, schizophre-
gen gemacht und wollen nicht, dass sich das wiederholt. Ist ne Symptome als Behandlungsziel zu definieren
das Ihre Sorge?«). Krankheitseinsicht ist keine Voraussetzung für das MKT+.
Der Patient ist aber möglicherweise bereit, über soziale
j11. Der Patient ist schwer begrenzbar Probleme oder allgemeine Beschwerden zu reden. Spre-
Versuchen Sie, anhand der Therapiematerialien die Sit- chen Sie statt von Schizophrenie/Psychose z. B. von Krise
zung zu strukturieren. Hören Sie dem Patienten zu, neh- oder Problem. Als kleinster gemeinsamer Nenner eines
men Sie ihn ernst und stellen Sie gleichzeitig den Bezug zu Therapieziels eignet sich möglicherweise die Vermittlung
den Therapieinhalten her. Unterbrechen Sie den Patienten von Informationen über Denkvorgänge und bestimmte
jedoch, wenn für die unmittelbare Therapie irrelevante Denkweisen und -strategien, die zu Problemen in der Le-
Themen ausufernd angesprochen werden. Weisen Sie da- bensführung und den sozialen Beziehungen führen kön-
rauf hin, dass Sie nicht etwa desinteressiert sind, aber dass nen. Zu einem späteren Zeitpunkt können häufig konkre-
die begrenzte Therapiezeit auf die Inhalte des MKT+ ver- tere, krankheitsbezogene Ziele mit aufgenommen werden.
wendet werden sollte. Seien Sie behutsam mit Therapieblättern, auf denen das
Wort Psychose vorkommt und weisen Sie darauf hin, dass
j12. Der Patient ist distanzgemindert und stellt diese Therapieblätter sich auch für den Patienten eignen
(allzu) persönliche Fragen und er sich versuchsweise darauf einlassen könnte. Stellen
Im Rahmen der Verhaltenstherapie ist eine begrenzte Sie heraus, dass die Besprechung dieser Therapieblätter
Selbstöffnung (»self disclosure«) üblich und kann, wenn nicht gleichbedeutend mit der Anerkennung der Diagnose
sie der Situation angemessen ist, einen positiven Effekt auf ist.
den Therapieverlauf haben. Verwehren Sie dem Patienten
also nicht jeglichen persönlichen Einblick – beschränken j16. Der Patient ist unzuverlässig und nimmt die
Sie diesen aber auf nicht intime Informationen (z. B. Stu- vereinbarten Termine nicht regelmäßig wahr
dienort). Im Endeffekt entscheiden Sie selbst, welche In- Thematisieren Sie das Verpassen der Termine und erfragen
formationen Sie dem Patienten mitteilen wollen und wel- Sie den Grund. Es ist wichtig, zu erfahren, ob dies vor allem
che nicht. Kommt der Patient Ihnen mit bohrenden Fragen kognitive Ursachen hat (schlechte Planungsfähigkeit oder
oder auch körperlich zu nah, machen Sie dem Patienten prospektive Gedächtnisdefizite) oder mangelnde Thera-
120 Kapitel 6 · Probleme und Lösungsmöglichkeiten

piemotivation widerspiegelt. Bei desorganisierten statio- Ist die Symptomatik remittiert und der Patient stabil,
nären Patienten ist es ratsam, diese zumindest bei den ers- kann auch mit der Erstellung des Erklärungsmodells
ten Terminen abzuholen. Schreiben Sie gemeinsam die (7 Therapieeinheit 3) begonnen werden. Dies bietet sich
Termine in einen eventuell vorhandenen Stationskalender insbesondere an, wenn das primäre Therapieanliegen des
oder den Kalender des Patienten. Erstellen Sie mit ihm ei- Patienten die Aufarbeitung einer zurückliegenden psycho-
nen Wochenplan. Bei ambulanten Patienten, die aufgrund tischen Krise beinhaltet.
von Gedächtnisdefiziten Termine versäumen, bietet es sich
an, dies in der 7 Therapieeinheit 8 (Gedächtnis und Urteils-
sicherheit) zu thematisieren und ihnen Hilfestellung bei der
Strukturierung des Alltags, z. B. durch Führen eines Kalen-
ders, zu geben.
Bei mangelnder Therapiemotivation bietet es sich an,
die Vor- und Nachteile eines Therapieabbruchs (»Ich habe
6 dann weniger Termine und mehr Freizeit, mir entgeht aber
eine Chance zur Veränderung meiner Beschwerden.«)
bzw. einer Weiterführung direkt zu erörtern (siehe auch
nächster Punkt).

j17. Der Patient möchte auf eigenen Wunsch


keine Therapiesitzungen oder beabsichtigt,
diese abzubrechen
Möchte der Patient nicht an Therapiesitzungen teilnehmen,
bieten Sie ihm zunächst eine unverbindliche Probesitzung
an. Selbstverständlich liegt es immer in der Entscheidung
des Patienten, ob er das Angebot annimmt oder nicht.
Es ist nicht unüblich, dass Patienten mit Psychose die
Therapie abbrechen. Manchmal entschließen sich zu-
nächst ablehnende Patienten jedoch später zu einer erneu-
ten Teilnahme bzw. Wiederaufnahme der Therapie. Be-
denken Sie auch die Möglichkeit, dass Sie in der Therapie
zu schnell »heikle Themen« des Patienten angesprochen
haben könnten bzw. seine Ideen schon als Wahn benannt
haben, obwohl der Patient vielleicht selber noch keine
ausreichende Krankheitseinsicht entwickelt hat. In die-
sem Fall bietet es sich an, vor allem wahnneutrale Übun-
gen und Beispiele aus dem Alltag zu bearbeiten und dem
Patienten damit mehr Zeit zu geben, sich auf die Therapie
einzulassen.

j18. Der Patient ist aktuell symptomfrei und hat


Schwierigkeiten, sich an besondere Befürchtun-
gen/Ideen aus der Psychose zu erinnern
Bearbeiten Sie eine auf den Patienten zutreffende Denk-
verzerrung. Statt der Bearbeitung von psychosenahen Fall-
beispielen bzw. besonderen Ideen, können auch zunächst
Situationen aus dem Alltag des Patienten bearbeitet wer-
den, in denen Denkverzerrungen zu Schwierigkeiten füh-
ren, die auf den ersten Blick nicht sofort als psychoserele-
vant ins Auge stechen (z. B. soziale Ängste, Depression).
Hier kann auf die Psychose vorbeugend bzw. stabilisierend
eingewirkt werden, indem generelle metakognitive Fähig-
keiten trainiert oder Risikofaktoren für einen Rückfall be-
sprochen werden.
121

Anhang
Evaluationsinstrumente (in alphabetischer Reihenfolge) – 122
Beck Cognitive Insight Scale (BCIS) – 123
Skalenbildung und Auswertung – 124
Literatur – 124
Cognitive Biases Questionnaire (CBQ) – 125
Anweisung – 125
Auswertung – 130
Literatur – 130
Fische-Test – 131
Anweisung – 131
Auswertung – 132
Literatur – 132
Insight Scale (IS) – 133
Auswertung – 134
Subskalen Insight Scale (IS) – 135
Literatur – 135
Internal, Personal and Situational Attributions Questionnaire –
Revision (IPSAQ-R) – 136
Anweisung – 136
Auswertung – 148
Literatur – 148
Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) – 149
Häufig gestellte Fragen zur PANSS (FAQs) – 150
Hinweise zur Interpretation – 152
Literatur – 152
Psychotic Symptom Rating Scales PSYRATS) – 153
Auditive Halluzinationen – 153
Wahn – 160
Literatur – 163
Rosenberg Self-Esteem-Scale (RSES) – 164
Beschreibung – 165
Auswertung – 165
Literatur – 165
Stichwortverzeichnis – 167

S. Moritz et al., MKT+,


DOI 10.1007/978-3-662-52998-0, © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
122 Anhang

Evaluationsinstrumente (in alphabetischer Reihenfolge)

Den jeweiligen Instrumenten liegen Hinweise zur Auswertung und Interpretation bei.

Skala Messvariable
Beck Cognitive Insight Scale (BCIS) Subjektive kognitive Verzerrungen
Cognitive Biases Questionnaire (CBQ) Subjektive kognitive Verzerrungen
Fische-Test Voreiliges Schlussfolgern
Insight Scale (IS) Krankheitseinsicht
Internal, Personal and Situational Attributions Ques- Attributionsstil
tionnaire-Revision (IPSAQ-R)
Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) Aktuelle Psychopathologie
Psychotic Symptom Rating Scales (PSYRATS) Quantitative und qualitative Erfassung zentraler As-
pekte von auditiven Halluzinationen und Wahnideen
Rosenberg Self-Esteem-Scale (RSES) Selbstwertgefühl
123
Beck Cognitive Insight Scale (BCIS)

Beck Cognitive Insight Scale (BCIS)

(Beck et al. 2004, deutsche Übersetzung: Maß et al. 2012)

In der folgenden Tabelle finden Sie eine Liste mit Sätzen darüber, wie Leute denken und fühlen. Bitte lesen Sie jeden Satz
in der Liste sorgfältig. Geben Sie an, wie weit Sie jeder Aussage zustimmen, indem Sie ein X an die entsprechende Stelle
in der Spalte neben jeder Aussage machen.

Stimmt Stimmt Stimmt Stimmt


genau über- etwas gar
wiegend nicht
1. Gelegentlich habe ich die Einstellungen, die andere Leute
mir gegenüber haben, missverstanden.
2. Wie ich meine Erlebnisse deute, ist absolut richtig.
3. Andere Leute können die Ursachen meiner ungewöhn-
lichen Erlebnisse besser verstehen als ich.
4. Ich habe zu schnell voreilige Schlüsse gezogen.
5. Einige meiner Erlebnisse, die mir sehr real erschienen,
könnte ich mir eingebildet haben.
6. Einige meiner Gedanken, von denen ich sicher war, dass
sie stimmten, haben sich als falsch herausgestellt.
7. Wenn etwas sich so anfühlt, als ob es richtig ist, bedeutet
das auch, dass es richtig ist.
8. Obwohl ich überzeugt davon bin, dass ich recht habe,
könnte ich mich irren.
9. Ich weiß besser als irgendjemand anders, was meine
Probleme sind.
10. Wenn Leute eine andere Meinung haben als ich, dann
irren sie sich meistens.
11. Ich kann der Meinung, die andere Leute über meine
Erlebnisse haben, nicht trauen.
12. Wenn jemand mir klarmacht, dass meine Überzeugungen
falsch sind, bin ich bereit, darüber nachzudenken.
13. Ich kann meinem eigenen Urteilsvermögen jederzeit
trauen.
14. Es gibt oft mehr als eine mögliche Erklärung dafür, warum
die Leute sich so verhalten, wie sie es tun.
15. Meine ungewöhnlichen Erlebnisse könnten daher kom-
men, dass ich extrem durcheinander oder gestresst bin.
124 Anhang

Skalenbildung und Auswertung Literatur

Beck, A. T., Baruch, E., Balter, J. M., Steer, R. A., & Warman, D. M. (2004).
Beck schlägt die Bildung der folgenden 2 Subskalen für die A new instrument for measuring insight: The Beck Cognitive
BCIS (Beck et al. 2004) vor: Insight Scale. Schizophrenia Research 68, 319–329.
1. Selbstreflexivität (»self-reflectiveness«): Mittel- Maß, R., Wolf, K., & Lincoln, T. M. (2012). Associations of the Beck Cog-
wert = 12.97, SD = 5.0 (Items 1, 3, 4, 5, 6, 8, 12, 14, 15) nitive Insight Scale (BCIS) with poor insight, subjective experi-
2. Selbstgewissheit (»self-certainty«): Mittelwert = 7.94, ences and depression. International Journal of Cognitive Therapy
5, 197–210.
SD = 3.78 (Items 2, 7, 9, 10, 11, 13)

