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Rechtsbeziehungen zwischen Staaten (inter nationes) oder andere
Völkerrechtssubjekte /
II. Geltungsgrund des Völkerrechts? Rn. 5ff.
Im staatlichen Recht wird die Frage nach dem Geltungsgrund des Rechts
weitgehend an die Rechts- und Staatstheorie überwiesen. Im demokratischen System
des Grundgesetzes findet die staatliche Rechtsordnung ihre Geltungsgrundlage und
zugleich ihre Legitimation (vgl. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG)
1. Naturrechtliche Begründung
Die Naturrechtslehren der Scholastik und der frühen Neuzeit suchten die
Begründung des Völkerrechts in einer göttlich bzw durch die Vernunft vorgeprägten
Ordnung, die der Souveränität des Monarchen bzw des Staates unübersteigbare
Grenzen setzt.
➢ Kritik: solcher christlich-abendländisch geprägter Ansatz taugt nur bedingt als
Grundlage für das Völkerrecht einer pluralistischen Welt → (-) rein
naturrechtliche Begründung im modernen Völkerrecht
2. Normativistische Begründung Rn. 7ff.
Das klassische Gegenstück zur Naturrechtslehre verkörpert der Positivismus. Der
Rechtspositivismus führt die Geltung von Recht allein auf einen Akt der
Rechtsetzung zurück.
Der staatsrechtliche Positivismus sah den Willen der Staaten sich zu binden als das
entscheidende Kriterium (= Staatswillentheorie). Nach der Lehre der Wiener Schule
muss jede Norm von einer übergeordneten Norm abgeleitet werden, um gültig zu sein
Das Problem, dass der Staat sich auf dieser Grundlage einseitig seinen Bindungen zu
entziehen vermag, begegnete Heinrich Triepel (1868-1946) dadurch, dass er vom
Einzelwillen einen „Gemeinwillen“ unterschied, der die Regeln der Verpflichtung und
Entpflichtung trug und nicht einseitig veränderbar sein sollte.
New Haven School: leugnet nicht die Relevanz des Völkerrechts aber relativiert
ihre Bedeutung
- Aus Sicht ihres policy-oriented approach gibt es kein Primat/Vorrang des
Völkerrechts vor Politik
- Sei Abwägungsgesichtspunkt im außenpolitischen Entscheidungsprozess
- Kritik: entspricht zwar US-Außenpolitik jedoch nicht als normatives
Grundmodell der internationalen Beziehungen
6. Begründung vom Menschen her (Rn. 15f)
Allen vorgestellten Ansätzen ist gemeinsam, dass sie zur Begründung auf den Willen
des Staates abstellen, die Geltung des Völkerrechts also zwischenstaatlich begründen.
Georges Scelle hat das Völkerrecht aus der zwischenmenschlichen Solidarität heraus
entwickelt. Sein Model stellt die Geltung des Völkerrechts auf einen natürlichen Hang
des Menschen zur Assoziierung und damit auf die Bildung von Gesellschaften
zurückgeführt wird, gilt er als Begründer der soziologischen Schule. Aus so einer
anthropozentrischen Perspektive sind Staaten nur instrumentelle Institutionen →
sorgen für den Schutz der Menschen
Anhänger Heute begründen damit: Recht auf humanitäre Intervention, wenn Staat
deiner Schutzverantwortung nicht nachkommt
7. Letztbegründungen und soziale Praktiken (Rn. 16)
Die Frage nach dem Geltungsgrund wird sich nie befriedigend beantworten können.
Hier gilt das Münchhausen Trilemma: Münchhausen-Trilemma: besagt, dass jede
Definition oder Begründung a) zirkulär ist oder b) in einen unendlichen Regress führt
oder c) eine dogmatische Setzung darstellt. Dadurch scheitern jegliche Versuche für
eine Letztbegründung. Dies ändert nichts an der Existenz von Völkerrecht als soziale
Praxis. Es gibt das Völkerrecht, und Staaten messen ihm Bedeutung zu, indem sie
teilweise erheblichen Aufwand und Ressourcen investieren, um völkerrechtliche
Verträge auszuhandeln. Ein Staat, der sich als unzuverlässig bei der Einhaltung
seiner Rechtspflichten erweist, wird Schwierigkeiten haben von anderen Staaten ein
verbindliches Zusagen zu erhalten. Dies verdeutlicht zugleich, dass Reziprozität wenn
auch kein Rechtsprinzip, so doch eine wichtige Triebfeder bei der Entstehung und
Entwicklung des Völkerrechts ist.
