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Quarzkristallmikrowaage – QCM

Der Naturwissenschaftlichen Fakultät


der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
zur Erlangung des Doktorgrades

vorgelegt von
Julian Zeitvogl

aus Erlenbach a.Main


Als Dissertation genehmigt
von der Naturwissenschaftlichen Fakultät
der Universität Erlangen-Nürnberg

Tag der mündlichen Prüfung: 20.03.2009


Vorsitzender der Promotionskommission: Prof. Dr. Eberhard Bänsch
Erstberichterstatter: Prof. Dr. Bernhard Hensel
Zweitberichterstatter: Prof. Dr. Uli Katz
„Der Unterschied zwischen der einfachen
und der schwierigen Methode besteht
darin, dass die schwierige funktioniert.“
Terry Pratchett
Zusammenfassung

Quartz Crystal Microbalance (QCM) ist ein Verfahren, das durch die Ver-
messung der Impedanzcharakteristika eines akustischen Resonators Massen-
dichte und viskoelastische Eigenschaften eines Systems in Kontakt mit dem
Sensorquarz bestimmt. Erfasst werden entweder die komplette Impedanz-
struktur oder die Resonanzfrequenz und ein mit der Dämpfung korrelierter
Parameter, z.B. die Breite des Resonanzpeaks.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde eine QCM entwickelt, die Messun-
gen sowohl in Vakuum/Luft als auch in Flüssigkeit ermöglicht. Die realisier-
te Elektronik ist zur Impedanzanalyse sowie zur Durchführung von Abkling-
und Oszillatorkreismessungen fähig. Das erfasste Impedanzspektrum umfasst
den Frequenzbereich von 1 bis 80 MHz, was bei den verwendeten 5 MHz-Sen-
sorquarzen Messungen bis zur 15.Oberwelle ermöglicht. Die Abklinkmessung
erfasst Resonanzen bis zur 5. Oberwelle, die Oszillatorkreismessung ist be-
schränkt auf die Grundwelle.
Anhand der Vermessung von Impedanznetzwerken mit bekannten Eigen-
schaften wurde die Funktionsfähigkeit der entwickelten Impedanzanalyse ge-
zeigt. Die Masseauflösung, bedingt durch die Frequenzstabilität, beträgt an
Luft 1.6ng/cm2 , in Flüssigkeit 20ng/cm2 . Neben der Resonanzfrequenz wur-
den die Parameter ausgewertet, die mit der Dämpfung bzw. Energieauskopp-
lung korrelieren. Als Parameter größter Stabilität wurde hierbei die aus der
Abklingmessung erhaltene Abklingzeit mit einer Schwankung von 0.005 %
(trocken) bzw. 0.014 % (in Flüssigkeit) bestimmt.
Die Realisierung von drei unabhängigen Messmethoden ermöglichte einen
qualitativen und quantitativen Vergleich der Resonanzverschiebungen unter
verschiedenen Lastbedingungen. Anhand der Bedampfung der Quarzsenso-
ren mit Gold wurde die Äquivalenz der entwickelten Methoden bezüglich
der Vermessung starrer (Sauerbrey-)Schichten gezeigt. Die maximale Ab-
weichung der einzelnen Methoden untereinander beträgt 0.2 %. Bei starker
Dämpfung, experimentell realisiert durch die Vermessung einer Reihe unter-
schiedlich viskoser Flüssigkeiten, weichen die mittels Oszillatorkreis gemes-
senen Frequenzverschiebungen deutlich von den anderweitig bestimmten ab.
Dies ließ sich auf die dämpfungsbedingte Verzerrung der Impedanzstruktur
des Quarzresonators zurückführen.
Abstract

The Quartz Crystal Microbalance (QCM) technique determines mass den-


sity and viscoelastic properties of a system in contact with a quartz sensor
by measuring the characteristic impedance of the acoustic resonator. The
measured quantities are either the complete impedance structure or the re-
sonance frequency and a parameter associated with damping, e.g. the width
of the resonance peak.
In the context of this work, a QCM allowing measurments in vacuum/air
and in liquid environment was developed. The designed electronics is ca-
pable of impedance analysis and of performing decay and oscillator circuit
measurements. Impedance is detected in the range of 1 to 80 MHz, allowing
measurements up to the 15th harmonic with the 5 MHz crystals used. The
decay measurement detects resonances up to the 5th harmonic, the oscillator
circuit is limited to the fundamental wave.
By measuring impedance networks of known properties, the functional ca-
pability of the developed impedance analysis was shown. The mass detec-
tion limit, depending on frequency stability, amounts to 1.6 ng/cm2 in air,
20 ng/cm2 in liquid. Apart from resonance frequency, the parameters as-
sociated with damping resp. energy loss were evaluated. Among those, the
characteristic time of the decay measurement was determined to be the most
stable parameter, exhibiting a fluctuation of 0.005 % (air) resp. 0.014 % (in
liquid).
The development of three independent measuring methods allowed for a qua-
litative and quantitative comparison of the resonance shifts under different
load conditions. By evaporation deposition of gold onto the sensor quart-
zes, the equivalence of all developed methods with regard to detecting rigid
(Sauerbrey) films was shown. The maximum deviation of the different me-
thods was determined as 0.2%. In the case of strong damping, experimentally
realised by measuring a series of liquids of different viscosity, the resonance
shifts determined by the oscillator circuit deviated considerably from the
resonance shifts detected by the other methods. This effect is attributed to
the damping-induced deformation of the impedance structure of the quartz
resonator.
Inhaltsverzeichnis

1 Quarzkristallmikrowaage 1

2 Kristallographische und piezoelektrische Grundlagen 11


2.1 Kristallsymmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.1.1 Kristallographische Punktgruppen . . . . . . . 11
2.1.2 Konsequenzen der Symmetrie für die Material-
koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.2 Piezoelektrischer Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.2.1 Piezoelektrischer Effekt als Dipoleffekt . . . . . 18
2.2.2 Piezoelektrische Materialien und Anwendungen 21
2.3 Kristallographische Beschreibung des Quarzes . . . . . 22
2.3.1 Kristallstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
2.3.2 AT-Schnittwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkör-


per 29
3.1 Lineare Theorie der Elastizität . . . . . . . . . . . . . 30
3.1.1 Notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
3.1.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
3.1.3 Material- und raumbezogene Darstellung . . . . 32
3.1.4 Spannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.1.5 Reduzierte Tensorschreibweise . . . . . . . . . . 34
3.2 Erweiterung der Theorie um Thermostatik . . . . . . . 35
3.3 Elektromechanische Wechselwirkung . . . . . . . . . . 37
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil . . . . . . . . 39
3.4.1 Eindimensionales Modell . . . . . . . . . . . . . 39
iv Inhaltsverzeichnis

3.4.2 Elektromechanische Kopplung . . . . . . . . . . 43


3.4.3 Elektrische Impedanz des piezoelektrischen Re-
sonators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
3.4.4 Mason-Ersatzschaltbild . . . . . . . . . . . . . 48
3.4.5 Butterworth-van Dyke-Ersatzschaltbild . . . . . 56
3.4.6 Kritische Frequenzen und Admittanzkreis . . . 63
3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz 73


4.1 Impedanzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
4.1.1 Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
4.1.2 Technische Realisierung . . . . . . . . . . . . . 75
4.2 Peripherie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
4.2.1 Peripherie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
4.2.2 Flusszelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
4.3 Charakterisierung der Impedanzmessung . . . . . . . . 92
4.3.1 Vermessung von ohmschen Widerständen . . . 92
4.3.2 Vermessung von LC-Kreisen . . . . . . . . . . . 94
4.3.3 Wägeempfindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 100
4.4 Bestimmung der BvD-Parameter . . . . . . . . . . . . 107
4.5 Bedampfung im Vakuum . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
4.5.1 Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
4.5.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
4.6 Flüssigkeiten unterschiedlicher Dichte und Viskosität . 116
4.6.1 Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
4.6.2 Einfluss einer viskoelastischen Schicht . . . . . 117
4.6.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
4.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

5 Abklingmessung und Oszillatorkreis 127


5.1 Erweiterung des Aufbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
5.1.1 Prinzip der Abklingmessung . . . . . . . . . . . 129
5.1.2 Technische Realisierung der Abklingmessung . 130
5.1.3 Oszillatorkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
Inhaltsverzeichnis v

5.1.4 Serien- und Parallelresonanzkreise . . . . . . . 133


5.1.5 Technische Realisierung der Oszillatorkreismes-
sung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
5.2 Vergleich der Messmethoden . . . . . . . . . . . . . . . 138
5.2.1 Relative Lage der Resonanzen . . . . . . . . . . 139
5.2.2 Genauigkeit/Stabilität der erfassten Parameter 141
5.2.3 Vergleich der Messungen mit den unterschiedli-
chen Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
5.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

6 Zusammenfassung und Ausblick 149

Symboltabelle 153

Literaturverzeichnis 157

Danksagungen 167
vi Inhaltsverzeichnis
1 Quarzkristallmikrowaage

Einführung

Aus der Sicht der medizinischen Physik stellt sich der Mensch als ein
extrem komplexes System dar. Viele (patho-)physiologische Vorgän-
ge können letztendlich erst auf molekularer Ebene verstanden werden.
Andererseits bieten sich durch entsprechende Erkenntnisse auch neue
diagnostische bzw. therapeutische Möglichkeiten. So konnte etwa die
Hämokompatibilität von Koronarstents aus medizinischem Edelstahl
durch eine Beschichtung mit Silizium-Carbid erheblich gesteigert wer-
den, nachdem der Zusammenhang zwischen der elektronischen Struk-
tur bestimmter Proteine und der Blutgerinnung verstanden worden
war [60].
In der modernen Medizin ist das Verständnis von Protein–Protein-
bzw. Protein–Festkörper-Wechselwirkungen unverzichtbar. Für das
Studium entsprechender Interaktionen bieten sich grundsätzlich zwei
Möglichkeiten an. Computersimulationen ermöglichen prinzipiell das
Zurückführen molekularer Vorgänge auf die grundlegenden Eigenschaf-
ten der Materie, sind aber beschränkt durch endliche Genauigkeit
und Rechenkapazität sowie die Problematik der Bereitstellung ent-
sprechender force fields, ohne die belastbare Aussagen nicht getroffen
werden können [48, 55]. Experimentelle Methoden auf der anderen
Seite müssen die erforderliche Empfindlichkeit aufweisen – um z.B.
Monolagen von Alkanthiolen nachweisen zu können, ist eine Massen-
auflösung von wenigen 10 ng/cm2 erforderlich [40].
Eine experimentelle Methode, die sowohl die für das Studium moleku-
larer Vorgänge erforderliche Genauigkeit aufweist, als auch in flüssi-
gen Medien verwendet werden kann, ist die Quarzkristallmikrowaage
(Quartz Crystal Microbalance, QCM). Bei diesem Verfahren werden
2 1 Quarzkristallmikrowaage

aus dem Verhalten eines resonant schwingenden Quarzsensors Rück-


schlüsse auf die Eigenschaften mit dem Sensor in Kontakt stehender
bzw. daran adhärierter Medien gezogen. Da Quarz als piezoelektrisches
Material einen elektro-mechanischen Übertrager darstellt, erfolgen so-
wohl Anregung als auch Vermessung der Resonanz auf elektronischem
Wege.

Anwendungen von Quarzresonatoren


Aufgrund seiner einzigartigen mechanischen und piezoelektrischen Ei-
genschaften wird Quarz bereits seit den zwanziger Jahren des letzten
Jahrhunderts als Frequenzstandard in den verschiedensten elektroni-
schen Geräten verwendet, als prominentestes Beispiel etwa in Uhren
[33]. Im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg wuchsen sowohl Ent-
wicklung als auch Produktion von Quarzresonatoren durch den enor-
men Bedarf an Kommunikationsgeräten sprunghaft an [15]. Seit der
ersten Beschreibung des Zusammenhangs zwischen Massenbelegung
und Resonanzverschiebung durch Günter Sauerbrey im Jahre 1959 [61]
werden Quarze auch als Sensoren eingesetzt. Dies beschränkte sich lan-
ge Zeit ausschließlich auf Anwendungen in Vakuum oder Luft, da kei-
ne Messelektronik zur Verfügung stand, die stabile Quarzoszillationen
auch bei starker Dämpfung aufrecht erhalten konnte.
Erst Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wur-
den Oszillatorkreise beschrieben, die die Verwendung einer QCM in
flüssigen Medien erlauben [53]. Seitdem erfreut sich die Methode im
Bereich biologischer Fragestellungen stetig wachsender Beliebtheit. In
der Scopus-Datenbank [3] finden sich allein aus den letzten fünf Jah-
ren (2004 bis Januar 2009) 2981 Veröffentlichungen, die sich direkt
auf das Thema Quartz Crystal Microbalance beziehen oder durch den
Einsatz der Messtechnik erhaltene Ergebnisse präsentieren. Etwa 40 %
davon befassen sich explizit mit dem Studium biomolekularer Interak-
tion [20]. Durch die Fähigkeit der QCM, in flüssigem Medium in situ
und in Echtzeit zu messen, wurden daneben auch Studien im Bereich
sogenannter soft matter -Fragestellungen möglich. Beispiele hierfür bie-
3

ten Studien des mechanischen Kontakts [13, 14, 23], der Oberflächen-
rauigkeit [22, 21, 49, 69] und viskoelastischer Eigenschaften [41, 44]
auf mikroskopischer Skala. Nicht zuletzt fand die Technik auch Ein-
gang in des Feld der Elektrochemie, wo die Kombination einer elektro-
chemischen Zelle mit einer QCM oftmals als EQCM bezeichnet wird
[39, 72].

Prinzip der QCM


Trotz der weiten Einsatzbereiche ist das grundsätzliche Prinzip der
QCM bei allen Anwendungen das gleiche. Ein Quarzkörper in Form
eines flachen Zylinders wird mittels einer an den auf Ober- und Unter-
seite aufgedampften Elektroden angelegten Wechselspannung zu reso-
nanten Schwingungen angeregt. Die typische Geometrie ist in Abb. 1.1
(nicht maßstabsgetreu) dargestellt. Die Elektroden bestehen dabei

Abbildung 1.1: Typische QCM-


Quarz-Geometrie. Die Abbildung
ist nicht maßstabsgetreu – ty-
pischerweise beträgt die Dicke
0.3 mm, der Durchmesser 10 bis
30 mm. Abb. entnommen aus [37].

meist aus Gold, seltener aus Silber oder anderen Elementen. Wäh-
rend der Durchmesser der Quarze ab einer bestimmten Mindestgröße
nicht entscheidend ist, bestimmt die Dicke (in Kombination mit der
Schallgeschwindigkeit) die Resonanzfrequenz. Ein Quarz mit einer Di-
cke von 3.317 × 10−4 m weist beispielsweise eine Resonanzfrequenz von
5 MHz auf.
Um die Energieauskopplung in das umgebende Medium möglichst ge-
ring zu halten, werden für QCM-Anwendungen i.A. Dickenscherschwin-
ger (thickness shear mode resonators, TSM) verwendet. Je nach kris-
tallographischem Schnittwinkel ist auch die piezoelektrische Anregung
anderer Auslenkungsmuster möglich, was etwa bei sogenannten bulk
4 1 Quarzkristallmikrowaage

Abbildung 1.2: Auslenkung eines Di-


ckenscherschwingers. Die Ausbreitungs-
richtung der Welle steht senkrecht zu den
Quarzflächen, die Amplitude parallel.

acoustic wave (BAW) [71], surface acoustic wave (SAW) [54] oder
Love-wave-Sensoren [62] genutzt wird. Jedes andere Amplitudenmus-
ter führt allerdings zu einer größeren Dämpfung als beim Dicken-
scherschwinger. Da eine starke Dämpfung die Stabilität negativ be-
einflusst, werden für die Anwendung als QCM TSM-Resonatoren ver-
wendet. Das entsprechende Schwingungsmuster ist in Abb. 1.2 darge-
stellt.
Je nach Messmethode wird die anregende Frequenz entweder durch
den Quarz selbst vorgegeben oder durch eine externe Quelle erzeugt.
In jedem Fall zeichnet sich der Quarzresonator durch eine charakte-
ristische Impedanz aus, die im Wesentlichen durch die grundlegenden
Eigenschaften des Quarzes, teilweise aber auch durch die externe Last
definiert ist. Die Messung dieser Impedanz ist die maßgebliche Funk-
tion jeder QCM. Unterschiedliche Messmethoden liefern unterschied-
liche Parameter, aber die zugrundeliegende Größe ist in jedem Fall
die komplexe frequenzabhängige Impedanz des Quarzsensors. Ein ty-

40

10000 20

0
arg (Z) [deg]
]

-20 Abbildung 1.3: Ty-


abs (Z) [

abs (Z)

-40 pischer Verlauf von Be-


-60
trag und Phase der Im-
1000 pedanz eines Quarzre-
arg (Z) -80
sonators.
-100

4.92 4.94 4.96 4.98 5.00 5.02 5.04

frequency [MHz]
5

pischer Verlauf von Betrag und Phase der Impedanz ist in Abb. 1.3
gezeigt.
Seit der ersten Verwendung von Schwingquarzen für QCM-Anwendun-
gen ist eine große Anzahl unterschiedlicher Methoden für die Vermes-
sung der charakteristischen Quarzimpedanz erprobt worden [5, 27, 47].
Im Wesentlichen lassen sich drei Messanordnungen unterscheiden. Die
dem ursprünglichen Verwendungszweck am nächsten stehende ist die
Verwendung des Quarzsensors als frequenzbestimmendes Element in
einem Oszillatorkreis. Während jedoch der Zweck eines Schwingkreises
in Kommunikationsanwendungen die möglichst exakte Frequenzkon-
trolle ist, liegt der Fokus bei der Anwendung als QCM vielmehr in der
exakten Erfassung der im Zuge der Messung veränderlichen Oszillator-
frequenz. Meist wird in Oszillatorkreisen nicht genau die mechanische
Resonanzfrequenz (die Frequenz des ersten Phasennulldurchganges der
Impedanz fr ) erfasst, sondern eine von der jeweiligen Beschaltung ab-
hängige leicht verschobene Frequenz.
Je nach Realisierung liefert ein Schwingkreis zunächst nur die Reso-
nanzfrequenz des Quarzsensors. Ist eine Pegelkontrolle enthalten, er-
gibt sich daraus noch ein der Dämpfung des Quarzes proportiona-
ler Parameter, aus dem die charakteristische Abklingzeit τ berechnet
werden kann [52]. Erheblich umfassender wird die Resonanzstruktur
durch einen Impedanzanalysator charakterisiert. Dieses Gerät erzeugt
die den Quarz anregende Wechselspannung extern und misst in Ab-
hängigkeit der Frequenz reflektierte oder transmittierte Anteile des
anregenden Signals (im Idealfall beides). Aus den komplexen Reflekti-
ons- bzw. Transmissionskoeffizienten kann dann frequenzabhängig die
Impedanz des Quarzes berechnet werden. Durch einen numerischen
Fit geeigneter Ersatzschaltbilder können neben den charakteristischen
Frequenzen – die Frequenzen der Phasennulldurchgänge (fr und fa )
sowie minimaler (fm ) bzw. maximaler Impedanz (fn ) – weitere Para-
meter bestimmt werden. Zu diesen zählt insbesondere auch die mit der
Dämpfung assozierte halbe Breite auf halber Höhe des Impedanzpeaks
(Halbpeak-Halbbreite) Γ.
Die dritte weit verbreitete Methode ist die Messung des Abklingens
6 1 Quarzkristallmikrowaage

eines zuvor in der Nähe der Resonanz angeregten Quarzes. Wie bei
der Impedanzanalyse wird die Anregung des Quarzes extern erzeugt,
dann aber abgeschaltet oder galvanisch vom Quarz getrennt. Danach
schwingt der Quarz bei seiner mechanischen Resonanzfrequenz fr ab,
was i.A. wenige ms, bei starker Dämpfung sogar bis zu einer Größen-
ordnung weniger in Anspruch nimmt. Durch Fit eines exponentiell
gedämpften Sinus an das abklingende Signal können die Resonanzfre-
quenz sowie die charakteristische Abklingzeit τ bestimmt werden.
Die Tabelle am Ende dieses Kapitels fasst die vorgestellten Mess-
methoden zusammen und listet die spezifischen Vor- und Nachteile
auf.
Unabhängig davon, welche Messmethode verwendet wird, müssen die
erhaltenen Parameter durch geeignete Modellbildung in physikalische
Parameter des zu untersuchenden Systems überführt werden. Dies be-
deutet im Wesentlichen das Übersetzen der elektrischen Impedanz in
die mechanische Impedanz der Last, also der Schicht(en) in Kontakt
mit dem Quarzsensor. Dazu existiert eine Vielzahl von theoretischen
Modellen, die auf der Physik der Wellenausbreitung [38, 56], auf elek-
trischen Ersatzschaltbildern [35, 36] oder einer Kombination aus bei-
dem [30, 50] beruhen.
Obwohl der ursprünglich von Sauerbrey [61] entwickelte Ausdruck
für die Frequenzverschiebung bei vielen Fragestellungen der aktuel-
len Forschung nicht direkt anwendbar ist, wird er immer noch zur
Abschätzung der Massenempfindlichkeit einer QCM verwendet. Für
einen 5 MHz-Quarz etwa beträgt die sogenannte Sauerbrey-Konstante
2 . Dies bedeutet, durch eine Massenbelegung des Quarzsen-
Hz
0.057 ng/cm
sors von 1 ng/cm2 verschiebt sich die Resonanzfrequenz um 0.057 Hz.
Die Firma Q-Sense beispielsweise gibt die Frequenzauflösung der ei-
genen QCM mit 0.1Hz an, was einer nominellen Massenauflösung von
1.8 ng/cm2 entspricht [1].
Um zu verdeutlichen, was diese Masseauflösung praktisch bedeutet,
mag folgendes Beispiel dienen. Alkanthiole (CH3 (CH2 )n SH) in Lösung
bilden auf Goldoberflächen spontan selbstorganisierende Monolagen
7

(self-assembled monolayers, SAMs) aus [8]. Die Bedeckungsichte ei-


ner solchen Monolage kann zu 4.6 × 1014 Moleküle/cm2 abgeschätzt
werden [12] (bezüglich der Struktur der ausgebildeten Schichten vgl.
z.B. [24, 28, 29]). Im Falle von Octadecanthiol (CH3 (CH2 )17 SH) mit
einem Molekulargewicht von 286.57 g/mol entspricht eine Monolage ei-
ner Massenbelegung von 219 ng/cm2 . Mit der genannten Frequenzauf-
lösung kann also schon weniger als 1 % einer Monolage Octadecanthiol
nachgewiesen werden.

Ziel und Inhalt der vorliegenden Arbeit


Ziel der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung und Charakterisie-
rung einer QCM mit der Fähigkeit, auch in flüssigen Medien messen
zu können. Dies umfasste den Entwurf und Aufbau der entsprechen-
den Messelektronik, Konzeptionierung und Implementierung der für
die Ansteuerung und Auswertung notwendigen Software-Komponen-
ten sowie die Realisierung der Peripherie und Flüssigkeitsmesszelle.
Dabei wurden die drei vorgestellten Messmethoden realisiert und die
entsprechenden Ausgabeparameter qualitativ und quantitativ vergli-
chen.
Zunächst werden jedoch die notwendigen kristallographischen und ma-
thematischen Grundlagen besprochen. Kap. 2 beschreibt die für das
Verständnis des piezoelektrischen Effektes erforderliche Kristallstruk-
tur des Quarzes sowie den aus unterschiedlichen Anforderungen an
den Sensor resultierenden Schnittwinkel, den sogenannten AT-cut. Das
darauf folgende Kapitel behandelt die lineare Theorie elastischer Fest-
körper, die um elektromechanische Wechselwirkung ergänzt wird. Ins-
besondere werden die charakteristische Impedanz sowie Lage und Be-
ziehung der verschiedenen Resonanzfrequenzen behandelt.
Der eigentliche Messaufbau ist Gegenstand der Kap. 4 und 5. In ers-
terem werden Funktionsprinzip und technische Umsetzung der Impe-
danzanalyse in einem Netzwerkanalysator-ähnlichen Aufbau behan-
delt. Auch die entwickelte Peripherie und Flusszelle werden an dieser
Stelle beschrieben. Anhand der Vermessung von Bauteilen bzw. Bau-
8 1 Quarzkristallmikrowaage

teilgruppen mit bekannten Eigenschaften wird die prinzipielle Funkti-


onsfähigkeit des Impedanzanalysators verifiziert. Nach Sauerbrey wird
die gemessene Frequenzstabilität in eine Massenauflösung umgerech-
net. Die Vermessung der Resonanzverschiebung während des Aufdamp-
fens von Gold sowie in Kontakt mit Flüssigkeiten unterschiedlicher
Dichte und Viskosität demonstrieren abschließend den qualitativen
und quantitativen Unterschied zwischen sauerbreyschen und viskosen
Systemen.
In Kap. 5 wird der Messaufbau dahingehend erweitert, auch Abkling-
und Oszillatorkreismessungen zu ermöglichen. Nach der Vorstellung
des Funktionsprinzip wird die technische Umsetzung beschrieben. Die
Realisierung von drei unterschiedlichen QCM-Messmethoden ermög-
licht den Vergleich der relativen Lage und Genauigkeit der erfassten
Parameter. Das Kapitel schließt mit dem Vergleich der mit allen entwi-
ckelten Methoden durchgeführten Versuche aus Kap. 4.
Messmethode Vorteile Nachteile Ausgabe

Impedanzanalyse • Erfassung des kompletten Im- • aufwändige Instrumentierung ωm , ωr ,


pedanzspektrums • begrenzte Datenerfassungsrate ωa , ωn ,
(Charakterisierung der Quarze)
• aufwändige Verarbeitung der Γ
• mehrere Obertöne messbar Messdaten notwendig
• Bestimmung der Resonanzbrei-
te
• unabhängig von der Dämpfung
• Resonanzbreite als robuster Pa-
rameter (im Vergleich zur Fre-
quenz) [36]

Abklingmessung • direkte Messung der mechani- • aufwändige Instrumentierung ωr , τ


schen Resonanzfrequenz • begrenzte Datenerfassungsrate
• direkte Messung der Abkling- • in Flüssigkeiten unpräzise Fre-
konstante quenzbestimmung

Oszillatorkreise • kostengünstige Implementie- • hohe Phasenstabilität notwen- ≈ ωr


rung dig (τ )
• hohe Datenerfassungsrate • keine Bestimmung der Dämp-
• hohe Frequenzauflösung fung ohne Erweiterung des
Schwingkreises
• Vermessung einer einzelnen
Schwingungsmode

9
10 1 Quarzkristallmikrowaage
2 Kristallographische und
piezoelektrische Grundlagen

Obwohl der Sensorquarz die zentrale Komponente jeder QCM dar-


stellt, ist er gleichzeitig die Komponente, auf die der Entwickler den
geringsten Einfluss hat. Bestimmte Aspekte, etwa die Oberflächenrau-
igkeit oder die Form der Elektroden, können innerhalb bestimmter
Grenzen modifiziert werden. Die grundlegenden physikalischen Cha-
rakteristika – piezoelektrische und mechanische Eigenschaften – be-
sitzt der Quarz jedoch von Natur aus, sie sind eine Folge der kristal-
lographischen Struktur des Quarzes. Um seine für die Verwendung in
einer QCM entscheidende Impedanz verstehen zu können, ist daher
zunächst ein Überblick über die Kristallographie des Quarzes notwen-
dig.
Eine erhebliche Bedeutung kommt hierbei den Kristallsymmetrien zu,
die im ersten Abschnitt dieses Kapites betrachtet werden. Eine verein-
fachte Darstellung des piezoelektrischen Effektes skizziert anschließend
die Grundlagen dieses für die elektrische Charakterisierung eines me-
chanischen Resonanzeffektes entscheidenden Phänomens. Abgeschlos-
sen wird das Kapitel mit der Diskussion des speziellen kristallogra-
phischen Schnittwinkels der für die meisten Oszillatoranwendungen
verwendeten Quarze.

2.1 Kristallsymmetrien
2.1.1 Kristallographische Punktgruppen
Unter einer Symmetrie versteht man die Invarianz eines Systems unter
einer bestimmten Transformation. Eine Symmetriegruppe ist die Men-
12 2 Kristallographische und piezoelektrische Grundlagen

ge aller möglichen Symmetrieoperationen für ein bestimmtes Objekt.


Man unterscheidet zwischen kontinuierlichen und diskreten Symme-
triegruppen, wobei letztere sich dadurch auszeichnen, dass es für die
entsprechenden Transformationen eine kleinste Schrittgröße gibt, un-
terhalb derer das transformierte System nicht mehr invariant ist. Ein
Beispiel hierfür ist etwa die Drehung eines Quadrates um seinen Mit-
telpunkt: Eine solche lässt das Ausgangsobjekt nur für Drehungen um
nπ (n ∈ Z) invariant. Punktgruppen bezeichnen eine Untermenge der
Symmetriegruppen, die die Symmetrie einer Punktmenge – z.B. eines
Festkörpers – beschreibt.
Bezogen auf die mathematische Beschreibung der mechanischen und
elektrischen Eigenschaften von Kristallen liegt die Bedeutung von Sym-
metrien darin, dass diese zu Randbedingungen für die elastischen und
piezoelektrischen Koeffizienten1 führen.
Aus kristallographischer Sicht bietet sich eine umformulierte Definiti-
on der Symmetrie an. Die Antwort eines Systems auf eine bestimmte
Transformation wird durch ein Antwortfunktional beschrieben. Eine
Symmetriegruppe ist die Menge von Transformationen, die das Ant-
wortfunktional unverändert lassen [66]. Bezogen auf die mechanischen
Eigenschaften eines Kristalls genügen zwölf Rotationsgruppen zur Be-
schreibung anisotroper Materialien. Berücksichtigt man aber auch pie-
zoelektrische Eigenschaften, erweitert sich die geforderte Invarianz des
Antwortfunktionals auf elektromechanische Interaktionen, und die An-
zahl der möglichen Kristallklassen erhöht sich auf 32.
Diese 32 Klassen werden unterteilt in elf sogenannte Laue-Gruppen,
die elf der zwölf im vorhergehenden Absatz genannten Rotationsgrup-
pen entsprechen (die zwölfte Gruppe ist die Transverse Isotropie, ei-
ne beliebige Drehung um eine bestimmte Achse). Tab. 2.1 listet die
Kristallsysteme, die Laue-Gruppen und die internationalen Symbole
für die entsprechenden Punktgruppen auf. Die verwendeten Symbo-

1
Dies bezeichnet die Koeffizienten, die das Verhältnis zwischen Spannung und Ver-
zerrung bzw. piezoelektrisch induziertem Potential und Verzerrung beschreiben.
Die mathematische Definition findet sich in Kap. 3.
2.1 Kristallsymmetrien 13

Kristallsystem Laue-Gruppe Punktgruppen


Triklin N 1, 1̄
Monoklin M 2, m, m 2

Orthorhombisch O 222, mm2, m 2 2 2


mm
Tetragonal TII 4, 4̄, m4

TI 422, 4mm, 4̄2m, m 4 2 2


mm
Kubisch CII 23, m 2

CI 432, 4̄3m, m 4 2
3̄ m
Trigonal RII 3, 3̄
RI 32, 3m, 3̄ m2

Hexagonal HII 6, 6̄, m6

HI 622, 6mm, 6̄m2, m 6 2 2


mm

Tabelle 2.1: Kristallsysteme, Laue-Gruppen und internationale Symbole


der darin enthaltenen Punktgruppen.

le zur Beschreibung der Punktgruppen haben dabei folgende Bedeu-


tung:
• Die Ziffern 1, 2, 3, 4, 6 bezeichnen n-fache Rotationsachsen. Der
Rotationswinkel bis zur nächsten symmetrischen Konfiguration
entspricht dabei (2π)/n.

• Der Buchstabe m steht für das Vorhandensein einer Spiegelebe-


ne.