Für jedes Item werden 3 Punkte (»stimmt genau«), 2 Punk- Rückfragen an:
te (»stimmt überwiegend«), 1 Punkt (»stimmt etwas«) oder Prof. Dr. Reinhard Maß
0 Punkte (»stimmt gar nicht«) vergeben. Die Skalenwerte Zentrum für Seelische Gesundheit Marienheide
werden durch Aufsummierung der Itemwerte gebildet. Leppestr. 65–67
Auch Maß und Kollegen (2012), die die Skala übersetzt D-51709 Marienheide
haben, empfehlen 2 Subskalen. In einer Untersuchung an E-Mail: reinhard.mass@kkh-gummersbach.de
88 stationären wahnhaften Patienten gelangten sie zu ähn-
lichen faktorenanalytischen Ergebnissen wie die Autoren
der amerikanischen Originalversion (Selbstreflexivität:
Mittelwert = 14.2, SD = 4.3; Selbstgewissheit: Mittel-
wert = 7.9, SD = 3.1).
125
Cognitive Biases Questionnaire (CBQ)

Cognitive Biases Questionnaire (CBQ) die am besten beschreibt, wie Sie über die Situation den-
ken würden. Wenn keine der Möglichkeiten vollständig
(Peters et al. 2014, deutsche Übersetzung: Jelinek u. Moritz) mit der Art übereinstimmt, wie Sie reagieren würden, wäh-
len Sie diejenige, die dem am ehesten entspricht. Wenn
mehr als eine Möglichkeit zutrifft, wählen Sie diejenige, die
Anweisung Ihnen am häufigsten durch den Kopf gehen würde. Wenn
Sie sich entschieden haben, welche Möglichkeit Sie am
In diesem Fragebogen werden Alltagssituationen beschrie- ehesten denken würden, umkreisen Sie den daneben ste-
ben. Im Anschluss an jede Situation werden unterschied- henden Buchstaben.
liche Arten und Weisen, wie Menschen darauf reagieren Es gibt in diesem Fragebogen keine richtigen oder
könnten, aufgezeigt. Diese sind jeweils mit A, B oder C falschen Antworten. Bearbeiten Sie die Fragen möglichst
gekennzeichnet. Bitte versuchen Sie sich so lebhaft wie zügig und vergewissern Sie sich, dass Sie die Möglichkeit
möglich in die jeweilige Situation hineinzuversetzen. auswählen, die am ehesten Ihrer unmittelbaren Reaktion
Wenn Sie sich vorgestellt haben, dass das Ereignis Ih- entsprechen würde.
nen selbst passiert, wählen Sie bitte die Möglichkeit aus,

Alltagssituation Am wahrscheinlichsten würde ich denken:


(Bitte umkreisen Sie A, B oder C.)
1. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Brief bekom- A: Jemand hat absichtlich den Brief bereits geöffnet.
men und stellen fest, dass er nicht versiegelt ist.
B: Ich frage mich, ob dieser Brief wieder geöffnet
wurde, nachdem er geschrieben wurde.
C: Ich denke mir nichts dabei.

2. Stellen Sie sich vor, Sie gehen die Straße entlang A: Etwas Merkwürdiges geht vor sich.
und hören, dass Ihr Name gerufen wird, aber als Sie
B: Das hat etwas wirklich Gefährliches an sich.
sich umschauen, sehen Sie niemanden.
C: Ich bilde mir die Dinge wohl ein.
3. Stellen Sie sich vor, dass Ihr Essen anders schmeckt A: Jemand hat möglicherweise absichtlich etwas mit
als sonst. meinem Essen gemacht.
B: Dieses Essen muss heute mit einer anderen Zutat
als sonst zubereitet worden sein.
C: Jemand hat absichtlich etwas in mein Essen getan.
4. Stellen Sie sich vor, dass Sie auf dem Weg zur A: Heute Morgen werde ich länger als sonst brauchen,
Arbeit feststellen, dass alle Ampeln rot werden, wenn um anzukommen.
Sie sich Ihnen nähern.
B: Das hat mir gerade noch gefehlt, ich werde jetzt
wirklich zu spät kommen.
C: Mein Tag ist gelaufen.

5. Stellen Sie sich vor, Sie stehen an einer Bushalte- A: Menschen sind immer so gemein.
stelle. Der Bus, auf den Sie warten, kommt, fährt
B: Menschen sind manchmal nicht sehr nett.
aber halb leer an Ihnen vorbei, ohne anzuhalten.
C: Der Fahrer ist heute wohl schlecht drauf.
126 Anhang

Alltagssituation Am wahrscheinlichsten würde ich denken:


(Bitte umkreisen Sie A, B oder C.)
6. Stellen Sie sich vor, dass Sie sehr starke Kopf- A: Etwas muss mit mir nicht stimmen.
schmerzen haben.
B: Es gibt viele unterschiedliche Gründe dafür,
warum ich diese Schmerzen haben könnte.
C: Ich muss etwas wirklich Ernstes wie einen Hirn-
tumor haben.
7. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Bus und es fällt A: Die Art und Weise, wie diese Person mich an-
Ihnen auf, dass ein Fremder Sie anstarrt. schaut, ist ein wenig beunruhigend.
B: Diese Person hat sicher vor, mir etwas anzutun, so
wie sie mich anschaut.
C: Es ist wirklich unhöflich von dieser Person, mich
auf diese Art und Weise anzuschauen.

8. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen zu Hause und plötz- A: Ich frage mich, warum ich mich seltsam fühle und
lich fühlen Sie sich sehr seltsam. ob woanders etwas Unheimliches vor sich gehen
könnte.
B: Dieses Gefühl beweist, dass jemandem, den ich
kenne, irgendwo etwas Schlimmes passiert.
C: Ich muss übermüdet sein oder so etwas.
9. Stellen Sie sich vor, Sie haben sich auf eine Stelle A: Vielleicht kann ich eine Rückmeldung erhalten,
beworben, diese aber nicht bekommen. warum ich die Stelle nicht bekommen habe.
B: Ich frage mich, ob ich im Vorstellungsgespräch
nicht gut genug war.
C: Ich werde niemals in der Lage sein, eine Stelle zu
bekommen.
10. Stellen Sie sich vor, dass Sie in einem Zug sitzen A: Dies ist eine Art Warnung, dass etwas Schreck-
und plötzlich das starke Gefühl haben, dass Sie hier liches passiert ist oder passieren wird.
schon einmal waren.
B: Ich frage mich, ob dies eine Art Warnung sein
könnte.
C: Dies ist eine sonderbare, aber verbreitete
Erfahrung.
11. Stellen Sie sich vor, dass Sie von jemandem, den A: Ich werde recht häufig in solchen Situationen
Sie mögen, oder von einem Freund einen Korb für abgewiesen.
eine Verabredung erhalten.
B: Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man.
C: Ich werde immer, für alles, was ich versuche,
abgewiesen.

12. Stellen Sie sich vor, dass Sie eines Tages ein A: Ich bin mir sicher, dass sie mich auslachen.
Geschäft betreten und Leute lachen hören.
B: Ich frage mich, ob sie über mich lachen.
C: Das Lachen hat wahrscheinlich nichts mit mir zu
tun.
127
Cognitive Biases Questionnaire (CBQ)

Alltagssituation Am wahrscheinlichsten würde ich denken:


(Bitte umkreisen Sie A, B oder C.)
13. Stellen Sie sich vor, Polizeiautos stehen vor Ihrem A: Lustig, dass nur der Anblick von Polizei eine ver-
Haus. Plötzlich merken Sie, dass Sie sich unwohl unsichernde Wirkung auf Leute hat.
fühlen.
B: Ich frage mich, warum ich mich so unwohl fühle
und ob die Autos etwas mit mir zu tun haben
könnten.
C: Ich muss etwas falsch gemacht haben, da ich mich
so unwohl fühle. Sie kommen, um mich zu holen.
14. Stellen Sie sich vor, Sie schauen Fernsehen, und A: Ständig passieren merkwürdige Dinge.
plötzlich wird der Bildschirm schwarz.
B: Diese Art von Dingen scheint recht häufig zu
passieren.
C: Es muss heute etwas mit dem Fernseher nicht in
Ordnung sein.

15. Stellen Sie sich vor, dass zwei Leute in einer A: Dies ist nicht das erste Mal, das so etwas passiert.
Supermarktschlange beide zur selben Zeit in Ihre
B: Solche Dinge können in einer Schlange passieren.
Richtung schauen und dann sofort beginnen, sich
miteinander zu unterhalten. C: So etwas passiert immer, egal wohin ich gehe.
16. Stellen Sie sich vor, Sie warten auf eine Bekannt- A: Einen Schauer zu verspüren, ist ein böses Omen.
schaft in einem Café und plötzlich läuft es Ihnen kalt Ich denke, ich sollte diese Person nicht treffen.
den Rücken herunter.
B: Ich muss nervös sein, diese Person zu treffen.
C: Ich frage mich, ob einen Schauer zu verspüren
bedeutet, dass etwas Schlechtes passieren wird.
17. Stellen Sie sich vor, Sie denken, dass Sie sehen, A: Ich frage mich, was das war.
wie sich ein Schatten über die Wand eines leeren
B: Meine Augen müssen mir einen Streich spielen.
Raumes bewegt.
C: Da muss irgendjemand oder irgendetwas gewesen
sein.
18. Stellen Sie sich vor, das Telefon klingelt. Als Sie A: Ich frage mich, ob etwas daran verdächtig ist.
abnehmen, legt derjenige am anderen Ende der
B: Bestimmt überprüft mich jemand.
Leitung auf.
C: Wahrscheinlich hat jemand die falsche Nummer
gewählt.
19. Stellen Sie sich vor, Sie sehen die Nachrichten A: Wenn ich mich schuldig fühle, muss ich auf
über ein gerade geschehenes Unglück im Fernsehen, irgendeine Weise verantwortlich sein.
und Sie stellen fest, dass Sie sich schuldig fühlen.
B: Es ist normal, sich schuldig zu fühlen, wenn
jemand anderem ein Unglück passiert ist.
C: Ich frage mich, warum ich mich schuldig fühle.
Vielleicht bin ich unwissend auf irgendeine Weise
verantwortlich.
128 Anhang

Alltagssituation Am wahrscheinlichsten würde ich denken:


(Bitte umkreisen Sie A, B oder C.)
20. Stellen Sie sich vor, Sie hören Radio und plötzlich A: Jemand hat sich absichtlich an meinem Radio zu
kommt es zu einer knisternden Empfangsstörung. schaffen gemacht, sodass es nicht mehr richtig
eingestellt ist.
B: Ich frage mich, ob jemand mein Radio manipuliert
hat.
C: Das ist irgendeine Art von Empfangsstörung der
Radiowellen.
21. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Zug und A: Sie haben mit Sicherheit gerade über mich geredet,
denken, dass Sie zwei Leute hören, die über Sie re- sie täuschen nur vor, dass sie Zeitung lesen.
den. Als Sie sich umschauen, lesen sie Zeitung und
B: Ich bin sicher, dass ich sie über mich habe reden
reden nicht miteinander.
hören, aber vielleicht lag ich falsch.
C: Ich sollte herausfinden, ob irgendjemand anderes
schon einmal diese Art von Erfahrung gemacht
hat, bevor ich mich entscheide, was wirklich
passiert ist.
22. Stellen Sie sich vor, Sie sind zu Hause; alles ist A: Die Nachbarn machen das absichtlich, um mich zu
ruhig, als sie plötzlich ein schnelles Schlagen an den verärgern.
Wänden hören.
B: Die Nachbarn könnten irgendeine Art von Heim-
werkerarbeiten machen.
C: Die Nachbarn könnten versuchen, mir etwas
mitzuteilen.
23. Stellen Sie sich vor, Sie lesen eine Zeitung oder A: Beim Schreiben dieses Artikels wurde an Leute wie
ein Magazin und entdecken einen Artikel, der eine mich gedacht.
besondere Bedeutung für Sie hat.
B: Ich frage mich, ob jemand diesen Artikel für mich
geschrieben haben mag.
C: Bestimmt hat jemand diesen Artikel speziell für
mich geschrieben.
24. Stellen Sie sich vor, dass eine Person, die Sie nicht A: Sich so unruhig zu fühlen bedeutet, dass diese
kennen, Sie anschaut. Plötzlich stellen Sie fest, dass Person beabsichtigt, mir etwas anzutun.
Sie sich unruhig fühlen.
B: Ich frage mich, warum ich mich so unruhig fühle,
ob dies bedeuten könnte, dass diese Person
schlechte Dinge über mich denkt.
C: Von anderen Leuten angeschaut zu werden, kann
einen unruhig machen, ich mache mir darüber
keine Sorgen.
25. Stellen Sie sich vor, dass Sie eines Tages allein zu A: Irgendjemand oder irgendetwas muss ins Haus
Hause sitzen, als plötzlich in einem anderen Raum gekommen sein.
eine Tür von selbst zuschlägt.
B: Ich frage mich, ob irgendjemand oder irgendetwas
dort sein könnte.
C: Es herrscht wahrscheinlich Durchzug.
129
Cognitive Biases Questionnaire (CBQ)

