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§4 Grundprinzipien der Völkerrechtsordnung:

A. Einführung:
I. Grundrechte und –pflichten der Staaten zwischen Naturrecht und
positivem Recht:
Die ursprüngliche naturrechtlich fundierte Idee, dass Staaten durch ihre bloße
Existenz „von Natur aus“ bestimmte grundlegende Rechte und Pflichten gegenüber
anderen Staaten besitzen, ist im modernen Völkerrecht einer stärker
rechtspositivistischen Auffassung gewichen. Nach Art 51 UNCh wird das
naturgegebene Recht der Staaten zur Selbstverteidigung anerkannt. Die
„Grundrechte“ und „Grundpflichten“ der Staaten umfassen den Kanon von
Rechtsgrundsätzen, der für ein friedliches Zusammenleben der Staaten unerlässlich
ist, also die Verfassungsprinzipien der Staatengemeinschaft. Wichtig sind das
Gewaltverbot und die souveräne Gleichheit der Staaten. Damit verbunden
sind Gebiets- und Personalhoheit und das Interventionsverbot. Ebenso gehört
der internationale Menschenrechtsschutz dazu. Ein im Entstehen begriffenes
völkerrechtliches Prinzip stellt die internationale Solidarität dar, die sich neben dem
Recht der Entwicklungszusammenarbeit in jüngster Zeit v. a. im
Katastrophenschutzrecht auch in konkreten Rechtsnormen niederschlägt

II. UN-Prinzipienerklärung (Friendly Relations Declaration):

Besondere Bedeutung hat die Friendly Relations Declaration (=Prinzipienerklärung)


der UN-Generalversammlung. Diese Resolution ist nicht rechtsverbindlich;
jedoch gibt der Inhalt im Wesentlichen die Gewohnheitsrechtslage wieder.

Nach anderer Ansicht handelt es sich um eine authentische Interpretation bzw.


Weiterentwicklung der Charta (Art. 2 UNCh). Sie ist bedeutsam vor allem auch, weil
die UN-Organe in ihrer Praxis immer wieder auf sie Bezug nehmen.

Dazu gehören:
- Gewaltverbot
- Gebot der friedlichen Streitbeilegung
- Interventionsverbot
- Gebot der Kooperation
- Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker
- souveräne Gleichheit der Staaten
- Pflicht aller Staaten, ihre Pflichten aus der UN-Charta zu erfüllen

Art 2 Nr. 4 UNCh verpflichtet die UN-Mitgliedstaaten zum Verzicht auf


militärische Gewalt. Ausgenommen sind die Fälle der Selbstverteidigung und
militärische Sanktionsmaßnahmen der UNO bzw. mit Mandat des Sicherheitsrats
(Art. 42 UNCh). Das Gewaltverbot wird umrandet durch das Gebot der friedlichen
Streitbeilegung und gilt auch kraft Gewohnheitsrechts.

Das Interventionsverbot verbietet die Einmischung in die inneren oder äußeren


Angelegenheiten eines anderen Staates. Das Gebot der Kooperation enthält wenig
konkrete Rechtspflichten.

Nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der


Völker sind alle Völker (!!) einander gleichberechtigt und haben ein Recht auf
Selbstbestimmung. Das staatszentrierte Pendant zu diesem Prinzip stellt die
souveräne Gleichheit der Staaten dar. Nach dem Prinzip der souveränen
Gleichheit der Staaten sind alle Staaten einander gleichberechtigt und ihre
Angelegenheiten können selbstbestimmt geregelt werden.

Die Pflicht aller Staaten, ihre Pflichten zu erfüllen, trifft nur UN-Mitglieder
und ist ein Spezialfall des pacta sunt servanda („Verträge sind einzuhalten“). Die UN
trägt nach Art 2 Nr.6 UNCh die Verantwortung gegenüber Nichtmitgliedern, dass
nach den Grundsätzen gehandelt wird und der Weltfriede geachtet wird.

III. Paradigmenwechsel durch Menschenrechte:


1. Menschenrechte als dritte Säule des Völkerrechts:
Das 20. Jhdt. hat wegen den Weltkriegen das Westfälische System des
Völkerrechts erweitert und umgebaut. Neben der Säule der souveränen
Gleichheit der Staaten trat die Säule des Völkerrechtssystems des Verbots des
Angriffskrieges hinzu. Als dritte Säule wurde dann die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte 1948 angesehen.

2. Einwirkungen der Menschenrechte auf das Völkerrechtssystem:


Eine wichtige Folge der Etablierung internationaler Menschenrechtsregime ist
die Öffnung des staatlichen Souveräntitätspanzers. Durch die Verpflichtung
zum Schutz der Menschenrechte räumen Staaten den anderen Staaten das Recht ein
mitzureden. Die Einmischungsmöglichkeiten können differieren.
Menschenrechtsfragen können nicht zur inneren Angelegenheit deklariert
werden.

Mit der Anerkennung wurde auch die Durchsetzung der Menschenrechte


gestärkt. Neben vertragsbasierte Organe und Gerichte hat sich der UN-Sicherheitsrat
gestellt, der zunehmend die Bereitschaft zeigte, schwere Verletzungen der
Menschenrechte innerhalb eines Staates als Bedrohung für den
Frieden iSd Art 39 UNCh anzusehen und damit Zwangsmaßnahmen zulässt.