• Die mit Überstrich versehenen Ziffern 1̄, 2̄, 3̄, 4̄, 6̄ symbolisieren n-
fache Rotationsinversionsachsen, die entsprechende Symmetrie-
operation ist also eine Rotation gefolgt von einer Inversion. Ins-
besondere entspricht 1̄ einer reinen Inversion (bzw. einer Rota-
tion um 360◦ , gleichbedeutend mit einer Drehung um 0◦ , gefolgt
von einer Inversion).
14 2 Kristallographische und piezoelektrische Grundlagen

Die Einordnung von Quarz in dieses Schema sowie die Konsequenzen,


die sich daraus für die mechanischen und piezoelektrischen Koeffizien-
ten ergeben, werden in den nächsten Abschnitten besprochen.

2.1.2 Konsequenzen der Symmetrie für die


Materialkoeffizienten

Nur wenige physikalische Eigenschaften von Kristallen sind richtungs-


unabhängig und dementsprechend skalar (z.B. die Dichte). Im All-
gemeinen liegt eine ausgeprägte Richtungsabhängigkeit vor, und die
entsprechenden Größen sind Tensoren. Dies betrifft insbesondere die
Materialkoeffizienten, d.h. die Differentiale thermodynamischer Poten-
tiale (siehe Kap. 3.2), die die verschiedenen Zustandsgrößen miteinan-
der koppeln, z.B. elektrisches Feld und mechanische Verzerrung. Im
dreidimensionalen Raum – auf diesen soll die nachfolgende Diskussion
beschränkt sein – werden die relevanten Koeffizienten beschrieben als
Tensoren zweiter bis vierter Stufe mit 9, 18 bzw. 36 prinzipiell unab-
hängigen Einträgen.
Tensoren zweiter Stufe repräsentieren z.B. die Permittivitätszahlen ǫij
und die Ausdehnungskoeffizienten αij . Die piezoelektrischen Koeffi-
zienten eijk und die elektrooptischen Koeffizienten sind Beispiele für
Tensoren dritter Stufe.
Die Anzahl tatsächlich unabhängiger Koeffizienten wird allerdings
durch die Kristallsymmetrie beschränkt, was an folgendem Beispiel
motiviert werden soll: Die Existenz einer vierzähligen Rotationsach-
se impliziert, dass sich die entsprechenden Kristalleigenschaften un-
ter einer Rotation um Vielfache von π/2 nicht ändern, dass also z.B.
für die Permittivitätsmatrix ǫ = A(3, π/2) ǫ A(3, π/2)−1 gilt, wobei
A(3, π/2) für die Rotationsmatrix um die x3 -Achse um den Winkel
π/2 steht. Durch Lösen des entsprechenden Gleichungssystems ergibt
sich unmittelbar, dass die Nichtdiagonaleinträge verschwinden, und
dass ǫ11 = ǫ22 sein muss, so dass die Permittivitätsmatrix folgende
2.1 Kristallsymmetrien 15

Gestalt besitzt:
 
ǫ11 0 0
ǫ =  0 ǫ11 0  (2.1)
0 0 ǫ33

Entsprechende Überlegungen – mit aufwändigeren Rechnungen – gel-


ten für Tensoren höherer Stufen. Je nach Kristallsystem bleibt da-
durch eine geringere Anzahl unabhängiger Koeffizienten übrig. Quarz
weist eine trigonal-trapezoedrische Struktur auf (Kristallgruppe 32).
In Tab. 2.2 werden die Tensoren zweiter bis vierter Stufe für das ent-
sprechende Kristallsystem gegeben.
Dabei werden die Indizes nach dem in Kap. 3.1.5 beschriebenen Sche-

Anzahl
Stufe Form unabh.
Koeff.

 
ǫ11 0 0
2  0 ǫ11 0  2
0 0 ǫ33
 
e11 −e11 0 e14 0 0
3  0 0 0 0 −e14 −e11  2
0 0 0 0 0 0
 
M11 M12 M13 M14 0 0

 M12 M11 M13 −M14 0 0 

 M31 M31 M33 0 0 0 
4   8

 M41 −M41 0 M44 0 0 

 0 0 0 0 M44 2M41 
0 0 0 0 M14 M11 − M12

Tabelle 2.2: Reduzierte Tensoren zweiter bis vierter Stufe für die Punkt-
gruppe 32.
16 2 Kristallographische und piezoelektrische Grundlagen

ma zusammengefasst, um die Tensoren als Matrices darstellen und die


Rechnungen übersichtlicher gestalten zu können.
Aufgrund der Symmetrie des Verzerrungstensors V gilt für die Steifig-
keitsmatrix c die zusätzliche Symmetriebedingung cab = cba ,2 wodurch
sich die Steifigkeitsmatrix auf sechs unabhängige Koeffizienten redu-
ziert:
 
c11 c12 c13 c14 0 0
 c12 c11 c13 −c14 0 0 
 
 c13 c13 c33 0 0 0 
c= c14 −c14 0
 (2.2)
 c44 0 0 

 0 0 0 0 c44 c14 
0 0 0 0 c14 c11 − c12
Da für piezoelektrische Sensoren aber Kristalle verwendet werden, die
unter einem speziellen Schnittwinkel hergestellt werden, bietet sich für
deren Beschreibung die Verwendung der kristallographischen Achsen
nur bedingt an. In der Monographie von Tiersten [67] wird dargelegt,
dass die Koeffizienten aller Quarze der Y-cut-Familie (siehe Kap. 2.3.2)
den Symmetrierelationen der monoklinen Punktgruppe 2 gehorchen.
Daher werden in Tab. 2.3 die entsprechenden Koeffizientenmatrices ge-
geben, die in Kap. 3.4 benötigt werden.

2.2 Piezoelektrischer Effekt


Der piezoelektrische Effekt verknüpft die mechanische Deformation ei-
nes Festkörpers mit dem Auftreten eines elektrischen Feldes. Defor-
mation und Feld bedingen sich in piezoelektrischen Materialien ge-
genseitig, d.h. eine Verformung führt zum Auftreten einer Spannung,
die über den Körper abfällt (direkter piezoelektrischer Effekt ), und
umgekehrt führt eine angelegte Spannung zur Verformung des piezo-
elektrischen Materials (inverser piezoelektrischer Effekt). Ein piezo-
elektrisches Material ist also ein elektromechanischer Übertrager, der
2
An dieser Stelle dient der Zusammenhang lediglich der Demonstration der Kon-
sequenzen der Kristallsymmetrie. Die Größen V und c werden in Kap. 3 definiert.
2.2 Piezoelektrischer Effekt 17

Anzahl
Matrix Form unabhängiger
Koeffizienten

 
ǫ11 0 ǫ13
dielektrisch  0 ǫ11 0  5
ǫ31 0 ǫ33
 
0 0 0 e14 0 e16
piezo-  e21 e22 e23 0 e25 0  8
elektrisch
0 0 0 e34 0 e36
 
c11 c12 c13 0 c15 0

 c12 c22 c23 0 c25 0 

 c13 c23 c33 0 c35 0 
elastisch   13

 0 0 0 c44 0 c46 

 c15 c25 c35 0 c55 0 
0 0 0 c46 0 c66

Tabelle 2.3: Reduzierte Tensoren zweiter bis vierter Stufe für die Punkt-
gruppe 2.

mechanische in elektrische Energie umwandelt und umgekehrt. Bei al-


len bekannten Materialien ist dieser Effekt jedoch relativ klein (d.h.
die Deformation überschreitet i.A. nicht ein Promill des relevanten
Körpermaßes), was eine geringe elektromechanische Kopplung bedeu-
tet. Gerade diese Eigenschaft aber führt zu der Stabilität resonant
schwingender piezoelektrischer Systeme, da resonante Schwingungen
durch eine geringe Energieeinkopplung hervorgerufen werden können,
und bei der elektrischen Messung besagter Schwingungen nur ein ver-
schwindend geringer Teil der mechanischen Energie ausgekoppelt wird.
Dies bedeutet, die elektromechanische Kopplung ist ausreichend stark
für die Anregung und Messung resonanter Schwingungen, gleichzei-
18 2 Kristallographische und piezoelektrische Grundlagen

tig aber schwach genug, die mechanischen Schwingungseigenschaften


nicht wesentlich zu beeinflussen.
Da der piezoelektrische Effekt eine herausragende Bedeutung in zahl-
reichen Gebieten der Kommunikationstechnologie – und natürlich auch
und vor allem für die Quartz Crystal Microbalance – besitzt, wer-
den im Folgenden kurz sein Ursprung motiviert und einige Beispie-
le für piezoelektrische Materialen und deren Anwendungen bespro-
chen.

2.2.1 Piezoelektrischer Effekt als


Dipoleffekt
Der piezoelektrische Effekt wird hervorgerufen durch die verzerrungs-
bedingte Verschiebung von Ladungsschwerpunkten, die in Abwesen-
heit von mechanischer Last räumlich zusammenfallen. Es empfiehlt
sich daher, zunächst das elektrische Potential und Feld eines Dipols zu
rekapitulieren.

Abbildung 2.1: Zwei Ladungen


+q und −q im Abstand d vonein-
ander führen zu einem elektrischen
Feld am Punkt P .

Wie in Abb. 2.1 dargestellt befinden sich zwei Ladungen +q und −q


symmetrisch zum Ursprung eine Distanz d voneinander entfernt, was
zu einem Dipolmoment dq führt. Das elektrische Potential φ eines
Punktes P im Abstand r vom Ursprung (der Einfachkeit halber auf der
Verbindungslinie der beiden Ladungen liegend) beträgt
 
+q −q qd
φ = 4πǫ0 + = 4πǫ0 2 , (2.3)
r − d/2 r + d/2 r − d2 /4
bzw. für d ≪ r
qd
φ = 4πǫ0 . (2.4)
r2
2.2 Piezoelektrischer Effekt 19

Die elektrische Feldstärke ergibt sich damit als


∂φ qd
E=− = 8πǫ0 3 (2.5)
∂r r
und hängt damit linear vom Dipolmoment ab.
Um den Zusammenhang mit einem Kristallgitter zu veranschaulichen,
bietet sich die Betrachtung einer etwas komplexeren zweidimensiona-
len Struktur an, wie sie in Abb. 2.2 dargestellt ist. Positive und negati-

Abbildung 2.2: Zweidimensiona-


les Modell einer piezoelektrischen
Einheitszelle. Die Ladungsschwer-
punkte der drei Ladungen +q und
der drei Ladungen −q fallen am
Ursprung zusammen.

ve Ladungen +q bzw. −q befinden sich abwechselnd an den Ecken ei-


nes gleichseitigen Sechseckes, in dessen Mittelpunkt sich der Ursprung
befindet. Die zwei jeweils gegenüberliegenden Ladungen sind vonein-
ander die Distanz a entfernt. Am Punkt P mit Abstand r ≫ a vom
Ursprung beträgt das elektrische Potential 0, da die Ladungsschwer-
punkte zusammenfallen.
Anders gestaltet sich die Situation jedoch, wenn entlang der x3 -Achse
Kräfte auf das System ausgeübt werden, wie in Abb. 2.3 dargestellt.
Die vier Ladungen +q bzw. −q, die nicht auf der x1 -Achse liegen, wer-
den um den Winkel dΘ um den Ursprung gedreht, was dazu führt, dass
positiver und negativer Ladungsschwerpunkt nicht mehr am selben
Ort
√ liegen. Vielmehr bewegt sich der positive Ladungsschwerpunkt um
( 3 a dΘ)/2 nach links, der negative um dieselbe Strecke nach rechts.
Dies entspricht der Entstehung eines Dipols mit einem Dipolmoment
von

p = qd = 3q 3 a dΘ. (2.6)
Enthält ein Kristall N solche Einheitszellen pro Volumeneinheit, ergibt
sich daraus eine dielektrische Verschiebung von D = N p. Der Zusam-
20 2 Kristallographische und piezoelektrische Grundlagen

Abbildung 2.3: Piezoelektrische Einheitszelle


unter Krafteinwirkung. Die vier nicht auf der Ach-
se liegenden Ladungen werden um den Winkel dΘ
um den Ursprung gedreht, was zu einer räumli-
chen Trennung von positivem und negativem La-
dungsschwerpunkt führt.

menhang zwischen dielektrischer Verschiebung und Verzerrung lässt


sich formulieren als D = eV , wobei e für die piezoelektrische Koeffi-
zientenmatrix und V für den Verzerrungstensor steht, der sich im be-
schriebenen einfachen Modell auf dΘ reduziert. Damit gilt

e = N 3q 3 a, (2.7)

was sich mit typischen Werten für a (2.5 × 10−10 m), N (6 × 1027 m−3 )
und q (1.6 × 10−19 C) abschätzen lässt als e ∼ 1.2 C/m2 . Die Werte
der piezoelektrischen Koeffizienten realer Kristalle liegen jedoch typi-
scherweise eine Größenordnung darunter, der Koeffizient e11 für Quarz
z.B. beträgt 0.173 C/m2 . Ein derart einfaches zweidimensionales Mo-
dell ist offenbar nicht geeignet zur Bestimmung realer Koeffizienten,
es dient lediglich der Motivation des Ursprunges des piezoelektrischen
Effektes. Eine präzisere Beschreibung elektromechanisch gekoppelter
Schwingungen im Rahmen der Thermodynamik wird in den Abschnit-
ten 3.1 bis 3.4 gegeben.
2.2 Piezoelektrischer Effekt 21

2.2.2 Piezoelektrische Materialien und


Anwendungen
Quarz ist bei weitem das am häufigsten verwendete piezoelektrische
Material, da er eine für kommunikationstechnische Anwendungen ge-
eignete Kombination aus mechanischen und piezoelektrischen Eigen-
schaften aufweist und kostengünstig herzustellen ist. Daneben gibt es
jedoch noch eine Vielzahl anderer piezoelektrischer Materialien. Von
32 Kristallklassen sind 20 aufgrund ihrer Symmetrie prinzipiell pie-
zoaktiv, daneben existieren verschiedene Keramiken und sogar Poly-
mere, die piezoelektrische Eigenschaften aufweisen. Im Folgenden wer-
den für die unterschiedlichen Materialtypen jeweils einige Vertreter
genannt:

• Kristalle
Quarz, Berlinit, Minerale der Turmalingruppe, Seignettesalz, . . .
• Keramiken
Blei-Zirkonat-Titanate, Blei-Magnesium-Niobate, Barium-Tita-
nat, Barium-Niobat, Langasit, Gallium-ortho-Phosphat, . . .
• Polymere
Polyvinylidenfluorid, . . .

So vielfältig die Auswahl piezoelektrischer Materialien ist, so vielfältig


sind auch ihre technischen Anwendungen. Unter anderem finden ent-
sprechende Werkstoffe in folgenden Gebieten Verwendung:

• Sensoranwendungen
Druck-, Kraft- und Beschleunigungsmessung
• Aktuatoren
Hoch- und Niedervolt-Aktuatoren, Präzisionsstellelemente
• Sonare Anwendungen
Hydrophone, Ultraschallgeräte
• Energieumwandlung
Piezotransformatoren
22 2 Kristallographische und piezoelektrische Grundlagen

2.3 Kristallographische Beschreibung des


Quarzes
Quarz besteht aus den Elementen Silizium und Sauerstoff, die chemi-
sche Formel lautet SiO2 . In amorpher Form kommt SiO2 in der Natur
sehr häufig vor, z.B. als wesentlicher Bestandteil von Felsgestein und
Sand. Doch auch die kristalline Form kommt in der Erdkruste vor. Für
die Verwendung in frequenzstabilen Anwendungen ist der natürlich
vorkommende kristalline Quarz jedoch i.A. nicht rein genug, da diese
einen nahezu perfekten Einkristall voraussetzen. Beinahe sämtlicher
für entsprechende Anwendungen geeigneter natürlicher Quarz stammt
aus Brasilien. Die verarbeitbare Menge ist allerdings begrenzt, so dass
dieser Quarz selten und teuer ist.
Dies führte dazu, dass heutzutage der bei weitem größere Teil des
in piezoelektrischen Anwendungen benutzten Quarzes aus gezüchte-
ten Kristallen besteht. Hochgradig reine Einkristalle entstehen dabei

Abbildung 2.4: Natürlich vorkommender kristalliner Quarz; Abb. entnom-


men aus http://de.wikipedia.org/wiki/Quarz.
2.3 Kristallographische Beschreibung des Quarzes 23

Abbildung 2.5: Bravais-Miller-Achsen


(oben) und kartesische Achsen (unten) in
hexaedrischer Struktur.

durch Abscheidung an SiO2 -Kristallisationskeimen aus einer wässrig-


alkalischen SiO2 -Lösung bei hohen Drücken und Temperaturen (nahe
der kritischen Temperatur von Wasser) [15].

2.3.1 Kristallstruktur
Quarz ist trigonal-trapezoedrisch aufgebaut und gehört damit der Kris-
tallklasse 32 an (siehe Kap. 2.1). Für die kristallographische Beschrei-
bung bietet sich die Verwendung das Bravais-Miller-Systems an, das
aus einer c-Achse und drei a-Achsen besteht. Die drei Achsen a1 ,
a2 und a3 schließen hierbei jeweils einen Winkel von 120◦ ein und
stehen senkrecht zur c-Achse. Abb. 2.5 zeigt die Bravais-Miller-Ach-
sen und ein kartesisches Achsensystem in einer hexagonalen Struk-
tur.
Die Elementarzelle des linkshändigen α-Quarzes3 ist in Abb. 2.6 dar-
gestellt. Sie enthält drei stöchiometrische Einheiten SiO2 , ihre Maße
3
Quarz ist nur bei niedrigen Temperaturen in der trigonalen α-Quarz-Phase sta-
bil. Bei 573◦ C findet eine Phasenumwandlung in die hexagonale β-Quarz-Phase
statt. Die höhere Symmetrie des β-Quarz führt unter anderem zum Verlust der
piezoelektrischen Eigenschaften. Da die Temperaturen bei den im Rahmen der
vorliegenden Arbeit durchgeführten Versuchen deutlich geringer waren, wird auf
die Struktur des β-Quarzes an dieser Stelle nicht weiter eingegangen.
24 2 Kristallographische und piezoelektrische Grundlagen

betragen a1 = a2 = 4.9124 Å und c = 5, 40039 Å. Jedes Sauerstoffatom


hat zwei benachbarte Siliziumatome im Abstand von 1.61 Å und sechs
benachbarte Sauerstoffatome im Abstand von 2.62 Å. Die Silizium-
Sauerstoff-Bindungen haben einen hohen kovalenten Anteil, was die
Ursache für die große Härte von Quarz ist. Der Si − O − Si-Bindungs-
winkel beträgt 143.61◦ . Jedes Siliziumatom ist tetraedrisch von vier
Sauerstoffatomen umgeben, jeweils im Abstand von 1.61 Å.
Die SiO4 -Tetraeder sind untereinander an den Ecken verknüpft, so
dass jeder Tetraeder vier Nachbarn hat. In Richtung der c-Achse sind
sie zu Paaren von spiralförmigen Ketten angeordnet. Diese SiO4 -Te-
traederhelixpaare, die untereinander nicht verbunden sind, verlaufen
entlang der c-Achse.
α-Quarzkristalle der beiden enantiomorphen Raumgruppen unterschei-
den sich im Drehsinn der Tetraederschrauben. Im Falle des linkshän-
digen α-Quarzes winden sich die Tetraederschrauben entgegen der c-
Achse betrachtet im Uhrzeigersinn, beim rechtshändigen α-Quarz ent-
sprechend entgegen dem Uhrzeigersinn. Die spiralförmigen Tetraeder-
ketten sind mit sechs benachbarten Tetraederspiralen so verknüpft,
dass jeder SiO4 -Tetraeder Teil zweier benachbarter Tetraederketten
ist.

Abbildung 2.6: Teil der


α-Quarz-Einheitszelle,
linkshändig (links) und
rechtshändig (rechts);
Abb. entnommen aus [15].
2.3 Kristallographische Beschreibung des Quarzes 25

2.3.2 AT-Schnittwinkel
Kap. 2.1 ordnete Quarz in den Kontext kristallographischer Punkt-
gruppen ein und stellte die aus den entsprechenden Symmetrien resul-
tierenden mechanischen und piezoelektrischen Tensoren dar. Im Prin-
zip wäre es durchaus möglich, Schwingquarze derart zu präparieren,
dass ihre Achsen mit den kristallographischen Achsen übereinstimmen.
In der Praxis ist jedoch neben der piezoelektrischen Kopplung ein an-
deres Kriterium entscheidend: Die Frequenzstabilität. Diese ist zwar
vor allem für Anwendungen essentiell, in denen Schwingquarze aus-
schließlich für die Frequenzkontrolle benutzt werden, jedoch spielt sie
auch im Rahmen der QCM eine maßgebliche Rolle, da jede ungewoll-
te Frequenzabweichung als Änderung der Masse und/oder der visko-
elastischen Eigenschaften des untersuchten Systems missinterpretiert
wird.
Eine besondere Bedeutung kommt hierbei der Temperaturabhängig-
keit der Resonanzfrequenz zu. Neben der über die Ausdehnungskoeffi-
zienten an die Temperatur gekoppelte Veränderung der Längen spielt
hier vor allem die Temperaturabhängigkeit der elastischen Eigenschaf-
ten, und damit der Schallgeschindigkeit, eine Rolle.
Es existieren daher verschiedene Kristallschnitte, die darauf abzielen,
dass im relevanten Bereich die Temperaturkoeffizienten möglichst klein
werden oder idealerweise ganz verschwinden [47]. Jeder Schnitt ist ver-
bunden mit drei akustischen Volumenmoden, die sich durch Phasenge-
schwindigkeit, Polarisation und piezoelektrische Kopplung unterschei-
den. Diese Moden werden üblicherweise geordnet nach ihrer Schallge-
schwindigkeit a-, b- und c-Mode genannt. Die a-Mode wird hierbei als
quasi-longitudinal bezeichnet, da die größte Komponente der Ampli-
tude in Ausbreitungrichtung orientiert ist, b- und c-Mode als schnelle
bzw. langsame Quasi-Scherwelle.
Je größer der longitudinale Anteil der Wellenamplitude ist, desto mehr
Energie wird durch die Schwingung ausgekoppelt. Dies führt bei re-
sonanten Schwingungen zu einem erheblich niedrigeren Q-Wert4 und
4
Der Q-Wert oder quality factor entspricht dem Verhältnis aus während der Oszil-
26 2 Kristallographische und piezoelektrische Grundlagen

Abbildung 2.7:
AT- und BT-
Schnittwinkel bei
rechtshändigem
α-Quarz; Abb.
entnommen aus
[15].

damit zu einer geringeren Phasensteilheit und entsprechend geringerer


Frequenzstabilität (vgl. Kap. 3). Da diese für Sensoranwendungen ent-
scheidend ist, werden für entsprechende Anwendungen Kristallschnitte
mit rein transversalen Scherschwingungen benutzt. In solchen ist die
Energie der stehenden Welle auf das Quarzvolumen begrenzt, Ener-
gieauskopplung findet nur über eine evaneszent in das angrenzende
Medium abfallende Welle statt.
Die Existenz einer reinen Schermode ist ein herausragendes Charak-
teristikum der Familie der sogenannten Y-cut Quarze. Diese Bezeich-
nung entstammt der Schneideprozedur, bei der aus einem auf die Y -
Fläche – also die Fläche, die senkrecht zur z-Achse liegt – ausgerich-
teten Quarzbalken entlang der x-Achse unter einem entsprechenden
Winkel zur z-Achse die einzelnen Schwingquarze ausgesägt werden.
Abb. 2.7 veranschaulicht die Schnittwinkel der sogenannten AT- und
BT-cuts. Alle singly rotated 5 Y-cut Quarze zeichnen sich dadurch aus,
dass sie eine reine Schermode aufweisen. Das zweite essentielle Krite-
rium, die Temperaturstabilität, ist damit allerdings noch nicht erfüllt.
Die AT- und BT-Schnittwinkel, die aufgrund ihrer Temperaturstabi-
lität i.A. für Sensorquarze benutzt werden, wurden ursprünglich em-
pirisch ermittelt. Schmitt et al. [63] konnten durch Lösen eines Sys-

lation gespeicherter und ausgekoppelter Energie. Seine Definition und Bedeutung


werden in den Kapiteln 3 und 4 erörtert.
5
Im Gegensatz zu den sogenannten doubly rotated quartz cuts, die noch eine Dre-
hung um eine zweite Achse erfahren.
2.3 Kristallographische Beschreibung des Quarzes 27

tems gekoppelter Differentialgleichungen, das die elastischen und die


Maxwell-Gleichungen beinhaltet, die Ursachen für die Temperatursta-
bilität der entsprechend geschnittenen Quarze aufzeigen. Die Reso-
nanzfrequenz hängt linear ab von der Schallgeschwindigkeit der jewei-
ligen Mode, dementsprechend ist diese Größe maßgeblich für die Tem-
peraturstabilität verantwortlich. Da aufgrund der Anisotropie kristal-
linen Quarzes die Schallgeschwindigkeit richtungsabhängig ist, ändert
sie sich notwendigerweise mit dem Schnittwinkel. Abb. 2.8 (links) zeigt
die entsprechende Abhängigkeit. In der Nähe der AT- und BT-Schnitt-

Abbildung 2.8: Schallgeschwindigkeit (links) und Temperaturkoeffizient


(rechts) der reinen Transversalmoden von Y-cut Quarz in Abhängigkeit des
Schnittwinkels; Abbn. entnommen aus [47].

winkel finden Schmitt et al. Plateaus in der Schallgeschwindigkeit, d.h.


bei AT-geschnittenen Quarzen ist die Schallgeschwindigkeit minimal
(∼ 3316 ms−1 ), bei BT-geschnittenen maximal (∼ 5107 ms−1 ). Bei ei-
nem Schnittwinkel von etwa +24◦ sind die Schallgeschwindigkeiten der
b- und der c-Mode gleich. Bei diesem Winkel geht die reine Transver-
salmode von der c- auf die b-Mode über.
Entscheidend für die Temperaturstabilität ist allerdings in erster Li-
nie die Abhängigkeit des Temperaturkoeffizienten vom Schnittwinkel.
28 2 Kristallographische und piezoelektrische Grundlagen

Wie Abb. 2.8 (rechts) zeigt, weisen sowohl AT- als auch BT-cut einen
verschwindenden Temperaturkoeffizienten auf. Allerdings variiert diese
Größe beim AT-cut kubisch mit der Temperatur, beim BT-cut quadra-
tisch [63], so dass für die meisten Frequenzkontroll- und Sensoranwen-
dungen AT-geschnittene Quarze verwendet werden.

2.4 Zusammenfassung
Quarz – als Sensor eine entscheidende Komponente jeder QCM – be-
sitzt von Natur aus eine geeignete Kombination aus mechanischen und
elektrischen Eigenschaften. Insbesondere stellt er aufgrund seiner Pie-
zoelektrizität einen elektromechanischen Übertrager dar. Die Kopp-
lung ist hierbei stark genug, um eine resonante Schwingung elektrisch
anregen zu können, andererseits aber schwach genug, um bei der elek-
trischen Vermessung der Impedanz das Schwingungsverhalten nicht
maßgeblich zu beeinflussen.
Besondere Bedeutung kommt der Kristallsymmetrie des Quarzes zu,
die in Kombination mit dem AT-Schnittwinkel zum einen dazu führt,
dass der Quarz eine reine Scherschwingung ausführt, zum anderen aber
auch eine geringe Temperaturabhängigkeit bedingt.
Die elektromechanischen Eigenschaften von Festkörpern und insbeson-
dere die charakteristische Impedanz von Quarzresonatoren sind Gegen-
stand des folgenden Kapitels.
3 Lineare Theorie elastischer
piezoelektrischer Festkörper

Wie im vorherigen Kapitel erörtert wurde, stellt ein Quarzoszillator


einen elektromechanischen Übertrager dar, der elektrische und mecha-
nische Arbeit – teilweise – ineinander umwandelt. Dieses Phänomen
soll im vorliegenden Kapitel mathematisch beschrieben und daraus die
grundlegende Impedanzcharakteristik des Quarzresonators abgeleitet
werden.
Begonnen wird dabei mit der allgemeinen Beschreibung der Deformati-
on von Festkörpern innerhalb der elastischen Grenzen. Danach wird die
Theorie im Rahmen der Thermodynamik ergänzt um elektromechani-
sche Wechselwirkung. Auf dieser Basis wird anschließend die frequenz-
abhängige Impedanz des Quarzes motiviert. Das Kapitel schließt mit
der modellhaften Beschreibung des piezoelektrischen Resonators durch
zwei verbreitete Äquivalenzschaltbilder und einer Betrachtung der kri-
tischen Frequenzen in der Nähe der Resonanzen.
Da eine vollständige Darstellung aller Details der grundlegenden Theo-
rie den Rahmen der Arbeit sprengen würde, wird der Leser für ei-
ne ausführlichere Behandlung der Thematik auf die Monographie von
Tiersten [67], den Artikel von Thurston [66] oder das unterschiedlichs-
te Aspekte der Piezoelektrizität erschöpfend behandelnde Werk von
Cady [18] verwiesen.
30 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

3.1 Lineare Theorie der Elastizität


3.1.1 Notation
Fettgedruckte Buchstaben, z.B. x oder T, bezeichnen Vekoren oder
Tensoren, einzelne Komponenten einer solchen Größe werden darge-
stellt als xi bzw. Tij . Lateinische Indices laufen hierbei von 1 bis 3,
griechische – siehe Kap. 3.1.5 – von 1 bis 6. Ferner gilt die Einstein’sche
Summenkonvention (in der nicht strengen Auslegung), d.h. über dop-
pelt auftretende Indices wird summiert. Ableitungen nach der Zeit
werden dargestellt durch einen Punkt über der entsprechenden Größe,
also werden z.B. für einen Ortsvektor x die Geschwindigkeit geschrie-
ben als ẋ und die Beschleunigung als ẍ. δij bezeichnet das Kronecker
Delta mit δij = 1 für i = j und δij = 0 für i 6= j.

3.1.2 Grundlagen
Die Deformation eines kontinuierlichen Mediums kann beschrieben
werden als eine Funktion

x(X, t), (3.1)

wobei x die Koordinaten der verzerrten und X die der Referenzkon-


figuration sind. Die Funktion x(X, t) bildet also die Referenzkonfigu-
ration zur Zeit t auf die aktuelle Konfiguration ab. Damit lassen sich
Verschiebungen u definieren als u = x − X.

Abbildung 3.1: Verzerrte und


Referenzkonformation eines Volu-
menelementes.
3.1 Lineare Theorie der Elastizität 31

Lokal wird die Deformation charakterisiert durch die Gradienten


∂xi /∂Xj , die den rechten Cauchy-Green-Tensor Cij und den Defor-
mationstensor Vij definieren:

∂xk ∂xk
Cij = = δij + 2Vij (3.2)
∂Xi ∂Xj

Da xk = Xk + uk , und damit ∂xk /∂Xi = δki + ∂uk /∂Xi , kann der


Deformationstensor ausgedrückt werden als
 
1 ∂ui ∂uj ∂uk ∂uk
Vij = + + . (3.3)
2 ∂Xj ∂Xi ∂Xi ∂Xj

Im Falle einer räumlich homogenen Deformation mit konstanten De-


formationsgradienten wird der Punkt Xi verschoben auf den Punkt
xi = (∂xi /∂Xj )Xj . Umgekehrt gilt Xi = (∂Xi /∂xj )xj . Eine Ebene,
die in der Referenzkonfiguration beschrieben wird durch den Normal-
einheitsvektor N und die Bedingung Ni Xi = 0, wird in der aktuellen
Konfiguration dargestellt durch Ni (∂Xi /∂xj )xj = 0. Die Einheitsvek-
toren in der aktuellen Konfiguration lauten also

∂Xj .
nj = Ni fN , (3.4)
∂xj

wobei der Normierungsfaktor fN durch die Bedingung nj nj = 1 gege-


ben ist. Damit gilt

2 ∂Xi ∂Xk
fN = Gik Ni Nk , wobei Gik = −1
= Cik . (3.5)
∂xj ∂xj

Mit der Gradientenmatrix


 ∂x ∂x ∂x

1 1 1
∂X1 ∂X2 ∂X3
 ∂x2 ∂x2 ∂x2

F=
 ∂X1 ∂X2 ∂X3

 (3.6)
∂x3 ∂x3 ∂x3
∂X1 ∂X2 ∂X3
32 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

und der zugehörigen Determinante J = det F lassen sich die folgenden


Verhältnisse zwischen deformierten und Referenzgrößen angeben, wo-
bei die Referenzgrößen jeweils durch einen Überstrich gekennzeichnet
sind.