Alltagssituation Am wahrscheinlichsten würde ich denken:


(Bitte umkreisen Sie A, B oder C.)
26. Stellen Sie sich vor, jemand, den Sie kennen, ruft A: Es ist merkwürdig, dass ich mich aufrege, aber ich
Sie an, als Sie gerade an ihn denken. Als Sie den interpretiere da nicht zu viel hinein.
Hörer abnehmen, merken Sie plötzlich, dass Sie sich
B: Ich frage mich, warum ich mich aufrege und ob
aufregen.
dieser Anruf sonderbar sein könnte.
C: Sich aufzuregen bedeutet etwas, es müssen
schlechte Neuigkeiten sein.
27. Stellen Sie sich vor, Sie gehen die Straße entlang, A: Ich frage mich, warum meine Aufmerksamkeit so
als Sie plötzlich ein Stellengesuch auf einem Aushang auf den Aushang gezogen wird.
bemerken, das sich von der Umgebung abhebt.
B: Vielleicht habe ich es bemerkt, weil meine beruf-
liche Laufbahn nicht so erfolgreich ist.
C: Es ist ein Zeichen dafür, dass mein Leben ein Miss-
erfolg ist.
28. Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem Bus; der A: Ich frage mich, ob er es mit Absicht macht, um die
Fahrer bremst immer wieder sehr abrupt, sodass Sie Leute wütend zu machen.
jedes Mal stolpern.
B: Dieser Busfahrer kann nicht vernünftig fahren.
C: Er macht es mit Absicht, um mich zu demütigen.
29. Stellen Sie sich vor, Sie hören, dass ein Freund A: Ich frage mich, ob er mich nicht so sehr mag, wie
eine Party veranstaltet und Sie nicht eingeladen ich es dachte.
worden sind.
B: Vielleicht kann ich versuchen, ein bisschen mehr
über die Situation herauszufinden, bevor ich
irgendeine Vermutung anstelle.
C: Er mag mich offensichtlich nicht.
30. Stellen Sie sich vor, Sie dösen auf dem Sofa vor A: Ich neige dazu, immer erschreckt aufzuwachen,
dem Fernseher und plötzlich wachen Sie erschrocken wenn ich döse.
auf.
B: Der Fernseher muss mich aufgeweckt haben.
C: Ich kann niemals irgendeine Form von Schlaf
bekommen.

Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diesen Fragebogen auszufüllen.
130 Anhang

Auswertung

Der Fragebogen besteht aus 30 Aussagen, die 2 verschiede- maximalen Gesamtwert von 90 für den kompletten Frage-
ne Themenbereiche abdecken: 15 beziehen sich auf unge- bogen. Die psychometrischen Eigenschaften des Frage-
wöhnliche Wahrnehmungen und 15 auf bedrohliche Er- bogens sind insgesamt als befriedigend bis gut zu bewerten
eignisse. Jede dieser beiden Aussagengruppen beinhaltet (Peters et al. 2014).
5 kognitive Verzerrungen: Intentionalisieren, Katastrophi- Abkürzungen wurden für die Vergleichbarkeit in eng-
sieren, dichotomes Denken, voreiliges Schlussfolgern und lischer Sprache belassen: TE = »threatening event« (be-
emotionsbasiertes Schlussfolgern. Für jeden der beiden drohliches Ereignis); AP = »anomalous perception« (un-
Themenbereiche gibt es 3 Aussagen pro Denkverzerrung, gewöhnliche Wahrnehmung); I = »intentionalising« (In-
d. h. insgesamt 6 Aussagen für jede Denkverzerrung, die tentionalisieren); C = »catastrophising« (Katastrophisie-
pseudorandomisiert vorgegeben werden. Jede Aussage ren); DT = »dichotomous thinking« (dichotomes Denken);
wird auf einer 3-stufigen Skala von 1 bis 3 (1 = Denkver- JTC = »jumping to conclusions« (voreiliges Schlussfol-
zerrung nicht vorhanden; 2 = Denkverzerrung ist teilweise gern); EBR = »emotion-based reasoning« (emotions-
vorhanden; 3 = Denkverzerrung vorhanden) bewertet. Die asiertes Schlussfolgern).
maximale Punktzahl je Themenbereich ist 45, mit einem

1. TE/I 2. AP/C 3. AP/I 4. TE/C 5. TE/DT


A=3 A=2 A=2 A =1 A=3
B=2 B=3 B=1 B=2 B=2
C=1 C=1 C=3 C=3 C=1

6. AP/JTC 7. TE/C 8. AP/EBR 9. TE/JTC 10. AP/C


A=2 A=2 A=2 A=1 A=3
B=1 B=3 B=3 B=2 B=2
C=3 C=1 C=1 C=3 C=1

11. TE/DT 12. TE/C 13. TE/EBR 14. AP/DT 15. TE/DT
A=2 A=3 A=1 A=3 A=2
B=1 B=2 B=2 B=2 B=1
C=3 C=1 C=3 C=1 C=3

16. AP/EBR 17. AP/JTC 18. TE/JTC 19. TE/EBR 20. AP/I
A=3 A=2 A=2 A=3 A=3
B=1 B=1 B=3 B=1 B=2
C=2 C=3 C=1 C=2 C=1

21. AP/JTC 22. TE/I 23. AP/I 24. TE/EBR 25. AP/C
A=3 A=3 A=1 A=3 A=3
B=2 B=1 B=2 B=2 B=2
C=1 C=2 C=3 C=1 C=1

26. AP/EBR 27. AP/DT 28. TE/I 29. TE/JTC 30. AP/DT
A=1 A=1 A=2 A=2 A=2
B=2 B=2 B=1 B=1 B=1
C=3 C=3 C=3 C=3 C=3

Literatur

Peters, E., Moritz, S., Wiseman, Z., et al. (2010). The cognitive biases questionnaire for psychosis (CBQp). Schizophrenia Research 117, 413.
Peters, E. R., Moritz, S., Schwannauer, M., et al. (2014). The cognitive biases questionnaire for psychosis. Schizophrenia Bulletin 40, 300–313.
131
Fische-Test

Fische-Test

Der Fische-Test wurde in Anlehnung an den Kugeltest Die Aufgabe verlangt folgende Einschätzungen:
(»beads task«; Garety et al. 1991) von Moritz et al. (2010) 4 Der Proband soll die Höhe der Wahrscheinlichkeit
entwickelt. Zur Verlaufsuntersuchung stehen unter http:// angeben, dass die Serie von Fischen aus Teich A bzw. B
extras.springer.com/ 3 Parallelversionen des Fische-Tests stammt (0–100 %). Auf dem Protokollbogen wird
zur Verfügung. nur die Wahrscheinlichkeit für Teich A eingetragen;
Eine Wahrscheinlichkeit unter 50 % bedeutet entspre-
chend, dass man Teich B für wahrscheinlicher hält.
Anweisung 4 Nach jeder Wahrscheinlichkeitsangabe soll der Pro-
band mitteilen, ob ihm diese Wahrscheinlichkeit
Öffnen Sie vor der Untersuchung eine der PDF-Dateien im ausreichen würde, um eine Entscheidung zu treffen
Vollbildmodus. Der Proband sollte nicht mitbekommen, (die Aufgabe läuft aber in jedem Fall weiter!).
dass es sich bei dem Experiment um ein PDF-Dokument
handelt, da ihm sonst ersichtlich werden könnte, dass die Beispiel: Bei einem Probanden, der sich zu 86 % sicher ist,
Fische nicht – wie das Experiment vorgibt – zufällig gezo- dass die Fische aus Teich A stammen, aber noch keine Ent-
gen werden. Die Instruktion wird von der ersten Folie vor- scheidung fällen würde, wäre »86« und »0« einzutragen;
gelesen. wenn ein Proband sagt, dass die Wahrscheinlichkeit für
Es ist wichtig, dass dem Probanden klar wird, dass alle Teich B 60 % wäre, ist 40 % einzutragen! (→umgekehrte
geangelten Fische aus ein und demselben Teich stammen Wahrscheinlichkeit für A).
und der Angler nicht zwischen den Teichen hin- und her- Sollte der Proband beim 4. bzw. 9. Fisch, der jeweils
wechselt! eine andere Farbe hat als die vorher präsentierten, kom-
Wenn Sie glauben, dass der Proband dies nicht verstan- plett auf den anderen Teich umschwenken, sollten Sie ihn
den hat, können Sie folgende zusätzliche Instruktion ge- nochmals darauf hinweisen, dass alle Fische aus demselben
ben: »Der Angler setzt sich an einen der beiden Teiche und Teich stammen!
angelt dann nacheinander Fische aus diesem einen Teich.
Das bedeutet, er bleibt die ganze Zeit an dem ausgewählten
Teich sitzen und wechselt nie zu dem anderen Teich.«
132 Anhang

Wahrscheinlichkeit (in %) für Aa Entscheidung? (0; A oder B)b


1. Fisch

2. Fisch

3. Fisch

4. Fisch

5. Fisch

6. Fisch

7. Fisch

8. Fisch

9. Fisch

10. Fisch

aWahrscheinlichkeit: in %-Schritten, z. B. 85, 20, 0 etc.


bEntscheidung: 0 = noch keine Entscheidung; A oder B = Teich, für den sich entschieden wurde

Auswertung Literatur

Als wichtigster Testparameter gilt, die geangelte Anzahl Garety, P. A., Hemsley, D. R., & Wessely, S. (1991). Reasoning in deluded
von Fischen, nach der eine Entscheidung gefällt wird. Eine schizophrenic and paranoid patients. Biases in performance on a
probabilistic inference task. Journal of Nervous and Mental Disease
Entscheidung nach einem oder zwei Fischen kann als Ten-
179, 194–201.
denz zum voreiligen Schlussfolgern interpretiert werden. Moritz, S., Veckenstedt, R., Hottenrott, B., Woodward, T. S., Randjbar, S.,
Des weiteren sollte auch die Entscheidungsschwelle ge- & Lincoln, T. M. (2010). Different sides of the same coin? Intercor-
messen werden (d. h. die niedrigste Wahrscheinlichkeit, relations of cognitive biases in schizophrenia. Cognitive Neuro-
mit der eine Entscheidung gefällt wird). psychiatry 15, 406–421.
133
Insight Scale (IS)

Insight Scale (IS)

(Birchwood et al. 1994; deutsche Übersetzung)


Bitte lesen Sie die Aussagen sorgfältig und kreuzen Sie das Feld an, das am besten auf Sie zutrifft.

Stimme zu Stimme Weiß nicht


nicht zu
1. Einige meiner Beschwerden wurden von meinem Kopf produziert.

2. Ich bin psychisch gesund.

3. Ich brauche keine Medikamente.

4. Mein Klinikaufenthalt war notwendig.

5. Der Arzt hat recht damit, mir Medikamente zu verschreiben.

6. Es ist nicht notwendig, dass ich einen Arzt oder Psychiater


aufsuche.

7. Wenn jemand sagen würde, ich hätte eine psychische Erkrankung,


hätte er recht.

8. Keine meiner ungewöhnlichen Erfahrungen wurde durch eine


Krankheit verursacht.
134 Anhang

Auswertung

Stimme zu Stimme Weiß nicht


nicht zu
1. Einige meiner Beschwerden wurden von meinem Kopf produziert. 2 0 1

2. Ich bin psychisch gesund. 0 2 1

3. Ich brauche keine Medikamente. 0 2 1

4. Mein Klinikaufenthalt war notwendig. 2 0 1

5. Der Arzt hat recht damit, mir Medikamente zu verschreiben. 2 0 1

6. Es ist nicht notwendig, dass ich einen Arzt oder Psychiater 0 2 1


aufsuche.

7. Wenn jemand sagen würde, ich hätte eine psychische Erkrankung, 2 0 1


hätte er recht.