Menschenrechte sind Bestandteil des internationalen ordre public, woraus sich


auch die Sonderrolle zeigt. Menschenrechtsabkommen gehören zu
normbildenden Verträgen (= traités-lois). Sie errichten Grenzen und unterliegen
nicht der Kündigung bei schweren Vertragsverletzungen durch andere Parteien. (vgl.
Art. 60 Abs. 5 WVK). Auch besteht Einigkeit über die gewohnheitsrechtliche Geltung
der meisten Rechte. Kerngewährleistungen der Menschenrechte gelten als ius cogens.
Dieses lässt entgegenstehende Verträge nichtig werden. Durch die Wirkung erga
omnes können sich auch i. e. S. unbeteiligte Staaten durch Gegenmaßnahmen zum
Anwalt der Menschenrechte machen.

Menschenrechte strahlen in praktisch alle Teilbereiche des Völkerrechts


aus. Sie haben die überkommende Trennung zwischen Kriegs- und Friedensrecht
überwunden und beanspruchen Geltung auch im bewaffneten Konflikt in Ergänzung
zum humanitären Menschenrecht.

3. Menschenrechte und Souveränitätsverständnis:


Die Einwirkungen der Menschenrechte auf das Völkerrechtssystem, sind so
nachhaltig, dass geschaut werden muss, ob nicht das tradierte Modell
staatlicher Souveränität neu konzipiert werden müsse. Der Gedanke einer
individuellen Souveränität spiegelt sich in verschiedenen Theoriemodellen wider:
Auf einen UNDP-Bericht von 1994 geht die Debatte über „menschliche Sicherheit“
zurück. Hier wird der Versuch unternommen, sicherheitspolitische Fragen von den
Bedürfnissen der Menschen her zu definieren und dabei die „Freiheit von Not“ und
die „Freiheit der Furcht“ in den Mittelpunkt zu stellen (vgl. vier Freiheiten
Roosevelt).
- Versuch das Völkerrecht aus der Perspektive des Menschen neu zu
bestimmen; Recht der Weltbevölkerung (Kunig); menschenzentrierten
Weltrechts; Weltinnenpolitik

Wichtig wurde in den letzten Jahren das Konzept einer Schutzverantwortung


(=responsibility to protect). Dieses ist eine Erfindung der ICISS
(Expertenkommission / Kanada), die in ihrem 2001 vorgelegten Bericht versucht hat
das Dilemma humanitären Intervention in einem veränderten Souveränitätskonzept
aufzulösen. Dieses Konzept soll bedeuten, dass Staaten mit der Souveränität zugleich
die Verantwortung haben, die Bevölkerung vor schweren
Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Ist ein Staat nicht willens oder nicht
in der Lage soll eine Auffangverantwortung der internationalen Gemeinschaft
greifen. Dies soll nicht nur für Interventionen im engeren Sinne gelten, sondern auch
für die Phasen der Konfliktbearbeitung:

1. responsibility to prevent
2. responsibility to react
3. responsibility to rebuild)

Das Konzept kam in den UN-Reform-Prozess und wurde im Schlussdokument


des UN-Weltgipfels 2005 im Grundsatz anerkannt. Beschränkt wurde das
Konzept auf die Verhütung von Völkermord, ethnischen Säuberungen,
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schweren Kriegsverbrechen. Es gibt
mehrere Verantwortungsstufen. Die vorrangige Verantwortung liegt beim Staat,
dem auf zweiter Stufe internationale Hilfe angeboten werden soll, auf dritter
Stufe soll eine internationale Intervention (ultima ratio) in Betracht kommen.

Folge: Staatliche Souveränität ist nicht mehr Apriorischen der Internationalen


Beziehungen, sondern wird verliehen (treuhändersicher Gedanke). In der
Gesamtschau scheint ein mehrdimensionales Souveränitätsverständnis
angemessen, in dem das traditionelle Souveränitätsmodell menschenrechtlich
zumindest merklich modifiziert ist.

B. Souveräne Gleichheit der Staaten:


I. Überblick:

Der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten gehört zu den


Grundpfeilern des Westfälischen Systems. Hier gilt der klassische Satz des
Bartolus: par in parem non habet imperium (ein Gleicher hat über einen
Gleichen keine Hoheitsgewalt).

Zwischen den Untergrundsätzen und den anderen Prinzipien der Friendly Relations
Declaration gibt es Bezüge:

- Rechtsgleichheit: Die Gleichheit ist rechtliche Norm. Sie bezieht sich auf
die Gleichberechtigung und Gleichverpflichtung, ungeachtet faktischer
Ungleichheiten. Rechtliche Ungleichheiten können nur auf konsensualer
Basis begründet werden (vgl. Vetorecht im UN-SR). Aus diesem Prinzip folgt der
Grundsatz der Staatenimmunität.