Länge: l/¯l N = f1N

Fläche: A/Ā N = JfN (3.7)
Volumen: V /V̄ = det F = J
Für eine stationäre Referenzkonfiguration X gilt für die zeitliche Ab-
leitung des Cauchy-Green-Tensors
∂ ẋk ∂xk ∂xk ∂ ẋk
Ċij = + . (3.8)
∂Xi ∂Xj ∂Xi ∂Xj
Da Ċij = 2V̇ij , gilt für den Deformationsratentensor
 
1 ∂ ẋi ∂ ẋj
dij = + (3.9)
2 ∂xj ∂xi
und die zeitliche Ableitung des Deformationstensors V̇rs folgender Zu-
sammenhang:
∂Xr ∂Xs
dij = V̇rs (3.10)
∂xi ∂xj

3.1.3 Material- und raumbezogene


Darstellung
Als unabhängige Variablen für eine beliebige Funktion w kommen so-
wohl (X, t) als auch (x(X, t), t) in Frage. Ist eine Funktion gegeben in
Abhängigkeit des ersten Variablenpaares, nennt man die entsprechen-
de Darstellung materialbezogen, im zweiten Falle raumbezogen. Für die
materialbezogene zeitliche Ableitung – also das totale zeitliche Diffe-
rential – einer raumbezogenen Funktion w(x, t) gilt
∂w ∂w ∂w
ẇ = + ẋj = + ẋ · ∇w. (3.11)
∂t ∂xj ∂t
3.1 Lineare Theorie der Elastizität 33

Wenn W (X, t) das gleiche Feld in materialbezogener Darstellung be-


zeichnet wie w(x(X, t), t) in raumbezogener Darstellung, dann gilt für
die totalen Differentiale
∂W ∂w
ẇ = Ẇ = = + ẋ · ∇w. (3.12)
∂t ∂t

3.1.4 Spannung
Die Spannung ist definiert als Kraft pro Fläche und hat dementspre-
chend dieselbe Einheit wie der Druck. Die Komponente j der Span-
nung T, die auf die Fläche mit der Flächennormalen ni wirkt, wird
bezeichnet mit Tij . Bezogen auf eine Einheitsfläche beträgt sie Tij nj .
Mit der Definition der Einheitsvektoren in der deformierten Konfi-
guration (3.4) und dem Verhältnis zwischen deformierter und Refe-
renzfläche ergibt sich für die i-Komponente der Kraft pro Einheitsflä-
che
∂Xk
JfN Tji nj = JTji Nk = Pik Nk , (3.13)
∂xj
wobei
∂Xk
Pik = JTji (3.14)
∂xj
als erster Piola-Kirchhoff-Spannungstensor bezeichnet wird.
Die i-Komponente der Kraft, die durch die Spannung auf den ge-
samten Körper wirkt, ergibt sich durch Integration von Tji nj über
die gesamte Oberfäche in der deformierten Konfiguration oder von
Pik Nk in der Referenzkonfiguration. Aus dem Gauß’schen Integral-
satz
I Z
F · n dA = ∇F dV (3.15)
A V
folgt, dass sich dieselbe Kraft durch Volumenintegration von ∂Tji /∂xj
bzw. ∂Pik /∂Xk ergibt. Diese Größen stellen daher die i-Komponen-
te der durch die Spannung ausgeübten Kraft pro Einheitsvolumen
dar.
34 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

Die Spannung erbringt eine Leistung ẋi Tji nj bzw. ẋi Pik Nk an der
gesamten Oberfläche. Durch Anwenden des Gauß’schen Integralsatzes
lassen sich auch diese Größen in ihre jeweiligen Volumenäquivalente
umformen:
∂ ∂Tji ∂ ẋi
(ẋi Tji ) = ẋi + Tji (3.16)
∂xj ∂xj ∂xj
∂ ∂Pik ∂ ẋi
(ẋi Pik ) = ẋi + Pik (3.17)
∂Xk ∂Xk ∂Xk
Hierbei stellen die ersten Terme auf der rechten Seite Leistung durch
Translation und die zweiten Terme Leistung durch Streckung bzw.
Stauchung dar. Da der Spannungstensor symmetrisch ist (Tij = Tji ),
lässt sich der letzte Term in Gl. (3.16) schreiben als Tji (∂ ẋi /∂xj ) =
Tij dij . Bezogen auf das Referenzvolumen beträgt die Streck-/Stauch-
leistung damit JTij dij . Mit der Definition des zweiten Piola-Kirchhoff-
Spannungstensors

∂Xr ∂Xs
trs = JTij (3.18)
∂xi ∂xj
wird
JTij dij = trs V̇rs . (3.19)

3.1.5 Reduzierte Tensorschreibweise


Da die Tensoren Tij , tij (und damit auch die im folgenden Abschnitt
eingeführte thermodynamische Spannung τij ) symmetrisch sind, redu-
ziert sich die Anzahl der unterschiedlichen Tensoreinträge von neun auf
sechs. Es ist daher üblich, zu einer verkürzten Schreibweise überzuge-
hen, in der die Indexpaare nach folgendem Schema (das sogenannte
Voigt-Schema) zusammengefasst werden:
11 → 1 23 = 32 → 4
22 → 2 31 = 13 → 5 (3.20)
33 → 3 12 = 21 → 6
3.2 Erweiterung der Theorie um Thermostatik 35

Zur besseren Unterscheidung zwischen voller und reduzierter Schreib-


weise werden im Folgenden Indices, die von 1 bis 3 laufen, mit latei-
nischen Buchstaben besetzt, und solche, die von 1 bis 6 laufen, mit
griechischen.
Es ist zu beachten, dass (∂/∂τ4 ), (∂/∂τ5 ) und (∂/∂τ6 ) der Summe
beider beteiligter Ableitungen entsprechen, dass also z.B. (∂/∂τ6 ) =
(∂/∂τ12 ) + (∂/∂τ21 ) = 2(∂/∂τ12 ) = 2(∂/∂τ21 ). Um das daraus resul-
tierende Auftreten von Faktoren 2 in den Gleichungen in abgekürzter
Schreibweise zu reduzieren, werden per Konvention die 1-Index-De-
formationskomponenten der in ausführlicher Schreibweise gemischten
Indizes als der jeweils doppelte Wert definiert, also

V1 = V11 V4 = 2V23
V2 = V22 V5 = 2V13 (3.21)
V3 = V33 V6 = 2V12 .

Dadurch gilt z.B. für die Ableitungen (∂/∂V6 ) = (∂/∂V12 ) = (∂/∂V21 )


und für die Summen τij Vij = τα Vα .

3.2 Erweiterung der Theorie um


Thermostatik
Die im Folgenden gegebene Beschreibung thermostatischer Zusam-
menhänge beruht auf einer Reihe von Grundannahmen, die an dieser
Stelle kurz erwähnt seien. Keiner der betrachteten Prozesse verän-
dert das mechanische Kontinuum permanent, was z.B. durch Ausla-
gerung bei hohen Temperaturen oder plastische Deformation geschä-
he. Das bedeutet, dass sich das Material von der Auslenkung aus
dem Gleichgewicht vollständig erholt, wenn die äußeren Parameter
der ursprünglichen Gleichgewichtslage wiederhergestellt werden. Bei-
spiele hierfür sind Temperaturänderungen ausreichend weit entfernt
von Phasenübergängen und Deformationen innerhalb der elastischen
Grenzen. In diesem Sinne hinreichend kleine Veränderungen der Pa-
rameter verknüpfen also ein Ensemble von Gleichgewichtszuständen,
36 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

da – dies ist eine weitere implizite Grundannahme – durch ausrei-


chend langes Konstanthalten der Deformation Vα und der inneren
Energie U der betrachtete Festkörper einen Gleichgewichtszustand er-
reicht.
In diesem Gleichgewichtszustand lässt sich die Entropie ausdrücken
als eine Funktion S = S(U, Vα ),1 ebenso gilt die Invertierung U =
U (S, Vα ). Für die Temperatur T und den Gleichgewichtswert τα des
zweiten Piola-Kirchhoff-Spannungstensors tα gilt dann
 
∂U
T = (3.22)
∂S V
 
∂U
τα = . (3.23)
∂Vα S
Die tiefgestellten Größen bezeichnen hierbei wie üblich solche, die kon-
stant gehalten werden. Dies sind im Falle von Gl. (3.22) alle Kompo-
nenten des Deformationstensors und bei Gl. (3.23) die Entropie sowie
alle Komponenten des Spannungstensors bis auf die betrachtete. Die
Größe τα wird bezeichnet als thermodynamische Spannung. Wie bereits
erwähnt gilt im Gleichgewichtszustand tα = τα .

Thermostatische Beziehungen und


Koeffizienten
S/T
Die isentropen bzw. isothermen Steifigkeits- (cαβ ) und Nachgiebig-
S/T
keitskoeffizienten (sαβ ) sind definiert als
 
S/T ∂τα
cαβ = (3.24)
∂Vβ S/T
 
S/T ∂Vα
sαβ = (3.25)
∂τβ S/T
1
Dies gilt nur für homogene Festkörper, auf die sich die gegebene Beschreibung
beschränkt. Im Falle nicht homogener Körper hängt die Entropiefunktion auch
von X ab.
3.3 Elektromechanische Wechselwirkung 37

Definitionsgemäß sind die Matrices sαβ und cαβ zueinander invers.


Da sich für einen homogenen Festkörper die innere Energie darstellen
lässt als U = U (S, Vα ), lautet das entsprechende Differential

dU = τα dVα + T dS (3.26)

und die Ableitungen

∂U ∂U
τα = und T = . (3.27)
∂Vα ∂S

3.3 Erweiterung der Theorie um


elektromechanische
Wechselwirkung
Explizite Gleichungen, die die Materialkoeffizienten beinhalten, wer-
den durch Entwickeln der thermodynamischen Funktionen nach ihren
unabhängigen Variablen erhalten. Um die Koeffizienten der elektro-
mechanischen Wechselwirkung zu erhalten, wird U für B = 0 und
S = S0 = const nach Di und Vij entwickelt.

U = Ū = U (D, B, S, Vij ) (3.28)

Das Differential der inneren Energie lautet

dU = τα∗ dVα + Ei dDi + T dS, (3.29)

∂U
insbesondere ist ∂Vα
= τα∗ .
Konstitutive Gleichungen für die elektromechanische Wechselwirkung
ergeben sich aus einer Taylor-Entwicklung der abhängigen Variablen
38 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

τ ∗ und D nach den unabhängigen Variablen V und E.

τα∗ (S, Ej , Vα ) − τα∗ (S0 , 0, 0) =


∂τ ∗ ∂τ ∗ ∂τ ∗
= α Ei + α Vβ + α (S − S0 ) + ... (3.30)
∂Ei ∂Vβ ∂S
Di (S, Ej , Vα ) − Di (S0 , 0, 0) =
∂Di ∂Di ∂Di
= Ej + Vα + (S − S0 ) + ... (3.31)
∂Ej ∂Vα ∂S

Für konstante Entropie folgen daraus mit den Maxwell-Koeffizien-


ten
 ∗
S/T ∂τα
cαβ = und (3.32)
∂Vβ S/T
 ∗  
S/T ∂τα ∂Di
−eiα = =− (3.33)
∂Ei S/T ∂Vα S/T

die linearen piezoelektrischen Gleichungen

τγ∗ = cE
γα Vα − ejγ Eγ (3.34)
Di = eiα Vα + ǫVij Ej (3.35)

mit isentropen bzw. isothermen Koeffizienten bei konstanter Entropie


bzw. Temperatur.
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 39

3.4 Schwingquarz als elektronisches


Bauteil
3.4.1 Eindimensionales Modell des piezoelektrischen
Dickenscherschwingers
Als Sensoren benutzte Schwingquarze bestehen i.A. aus einem in Form
eines flachen Zylinders geschnittenen Quarzplättchen, auf dem auf
Ober- und Unterseite je eine Elektrode aufgedampft sind. Für die ma-
thematische Beschreibung werden die Elektroden jedoch zunächst als
masse- und dickelose Äquipotentialflächen betrachtet, das Quarzvolu-
men als in X1 -und X2 -Richtung unendlich ausgedehntes homogenes
Kontinuum mit Grenzflächen bei X3 = ±h. Die entsprechende Geo-
metrie ist in Abb. 3.2 dargestellt.

Abbildung 3.2: Geometrie


des eindimensionalen Modells:
Die Ausbreitungsrichtung der
Welle ist parallel zur X3 -Achse,
die Auslenkung parallel zur
X1 -Achse.

Nach Thurston [66] lässt sich die Bewegungsgleichung des Systems


schreiben als
 
∂ ∂U ∂τiq∗
ρ̄üi = = , (3.36)
∂Xq ∂Viq ∂Xq

wobei ρ̄ für die Dichte der Referenzkonfiguration steht. Quasistatisch


gilt für das elektrische Feld E = −∇Φ. Da sich die Betrachtung auf
Dickenscherschwinger – bei den im Rahmen der Arbeit verwende-
ten Quarzen handelte es sich ausschließlich um AT-cut Quarze, vgl.
Kap. 2.3.2 – beschränkt, hängt die Auslenkung u nur von X3 ab, und
der Verzerrungstensor reduziert sich bei Linearisierung der Abhängig-
40 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

keit von den Verzerrungsgradienten auf


 
0

 0 

 ∂u3 
 ∂X3 
V=
 ∂u2
.
 (3.37)
 ∂X3 
 ∂u1

 ∂X3

0

Damit und mit der ersten linearen piezoelektrischen Gleichung (3.34)


lässt sich die Bewegungsgleichung formulieren als
 
∂ 2 u3
∂X32
    
ρ̄ü1 c35 c45 c55 e35  ∂ 2 u2 
 ∂X32 
 ρ̄ü2  =  c34 c44 c45 e34  
 ∂ 2 u1
.
 (3.38)
ρ̄ü3 c33 c34 c35 e33 
 ∂X32 

∂2Φ
∂X32

Darüber hinaus erfüllt im Inneren des Dielektrikums die elektrische


Flussdichte die Bedingung ∇D = 0, was sich aus Gründen der Mo-
dellgeometrie reduziert auf ∂D3 /∂X3 = 0. Mit der zweiten linearen
piezoelektrischen Gleichung (3.35) lässt sich diese Bedingung explizit
formulieren als

∂ 2 u3 ∂ 2 u2 ∂ 2 u1 ∂2Φ
e33 2 + e34 2 + e35 2 + ǫ33 = 0. (3.39)
∂X3 ∂X3 ∂X3 ∂X32

In Abwesenheit einer zusätzlichen Last – d.h. ohne Kontakt mit einem


viskoelastischen Medium oder einer entsprechenden Schicht – müs-
sen die Oberflächen X3 = ±h kräftefrei sein, es muss also gelten
τ5∗ (±h) = τ4∗ (±h) = τ3∗ (±h) = 0. Die Elektroden stellen Äquipoten-
tialflächen dar, an denen eine Wechselspannung anliegt, so dass gilt
Φ(±h) = ±Φ0 cos ωt. In Matrixnotation lassen sich diese Randbedin-
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 41

gungen ausdrücken als


 
∂u3
  ∂X3
  
c33 c34 c35 e33  ∂u2  0
∂X3
 c34 c44 c45 e34   (3.40)
  
 ∂u1
 = 0 .
 
c35 c45 c55 e35  ∂X3  0
∂Φ
∂X3

Wie in Kap. 2.1 bereits erwähnt, gehorchen die Koeffizienten der


AT-geschnittenen Quarze den Symmetriebedingungen der monokli-
nen Punktgruppe 2. Aus Tab. 2.3 lässt sich ablesen, dass e33 =
e35 = 0 und c34 = c45 = 0. Damit existieren Lösungen der Be-
wegungsgleichung (3.38) mit u1 = u3 = 0. Die gesuchten Lösun-
gen sind also tatsächlich reine Schermoden, da insbesondere u3 = 0,
was einem Verschwinden der longitudinalen Komponente entspricht.
Das Gleichungssystem (3.38) reduziert sich dadurch auf die Glei-
chung

∂ 2 u2 ∂2Φ
ρ̄ü2 − c44 − e34 = 0, (3.41)
∂X32 ∂X32
und (3.39) wird zu
∂D3 ∂ 2 u2 ∂2Φ
= e34 − ǫ33 = 0. (3.42)
∂X3 ∂X32 ∂X32
Die Randbedingungen (3.40) vereinfachen sich zu
∂u2 ∂Φ
c44 + e34 = 0 f ür X3 = ±h. (3.43)
∂X3 ∂X3
Für eine harmonische Zeitabhängigkeit der Verzerrung und des elek-
trischen Potentiales

u2 (X3 , t) = u(X3 ) exp(iωt) (3.44)


Φ(X3 , t) = φ(X3 ) exp(iωt) (3.45)
42 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

lässt sich die elektrische Flussdichte (3.42) nach X3 integrieren:


∂u2 ∂Φ
D3 = e34 − ǫ33 = σ exp(iωt) (3.46)
∂X3 ∂X3
Die Integrationskonstante σ kann hierbei interpretiert werden als die
Amplitude der Ladungsdichte. Eine weitere Integration führt zu

e34 u2 − ǫ33 Φ = −σ exp(iωt)X3 + L exp(iωt), (3.47)

wobei L eine weitere Integrationskonstante darstellt (die sich für den


hier betrachteten symmetrischen Fall zu 0 ergeben wird). Mit Gl. (3.45)
ergibt sich

φ = (e34 /ǫ33 )u + (σ/ǫ33 )X3 + L, (3.48)

wodurch sich die Bewegungsgleichung (3.41) formulieren lässt als


  2
e2 ∂ u ∂2u
ρ̄ω 2 u + c44 + 34 2 = ρ̄ω 2 u + c̄44 = 0. (3.49)
ǫ33 ∂X3 ∂X32
Der Koeffizient c̄44 wird häufig als piezoelektrisch versteifter Elas-
tizitätskoeffizient bezeichnet. Mit Gl. (3.48) lassen sich die Randbe-
dingung (3.40) sowie die Bedingung für ein harmonisch zeitabhän-
giges Potential an den Elektroden, Φ(±h) = ±Φ0 cos(ωt), schreiben
als
∂u e34
c̄44 (±h) + σ=0 (3.50)
∂X3 ǫ33
e34 hσ
u(±h) ± + L = ±φ0 . (3.51)
ǫ33 ǫ33
∂u ∂u
Aus der ersten Gleichung folgt, dass ∂X 3
(+h) = ∂X 3
(−h), dass also der
Auslenkungsgradient an den Oberflächen identisch ist. Damit ergibt
sich die Lösung der Bewegungsgleichung (3.41) zu
s
ρ̄ω 2
u = A sin (ηX3 ) mit η = . (3.52)
c̄44
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 43

Da für diese Lösung u(+h) = −u(−h) gilt, folgt aus Gl. (3.51), dass
L = 0 sein muss. Ferner lässt sich durch Einsetzen der Lösung (3.52)
in dieselbe Gleichung die Amplitude der Ladungsdichte bestimmen
zu

φ0 e34
σ = ǫ33 − A sin (ηh) . (3.53)
h h

Dies wiederum liefert in Kombination mit Gl. (3.51) den Zusammen-


hang zwischen Amplitude der Auslenkung und angelegter Spannung:
 
e2
A c̄44 ηh cos (ηh) − 34 sin (ηh) = −e34 φ0 (3.54)
ǫ33

Resonanzen treten genau dann auf, wenn der Ausdruck in Klammern


verschwindet, wenn also gilt:

tan (ηR h) c̄44 ǫ33


= 2 (3.55)
ηR h e34

3.4.2 Elektromechanische Kopplung


Im statischen Fall, d.h. u̇ = 0, reduziert sich die Bewegungsglei-
chung (3.41) auf c̄44 (∂ 2 u2 /∂X32 ) = 0, woraus folgt, dass (∂u2 /∂X3 ) =
V4 unabhängig von X3 ist – die Verzerrung ist also unabhängig von der
Position auf der X3 -Achse. Damit und mit der aus der Geometrie re-
sultierenden Tatsache, dass V4 die einzige nicht verschwindende Kom-
ponente des Verzerrungstensors ist, lassen sich die linearen piezoelek-
trischen Gleichungen (3.34) und (3.35) schreiben als

τ4∗ = c44 V4 − e34 E3 , (3.56)


D3 = e34 V4 + ǫ33 E3 . (3.57)
44 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

Auflösen der ersten Gleichung nach E3 und Einsetzen in die zweite


liefert
e34 1
E3 = − V4 − D3 , (3.58)
ǫ33 ǫ33
e34
τ4∗ = c̄44 V4 − D3 , (3.59)
ǫ33

also elektrisches Feld und thermodynamische Spannung in Ab-


hängigkeit von den unabhängigen Variablen der inneren Ener-
gie.
Im betrachteten statischen Fall wird ein elektromechanischer Kopp-
lungskoeffizient k 2 definiert als das Verhältnis der gemischten Ablei-
tungen der (statischen) inneren Energie Û (V4 , D3 ) und dem Produkt
der jeweils einzelnen Ableitungen, also
 2
∂ 2 Û
∂V4 ∂D3
k2 =   . (3.60)
∂ 2 Û ∂ 2 Û
∂V42 ∂D32

Da E3 = (∂ Û /∂D3 ) und τ4∗ = (∂ Û /∂V4 ), lässt sich k 2 weiterhin schrei-


ben als
 2
∂E3
∂V4 e2
k 2 =  ∂τ ∗    = 34 . (3.61)
4 ∂E3 c̄44 ǫ33
∂V4 ∂D3

Mit der Definition des piezoelektrisch versteiften Elastizitätskoeffizien-


ten c̄44 = c44 + e234 /ǫ33 gilt ferner

k2 e234 c44
2
= bzw. = 1 − k2 . (3.62)
1−k c44 ǫ33 c̄44

Der elektromechanische Kopplungsfaktor k 2 kann auch als Verhältnis


von Energien interpretiert werden (im Gegensatz zu seiner Definition
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 45

als Verhältnis von Energieänderungen). Bis zur zweiten Ordnung ent-


wickelt um die Zustände V4 = 0 und D3 = 0 lautet die innere Energie

! ! !
1 ∂ 2 Û 1 ∂ 2 Û ∂ 2 Û
Û = V42 + E32 + V4 E 3 , (3.63)
2 ∂V42 2 ∂E32 ∂V4 ∂E3
| {z } | {z } | {z }
UM UE 2UW W

wobei UM für mechanische (D3 = 0), UE für elektrische (V4 = 0) und


UW W für die Austauschenergie steht. Mit diesen Definitionen lässt sich
der elektromechanische Kopplungsfaktor schreiben als
2
UW W
k2 = . (3.64)
UM UE

Mithilfe von k 2 lassen sich insbesondere Beziehungen zwischen Energi-


en ausdrücken, die für bestimmte Grenzfälle oft in der Literatur Ver-
wendung finden. Diese Grenzfälle der mechanischen Energie sind der
freie (in der englischsprachigen Literatur free) (τ4∗ = 0) und der ein-
gespannte (clamped ) Resonator (V4 = const).2 Die der elektrischen
Energie entsprechen kurzgeschlossenen (short-circuit) (E3 = 0) bzw.
offenen Elektroden (open-circuit) (D3 = const).3 In diesen Fällen las-
sen sich mechanische und elektrische Arbeiten WM und WE in Ab-
hängigkeit einer der Variablen (E3 , D3 , τ4∗ , V4 ) ausdrücken, wenn eine
andere gleich Null gehalten wird, z.B. entspricht WM,E=0 (V4 ) der me-
chanischen Arbeit für kurzgeschlossene Elektroden in Abhängigkeit
der Verzerrung.
Interessant sind hierbei insbesondere die Verhältnisse zwischen den
mechanischen Arbeiten, die nötig sind, um einen bestimmten durch die
elektrischen Variablen vorgegebenen Zustand bei kurzgeschlossenen
2
Dies entspricht Kontakt mit einem umgebenden Medium, das sich durch ver-
schwindende (eingespannt) bzw. unendliche Nachgiebigkeit (frei) auszeichnet.
3
Analog zur letzten Fußnote zeichnet sich in diesem Fall das umgebende Medium
durch unendliche (kurzgeschlossen) bzw. verschwindende dielektrische Suszepti-
bilität (offen) aus.
46 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

bzw. offenen Elektroden zu erreichen, sowie zwischen den elektrischen


Arbeiten, die aufgewendet werden müssen, um im Falle des freien bzw.
eingespannten Resonators einen durch die mechanischen Variablen de-
finierten Zustand zu erreichen. Thurston [66] findet

WM,D=0 (τ4∗ ) WM,E=0 (V4 )


(1 − k 2 ) = =
WM,E=0 (τ4 ) ∗ WM,D=0 (V4 )
WE,V =0 (E3 ) WE,τ =0 (D3 )
= =
WE,τ =0 (E3 ) WE,V =0 (D3 )
c44 ǫ33
= = , (3.65)
c̄44 ǭ33

wobei ǭ33 die sogenannte freie dielektrische Konstante ist, die gegeben
ist durch
 
e234 ǫ33
ǭ33 = ǫ33 1 + = . (3.66)
ǫ33 c44 1 − k2

3.4.3 Elektrische Impedanz des piezoelektrischen


Resonators
Für ein statisches Potential ist die Impedanz des Quarzes unendlich,
da seine elektrische Leitfähigkeit verschwindend gering ist – es ist al-
so nur die Definition einer frequenzabhängigen Impedanz sinnvoll. Die
folgende Betrachtung geht daher zu einem zeitabhängigen Potential
über. Mit den Gln. (3.53), (3.54) und (3.61) kann die (statische) Flä-
chenladungsdichte σ ausgedrückt werden als
 
ǫ33 φ0 k2
σ= 1+
h ηh cot (ηh) − k 2
 
ǫ33 φ0 ηh cot (ηh)
= . (3.67)
h ηh cot (ηh) − k 2

Aus einem harmonisch zeitabhängigen Potential resultiert die Wech-


selstromdichte iωσ exp(iωt), die über das Quarzvolumen abfallende
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 47

Spannung beträgt 2φ0 exp(iωt). Damit ergibt sich die spezifische Im-
pedanz Z zu
 
2φ0 1 k 2 tan (ηh)
Z= = 1− . (3.68)
iωσS iω Sǫ33 / (2h) ηh
| {z }
C

C hat die Dimension einer Kapazität und wird oft als festgehaltene Ka-
pazität (clamped capacitance) der Fläche S bezeichnet.
Die Definition des elektromechanischen Kopplungsfaktors k 2
(Gl. (3.61)) ermöglicht eine einfachere Darstellung der Resonanz-
bedingung (3.55) in der Form

k 2 tan (ηR h) = ηR h. (3.69)


Diese Resonanzen entsprechen nach Gl. (3.68) offenbar solchen, bei
denen die Impedanz verschwindet. Im Gegensatz dazu existieren al-
lerdings auch Frequenzen,  bei denen die Impedanz unendlich wird,
nämlich bei ηh = n + 2 π (n ∈ N). Frequenzen, die diese Bedingung
1

erfüllen, heißen Antiresonanzen. Während für die Resonanzen ωR kein


geschlossener Ausdruck existiert, können die Antiresonanzen ωA mit
η = ω/v geschrieben werden als
 
v 1
ωA = n+ π, n ∈ N. (3.70)
h 2
Da die Resonanzen sich aber, bezogen auf die Frequenz, nur gering-
fügig von den Antiresonzen unterscheiden, lässt sich aus letzteren ein
näherungsweise gültiger Ausdruck für erstere ableiten. ηh kann entwi-
ckelt werden als
 
ωh ωA,n h ω − ωA,n
ηh = = 1+ (3.71)
v v ωA,n
     
1 1 ωA,n − ω
= n+ π+ n+ π . (3.72)
2 2 ωA,n
| {z }
Θn
48 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

Damit kann tan (ηh) geschrieben werden als


−1 −1
tan (ηh) = = (3.73)
tan Θn Θn + 13 Θ3n + ...

Eingesetzt in die Resonanzbedingung (3.69) ergibt sich diese unter


Vernachlässigung aller
 Terme mit höherer als linearer Ordnung in Θn
zu −k 2 = Θn n + 12 π bzw.

ωA,n − ωR,n k2
= 2 . (3.74)
ωA,n π 2 n + 12

Dies bedeutet, unterhalb jeder Antiresonanz existiert eine Resonanz,


die von der Antiresonanz umso weiter entfernt ist, je größer die elektro-
mechanische Kopplung k 2 ist. Eine experimentelle Bestimmung dieser
Größe ist durch Messung der Resonanzen und Verwenden der Bezie-
hung
ηR,n h
k2 = (3.75)
tan (ηR,n h)

möglich, falls die Dicke des Resonators anderweitig (als durch Bestim-
men der Resonanz, was der übliche Weg ist) hinreichend genau be-
stimmt werden kann.

3.4.4 Mason-Ersatzschaltbild des piezoelektrischen


Resonators
Eine Anwendung des piezoelektischen Resonators als Sensor wird durch
die Betrachtung in Kap. 3.4.1 nur bedingt beschrieben, da aufgrund der
Randbedingung der Kräftefreiheit der Quarzoberflächen τ4∗ (±h) = 0
jede mechanische Last auf einer oder beiden Quarzseiten verboten
wird. I.A. ist jedoch eine Seite des Schwingquarzes dem zu untersu-
chenden Medium ausgesetzt und wechselwirkt mit diesem. Dies führt
zu einem Brechen der bisher geltenden Symmetrie, und die Oberflä-
chenkräfte τ4∗ (±h) müssen zunächst unspezifiziert belassen werden.
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 49

Die Entsprechung von Gl. (3.43) lautet dann

∂u2 ∂Φ
c44 (±h) + e34 (±h) = τ4∗ (±h). (3.76)
∂X3 ∂X3
Für eine unsymmetrische Last τ4∗ (+h) 6= τ4∗ (−h) ist auch die Lö-
sung nicht mehr symmetrisch, sondern muss verallgemeinert werden
zu

u = A sin (ηX3 ) + B cos (ηX3 ) . (3.77)

Dadurch ergibt sich die Integrationskonstante L nicht mehr zu 0, son-


dern wird zu L = − eǫ33
34
B cos (ηh). Dieser Term lässt die Ladungsdichte
σ allerdings unverändert, da ein bezüglich X3 = 0 symmetrischer Term
zu einer entsprechend symmetrischen Verzerrung führt, die nicht zu
den piezoelektrisch induzierten Ladungen beiträgt.4
Für eine harmonische Zeitabhängigkeit der Oberflächenkräfte, τ4∗ =
τ4 exp (iωt) lautet das Äquivalent zu Gl. (3.50)

∂u e34
c̄44 (±h) + σ = τ4 (±h) (3.78)
∂X3 ǫ33
Durch Einsetzen der Lösung (3.77) und des Ausdrucks für die La-
dungsdichte (3.53) ergeben sich Gleichungen für die Amplituden A
und B.