III. Besonderheiten im Umgang mit dem Völkerrecht Rn. 17
Der Umgang mit dem Völkerrecht stellt einen Juristen vor Herausforderungen.
Dies liegt vor allem an den Rechtsquellen: Weit mehr als im innerstaatlichen Recht
spielen ungeschriebene Rechtsgrundsätze eine Rolle. Da das Gewohnheitsrecht ua
auf einer internationalen Praxis beruht, sollte man zu seiner Begründung über
politische und (zeit-)geschichtliche Kenntnisse verfügen. Als Hilfsmittel zur
Ermittlung ungeschriebener Völkerrechtsnormen dienen Entscheidungen
internationaler oder nationaler Gerichte oder Schiedsgerichte.
2
(= Argumentieren von Einzelfällen zu einer gemeinsamen Regel hin)
3
(= Argumentieren von einer abstrakten Regel zum Einzelfall hin)
Völkerrechtsentwicklung ablesen: Bis in die Zeit der Aufklärung war das Lateinische
die universelle Sprache von Wissenschaft und Recht.
Hierauf verweisen noch der Begriff consuetudo (= Gewohnheit) oder der Grundsatz
in parem non habet imperium (= ein Gleicher hat über einen Gleichen keine
Herrschaftsgewalt). In der Begegnung mit fremden Sprachen liegt oft auch eine
Begegnung mit fremden Rechtskulturen und fremden Rechtdenken.
B. Entwicklungsstufen des Völkerrechts
I. Geschichtlichkeit: Das Völkerrecht als Spiegel der Zeit Rn. 20
Das Völkerrecht spiegelt die Anschauungen seiner Zeit. Der Wandel der
Anschauungen lässt sich an der Überwindung des Kolonialvölkerrechts ablesen:
Unzivilisierte Völker, die von zivilisierten unterworfen werden, haben im heutigen
Völkerrecht keinen Platz mehr. Die Abhängigkeit von technischen Entwicklungen
lässt sich am Seevölkerrecht ablesen. Die Breite des Küstenmeeres wurde nach der
Reichweite der Kanonen bestimmt.
II. Von der Frühzeit bis 1945( Rn. 21 ff.)
Mit Sesshaft werden der Menschheit wurden Regeln notwendig, die das
Zusammenleben ordnen. Der Zuwachs von Herrschaftsbereichen führte zur
Aufnahme von Beziehungen → Entwicklung von Regelungen für den
„internationalen“ Bereich
Als ältester bekannter Vertrag gilt das Abkommen zwischen den Stadtstaaten Lagasch
und Umma in Mesopotamien aus dem Jahr 3100 v. Chr. In dieser Frühzeit ging es
ins. darum: Abgrenzung und Sicherung der Herrschaftsbereiche (Grenzverträge,
Bündnisverträge, Friedensverträge); Wirtschaftsbeziehung (Handelsabkommen)
Auch im hellenistischen Kulturkreis entwickelten sich durch Verträge und
Gewohnheit Normen heraus. Jedoch existierte das Völkerrecht noch nicht als
allgemein anerkannte übergeordnete Rechtsordnung. Das römische Reich lehnte es
explizit ab, nichtrömische Völker als gleichberechtigt zu sehen. Auch nach dem
Untergang des Imperium Romanum war die weitere Entwicklung für lange Zeit
gehemmt.4 Grund war, dass die persönliche Rechtsbeziehung der Fürsten im Fokus
stand und dadurch die Bildung eines allgemein zwischen den Herrschaftsverbänden
gültigen Rechtssystems. Im Mittelalter wurden von der Scholastik einige wichtige
Grundlagen des Völkerrechts gelegt. So hat Thomas von Aquin die Lehre vom
gerechten Krieg weiterentwickelt und in naturrechtliche Vorstellungen einer für alle
Herrschaftsverbände geltenden Rechtsordnung eingefügt.
Die Spätscholastiker des spanischen Zeitalters orientierten sich am Naturrecht und
relativierten den universellen Herrschaftsanspruch von Kaiser und Papst. Sie führten
das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit von Zweck und Mitteln in das Kriegsrecht
ein.