- volle Souveränität: Der Grundsatz umfasst das Recht jedes Staates, die
inneren und äußeren Angelegenheiten selbst zu bestimmen, ohne von
fremder Zustimmung abhängig zu sein. Die Souveränität schließt das Recht zur
Selbstbindung durch das Völkerrecht ein, kein Verzicht der Souveränität.

- Pflicht zur Achtung der Rechtspersönlichkeit anderer Staaten: Das


umfasst die Verpflichtung das Existenzrecht anderer Staaten zu
respektieren. Dies bedeutet in erster Linie eine Pflicht zur Achtung der
territorialen Unversehrtheit und politische Unabhängigkeit.

- Achtung der territorialen Unversehrtheit und politischen


Unabhängigkeit: Verletzungen der territorialen Unversehrtheit gehen
mit einem Verstoß gegen das Gewaltverbot einher. Verletzungen der
politischen Unabhängigkeit verstoßen gegen das Interventionsverbot und
gegebenenfalls auch gegen das Gewaltverbot.

- freie Wahl des politischen, sozialen, wirtschaftlichen und


kulturellen Systems: Jeder Staat hat das Recht, sein geschäftliches
System selbst zu wählen. Das Völkerrecht kennt keine Pflicht zB zur
Demokratie oder zur Marktwirtschaft. Jedoch verpflichten universelle
Menschenrechte Staaten zu einer menschenrechtskonformen Gestaltung. Der
Versuch anderen Staaten ein anderes System aufzuzwingen, verstößt gegen das
Interventions- bzw. das Gewaltverbot.

- Pflicht zur Erfüllung der internationalen Verpflichtungen: Ein


Anwendungsfall des pacta sunt servanda. Kehrseite ist die
Verantwortlichkeit der Staaten für die Nichterfüllung ihrer Pflichten (=
Staatenverantwortlichkeit).

(P) Achtung der Ehre anderer Staaten?


- Schwerwiegende Verletzungen wie die öffentliche Demütigung unfreundlicher Akt
oder rechtswidriger Akt?
- Generell sollte bei der Verrechtlichung verbaler und symbolischer Politik
Zurückhaltung angezeigt werden
- nichts ist gewonnen, wenn man in der Beleidigung eines anderen Staates ein
Rechtsverstoß erblickt, sofern es sich nicht um eine Drohung handelt →
Eskalationsgefahr

II. Insbesondere: Immunität von Staaten und Staatsorganen:


1. Sinn und Zweck der Staatenimmunität:
Der Grundsatz der Staatenimmunität folgt aus dem Prinzip der souveränen
Gleichheit der Staaten. Staaten dürfen nicht vor ihren eigenen Gerichten
Hoheitsakte fremder Staaten auf deren Rechtmäßigkeit hin prüfen (vgl. par in
parem non habet iudicium= „ein gleicher darf über einen Gleichen nicht zu
Gericht sitzen)
Es ist auch kein Staat verpflichtet, fremde Hoheitsakte für seine eigene
innerstaatliche Rechtsordnung anzuerkennen. Aus dem Grundsatz der
Staatenimmunität folgt die Immunität der Organe, die für den Staat handeln.

Diese Immunität von Staaten ist gerade unter den Bedingungen der
Globalisierung von Bedeutung, da ein Staat, der fürchten müsste, ungefragt von
Gerichten anderer Staaten verurteilt zu werden, sich mit grenzüberschreitender
Kooperation und Investitionen zurückhalten würde. Aus dem Grundsatz der
Staatenimmunität (2.) folgt in einem weiteren Schritt die Immunität der Organe, die
für den Staat handeln (3).

2. Immunität des Staates:


Die Immunität des Staates bezieht sich auf das gerichtliche
Erkenntnisverfahren, dh das Verfahren vor Gericht, das mit einem Urteil endet,
Ebenso erfasst ist das Verfahren der Zwangsvollstreckung, das der
Durchsetzung ausgeurteilter Ansprüche gegen einen Schuldner dient. (vgl. Art. 20
GVG)

Die UN-Konvention über gerichtliche Immunität der Staaten und des Eigentums
von 2004 ist noch nicht in Kraft getreten.

Dieser Grundsatz verbietet die Verfahrenseinleitung, dh das Gericht eines Staates


darf klagen, die sich gegen einen fremden Staat richten, nicht annehmen (gilt nur
für Hoheitsakte eines anderen Staates=acta iure imperii)

Es gibt eine Ausnahme. Privatwirtschaftliche Akte fremder Staaten unterliegen


ausländischer Gerichtsbarkeit. Hier geht es darum, die privaten Geschäftspartner
fremder Staaten nicht rechtsschutzlos zu stellen. -> "Verhält sich Staat wie ein
Privater?" Diese Ausnahme ist v.a. vor dem Hintergrund sozialistischer
Staatswirtschaft entstanden.

P: dann darf aber das Vollstreckungsverfahren trotzdem nicht in solches Vermögen


des Staates eingreifen, dass hoheitlichen Zwecken dient (zb allg Bankkonto einer
Botschaft, dass zur Deckung der Kosten der Botschaft dient - auch wenn Botschaft die
Miete nicht zahlt & dies privatrechtlich ist.)