Ac̄44 ηh cos (ηh) − k 2 sin (ηh) =
h
= (τ4 (+h) + τ4 (−h)) − e34 φ0 (3.79)
2
B τ4 (−h) − τ4 (+h)
= (3.80)
h 2c̄44 ηh sin (ηh)
4
Aus dem gleichen Grund lassen sich piezoelektrisch nur ungeradzahlige Ober-
wellen anregen. Die geradzahligen sind mechanisch durchaus möglich, lassen sich
aber elektrisch nicht anregen, da eine bezüglich X3 = 0 symmetrische Auslen-
kung nicht zu Ladungsdichten führt, die mit einem Spannungsabfall über das
Quarzvolumen korrelieren, und umgekehrt.
50 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

Mit den Amplituden lassen sich die Geschwindigkeiten u̇ = iωu in der


Mitte des Resonators (X3 = 0), sowie an der Ober- und Unterseite
(X3 = ±h) bestimmen zu
iω (τ4 (−h) − τ4 (+h))
iωu(0) = iωB = (3.81)
2c̄44 η sin (ηh)
iωu(+h) = iω (B cos (ηh) + A sin (ηh)) = v2 (3.82)
iωu(−h) = iω (B cos (ηh) − A sin (ηh)) = v1 (3.83)
Mithilfe der Ladungsdichte (3.53) ergibt sich der Strom I = iωσS in
Abhängigkeit der beiden Geschwindigkeiten v1 und v2 zu
Se34 (v1 − v2 )
I = 2φ0 iωC + . (3.84)
2h
Der Strom, der durch die Spannung 2φ0 hervorgerufen wird, unter-
scheidet sich also vom Strom durch einen Kondensator mit der Kapi-
zität C um einen Term, der proportional zur Differenz der Geschwin-
digkeiten an Ober- und Unterseite des Resonators ist.
Mit der Definition von Flächen-Kraft-Amplituden F1 = Sτ4 (−h) und
F2 = Sτ4 (+h) und den Gleichungen für die Amplituden (3.79) und
(3.80) ergeben sich elektromechanische Gleichungen, die Strom, Span-
nung, Geschwindigkeiten und Kräfte zueinander in Beziehung set-
zen.
iωh (F1 − F2 ) cos (ηh) F2 − F1
iωB cos (ηh) = = (3.85)
2Sc̄44 ηh sin (ηh) 2Z1
F2 + F1 − 2F
iωA sin (ηh) = (3.86)
2Z2
mit
Sc̄44 η tan (ηh)
Z1 = − , (3.87)
iω 
Sc̄44 ηh cot (ηh) − k 2
Z2 = und (3.88)
iωh
Se34 φ0
F = . (3.89)
h
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 51

Mit den Definitionen der Geschwindigkeiten v1 und v2


folgt

F2 − F1 = (v2 + v1 ) Z1 (3.90)
F2 + F1 − 2F = (v2 − v1 ) Z2 (3.91)
1 1
F1 − F = − (Z1 + Z2 ) v1 + (Z2 − Z1 ) v2 (3.92)
2 2
1 1
F2 − F = − (Z2 − Z1 ) v1 + (Z1 + Z2 ) v2 . (3.93)
2 2
Durch Einführen von elektrischen Spannungen V1 ∼ (F1 − F ) und
V2 ∼ (F2 − F ) und Strömen I1 ∼ −v1 und I2 ∼ v2 nehmen die beiden
letzten Gleichungen folgende Form an

V1 = z11 I1 + z12 I2 (3.94)


V2 = z12 I1 + z22 I2 . (3.95)

Die T-Form eines entsprechenden Äquivalenzschaltbildes ist in


Abb. 3.3a dargestellt. Mit η = ω/v und c̄44 = ρ̄v 2 lassen sich die
Elemente des Ersatzschaltbildes folgendermaßen mit den bereits ge-
fundenen Größen in Beziehung setzen:
1
z11 = z22 = (Z1 + Z2 ) (3.96)
2
1
z12 = (Z2 − Z1 )
2  
1 ωh ωh k 2 v
= − iS ρ̄v tan + cot − (3.97)
2 v v ωh
ωh
z11 − z12 = z22 − z12 = Z1 = iS ρ̄v tan (3.98)
v
Mit der Definition von k 2 (Gl. (3.62)) lässt sich der letzte Term von
Gl. (3.97) umformen zu
 
1 k2 v Se34 2 1 Φ2
iS ρ̄v =− =− , (3.99)
2 ωh 2h iωC iωC
52 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

wobei Φ = Se34 / (2h) mit Gl. (3.89) der Bedingung Φ = F/ (2φ0 )


genügt, also dem Verhältnis von Kraft zu Spannung entspricht. Durch
Verwenden der Identität tan x + cot x = 2/ sin (2x) lässt sich Gl. (3.97)
schreiben als
iS ρ̄v Φ2
z12 = − − . (3.100)
sin 2ωh
v
iωC

Damit nimmt das Äquivalenzschaltbild die in Abb. 3.3b dargestellte


Form an. Die Größe Φ – nach Gl. (3.99) proportional zum elektrome-
chanischen Kopplungsfaktor k – hat die Dimension
[Kraft] [Strom]
[Φ] = = , (3.101)
[Spannung] [Geschwindigkeit]
wobei die zweite Identität aus den oben genannten Analogien folgt.
Φ2 hat demnach die Dimension
 2 [Kraft] [Strom]
Φ =
[Spannung] [Geschwindigkeit]
[mechanische Impedanz]
= (3.102)
[elektrische Impedanz]
und kann in einem Ersatzschaltbild dementsprechend dargestellt wer-
den als idealer, d.h. verlustfreier, elektromechanischer Transformator,
wie er in Abb. 3.3c gezeigt ist. Dieser ist charakterisiert durch ein Im-
pedanztransformationsverhältnis von Φ2 : 1. Mit dem entsprechenden
Element lässt sich das Äquivalenzschaltbild 3.3b in die in Abb. 3.3d
dargestellte Form überführen. Diese repräsentiert bereits alle elektro-
mechanischen Eigenschaften des piezoelektrischen Materials – abgese-
hen von Verlusten, die durch die intrinsische Viskosität des Materials
oder die elektromechanische Transformation auftreten –, lässt aber die
Randbedingungen unspezifiziert.
Üblicherweise ist eine Seite des Resonators kräftefrei bzw. Vakuum
oder Luft ausgesetzt. Dies wird repräsentiert, indem F1 = 0 gesetzt
wird. Damit wird die linke Seite in Abb. 3.3d kurzgeschlossen, und
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 53

Abbildung 3.3: Äqui-


valenzschaltbilder des
piezoelektrischen Transfor-
mators. Dargestellt sind
die allgemeine Form eines
verlustbehafteten Bauteils
als Zwei-Tor in T-Form (a),
mit expliziter Berücksich-
tigung elektromechanischer
Kopplung (b), der verlust-
freie Transformator (c)
und, als Kombination von
b und c, das vollständige
Äquivalenzschaltbild des
verlustbehafteten piezo-
elektrischen Transformators
(d). Abb. entnommen aus
[66].
54 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

nach Umstellen der Elemente für eine übersichtlichere Anordnung er-


gibt sich das Ersatzschaltbild 3.4a. Nach [66] gilt die in Abb. 3.4b dar-
gestellte Netzwerkäquivalenz, wobei zu beachten ist, dass Φ2 in dieser
Abbildung nur von der Bedeutung, nicht aber vom Zahlenwert her
mit den Φ2 der anderen Abbildungen übereinstimmt. Vielmehr müs-
sen für ZA = ZB = iS ρ̄v tan (ωh/v), wie im betrachteten Fall, Φ2 = 4
und ZX = ZY = 2iS ρ̄v tan (ωh/v) sein, damit die beiden Seiten von
Abb. 3.4b gleich sind.
Diese Netzwerkäquivalenz angewendet auf die beiden rechten Impe-
danzen von Abb. 3.4a führt zu der in Abb. 3.4c dargestellten Form.
Durch Zusammenfassen der beiden Transformatoren ergibt sich letzt-
endlich die in Abb. 3.4d gezeigte Anordnung. Hierbei ist zu beachten,
dass Elemente beim Verschieben über den 1 : 4-Transformator ent-
sprechend mit dem Faktor 4 multipliziert werden müssen, und die in
diesem Kapitel schon einmal benutzte geometrische Identität verwen-
det wurde.
In der finalen Form hat das Äquivalenzschaltbild, das in dieser Form
zuerst von Mason [51] entwickelt wurde und dementsprechend oft als
Mason-Ersatzschaltbild bezeichnet wird, zwei offene Seiten. Die lin-
ke ist die elektrische Seite und entspricht den Kontakten der beiden
Quarzelektroden. Der Quarz als Dielektrikum mit zwei Elektroden auf
der Ober- und Unterseite weist die Eigenschaften eines Kondensators
auf – repräsentiert durch das Element 1/ (iωC) –, wandelt aber zu-
sätzlich verlustfrei5 einen Teil der eingekoppelten Energie über den
Transformator 1 : 4Φ2 in mechanische Energie um. Die rechte Seite
ist die mechanische, deren Randbedingungen in der vorliegenden Form
unspezifiziert sind, d.h. die Kräfte auf der dem zu untersuchenden Me-
dium zugewandten Seite sind nicht näher bestimmt. Für eine gegebene
Last müsste die rechte Seite über ein Impedanzelement der Form SZ
kurzgeschlossen werden, wobei Z = Z(ω) eine mechanische Impedanz
darstellt, die in nicht-trivialer Weise von der Frequenz abhängt. Wie

5
Der Terminus „verlustfrei“ bezieht sich hierbei lediglich auf den Prozess der Um-
wandlung von elektrischer in mechanische Energie und umgekehrt.
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 55

Abbildung 3.4: Äqui-


valenzschaltbilder des
piezoelektrischen Transfor-
mators. Dargestellt sind der
verlustbehaftete piezoelek-
trische Transformator mit
einer kräftefreien (kurzge-
schlossenen) Seite (a), eine
Netzwerkäquivalenz (b), die
angewendet auf a zu der
in c gezeigten Anordnung
führt, und schließlich die
finale Form, die sich durch
Zusammenfassen der beiden
Transformatoren ergibt (d).
Abb. entnommen aus [66].
56 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

sich diese Abhängigkeit konkret darstellt, ist vom jeweiligen System


abhängig [35]. Bemerkenswerterweise hängt auch die mechanische Sei-
te von der Kapazität C ab, da diese über das Element Zk , das die piezo-
elektrische Versteifung repräsentiert, in die mechanische Seite Eingang
findet.

3.4.5 Butterworth-van Dyke-Ersatzschaltbild des


piezoelektrischen Resonators
Das Mason-Ersatzschaltbild hat den Vorteil, das Frequenzverhalten
des Resonators prinzipiell für alle möglichen Arten von Last darstellen
zu können, ist also sehr allgemein. Die praktische Anwendung wird al-
lerdings dadurch erheblich erschwert, dass verschiedene Größen, etwa
die aktive Fläche S, die Dicke h und vor allem die frequenzabhängi-
ge mechanische Impedanz einer externen Last Zm (ω)6 sehr aufwän-
dig zu bestimmen sind. Da sich der oszillierende Quarz als Teil einer
elektronischen Schaltung verhält wie ein Zwei-Port-Netzwerk, bietet
sich anstelle des vollständigeren Mason-Schaltbildes eine vereinfach-
te Darstellung an, die das Frequenzverhalten des Quarz-Oszillators –
zumindest in der Nähe der Resonanzen – in Abhängigkeit frequenzu-
nabhängiger elektrischer Parameter beschreibt.
Eine solche Darstellung liefert der sogenannte Butterworth-van Dyke-
Äquivalenzschaltkreis, wie er in Abb. 3.5 gezeigt ist. Die entsprechen-
den Grundlagen wurden ausgearbeitet um die zwanziger Jahre des ver-
gangenen Jahrhunderts von Butterworth [17], Dye [25] und van Dyke
[26], auf deren Artikel für eine ausführliche Darstellung verwiesen wird.
Im Folgenden soll nur kurz die Struktur des Ersatzschaltbildes sowie
der Zusammenhang zwischen seinen Parametern und den Koeffizienten
und Maßen des Quarzes motiviert werden.
Von den piezoelektrischen Eigenschaften abgesehen handelt es sich bei
einem Quarzresonator um einen Plattenkondensator, ein Dielektrikum
6
Oft wird auch der umgekehrte Weg beschritten und aus einer gemessenen elek-
trischen Impedanz des Resonators auf die mechanische Impedanz des zu unter-
suchenden Systems geschlossen – siehe dazu Kap. 4.
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 57

Abbildung 3.5: Butterworth-van


Dyke-Ersatzschaltbild des piezo-
elektrischen Resonators in der Nä-
he einer Resonanz

mit Elektroden an zwei gegenüberliegenden Flächen. Unter einer An-


regung mit einer Wechselspannung außerhalb der Resonanzen geht der
Strom entsprechend der angelegten Spannung um π/2 voraus. Da die
auftretenden Verzerrungen klein sind, fällt der piezoelektrisch indu-
zierte Verschiebungsstrom nicht ins Gewicht.
Anders stellt sich die Situation in der Nähe der Resonanzen dar: In
diesen Fällen setzt sich der Strom durch den Resonator aus den bei-
den Anteilen dielektrischer und piezoelektrischer Verschiebungsstrom
zusammen, wobei letzterer um zwei Größenordnungen über ersterem
liegen kann. Der resulierende Strom entspricht in Betrag und Phase
der Vektorsumme der beiden Komponenten. Die Phasenbeziehung zwi-
schen angelegter Spannung und piezoelektrischem Strom hängt hierbei
davon ab, ob die anregende Wechselspannungsfrequenz größer oder
kleiner als die Resonanzfrequenz des Quarzes ist. Ist die anregende
Frequenz größer, hängt der piezoelektrische Strom der Spannung hin-
terher, ist sie kleiner, geht der Strom der Spannung voraus. Wenn die
Frequenz der anregenden Spannung exakt der der mechanischen Reso-
nanz entspricht, sind der piezoelektrische Strom und die Spannung in
Phase, entsprechend einem ohmschen Widerstand.
Ein für die Charakterisierung der Frequenzabhängigkeit eines piezo-
elektrischen Resonators geeignetes Netzwerk muss sich also in der Nä-
he der Resonanz verhalten wie eine Kapazität, eine Induktivität oder
ein ohmscher Widerstand, und außerhalb der Resonanz wie ein Plat-
tenkondensator. Das Butterworth-van Dyke-Ersatzschaltbild besteht
daher aus einem Arm, der die grundlegende Kondensatoreigenschaft
des Quarzes beschreibt und der charakterisiert ist durch die Kapazi-
tät C0 . Parallel dazu geschaltet ist ein Arm, der die Phasenbeziehung
58 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

zwischen angelegter Spannung und piezoelektrischem Strom wieder-


gibt, bestehend aus der Kapazität Cm , der Induktivität Lm und dem
Widerstand Rm . Der Index m weist darauf hin, dass der entsprechen-
de Arm des Äquivalenzbildes die piezoelektrisch hervorgerufene Bewe-
gung (motion) des Resonators beschreibt.
Jede elektrische Größe des Bewegungsarmes ist hierbei mit einer me-
chanischen Größe zu identifizieren, auch wenn, wie die im Folgen-
den motivierten Zusammenhänge zeigen, die Beziehungen nicht trivial
sind. Die Kapazität Cm kann verstanden werden als Äquivalent einer
Rückstellkraft, die Induktivität Lm als Masseträgheit und der ohmsche
Widerstand Rm als „Viskosität“ des Quarzes.
Wie im letzten Kapitel wird eine reine Schermode (Auslenkung in X2 -
Richtung) betrachtet, deren Ausbreitungsrichtung senkrecht (in X3 -
Richtung) zu einem unendlich ausgedehnten homogenen Quarzkonti-
nuum liegt (siehe Abb. 3.2). Ober- und Unterseite des Quarzes beste-
hen aus masselosen Äquipotentialflächen. Einschließlich eines durch
den Dämpfungkoeffizienten r charakterisierten Termes lautet die rein
mechanische7 Bewegungsgleichung
∂ 2 u2 ∂ 2 u2 ∂u2
ρ̄ 2
− c̄ 44 2 +r = 0. (3.103)
∂t ∂X3 ∂t
Die Lösung dazu kann geschrieben werden als
u2 = u exp (iωt) , (3.104)
s 
ρ̄ω 2 − iωr
u = C sin  X3  = C sin (γX3 ) . (3.105)
c̄44

Im Falle verschwindender Dämpfung r = 0 wird γ = η und diese


Lösung identisch mit der Lösung (3.52). Nach X3 abgeleitet und aus-
gewertet an den Flächen X3 = ±h ergibt sich
∂u
= γC cos (±γh) . (3.106)
∂X3
7
Mechanisch in dem Sinne, dass piezoelektrische Effekte nur über den piezoelek-
trisch versteiften Koeffizienten c̄44 Eingang finden.
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 59

Für die Verzerrung, die sich in der vorliegenden Geometrie reduziert


auf V4 = ∂u2 /∂X3 , gilt an den Ober- und Unterseiten V4 = d34 E3 ,
da die Grenzflächen kräftefrei sind (τ4∗ = 0). d ist hierbei der pie-
zoelektrische Verzerrungskoeffizient, der über diβ = eiα sαβ mit dem
piezoelektrischen Spannungstensor e verknüpft ist. Für ein harmo-
nisch zeitabhängiges Potential gehorcht das elektrische Feld E =
(2φ0 /2h) exp (iωt), und damit gilt

∂u d34 φ0
= f ür X3 = ±h. (3.107)
∂X3 h

Durch Gleichsetzen der beiden letzten Gleichungen ergibt sich für die
Amplitude

d34 φ0
C= . (3.108)
hγ cos (γh)

Damit lässt sich die Lösung schreiben als

d34 φ0
u= sin (γX3 ) (3.109)
hγ cos (γh)

Die Polarisation P = D−ǫ0 ǫ E entspricht nach Gl. (3.35) P3 = e34 V4 =


e34 (∂u2 /∂X3 ), die
 Ladungsdichte beträgt σ = −e34 (∂P3 /∂X3 ) =
−e34 ∂ 2 u2 /∂X32 .
Mit der Laplace-Gleichung ∆φ = − ǫǫσ0 gilt dementsprechend für die
zweite Ableitung des Potentials

d34 e34 γφ0


∆φ = − sin (γX3 ) exp (iωt) , (3.110)
hǫ33 cos (γh)

was nach zweimaliger Integration nach X3 zu folgendem Ausdruck für


das Potential führt:
d34 e34 φ0
φ= sin (γX3 ) exp (iωt) + C2 X3 + C3 (3.111)
γhǫ33 cos (γh)
60 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

mit Integrationskonstanten C2 und C3 . Da φ(0) = 0 sein muss, er-


gibt sich C3 unmittelbar zu 0. An den Elektroden X3 = ±h hat das
Potential den Wert

φ = ±φ0 exp (iωt) . (3.112)

Durch Gleichsetzen der beiden Ausdrücke für das Potential φ und Auf-
lösen ergibt sich für die Integrationskonstante
 
1 e34 d34
C2 = − tan (γh) φ0 exp (iωt) , (3.113)
h γǫ33 h2

und damit für das Potential φ(−h ≤ X3 ≤ +h)



d34 e34 sin (γX3 ) X3
φ= +
γhǫ33 cos (γh) h

d34 e34
− 2 tan (γh) X3 φ0 exp (iωt) . (3.114)
γh ǫ33

Für das elektrische Feld E3 (X3 ) = − (∂φ/∂X3 ) folgt da-


mit

d34 e34 cos (γX3 ) 1
E3 (X3 ) = +
hǫ33 cos (γh) h

d34 e34
− 2 tan (γh) φ0 exp (iωt) , (3.115)
γh ǫ33

bzw. speziell an der Grenzfläche X3 = +h



d34 e34 1
E3 (+h) = +
hǫ33 h

d34 e34
+ 2 tan (γh) φ0 exp (iωt) . (3.116)
γh ǫ33

Damit lässt sich eine Oberflächenstromdichte i = (∂D/∂t) =


ǫǫ0 (∂E/∂t) bestimmen, was durch Multiplikation mit der Fläche S
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 61

den Gesamtstrom in den Resonator ergibt als


  
ǫ33 d34 e34
I = iωS +
h h

d34 e34
+ iωS tan (γh) φ0 exp (iωt) . (3.117)
γh2
Die Terme der Summe in den äußeren Klammern besitzen hierbei
die Dimension einer Admittanz, da sie jeweils dem Quotienten ei-
nes Stromes und einer Spannung entsprechen. Der erste Term kann
interpretiert werden als Admittanz eines Kondensators mit der Kapa-
zität
S
C0 = (ǫ33 + d34 e34 ) , (3.118)
h
was im Falle eines komplett festgehaltenen Quarzes übergeht in die
clamped capacitance aus Gl. (3.68), die Kapazität eines gewöhnlichen
Plattenkondensators. Nach [15] liegt das Produkt d34 e34 typischerwei-
se etwa zwei Größenordnungen unter ǫ33 , d.h. die piezoelektrischen
Eigenschaften des Dielektrikums sind für etwa 1 % der Kapazität ver-
antwortlich. Damit ist die Kapazität C0 des Butterworth-van Dyke-Er-
satzschaltbildes gefunden. Die drei anderen Parameter stecken dement-
sprechend im zweiten Term auf der rechten Seite von Gl. (3.117), der
eine komplexe frequenzabhängige Admittanz parallel zu der von C0
beschreibt.
Dieser Ausdruck, der die Admittanz des Bewegungsarmes repräsen-
tiert,
d34 e34
Ym = iωS tan (γh) , (3.119)
γh2
kann – unter verschiedenen Näherungen, siehe z.B. [15] – in die ent-
sprechende Impedanz überführt werden:
 
π2h r
Zm = − i∆ω , (3.120)
4ωω0 Sd34 e34 2ρ̄
62 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

wobei ω = ω0 + ∆ω. Wie erwartet ist die Impedanz des Bewegungs-


armes bei Anregung mit der Resonanzfrequenz (∆ω = 0) eine reelle
Größe.
Der reelle Teil von Zm kann in der Nähe der Resonanz (ω ≈ ω0 )
geschrieben werden als

π 2 hr
Rm = , (3.121)
8ω02 Sd34 e34 ρ̄

was sich mit d34 = e34 /c̄44 (diese Abhängigkeit


p ist nur im eindimen-
sionalen Fall so einfach) und f0 = 1/ (2h) c̄44 /ρ̄ vereinfachen lässt
zu

h3 r
Rm = . (3.122)
Se234

Da es keine Möglichkeit gibt, den Dämpfungskoeffizienten r zu er-


mitteln, lässt sich Rm hiermit nicht bestimmen. Erschwerend kommt
hinzu, dass r gemäß der Annahme (3.103) alle Faktoren beinhaltet,
die mit Energieverlusten assoziiert sind, und dass diese Faktoren als
linear von der Geschwindigkeit abhängig angenommen werden. Typi-
scherweise sind aber Verluste, die z.B. durch die Einspannung hervor-
gerufen werden, erheblich größer als die intrinsischen Verluste, so dass
die praktische Anwendbarkeit von Gl. (3.122) ohnehin sehr begrenzt
ist.
Analog zum Realteil Rm kann der reaktive Anteil von Zm mit der
Näherung ω ≈ ω0 und durch Elimination von d dargestellt werden
als

2∆ω ρ̄h3
Xm = − . (3.123)
Ae234

Da sich der reaktive Anteil der Impedanz eines Kondensators und einer
Spule in Serie schreiben lässt als X = ωL − ωC
1
≈ −2∆ωL, ergibt sich
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 63

für die Werte von L bzw. C des Ersatzschaltbildes

ρ̄h3
L= (3.124)
Se234
Se2
C = 2 34 . (3.125)
π hc̄44

3.4.6 Kritische Frequenzen und


Admittanzkreis
Ohne Berücksichtigung der Dämpfung wurden in Kap. 3.4.3 für jede
Resonanz zwei kritische Frequenzen des piezoelektrischen Resonators
bestimmt: die Resonanzfrequenzen, die der Relation
s
ρ̄ωR2
tan (ηR h) c̄44 ǫ33
= 2 , ηR = (3.126)
ηR h e34 c̄44

gehorchen, und die Antiresonanzen


 
v 1
ωA = n+ π, n ∈ N. (3.127)
h 2

Diese Resonanzen zeichnen sich dadurch aus, dass bei den entspre-
chenden Frequenzen der imaginäre Anteil der Impedanz bzw. Ad-
mittanz verschwindet, die Impedanzen und Admittanzen also reel-
le Größen darstellen. Die Admittanz des Butterworth-van Dyke-Er-
satzschaltbildes (Abb. 3.5) zwischen den beiden offenen Enden be-
trägt

1 1
Y = = 1
 + iωC0 . (3.128)
Z R + i ωL − ωC

Auf einen Nenner gebracht, gestürzt und mit dem komplex Konjugier-
ten des Nenners erweitert, um die Summe aus reellem und imaginärem
64 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

Anteil der Impedanz zu erhalten, ergibt sich für diese


1
R + i ωL − ωC − ω 3 L2 C0
Z = C2 ...
0
C2
+ 1 − 2ω 2 LC0 + 2 CC0 + ω 2 R2 C02

+2ωL CC0 − ωCC0 2
2 − ωR C0
... C2
. (3.129)
−2ωL C0 + ω 4 L2 C02
Bei den Resonanzen muss der Imaginärteil verschwinden, al-
so
ω 2 LC 2 −C−ω 4 L2 C 2 C0 +2ω 2 LCC0 −C0 −ω 2 R2 C 2 C0 = 0. (3.130)
Für einen unbeladenen Quarz ist der Dämpfungsterm R sehr klein.
Wenn dieser zunächst vernachlässigt wird, ergeben sich die Resonanz-
bzw. Antiresonanzfrequenzen als Lösung der in ω 2 quadratischen
Gl. (3.130) zu
2 1
ωR = (3.131)
LC
2 1 1
ωA = + . (3.132)
LC LC0
Oberhalb jeder Resonanz liegt also eine Antiresonanz, der Abstand der
beiden Frequenzen hängt von der externen Kapazität C0 ab. Liegen
weitere Kapazitäten parallel zum Quarz – im Wesentlichen durch die
Beschaltung – ist der Term C0 zu ersetzen durch C0 +Cx , wobei Cx die
Gesamtheit aller zusätzlichen Kapazitäten repräsentiert. Dies bedeutet
insbesondere, dass die Resonanzfrequenzen ωR charakteristisch für den
verwendeten Quarz sind, die Antiresonanzen ωA aber nicht nur von den
Eigenschaften des Quarzes, sondern auch von denen der Beschaltung
abhängen.
Wird der Dämpfungsterm R nicht vernachlässigt, stellt sich die Situa-
tion bezüglich der kritischen Frequenzen weniger übersichtlich dar. Die
Gl. (3.128) kann geschrieben werden als
 
R X 1
Y = 2 2
−i 2 2
− ωC0 , X = ωL − . (3.133)
R +X R +X ωC
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 65

Nullsetzen des Imaginärteils führt zu X −ωC0 R2 −ωC0 X 2 = 0. Die Lö-


sungen dieser in X quadratischen Gleichung lauten
q
1 ± 1 − 4 (ωC0 R)2
X= . (3.134)
2ωC0

Da (ωC0 R)2 ≪ 1,8 kann X genähert werden als


 
1 ± 1 − 2 (ωC0 R)2
X= . (3.135)
2ωC0
Beginnend mit der Auswertung des negativen Vorzeichens wird X =
ωC0 R2 .
2
Daneben gilt aber auch X = ωL − ωC
1
= ω LC−1
ωC , was unter Anwen-
2 LC = 1 als
dung von ωR

ω 2 LC − ωR2 LC
(ω − ωR ) (ω + ωR ) L
X= =
ωC ω
= 2 (ω − ωR ) L (3.136)

geschrieben werden kann. Bei der letzten Identität wurde (ω + ωR ) ≈


2ω genähert.Gleichsetzen der beiden Ausdrücke für X führt zu ωR =
2 2
ω 1 − C2L0R
, was sich aufgrund von C2L
0R
≪ 1 schreiben lässt als ω =
 2

ωR 1 + C2L0R
. Mit den Definitionen des Kapazitätenverhältnisses r =
C0 ωL
C und des quality factors 9 Q = R lautet die niedrigere Frequenz, bei
8
ω liegt für einen 5 MHz-Quarz in der Größenordnung von 107 1s , C0 kann aus der
Quarzgeometrie abgeschätzt werden als 10−12 Q V
und R beträgt im betrachteten
Frequenzbereich typischerweise 10 Vs
Q
[52], also liegt (ωC0 R)2 in der Größenord-
nung von 10−8 .
9
Der quality factor Q entspricht allgemein dem Verhältnis von innerhalb einer
Periode gespeicherter und ausgekoppelter Energie. In der vorliegenden Defini-
tion kann Q, mit der Analogie von L als träge Masse und R als Bremskraft,
als Verhältnis von kinetischer und durch Verzögerung ausgekoppelter Energie
veranschaulicht werden.
66 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

der Z reell ist,


 
r
ωr = ωR 1 + . (3.137)
2Q2
Unter Auswertung des positiven Vorzeichens ergibt sich aus dem Gleich-
setzen von Gl. (3.135) mit X = 2 (ω − ωR ) L
 
1 C0 R2
ωR = ω 1 − 2 + . (3.138)
2ω C0 L 2L

Der zweite Summand kann mit 1 = ωR


2 LC und ω ≈ ω
R genähert
werden als
2 LC
ωR C 1
2
≈ = . (3.139)
2ω LC0 2C0 2r
Da die beiden letzten Summanden in Gl. (3.138) sehr viel kleiner als
1 sind,10 ergibt sich damit für die höhere der beiden Frequenzen, bei
denen Z reell ist,
 
1 r
ωa = ωR 1 + − . (3.140)
2r 2Q2

Da ωA2 = ω 2 1 + 1 , gilt näherungsweise
R r
 
1
ωA = ωR 1 + . (3.141)
2r
Damit ist ersichtlich, dass durch den Einfluss der Dämpfung ωa < ωA ,
aber ωr > ωR wird. Resonanz- und Antiresonanzfrequenz rücken also
um einen Betrag Qr2 ∼ 10−6 näher zusammen, was in einem realen Sys-
tem einer Verschiebung von typischerweise weniger als einem Hz ent-
spricht. Dies bezieht sich jedoch nur auf die intrinsische Dämpfung des
10
Typischerweise liegt C in der Größenordnung 10−14 Q V
[15], was zu einem Wert
des Kapazitätenverhältnisses in der Größenordnung von r ∼ 100 führt, und L
2
bei 10−2 Vs
Q
[15], was einen quality factor von Q ∼ 104 ergibt.
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 67

Quarzes, die sehr klein ist. Eine eventuelle externe Dämpfung macht
sich sehr viel stärker bemerkbar, wie die Diskussion in Kap. 5.2.3 zei-
gen wird.
Die Frequenzen minimaler bzw. maximaler Impedanz fallen unter Be-
rücksichtigung der Dämpfung nicht mehr mit denen reeller Impedan-
zen zusammen. Um dies zu zeigen, betrachtet man zunächst das Be-
tragsquadrat der Admittanz des Butterworth-van Dyke-Ersatzschalt-
bildes, das sich schreiben lässt als

1 − 2ωC0 X
|Y |2 = + ω 2 C02 . (3.142)
R2 + X 2
Ableiten nach X und Nullsetzen des Resultates führt
zu

ωC0 X 2 − X − ωC0 R2 = 0, (3.143)

die Lösungen dieser quadratischen Gleichung lauten


 
1 ± 1 + 2 (ωC0 R)2
X= , (3.144)
2ωC0

wobei die gleiche Näherung benutzt wurde wie in Gl. (3.135). Durch
Gleichsetzen der beiden Lösungen mit X = 2 (ω − ωR ) L ergeben sich
analog zum bisher Gezeigten zwei Frequenzen ωm und ωn als Frequen-
zen minimaler bzw. maximaler Admittanz:
 
r
ω m = ωR 1 − (3.145)
2Q2
 
1 r
ωn = ωR 1 + + (3.146)
2r 2Q2

Abb. 3.6 fasst die mit und ohne Berücksichtigung der Dämpfung
gefundenen kritischen Frequenzen des Quarzresonators zusammen.
Aufgetragen sind Betrag und Phase der Impedanz, berechnet nach
68 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

Abbildung 3.6: Durch den Einfluss der Dämpfung spalten sich Resonanz-
(ωR ) und Antiresonanzfrequenzen (ωA ) auf in jeweils zwei Frequenzen, die
durch die Phasennulldurchgänge (ωr , ωs ) bzw. minimale (ωm ) oder maximale
Impedanz (ωn ) charakterisiert sind. abs(Z) und arg(Z) entsprechen Betrag und
Phase der Impedanz, mit (d) oder ohne Dämpfung (nd). Die Kurven wurden
berechnet nach [56].