4
Ius Civile römische Bürger; Nichtrömer ius gentium
Der Niederländer Hugo Grotius führte die Entwicklung des Völkerrechts fort,
indem er dieses auf eine doppelte Grundlage stellte: das ius gentium naturalis, dass
er aus der menschlichen Vernunft herleitete, und das ius gentium voluntarium, das
aus der Staatenpraxis entsteht.
Was verbirgt sich hinter den Diskussionen über die
Konstitutionalisierung und über die Fragmentierung des Völkerrechts?
(Rn. 29-34)
Mit Beginn des 19. Jhdt. traten außereuropäische Staaten auf die politische
Weltbühne. Diese sahen sich dem ius publicum europaeum verpflichtet.
(Orientierung an Europäischen Vorbildern) - Völkerrechtsgeschichtszuschreibung
wird im 20. J. kritisch hinterfragt (global history approach)
Mit dem 19. Jhdt. begann eine sprunghafte Zunahme völkerrechtlicher
Vertragsschlüsse – vorerst bilateraler Art. Multilaterale Verträge entstanden im
Bereich des humanitären Völkerrechts. In der Gründung früher internationalen
Organisationen kommt ein erstes Bemühen der ersten internationalen
Kooperation zum Ausdruck
Der Zusammenbruch der alten Ordnung im Ersten Weltkrieg verhieß eine neue Phase
der internationalen Beziehungen: Die Völkerbund-Zeit war geprägt von den
erfolglosen Versuchen den Weltfrieden zu sichern und zwischenstaatliche
Kooperation zu vertiefen
III. Konstitutionalisierungsprozesse im modernen Völkerrecht Rn. 29ff.
Durch die Globalisierung hat das auf Koordination angelegte Völkerrecht in den
Jahrzehnten nach 1945 einen stärker kooperativen Zugang erhalten.5 Je mehr
Probleme, die Staatsgrenze überschreiten, desto mehr wird nach einer
internationalen Lösung gesucht. In der Politikwissenschaft wird dieses Phänomen
unter dem Diskurs einer „Global Governance“ diskutiert. In der
rechtswissenschaftlichen Perspektive steht die Fortentwicklung des VR im
Mittelpunkt: zu beobachten → Vervölkerrechtlichung vieler Politikbereiche und
der Aufstieg der Internationalen Organisationen ab der zweiten Hälfte des 20. J.
Das moderne Völkerrecht weist eine Reihe von Elementen auf, die sich nur
bedingt in das Westfälische Modell einordnen lassen. Es kam zum universellen
Bekenntnis der Menschenrechte. Die Menschenrechte ermöglichen Kritik an
Zuständen im Inneren von Staaten und relativieren das Souveränitätsargument.
Durch die Institutionalisierung ist die souveräne Staatlichkeit unter Druck
geraten. Die Einordnung in Internationale Organisationen führt zu einem
Verzicht auf die Ausübung souveräner Rechte, am weitesten für die EU-
Mitgliedstaaten. Auch die UNO dringt in Bereiche staatlicher Politik vor, die durch
den Souveränitätsgrundsatz früher geschützt waren. Die weite Auslegung von
Frieden hat Konsequenzen für die Ausgestaltung innerstaatlicher Verhältnisse.
Soweit Friedensvoraussetzungen zu einem Staatengemeinschaftsinteresse
geworden sind, können die Staaten sich nicht mehr darauf zurückziehen, dass es
um interne Angelegenheiten gehe.