Die Immunität des Staates setzt sich im Vollstreckungsverfahren fort. Wenn das
Gericht einem Kläger einen vollstreckbaren Rechtstitel gegen einen fremden
Staat gegeben hat, darf die Zwangsvollstreckung nicht in solches Vermögen des
Staates erfolgen, das hoheitlichen Zwecken dient (vgl. Art. 19 UN-Konvention)

Lese philippinische Botschaftskonten Rn. 327 S. 142

Das US-amerikanische recht kennt Ausnahmen von Staatenimmunität bei Klagen


wegen Verletzung von Leib und Leben durch Terrorakte, die von
ausländischen Staaten unterstützt wurden.

3. Immunität von Staatsorganen:


Die Immunität von Staatsorganen wird aus der Immunität der Staaten abgeleitet.
Staaten handeln durch die Organe, so dass mit derselben Erwägung auch alle
Staatsorgane Immunität für die hoheitlichen (amtlichen) Handlungen (=sog.
funktionale Immunität) genießen. Ihr Handeln wird dem Staat zugerechnet und
gilt nicht als privates Verhalten des Amtsträgers.

Gewisse Staatsorgane genießen Privilegierungen, indem auch ihre privaten


Handlungen unter die Immunität fallen (= persönliche Immunität) z.B.
Staatsoberhäupter, Diplomaten, Mitglieder der Regierung als Träger der Ad-hoc-
Diplomatie.

Der internationale Rechtsverkehr würde zum Stillstand kommen, wenn Staatsorgane


fürchten müssten, gerichtlich in einem anderen Staat verfolgt zu werden. Die
persönliche Immunität endet mit dem Ausscheiden aus dem Amt. Der Staat kann
auch auf die Immunität der Organe verzichten.

Für Diplomaten und Sondergesandte gibt es vertragliche Regelungen, aber die


Immunität für Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder ergeben sich aus dem
Gewohnheitsrecht.

(P) Kreis der geschützten Personen von Staatsoberhäuptern und


Regierungsmitglieder und inwieweit sich Immunität auf private Besuche
erstreckt
- funktionale Immunität, jedoch mit Ausnahmen
- so unterliegen Spionage und subversive Tätigkeit traditionell der Gerichtbarkeit des
betroffenen Staates, ebenso Verstöße gegen das Humanitäre Völkerrecht und grobe
Verletzungen der Gebietshoheit
- auch politischer Mord und Akte des Terrorismus

Diese und weitere Ausnahmen haben neben anhaltende Kritik zu Rechtssicherheit


geführt. Im Ausland stationierte Truppen ist es üblich, die Immunität gegenüber den
Gerichten des Aufenthaltsstaates in Truppenstationierungsabkommen (status
of forces agreements – SOFA) ausdrücklich vereinbaren. Als allgemeiner Trend
zeichnet sich ab, dass die ehedem am formalen Status orientierte Unterscheidung
einer funktionalen Betrachtungsweise weicht. Dies dürfe zu einer Ausweitung
von ad-hoc-Immunitäten für Sondergesandtschaften und anderen Strategien zur
Kompensation von statusbezogenen Immunitätslücken führen.

4.

4. Durchbrechungen der Immunität:


a) Immunität von Staatsorganen:
Es hat sich gewohnheitsrechtlich herausgearbeitet, dass die Immunität von
Staatsorganen durchbrochen werden kann, wenn diesen schwere
Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt werden. Staatsorgane können für
Menschenrechtsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden. Das ist seit den
Nürnberger-Prozessen und den UN-Tribunalen für das ehemalige Jugoslawien
und Ruanda möglich. Übereinstimmend mit diesen Grundsätzen bestimmt auch Art.
27 Abs. 2 IStGH-Statut, dass die Amtsträgerschaft den IStGH nicht an der Ausübung
seiner Gerichtbarkeit hindert.

Beispiele:
- Pinochet 1999 (chilenischen Diktator), Folter während seiner Amtszeit
- Yerodia Fall 2000: Der IGH hielt den belgischen Haftbefehl gegen einen
kongolesischen Minister auch angesichts des Völkermordvorwurfs für unvereinbar
mit dem Grundsatz der Immunität hochrangiger Regierungsvertreter gegenüber
Gerichten anderer Staaten. Dagegen bejahte er die Befugnis internationaler
Strafgerichte zur Strafverfolgung

Unterschied beider Fälle: Yerodia-Fall handelte es sich allerdings, im


Unterschied zum Pinochet-Fall, um ein amtierendes Mitglied der kongolesischen
Regierung, nicht um ein aus dem Amt geschiedenes Regierungsmitglied

Die Klage Belgiens gegen Senegal auf Überstellung des ehemaligen Präsidenten des
Tschad, Habre wegen Beteiligung an Völkermordtaten hat der IGH aus Gründen
seiner Jurisdiktion allein auf Grundlage der UN-Antifolterkonvention
stattgegeben, die eine Pflicht zur Auslieferung kennt, wenn der Staat des
Aufenthalts nicht selbst Strafverfolgungsmaßnahmen einleitet (aut dedere aut
judicare rn. 1314)