Reed und Kanazawa [56],11 über der Frequenz. Im verlustfreien Fall


stimmen die Nulldurchgänge der Phase mit den Frequenzen minimaler
11
In ihrer Veröffentlichung aus dem Jahr 1990 stellen Reed und Kanazawa ex-
plizite Wellengleichungen für ein System bestehend aus dem Quarz und einem
viskoelastischen Medium auf. Aus der entsprechenden Lösung leiten sie einen
Ausdruck ab, der die komplexe Impedanz des Quarzresonators in Abhängigkeit
der Eigenschaften des Quarzes und der viskoelastischen Schicht liefert. Der Ge-
dankengang wird in Kap. 4.6.2 ausführlicher vorgestellt.
3.4 Schwingquarz als elektronisches Bauteil 69

bzw. maximaler Impedanz überein, im verlustbehafteten Fall kommt


es zu einer Aufspaltung.
Die Admittanz des Bewegungsarmes des Butterworth-van Dyke-Er-
satzschaltbildes kann geschrieben werden als
Rm Xm
Ym = 2 + X2
−i 2 2
= gm − ibm , (3.147)
Rm m R m + Xm

wobei gm der Leitfähigkeit und bm der Suszeptanz des Bewegungsar-


mes entspricht. Die Admittanz zwischen den beiden Ports des gesam-
ten Schaltbildes ist dann
 
Rm Xm
Y = 2 2
−i 2 + X2
+ ωC0 = gm −ib = g−ib (3.148)
Rm + X m Rm m

mit der Gesamtleitfähigkeit g = gm und der Gesamtsuszeptanz b. Für


den Betrag der Admittanz gilt
s
Rm2 (Xm + (Rm 2 + X 2 ) ωC )2
m 0
|Y | = 2 + 2
2 2
(Rm + Xm ) 2 2
(Rm + Xm )
p
2
= g +b , 2 (3.149)
und damit
g 2 + b2 =
  
2 + X 2 + 2X ωC R2 + X 2 + ω 2 C 2 R2 + X 2 2
Rm m m 0 m m 0 m m
=
2 + X 2 )2
(Rm m
1 Xm ωC0
= 2 + X2
+2 2 2
+ ω 2 C02
Rm m R m + X m
g 2 2
= + 2bωC0 − ω C0 . (3.150)
Rm
Bei der letzten Identität wurde die rechte Seite von Gl. (3.148) benutzt.
Durch quadratische Ergänzung wird
 2  2
1 2 1
g− + (b − ωC0 ) = . (3.151)
2Rm 2Rm
70 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

Abbildung 3.7: Komplexe


Admittanz (links) des Butter-
worth-van Dyke-Ersatzschaltbil-
des (oben). Mit zunehmender
Frequenz wird der Kreis im
Uhrzeigersinn durchlaufen.

Diese Gleichung beschreibt einen Kreis in der komplexen


 Admittanz-

ebene, wobei der Mittelpunkt die Koordinaten 2Rm , ωC0 aufweist
1

und der Kreisdurchmesser R1m beträgt. Abb. 3.7 stellt den sogenannten
Admittanzkreis dar, wobei auch die kritischen Frequenzen verschwin-
dender Suszeptanz sowie minimaler und maximaler Admittanz ein-
gezeichnet sind. Da ωr −ω
ω
a
sehr klein ist, kann die Verschiebung des
Kreismittelpunktes ωC0 während eines Umlaufes vernachlässigt wer-
den.
Abb. 3.7 ist die in der Literatur am weitesten verbreitete graphische
Darstellung der komplexen Admittanz eines Quarzoszillators. Komplett
wiedergegeben wird die Abhängigkeit der Admittanz von der Frequenz
aber erst in der dreidimensionalen Darstellung. Abb. 3.8 zeigt reellen
und imaginären Anteil der Admittanz in Abhängigkeit von der Fre-
quenz.
3.5 Zusammenfassung 71

Abbildung 3.8: Dreidimensionale Darstellung des Admittanzkreises: Leit-


fähigkeit und Suszeptanz über der Frequenz. Eingezeichnet ist außerdem die
Projektion in die (g, b)-Ebene. Die Daten wurden berechnet nach [56].

3.5 Zusammenfassung
Es wurde gezeigt, dass der piezoelektrische Resonator mindestens vier
Frequenzen aufweist, die die Bezeichnung „Resonanz“ verdienen und
deren Lage durch die Eigenschaften des Quarzes und einer externen
Last definiert sind. Eine vollständige Charakterisierung des Schwing-
quarzes erfordert also die Kenntnis der Impedanzkurve über den rele-
vanten Frequenzbereich, d.h. in der Nähe der Resonanzen der Grund-
welle und idealerweise auch aller Obertöne. Da das Signal-zu-Rausch-
Verhältnis mit steigender Oberwelle immer schlechter wird (und un-
endlich hohe Frequenzen zur Anregung auch technisch nicht realisert
72 3 Lineare Theorie elastischer piezoelektrischer Festkörper

werden können), gibt es keine Messtechnik, die diese Information voll-


ständig liefert.
Zumindest für die niedrigen Oberwellen – je nach Frequenz der Grund-
welle bis in den Bereich zwischen 21 und 31 hinein – stellt das Werk-
zeug der Impedanzanalyse jedoch eine Möglichkeit der vollständigen
Charakterisierung der Quarzimpedanz dar. Im Gegensatz zu anderen
Methoden wie Oszillatorkreisen oder der Abklingmessung ermöglicht
sie die Rekonstruktion der einzelnen Parameter der vorgestellten Er-
satzschaltbilder. Diese Methode stand somit im Fokus bei der Ent-
wicklung der QCM-Elektronik, die im folgenden Kapitel beschrieben
wird.
4 Frequenzabhängige Bestimmung der
Impedanz des Quarzsensors

In den vorangegangenen Kapiteln wurden die für den Einsatz als Sen-
sor in einer QCM relevanten Eigenschaften des Quarzes und insbeson-
dere der charakteristische Impedanzverlauf des Quarzresonators erör-
tert. Um alle relevanten Parameter extrahieren zu können, ist das Er-
fassen der komplexen Impedanz über den gesamten Frequenzbereich,
oder zumindest in Ausschnitten um die einzelnen harmonischen Reso-
nanzen, notwendig.
Eine Quartz Crystal Microbalance liefert zunächst elektronische Pa-
rameter, die das Schwingungsverhalten des Quarzsensors unter einer
gegebenen Last charakterisieren. Diese werden noch während der Mes-
sung in mechanische Parameter überführt, z.B. durch Identifikation
des Minimums in einer Impedanzkurve. Die Standardausgabeparame-
ter einer QCM sind eine charakteristische Frequenz und ein Parame-
ter, der die Dämpfung bzw. Energieauskopplung des schwingenden
Systems beschreibt. Die Ausgabeparameter wiederum müssen durch
geeignete Modellbildung in physikalische Parameter des zu untersu-
chenden Systems überführt werden.
Wie in Kap. 3 dargelegt wurde, besitzt ein Quarzresonator im ideali-
sierten, d.h. verlustfreien, Fall zwei charakteristische Frequenzen. Wer-
den Verluste berücksichtigt, spalten sich diese wiederum in jeweils zwei
Frequenzen auf, so dass letztendlich vier verschiedene charakteristische
Frequenzen existieren, die als „Resonanz“-Frequenzen bezeichnet wer-
den können. Dies sind die Frequenzen verschwindender Reaktanz (ωr
und ωa ) sowie die Frequenzen minimaler bwz. maximaler Impedanz
(ωm und ωn ), die in Abb. 3.6 hervorgehoben sind.
Der mit der Dämpfung korrelierende Parameter kann in unterschiedli-
74 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

cher Form ausgedrückt werden, auch wenn die physikalische Grundlage


selbstverständlich bei jeder Messmethode dieselbe ist. Übliche Darstel-
lungsformen sind der ohmsche Widerstand des Butterworth-van Dyke-
Ersatzschaltbildes Rm , die charakteristische Zeit τ einer Abklingmes-
sung, die Änderung der Resonanzbreite ∆Γ des Impedanzpeaks oder
der quality factor Q, der das Verhältnis gespeicherter und ausgekop-
pelter Energie beschreibt. Wie diese Größen zusammenhängen, war
Gegenstand von Kap. 3.
Abhängig von der konkreten Fragestellung und den Anforderungen des
zu untersuchenden Systems existieren unterschiedliche Messmethoden,
um die charakteristischen Parameter zu ermitteln. Die am weitesten
verbreiteten sind Oszillatorkreise, Impedanzanalyse und Abklingmes-
sung. Selbst mit einer aufwändigen Schaltung lassen sich aus einem
Oszillatorkreis maximal eine Frequenz, die mehr oder weniger nahe
bei der Serienresonanz liegt (vgl. Kap. 5.1.3), und ein der Dämpfung
proportionales Spannungssignal erhalten. Die Abklingmessung liefert
die Resonanzfrequenz und, in Form der charakteristischen Abklingzeit,
die Dämpfung. Die Methode, die das Impedanzverhalten des Quar-
zes über den gesamten Frequenzbereich charakterisiert und außerdem
unabhängig von der Dämpfung funktioniert, ist die Impedanzanalyse.
Der Fokus bei der Entwicklung der Messelektronik lag daher auf dieser
Technik.

4.1 Impedanzanalyse
4.1.1 Prinzip
Für die Impedanzanalyse wird meist ein Netzwerkanalysator verwen-
det. Dieser sendet ein Signal bekannter Frequenz, Amplitude und Pha-
se auf das zu untersuchenden Bauteil (device under test, DUT ) und
misst die daran reflektierten bzw. transmittierten Signalanteile. Aus
den komplexen Verhältnissen der Signale lassen sich die Streuparame-
ter (Transmission und Reflektion), und daraus wiederum die Impedanz
des DUT bestimmen.
4.1 Impedanzanalyse 75

In Bezug auf die Anwendung als QCM besteht ein wesentlicher Vorteil
dieser Methode in der Möglichkeit, mehrere Obertöne zu messen, was
aufgrund ihrer Filtercharakteristik mit Schwingkreisen nicht möglich
ist. Die Dämpfung des schwingenden Systems wird bei der Impedanz-
analyse i.A. aus der Halbpeak-Halbbreite bestimmt. Durch Fit des
Ausdrucks für die Impedanz des Butterworth-van Dyke-Ersatzschalt-
bildes an die gemessene Impedanzkurve lassen sich dessen Parameter
bestimmen. Die Methode der Impedanzanalyse erfasst das Schwin-
gungsverhalten des Quarzresonators am umfassendsten. Allerdings ist
durch die relativ lange Messdauer die Datenerfassungsrate begrenzt,
was beim Studium der Kinetik schneller Prozesse von Nachteil sein
kann.

4.1.2 Technische Realisierung


Eine vollständige Beschreibung des Resonanzverhaltens des Quarzsen-
sors ist durch die Erfassung seiner komplexen Impedanz über den re-
levanten Frequenzbereich möglich. Dieser Vorgang wird als Netzwerk-
analyse bezeichnet, da er üblicherweise auf elektronische Schaltungen
– Netzwerke – angewandt wird. Der in diesem Zusammenhang präzi-
sere Ausdruck wäre Vektornetzwerkanalyse, d.h. die Bestimmung der
komplexen Impedanz in Bezug auf Betrag und Phase. Da aber alle mo-
dernen Netzwerkanalysatoren dazu in der Lage sind, ebenso wie die im
Rahmen dieser Arbeit entwickelte Elektronik, werden im Folgenden
die Begriffe Netzwerkanalyse und Vektornetzwerkanalyse äquivalent
gebraucht.
Grundsätzlich stehen für die Impedanzcharakterisierung des DUT zwei
Möglichkeiten zur Verfügung: Reflektions- und Transmissionsmessung.
In beiden Fällen wird das zu untersuchende Netzwerk, bzw. im Falle
der Anwendung als QCM der Quarz, durch den Analysator mit der
entsprechenden Frequenz angeregt und der reflektierte bzw. transmit-
tierte Anteil des anregenden Signals zu diesem in Beziehung gesetzt.
Es ergeben sich hieraus der komplexe Reflektionskoeffizient bzw. die
Übertragungsfunktion des DUT, die idealerweise die gleiche Informa-
76 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

Abbildung 4.1: Anregendes (f ) und


reflektiertes Signal (r) in der komple-
xen Ebene.

tion enthalten.
Abb. 4.1 stellt für eine Reflexionsmessung einen möglichen Zustand des
anregenden (f ) und reflektierten Signals (r) in der komplexen Ebene
zur Zeit t dar. Beide Signale umlaufen den Ursprung mit der Frequenz
ω, jedoch verschoben um die durch die Reflektion hervorgerufenen
Phasendifferenz ∆φ. Da meist nur ein Teil des anregenden Signales
reflektiert wird – Ausnahmen hierzu wären ein offenes Leitungsende
oder ein Kurzschluss – ist die reflektierte Amplitude um ∆A kleiner als
die anregende. Aus den beiden Differenzgrößen ergibt sich der Reflek-
Ar
tionskoeffizient Γ = A f
exp(i∆φ), wobei Af und Ar für die jeweiligen
Amplituden stehen. Γ ist mit der komplexen Impedanz des DUT, ZL ,
über
ZL − Z0
Γ= (4.1)
ZL + Z0
verknüpft. Z0 steht hierbei für die charakteristische Systemimpedanz,
üblicherweise – und auch im vorliegenden Fall – 50 Ω. Die letztendlich
gesuchte Impedanz ZL ergibt sich daraus zu
1+Γ
ZL = Z0 . (4.2)
1−Γ
Für das Verständnis der Funktionsweise der im Folgenden beschriebe-
4.1 Impedanzanalyse 77

nen Elektronik ist zunächst die Betrachtung einiger kritischer Kompo-


nenten notwendig.

• DDS:
Für die Generierung der anregenden bzw. Referenzsignale wurde
ein sogenannter DDS verwendet. Die Abkürzung steht sowohl für
die Art der Signalerzeugung (direct digital synthesis) als auch
für die technische Umsetzung als IC (integrated circuit). DDS
ist aktuell die verbreitetste Methode für die Erzeugung präzise
einstellbarer Frequenzen.
Abb. 4.2 skizziert das Funktionsprinzip eines DDS. Dieser be-

Abbildung 4.2: Funktionsprinzip der direct digital synthesis.

nötigt als Eingangssignale ein sogenanntes Steuerwort (frequen-


cy tuning word, FTW ) und ein periodisches Clock-Signal1 . Bei
jedem Clock-Impuls werden FTW und momentaner Inhalt des
Phasenregisters addiert und das Ergebnis wiederum ins Phasen-
register geschrieben. In der nachgeschalteten Tabelle wird ei-
nem bestimmten Phasenwert dann ein Signalwert zugeordnet,
der über einen DAC (digital-analog converter ) analog ausgege-
ben wird. Die Frequenz des periodischen Ausgangssignals hängt
also vom Wert des FTW in Kombination mit dem system clock -
Signal, die Form vom Inhalt der lookup table ab, z.B. Sinus,
Rechteckfunktion, Dreiecksfunktion o.ä. Hierbei ist zu beachten,
1
Dieses externe Clock-Signal wird intern mit einem einstellbaren Faktor multipli-
ziert, um die tatsächliche DDS-Systemfrequenz oder system clock zu generieren.
78 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

dass Frequenz- und Amplitudengenauigkeit unterschiedlich sind.


Während die Frequenzgenauigkeit durch system clock
2FTW bits
bestimmt ist
und damit typischerweise in der Größenordnung von einigen Tau-
sendsteln Hertz liegt, hängt die Amplitudengenauigkeit von der
Auflösung des DAC ab, bei den meisten DDS 12 oder 14 bit.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde ein Analog Devices
AD9854 Quadratur-DDS verwendet, der die in Abb. 4.2 gezeig-
ten Elemente zweimal enthält und so zwei um π/2 verschobe-
ne Signale erzeugt. Betrieben wurde dieser mit einer System-
frequenz von 200 MHz, was bei einer FTW-Breite von 48 bit zu
einer Frequenzgenauigkeit von

200 MHz
= 7.1 × 10−7 Hz (4.3)
248
führt.
Nach dem Nyquist-Theorem entspricht die größte erzeugbare
Frequenz der halben Systemfrequenz, im vorliegenden Fall also
100 MHz. Entscheidend für die maximale Ausgabefrequenz, aber
auch für die Frequenzstabilität eines DDS ist das Referenzsignal,
die system clock. Eventuelle Schwankungen würden sich in der
Resonanzkurve bemerkbar machen, verstärkt um den internen
Frequenzmultiplikator im DDS. AT-geschnittene, also auf mi-
nimale Temperaturabhängigkeit optimierte Quarze weisen eine
Abhängigkeit von etwa 1 ppm/K auf, was bei einer Temperatur-
instabilität von 0.1 K und einem DDS-Multiplikator von 5 bereits
zu einem Rauschen von 0.5 ppm führen würde. Es ist daher ent-
scheidend, die Temperatur des Mutterquarzes exakt konstant zu
halten. Entsprechend wurde ein Referenzquarz mit integrierter
Temperaturkontrolle verwendet.

• Richtkoppler:
Richtkoppler sind passive Bauelemente, die einen Teil der dar-
in vom Eingang (input) zum Ausgang (transmitted ) laufenden
4.1 Impedanzanalyse 79

hochfrequenten Signale richtungsabhängig auskoppeln. Die ent-


sprechenden Ausgänge werden je nach Laufrichtung der Wel-
le bezeichnet als coupled forward bzw. coupled reverse. Durch
das bekannte statische Verhältnis zwischen transmittierter und
ausgekoppelter Wellenamplitude ermöglichen Richtkoppler eine
richtungsabhängige Messung des transmittierten Signals, ohne
dieses wesentlich zu beeinflussen (von einer geringfügigen Dämp-
fung abgesehen, üblicherweise weniger als −1 dB).

Abbildung 4.3: Schematische


Darstellung eines bidirektionalen
Richtkopplers. Die gestrichelten
Pfeile entsprechen unerwünsch-
ten Signalübertragungswegen, al-
so Auskopplung über den falschen
Koppelausgang. Die entsprechen-
de Größe wird bezeichnet als iso-
lation, sie liegt typischerweise in
der Größenordnung von -30 bis
−50 dB.

Abb. 4.3 zeigt einen bidirektionalen Richtkoppler; ein solcher


zeichnet sich dadurch aus, dass er durch seine beiden gekop-
pelten Ausgänge jeweils eines der in einer der beiden möglichen
Richtungen laufenden Signale teilweise auskoppelt. Im Gegen-
satz dazu existieren auch unidirektionale Richtkoppler, bei denen
einer der beiden gekoppelten Ausgänge durch einen Abschluss-
widerstand fest terminiert ist und der dadurch nur ein zu der
in einer Richtung laufenden Welle proportionales Signal aus-
koppelt.2 Durch die Auskopplung beider gekoppelter Leitungen
2
Wenn die Information über eine Laufrichtung des Signals für die Anwendung aus-
reicht, empfiehlt sich die Benutzung eines unidirektionalen Richtkopplers. Dieser
liefert i.A. ein saubereres Signal als ein bidirektionaler Richtkoppler, weil bei ei-
nem fest verdrahteten Abschluss – wie er an einem der gekoppelten Ausgänge
des unidirektionalen Richtkopplers vorliegt – die Impedanzanpassung sehr viel
80 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

ist ein bidirektionaler Richtkoppler symmetrisch, d.h. input und


transmission bzw. coupled forward und coupled reverse können
vertauscht werden.

Richtkoppler finden vor allem in der Radiotechnik Anwendung,


aber auch in Radaranlagen, wo sie zur Trennung der von der
Antenne gesendeten und empfangenen Signale dienen. Die be-
stimmenden Größen eines Richtkopplers sind definiert über die
Verhältnisse der Leistungen P an den verschiedenen Ausgängen.
Für die realisierte Elektronik wurde ein Minicircuits PDC-10-
1BD+ verwendet, der folgende Kenngrößen aufweist:

Bezeichung Definition   Wert


mainline loss −10 × log10 Ptransmitted
P input
-0.6 dB

coupling forward −10 × log10 PPforward -11.5 dB
 input 
Preverse
coupling reverse −10 × log10 Ptransmitted -11.5 dB
 
Pforward
directivity forward −10 × log10 Ptransmitted -47 bis -32 dB
  (frequenzabh.)
Preverse
directivity reverse −10 × log Pinput -52 bis -41 dB
(frequenzabh.)

• Mischer:

Ein Mischer ist ein aktives elektronisches Bauteil, das zwei Ein-
gangsspannungen multiplikativ verknüpft. Für zwei unterschied-
liche Eingangsfrequenzen ω1 und ω2 mit Phasen φ1 und φ2 ent-
spricht das Ausgangssignal eines idealen Mischers der Überlage-

präziser ist als bei einem aufgesteckten oder angelöteten Abschlusswiderstand,


so dass geringere Reflektionen innerhalb des Richtkopplers auftreten.
4.1 Impedanzanalyse 81

rung aus Summen- und Differenzfrequenz.

cos(ω1 t+φ1 ) cos(ω2 t + φ2 )


1
= cos((ω1 − ω2 )t + φ1 − φ2 )
2 
+ cos((ω1 + ω2 )t + φ1 + φ2 ) (4.4)

Das Ausgangssignal eines realen Mischers enthält darüber hin-


aus zahlreiche andere Frequenzanteile, die aus Kombinationen
der verschiedenen Oberwellen der Eingangssignale hervorgehen.
In der Praxis werden Mischern daher stets entsprechende Band-
pässe nachgeschaltet, um nur den gewünschten Frequenzanteil
passieren zu lassen. Wird hierbei nur der Summenfrequenzanteil
weiterverarbeitet, spricht man von Aufwärtsmischen, im Falle
des Differenzsignals von Abwärtsmischen. Ein Spezialfall des Ab-
wärtsmischens ergibt sich, wenn beide Eingangsfrequenzen gleich
sind. In diesem Falle ist das Ausgangssignal eine Gleichspannung,
die durch die Differenz der beiden Phasen φ1 und φ2 bestimmt
wird.
gefiltert 1
cos(ωt + φ1 ) cos(ωt + φ2 ) = cos(φ1 − φ2 ) (4.5)
2
Für die vorliegende Arbeit wurden Analog Devices AD831-Mi-
scher verwendet. Bei diesen handelt es sich im Wesentlichen um
sogenannte Vier-Quadranten-Steilheitsmischer (vgl. z.B. [68]).
Das Signal eines der Eingänge (local oscillator, LO) wird mittels
eines internen Verstärkers in ein Rechtecksignal umgewandelt,
so dass seine ursprüngliche Amplitude keine Rolle spielt. Das
Ausgangssignal ist daher proportional zur Amplitude des zwei-
ten Eingangs (radio frequency, RF) und enthält Summen- und
Differenzfrequenz der beiden Eingangssignale.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde die Bestimmung der Im-


pedanz wie in Abb. 4.4 dargestellt realisiert. Mittels eines Quadratur-
82 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

Abbildung 4.4: Sche-


matische Darstellung
der Netzwerkanalyse-
basierten Messung in
Reflektion.

DDS werden sowohl das anregende Signal als auch ein um π/2 dazu
phasenverschobenes Signal gleicher Frequenz ω erzeugt. Das Ausgabe-
signal größerer Phase (d.h. das Cosinus-Signal) regt über einen bidirek-
tionalen Richtkoppler den Quarz piezoelektrisch zu Schwingungen an.
Aufgrund der Impedanzfehlanpassung zwischen Ausgang des Richt-
kopplers und Quarz wird ein Teil des anregenden Signals reflektiert.
Ein hierzu proportionaler Anteil wird durch den Reverse-Ausgang des
Richtkopplers ausgekoppelt, ebenso ein dem anregenden Signal propor-
tionaler Anteil durch den Forward-Ausgang. Diesen Ausgängen nach-
geschaltet sind vier analoge Mischer, deren LO-Eingänge mit den zwei
Ausgängen des DDS verbunden sind. Die Mischer multiplizieren also
das den Quarz anregende bzw. das von ihm reflektierte Signal mit zwei
um π/2 phasenverschobenen Signalen gleicher Frequenz, so dass ihre
Ausgangssignale folgende Form haben:

1 
cos(ωt) cos(ωt + φf ) = cos(−φf ) + cos(2ωt + φf ) (4.6)
2
1 
sin(ωt) cos(ωt + φf ) = sin(−φf ) + sin(2ωt + φf ) (4.7)
2
4.1 Impedanzanalyse 83

1 
cos(ωt) cos(ωt + φr ) = cos(−φr ) + cos(2ωt + φr ) (4.8)
2
1 
sin(ωt) cos(ωt + φr ) = sin(−φr ) + cos(2ωt + φr ) (4.9)
2
Hierbei steht φf /r für die Phasen des Forward- bzw. Reversesignals.
Durch die nachgeschalteten Tiefpassfilter werden die Summenfrequen-
zen aus den Signalen entfernt, so dass nur noch die Gleichspannungsan-
teile verbleiben, die proportional cos(φf /r ) bzw. sin(φf /r ) sind. Diese
werden von einem Texas Instruments ADS8361 vier-Kanal-ADC mit
16 bit Auflösung erfasst. Die Absolutwerte der entsprechenden Ampli-
tuden sind auf diese Weise nicht zu bestimmen, was allerdings auch
nicht notwendig ist, da nur der Reflektionsfaktor Γ, dessen Betrag dem
Amplitudenverhältnis entspricht, von Bedeutung ist. Wenn die Kanäle
des ADC als A bis D bezeichnet werden, ergibt sich der Reflektions-
koeffizient aus den gemessenen Größen als
√      
C 2 + D2 D B
Γ= √ exp i arctan − arctan . (4.10)
A2 + B 2 C A

Kalibration/Fehlerkorrektur
Für ein ideales Reflektometer wäre das Problem der Impedanzmes-
sung damit gelöst. Das reale System unterliegt jedoch einer Reihe von
Störeinflüssen, die den Reflektionsfaktor – und damit die Impedanz
– des DUT verfälschen. Wesentliche Verfälschungen entstehen hierbei
durch Reflektionen vor dem bzw. innerhalb des Richtkopplers, durch
die endlichen Kabellängen3 sowie durch parasitäre Kapazitäten im
Signalweg. Abb. 4.5 zeigt ein reales Reflektometer, das ein Signal a
Richtung DUT schickt und ein reflektiertes Signal b empfängt. Auf-
grund der genannten Störeinflüsse entspricht der Quotient b/a jedoch
nicht dem gesuchten Reflektionsfaktor Γ, sondern um eine durch die
3
Dieser Effekt ist im Vergleich zu den anderen Einflüssen gering, da beispielsweise
die Wellenlänge eines 5 MHz-Signales ∼ 60 m beträgt, so dass die Phasenverschie-
bung durch wenige cm Kabel 0.01 π nicht überschreitet.
84 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

Abbildung 4.5: Reales Reflektometer und DUT;


der gemessene Quotient b/a entspricht aufgrund
von Störeinflüssen i. A. nicht dem Reflektionsko-
effizienten Γ des DUT.

tatsächliche Reflektion und die Charakteristika des Signalweges be-


stimmte Größe. Es ist daher notwendig, das System entsprechend zu
kalibrieren, um den wirklichen Reflektionskoeffizienten bestimmen zu
können.
Zu diesem Zweck werden das reale Reflektometer und der Signalweg
modellhaft in ein ideales Reflektometer und eine Fehlergröße aufgeteilt,
die alle systematischen Einflüsse der Messanordnung und des Signal-
weges enthält. Da dieses Element definitionsgemäß zwei Tore hat – es
befindet sich zwischen Reflektometer und DUT, siehe Abb. 4.6 – be-
zeichnet man es als Fehlerzweitor. Sind dessen Eigenschaften bekannt,
kann der gemessene Reflektionskoeffizient in den tatsächlichen umge-
rechnet werden. Die Parameter eines Zweitores bestimmen, wie sich
Wellen bei Transmission oder Reflektion am entsprechenden Element
verändern, sie führen also einen einfallenden in einen transmittierten
bzw. reflektierten Wellenvektor über. Bezeichnet man die zu den To-
ren 1 und 2 des Fehlerelementes hinlaufenden Wellen als a1 und a2 ,
die weglaufenden Wellen als b1 und b2 , so gilt für die Elemente der

Abbildung 4.6: Ideales Reflek-


tometer, Fehlerzweitor und DUT;
mit Hilfe der bekannten Parameter
des Fehlerzweitores wird der ge-
messene Reflektionsfaktor b1 /a1 in
den tatsächlichen a2 /b2 umgerech-
net.
4.1 Impedanzanalyse 85

sogenannten Streumatrix S des Fehlerzweitores


b1 = S11 a1 + S12 a2 (4.11)
b2 = S21 a1 + S22 a2 (4.12)
bzw. in Matrixnotation
    
b1 S11 S12 a1
= oder kürzer b = S a. (4.13)
b2 S21 S22 a2

Am Reflektometer gemessen wird die Größe Γm = b1 /a1 , der Reflekti-


onskoeffizient des DUT ist aber Γr = a2 /b2 . Für die Kalibration wird
also eine Beziehung zwischen den beiden Größen Γm und Γr benötigt.
Aus den Gln. (4.11) und (4.12) ergibt sich unmittelbar
b1 a2
= S11 + S12 (4.14)
a1 a1
b2 a1
= S21 + S22 (4.15)
a2 a2
Gl. (4.15) eingesetzt in Gl. (4.14) führt zu
b1 S12 S21
= S11 + b2 (4.16)
a1 a2 − S22

bzw.
S12 S21 Γr
Γm = S11 + . (4.17)
1 − S22 Γr
Es müssen also nicht alle vier Elemente des Fehlerzweitores bestimmt
werden. Vielmehr genügt es, das Produkt der zwei Transmissionster-
me zu kennen, so dass sich die Anzahl der zu bestimmenden Ele-
mente auf drei reduziert (S11 , S22 und S12 S21 ). Um diese zu finden,
werden drei Kalibrationsmessungen an DUTs mit bekannten Reflexi-
onskoeffizienten durchgeführt. Prinzipiell ist dies mit allen Standards
möglich, in der Praxis werden jedoch meist Kurzschluss (short), of-
fen (open) und Systemimpedanz (load, üblicherweise 50 Ω) verwendet.
86 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

Sowohl Kurzschluss als auch offenes Ende reflektieren das einfallen-


de Signal vollständig, da ein Kurzschluss keine Spannung, ein offenes
Ende keinen Strom führen kann; jedoch findet beim Kurzschluss ein
Phasensprung von π in der Spannung statt. Der Reflektionskoeffizi-
ent des angepassten Widerstandes ist per Definition 0. Damit ergeben
sich die Reflektionskoeffizienten einer short-open-load-Kalibration zu
(−1, 1, 0).4
Für drei bekannte Γr und drei gemessene Γm ergeben sich aus Gl. (4.17)
die drei Gleichungen

S12 S21 Γr1


Γm1 = S11 + (4.18)
1 − S22 Γr1
S12 S21 Γr2
Γm2 = S11 + (4.19)
1 − S22 Γr2
S12 S21 Γr3
Γm3 = S11 + . (4.20)
1 − S22 Γr3

Diese lassen sich auflösen nach den drei Unbekannten

(m2 − m1 )(m3 − m1 )
S11 = m1 − ...
(m2 − m1 )(r3 − r1 )r2
(r2 − r3 )r1
... (4.21)
−(m3 − m1 )(r2 − r1 )r3

4
Da bei passiven Bauteilen der Reflektionskoeffizient beträgsmäßig nicht größer
als 1 sein kann, sind bei einer short-open-load-Kalibration die einzelnen Mess-
punkte möglichst weit voneinander entfernt, so dass der maximal mögliche Be-
reich abgedeckt wird. Eingetragen in einen sogenannten Smith-Chart (das Dia-
gramm, das sich durch die konforme Abbildung w(z) = (z − 1)/(z + 1) der
komplexen Ebene auf sich selbst ergibt) liegen die drei Messpunkte an den re-
ellen Rändern bzw. im Mittelpunkt und decken damit die gesamte reelle Achse
ab. Für eine ausführlichere Behandlung der Problematik wird der Leser auf ent-
sprechende Lehrbücher (z.B. [43, 70]) verwiesen.
4.2 Peripherie 87

(m2 − m1 )(r3 − r1 )
S22 = ...
(m2 − m1 )(r3 − r1 )r2
−(m3 − m1 )(r2 − r1 )
... (4.22)
−(m3 − m1 )(r2 − r1 )r3
(m2 − m1 )(m3 − m1 )(m2 − m3 )
S12 S21 = ...
((m2 − m1 )(r3 − r1 )r2
(r2 − r1 )(r3 − r1 )(r2 − r3 )
... , (4.23)
−(m3 − m1 )(r2 − r1 )r3 )2
wobei zur Verkürzung der Darstellung mn = Γmn und rn = Γrn einge-
führt wurden. Sind die Elemente der Fehlermatrix bekannt, kann der
gemessene Reflektionskoeffizient durch Umstellen von Gl. (4.17) in den
tatsächlichen umgerechnet werden.
Γm − S11
Γr = (4.24)
S12 S21 + S22 (Γm − S11 )
Durch Gl. (4.2) ergibt sich aus dem tatsächlichen Reflektionskoeffi-
zienten die Impedanz des Quarzes. Entsprechende Messungen wur-
den in Schritten von typischerweise 100 Hz um die Resonanzen herum
durchgeführt. Prinzipiell müsste für jede einzelne Frequenz eine eige-
ne Kalibration durchgeführt werden. Da die Frequenzabhängigkeit der
Fehlerelemente jedoch schwach ist, und eine unabhängige Kalibrati-
on für jede einzelne Frequenz eine Quelle für zusätzliches Rauschen
des Signals darstellt, wurde für jede vermessene Oberwelle nur einmal
kalibriert.