1. Genossenschaftlicher Charakter:
Das Westfälische System des Völkerrechts fußt auf der souveränen Gleichheit
aller Staaten → genossenschaftlicher Charakter des Völkerrechts
Es gibt kein Recht des Stärkeren, es kann allerdings im Rahmen internationaler
Organisationen bestimmten Staaten eine Vorzugsstellung eingeräumt sein (zB
Vetorecht im UN-Sicherheitsrat)
➢ Lies Lotus Fall (StGH 1927) Rn. 41
Völkerrechtliche Bindungen als Beschränkung der Handlungsfreiheit eines Staates
können nur durch einen souveränen Akt der Selbstbindung begründet
werden. Im klassischen Völkerrecht gilt die Regel, wonach von der
Handlungsfreiheit der Staaten auszugehen ist, solange sich nicht eine
völkerrechtliche Norm nachweisen lässt, welche die Handlungsfreiheit beschränkt
und der sich der handelnde Staat selbst unterworfen hat (so der StIGH im Lotus-Fall,
sog. Lotus Regel). Hierdurch erscheint das Völkerrecht fragmentarisch, da es
aufgrund der fehlenden Beschränkung ein Verhalten stattet, das man eig. für
missbilligenswert hält
Durch Übertragung von Hoheitsrechten auf IO diese die Befugnis erhalten, den
Mitgliedstaaten verbindliche Rechtsakte (= Sekundärrecht) zu erlassen6. Je nach
Ausgestaltung kann das Sekundärrecht unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten
haben (z.B. EU-Recht), können Sanktionen oder obligatorische
Gerichtsbarkeit vorgesehen sein. Regional und sektoral finden sich im Völkerrecht
teilweise weit entwickelte Organisationsstrukturen, auch wenn die Hoffnung, dass die
Vereinte Nationen sich als eine Art Weltregierung würden etablieren können, bis
heute nicht aufgegangen ist.
3. Politischer Charakter Rn 46
Völkerrecht ist in besonderem Maße „politisches“ Recht. Dies betrifft fließende
Übergänge zwischen Völkerrecht und internationaler Politik. Wo Staaten
rechtsförmlich handeln, insbesondere durch Vertrag, ist die Grenzziehung
problemlos möglich. Problematischer wird es bei einseitigen Erklärungen oder bei
Gewohnheitsrecht, das nach einiger Dauer und einer begleitenden
Rechtsüberzeugung der Staaten entstand. Die Grenzziehung wird dadurch erschwert,
dass Staaten wiederholt gegen eine Regel verstoßen können, ohne dadurch die
Geltung dieser Norm in Frage zu stellen. Politisch motiviert und nicht zuletzt durch
das faktische Kräfteverhältnis bestimmt sind auch die Reaktionen auf
Rechtsbrüche. Diese sind in das politische Ermessen der betroffenen Staaten
gestellt und erschweren, politisches und rechtliches System voneinander zu trennen.
Mit seiner Tendenz, Effektivität vor Legitimität zu stellen, begegnet man im
Völkerrecht immer wieder einer normativen Kraft des Faktischen.
6Als Primärrecht werden die Verträge bezeichnet, welche die Internationale Organisation
erst gründen und ihr Befugnisse übertragen
Individuum auf völkerrechtliche Ebene zu bringen. Die Mediatisierung greift auch da,
wo der Mensch als Täter völkerrechtlich geschützte Güter eines anderen Staates
verletzt. Ist er als Staatorgan tätig, wird die Verletzung dem Staat zugerechnet.
Bei Privaten kommen Zurechnungsprobleme auf. Hier verlagert sich die
Verantwortung des Staates auf die Ebene von Überwachen und Strafen. Das heißt
er muss durch innerstaatlich wirksame Maßnahmen dafür sorgen, dass die
Privatperson die geschützten Güter eines anderen Staates nicht verletzt
➢ Unterteilt in:
o Menschenrechtsverträge: der Einzelne wird als unmittelbare
Träger, der der vertraglich niedergelegten Rechte betrachten und ist mit
eigenen Durchsetzungsrechten ausgestattet
o Völkerstrafrecht: der einzelne wird wegen Verstoßes gegen
Völkerrechtlichen Normen vor ein internationales Gericht gestellt
Aufweichen der souveränitätsbewehrten Hülle des Staates, da
Verträge nicht nur Fremde, sondern auch eigene Staatsangehörige betrifft
D. Entwicklungsperspektiven Rn. 53
Durch die „Rückkehr des Staates“ in allerjüngster Zeit etwas verdeckt, wurde ein
Trend zur Informalisierung, der sich in den letzten Jahren in den
internationalen Beziehungen bemerkbar gemacht hat: Koalition der Willigen
sind wiederholten an die Stelle institutionalisierter Allianzen getreten, wichtige
Entscheidungen werden außerhalb IO in informellen Zirkeln wie den G8 oder G20
Gipfeln getroffen, Behördennetzwerke kooperieren weitgehend informell auch über
Grenzen hinweg, statt Verträge abzuschließen, beschränkt man sich vielfach auf
informelle Abreden und unverbindlichen Resolutionen. Diese Entwicklungen
fordern das Völkerrecht nicht heraus, sondern stehen in einem Ergänzungsverhältnis.