Lesen: Rn 331 S. 145

Die Ausnahmen von der Immunität für amtliche Handlungen können sich
systematisieren lassen:

• während der Amtszeit: Verfolgung wegen schwerer


Menschenrechtsverletzungen und anderer völkerrechtlicher Verbrechen nur
durch internationale Gerichte.
• nach Ende der Amtszeit: Verfolgung wegen schwerer
Menschenrechtsverletzungen und anderer völkerrechtlicher Verbrechen durch
internationale Strafgerichte sowie durch Gerichte anderer Staaten: Pinochet-
Fall.

b) Staatenimmunität:
Diskutiert wird, ob in Fällen schwerwiegender
Menschenrechtsverletzungen
auch der Grundsatz der Immunität des Staates vor den Gerichten eines
anderen
Staates durchbrochen wird. Als Argumente werden die zentrale Bedeutung der
Menschenrechte im heutigen Völkerrecht, die Idee des völkerrechtlichen ius cogens
und eine Analogie zur Durchbrechung der strafrechtlichen Immunität von
Staatsorganen angeführt. Formal betrachtet betrifft die Immunität das gerichtliche
Verfahren, dh die Frage, ob sich ein Gericht mit der Sache befassen darf.

EGMR:
- zwar Wandel der gewohnheitsrechtlichen Immunitätsgrundsätze möglich, aber es
fehlt an der Staatenpraxis, die darauf schließen lässt
- Immunität ist eine verfahrensrechtliche Regelung, die man von materiell-
rechtlichen Fragen des Verstoßes gegen ius cogens unterscheiden müsse

Lesen Rn. 336 S. 148 Jurisditional Immunuties

C. Gebietshoheit und Personalhoheit:


I. Gebietshoheit:
1. Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit:
Die Gebietshoheit gibt das Recht zur Vornahme von Hoheitsakten auf dem
eigenen Staatsgebiet (= Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit). Das ist von der
territorialen Souveränität, die dem Staat die alleinige Verfügungsbefugnis über
das Staatsgebiet gibt, zu unterscheiden. Die beiden Grundsätze verhalten sich ähnlich
wie Besitz im Zivilrecht. Die Gebietshoheit gibt ausschließliche Rechte auf
dem Territorium und die territoriale Souveränität Verfügungsrechte über das
Territorium.

Auch gescheiterte Staaten (failed states) haben die Gebietshoheit. Die


Auffassung, wonach die Aufrechterhaltung der Staatlichkeit hier allein dem
Selbstbestimmungsrecht
des Volkes diene, weswegen alle Maßnahmen ausländischer Mächte, die nicht gegen
dieses Selbstbestimmungsrecht verstießen, rechtmäßig seien, ist
gewohnheitsrechtlich nicht etabliert und lässt die befriedende Wirkung außer Acht,
die von der Konsevierung der Staatlichkeit auch bei failed states ausgehen soll.

Aus der Gebietsausschließlichkeit folgt, dass ein Staat, der Hoheitsakte auf einem
fremden Staatsgebiet vornimmt, die Gebietshoheit verletzt und sich in die
inneren Angelegenheiten eines Staates einmischt. Ein Gericht darf keine Zeugen
im Ausland vernehmen oder ein Polizist darf niemanden jenseits der
Staatsgrenzen festnehmen. Solche Befugnisse können vertraglich festgelegt werden.
Unzulässig sind insbesondere auch heimliche Aktion, etwa Sabotageakte oder
Entführungen von fremdem Hoheitsgebiet.

Keinen Verstoß gegen die Gebietshoheit stellt die Vornahme von Hoheitsakten
dar, die keine Auswirkung auf die fremde Rechtsordnung haben, sofern sich das
handelnde Staatsorgan in zulässiger Weise im Ausland aufhält. Die Gebietshoheit
ist nicht verletzt, wenn zB der Bundespräsident auf Staatsbesuch im Ausland
Beamtenerkennungsurkunden unterzeichnet.
Lesen: Fall beförderter Kommandeur Rn 339 S. 149

Auch verletzt es die Gebietshoheit, wenn die schädigende Handlung auf


heimischen Boden stattfindet, die Wirkungen aber auf fremdes Hoheitsgebiet
übergehen.
Durch die Gebietshoheit existieren auch Verpflichtungen: Der Territorialstaat
muss im Rahmen der gebotenen Sorgfalt (due diligence) dafür Sorge tragen, dass von
seinem Staatsgebiet keine Übergriffe in Rechte anderer Völkerrechtssubjekte
erfolgen.

Diese Pflicht spielt nicht nur im Zusammenhang mit privaten Gewaltakten eine
wichtige Rolle, sondern auch Umweltvölkerrecht (Nachbarschaftsrecht).

2. Einschränkungen der Gebietshoheit

Die Gebietshoheit des Territorialstaates kann eingeschränkt sein, zB Servituten,


Verpachtungen und internationalisierte Gewässer.

Servituten: Darunter versteht man dingliche Nutzungsbeschränkungen. Diese


müssen vertraglich eingeräumt werden. Z.B. Transitrechte

Verpachtung: Die Gebietshoheit kann durch Verpachtung an einen anderen Staat


übertragen werden. Beispiel ist Hong Kong, das für 99 Jahre durch
Großbritannien von China gepachtet wurde und seit 1997 wieder zu China
gehört.