8. Keine meiner ungewöhnlichen Erfahrungen wurde durch eine 0 2 1


Krankheit verursacht.
135
Insight Scale (IS)

Subskalen Insight Scale (IS)

Items Maximaler Punktwert


1, 8 Bewusstsein für die Symptome 4
(3 oder 4 = gute Krankheitseinsicht,
1 oder 2 = schlechte Krankheitseinsicht)
2, 7 Bewusstsein für die Erkrankung 4
(3 oder 4 = gute Krankheitseinsicht,
1 oder 2 = schlechte Krankheitseinsicht)
3, 4, 5, 6 Notwendigkeit einer Behandlung 4
(Items müssen addiert und durch 2 geteilt (3 oder 4 = gute Krankheitseinsicht,
werden.) 1 oder 2 = schlechte Krankheitseinsicht)

Auswertung IS:
4 Maximaler Punktwert = 12 – volle Krankheitseinsicht
4 Minimaler Punktwert = 0 – keine Krankheitseinsicht
4 (9 und höher = gute Krankheitseinsicht)

Literatur

Birchwood, M., Smith, J., Drury, V., Healy, J., Macmillan, F., & Slade, M.
(1994). A self-report Insight Scale for psychosis: reliability, validity
and sensitivity to change. Acta Psychiatrica Scandinavica 89,
62–67.
136 Anhang

Internal, Personal and Situational Attributions Questionnaire – Revision (IPSAQ-R)

(entwickelt von Kinderman u. Bentall 1996; deutsche a. Sie selbst 60%


Übersetzung und Revision: Moritz et al., 2015) b. Eine andere Person (oder eine Gruppe
von Leuten) 20%
c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) 20%
Anweisung
Möglicherweise ist es ziemlich schwierig zu entscheiden,
Bitte lesen Sie sich die Situationsbeschreibungen auf den welchen Anteil die drei Aspekte an der Situation haben.
folgenden Seiten sorgfältig durch. Versuchen Sie sich jede Bitte geben Sie trotzdem für jeden Aspekt eine Prozentzahl
Situation so lebhaft vorzustellen, als ob Ihnen das Ereignis an.
selbst zugestoßen wäre. Danach sollen Sie entscheiden, was
der Hauptgrund für das jeweils beschriebene Ereignis war. Vielen Dank für Ihre Mitarbeit.
Bitte schreiben Sie Ihre Begründung in die darunterliegen-
de Zeile. Anmerkung: Das Instrument wurde von unserer Arbeits-
Danach geben Sie bitte an, welchen Anteil (in Prozent) gruppe in Absprache mit dem Entwickler, Prof. Peter Kin-
a. Sie selbst, b. eine andere Person und c. die Situation derman, revidiert. In der Ursprungsversion von Kinder-
(Umstände oder Zufall) an diesem Ereignis haben, wobei man und Bentall (1996) wird die Auswahl eines Haupt-
0 % = kein Anteil und 100 % = alleinige Ursache bedeutet. grundes (ich, andere, Umstände) für jedes Ereignis gefor-
Die Summe der Anteile sollte 100 % betragen. dert. In der revidierten Version ist für jede der drei
Hier ein Beispiel: Antwortalternativen eine Prozentangabe vorgesehen, die
Sie bestehen die praktische Führerscheinprüfung. den Anteil der jeweiligen Ursachenquelle an dem Ereignis
Was hat dazu geführt, dass Sie Ihre Führerscheinprüfung widerspiegelt.
bestanden haben?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)
Ich bin einfach gut gefahren.
Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem
Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?
137
Internal, Personal and Situational Attributions Questionnaire – Revision (IPSAQ-R)

1. Ein Freund/eine Freundin hat Sie nach Hause gefahren.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Sie nach Hause zu fahren?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

2. Ein Freund/eine Freundin hat hinter Ihrem Rücken über Sie geredet.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, hinter Ihrem Rücken über Sie zu reden?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

3. Ein Freund/eine Freundin sagt, dass er/sie Sie nicht achtet.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, zu sagen, dass er keine Achtung vor Ihnen hat?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %


138 Anhang

4. Ein Freund/eine Freundin half Ihnen bei der Gartenarbeit.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Ihnen bei der Gartenarbeit zu helfen?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

5. Ein Freund/eine Freundin hält Sie für vertrauenswürdig.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Sie für vertrauenswürdig zu halten?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

6. Ein Freund/eine Freundin weigerte sich, mit Ihnen zu sprechen.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, sich zu weigern, mit Ihnen zu sprechen?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %


139
Internal, Personal and Situational Attributions Questionnaire – Revision (IPSAQ-R)

7. Ein Freund/eine Freundin findet Sie interessant.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Sie interessant zu finden?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

8. Ein Freund/eine Freundin schickte Ihnen eine Postkarte.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Ihnen eine Postkarte zu schicken?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

9. Ein Freund/eine Freundin findet Sie unfreundlich.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Sie unfreundlich zu finden?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %


140 Anhang

10. Ein Freund/eine Freundin macht eine beleidigende Äußerung Ihnen gegenüber.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Sie zu beleidigen?


(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

11. Ein Freund/eine Freundin kaufte Ihnen ein Geschenk.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Ihnen ein Geschenk zu kaufen?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

12. Ein Freund/eine Freundin zettelte einen Streit mit Ihnen an.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, mit Ihnen zu streiten?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %


141
Internal, Personal and Situational Attributions Questionnaire – Revision (IPSAQ-R)

13. Ein Freund/eine Freundin hält Sie für unehrlich.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Sie für unehrlich zu halten?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

14. Ein Freund/eine Freundin unterhielt sich einige Zeit mit Ihnen.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, sich einige Zeit mit Ihnen zu unterhalten?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

15. Ein Freund/eine Freundin findet Sie klug.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Sie klug zu finden?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %


142 Anhang

16. Ein Freund/eine Freundin weigerte sich, Ihnen bei einer Arbeit zu helfen.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, sich zu weigern, Ihnen bei einer Arbeit zu helfen?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

17. Ein Freund/eine Freundin hält Sie für vernünftig.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Sie für vernünftig zu halten?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

18. Ein Freund/eine Freundin findet Sie unfair.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Sie unfair zu finden?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %


143
Internal, Personal and Situational Attributions Questionnaire – Revision (IPSAQ-R)

19. Ein Freund/eine Freundin sagte, dass er/sie Sie nicht mag.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen zu sagen, dass er/sie Sie nicht mag?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

20. Ein Freund/eine Freundin rief an, um sich nach Ihnen zu erkundigen.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Sie anzurufen, um sich nach Ihnen zu erkundigen?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

21. Ein Freund/eine Freundin ignorierte Sie.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Sie zu ignorieren?


(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %


144 Anhang

22. Ein Freund/eine Freundin sagte, dass er/sie Sie bewundere.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, zu sagen, dass er/sie Sie bewundere?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

23. Ein Freund/eine Freundin sagte, dass er/sie Sie langweilig findet.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, zu sagen, dass er/sie Sie langweilig findet?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

24. Ein Freund/eine Freundin sagte, dass er/sie Ihnen etwas übel nimmt.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, zu sagen, dass er/sie Ihnen etwas übel nimmt?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %


145
Internal, Personal and Situational Attributions Questionnaire – Revision (IPSAQ-R)

25. Ein Freund/eine Freundin kam auf ein nettes Schwätzchen vorbei.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, auf ein nettes Schwätzchen vorbeizukommen?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

26. Ein Freund/eine Freundin glaubt, dass Sie ehrlich sind.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, zu glauben, dass Sie ehrlich sind?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

27. Ein Freund/eine Freundin missbrauchte Ihr Vertrauen.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Ihr Vertrauen zu missbrauchen?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %


146 Anhang

28. Ein Freund/eine Freundin forderte Sie auf zu gehen.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Sie zum Gehen aufzufordern?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

29. Ein Freund/eine Freundin sagte, dass er/sie Sie achtet.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Ihnen zu sagen, dass er Sie achtet?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

30. Ein Freund/eine Freundin hält Sie für dumm.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, Sie für dumm zu halten?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %


147
Internal, Personal and Situational Attributions Questionnaire – Revision (IPSAQ-R)

31. Ein Freund/eine Freundin sagte, dass er/sie Sie mag.

Was hat Ihren Freund/Ihre Freundin dazu bewogen, zu sagen, dass er/sie Sie mag?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %

32. Ein Nachbar/eine Nachbarin lud Sie auf ein Gläschen zu sich ein.

Was hat Ihren Nachbarn/Ihre Nachbarin dazu bewogen, Sie auf ein Gläschen zu sich einzuladen?
(Bitte schreiben Sie den Hauptgrund dafür auf.)

Welchen Anteil haben die folgenden drei Aspekte an dem Ereignis (zwischen 0 und 100 %)?

a. Sie selbst %

b. Eine andere Person (oder eine Gruppe von Leuten) %

c. Die Situation (Umstände oder Zufälle) %


148 Anhang

Auswertung Literatur

Jedes Item beschreibt eine soziale Situation. Der/die Be- Bentall, R. P., Kaney, S., & Dewey, M. E. (1991). Paranoia and social
fragte muss den Anteil (in Prozent) der drei Ursachen für reasoning: An attribution theory analysis. British Journal of Clinical
Psychology 30, 13–23.
jede Situation angeben:
Kinderman, P., & Bentall, R. P. (1996). A new measure of causal locus:
a. Eine internale Attribution (ich) The Internal, Personal and Situational Attributions Questionnaire.
b. Eine externale personale Attribution (eine andere Personality and Individual Differences 20, 261–264.
Person/andere Leute) McArthur, L. A. (1972). The how and what of why: Some determinants
c. Eine externale situative Attribution (Umstände oder and consequences of causal attribution. Journal of Personality and
Zufall) Social Psychology 22, 171–193.
Moritz, S., Köther, U., Hartmann, M., & Lincoln, T. M. (2015). Stress is a
bad advisor. Stress primes poor decision making in deluded
Positiv: 1, 4, 5, 7, 8, 11, 14, 15, 17, 20, 22, 25, 26, 29, 31, psychotic patients. European Archives of Psychiatry and Clinical
32 Neuroscience 265, 461–469.

Negativ: 2, 3, 6, 9, 10, 12, 13, 16, 18, 19, 21, 23, 24, 27, 28,
30

Nach eigenen Untersuchungen, bei der eine 16-Items-Ver-


sion des ISPAQ verwendet wurde, liegt eine starke Tendenz
zu monokausaler Zuschreibung vor, wenn bei wenigstens
2 der 16 Items eine der Antwortmöglichkeiten (ich, ande-
re, Umstände bzw. Zufall) mit einer Wahrscheinlichkeit
von 90 % oder höher versehen wurden. Übertragen auf die
Vollversion mit 32 Items kann man bei 4 monokausal be-
antworteten Items von einer Tendenz zu einseitigen Zu-
schreibungen sprechen.
149
Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS)

Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS)

(Kay et al. 1989; offizielle deutsche Übersetzung).