4.2 Peripherie
QCM-Messsysteme zeichnen sich vor allem durch ihre überragende
Empfindlichkeit aus, durch die Masseanlagerungen bis zu wenigen
ng/cm2 nachgewiesen werden können. Durch diese Empfindlichkeit ge-
staltet sich jedoch der Entwurf und Aufbau einer Messzelle als proble-
matisch, da diese alle unerwünschten Umwelteinflüsse möglichst aus-
schließen soll, ohne dabei die Resonanzcharakteristik des Sensors zu
88 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

beeinflussen. Im Wesentlichen lassen sich folgende Anforderungen an


die Peripherie einer Flüssigkeits-QCM formulieren:
• Verspannungsfreier Einbau des Quarzes
Unterliegt der Sensorquarz Verspannungen – insbesondere late-
ralen –, verschieben sich die Positionen der Resonanzen und ins-
besondere nimmt die Kopplung mit unerwünschten Moden zu,
was zu einer erheblichen Verschlechterung des Signals führt. Da-
neben ist besonders eine zeitveränderliche Verspannung zu ver-
meiden, da eine hierdurch hervorgerufene Resonanzverschiebung
nicht von einer durch Interaktion mit dem Medium hervorgeru-
fenen zu unterscheiden ist. Im besten Fall führt eine Verspan-
nungsänderung, etwa eine langsame Relaxation von Dichtungs-
materialien, zu einem kontinuierlichen Drift.
• Konstante Druckverhältnisse
Das Vorhandensein von flüssigem Medium auf der einen Seite des
Quarzes und von Luft auf der anderen begrenzt alleine schon die
Umsetzbarkeit der ersten Anforderung. Die Förderung von Me-
dium durch eine Flusszelle mit begrenztem Volumen erfordert
selbst bei geringen Flüssen einen gewissen Druck, der auf der
Quarzrückseite nicht anliegt. Um die daraus resultierenden Ver-
spannungen konstant zu halten, ist eine möglichst pulsationsfreie
Förderung des fließenden Mediums erforderlich.
• Konstante Temperatur
Die Temperaturabhängigkeit AT-geschnittener Quarze beträgt
etwa 1 ppm/K. In Kontakt mit Flüssigkeiten ist die gemessene
Frequenzverschiebung jedoch i.A. erheblich größer, da auch de-

ren Viskosität ρ temperaturabhängig ist und diese Größe mit ρ
in die Resonanzfrequenz eingeht.
• Dichtigkeit
Ein offensichtlicher Punkt, der jedoch in der Praxis mit der For-
derung nach einem verspannungsfreien Einbau des Quarzes kol-
lidieren kann.
4.2 Peripherie 89

• Resistenz gegen aggressive Medien


Aufgrund der Empfindlichkeit einer QCM können sich eventu-
ell aus Polymeren gelöste Weichmacher o.ä. im Sensorsignal be-
merkbar machen. Dies stellt v.a. im Umgang mit alkoholischen
Medien ein Problem dar, da diese die meisten Polymere angrei-
fen, was zu einer sehr begrenzten Auswahl an Schlauch- oder
Dichtringmaterialien führt.

Die genannten Anforderungen lassen sich nicht alle gleichzeitig erfül-


len. Beispielsweise bestehen chemikalienresistente Polymere, die sich
als Dichtung eignen, meistens aus Teflon oder sind zumindest teflon-
ähnlich. Dies hat eine hohe Steifigkeit zur Folge, was wiederum ihre
Fähigkeit begrenzt, durch die Einspannung auftretenden Druck zu ver-
teilen. Einerseits muss das Flüssigkeitsvolumen in der Zelle möglichst
schnell gewechselt werden, um eine Änderung des Messsignals mit einer
veränderten Zusammensetzung des fließenden Mediums korrelieren zu
können, andererseits macht sich die Pulsation der Pumpe mit steigen-
der Flussgeschwindigkeit immer stärker bemerkbar. Es lässt sich also
nicht vermeiden, bezüglich der Gestaltung der Messperipherie Kom-
promisse einzugehen.

4.2.1 Peripherie
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde die Peripherie wie in
Abb. 4.7 dargestellt realisiert. Aus dem Reservoir wird das zu unter-
suchende Medium von einer peristaltischen Pumpe durch die Fluss-
zelle gepumpt und anschließend verworfen. Bei der Pumpe handelt
es sich um eine Ismatec IPC-8, die, bestimmt durch Drehzahl und
Schlauchdurchmesser, Flussraten von 0.002 bis 44 ml/min ermöglicht.
Als Schlauchmaterial wurde Tygon MH 2075 gewählt, ein weichmach-
erfreier Thermoplast, der sich besonders durch seine hohe Resistenz
gegen Lösungsmittel und seine glatten Innenwände auszeichnet. Der
Schlauchdurchmesser beträgt 1.02 mm, was zu möglichen Fließraten
von 0.057 bis 5.7 ml/min führt.
90 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

Abbildung 4.7: Schematische Darstellung der Messperipherie.

Um eine möglichst konstante Temperierung der Flusszelle zu ermögli-


chen, befindet sich diese großflächig in Kontakt mit einer thermischen
Masse, bestehend aus einem mit Kanälen versehenen Kunststoffblock
und einer 5 mm dicken Kupferplatte. Mit einem Thermostaten wird
Wasser durch die Kanäle des Polymerblocks gepumpt und so die Tem-
peratur der Kupferplatte kontrolliert. Aufgrund ihrer hohen thermi-
schen Leitfähigkeit fängt diese umgebungsbedingte Schwankungen in
der Temperatur der Flusszelle auf.

4.2.2 Flusszelle
Der Aufbau der Flusszelle ist verschiedenen Faktoren geschuldet, die
für eine QCM entscheidend sind. Diese sind in erster Linie der weitest-
gehend verspannungsfreie Einbau des Quarzes und chemische Inertheit
der verwendeten Materialien. Bezüglich Letzterem wäre i.A. eine Zelle
ideal, die ausschließlich aus Teflon besteht. Da diese aber unter einem
bestimmten Druck zusammengebaut werden muss, um dicht zu sein,
können sich die Fließeigenschaften von Teflon als langsamer Drift im
Quarzsignal bemerkbar machen. Es wurde daher ein Deckel realisiert,
in dem ein Tefloneinsatz durch zwei Platten aus Edelstahl verpresst
wird (Abb. 4.8). Dieser Deckel presst den Sensorquarz auf die Elek-
4.2 Peripherie 91

troden der darunter befindlichen Platine. Bis auf einen dünnen Rand
besteht damit die Oberseite der eigentlichen Zelle aus Teflon, gehal-
ten wird der Quarz aber von oben durch einen Edelstahlring (abge-
dichtet durch eine 0.1 mm dicke Kupferfolie), und von unten durch
die Elektroden der für die elektrische Kontaktierung genutzten Plati-
ne.
Auf diese Weise ergibt sich eine zylindrische Zelle mit einem Durch-
messer von 11 mm und einer Höhe von 0.6 mm, was einem Volumen von
etwa 60 µl entspricht. Wie erwähnt beträgt der Schlauchdurchmesser
1.02 mm. Da insgesamt etwa 50 cm Schlauch verwendet werden, ergibt
sich daraus ein Schlauchvolumen von etwa 400 µl, so dass das gesamte
System etwa 460 µl Medium fasst. Bei einer typischen Flussrate von
200 µl/min bedeutet dies, dass ein Volumenelement des Mediums etwa
2.3 min durch das System strömt.

Abbildung 4.8:
Schematische Darstel-
lung der Flusszelle
betrachtet von der
Seite, die mit Medium
gefüllten Bereiche sind
grau hervorgehoben
(oben); Sicht von oben
auf die Kontaktplatine
(unten).
92 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

4.3 Charakterisierung der


Impedanzmessung
Um die prinzipielle Funktionsfähigkeit und die Genauigkeit des in
Kap. 4.1.2 beschriebenen Netzwerkanalyse-Aufbaus zu verifizieren, wur-
den Testmessungen an Systemen mit bekannten Eigenschaften durch-
geführt. Hierzu wurden sowohl ohmsche Widerstände als auch Netz-
werke aus Induktivitäten und Kapazitäten vermessen. Die folgenden
Abschnitte vergleichen tatsächliche und gemessene Werte und disku-
tieren die Unterschiede. Soweit nicht anderweitig beschrieben, wurde
das in Kap. 4.1.2 ausgeführte Kalibrationsverfahren angewandt.

4.3.1 Vermessung von ohmschen


Widerständen
Das einfachst mögliche DUT ist ein prinzipiell frequenzunabhängiger
ohmscher Widerstand, dessen Impedanz bei allen Frequenzen rein re-
sistiv ist. Da die Quarzimpedanz typischerweise zwischen etwa 10 und
mehreren tausend Ω liegt, wurde eine Reihe von Messungen an Wider-
ständen zwischen 10 und 10000 Ω durchgeführt. Abb. 4.9 zeigt die Er-
gebnisse. Aus den gemessenen Daten lassen sich verschiedene Schluss-
folgerungen ziehen. Bei allen Frequenzen wird der 50.4 Ω-Widerstand
zu genau 50 Ω bestimmt. Dies ist ein Resultat der Tatsache, dass der
selbe Widerstand zur Kalibration herangezogen und seine Impedanz
hierbei als exakt 50 Ω interpretiert wurde. Obwohl hierdurch keine wei-
teren Erkenntnisse gewonnen werden können, zeigt der Befund doch
zumindest, dass das Kalibrierverfahren dahingehend erfolgreich ist, die
eigenen Standards präzise zu reproduzieren.
Bei den Widerständen ab 507 Ω fällt mit zunehmender Frequenz die
gemessene Impedanz deutlich ab. Dies ist begründet in der Bauart
der Widerstände, die stets auch einen parasitären kapazitiven Anteil
enthalten. Aus der Geometrie der Widerstandsanordnung lässt sich
eine Kapazität von mehreren 10 pF abschätzen, was zu einer Impedanz
von wenigen 10 kΩ/n führt, wobei n für die Oberwelle (1, 3, 5,...)
4.3 Charakterisierung der Impedanzmessung 93

2400 10020 Ohm

4980 Ohm

2000 1075 Ohm

507 Ohm

1600 107 Ohm


Abbildung 4.9:
50.4 Ohm
abs (Z) [Ohm]

11.1 Ohm Gemessene Impe-


1200
danzen verschiedener
800 ohmscher Widerstän-
de (siehe Legende)
400 aufgetragen über der
0
Messfrequenz.

0 10 20 30 40 50 60 70 80
frequency [MHz]

steht. Diese Impedanz liegt parallel zu der zu vermessenden Impedanz


der ohmschen Widerstände, so dass mit zunehmender Frequenz und
zunehmender Impedanz der Widerstände die gemessenen Ergebnisse
immer weiter von den tatsächlichen Werten abweichen. Bei ausreichend
großen Widerständen und/oder ausreichend hohen Frequenzen spielt
der Wert des Widerstandes keine Rolle mehr, da die Impedanz der
parasitären Kapazität sehr viel kleiner ist.
Wo die parasitären Effekte keine Rolle spielen, gibt die realisierte Elek-
tronik die Impedanzen der DUTs präzise wieder. Insbesondere im Be-
reich zwischen 50 und 100 Ω, der einen maßgeblichen Teil der Serien-
resonanz ausmacht, liegen die Abweichungen der gemessenen von den
tatsächlichen Impedanzwerten unter 5 %. Andererseits stellt die Fre-
quenzabhängigkeit ohmscher Widerstände auch ein Problem für die
Kalibrierung dar, da einer der Kalibrierstandards ein Widerstand sein
muss (vgl. Kap. 4.1.2). Dieses Problem ließe sich durch die Verwendung
von speziell für die Kalibration von Netzwerkanalysatoren hergestell-
ten Präzisionsstandards beheben. Allerdings sind diese sehr teuer bzw.
aufwändig zu realisieren, so dass im Rahmen der vorliegenden Arbeit
darauf verzichtet wurde.
94 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

4.3.2 Vermessung von LC-Kreisen


Wie in Kap. 3.4.5 dargelegt, lässt sich das Impedanzverhalten eines
Quarzoszillators mit Hilfe des Butterworth-van Dyke-Ersatzschaltbil-
des als Kombination aus R-, L- und C-Gliedern beschreiben (Abb. 3.5).
Ein Fit der Messdaten an ein entsprechendes Modell ermöglicht die Be-
stimmung der Parameter des Ersatzschaltbildes, aus denen sich über
die Identifikation der Lage und Breite der Resonanz hinausgehende
Rückschlüsse auf das schwingende System ziehen lassen (vgl. Kap. 4.4).
Neben der Frage der Gültigkeit des Ersatzschaltbildes ist dabei die
der Rekonstruierbarkeit der elektrischen Größen aus den Messdaten
entscheidend. Um diese Rekonstruktionsfähigkeit zu validieren, wur-
den verschiedene bekannte LC-Schwingkreise vermessen, entsprechen-
de Modelle an die Messdaten gefittet und die so bestimmten mit den
tatsächlichen Bauteilparametern verglichen. Um Resonanzen in einem
mit der Quarzresonanz vergleichbaren Bereich zu erhalten, wurden Ka-
pazität und Induktivität
√ so gewählt, dass sich eine Resonanzfrequenz
von fr = 1/(2π LC) = 5.56 MHz ergab.
Der einfachst mögliche Schwingkreis besteht aus einer Induktivität in
Serie mit einer Kapazität, wie er in Abb. 4.10 (links) dargestellt ist.
Die Impedanz dieser Anordnung entspricht
 
1 ω 2 LC − 1
Z = i ωL − =i , (4.25)
ωC ωC
woraus unmittelbar das Verschwinden der Impedanz an der Stelle der
Resonanz, also ω 2 = ωr2 = 1/LC, folgt. Abb. 4.11 stellt den aus den
angegebenen Bauteilparametern bestimmten theoretischen Verlauf des

Abbildung 4.10: Vermessener LC-Serienschwingkreis (links), gefittetes ver-


lustbehaftetes Modell (rechts). Rint steht für den intrinsischen Widerstand
der Kabel und der Spule.
4.3 Charakterisierung der Impedanzmessung 95
abs (Z) [Ohm]

10

2 4 6 8 10 12
abs (Z) [Ohm]

10

2 4 6 8 10 12
100
arg (Z) [deg]

50
0
-50
-100

2 4 6 8 10 12

frequency [MHz]

Abbildung 4.11: Betrag und Phase der Impedanz des LC-Serienschwing-


kreises: Berechneter Verlauf des Betrages (oben), gemessener Betrag (Mitte)
und gemessene Phase (unten).

Impedanzbetrages den gemessenen Größen gegenüber. Theoretischer


und gemessener Impedanzbetrag unterscheiden sich offenbar darin,
dass bei der gemessenen Größe die Impedanz am Ort der Resonanz
nicht völlig verschwindet. Dies liegt darin begründet, dass der ver-
messene im Gegensatz zum idealen Schwingkreis verlustbehaftet ist
– neben den Kabeln weist vor allem die Spule einen endlichen Wi-
derstand auf. Daher wurde nicht das ideale Modell (Abb. 4.10 links),
sondern ein reales verlustbehaftetes Modell (Abb. 4.10 rechts) an die
Messdaten gefittet.
In Abb. 4.11 nicht dargestellt ist der triviale theoretische Phasenver-
lauf. Dieser entspricht einer Stufenfunktion, die am Ort der Resonanz
von −π auf +π springt, wo kapazitives in induktives Verhalten über-
96 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

geht. Alle Ergebnisse sind am Ende dieses Abschnitts in Tab. 4.1 zu-
sammengefasst.
Ein LC-Parallelschwingkreis (Abb. 4.12 links) weist im Gegensatz zum
Serienkreis am Ort der Resonanz eine unendliche Resonanz auf, da
seine Impedanz folgende Gestalt hat:
 −1
1 ωL
Z = i ωC + =i (4.26)
i ωL 1 − ω 2 LC

Der berechnete Verlauf des entsprechenden Impedanzbetrages wird


in Abb. 4.13 (oben) mit der gemessenen Impedanz (Mitte und un-
ten) verglichen. Wie im vorherigen Beispiel unterscheiden sich die

Abbildung 4.12: Vermessener LC-Parallelschwingkreis (links), gefittetes


verlustbehaftetes Modell (rechts).

Impedanzkurven aufgrund der Verluste im realen Schwingkreis. Ent-


sprechend wurde auch in diesem Fall ein verlustbehaftetes Modell
(Abb. 4.12 rechts) an die Messdaten gefittet. Die Ergebnisse finden
sich in Tab. 4.1.
Geringfügig komplizierter wird das Modell, wenn ein ohmscher Wi-
derstand in Reihe mit dem Parallelschwingkreis betrachtet wird, wie
in Abb. 4.14 (links) dargestellt. Widerstand und Parallelkreis wirken
in diesem Fall als frequenzabhängiger Spannungsteiler, in dem die Ei-
genschaften des Schwingkreises nur in der unmittelbaren Umgebung
der Resonanz maßgeblich sind. Dafür muss der Widerstand in einer
ähnlichen Größenordnung wie der Parallelschwingkreis liegen, weshalb
hierfür 51 Ω gewählt wurden. Die Impedanz der Anordnung beträgt
4.3 Charakterisierung der Impedanzmessung 97
abs (Z) [Ohm]

10

1
2 4 6 8 10 12
abs (Z) [Ohm]

10

100 2 4 6 8 10 12
arg (Z) [deg]

50

-50

-100
2 4 6 8 10 12

frequency [MHz]

Abbildung 4.13: Betrag und Phase der Impedanz des LC-Parallelschwing-


kreises: Berechneter Verlauf des Betrages (oben), gemessener Betrag (Mitte)
und gemessene Phase (unten).

dann
ωL
Z =R+i , (4.27)
1 − ω 2 LC

wird also am Ort der Resonanz unendlich. Da in diesem Fall der be-
rechnete Phasenverlauf der Impedanz nicht trivial ist, stellt Abb. 4.15
sowohl berechneten und gemessenen Verlauf des Betrages als auch
der Phase der Impedanz einander gegenüber. Obwohl die betrachtete
Anordnung explizit eine Verlustquelle enthält, unterscheiden sich be-
rechnete und gemessene Impedanz deutlich. Die Ursache hierfür liegt
an dem immer noch als verlustfrei betrachteten Schwingkreis, dessen
Impedanz bei der Resonanz unendlich wird. Entsprechend war auch
98 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

Abbildung 4.14: Vermessener LC-Parallelschwingkreis in Serie mit einem


ohmschen Widerstand (links), gefittetes verlustbehaftetes Modell (rechts).

70

10

65
abs (Z) [Ohm]

5
arg (Z) [deg]

60
0

55
-5

50 -10

2 4 6 8 10 12 2 4 6 8 10 12
70 frequency [MHz] frequency [MHz]

10

65
abs (Z) [Ohm]

5
arg (Z) [deg]

60
0

55
-5

50 -10

2 4 6 8 10 12 2 4 6 8 10 12
frequency [MHz] frequency [MHz]

Abbildung 4.15: Betrag und Phase der Impedanz des LC-Parallelschwing-


kreises in Serie mit einem Widerstand: Berechneter Verlauf des Betrages
(oben links) und der Phase (oben rechts), gemessener Betrag (unten links)
und gemessene Phase (unten rechts).

hier der Fit an ein entsprechend verlustbehaftetes Modell notwendig


(Abb. 4.14 rechts).
Tab. 4.1 listet die Sollwerte der Elemente der vermessenen Schwing-
4.3 Charakterisierung der Impedanzmessung 99

Kreis R [Ω] L [nH] C [nF] Rint [Ω]


Sollwert 51 82 10 -
LCs - 91.38 8.673 0.2146
- (+11.4 %) (-13.3 %) -
LCp - 71.06 9.671 0.4401
- (-13.3 %) (-3.3 %) -
RsLCp 50.26 77.59 9.032 0.4738
(-1.5 %) (-5.4 %) (-9.7 %) -

Tabelle 4.1: Sollwerte und durch Fit bestimmte Parameter der Elemente
der vermessenen Schwingkreise; LCs: Induktivität und Kapazität in Serie;
LCp: Induktivität und Kapazität parallel; RsLCp: Induktivität und Kapazi-
tät parallel, in Serie mit einem ohmschen Widerstand.

kreise sowie die aus den jeweiligen Fits bestimmten Werte auf. Obwohl
Induktivität und Kapazität bezüglich ihrer Beträge austauschbar sind,
unterscheiden sich die entsprechenden gefitteten Größen um maximal
13.3 % von ihrem Sollwert. Da jede Kombination mit identischem Pro-
dukt beider Größen zum gleichen Resultat geführt hätte, liegt die Ur-
sache für die geringen Abweichungen vom Sollwert in den entsprechend
gewählten Startwerten. Anders ausgedrückt ist nur das Produkt der
gefitteten Induktivität und Kapazität physikalisch aussagekräftig, da
es die Lage der Resonanz wiedergibt. Sollen beide Parameter unab-
hängig voneinander ausgewertet werden, muss einer der beiden an-
derweitig bestimmt werden (vgl. Kap. 4.4). Bezogen auf das Produkt
beider Größen liegen die Abweichung von den Sollwerten innerhalb
der vom Hersteller angegebenen Toleranzen der verwendeten Bauteile
(±10 %).
Sehr genau konnte dagegen der Wert des verwendeten Widerstandes
bestimmt werden, der in eindeutiger Weise in den numerischen Fit
eingeht. Insgesamt ist die entwickelte Elektronik also in der Lage, die
Parameter des gefitteten Modells bis auf wenige Prozent genau zu
erfassen.
100 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

Abbildung 4.16: Trans-


versale Auslenkung eines
Schwingquarzes, unbe-
laden (links) und mit
adsorbierter Fremdschicht
(rechts).

4.3.3 Wägeempfindlichkeit
Je nach zu untersuchendem System können die Ausgabeparameter ei-
ner QCM unterschiedlich interpretiert werden. Zur Extraktion der Pa-
rameter viskoelastischer Schichten können z.B. obertonabhängig die
Verschiebung der Resonanzfrequenz und -breite ausgewertet werden
[35, 36]. Daneben existiert eine Vielzahl von Auswerteverfahren, die
auf dem Fit unterschiedlicher Ersatzschaltbilder bzw. aus solchen be-
stimmten Ausdrücken beruhen (z.B. [19, 30, 50]). Die erste und ein-
fachste Methode für die Interpretation von QCM-Daten wurde jedoch
bereits 1959 von Günther Sauerbrey veröffentlicht [61]. Die Abschät-
zung der Wägeempfindlichkeit der entwickelten QCM folgt dem von
ihm entwickelten Modell, das im Folgenden kurz skizziert wird.
Die Resonanzschwingung eines AT-geschnittenen Quarzsensors ent-
spricht einer stehenden Transversalwelle mit Ausbreitungsrichtung
senkrecht zu den Quarzflächen. Damit sich eine stehende Welle
ausbildet, muss die Dicke des Schwingquarzes einer halben Wel-
lenlänge entsprechen.5 Die Quarzauslenkung der Grundwelle ist in
Abb. 4.16 (links) dargestellt. Daraus ergibt sich die Eigenfrequenz f
zu
v
f= , (4.28)
2d
wobei v der Schallgeschwindigkeit (bei AT-Quarzen 3320 m/s) und
5
Oder einem Vielfachen davon, wobei nur ungeradzahlige Vielfache elektrisch an-
geregt werden können. Bei einer bezüglich der Quarzmitte spiegelsymmetrischen
Auslenkung beträgt die Potentialdifferenz zwischen Ober- und Unterseite 0.
4.3 Charakterisierung der Impedanzmessung 101

d der Dicke des Resonators entspricht (im Falle eines 5 MHz-Quar-


zes 0.332 mm). Bei realen Systemen gilt dieser idealisierte Zusammen-
hang aufgrund von Randeffekten nicht exakt – allerdings beträgt die
entsprechende Abweichung für ein Verhältnis Durchmesser/Dicke von
mehr als 20 (was bei den verwendeten 14 mm-Quarzen deutlich erfüllt
ist) weniger als 1 % [10], so dass er im Rahmen der hier präsentierten
Abschätzung vernachlässigt wird.
Die stehende Welle weist in der Mitte des Quarzes einen Knoten, an
den Flächen Bäuche auf. Dementsprechend ist an den Grenzflächen
zwar die Auslenkung maximal, die Ableitung der Auslenkung aber
minimal, so dass nur die Masse, nicht aber die viskoelastischen Eigen-
schaften einer hinreichend dünnen und starren adsorbierten Schicht
die Quarzresonanz beeinflussen. Aufgrund der Vernachlässigung visko-
elastischer Eigenschaften wirkt eine den genannten Einschränkungen
unterworfene Fremdschicht also genauso wie eine Quarzschicht gleicher
Masse.
Mit den in Abb. 4.16 eingeführten Maßen ergibt sich für die Frequenz-
verschiebung aufgrund einer Änderung der Quarzdicke
∆f 1/d1 − 1/d2 (d2 − d1 )d1 ∆d ∆d
= = =− ≈− . (4.29)
f 1/d1 d1 d2 d2 d1
Die gleiche Verschiebung ergibt sich aufgrund der Adsorption einer
Fremdschicht identischer Masse.
∆f ∆d ∆mQ ∆m
=− =− =− , (4.30)
f d ρQ Sd ρQ Ad
wobei der Index Q den Quarz betreffende Größen und S die Fläche
bezeichnen. Daraus folgt unmittelbar die sogenannte Sauerbrey-Glei-
chung
f ∆m 2f 2 ∆m ∆m
∆f = − =− = −Cf , (4.31)
ρQ d S ρQ v S S
die den bekannten linearen Zusammenhang zwischen Frequenzände-
rung und Massendichte herstellt. Alle Konstanten des Quarzes sind
102 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

in der Schichtwägeempfindlichkeit Cf zusammengefasst, die für die


Grundfrequenz eines 5 MHz-Quarzes 5.68 × 107 g/cm Hz
2 beträgt. Die-

se Größe hängt insbesondere quadratisch von der Grundfrequenz des


Quarzsensors ab, so dass bezogen auf die Empfindlichkeit Quarze mit
höheren Frequenzen überlegen sind. Allerdings sind bereits 5 MHz-
Quarze mit einer Dicke von etwa einem Drittel Millimeter sehr fragil,
so dass sich die Verwendung höherresonanter Sensoren als solcher mit
einer Grundfrequenz von 10 MHz in der Praxis als schwierig gestal-
tet.
Die für die Grundwelle angestellten Überlegungen sind im Wesentli-
chen auf die Oberwellen übertragbar. Die Entsprechung von Gl. (4.28)
für die n-te Oberwelle lautet
nv
fn = , (4.32)
2d
so dass sich für die Frequenzverschiebung
∆m
∆fn = −nCf (4.33)
S
ergibt. Die Schichtwägeempfindlichkeit nimmt also linear mit der Ober-
welle zu.
Da die Schichtwägeempfindlichkeit die Kopplungskonstante zwischen
Massendichte und Frequenzänderung darstellt, kann mit ihrer Hilfe ei-
ne Frequenzauflösung in eine Massenauflösung überführt werden. Da-
bei ist weniger der kleinste einstellbare Frequenzschritt einer QCM
entscheidend, sondern vielmehr die Frequenzstabilität. Um diese zu
bestimmen, wurde die Standardabweichung einer Messreihe von je-
weils 10 min Dauer ermittelt und in eine Massendichtenabweichung
umgerechnet. Tab. 4.2 fasst entsprechende Werte, die für einen typi-
schen Quarz erhalten wurden, zusammen. Alle Werte beziehen sich
auf einen spezifischen Quarz, jedoch sind verschiedene Beobachtungen
auf alle vermessenen Quarze übertragbar. Die Schichtwägeempfind-
lichkeit steigt linear mit dem Oberton an. Obwohl die Ungenauigkeit
der Frequenzbestimmung aufgrund des schlechteren Signal-zu-Rausch-
4.3 Charakterisierung der Impedanzmessung 103

Verhältnisses bei höheren Oberwellen ebenfalls steigt, gibt es keinen


klaren Trend für die nominelle Masseauflösung. Einen erheblich grö-
ßeren Einfluss haben Faktoren, die nur für eine einzelne Messung bzw.
einen einzelnen Quarz charakteristisch sind: Diese sind zum einen die
Qualität der Kalibration, die aufgrund der nicht idealen Standards
Schwankungen unterlag (vgl. Kap. 4.1.2), zum anderen Nebenmoden,
die je nach Quarz unterschiedlich häufig und unterschiedlich nahe an
den Hauptresonanzen auftreten. Abb. 4.17 illustriert dies anhand der
13. Oberwelle eines typischen Quarzes. Neben der eigentlichen Reso-
nanz sind bei höheren Frequenzen noch zwei Nebenmoden zu sehen,
die beim trockenen Quarz (schwarze Linie) keinen Einfluss auf die
Messung haben, in Wasser aber den Antiresonanzpeak verzerren (rote
Linie).
Insgesamt führen diese Faktoren dazu, dass je nach Quarz und Einbau
unterschiedliche Oberwellen gute oder schlechte Resultate erbringen.
Die Entscheidung, welche Obertöne jeweils für eine Auswertung heran-
gezogen wurden, musste also bei den folgenden Messungen individuell
getroffen werden. Obwohl bei der Grundwelle das Signal-zu-Rausch-

trocken H2 O
Ober- n
h Cf i ∆f ∆m/S ∆f ∆m/S
welle Hz
ng/cm2
[Hz] [ng/cm2 ] [Hz] [ng/cm2 ]
1 0.056 3.97 71.0 6.19 110
3 0.168 0.274 1.63 14.8 88.6
5 0.279 0.720 2.58 7.75 27.8
7 0.391 1.20 3.08 25.7 65.7
9 0.503 43.1 85.7 47.7 95.0
11 0.615 21.8 35.5 43.4 70.7
13 0.726 15.1 20.8 56.4 77.7
15 0.838 5.40 6.44 185 220

Tabelle 4.2: Schichtwägeempfindlichkeit, Frequenzstandardabweichung und


Auflösung der Massebelegung für einen Sensorquarz an Luft und in Wasser.
104 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

Verhältnis am besten ist, sind die in der Tabelle dargestellten Daten


dahingehend für alle vermessenen Quarze typisch, dass die Grundwelle
keineswegs immer das beste Signal liefert. Drei Ursachen bieten sich
hierfür an. Zum einen kann bei niedrigen Frequenzen die Impedanz
des Quarzes so klein werden, dass der anregende DDS die notwendi-
ge Leistung nicht mehr stabil erbringen kann. Zum zweiten wird die
Amplitude der Auslenkung mit steigender Oberwelle immer kleiner.
Sollte also das anregende Signal zu einer die Stabilität beeinträch-
tigenden Erwärmung des Quarzes [52] geführt oder gar das elastische
Limit überschritten haben, wäre die Wahrscheinlichkeit hierfür bei der
Grundwelle am größten. Schließlich ist die Beschränkung der Auslen-
kungsamplitude auf die Quarzmitte bei niedrigen Oberwellen ineffizi-
ent,6 so dass bei der Grundwelle eventuelle negative Effekte durch die
Einspannung am meisten ins Gewicht fallen [34].
Ebenfalls typisch für alle vermessenen Quarze ist die Beobachtung,
dass in Wasser – ebenso in allen anderen vermessenen Flüssigkei-
ten (Ethanol, Ethanol-Wasser, Glycerin-Wasser) – die Stabilität der
Messung deutlich kleiner ist als an Luft. Dies ist ein Resultat der
erheblich größeren Dämpfung in flüssigen Medien, die zum einen zu
einer Verbreiterung der Resonanzstruktur, zum anderen aber auch zu
einem schlechteren Signal-zu-Rausch-Verhältnis führt. Abb. 4.17 il-
lustriert dies anhand eines Vergleichs zwischen den Resonanzen der
13. Oberwelle eines an Luft bzw. mit einer Seite in Kontakt mit Was-
ser befindlichen Quarzes.
Neben diesen Punkten, die die Erfassung der Impedanz erschweren,
führt die durch die Dämpung reduzierte Phasensteilheit zu einer tat-

6
Der entsprechende Effekt ist bekannt als energy trapping und beruht auf der
Tatsache, dass die Resonanzfrequenz des Quarzresonators durch die kombinierte
Dicke von Quarz und Elektroden bestimmt ist. Außerhalb der Elektroden ist
die Dicke geringer, so dass die Schwingungsamplitude dort sehr stark bedämpft
ist. Der Quarz funktioniert also wie eine Linse, die die Energie auf das Zentrum
fokussiert. Mit steigender Oberwelle wird das Verhältnis von Elektrodendicke zu
Wellenlänge immer größer, und das Phänomen des energy trapping dementspre-
chend ausgeprägter.
4.3 Charakterisierung der Impedanzmessung 105

260 214

air

250 water 212

240
210
]
abs (Z) [

230
208

220
206

210

204

200

202

64.500 64.525 64.550 64.575 64.600

frequency [MHz]

Abbildung 4.17: Typischer Impedanzverlauf (Betrag und Phase) eines


Quarzes in der Flusszelle, an Luft (schwarz) und in Kontakt mit Wasser
(rot). Dargestellt ist die 13. Oberwelle. Während im trockenen Zustand die
Nebenmoden keinen störenden Einfluss haben, beinflussen sie die Resonanz
in Wasser aufgrund der Verbreiterung der einzelnen Peaks.

sächlichen Verringerung der Stabilität der Oszillation (vgl. Kap. 5.1.3,


speziell Abb. 5.4). Dies bedeutet, durch die höhere Energieauskopplung
in Flüssigkeiten wird zum einen die Stabilität der Impedanz reduziert
und zum anderen ihre Erfassung erschwert. Beides führt zu einer ge-
ringeren Masseauflösung der QCM.