Auch Binnengewässer können durch Internationalisierung der Gebietshoheit


des
Territorialstaates entzogen werden.

II. Personalhoheit:
Die Personalhoheit ist ein Recht, Regelungen in Bezug auf seine eigenen
Staatsangehörigen zu treffen. Bei Auslandsaufenthalten kollidiert das Recht des
Heimatstaates mit der Gebietshoheit des Aufenthaltsstaates.

Hier erhält die Gebietshoheit Vorrang und der Aufenthaltsstaat schuldet dem
Heimatstaat des Fremden die Achtung der Personalhoheit. Der Aufenthaltsstaat
muss die Fremden mit dem Fremdenrecht behandeln. Grundregeln: Respekt Leib
vor Leib und Leben des Fremden, seine Anerkennung als Rechtspersönlichkeit, der
Zugang zu Gerichten und der Schutz vor willkürlicher und entschädigungsloser
Enteignung.

Verstößt der Aufenthaltsstaat gegen diese Rechtspflichten, so verletzt er den


Anspruch des Heimatstaates. Bevor die Rechtsverletzung durch den Heimatstaat auf
völkerrechtlicher Ebene zur Sprache gebracht werden kann, muss der betroffene
Staatsangehörige im Aufenthaltsstaat alle zumutbaren Rechtsschutzmöglichkeiten
ausgeschöpft haben (local remedies rule). Der Heimatstaat adoptiert die
Rechtsverletzung und macht sie im Wege des diplomatischen Schutzes im
eigenen Namen gegenüber dem Aufenthaltsstaat geltend.

III. Erlass von Hoheitsakten mit Auslandsbezug:


Wegen der Gebietsausschließlichkeit darf ein Staat nur auf seinem Territorium
Hoheitsakte erlassen. Der Erlass von Hoheitsakten mit Wirkung gegenüber dem
Ausland sind unzulässig. Mittelbare Auswirkungen sind möglich, die Grenze zieht
aber das Interventionsverbot. Ein Staat hat die Möglichkeit die Hoheitsakte eines
anderen Staates nicht anzuerkennen und auf seinem Hoheitsgebiet nicht
durchzusetzen. Die Staaten können z.B. Rechtshilfeabkommen miteinander
schließen, die Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile regeln. Staatliche Gerichte
dürfen ausländische Rechtsakte auch am eigenen odre public überprüfen, um über
die Anerkennungsfähigkeit nach nationalem Recht zu entscheiden.

In der deutschen völkerrechtlichen Debatte werden zwei Formen des


Auslandsbezugs staatlicher Gesetze unterschieden.

Der sachliche Geltungsbereich eines Gesetzes darf sich auf Auslandsachverhalte


erstrecken, dh ein Gesetz darf in seinem Tatbestand an Ereignisse, Umstände im
Ausland
anknüpfen.
- z.B.: Regelung von Sozialleistungsansprüchen Deutscher mit Wohnsitz im Ausland

Der räumliche Geltungsbereich ist auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt, dh


das Gesetz gilt nicht im Ausland. International gebräuchlicher ist die dem
angloamerikanischen Recht entstammende Unterscheidung zwischen der
jurisdiction to prescribe und der jurisdiction to enforce: Im völkerrechtlich
anerkannten Rahmen dürfen Staaten Gesetze erlassen, die sich außerhalb ihres
Hoheitsgebietes vollziehen.

Ob ein staatliches Gesetz sich auf ausländische Sachverhalte beziehen darf, wird
danach bestimmt, ob ein völkerrechtlich anerkannter Anknüpfungspunkt
vorliegt.
Je nach Rechtsgebiet differieren die Anknüpfungspunkte:

- Das Territorialitätsprinzip folgt aus dem Grundsatz der Gebietshoheit und


begründet die Geltung des staatlichen Rechts für Ausländer.
Problematisch ist das Wirkungsprinzip, das an Auswirkungen auf dem
eigenen Gebiet ansetzt: ein gesteigerter Inlandsbezug ist vonnöten, um
Jurisdiktionskonflikte zu vermeiden.

- Das Personalitätsprinzip: Dies gestattet den Erlass von Regelungen in


Bezug auf eigene Staatsangehörige im Ausland. Z.B. Wahlrecht, Steuerecht

- Das Schutzprinzip: Gestattet den Erlass von Gesetzen zum Schutz


wichtiger staatlicher Interessen; hier ist im Einzelnen vieles umstritten, da bei
extensiver Interpretation das Interventionsverbot ausgehöhlt werden könnte