1 = fehlt * 2 = minimal * 3 = leicht * 4 = mäßig * 5 = mäßig schwer * 6 = schwer * 7 = extrem schwer

Subskala Bewertung

Positivsymptomatik
P1 Wahnideen 1 2 3 4 5 6 7
P2 Formale Denkstörungen 1 2 3 4 5 6 7
P3 Halluzinationen 1 2 3 4 5 6 7
P4 Erregung 1 2 3 4 5 6 7
P5 Größenideen 1 2 3 4 5 6 7
P6 Misstrauen/Verfolgungsideen 1 2 3 4 5 6 7
P7 Feindseligkeit 1 2 3 4 5 6 7

Negativsymptomatik
N1 Affektverflachung 1 2 3 4 5 6 7
N2 Emotionaler Rückzug 1 2 3 4 5 6 7
N3 Mangelnder affektiver Rapport 1 2 3 4 5 6 7
N4 Passiver/apathischer sozialer Rückzug 1 2 3 4 5 6 7
N5 Schwierigkeiten beim abstrakten Denken 1 2 3 4 5 6 7
N6 Mangel an Spontaneität und Flüssigkeit des Gesprächsflusses 1 2 3 4 5 6 7
N7 Stereotype Gedanken 1 2 3 4 5 6 7

Globale Symptomatik
G1 Sorge um die körperliche Gesundheit 1 2 3 4 5 6 7
G2 Angst 1 2 3 4 5 6 7
G3 Schuldgefühle 1 2 3 4 5 6 7
G4 Anspannung 1 2 3 4 5 6 7
G5 Manierismen und unnatürliche Körperhaltung 1 2 3 4 5 6 7
G6 Depression 1 2 3 4 5 6 7
G7 Motorische Verlangsamung 1 2 3 4 5 6 7
G8 Unkooperatives Verhalten 1 2 3 4 5 6 7
G9 Ungewöhnliche Denkinhalte 1 2 3 4 5 6 7
G10 Desorientiertheit 1 2 3 4 5 6 7
G11 Mangelnde Aufmerksamkeit 1 2 3 4 5 6 7
G12 Mangel an Urteilsfähigkeit und Einsicht 1 2 3 4 5 6 7
G13 Willensschwäche 1 2 3 4 5 6 7
G14 Mangelnde Impulskontrolle 1 2 3 4 5 6 7
G15 Selbstversunkenheit 1 2 3 4 5 6 7
G16 Aktives soziales Vermeidungsverhalten 1 2 3 4 5 6 7
150 Anhang

Häufig gestellte Fragen zur PANSS (FAQs) 4 um die Effektivität einer pharmakologischen oder
therapeutischen Behandlung zu bestimmen,
(Deutsche Übersetzung der Durchführungsempfehlungen 4 um detaillierte deskriptive Vergleiche der Psycho-
von Mark Opler, dem Direktor des PANSS-Instituts. Die pathologie von Einzelpersonen oder Patienten-
Aussagen geben nicht notwendigerweise die Sichtweise der kollektiven aufzustellen.
Autoren wieder.)
Frage: Wie ist die Skala strukturiert?
Frage: Was ist die PANSS?
Antwort: Die Skala besteht aus mehreren Teilen. Im Ein-
Antwort: Die Positive and Negative Syndrome Scale zelnen sind dies die Subskalen Positivsymptomatik (Items
(PANSS) ist ein psychometrisches Instrument, welches P1–P7), Negativsymptomatik (Items N1–N7) und Globale
dazu dient, den Schweregrad psychopathologischer Symp- Symptomatik (Items G1–G16). Jedes der 30 Items wird auf
tome auf 30 Items einzuschätzen. Sie wurde entwickelt und einer 7-stufigen Skala bewertet, wobei der Wert 1 die
standardisiert für die typologische und dimensionale Be- Abwesenheit aller Anzeichen für das jeweilige Symptom
urteilung schizophrener Erscheinungsbilder. Forschungs- angibt, während der Wert 7 einen extremen Schweregrad
befunde belegen signifikante Zusammenhänge zwischen in der Ausprägung des Items darstellt. Der PANSS-Ge-
den Positiv-Negativ-Skalen und Unterschieden in biogra- samtscore kann damit zwischen 30 und 210 Punkten lie-
fischen, genetischen, psychometrischen, klinischen, psy- gen (siehe auch die späteren Hinweise zur Interpretation).
chopharmakologischen und prognostischen Variablen,
was die PANSS-Skala in den letzten zwei Jahrzehnten zum Frage: Wie wird die PANSS durchgeführt?
idealen Messinstrument für schizophrene Symptome ge-
macht hat. Antwort: Die Informationen aus dem Interview mit dem
Die PANSS wird zudem häufig genutzt, um die Symp- Probanden selbst sowie die Informationen von Bezugsper-
tomatik bei anderen psychotischen Störungen, einschließ- sonen (z. B. einem Familienmitglied, einem Betreuer oder
lich Persönlichkeitsstörungen, affektiven Psychosen, dem Krankenhauspersonal) werden kombiniert und zur
Manie oder Störungen im Zusammenhang mit Substanz- Ermittlung der Scores für die 30 Items genutzt. Zwei ergän-
konsum, zu evaluieren. Ihre Änderungssensitivität macht zende Instrumente, das halbstrukturierte klinische Inter-
sie zum »Goldstandard« in Interventionsstudien. Zur Ge- view für die PANSS (SCI-PANSS) und der Auskunftsfrage-
währleistung der Reliabilität wird die Skala in Form eines bogen (IQ-PANSS), helfen bei der Erhebung der benötig-
standardisierten, halbstrukturierten klinischen Interviews ten Informationen und dienen dazu, den Interviewer
(SCI-PANSS) durchgeführt und beinhaltet darüber hinaus durch den Interviewprozess zu leiten und die benötigten
einen Fragebogen für Bezugspersonen (»informant ques- Informationen zu erheben.
tionnaire«, IQ-PANSS), um die Zuverlässigkeit der Aussa-
gen zu gewährleisten. Frage: Was ist die SCI-PANSS? Gibt es Unterschiede zur
PANSS?
Frage: Wie erhalte ich das PANSS-Manual sowie den Aus-
wertungs- und Fragebogen? Antwort: Die SCI-PANSS ist das halbstrukturierte klini-
sche Interview zur PANSS. So wie das SCID-Interview der
Antwort: Nehmen Sie Kontakt mit dem Verlag auf unter Strukturierung der erhobenen Informationen für die Stel-
http://www.mhs.com/ (Tel: +1-416-492-2627 oder custo- lung der DSM-5-Diagnose dient, erlaubt die SCI-PANSS
merservice@mhs.com). Unter der angegebenen US-Tele- eine standardisierte Erhebung der Interviewdaten für die
fonnummer können Sie Auskünfte über Möglichkeiten Auswertung der PANSS-Items. In Kombination mit der
erhalten, an einem PANSS-Training in Deutschland teilzu- IQ-PANSS stellt die SCI-PANSS ein gutes Instrument dar,
nehmen. welches für die Sicherung der Zuverlässigkeit von essen-
zieller Bedeutung ist.
Frage: Wofür können die PANSS-Daten verwendet wer-
den? Frage: Was ist die IQ-PANSS? Gibt es Unterschiede zur
PANSS?
Antwort: Die PANSS kann für unterschiedliche Zwecke
eingesetzt werden, z. B. Antwort: Die IQ-PANSS (»informant questionnaire«) ist
4 zur Quantifizierung der zeitlichen Veränderungen der Auskunftsfragebogen zur PANSS. Er ermöglicht die
im Symptomschweregrad bei psychisch erkrankten Erhebung der Informationen von Bezugspersonen, welche
Patienten, für viele PANSS-Items eine wichtige Rolle spielen. In Kom-
151
Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS)

bination mit der SCI-PANSS stellt die IQ-PANSS eine Antwort: Die PANSS ist ein differenziertes, international
effektive Möglichkeit dar, um sicherzustellen, dass die anerkanntes Standardinstrument, um die Effektivität von
befragten Bezugspersonen (z. B. Familienmitglieder, Behandlungen zu untersuchen. Sie wurde entwickelt, um
Krankenhauspersonal) alle Informationen zur Verfügung sensitiv für Veränderungen der Positiv- und Negativsymp-
stellen, die für diejenigen Items benötigt werden, die sich tomatik sowie vieler anderer Symptome zu sein, die nach
zum Teil oder vollständig auf deren Einschätzung stützen. Subskalen oder faktorenanalytischen Strukturen klassifi-
zierbar sind.
Frage: Wer kann die PANSS durchführen?
Frage: Wie und von wem wurde die PANSS entwickelt?
Antwort: Die PANSS ist eine sog. »B-Level-Skala«, was
bedeutet, dass vom Interviewer ein Mindestmaß an Antwort: Lewis Opler begann 1979 die PANSS als ein
Ausbildung und Erfahrung gefordert wird, die auf den Messinstrument zu entwickeln, welches sensitiv für Ände-
Kriterien der American Psychological Association und den rungen im Schweregrad der positiven wie auch negativen
ihr zugehörigen internationalen Akkreditierungsstellen Symptomatik sein sollte. Unter der Mitarbeit von Dr. Stan-
basieren. ley Kay und vielen anderen wurde die PANSS entwickelt,
getestet und normiert.
Frage: Mit wem kann die PANSS durchgeführt werden?
Frage: Brauche ich eine Zertifizierung, um die PANSS
Antwort: Die PANSS kann mit jeder Person, unabhängig durchführen zu können?
von der Störung, durchgeführt werden, wobei sie üblicher-
weise zur Beurteilung der Schwere der psychopathologi- Antwort: Die meisten Studien und Institutionen verlangen
schen Symptomatik von Patienten mit Erkrankungen wie keine spezielle Zertifizierung zur Durchführung der
Schizophrenie, schizoaffektiver Störung, affektiven Psy- PANSS. Einige führende klinische Forschungsinstitute be-
chosen oder anderen psychotischen Störungen eingesetzt ginnen jedoch, Richtlinien einzuführen, die empfehlen,
wird. das Training zum »Certified PANSS Rater« allen profes-
sionellen Ratern nahezulegen, welche die PANSS im
Frage: Wie wird die PANSS durchgeführt? Rahmen pharmazeutischer Studien durchführen.

Antwort: Die PANSS wird mithilfe eines halbstrukturier- Frage: Wie lerne ich die Durchführung der PANSS?
ten klinischen Interviews (der SCI-PANSS) durchgeführt
in Verbindung mit den Informationen der Bezugsperso- Antwort: Mit dem PANSS-Institut (The PANSS Institute,
nen über die letzte Woche (oder einem anderen spezifi- TPI) zusammenzuarbeiten und ein zertifizierter PANSS-
schen Zeitabschnitt, der jeweils berücksichtigt werden Rater zu werden, ist der beste Weg, um die Anwendung der
soll). PANSS zu erlernen. Das TPI ist der einzige Anbieter eines
Trainings zum »Certified PANSS Rater«.
Frage: Ich bin daran interessiert, die PANSS als Hilfsmittel Das TPI stellt allen interessierten Klinikern und For-
zu verwenden, um den klinischen Verlauf von Patienten schern, die zertifiziert werden möchten, geeignetes und
darzustellen. Einige der Patienten haben jedoch andere effektives Trainingsmaterial zur Verfügung.
Diagnosen als Schizophrenie – kann ich die PANSS auch Besuchen Sie http://www.panss.org/ für weitere Infor-
mit ihnen durchführen? mationen oder kontaktieren Sie das TPI unter info@panss.
org.
Antwort: Obwohl sie vorwiegend dazu genutzt wird, den
Schweregrad der Symptome bei Schizophrenie und ande- Frage: Wo erhalte ich eine Liste der PANSS-Items und
ren psychotischen Störungen zu beurteilen, ist die PANSS einen Auswertungsbogen?
nicht diagnosespezifisch. Bei einer Vielzahl von Störungs-
bildern wie bei bipolaren Störungen und affektiven Psy- Antwort: Eine Liste der Items sowie ein Auswertungs-
chosen wird sie routinemäßig eingesetzt. Einzelne Kompo- bogen sind auf einer der vorigen Seite angefügt. Um die
nenten der PANSS wurden in Studien zur Alzheimer- Skala verwenden zu können, benötigen Sie eine Ausgabe
Erkrankung, Anorexia nervosa, drogeninzudierten Psy- des PANSS-Manuals vom Herausgeber. Übersetzungen
chosen u. a. verwendet. der Rating-Kriterien, der SCI-PANSS und der IQ-PANSS
sind in deutscher Sprache erhältlich.
Frage: Warum soll ich gerade die PANSS verwenden und
keine andere Ratingskala?
152 Anhang