Stabilität des Dämpfungsparameters


Neben der Resonanzfrequenz ist gerade bei Flüssigkeits-QCM der Pa-
rameter von Bedeutung, der die Dämpfung beschreibt. Bei der Im-
pedanzanalyse kommen hierfür zwei Parameter in Frage. Zum einen
ist dies die Halbbreite auf halber Höhe des Impedanzpeaks, Γ. Die-
ser Parameter wird besonders im Rahmen der sogenannten small load
106 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

approximation (SLA)7 zum Modelling viskoelastischer Eigenschaften


herangezogen [34, 35, 36].
Daneben bietet sich für die Charakterisierung der Dämpfung der durch
einen Fit des Butterworth-van Dyke-Ersatzschaltbildes bestimmte Pa-
rameter Rm an. Dieser beschreibt den ohmschen Anteil der Quarzim-
pedanz und ist physikalisch mit der ausgekoppelten Energie assoziiert.
Tab. 4.3 fasst die über 10 min gemittelten und auf den entsprechenden
Durchschnittswert normierten Standardabweichungen der Parameter
für die verschiedenen Oberwellen an Luft und einseitig in Kontakt
mit Wasser zusammen. Bei den nicht angegebenen Oberwellen war

trocken H2 O
Ober- Γ Rm Γ Rm Tabelle 4.3: Stabilität
der Dämpfungsparameter
welle [%] [%] [%] [%]
bei der Impedanzanalyse.
1 0.741 2.54 0.414 0.366 Angegeben sind die über
3 0.155 0.515 0.191 0.106 10 min gemittelten und auf
5 0.189 0.103 0.272 0.146 den Durchschnittswert des
7 0.303 0.315 0.392 0.186 entsprechenden Parameters
normierten Standardab-
9 2.99 3.00 0.687 0.285
weichungen der Halbpeak-
11 4.76 4.40 Halbbreite Γ und des BvD-
13 2.50 2.60 Parameters Rm .

ein BvD-Fit nicht möglich. Da bei starker Dämpfung der Signalhub


kleiner ist als bei schwacher Dämpfung, betrifft dies in Wasser mehr
Oberwellen als an Luft.
Für den trockenen Quarz ist keiner der Parameter bezüglich der Sta-
bilität eindeutig zu präferieren. Mit zunehmender Oberwelle steigt die
Unbestimmtheit des Dämpfungsparameters überproportional an. Dies
ist ein Resultat der mit steigender Oberwelle abnehmenden Amplitu-
7
Im Rahmen der small load approximation wird die mit der zu untersuchenden
Schicht in Kontakt stehende Seite des in Kap. 3.4.4 beschriebenen Mason-Ersatz-
schaltbildes über eine frequenzabhängige Lastimpedanz ZL (ω) kurzgeschlossen.
Die Suche nach den Nullstellen der sich daraus ergebenden elektrischen Impe-
danz vereinfacht sich unter der Annahme, dass die Lastimpedanz sehr viel kleiner
als die mechanische Impedanz des Quarzes ist, also ZL (ω) ≪ ZQ .
4.4 Bestimmung der BvD-Parameter 107

de, die zu einer generellen Verschlechterung der Qualität des Signals


und insbesondere des BvD-Fits führt.
In Kontakt mit Wasser ist die normierte Schwankung von Rm für alle
erfassten Oberwellen kleiner als die der Halbpeak-Halbbreite. Dass die
Standardabweichung beider Parameter im Wesentlichen kleiner ist als
beim trockenen Quarz liegt an der Verbreiterung der gesamten Im-
pedanzstruktur in Kontakt mit Flüssigkeit. Die Standardabweichung
der betrachteten Parameter nimmt weniger stark zu als die Breite der
Impedanz.

4.4 Bestimmung der BvD-


Parameter
Seit seiner ersten Veröffentlichung um die zwanziger Jahre des ver-
gangenen Jahrhunderts [17, 25] ist das Butterworth-van Dyke-Ersatz-
schaltbild (Abb. 4.18) das wohl am häufigsten verwendete Werkzeug
für die Beschreibung der charakteristischen Impedanzstruktur um die
Resonanzen von Schwingquarzen. Aufgrund der physikalischen Äqui-
valenzen der verschiedenen Komponenten des Ersatzschaltbildes ist
dieses intuitiv zugänglich: Als Dielektrikum zwischen zwei Elektroden
stellt der Quarzsensor einen Kondensator dar, der durch die parallele
Kapazität C0 repräsentiert wird. Die Komponenten des Bewegungs-
armes Cm , Lm und Rm lassen sich physikalisch mit der Rückstell-
kraft, der trägen Masse und der intrinsischen Dämpfung identifizie-
ren.
Zu klären bleibt die Frage, inwieweit sich dieses Modell zur Beschrei-

Abbildung 4.18: Butterworth-


van Dyke-Ersatzschaltbild des pie-
zoelektrischen Resonators in der
Nähe einer Resonanz
108 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

bung eines Quarzresonators in Kontakt mit anderen Medien als Luft


(oder Vakuum) eignet. Dies ist der Fall, solange das entsprechende
Medium nur als träge Masse bzw. Dämpfung auf den Quarz wirkt, da
sich die entsprechenden Effekte als im Bewegungsarm in Serie geschal-
tete Widerstände oder Induktivitäten darstellen lassen. Die Impedanz
einer entsprechend ergänzten Anordnung beträgt
  −1 !−1
1
Z= i ωC0 + Rm + Rext + i ω(Lm + Lext ) −
ωCm
  −1 !−1
1
= i ωC0 + Rges + i ω(Lges ) − , (4.34)
ωCm

was der Impedanz des unbelasteten Quarzes entspricht, allerdings mit


veränderten Parametern für R und L, die nun dämpfende bzw. träge
Anteile des umgebenden Mediums beinhalten. Das bedeutet insbeson-
dere, dass das gleiche Modell für einen Quarz an Luft und in Flüssigkeit
– die nur träge und dissipative Anteile beiträgt – verwendet werden
kann.
Eine Schichtwirkung, die das Modell nicht wiedergeben kann, besteht
in einer zusätzlichen Rückstellkraft. Der Fehler, der unter entsprechen-
den Bedingungen entsteht, ist allerdings aus zwei Gründen gering. Zum
einen ist die Verzerrung an den Quarzflächen, also am Ort einer ad-
sorbierten Schicht, klein. Zum anderen ist die Steifigkeit von Quarz
mit 29.5 GPa sehr groß im Vergleich zu der beispielsweise organischer
Adsorbate, so dass der entsprechende Beitrag zur Rückstellkraft ver-
nachlässigbar ist.
Abb. 4.19 zeigt als Beispiel einer typischen Resonanzkurve die Grund-
welle eines auf einer Seite in Kontakt mit Wasser befindlichen Quarzes
sowie den zugehörigen Fit an das Butterworth-van Dyke-Ersatzschalt-
bild. Offenbar beschreibt das BvD-Modell den Impedanzverlauf in der
Nähe der Resonanz zutreffend. Abweichungen treten auf als Folge der
fehlerbehafteten Kalibration (vgl. Kap. 4.1.2), was sich an der gemes-
senen Phasenkurve zeigt, die außerhalb der Resonanz nicht exakt bei
4.4 Bestimmung der BvD-Parameter 109

60
measurement
40
fit
10000
20
Abbildung 4.19: Ty-
abs (Z) [Ohm]

arg (Z) [deg]


pischer Impedanzverlauf
-20
(Betrag und Phase) eines
-40
Quarzes in der Flusszel-
-60
1000 le einseitig in Kontakt
-80
mit Wasser (schwarz);
-100
zugehöriger BvD-Fit (rot).
4.92 4.94 4.96 4.98 5.00 5.02 5.04

frequency [MHz]

−π/2 liegt, sowie an den Stellen von Nebenresonanzen (die zwei Peaks
zwischen 5.00 und 5.02 MHz).
Die Bestimmung der Parameter des BvD-Ersatzschaltbildes durch einen
numerischen Fit wird in der Praxis erschwert durch die Austauschbar-
keit der Parameter Lm und Cm . Beide bestimmen die Resonanz in
gleichem Maße, nämlich über ωr2 = 1/Lm Cm . Wäre die Resonanzfre-
quenz im Vorhinein bekannt, könnte der eine Parameter in Abhängig-
keit des anderen ausgedrückt werden. Da dies jedoch nicht der Fall
ist, mussten beide Parameter durch Fitten bestimmt werden, was zu
uneindeutigen Lösungen führt. Definiert ist letztlich nur das Produkt
aus beiden Parametern.
Da sich Cm während der Messung nicht ändert, wäre eine praktika-
ble Lösung die unabhängige Messung dieses Parameters im Vorfeld.
Da dies jedoch im Rahmen der Arbeit nicht durchgeführt wurde –
entsprechende Messungen sind mit erheblichem Aufwand verbunden,
vgl. z.B. [15] –, musste Cm anhand theoretischer Betrachtungen [50]
abgeschätzt werden als
8k 2 ǫ33 A 21.89
Cm = 2 2
= fF, (4.35)
n π dq n2
wobei k der elektromechanischen Kopplung (−0.0892), ǫ33 der Permit-
tivität (3.982 × 10−11 F/m), A der aktiven Fläche (näherungsweise der
Fläche der kleineren Elektrode, 2.827 × 10−5 m2 ), n der Oberwelle und
110 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

dq der Dicke des Quarzes (3.317 × 10−4 m) entspricht. Der Wert von
Lm wurde bestimmt durch Multiplikation der durch Fit erhaltenen Pa-
rameter Lm und Cm und Division durch den theoretisch bestimmten
Wert für Cm .
Abb. 4.20 zeigt über 10 min Messung gemittelte Werte der BvD-Para-
meter eines Quarzes an Luft. Wie beschrieben wurde Cm berechnet.
Der Informationsgehalt bezüglich der Resonanz des Bewegungsarmes
liegt in der gewählten Darstellung also allein in Lm . Bei allen ausge-
werteten Oberwellen unterscheidet sich dieser Parameter um maximal
0.4 %, was insbesondere bedeutet, dass alle Oberwellen bezüglich der
mitbewegten trägen Masse – der physikalischen Entsprechung von Lm
– die gleiche Information liefern.

25

11.0
20

10.8
15
C0 [pF]
Cm [fF]

10 10.6

5 10.4

0 10.2

1 3 5 7 9 11 13 1 3 5 7 9 11 13
2.0

46.95

1.5
46.90
Lm [mH]
]

1.0
46.85
Rm [k

0.5 46.80

46.75
0.0

1 3 5 7 9 11 13 1 3 5 7 9 11 13

harmonic harmonic

Abbildung 4.20: BvD-Parameter aufgetragen über den ausgewerteten


Oberwellen; die Fehlerbalken entsprechen den Standardabweichungen der
einzelnen Parameter während einer zehnminütigen Messung.
4.5 Bedampfung im Vakuum 111

Der ohmsche Anteil Rm steigt, von der siebten Oberwelle abgesehen,


mit zunehmender Oberwelle an. Dies könnte im Vorhandensein der
Elektroden begründet liegen, da die oberflächennahen Schichten des
Quarzes bei kürzeren Wellenlänge eine stärkere Verzerrung erfahren, so
dass der Energieverlust im Elektrodenmaterial bei höheren Oberwellen
eine größere Rolle spielt. Die siebte Oberwelle ist vermutlich Resultat
eines durch Nebenmoden verzerrten Signals.
Die parallele Kapazität C0 schließlich sollte idealerweise konstant blei-
ben, da sich die Kondensatoreigenschaften des Quarzes und der elektri-
schen Peripherie während der Messung nicht ändern dürfen. Tatsäch-
lich weist C0 in Abhängigkeit von der Oberwelle keinen eindeutigen
Trend auf, so dass die Konstanz dieses Parameters lediglich als Maß
für die Qualität des Fits an die Messdaten dient.

4.5 Bedampfung im Vakuum


Mehrere Jahrzehnte war die Bestimmung der Dicke abgeschiedener
Schichten in Vakuum die einzige Anwendung der QCM. Dies liegt
darin begründet, dass ohne die starke Dämpfung eines externen Me-
diums die Quarzoszillation einfach und stabil aufrechtzuerhalten ist.
Darüber hinaus lässt sich die Resonanzverschiebung, die aus einer star-
ren, dünnen Schicht resultiert, mithilfe des Sauerbrey-Ausdrucks (vgl.
Kap. 4.3.3) relativ exakt modellieren. Als Realisierung einer entspre-
chenden (Sauerbrey-) Schicht wurde der Quarzsensor in Vakuum mit
Gold bedampft. Im Folgenden werden die gemessenen mit den mit-
tels Sauerbrey-Ausdruck berechneten Frequenzverschiebungen vergli-
chen.

4.5.1 Experiment
Für die Vermessung der Impedanzkurven während der Abscheidung
einer Goldschicht wurde der Sensorquarz parallel zum Messkopf ei-
nes Inficon-XTC-Schichtdickenmessgerätes in einen Vakuumrezipien-
ten eingebaut. Das Schichtdickenmessgerät wurde hierbei neben der
112 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

-1 Abbildung 4.21: Mit-


f [kHz]

tels Sauerbrey-Formel be-


-2 rechnete und gemessene
r

Frequenzverschiebung der
-3 Grundwelle in Abhängig-
keit der Dicke der aufge-
-4
dampften Goldschicht.
0 5 10 15 20 25 30 35

Au thickness [nm]

Prozesskontrolle insbesondere für die Bestimmung der Dicke der tat-


sächlich abgeschiedenen Schicht verwendet. Beide Messköpfe befanden
sich ca. 25 cm von den verwendeten Verdampferschiffchen entfernt, so
dass der Winkel zwischen eigenem und Schichtdickenmessgerät-Quarz
etwa 5.7◦ betrug. Es wird daher im Folgenden davon ausgegangen,
dass während des Beschichtungsvorganges die gleiche Masse an Gold
auf beiden Quarzen abgeschieden wurde.
Im Zuge der Vakuumbedampfung wurden nominell dreimal 10 nm Gold
aufgebracht – aufgrund der Abschaltverzögerung exakt bestimmt zu
jeweils 10.3 nm – und die Frequenzverschiebungen der einzelnen Ober-
töne über diese drei Vorgänge gemittelt.

4.5.2 Ergebnisse
Abb. 4.21 vergleicht die gemessene und anhand des Sauerbrey-Aus-
drucks ermittelte Frequenzverschiebung der Grundwelle während des
Vakuumbedampfens. Die gemessene Frequenzverschiebung weicht mit
zunehmender Golddicke immer mehr von der berechneten ab. Eine
Erklärung würde der unterschiedliche Winkel bieten, unter dem die
beiden Messköpfe in den Vakuumrezipienten eingebaut waren. Prin-
zipiell wäre es möglich, dass tatsächlich eine unterschiedliche Masse
auf beiden Quarzen abgeschieden wurde. Darüber hinaus könnte das
4.5 Bedampfung im Vakuum 113

0
Sauerbrey
frequency shift [kHz]

measured

-5

Abbildung 4.22: Mittels


-10
Sauerbrey-Formel berech-
nete und gemessene Fre-
quenzverschiebung der ein-
-15 zelnen Oberwellen.

-1 1 3 5 7 9 11 13 15 17

harmonic

als Referenz verwendete Schichtdickenmessgerät defekt oder fehlerhaft


kalibriert sein.
Beides ist aber offenbar nicht der Fall, wie der Vergleich mit den an-
deren Oberwellen in Abb. 4.22 verdeutlicht. Die einzelnen Messpunkte
wurden durch Mitteln der bei jeweils drei Beschichtungsvorgänge ge-
messenen Frequenzverschiebungen erhalten. Mit steigender Oberwelle
nimmt die Abweichung zwischen gemessenen und berechneten Werten
immer mehr zu. Dies legt nahe, dass die Ursache für die Abweichung
zwischen Theorie und Experiment nicht in einer fehlerhaften Referenz,
sondern in einem Modell liegt, das nicht alle relevanten Parameter ent-
hält.
Ein Modell, das unter Einbeziehung der viskoelastischen Eigenschaf-
ten der Schicht zu geringeren Frequenzverschiebungen führt als der
Sauerbrey-Ausdruck, ist bekannt als small load approximation (SLA).
Wie der Name andeutet, ist die SLA nur für kleine Lasten, also Fre-
quenzverschiebungen ∆f ≪ f anwendbar. Angesichts von Frequenzen
im Bereich von mehreren MHz und Verschiebungen in der Größen-
ordnung von einigen kHz ist diese Voraussetzung allerdings erfüllt.
Das Modell beruht auf unter vereinfachenden Annahmen aus dem
Mason-Ersatzschalbild (vgl. Kap. 3.4.4) erhaltenen Ausdrücken für die
Quarzimpedanz unter verschiedenen Lastbedingungen. Durch Bestim-
114 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

mung der entsprechenden Nullstellen werden Ausdrücke für die Re-


sonanzfrequenzen abgeleitet. Für eine ausführliche Darstellung wird
der Leser auf die Arbeiten von Johannsmann [34, 35, 36] verwie-
sen.
Für eine viskoelastische Schicht in Luft oder Vakuum sagt die SLA
eine Verschiebung der Resonanzfrequenz von
! 2 !
2
2f02 1 ZQ mL
∆f = − mL 1 + −1 πn (4.36)
ZQ 3 ZL2 mQ

voraus, wobei f0 der Frequenz des unbelasteten Resonators, ZQ/L den


mechanischen Impedanzen, mQ/L den Massendichten von Quarz bzw.
viskoelastischer Schicht und n der Oberwelle entsprechen. Der Sum-
mand 1 in den äußersten Klammern gibt die Sauerbrey-Verschiebung
wieder. Hinzu kommt ein quadratisch von der Oberwelle abhängiger
Term, in den die viskoelastischen Eigenschaften der Schicht eingehen.
Das Verhältnis der mechanischen Impedanzen ZQ 2 /Z 2 ist mit 0.381
L
kleiner als 1, führt also zu einer Reduzierung der erwarteten Frequenz-
verschiebung. Bei den aufgedampften Goldschichten ist das Verhälnis
der Massendichten mL /mQ jedoch sehr klein (in der Größenordnung
von 10−4 ), so dass der Korrekturterm die erwarteten Frequenzverschie-
bungen nur um wenige mHz reduziert. Das Phänomen der oberton-
abhängigen Abweichung der gemessenen Werte von den berechneten
konnte daher im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht geklärt wer-
den.
Der Erwartung entspricht dagegen die Beobachtung, dass sich im Zuge
der Vakuumbedampfung die Resonanzfrequenz, nicht aber die Halb-
peak-Halbbreite verschob. Beide Größen sind in Abb. 4.23 über der
Zeit aufgetragen. Ein Term der gleichen Größenordnung wie bei der
Frequenzverschiebung geht im Rahmen der SLA auch in die Verbrei-
terung des Resonanzpeaks ein. Bei einer dünnen starren Schicht ist
dieser Term ebenso zu vernachlässigen wie die Korrektur an der Reso-
nanzverschiebung.
Das gleiche Bild ergibt sich bei der Betrachtung der BvD-Parameter
4.5 Bedampfung im Vakuum 115

4.948
[MHz]

4.947

4.946
m

Abbildung 4.23: Re-


f

4.945

sonanz und Halbpeak-


halfwidth [kHz]

2.9
Halbbreite während des
2.8
Vakuumbedampfens
aufgetragen über der Zeit.
2.7

2500 3000 3500 4000 4500 5000

time [s]

8.5

24

8.0
Cm [fF]

C0 [pF]

22 7.5

7.0
20

6.5
2000 3000 4000 5000 2000 3000 4000 5000

47.32

300

47.30
250
Lm [mH]
]
Rm [

200 47.28

150

47.26

100
2000 3000 4000 5000 2000 3000 4000 5000

time [s] time [s]

Abbildung 4.24: Fit-Parameter der Grundwelle während des Vakuumbe-


dampfens aufgetragen über der Zeit.
116 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

der Grundwelle, die in Abb. 4.24 über der Zeit aufgetragen sind. Der
berechnete Parameter Cm ist konstant, C0 und Rm zeigen keine syste-
matischen Veränderungen. Einzig der Parameter Lm , der physikalisch
der trägen mitbewegten Masse entspricht, spiegelt das Verhalten der
Resonanzfrequenz wider.

4.6 Flüssigkeiten unterschiedlicher Dichte und


Viskosität
Bis zum Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde
QCM ausschließlich im Vakuum oder in Kontakt mit Gasen betrieben.
Es herrschte die Meinung vor, durch die starke Dämpfung in Kontakt
mit Flüssigkeiten sei eine stabile Quarzoszillation nicht mehr möglich.
Erst 1980 wurde unter anderem von Nomura und Okuhara [53] sowie
Konash und Bastiaans [42] das Gegenteil bewiesen. Diese Arbeiten
legten die Grundlage für die Verwendung der QCM im Bereich biolo-
gischer Fragestellungen.
Messungen in flüssigen Medien unterscheiden sich dahingehend grund-
legend von der im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Bedamp-
fung in Vakuum, dass hier der Einfluss der Dämpfung maßgeblich ist.
Dies lässt sich besonders gut an einer Reihe von Flüssigkeiten unter-
schiedlicher Dichte und Viskosität studieren, da sich so die Dämpfung
über einen weiten Bereich einstellen lässt. Dementsprechend wurde
eine Reihe von Messungen an unterschiedlich konzentrierten Wasser-
Ethanol-Gemischen durchgeführt.

4.6.1 Experiment
Für die Vermessung der Dichte-Viskositätsreihe wurden die in Kap. 4.2
beschriebene Peripherie und Flusszelle verwendet. Die unterschied-
lichen Mischungen wurden in verschiedenen Gefäßen angesetzt und
durch Ultraschallen entgast. Begonnen wurde die Messreihe mit rei-
nem Wasser, dann wurden die Wasser-Ethanol-Gemische in der Rei-
4.6 Flüssigkeiten unterschiedlicher Dichte und Viskosität 117

henfolge absteigender Viskosität vermessen.8 Konkret handelt es sich


um Mischungen mit 10, 20, 30 und 40 v% Ethanol in Wasser mit Dich-
ten zwischen 0.985 und 0.947 g/cm3 und Viskositäten zwischen 1.39
und 2.77 m Pa s.
Die Flussrate betrug 300 µl/min. Für den Wechsel zwischen den ver-
schiedenen Flüssigkeiten wurde die Pumpe kurz angehalten, um beim
Umstecken des Schlauches keine Luft anzusaugen. Beim Übergang von
Wasser zur 40 v%igen Ethanol-Mischung wurde kurzzeitig die Pump-
rate stark erhöht, um möglichst schnell das gesamte Zellvolumen mit
dem höherviskosen Gemisch zu befüllen.
Nach jedem Schlauchwechsel und der anschließenden Equilibrierung
wurde 5 min lang gemessen und die erhaltenen Daten gemittelt. Die
Resonanzfrequenz
√ wurde aus den Parametern des BvD-Fits als fr =
1/(2π Lm Cm ) bestimmt.

4.6.2 Einfluss einer viskoelastischen


Schicht
Da die Sauerbrey-Gleichung viskoelastische Einflüsse nicht wiederge-
ben kann, ist für die entsprechende Beschreibung der Übergang zu ei-
nem anderen Modell notwendig. Die in der Literatur am weitesten ver-
breitete Beschreibung des Einflusses von Flüssigkeiten auf die Quarz-
resonanz geht zurück auf Arbeiten von Kanazawa et al. [38, 56]. Da der
in seinem Artikel aus dem Jahr 1990 gefundene Ausdruck für die Ad-
mittanz eines Quarzresonators in Kontakt mit einer viskoelastischen
Schicht die Ausführungen in Kap. 3 ergänzt, wird der entsprechende
Gedankengang im Folgenden kurz skizziert.
Innerhalb des Quarzes gilt die Bewegungsgleichung (3.49), das Poten-
8
Diese Reihenfolge beruht auf der empirischen Beobachtung, dass ein Gemisch
niedrigerer Viskosität (geringerer Ethanol-Anteil) ein Gemisch höherer Visko-
sität an der Quarzoberfläche sehr viel schneller verdrängt als umgekehrt. Dies
könnte daran liegen, dass Wasser als der kleinere Bestandteil des Gemisches
einen höheren Diffusionskoeffizienten aufweist als Ethanol und somit schneller
diffusiv in der Flusszelle verteilt wird.
118 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

tial wird beschrieben durch Gl. (3.42) aus Kap. 3. Anders als bisher
werden Verluste im Quarz nicht vernachlässigt, sondern in Form des
komplexen Elastizitätskoeffizienten

e234
c̄¯44 = c44 + + iωηQ (4.37)
ǫ33

berücksichtigt (e34 steht hierbei für den piezoelektrischen Koeffizien-


ten, ǫ33 für die Dielektrizitätskonstante). Der Unterschied zum pie-
zoelektrisch versteiften Elastizitätskoeffizienten c̄44 aus Gl. (3.49) liegt
hierbei im dritten Summanden, der die Viskosität des Quarzes ηQ bein-
haltet. Hier wie auch im Folgenden bezeichnet der Index Q Größen, die
sich auf den Quarz beziehen. Dies führt zu einer komplexen Wellenzahl
(in Analogie zu Gl. (3.52))
s
ρQ ω 2
kQ = . (4.38)
c̄¯44

Da in der folgenden Diskussion die Viskosität η eine nicht unbeträcht-


liche Rolle spielt, wird die Wellenzahl im vorliegenden Kapitel mit
dem Buchstaben k bezeichnet (im Gegensatz zu Kap. 3, in dem die
Wellenzahl mit dem Symbol η bezeichnet wurde).
Die zweifache Integration von Gl. (3.42) liefert zwei Integrationskon-
stanten, die zunächst unspezifiziert belassen werden. Als Lösung von
Gl. (3.49) ergibt sich die Überlagerung von zwei in entgegengesetzte
Richtung laufenden Wellen mit unbekannten Amplituden. Entspre-
chende Überlegungen (ohne piezoelektrische Wechselwirkung) lassen
sich auch für die viskoelastische Schicht in Kontakt mit dem Quarz
anstellen. Auch hier ist die Lösung die Überlagerung zweier Wellen
mit zunächst unbekannten Amplituden. Insgesamt ergeben sich also
sechs Unbekannte, die durch ein Gleichungssystem der entsprechen-
den Randbedingungen bestimmt werden können.
Diese Randbedingungen sind im einzelnen die Kontinuität der Auslen-
kung und Spannung an der Grenzfläche zwischen Quarz und Schicht,
4.6 Flüssigkeiten unterschiedlicher Dichte und Viskosität 119

die Kräftefreiheit der Oberflächen und das von außen vorgegebene Po-
tential an Ober- und Unterseite des Quarzes. Hieraus ergeben sich
sechs Ausdrücke für die unbekannten Amplituden bzw. Integrations-
konstanten desR Potentials. Nach Tiersten [67] gilt für die spezifische
Ladung Q = D3 dS, wobei D3 der elektrischen Flussdichte und S
der Fläche entspricht.
Der Strom J ergibt sich als Ableitung der Ladung nach der Zeit,
die Admittanz als Verhältnis von Strom zu Potential. Durch Aus-
drücken der elektrischen Flussdichte durch eine der sechs mithilfe der
Randbedingungen bestimmten Unbekannten ergibt sich die Admittanz
des piezoelektrischen Resonators in Kontakt mit einer viskoelastischen
Schicht zu

iωǫ33 
Y = kQ c̄¯44 sin(kQ dQ )
dQ

+ kL µ̃L tan(kL dL ) cos(kQ dQ )

kQ c̄¯44 sin(kQ dQ ) + kL µ̃L tan(kL dL ) cos(kQ dQ )



2e234
− 1 − cos(kQ dQ )
dQ ǫ33
!
kL µ̃L
+ tan(kL dL ) sin(kL dL ) sin(kQ dQ ) . (4.39)
2kQ c̄¯44

Hierbei stehen alle mit dem Index L bezeichneten Größen für solche,
die sich auf die viskoelastische Schicht beziehen. µ̃L = µL + iωηL ist
der komplexe (also verlustbehaftete) Elastizitätskoeffizient der Schicht
und dQ/L steht für die jeweiligen Dicken.
Die praktische Anwendbarkeit von Gl. (4.39) ist begrenzt, da sie Grö-
ßen enthält, die experimentell und theoretisch nur bedingt zugänglich
sind, etwa die „Viskosität“ des Quarzes. Unter vereinfachenden Bedin-
gungen enthält sie allerdings verschiedene für Spezialfälle gefundene
Lösungen. Ohne viskoelastische Schicht (dL = 0) etwa vereinfacht
120 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

sich Gl. (4.39) beträchtlich, und es ergibt sich die bereits bekannte
Gl. (3.55). Werden Verluste innerhalb des Quarzes vernachlässigt und
die zusätzliche Schicht als rein elastisch betrachtet, werden alle Grö-
ßen reell. Aus der Bedingung für das Verschwinden des Zählers von
Gl. (4.39) (Antiresonanz) ergibt sich die erstmals von Lu und Lewis
[46] formulierte Resonanzbedingung

kQ c̄44 tan(kQ dQ ) + kL µL tan(kL dL ) = 0, (4.40)

wobei µL für den reellen Elastizitätskoeffizienten der Schicht steht.