- Das Weltrechtsprinzip: Gestattet im Strafrecht die universelle Verfolgung


völkerrechtlicher Verbrechen.zB Völkerstrafgesetzbuch

Lesen: Rn. 348 S. 153

Das Völkerrecht erfüllt die Funktion eines übergeordneten Kollisions- oder


Koordinationsrechts. Die einzelnen Kollisionsregeln werden vom nationalen
Kollisionsrecht konkretisiert (Internationales Privatrecht). Für
Jurisdiktionskonflikte gibt das Third Restatement of the law“ des American-Law-
Institute taugliche Abgrenzungskriterien.
Besonders mächtige Staaten setzen gerne ihre eigenen Ordnungsvorstellungen durch.
So setzte die USA nach ihrem Rückzug aus dem Joint Comprehensive Plan of Action
mit dem Iran im Mai 2018 auf sog. Sekundärsanktionen, die ausländischen
Unternehmen, direkt oder indirekt mit dem Iran Handel treiben, den Zugang zu den
US-Märkten verschließen. Extensiv gehandhabte jurisdiktionelle Anknüpfungen
werden so zum Instrument von Lawfare, einer Strategie, rechtliche Mechanismen
strategisch zur Bekämpfung eines Gegners einzusetzen. Derartige Übergriffe in
fremde Jurisdiktionen zurückzuweisen ist die Aufgabe des Völkerrechts.
D. Das Interventionsverbot:
I. Grundlagen:
Das Interventionsverbot verbietet die Einmischung in innere und äußere
Angelegenheiten eines Staates durch Anwendung und Anordnung von Zwang.
Es ist doppelt bedingt durch:
- eine Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen Staates und
- die Anwendung oder Androhung von Zwang.

Jeder Staat hat das Recht sein politisches, soziales, wirtschaftliches und
kulturelles System frei zu wählen (= Teil des Interventionsverbotes). Geschützt
wird die Entscheidungsfreiheit des Staates. Das Interventionsverbot findet die
Rechtsgrundlage im Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten: Aus der
Souveränität folgt das Recht die innere und äußere Politik selbst zu bestimmen, aus
der Gleichheit das Verbot andere Staaten zu bevormunden. Die Geltung des
Interventionsverbotes wird allgemein anerkannt.

Auch Internationale Organisationen können gegen das Interventionsverbot


verstoßen. Z.B. UNO Art. 2 Nr. 7 UNCh, unberührt bleiben die
Zwangsmaßnahmen VII des SR → doppeltes Verbot: 1. Ausdrückliches
Interventionsverbot, das an Organe adressiert ist und 2. Implizit das
zwischenstaatliche Interventionsverbot, Grundsatz der souveränen Gleichheit der
Staaten

Private verstoßen auch dann nicht gegen das Interventionsverbot, wenn sie in der
Lage sind, auf ausländische Staaten erheblichen Druck auszuüben.

II. Der domaine réservé:


Der Bereich der inneren und äußeren Angelegenheiten ist der domaine réservé.
Dieser deckt sich mit dem Recht auf freie Wahl des politischen, ökonomischen,
sozialen und kulturellen Systems. Dieser Bereich ist nicht umwandelbar und
kann von Staat zu Staat unterschiedlich sein.

Mit jedem Vertrag, den ein Staat unterschreibt, unterwirft er sich und öffnet
seine Rechtsordnung für Einflüsse des Völkerrechts. (oben als
Vervölkerrechtlichung)
Der Bereich der Innen- und Außenpolitik, der vom Völkerrecht unabhängig ist, wird
hierdurch reduziert. Solange es die völkerrechtliche Verpflichtung gibt, können
andere Staaten die Einhaltung dieser Pflichten einfordern und auf friedlichem Wege
erzwingen, ohne dass es das Interventionsverbot verletzt.
Eine Reduktion erfährt der domaine réservé durch die Praxis des Sicherheitsrates
zu Kapitel VII der Satzung. Der Friede war früher von Art 39 UNCh ausschließlich
negativ verstanden, so ist der Sicherheitsrat schrittweise zu einem positiven
Friedensbegriff übergegangen.
III. Verstöße gegen das Interventionsverbot:
1. Zwischen Gewaltverbot und zulässiger politischer Kritik:
Früher wurde das Interventionsverbot als Verbot gewaltsamer Intervention in
einem Völkerrecht verstanden. Mit Herausarbeitung des Verbots des
Angriffskrieges hat sich der Anwendungsbereich verschoben. Gewaltsame
Interventionen verstoßen noch immer gegen das Interventionsverbot, dies ist
jedoch nur bei Einmischungen unterhalb der Gewaltschwelle von
Bedeutung.
Verboten ist nicht bereits eine politische Stellungnahme zu den
Verhältnissen in
anderen Staaten. Hinzu treten muss ein Zwangselement.
Die UN-Generalversammlung hat 1981 eine Erklärung über die Unzulässigkeit
der Intervention und der Einmischung in die inneren Angelegenheiten von
Staaten angenommen.