Hinweise zur Interpretation Literatur

Der Algorithmus von van der Gaag und Kollegen (2006) Andreasen, N. C., Carpenter, W. T. Jr., Kane, J. M., Lasser, R. A., Marder, S.
wird für die Verlaufsmessung empfohlen. Verschiedene R., & Weinberger, D. R. (2005). Remission in schizophrenia: pro-
posed criteria and rationale for consensus. American Journal of
Cut-offs sind in der Literatur für die Schweregradeintei-
Psychiatry 162, 441–449.
lung der PANSS und die klinische Bewertung von Ände- Kay, S. R., Opler, L. A., & Lindenmayer, J. P. (1989). The Positive and
rungen vorgeschlagen worden. In einer Studie (Leucht et Negative Syndrome Scale (PANSS): rationale and standardisation.
al. 2006), die auf den Daten von 5.970 Patienten beruht, British Journal of Psychiatry 155, 59–67.
entsprach eine Reduktion von 15 Punkten auf der PANSS Leucht, S., Kane, J. M., Kissling, W., Hamann, J., Etschel, E., & Engel, R. R.
einer minimalen Verbesserung in der Clinical Global Im- (2005). What does the PANSS mean? Schizophrenia research 79,
231–238.
pression Scale (CGI), eine Reduktion von 33 Punkten da-
Leucht, S., Kane, J. M., Etschel, E., Kissling, W., Hamann, J., & Engel, R. R.
gegen einer deutlichen Verbesserung. Diese Bezüge waren (2006). Linking the PANSS, BPRS, and CGI: clinical implications.
jedoch abhängig vom Ausgangsniveau der Psychopatholo- Neuropsychopharmacology 31, 2318–2325.
gie, sodass wir raten, klinische Bewertungen anhand der van der Gaag, M. , Hoffman, T., Remijsen, M., et al. (2006). The five-
prozentualen und nicht der absoluten Veränderungen vor- factor model of the Positive and Negative Syndrome Scale II:
a ten-fold cross-validation of a revised model. Schizophrenia
zunehmen. Anhand von über 4.000 Daten ermittelte die-
Research 85, 280–287.
selbe Arbeitsgruppe (Leucht et al. 2005), dass eine 50%ige
Reduktion in der PANSS einer deutlichen Verbesserung in
der CGI entsprach. Für behandlungsresistente Patienten
wird eine Reduktion um 25 % als deutliche Besserung er-
achtet (dieser Cut-off ist ansonsten eher als minimale Ver-
besserung zu bewerten).
Bezüglich der Schweregradbeurteilung sind die
PANSS-Gesamtwerte wie folgt zu beurteilen:
4 58 Punkte = leichte Symptomatik
4 75 = mittelgradige Symptomatik
4 95 = deutliche Symptomatik
4 116 = schwere Symptomatik

Nach Andreasen und Kollegen (2005) ist von einer Remis-


sion der Kernstörung auszugehen, wenn keines der folgen-
den PANSS-Items innerhalb der letzten 6 Monate eine
Ausprägung höher als 3 hatte (= leicht):
4 Wahnideen (P1)
4 Formale Denkstörungen (P2)
4 Halluzinationen (P3)
4 Affektverflachung (N1)
4 Passiver/apathischer sozialer Rückzug (N4)
4 Mangel an Spontaneität und Flüssigkeit des Ge-
sprächsflusses (N6)
4 Manierismen und unnatürliche Körperhaltung (G5)
4 Ungewöhnliche Denkinhalte (G9)
153
Psychotic Symptom Rating Scales (PSYRATS)

Psychotic Symptom Rating Scales PSYRATS)

(entwickelt von Haddock et al. 1999; deutsche Überset-


zung: Schneider et al. 2011).

Auditive Halluzinationen

Allgemeine Anweisungen
Das folgende strukturierte Interview dient der Erfassung
spezifischer Details, die verschiedene Dimensionen audi-
tiver Halluzinationen betreffen. Die Fragen des Interviews
sind so konstruiert, dass in den meisten Fällen die Erfah-
rungen des Patienten in Bezug auf die letzte Woche einzu-
schätzen sind.
Es gibt zwei Ausnahmen: Wenn beispielsweise die
»Vorstellungen über die Ursache der Stimmen« abgefragt
werden, ist die Antwort des Patienten dahingehend zu be-
urteilen, was dieser zum Zeitpunkt des Interviews glaubt.
Auch die Lautstärke der Stimmen sollte bezüglich ihrer
Lautstärke zum Zeitpunkt des Interviews oder der letzten
Stimmen-Erfahrung des Patienten beurteilt werden.

Zeitdauer der Stimmenerfahrung (Jahre):

Halluzinationen anderer Modalitäten (bitte ankreuzen):


visuell/olfaktorisch/gustatorisch/taktil
154 Anhang

Beurteilungskriterien

1. Häufigkeit
Wie oft hören Sie Stimmen, z. B. jeden Tag, den ganzen Tag etc.?
0. Stimmen sind nicht oder weniger als einmal die Woche vorhanden (falls vorhanden, spezifizieren Sie die
Häufigkeit).
1. Stimmen kommen mindestens einmal die Woche vor.
2. Stimmen kommen wenigstens einmal am Tag vor.
3. Stimmen kommen wenigstens einmal stündlich vor.
4. Stimmen sind kontinuierlich oder fast kontinuierlich vorhanden, d. h., sie hören nur für einige Sekunden
oder Minuten auf.

2. Dauer
Wenn Sie Stimmen hören, wie lange halten sie dann an, z. B. einige Sekunden, Minuten, Stunden, den ganzen
Tag lang?
0. Stimmen nicht vorhanden.
1. Stimmen dauern wenige Sekunden an, flüchtige Stimmen.
2. Stimmen dauern mehrere Minuten an.
3. Stimmen dauern wenigstens eine Stunde an.
4. Stimmen dauern jeweils für Stunden an.

3. Ort
Wenn Sie Ihre Stimmen hören, von wo hört es sich an, als würden sie kommen?
Innerhalb Ihres Kopfes und/oder außerhalb Ihres Kopfes?
Wenn die Stimmen sich anhören, als würden sie von außerhalb Ihres Kopfes kommen, von wo hört es sich an,
als würden sie kommen?
0. Keine Stimmen vorhanden.
1. Stimmen hören sich so an, als seien sie nur innerhalb des Kopfes.
2. Stimmen außerhalb des Kopfes, aber nahe der Ohren oder des Kopfes. Stimmen innerhalb des Kopfes
können zusätzlich vorkommen.
3. Stimmen hören sich so an, als seien sie innerhalb des Kopfes oder nahe der Ohren und außerhalb des
Kopfes weg von den Ohren.
4. Stimmen hören sich so an, als seien sie nur außerhalb des Kopfes.
155
Psychotic Symptom Rating Scales (PSYRATS)

4. Lautstärke
Wie laut sind die Stimmen? Sind sie lauter als Ihre Stimme, ungefähr genauso laut, leiser oder
nur ein Flüstern?
0. Stimmen nicht vorhanden.
1. Leiser als die eigene Stimme, Flüstern.
2. Ungefähr dieselbe Lautstärke wie die eigene Stimme.
3. Lauter als die eigene Stimme.
4. Extrem laut, Schreien.

5. Vorstellungen über die Ursache der Stimmen


Was meinen Sie hat Ihre Stimmen hervorgerufen? Werden die Stimmen von Faktoren hervorgerufen, die Sie
selber oder ausschließlich andere Leute oder Faktoren betreffen?
Wenn der Patient einen externalen Ursprung äußert:
Wie sehr glauben Sie, dass die Stimmen von (fügen Sie die Angabe des
Patienten ein) hervorgerufen werden auf einer Skala von 0–100 %, wobei 100 % bedeutet, dass Sie völlig davon
überzeugt sind und keine Zweifel haben, und 0 % bedeutet, dass es völlig unwahr ist?
0. Stimmen nicht vorhanden.
1. Glaubt, die Stimmen werden ausschließlich internal bzw. von der eigenen Person generiert.
2. Ist weniger als 50 % der Überzeugung, dass die Stimmen von externen Ursachen hervorgerufen werden.
3. Ist 50 % oder mehr der Überzeugung (aber weniger als 100 %), dass die Stimmen von außen erzeugt
werden.
4. Glaubt, dass die Stimmen ausschließlich von außen erzeugt werden (100%ige Überzeugung).

6. Ausmaß negativer Inhalte der Stimmen


Äußern Ihre Stimmen unangenehme oder negative Dinge?
Können Sie mir ein paar Beispiele dafür geben, was die Stimmen sagen? (Beispiele protokollieren.)
Wie häufig sagen die Stimmen diese Art von unangenehmen oder negativen Dingen, relativ zur Häufigkeit
ihres Auftretens?
0. Keine unangenehmen Inhalte.
1. Gelegentlich unangenehme Inhalte.
2. Unangenehme oder negative Stimmeninhalte sind in der Minderheit (weniger als 50 %).
3. Unangenehme oder negative Stimmeninhalte sind in der Mehrheit (mehr als 50 %).
4. Der gesamte Stimmeninhalt ist unangenehm oder negativ.
156 Anhang

7. Grad negativer Inhalte


(Beurteilen Sie anhand der Skalenkriterien; fragen Sie den Patienten nach einer genauen Beschreibung
falls nötig)
0. Keine unangenehmen oder negativen Inhalte.
1. Ein gewisses Maß an negativen Inhalten, aber keine persönlichen Kommentare bezogen auf das Selbst
oder die Familie, z. B. Schimpfworte oder Kommentare, die nicht auf das Selbst gerichtet sind, z. B.
»Der Milchmann ist hässlich«.
2. Persönliche verbale Beschimpfungen, Kommentare, die sich auf das Verhalten beziehen, z. B.
»Du solltest das nicht tun oder sagen«.
3. Persönliche verbale Beschimpfungen, die sich auf das Selbst-Konzept bezieht, z. B. »Du bist faul, hässlich,
verrückt, pervers«.
4. Persönliche Bedrohungen des Selbst, z. B. Bedrohung, sich selbst oder der Familie zu schaden, extreme
Instruktionen oder Befehle, sich selbst oder anderen zu schaden, und persönlicher verbaler Missbrauch
wie in 3.

8. Höhe der Belastung


Belasten Sie die Stimmen? Wie viel der Zeit?
0. Stimmen sind überhaupt nicht belastend.
1. Stimmen sind gelegentlich belastend; mehrheitlich nicht belastend (<10 %).
2. Eine Minderheit der Stimmen ist belastend (<50 %).
3. Die Mehrheit der Stimmen ist belastend, die Minderheit ist nicht belastend (≥50 %).
4. Stimmen sind immer belastend.

9. Intensität der Belastung


Wenn die Stimmen belastend sind, wie belastend sind sie? Verursachen sie eine minimale, mittlere oder deut-
liche Belastung? Sind die Stimmen maximal belastend, d. h. belastender als je zuvor?
0. Stimmen sind überhaupt nicht belastend.
1. Stimmen sind leicht belastend.
2. Stimmen sind mittelmäßig belastend.
3. Stimmen sind sehr belastend, aber der Betroffene könnte sich schlimmer fühlen.
4. Stimmen sind extrem belastend, der Betroffene fühlt sich so schlecht, wie er/sie sich nur fühlen kann.
157
Psychotic Symptom Rating Scales (PSYRATS)

10. Lebensbeeinträchtigung durch die Stimmen


Wie stark wird Ihr Leben durch die Stimmen beeinträchtigt?
Halten die Stimmen Sie von der Arbeit oder anderen Tagesaktivitäten ab?
Beeinflussen die Stimmen Ihre Beziehung zu Freunden und/oder Familienangehörigen?
Halten die Stimmen Sie davon ab, sich selber zu versorgen, z. B. sich zu waschen, Kleidung zu wechseln etc.?
0. Keine Lebensbeeinträchtigung, soziale und familiäre Beziehungen werden aufrechterhalten
(wenn vorhanden).
1. Die Stimmen verursachen eine minimale Lebensbeeinträchtigung, z. B. beeinträchtigen sie die Konzen-
trationsfähigkeit, obwohl Tagesaktivitäten und soziale sowie familiäre Beziehungen noch aufrechterhal-
ten werden können und ein unabhängiges Leben ohne Unterstützung gelebt werden kann.
2. Die Stimmen verursachen eine mittlere Lebensbeeinträchtigung, die zu Störungen von Tagesaktivitäten
und/oder familiären oder sozialen Aktivitäten führen. Der Patient ist nicht im Krankenhaus unterge-
bracht, er kann aber in betreutem Wohnen untergebracht sein oder zusätzliche Hilfe bei der Bewältigung
des Alltags bekommen.
3. Die Stimmen verursachen eine bedeutende Lebensbeeinträchtigung, sodass eine Unterbringung im
Krankenhaus gewöhnlich notwendig ist. Der Patient ist im Krankenhaus in der Lage, einige Alltags-
aktivitäten selbst zu bewältigen, sich selber zu versorgen sowie Beziehungen zu pflegen. Der Patient kann
auch in betreutem Wohnen untergebracht sein, erfährt aber dennoch deutliche Alltagsbeeinträchtigun-
gen in Bezug auf Aktivitäten, Alltagsfertigkeiten und/oder Beziehungen.
4. Die Stimmen verursachen eine vollständige Beeinträchtigung im alltäglichen Leben, die eine Unter-
bringung im Krankenhaus unabdingbar macht. Der Patient ist nicht in der Lage, Alltagsaktivitäten oder
soziale Beziehungen aufrechtzuerhalten. Die Selbstfürsorge ist ernsthaft beeinträchtigt.