Gl. (4.40) ähnliche Ausdrücke werden beispielsweise in auf dem Prin-
zip der QCM basierenden Vakuum-Schichtdickenmessgeräten verwen-
det.
Bezüglich der zu beschreibenden Messung interessanter ist allerdings
ein anderer Grenzfall: Der einer unendlich dicken9 und rein viskosen
(also µ̃L = iωηL ) Schicht. Dies entspricht einem einseitig mit Flüs-
sigkeit in Kontakt stehenden Quarz. Gesucht werden wiederum die
Frequenzen, bei denen der Zähler von Gl. (4.39) verschwindet. Da in
erster Linie die Frequenzverschiebung von Interesse ist, und Resonanz
und Antiresonanz diesbezüglich experimentell kaum zu unterscheiden
sind [11], macht es keinen Unterschied, welche der beiden Größen be-
trachtet wird.
Im Grenzfall einer unendlich ausgedehnten Schicht gilt
lim tan(kL dL ) = 1/i [56], und damit
dL →∞
p
kL µ̃L tan(kL dL ) = ω ωρL ηL /2 (1 − i). (4.41)

Unter Vernachlässigung von Verlusten im Quarz ist die Größe


tan(kQ dQ ) reell. Mit der näherungsweise gültigen Annahme, dass die
Resonanzen in der Nähe der Frequenzen liegen, bei denen der Realteil
9
Unendlich dick bedeutet in diesem Zusammenhang, die Schicht muss viel dicker
als die typische Eindringtiefe der evaneszent in das umgebende Medium abfallen-
den Welle sein. Diese beträgt je nach Dichte und Viskosität der Flüssigkeit etwa
250 nm [65], was bedeutet, dass schon eine Flüssigkeitsschicht mit einer Dicke
von 2.5 µm die Bezeichnung „unendlich dick“ verdient.
4.6 Flüssigkeiten unterschiedlicher Dichte und Viskosität 121

des Zählers von Gl. (4.39) verschwindet, lässt sich die Resonanzbedin-
gung schreiben als
 q 
p
kQ c̄44 tan ω ρQ /c̄44 dQ = −ω ωρL ηL /2. (4.42)

Die Resonanz desp unbelasteten Quarzes ergibt sich aus Gl. (4.40) für
dL = 0 zu ωn ρQ /c̄44 dQ = nπ für die n-te Oberwelle. Wenn die
Frequenz des belasteten Quarzes als ω = ωn + ∆ω geschrieben wird,
ergibt sich hieraus unmittelbar der bekannte Zusammenhang zwischen
dem Produkt aus Dichte und Viskosität und der Verschiebung der
Resonanzfrequenz.
3/2 r 3/2 s
fn ρL ηL fn ρL ηL
∆fn = − =− 2 (4.43)
n πρQ c̄44 n πZQ

4.6.3 Ergebnisse
Angesichts der Tatsache, dass Gl. (4.43) keinen anpassbaren Parame-
ter enthält, ist die Übereinstimmung zwischen Theorie und Experi-
ment sehr hoch, wie Abb. 4.25 zeigt. Dargestellt sind die gemesse-
nen Resonanzfrequenzen der Grundwelle über der Ethanol-Konzen-
tration (Punkte) und die nach Kanazawa berechneten (Linie). Der bei
−10 v% eingetragene Messpunkt entspricht der Resonanzfrequenz des
trockenen Quarzes. Die erwarteten Frequenzverschiebungen liegen in
der Größenordnung von kHz, die Abweichungen zwischen Theorie und
Experiment unter 40 Hz, also deutlich unter 1 %. Einzig die 10 v%-
Mischung fällt deutlich aus diesem Rahmen. Eine mögliche Erklärung
wäre, dass der BvD-Fit an die Messdaten in diesem Bereich in ein
lokales Minimum geraten sei und daher systematisch falsche Parame-
ter lieferte. Allerdings wird der in Kapitel 5 beschriebene Vergleich mit
anderen Messmethoden zeigen, dass dem nicht so ist.
Plausibel wäre ebenfalls, dass die Mischung fehlerhaft angesetzt wur-
de und dementsprechend nicht über die erwartete Dichte und Vis-
kosität verfügt. Dies müsste sich allerdings in allen Oberwellen zei-
gen, was nicht der Fall ist, wie Abb. 4.26 zeigt. Dargestellt ist die
122 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

gemessene (Punkte) und die nach Gl. (4.43) berechnete (Linie) Re-
sonanz der 3. Oberwelle über dem Ethanol-Gehalt. Die Abweichun-
gen zwischen Theorie und Experiment sind insgesamt größer, aber
die 10 v%-Messung befindet sich im Wesentlichen an der erwarteten
Position. Eine fehlerhaft angesetzte Mischung ist damit unwahrschein-
lich.
Eine mögliche Erklärung bietet allerdings das in den letzten Jahren
verstärkt untersuchte Phänomen der longitudinalen Wellen [16, 45, 64].
Durch die endliche Ausdehnung des Schwingquarzes – im Gegensatz
zur Annahme der unendlich ausgedehnten Oberfläche im Zuge der Mo-
dellbildung – besitzt die tatsächliche Auslenkung neben der Scher-
auch eine Torsionskomponente. Durch diese werden neben der evanes-
zenten Scherwelle auch longitudinal Kompressionswellen in das umge-
bende Medium abgestrahlt, die am Deckel der Zelle reflektiert werden
und so zur Ausbildung stehender Wellen in der Flüssigkeit führen kön-
nen. Derartige stehende Wellen können die Resonanzfrequenz nachhal-
tig beeinflussen und sich aufgrund ihrer Abhängigkeit von der Frequenz
des Quarzoszillators und der Dichte und der Viskosität des Mediums
durchaus nur bei bestimmten Oberwellen bemerkbar machen. Der ent-
sprechende Effekt könnte die Auffälligkeit bei der 10 v%-Mischung also
erklären, wurde allerdings im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht
näher untersucht.

4.9752
Abbildung 4.25: Gemes-
sene (Punkte) und nach
4.9748 Kanazawa (Gl. (4.43)) be-
f [MHz]

rechnete Resonanz (Linie)


der Grundwelle über dem
4.9744
Ethanol-Gehalt des Medi-
r

ums in der Flusszelle. Die


4.9740 bei −10 v% Ethanol ein-
getragenen Werte entspre-
-10 0 10 20 30 40 50 60 chen der Resonanz des tro-
EtOH [v%] ckenen Quarzes.
4.6 Flüssigkeiten unterschiedlicher Dichte und Viskosität 123

14.901

Abbildung 4.26: Gemes-


sene (Punkte) und nach
14.900 Kanazawa (Gl. (4.43)) be-
f [MHz]

rechnete Resonanz (Linie)


der 3. Oberwelle über dem
Ethanol-Gehalt des Medi-
r

14.899
ums in der Flusszelle. Die
bei −10 v% Ethanol ein-
getragenen Werte entspre-
14.898
-10 0 10 20 30 40 50 60 chen der Resonanz des tro-
EtOH [v%] ckenen Quarzes.

Im Gegensatz zum Experiment im Vakuum beeinflusst die Änderung


des Produktes aus Dichte und Viskosität nicht nur die Lage der Reso-
nanzfrequenz, sondern auch die Breite des Impedanzpeaks. Abb. 4.27
illustriert dies anhand der Resonanz und Halbpeak-Halbbreite der
3. Oberwelle. Es ändert sich also nicht nur die mitbewegte träge Mas-
se, sondern auch die Energieauskopplung. Dies manifestiert sich ebenso
in den gefitteten Butterworth-van Dyke-Parametern, über der Mess-
zeit aufgetragen in Abb. 4.28. Da der Parameter Cm berechnet wurde
(und sich der zugrundeliegenden Theorie nach nicht ändert), bleibt
er konstant. Die Sauerbrey-Masse, also die träge mitbewegte Masse,

14.8992
f [MHz]

14.8990

14.8988
r

14.8986

14.8984

Abbildung 4.27: Reso-


3400

3200
nanz und Halbpeak-Halb-
halfwidth [Hz]

3000 breite aufgetragen über


2800 der Zeit.
2600

2400

0 1000 2000 3000 4000 5000

time [s]
124 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz

12.05

10 v%
10 v%

H O
H O

40 v%
40 v%

20 v%
20 v%
H O

H O

30 v%
30 v%

2
2
3.5

2
12.00

3.0 11.95

C0 [pF]
Cm [fF]

11.90
2.5

11.85

2.0
11.80

11.75
1.5

11.70

46.920
1600

46.919

1400
Lm [mH]
]

46.918
Rm [

46.917
1200

46.916

1000
46.915

0 1000 2000 3000 4000 5000 0 1000 2000 3000 4000 5000

time [s] time [s]

Abbildung 4.28: BvD-Fit-Parameter der 3. Oberwelle während der Flüs-


sigkeitsmessung aufgetragen über der Zeit.

korreliert mit dem Parameter Lm , die Energieauskopplung mit Rm .


Dementsprechend sind die Resonanzverschiebung und Lm bezüglich
ihrer Aussagekraft äquivalent, ebenso die Halbpeak-Halbbreite und
Rm .

4.7 Zusammenfassung
Auf dem Funktionsprinzip eines Netzwerkanalysators wurde eine Elek-
tronik entwickelt, die die frequenzabhängige Erfassung der komple-
xen Impedanz des Quarzresonators ermöglicht. Nach einer Kalibration
durch Standards mit bekannten Eigenschaften (short, open und load )
kann der zunächst gemessene Reflektionskoeffizient in den tatsächli-
4.7 Zusammenfassung 125

chen und schließlich in die komplexe Impedanz umgerechnet werden.


Da der für die Erzeugung des anregenden Signals verwendete DDS
mit einem Systemtakt von 200 MHz betrieben wird, können Frequen-
zen bis zu 100 MHz erzeugt werden. Dies ermöglicht bei den verwen-
deten 5 MHz-Quarzen die Anregung bis hin zur 19. Oberwelle. Aller-
dings wurden aufgrund des mit steigender Oberwelle immer schlech-
teren Singal-zu-Rausch-Verhältnisses nur die 1. bis 15. Oberwelle aus-
gewertet.
Durch den Fit der so erhaltenen Impedanz in Abhängigkeit von der
Frequenz an das Butterworth-van Dyke-Ersatzschaltbild konnten die
entsprechenden Parameter bestimmt werden. Deren Genauigkeit auf
wenige Prozent wurde durch die Vermessung von Bauteilen bzw.
-gruppen mit bekannten Eigenschaften verifiziert.
Die Masseauflösung der entwickelten QCM wurde durch Betrachtung
des Signalrauschens auf wenige 10 ng/cm2 abgeschätzt, die Genauig-
keit der Erfassung der mit der Dämpfung assoziierten Halbpeak-Halb-
breite auf 0.1 %. Der Vergleich zweier Experimente im Vakuum bzw.
in Flüssigkeit konnte zeigen, dass sich träge Masse und Dämpfung in
den gemessenen Signalen eindeutig trennen lassen.
126 4 Frequenzabhängige Bestimmung der Impedanz
5 Alternative Messmethoden:
Abklingmessung und Oszillatorkreis

Mit der Erfassung der komplexen Impedanz über dem relevanten Fre-
quenzbereich ist der Sensorquarz prinzipiell vollständig charakterisiert.
Im Fokus stand deshalb die Entwicklung eines Systems, das diese In-
formation liefert: Die im vorhergehenden Kapitel beschriebene auf der
Basis eines Netzwerkanalysators arbeitende Elektronik. Weite Verbrei-
tung im Bereich der QCM erfahren jedoch auch zwei andere Mess-
methoden, namentlich Oszillatorkreise [6, 9, 59] und Abklingmessung
[4, 31, 32], die gegenüber der Impedanzanalyse verschiedene Vorteile
aufweisen. Dies sind bei Oszillatorkreisen einerseits die einfache und
kostengünstige Implementierung, andererseits aber vor allem die ho-
he Datenerfassungsrate und Frequenzstabilität. Die Abklingmessung
zeichnet sich wesentlich dadurch aus, dass durch das freie Abschwin-
gen des Quarzes die Erfassung der tatsächlichen Resonanzfrequenz ge-
währleistet ist.1
Trotz der Erfassung der gesamten Impedanz per Netzwerkanalyse ist
die Ergänzung der Messmethodik um die genannten Alternativmetho-
den also durchaus sinnvoll. Beide wurden daher realisiert und der
Messaufbau entsprechend erweitert, was Gegenstand des folgenden
Abschnittes des vorliegenden Kapitels ist. Daran schließt sich ein Ver-
gleich der implementierten Messmethoden bezüglich der Stabilität und
Genauigkeit der erfassten Parameter anhand der gleichen Messun-
gen an, die schon im vorangehenden Kapitel mittels Impedanzanalyse
1
Dies ist bei der Impedanzanalyse aufgrund der problematischen Kalibration (vgl.
Kap. 4.1.2) nicht notwendigerweise der Fall. Bei einer fehlerhaften Kalibration
verzerrt sich die Form der Impedanzkurve, was zu einer Verschiebung der erfass-
ten charakteristischen Frequenzen führt.
128 5 Abklingmessung und Oszillatorkreis

durchgeführt wurden.

5.1 Erweiterung des Aufbaus um Abkling- und


Oszillatorkreismessung
Abb. 5.1 skizziert die Gesamtheit der entwickelten Elektronik. Gest-
artet und ausgewertet werden die Messungen über eine auf einem
PC laufende GUI (graphical user interface), während die eigentliche
Datennahme auf DSP-Systeme (digital signal processing) ausgelagert
ist. Die Impedanzmessung erfolgt wie in Kap. 4 beschrieben über ei-
ne frequenzabhängige Bestimmung des komplexen Reflexionskoeffizi-
enten des Sensorquarzes. Für die Abklingmessung wird das anregen-
de Signal von einem FPGA (field programmable gate array) erzeugt,
der nach dem Abschalten der Anregung das abklingende Signal des
Quarzes aufzeichnet. Derselbe FPGA erfasst auch die Ausgabefre-
quenz des Oszillatorkreises, der als dritte Messmethode implementiert
ist.
PC-seitig erfasst werden für die Impedanzmessung die gemessenen Re-
flexionskoeffizienten des Sensorquarzes, die nach geeigneter Kalibrati-
on in den tatsächlichen Reflexionskoeffizienten und schließlich in die
komplexe Impedanz des Quarzes umgerechnet werden. Im Falle der
Abklingmessung wird direkt die vom FPGA erfasste Abschwingkurve
aufgenommen, also im Wesentlichen ein exponentiell gedämpfter Si-
nus. In beiden Messmodi ist eine kontinuierliche Datenerfassung mit
gleichzeitiger Bestimmung der charakteristischen Größen der entspre-
chenden Messkurven möglich. Bei der Impedanzmessung sind dies die
Frequenzen minimaler bzw. maximaler Impedanz (fm und fn ) und ver-
schwindenden Imaginärteils (fr und fa , vgl. Kap. 3.4.6), sowie die Pa-
rameter des Butterworth-van Dyke-Ersatzschaltbildes (Rm , Cm , Lm
und C0 , vgl. Kap. 3.4.5). Aus der Abklingmessung ergeben sich die
Resonanzfrequenz fr sowie der Dämpfungsparameter τ . Bei dem Os-
zillatorkreis schließlich handelt es sich um einen Miller-ähnlichen Par-
allelschwingkreis (verschiedene Oszillatorkreise werden in Kap. 5.1.3
5.1 Erweiterung des Aufbaus 129

Abbildung 5.1: Sche-


matische Darstellung
des Messaufbaus. Der
linke Ast wurde bereits
in Kap. 4 beschrieben.
Erweitert wurde die
Anordnung um die
von einem FPGA
gesteuerten Messme-
thoden Oszillatorkreis
und Abklingmessung
(rechter Ast). Der
Sensorquarz ist jeweils
nur mit einer der drei
Messmethoden ver-
bunden (gestrichelte
Linien).

vorgestellt), der eine Frequenz in der Nähe der Serienresonanz liefert.

5.1.1 Prinzip der Abklingmessung


Eine Möglichkeit, die tatsächliche mechanische Resonanzfrequenz des
Quarzoszillators zu bestimmen, besteht in der Messung des Abschwing-
verhaltens.2 Hierzu wird der Quarz in der Nähe der Resonanz angeregt
und nach dem Abschalten des anregenden Signals über eine hochoh-
mige Messanordnung der Vorgang des Abschwingens beobachtet. Das
auf diese Weise gewonnene Signal kann entweder direkt ausgewertet
oder zur Reduzierung des Datenvolumens heruntergemischt werden.
2
Das entsprechende Prinzip wird, gemessen am Auftreten in der Literatur, beina-
he ausschließlich über die sogenannte QCM-D (quartz crystal microbalance with
dissipation monitoring) der Firma Q-Sense realisiert. Für weitergehende Infor-
mationen seien dem Leser der Artikel von Rodahl et al. [57] sowie die Referenzen
im Artikel von Höök et al. [32] anempfohlen.
130 5 Abklingmessung und Oszillatorkreis

Abbildung 5.2: Prinzip der Ab-


klingmessung. Der PC gibt die
Frequenz des Signalgenerators vor
und trennt diesen zu einem be-
stimmten Zeitpunkt (beispielswei-
se über ein Relay, wie hier dar-
gestellt) vom Quarz. Kurz zuvor
wird die Datenerfasssung gestartet
und das abklingende Signal aufge-
zeichnet.

Durch Fit eines exponentiell gedämpften Sinus

A(t) = A0 sin (ωt + δ) exp (−t/τ ) (5.1)

an die Messdaten können die Parameter Amplitude A0 , Frequenz ω,


Phase δ und Abklingzeit τ ermittelt werden.
An Luft oder im Vakuum nimmt der Vorgang des Abklingens weni-
ge Millisekunden in Anspruch, in Flüssigkeit etwa eine Größenord-
nung weniger. Das bedeutet, dass bei einem 5 MHz-Quarz nur einige
Hundert bis Tausend Perioden des Signals ausgewertet werden kön-
nen, was zu einer begrenzt genauen Bestimmung der Resonanzfrequenz
führt.

5.1.2 Technische Realisierung der


Abklingmessung
Da die Quarzschwingung ohne Anregung schnell zum Erliegen kommt,
empfiehlt es sich, die gesamte (im Gegensatz zu einem herunterge-
mischten Signal) Schwingung aufzuzeichnen. Um die in kurzer Zeit an-
fallenden Informationen verarbeiten zu können, ist eine entsprechend
leistungsfähige DSP-Elektronik notwendig.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde diese auf einem FPGA rea-
lisiert. Ein FPGA ist ein programmierbarer digitaler IC, der aus logi-
5.1 Erweiterung des Aufbaus 131

schen Einheiten und Verbindungen zwischen diesen besteht. Die logi-


schen Einheiten können hierbei einfache logische Funktionen wie AND
oder XOR ebenso übernehmen wie komplexe kombinatorische Funktio-
nen bis hin zur Emulation eines kompletten Mikroprozessors. FPGAs
sind i.A. langsamer als „festverdrahtete“ ICs (ASICs, application speci-
fic integrated circuits) und verbrauchen mehr Leistung, dennoch sind
sie zu Entwicklungszwecken, oder wenn, wie im vorliegenden Fall, ent-
sprechende ASICs nicht existieren, unerlässlich.
Eine dezidierte DSP-Hardware bietet gegenüber der Datenverarbei-
tung auf einem PC den Vorteil der Parallelisierbarkeit. Obwohl ein
handelsüblicher Mikroprozessor eine sehr viel höhere Taktfrequenz auf-
weist als ein FPGA, benötigt er für Signalverarbeitungsanwendungen
länger, da einzelne Rechenoperationen i.A. mehrere Taktzyklen in An-
spruch nehmen. Ein FPGA hingegen führt die entsprechenden Opera-
tionen auf einer dezidierten Hardware durch, wodurch in einem Takt-
zyklus nicht nur eine, sondern eine durch die Anzahl der logischen Ein-
heiten begrenzte Anzahl von Operationen parallel durchgeführt wird.
Diese Operationen beinhalten insbesondere auch das Beschicken ent-
sprechend schneller DACs und das Auslesen von ADCs.
Für die Erfassung des abklingenden Quarzsignals wurde ein Altera
Stratix II-FPGA verwendet, der mit einer Frequenz von 100 MHz be-
trieben wird. Da die integrierten ADCs und DACs mit der gleichen
Frequenz arbeiten, bedeutet dies, dass nach dem Nyquist-Theorem
Frequenzen bis zu 50 MHz erzeugt oder erfasst werden können. Pro-
grammiert wurde der FPGA mit der Software DSP-Builder, einem
Matlab-Frontend, das eine graphische Repräsentation der Signalwege
und -modifikationen auf dem FPGA in HDL (hardware description lan-
guage) übersetzt. Der HDL-Code wiederum wurde mittels der Software
Quartus II auf die Architektur des Stratix II gefittet.
Abb. 5.3 skizziert die wesentlichen Elemente der auf dem FPGA im-
plementierten Hardware sowie die entsprechende Peripherie. Die über
den PC beschriebenen Register enthalten insbesondere die Steuerwor-
te für den NCO (numerically controlled oscillator ), der im Wesentli-
chen funktioniert wie der in Kap. 4.1.2 beschriebene DDS. Über einen
132 5 Abklingmessung und Oszillatorkreis

Abbildung 5.3: Schematische Darstellung der Hardware für die Abkling-


messung. Nach dem Parallelisieren der über USB vom PC geschickten Da-
ten liegen diese statisch an einer Steckerleiste des FPGA an. Neben der
Übermittlung von Steuercodes wird so insbesondere die Ausgabefrequenz
des NCO kontrolliert.

DAC ausgekoppelt regt das so erzeugte Sinus-Signal den Quarz in


der Nähe seiner Resonanz zu Schwingungen an. Nach dem Abschal-
ten der Anregung schwingt der Sensorquarz bei seiner Resonanzfre-
quenz ab, und das entsprechende Signal wird per ADC digitalisiert
und in einem FIFO (first-in-first-out)-Register abgelegt. Von dort wird
es wiederum an den PC übertragen, wo durch den Fit eines expo-
nentiell gedämpften Sinus Frequenz und Abklingkonstante bestimmt
werden.

5.1.3 Oszillatorkreise
Der ursprüngliche Verwendungszweck von Quarzen in der Elektronik
ist der als frequenzstabilisierendes Element in einem Schwingkreis. Der
Unterschied zwischen dieser Anwendung und der QCM liegt sowohl
auf der elektronischen Seite – in einer QCM ist der Quarz üblicher-
weise stark bedämpft – als auch in der Peripherie: Für das exakte
Konstanthalten einer Frequenz muss der Quarz von allen Umwelt-
einflüssen möglichst abgeschirmt werden, da selbst AT-geschnittene
Quarze keinen Temperaturkoeffizienten von exakt Null aufweisen und
5.1 Erweiterung des Aufbaus 133

da Beschleunigungen, Licht, und vor allem elektronische Veränderun-


gen in der Beschaltung zu Verschiebungen der Resonanzfrequenzen
führen. Bei der Verwendung als Sensor einer QCM ist neben der Kon-
stanz insbesondere die exakte Messung der Ausgabefrequenz entschei-
dend. Es werden idealerweise alle bis auf einen externen Parameter
konstant gehalten, um aus der Veränderung des Resonanzverhaltens
Rückschlüsse über diesen einen veränderlichen Parameter ziehen zu
können.
Für eine stabile Oszillation müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:

|kA| ≥ 1 (5.2)
φ = n 2π, n ∈ N (5.3)

Hierbei stehen A für die Leerlaufverstärkung (open-loop gain), k für


den Rückkopplungsfaktor und φ für die Phasenverschiebung des ge-
samten Kreises. Die Bedeutung der ersten Gleichung ist unmittelbar
ersichtlich; ohne ausreichende Verstärkung kommt es gar nicht erst zu
einer Schwingung. Für eine stabile Oszillation ist außerdem ein Betrieb
des Quarzes bei einer Frequenz großer Phasensteilheit erforderlich.
Hierin liegt das größte Problem bei der Verwendung von Oszillator-
kreisen für QCM in Flüssigkeiten: Mit zunehmender Dämpfung wird
die Phasensteilheit immer kleiner,3 bis bei ausreichend großer Dämp-
fung die Null-Phase überhaupt nicht mehr erreicht wird. Abb. 5.4 zeigt
nach [56] für unterschiedliche Dämpfungen errechnete Phasenverläufe
über der Frequenz.

5.1.4 Serien- und Parallelresonanzkreise


Oszillatorschaltungen werden üblicherweise unterteilt in sogenannte
Serien- und Parallelresonanzkreise. Diese Unterteilung ist insofern pro-
blematisch, als sie zu der Annahme verleiten könnte, ein Parallelre-
sonanzkreis betreibe seinen Quarz bei der Parallelresonanz. Das ist
3
Für einen ungedämpften 10 MHz-Quarz beträgt die Phasensteilheit etwa
0.5 ◦ /Hz, in Wasser geht sie zurück auf 0.027 ◦ /Hz [47].
134 5 Abklingmessung und Oszillatorkreis

80

60

40 Abbildung 5.4: Phase


20 über Frequenz für unter-
arg (Z) [deg]

0 p
in
g schiedlich stark gedämpfte
-20 g
d
a
m
Systeme. Als dämpfender
in

c
re
a
s
Faktor wurden adsorbier-
-40 in
te viskoelastische Schich-
-60
ten unterschiedlicher Dicke
-80
nach [56] simuliert.
4999800 4999850 4999900 4999950 5000000 5000050

frequency [Hz]

jedoch nicht der Fall, alle Oszillatorkreise arbeiten in der Nähe der Se-
rienresonanz. Während die Serienresonanz ein tatsächlich vorhandenes
physikalisches Phänomen im Quarz darstellt, handelt es sich bei der
Parallelresonanz um ein reines Messphänomen, das sich nur bei der
externen Messung der Impedanz, z.B. mit Hilfe eines Impedanzanaly-
sators (vgl. Kap. 4), zeigt [52].
Die Namensgebung der unterschiedlichen Betriebsarten zeigt vielmehr
eine Parallele zu LC-Schwingkreisen auf. Sind beide Elemente in Serie
geschaltet, verschwindet die Impedanz eines idealen Schwingkreises.
Sind sie parallel angeordnet, wird die Impedanz unendlich groß. Eben-
so arbeitet ein Quarz-Serienschwingkreis bei kleiner Quarzimpedanz,
ein Parallelkreis bei hoher Quarzimpedanz. In beiden Fällen besteht
die Funktion des Quarzes darin, dem Schwingkreis seine Resonanzfre-
quenz aufzuzwingen, was umso stabiler gelingt, je mehr Kontrolle der
Quarz über den Kreis hat. Dies ist eine Frage geeigneter Impedanzver-
hältnisse, wobei grundsätzlich zwei unterschiedliche Implementierun-
gen denkbar sind:
Zum einen kann der Quarz als Serienelement geschaltet werden, wie
es in Abb. 5.5 links dargestellt ist. Hier arbeitet der Quarz als Teil ei-
nes Spannungsteilers, er schwingt ohne Phasenverschiebung bei seiner
Serienresonanz. Definitionsgemäß kann der Gain der Anordnung – in
Abb. 5.5 rechts dargestellt – nur kleiner als 1 sein. Dementsprechend
5.1 Erweiterung des Aufbaus 135

Abbildung 5.5: Quarz als Serienelement in einem Spannungsteiler (links),


Gain der Schaltung aufgetragen über der Frequenz (rechts); Abb. entnommen
aus [52].

benötigt ein nach diesem Prinzip aufgebauter Schwingkreis einen Ver-


stärker, was zu dem in Abb. 5.6 gezeigten Oszillatorkreis führt. Um
dem Quarz maximale Kontrolle über den Schwingkreis zu geben, müs-
sen sowohl der Lastwiderstand Rload als auch der Ausgangswiderstand
Rsource des Verstärkers klein im Vergleich zum internen Widerstand
des Quarzes Rm sein.
Die zweite grundsätzliche Möglichkeit der Quarzbeschaltung ist die sei-
ner Verwendung als paralleles Element in einer Spannungsteilerschal-
tung, wie in Abb. 5.7 links gezeigt. Das Serienelement des Spannungs-
teilers kann in diesem Fall kein ohmscher Widerstand sein, es muss

Abbildung 5.6: Typi-


scher Serienschwingkreis
ohne Phasenverschiebung;
Abb. entnommen aus [52].
136 5 Abklingmessung und Oszillatorkreis

Abbildung 5.7: Quarz als Parallelelement in einem Spannungsteiler (links),


Gain der Schaltung aufgetragen über der Frequenz (rechts); Abb. entnommen
aus [52].

eine Kapazität oder eine Induktivität verwendet werden. Die darge-


stellte Anordnung mit einer Kapazität C1 in Reihe mit dem Quarz
führt zu einer Resonanzfrequenz, die leicht oberhalb der Serienreso-
nanz des Quarzes liegt, wie der in Abb. 5.7 rechts dargestellte Gain
der Anordnung veranschaulicht.
In der dargestellten Anordnung führt der Spannungsteiler zu einer
Phasenverschiebung von −π/2, was durch die anderen Elemente ei-
nes derart beschalteten Schwingkreises ausgeglichen werden muss. Dies
kann sowohl durch eine Induktivität als auch durch eine weitere Ka-
pazität geschehen, wobei im ersten Fall ein invertierender Verstärker
zur Erfüllung der Phasenbedingung (5.3) notwendig ist, im zweiten
Fall ein nicht invertierender. Die resultierenden Schwingkreise, be-

Abbildung 5.8: Miller-


Schwingkreis; Abb. ent-
nommen aus [52].
5.1 Erweiterung des Aufbaus 137

Abbildung 5.9: Colpitts-


Schwingkreis; Abb. ent-
nommen aus [52].

kannt als Miller- bzw. Colpitts-Schwingkreise, sind in den Abbn. 5.8


und 5.9 dargestellt. In der Praxis verwendete Schwingkreise sind i.A.
erheblich komplexer als die hier skizzierten, da in den meisten Fällen
weitere Funktionalitäten implementiert sind, wie z.B. eine Pegelkon-
trolle.

5.1.5 Technische Realisierung der


Oszillatorkreismessung
Oszillatorkreise liefern im Vergleich zu den anderen Methoden nur be-
grenzte Informationen, sind aber in zweierlei Hinsicht deutlich über-
legen: Zum einen ist die