2. Fallgruppen:
Es haben sich mehrere Fallgruppen herausgebildet. Es wird deutlich, dass Zwang
ein normativer Begriff ist. Aus diesem Grunde werden teilweise diejenigen Fälle, in
denen es an unmittelbaren Zwang fehlt, einem vom Interventionsverbot
unterschiedenen Verbot der Nichteinmischung unterstellt oder als Verletzung
der Souveränität selbst qualifiziert.

a) Destabilisierung im Innern:
Kein Staat darf gegenüber einem anderen aktiv eine Politik des Regimewechsels
verfolgen oder die Destabilisierung des anderen Staates betreiben. Wird ein
Regimewechsel militärisch erzwungen, liegt ein Verstoß gegen das Gewaltverbot
vor. Auch Anschläge und Sabotageakte stellen eine verbotene Intervention dar.
Lesen: Rn. 363 S. 158

Deutlich untersagt wird auch die Unterstützung von Aufständischen durch


Finanzierung, Ausbildung oder Versorgung mit Waffen. (vgl. Nicaragua). Bei einem
gesteigerten Grad an Unterstützung kann gegen das Gewaltverbot verstoßen
(indirekte Gewalt) oder sogar ein Selbstverteidigung berechtigender bewaffneter
Angriff vorliegen (indirekte Aggression).

Differenziert ist die Unterstützung oppositioneller Bewegungen zu beurteilen,


die sich mit der Regierung ihres Landes auf politischer Ebene gewaltfrei
auseinandersetzen. Hier ist darauf abzustellen, ob die Art der Unterstützung gegen
innerstaatliches Recht verstößt.

Wegen einer destabilisierenden Wirkung kann die Parteinahme in einem


innerstaatlichen Konflikt gegen das Interventionsverbot verstoßen. Dies kann die
Anerkennung einer oppositionellen Regierung sein bzw. vorzeitige Anerkennung
eines Staates. Z.B. Kosovo
(P) Bei gegnerischer Propaganda ist noch nicht geklärt, ob und wann dies gegen
das
Interventionsverbot verstoßen kann.

Hintergrund: Ost-West-Konflikt
Akt: Radio Propaganda → unzulässige Einmischung
- Bei einer Aufstachelung oder Hetzpropoganda dagegen kann der suggestive Einfluss
der von Medien auch in einer das Interventionsverbot verletzende Weise genutzt
werden
- Annahme eines Interventionsverbotes bei politscher Manipulation durch Fake news
o. technische Eingriffe in Wahlvorgänge

b) Verletzungen der Gebietshoheit:


Die Verletzung der Gebietsausschließlichkeit durch Hoheitsakte auf fremden
Territorium verstößt gegen das Interventionsverbot. Hierzu gehören Akte
angemaßter Hoheitsgewalt, zB Verhaftung einer Person im Ausland.

Verboten ist auch die Ausübung realer Zwangsgewalt. Praktisch


bedeutsamster Fall Adolf Eichmann (NS Zeit, Entführung durch Israel).

(P) An völkerrechtswidrigen Entführungen schließt die Frage an, ob die


Rechtsverstöße bei der Ergreifung das Strafverfahren ebenfalls
rechtswidrig werden lassen

Mehrzahl der Staaten: hält am Grundsatz male xaptus bene detentus („rechtswidrig
gefangen, rechtmäßig in Haft“)

Einige Gerichte: (-) Zulässigkeit des Strafverfahrens Arg: Recht des fairen
Verfahrens, Staat muss mit sauberen Händen vor Gericht erscheinen (clean hands
rule)

Gewohnheitsrechtlich kein Verbot der Strafverfolgung nach Entführung etabliert

Entführungen verletzen generell das Interventionsverbot eines Staates, ist dies


umstritten, wenn man jemanden durch List an einen Ort lockt, indem er
verhaftet wird. Hier liegt keine Zwangsgewalt vor.

Gegen das Interventionsverbot verstoßen auch Anschläge und


Sabotageakte, die
sich gegen Einrichtungen ausländischer Staaten, sonstiger Völkerrechtssubjekte oder
Private richten.

Lesen: Fall abgehörte Diensthandy Rn. 371 S. 161

c) Militärischer und physischer Zwang:


In jedem Verstoß gegen das Gewaltverbot und das Gewaltandrohungsverbot
liegt ein Verstoß gegen das Interventionsverbot, weil hier die schwerste Form
von Zwang erst ausgeübt wird, um auf das politische Selbstbestimmungsrecht eines
Staates einzuwirken. Beide Verbote sind teilkongruent.
Auch Fälle des physischen Zwangs sind vom Interventionsverbot erfasst. zB
Massenvertreibungen von Flüchtlingen über die Grenze in einen Nachbarstaat
oder das Abschneiden eines Staates von der Wasserzufuhr.

d) Ökonomischer Zwang:
(P) Anwendung ökonomischer Druckmittel
Bei Wirtschaftsblockaden und Embargos dürfte ein an sich unzulässiger
wirtschaftlicher Zwang bejaht werden können, nicht bei bloßer Unterbrechung
der Wirtschaftsbeziehungen oder bei Einstellung von Entwicklungshilfe.
Auch wenn vertragliche Regelungen existieren, die durch solche Maßnahmen verletzt
würden, gehören diese nicht zum domaine réservé. Es gibt keinen Anspruch auf
Aufrechterhaltung dieser Beziehungen und Hilfeleistungen. Das
Interventionsverbot setzt nicht nur die Ausübung von Zwang voraus, sondern
auch das Ziel die politische Willensbildung zu beeinflussen.
Lesen: Fall: Gaspreisexplosion Rn. 375 S. 162

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