11. Kontrollierbarkeit der Stimmen


Denken Sie, dass Sie irgendwie kontrollieren können, wann Ihre Stimmen auftreten?
Können Sie Ihre Stimmen abstellen oder hervorrufen?
0. Patient glaubt, er/sie könne die Stimmen kontrollieren und sie immer willentlich hervorrufen oder
abstellen.
1. Patient glaubt, er/sie könne in der Mehrzahl der Fälle etwas Kontrolle über die Stimmen ausüben.
2. Patient glaubt, er/sie könne ca. die Hälfte der Zeit etwas Kontrolle über die Stimmen ausüben.
3. Patient glaubt, er/sie könne etwas Kontrolle über die Stimmen ausüben, aber nur gelegentlich.
Überwiegend hört er/sie Stimmen, die unkontrollierbar sind.
4. Patient hat keine Kontrolle darüber, wann die Stimmen auftreten, und kann diese in keiner Weise
abstellen oder hervorrufen.
158 Anhang

Anzahl der Stimmen

Wie viele unterschiedliche Stimmen haben Sie im Laufe


der letzten Woche gehört?

Anzahl der Stimmen =

Form der Stimmen (Anrede)


Erste Person Ja/Nein (n = )
Zweite Person Ja/Nein (n = )
Dritte Person Ja/Nein (n = )
Einzelne Worte oder Sätze Ja/Nein (n = )
ohne Pronomen
159
Psychotic Symptom Rating Scales (PSYRATS)

Auswertung
Auditive Halluzinationen: Auswertungsblatt

Beurteilungskriterium Punkte

1. Häufigkeit

2. Dauer

3. Ort

4. Lautstärke

5. Vorstellungen über die Ursache der Stimmen

6. Ausmaß negativer Inhalte der Stimmen

7. Grad negativer Inhalte

8. Höhe der Belastung

9. Intensität der Belastung

10. Lebensbeeinträchtigung durch die Stimmen

11. Kontrolle
160 Anhang

Wahn

Allgemeine Anweisungen
Das folgende strukturierte Interview dient der Erfassung
spezifischer Details, die verschiedene Dimensionen wahn-
hafter Überzeugungen betreffen. Die Fragen des Inter-
views sind so konstruiert, dass bei dem Großteil der Items
die Erfahrungen des Patienten in Bezug auf die letzte Wo-
che einzuschätzen sind.
Es gibt eine Ausnahme: Wenn die Überzeugungsstärke
beurteilt wird, fragen Sie den Patienten nach der Überzeu-
gung zum Zeitpunkt des Interviews.

Zeitdauer der wahnhaften Überzeugung (Jahre):

Bitte spezifizieren Sie die individuellen wahnhaften Über-


zeugungen:
161
Psychotic Symptom Rating Scales (PSYRATS)

Beurteilungskriterien

1. Stärke der Beschäftigung mit dem Wahn


Wie viel Zeit verbringen Sie damit, über Ihre Überzeugungen nachzudenken? Ständig/täglich/
wöchentlich etc.?
0. Kein Wahn oder der Patient denkt weniger als einmal die Woche an die wahnhaften Inhalte.

1. Patient denkt über seine Überzeugungen wenigstens einmal die Woche nach.

2. Patient denkt über seine Überzeugungen wenigstens einmal am Tag nach.

3. Patient denkt über seine Überzeugungen wenigstens einmal pro Stunde nach.

4. Patient denkt an den Wahn kontinuierlich oder fast kontinuierlich. Der Patient kann über andere Dinge
nur wenige Sekunden oder Minuten nachdenken.

2. Beschäftigungsdauer mit dem Wahn


Wenn Ihnen die Überzeugungen in den Kopf schießen, wie lange halten diese an? Wenige Sekunden/Minuten/
Stunden etc.?
0. Kein Wahn.

1. Gedanken an den Wahn dauern wenige Sekunden, flüchtige Gedanken.

2. Gedanken an den Wahn dauern einige Minuten.

3. Gedanken an den Wahn dauern wenigstens eine Stunde.

4. Gedanken an den Wahn dauern üblicherweise jeweils für Stunden an.

3. Überzeugung (zum Zeitpunkt des Interviews)


0. Überhaupt nicht überzeugt.

1. Sehr wenig Überzeugung von der Wahrhaftigkeit der Vorstellungen, weniger als 10%.

2. Einige Zweifel bezüglich der Überzeugung, zwischen 10 und 49%.

3. Starke Überzeugung, zwischen 50 und 99%.

4. 100%ige Überzeugung.
162 Anhang

4. Höhe der Belastung


Belasten Sie Ihre Überzeugungen?
Wie häufig belasten Sie Ihre Überzeugungen, relativ zu ihrem Auftreten?
0. Überzeugungen sind nie belastend.

1. Überzeugungen sind nur in der Minderzahl der Fälle belastend.

2. Überzeugungen sind nur in weniger als 50 % der Fälle belastend.

3. Überzeugungen sind in der Mehrzahl der Fälle belastend, wenn Sie auftreten; zwischen 50 und 99 % der
Zeit.
4. Überzeugungen sind immer belastend, wenn Sie auftreten.

5. Intensität der Belastung


Wenn Ihre Überzeugungen Sie belasten, wie stark ist dann die Belastung?
0. Keine Belastung.

1. Überzeugungen verursachen eine leichte Belastung.

2. Überzeugungen verursachen eine mittlere Belastung.

3. Überzeugungen verursachen eine deutliche Belastung.

4. Überzeugungen verursachen eine extreme Belastung, sie könnte nicht schlimmer sein.

6. Lebensbeeinträchtigung durch die Überzeugungen


Wie stark beeinträchtigen die Überzeugungen Ihr Leben?
Halten die Überzeugungen Sie von der Arbeit oder anderen Tagesaktivitäten ab?
Beeinflussen die Überzeugungen Ihre Beziehungen zu Freunden und/oder Familienangehörigen?
Beeinträchtigen die Überzeugungen Sie dabei, für sich selber zu sorgen, z. B. sich zu waschen, Kleidung zu
wechseln etc.?
0. Keine Lebensbeeinträchtigung, eigenständiges Leben kann ohne Probleme in den Alltagsfertigkeiten ge-
lebt werden. Soziale und familiäre Beziehungen können (wenn vorhanden) aufrechterhalten werden.
1. Überzeugungen verursachen eine minimale Lebensbeeinträchtigung, z. B. beeinträchtigen sie die Kon-
zentrationsfähigkeit, obwohl Tagesaktivitäten und soziale sowie familiäre Beziehungen noch aufrechter-
halten werden können und ein eigenständiges Leben ohne Unterstützung gelebt werden kann.
2. Überzeugungen verursachen eine mittlere Lebensbeeinträchtigung, die zu Störungen von Tagesaktivitäten
und/oder familiären oder sozialen Aktivitäten führen. Der Patient ist nicht im Krankenhaus unterge-
bracht, er kann aber in betreutem Wohnen untergebracht sein oder zusätzliche Hilfe bei der Bewältigung
des Alltags bekommen.
163
Psychotic Symptom Rating Scales (PSYRATS)

3. Überzeugungen verursachen eine bedeutende Lebensbeeinträchtigung, sodass eine Unterbringung im


Krankenhaus gewöhnlich notwendig ist. Der Patient ist im Krankenhaus in der Lage, einige Alltagsaktivi-
täten selbst zu bewältigen, sich selber zu versorgen sowie Beziehungen zu pflegen. Der Patient kann auch
in betreutem Wohnen untergebracht sein, erfährt aber dennoch deutlich Alltagsbeeinträchtigungen in
Bezug auf Aktivitäten, Alltagsfertigkeiten und/oder Beziehungen.
4. Überzeugungen verursachen eine vollständige Beeinträchtigung im täglichen Leben, die eine Unterbrin-
gung im Krankenhaus notwendig macht. Der Patient ist nicht in der Lage, Alltagsaktivitäten oder soziale
Beziehungen aufrechtzuerhalten. Die Selbstfürsorge ist ernsthaft beeinträchtigt.

Auswertung
Wahn: Auswertungsblatt
Beurteilungskriterium Punkte

1. Stärke der Beschäftigung

2. Beschäftigungsdauer

3. Überzeugung

4. Höhe der Belastung

5 Intensität der Belastung

6. Lebensbeeinträchtigung durch die Überzeugungen

Literatur

Haddock, G., McCarron, J., Tarrier, N., & Faragher, E. B. (1999). Scales to
measure dimensions of hallucinations and delusions: the psy-
chotic symptom rating scales (PSYRATS). Psychological Medicine
29, 879–889.
Schneider, S. D., Jelinek, L., Lincoln, T. M., & Moritz, S. (2011). What
happened to the voices? A fine-grained analyses of how halluci-
nations and delusions change under psychiatric treatment.
Psychiatry Research 188, 13–7.
164 Anhang

Rosenberg Self-Esteem-Scale (RSES)

(Rosenberg 1965; Revision der deutschsprachigen Fassung: von Collani u. Herzberg 2003)
Bitte kreuzen Sie die Zahl an, deren Aussage für Sie am stimmigsten ist.

trifft gar trifft voll


nicht zu und ganz
zu
1. Alles in allem bin ich mit mir selbst zufrieden. 0 1 2 3

2. Hin und wieder denke ich, dass ich gar nichts tauge. 0 1 2 3

3. Ich besitze eine Reihe guter Eigenschaften. 0 1 2 3

4. Ich kann vieles genauso gut wie die meisten anderen 0 1 2 3


Menschen auch.

5. Ich fürchte, es gibt nicht viel, worauf ich stolz sein 0 1 2 3


kann.

6. Ich fühle mich von Zeit zu Zeit richtig nutzlos. 0 1 2 3

7. Ich halte mich für einen wertvollen Menschen, jeden- 0 1 2 3


falls bin ich nicht weniger wertvoll als andere auch.

8. Ich wünschte, ich könnte vor mir selbst mehr Achtung 0 1 2 3


haben.

9. Alles in allem neige ich dazu, mich für einen Versager 0 1 2 3


zu halten.

10. Ich habe eine positive Einstellung zu mir selbst gefun- 0 1 2 3


den.
165
Rosenberg Self-Esteem-Scale (RSES)

Beschreibung Literatur

Die RSES dient der Messung des globalen Selbstwertge- von Collani, G., & Herzberg, P. Y. (2003). Eine revidierte Fassung der
fühls und ist hierfür weltweit das am häufigsten verwende- deutschsprachigen Skala zum Selbstwertgefühl von Rosenberg.
Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie 24, 3–7.
te Verfahren. Die hier vorliegende Version (von Collani u.
Ferring, D., & Filipp, S. H. (1996). Messung des Selbstwertgefühls:
Herzberg 2003) beruht auf einer leichten Revision der Befunde zur Reliabilität, Validität und Stabilität der Rosen-
deutschsprachigen Fassung von Ferring und Filipp (1996). berg-Skala. Diagnostica 42, 284–292.
Es handelt sich um einen eindimensionalen, störungsüber- Herzberg, P. Y. (2014). Rosenberg Skala zum Selbstwertgefühl
greifenden Fragebogen (Herzberg 2014). (Rosenberg Self-Esteem-Scale). In D. Richter, E. Brähler, & B. Strauß
Das globale Selbstwertgefühl stellt eine zentrale Kom- (Hrsg.), Diagnostische Verfahren in der Sexualwissenschaft.
Diagnostik für Klinik und Praxis – Band 7, (S. 150–152). Göttingen:
ponente der allgemeinen Lebenszufriedenheit dar und
Hogrefe.
wird als wichtiger Indikator für die psychische Gesundheit Rosenberg, M. (1965). Society and the adolescent self-image. Princeton,
allgemein angesehen. Der Selbstwert wird mithilfe der NJ: Princeton University Press.
RSES ökonomisch, valide sowie reliabel als Selbstbeurtei- Trzesniewski, K. H., Donnellan, M. B., & Robins, R. W. (2003). Stability of
lung erfasst. Der Fragebogen ist aufgrund seiner Kürze der self-esteem across the life span. Journal of Personality and Social
Psychology 84, 205–220.
klar formulierten Items schnell und einfach anwendbar.
Die Bearbeitungsdauer beträgt ca. zwei Minuten; die
Handauswertung erfordert etwa eine Minute. Metaanaly-
sen (Trzesniewski et al. 2003) zufolge erreicht die Test-
Retest-Reliabilität für Einjahresintervalle der RSES durch
entwicklungsbedingte Veränderungen des globalen Selbst-
wertgefühls erst ab der späten Adoleszenz Werte über 0.60.
Eine höhere Test-Retest-Reliabilität wird bei kürzeren In-
tervallen erzielt. Über verschiedene Stichproben und Ver-
sionen der RSES hinweg liegt die mittlere interne Konsis-
tenz zwischen 0.83 und 0.88 (Herzberg 2014).

Auswertung

Der Fragebogen besteht aus 10 Items, die auf einer 4-stufi-


gen Skala von 0 = »trifft gar nicht zu« bis 3 = »trifft voll
und ganz zu« beantwortet werden. Aus den Antworten
wird ein Summenscore gebildet (Range: 0–30): Je höher
der Wert, desto höher ist der Selbstwert einzuschätzen. Die
Items 2, 5, 6, 8 und 9 sind negativ formuliert und müssen
vor der Bildung des Summenscores umkodiert werden.
167 A–M

Stichwortverzeichnis

A – inhaltliche 10
Denkverzerrung 3, 26, 40
Frühdyskinesie 21
Frühwarnsymptom 112, 115
Integrative Neurokognitive
Therapie (INT) 28
Affekt, inadäquater 10 – depressive 104 Integriertes Psychologisches
Affektverflachung 10, 118 Depersonalisation 12 Therapieprogramm bei
Akathisie 21
Aktionismus, intellektueller 56
Depression 27, 41, 51, 63, 77,
102, 103
G schizophren Erkrankten (IPT)
27
Anamnese 29, 61, 63, 68, 118 – postschizophrene 11 Gedächtnis 72, 99 Internal, Personal and Situa-
Anamneseleitfaden 70 Derealisation 12 Gedächtnisdefizit 49, 100, 119 tional Attributions
Angehörige 59 Dermatozoenwahn 18 Gedächtniskontamination 49 Questionnaire (IPSAQ) 42
Angst 71, 87, 92, 106, 107, 108 Desorganisation 14 Gedächtnisstütze 101 International Classification of
Angststörung 19, 25 Desorientiertheit 72 Gedankenausbreitung 12 Diseases (ICD-10) 8, 9
Antipsychotikum 2, 16, 21, 27 Diagnose 112 Gedankeneingebung 12 Intrusion 17, 106
– atypisches 21 Diagnostic and Statistical Gedankenentzug 12 Isolation, soziale 87, 92, 106
– Nebenwirkung 23 Manual of Mental Disorders Gedanken-Handlungs-Fusion
– psychologische Wirkfaktoren (DSM-5) 8, 9 11
24
– typisches 21
Diagnostik 8
Differenzialdiagnostik 12, 68
Gedankenunterdrückung 51,
106
J
– Wirksamkeit 23 Dopaminhypothese 21 gelbe Karte 74, 87 Jaspers, Karl 8, 16
Antrieb 71, 106 Drogenkonsum 70 genetische Einflüsse 15
Ätiologie 15 Durchgangssyndrom 20 Gesprächsführung, sokratische
Attribution 40
Attributionsstil 40, 41, 42, 77
26, 59, 73, 86
Gesundheit 72
K
Aufmerksamkeit 72
E Glutamathypothese 22
Größenwahn 18, 50, 91
Katastrophendenken 104, 105
Kleinheitswahn 18
Eifersuchtswahn 18 Grübeln 105 Kognition, soziale 31, 46, 48
B Eigengefährdung 71
Einbildung 91
Kommunizieren der Erkrankung
114
BADE-Paradigma 45
Beck Cognitive Insight Scale
Einfühlen 46, 59, 94, 97
Einzeltherapie 29, 63
H Komorbidität 14
Kompetenz, soziale 57, 60, 98
(BCIS) 32 Emotionserkennung 95 Halluzination 20, 26, 71 Komplott 85
Beck-Depressions-Inventar 103 Entpathologisierung 26 Hamilton Depression Rating Korrigierbarkeit 88
Bedrohungserleben 87, 92 Entrückung 24 Scale 103 Kraepelin, Emil 8
Beeinträchtigung, kognitive 14 Epidemiologie 8 Hausaufgaben 29, 58, 63, 68 Krankheitseinsicht 60, 63, 71,
Begleiter, wohlwollender 111 Erklärungsmodell, individuelles Hintertüransatz 4 119
Bestätigungstendenz 90 29, 61, 63, 75, 76 Hirnstruktur, Besonderheiten Krankheitsgewinn 51, 109
Beziehungsaufbau 68 Erwartungsangst 46 16 Krise, psychische 41, 74, 93
Beziehungsidee 18 Evaluationsinstrumente 32 Kritiker, innerer 104, 111
Beziehung, therapeutische 26 Expressed-Emotions-Konzept Kugeltest 42
Bleuler, Eugen 8
Brief Psychiatric Rating Scale
25
Externalisierung 41
I
(BPRS) 32, 68 Ich-Störung 10, 12, 18, 70, 106
Idee
L
F – fixe 17 Langzeittherapie 62
C Fallbeispiel 40, 42, 44, 46, 48,
– wahnhafte 16, 20
Imaginationsübung 111
Lebensereignis, belastendes
70
Capgras-Syndrom 18 50, 61, 72 Impulskontrolle 72 Legende, moderne 85
Cognitive Bias Questionnaire False-Memory-Effekt 50 Individualisiertes Metakogni-
(CBQp) 32 Familienanamnese 70 tives Therapieprogramm
Copingstrategien 26, 46, 68,
69, 113
Familientherapie 28
Fehleinschätzung 83, 95
(MKT+)
– Akzeptanz 30
M
Fehlerinnerung 48, 49, 100, – Einführung 73 Maudsley Review Training
101 – Lösungsmöglichkeiten 117 Programme 31
D Fehler, kognitiver 32
Fehlwahrnehmung 69
– Probleme 117
– Sicherheit 30
Medikamentenadhärenz 23,
27, 28
Dementia praecox 49, 51 Feindseligkeit 15 – Symptomverbesserung 30 Memorierungsstrategie 99
Demenz 49 Fische-Test 32, 42 – Therapieeinheiten 74 Merkblatt 14
Denkstörung Fremdbeeinflussungserlebnis Insight Scale (IS) 32 Metacognitive Abilities
– formale 10, 48, 71 12 Integration, soziale 70 Questionnaire (MAQ) 32
168 Stichwortverzeichnis

Metagedächtnisdefizit 49 rote Karte 74, 115 Suizidrate 8 – mangelnde Distanz 57


Metakognition 2, 29, 32, 48, 73 Rückfallprophylaxe 26, 29, 64, Syndrom, amnestisches 49 – nihilistischer 18
Metakognitives Gruppen- 112, 113, 114 Wahnarbeit 17
training (MKT) 2, 28, 29, 30 Rückzug, sozialer 71, 92, 106 Wahneinfall 17
Mini International Neuropsychi-
atric Interview (MINI) 61
T Wahnidee 17, 26, 41, 51, 56, 70,
102
Misstrauen 61, 69, 119
S Theory of Mind (ToM) 46
Therapieabbruch 120
– paranoide 46, 50
– Verbreitung 19
schizophrenes Residuum 10, Therapieende 64 Wahninhalt 16, 19
N 11
Schizophrenia simplex 11
Therapiemotivation 68, 119
Therapieplanung 60
Wahnstimmung 17
Wahnsystem 18, 57, 86
Negativsymptome 10, 48 Schizophrenie 2, 7, 51 Therapieresistenz 23 Wahnvorstellung 30
Neurokognition 22, 27 – diagnostische Kriterien 9 Therapieziel 60, 61 Wahnwahrnehmung 17
Neuroleptikum 21 – hebephrene 10, 11 Training sozialer Fertigkeiten Wahrnehmungsstörung 68
neuropsychologische Störung – katatone 11 26 Wiederholung 50, 118
14, 49 – paranoide 11, 42
NICE Guidelines 25 – undifferenzierte 11
Normalisieren 57
Notfallplan 64, 115
Schlussfolgern, voreiliges 3, 24,
31, 42, 44, 83
U Z
Schneider, Kurt 8 Überfürsorge 15 Zielerreichung 64
Schuldgefühl 108 Überkonfidenz 49 Zukunftsperspektive 64
P Schuld- und Versündigungs-
wahn 18
Umstrukturierung, kognitive
25, 26, 27
Zuschreibung 40, 41, 77, 78, 79
Zuschreibungstyp 80
Paranoia 18 Selbstanklage 80, 82 Unkorrigierbarkeit 44, 46, 92 Zwangsstörung 11, 24
Persönlichkeitsstörung 10, 68 Selbstbeobachtungsübung 26 Urteilssicherheit 49, 99
– multiple 113 Selbstdienlichkeit 40 – überhöhte 48, 49, 100
– paranoide 68 Selbstöffnung, begrenzte 57,
– schizotype 11, 68 119
Perspektivwechsel 97
Positive and Negative Syndrome
Selbstwert 26, 27, 50, 71, 108,
109
V
Scale (PANSS) 13, 14, 30, 32, Selbstwertgefühl 51, 63, 107, Verallgemeinerung, über-
63, 68, 103, 109 109 triebene 51, 104
Positivsymptome 10, 14, 21, – erhöhtes 112 Verfolgung 79, 80
24, 30, 56 – gesundes 57, 107, 108, 109 Verfolgungswahn 18, 91
– medikamentenresistente 27 – verringertes 50, 51, 77 Vergesslichkeit 23, 24, 49, 89,
Prävalenz 8 Setting 118
Prodromalsymptome 28, 112 – ambulantes 62 Verhaltensexperiment 26
Psychoedukation 28 – stationäres 62 Verhaltenstherapie, kognitive
Psychose 17, 26, 63, 113 Sicherheitsverhalten 26, 46, 72, 2, 24, 26, 27, 56
– schizophrene 8, 76 87 Vermeidung 46, 72, 87
Psychotic Symptom Rating Sitzungsgestaltung 57, 63 Verschwörungstheorie 85
Scales (PSYRATS) 30, 32, 63 Sozialanamnese 70 Verständnisdefizit 118
Spätdyskinesie 21 Vertrauensperson 92
Spitzer, Manfred 18 Verzerrung, kognitive 29, 31,
Q Stigma 113
Stigmatisierung 21, 112, 113
39
– Attributionsstil 40, 77
Quellengedächtnistest 49 Stimmenhören 20, 24, 41, 81, – Einfühlen 46, 95
82 – überhöhte Urteilssicherheit
Stimmung 50, 71, 96, 106 48, 100
R Störung, affektive 51
Störungsmodell 29, 61, 63, 75,
– Unkorrigierbarkeit 44, 89
– voreiliges Schlussfolgern 42,
Realismus, depressiver 41 76 83
Realitätstestung 25, 45, 59 Strategie, therapeutische 58 Vorbereitung, mangelnde 58
Reasoning Training 31 Stressbewältigung 118 Vulnerabilitäts-Stress-Modell
Remediationsprogramme, Stressor 101, 114 25, 26, 75
kognitive 27 – negativer 15
Ressource 69, 75, 76, 110, 114 – positiver 77
Risikofaktor 15, 23, 69, 75, 76
Rollenspiel 26, 58, 86, 98
Stressreduktion 26, 115
Stresswaage 114
W
Rollentausch 58, 86 Strukturiertes Klinisches Inter- Wahn 16, 30, 39, 63
Rosenberg Self-Esteem Scale view für DSM-5 (SCID-5-CV) – bizarrer 18
(RSES) 32, 51, 63, 68, 103, 61 – Definition 16
109 Suizidgefahr 71 – Funktionalität 57

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