Sie sind auf Seite 1von 89

Universiteit Gent

Academiejaar 2011-2012

„Was wird hier gespielt?“


Eine Analyse der Beziehung zwischen Macht, Wahnsinn und der
Spiel-im-Spiel-Struktur in Dürrenmatts Komödien Die Physiker,
Die Panne und Romulus der Große

Promotor: Carolin Juliane Benzing Verhandeling voorgelegd aan de


Faculteit Letteren en Wijsbegeerte
voor het behalen van de graad van
Master in de Taal- en Letterkunde:
Duits(-Engels)

door

Gertjan Reunes
5

Dankeswort

Ich möchte besonders meiner Betreuerin Frau Carolin Juliane Benzing ganz
herzlich danken für die Begleitung, Unterstützung, die Zeit und Mühe, die sie in mich
investiert hat, und für die vielen Ansätze, die den mühsamen Anfang meiner Arbeit
vereinfachten. Außerdem wusste sie meine Gedankengänge zu bändigen und zum
Zweck der Effizienz einzusetzen.
Die zweiten Worte des Dankes gelten der ganzen deutschen Fachgruppe der
Universität Gent, weil ich während meines vierjährigen Studiums bei den
ProfessorInnen und anderen Mitarbeitern immer Rat, Hilfe und Unterstützung fand.
Dank schulde ich auch meinen Eltern bzw. meiner ganzen Familie vor allem für
die psychologische Unterstützung und ihre Geduld.
Dankbar bin ich auch meiner Freundin, die, im Gegensatz zu mir, immer an die
Vollendung meiner Arbeit geglaubt hat, und die mir immer moralische Unterstützung
verliehen hat.
Zu danken habe ich zuletzt all denjenigen, die mir auf welche Art und Weise auch
immer geholfen haben, und die Interesse für meine Arbeit zeigten bzw. zeigen.
Möge diese Arbeit den Leser für sein Interesse belohnen und zu neuen
Erkenntnissen führen. Möge diese Arbeit das Fundament für weitere Interpretationen
und ergebnisvolle Diskussionen bilden.

Gent, Mai 2012


6
7

Inhalt

Dankeswort 5
0. Einleitung 9
1. Das ‚Spiel im Spiel’: Ein theoretischer Rahmen 15
1.1. Die primäre Spielebene: Eine Begriffsannäherung 15
1.2. Die sekundäre Spielebene 21
1.2.1. Die realitätssystemisch einfachen Varianten der Spiel-im-Spiel-Struktur 23
1.2.2. Die realitätssystemisch komplexen Varianten der Spiel-im-Spiel-Struktur 30
2. Die Verbindung zwischen Spiel im Spiel und Machtstrukturen 45
2.1. Vorüberlegungen zur Position Dürrenmatts in Bezug auf den
Nationalsozialismus 45
2.2. Manipulation und Verstellungsspiel anhand nationalsozialistischer Terminologie
47
3. Die Verbindung zwischen Spiel im Spiel und Wahnsinn 59
3.1. Die verschiedenen Narrenfiguren 59
3.1.1. Der ‚Dürrenmattsche Narr’ 59
3.1.2. Der ‚weise Narr’ 62
3.1.3. Kontrastfiguren: ‚Natürlicher Narr’ vs. ‚Gespielter Narr’ 67
3.2. Der ‚wahnsinnige Narr’ 69
4. Schluss: Ausblick auf eine desillusionierende Spiel-im-Spiel-Struktur 81
5. Bibliografie 86
8
9

0. Einleitung

Die hier vorliegende Arbeit will einen Beitrag zum theatertheoretischen Thema
des ‚Spiels im Spiel’ leisten und eine innovative Sicht auf dieses viel besprochene
Kunstmittel (der Inszenierungspraxis) darstellen. Um diese innovativen
Perspektivierungen nachvollziehbar darzulegen, werde ich mich im ersten Kapitel
dieser Arbeit mit den gängigen (und dann meine ich vor allem die aktuellsten)
Auffassungen über das Spiel im Spiel auseinandersetzen.
Wenn ich das Spiel im Spiel, das Theater auf dem Theater erforschen will, lässt
sich die Frage, warum ich mich nicht mit dem Spiel in der Erzählung oder dem Spiel in
der Lyrik beschäftige, leicht beantworten: Das Spiel im Spiel ist nun einmal eine
Besonderheit des Bühnenraums. Hinzu kommt dann auch die Tatsache, dass das Theater
viel mehr visuelle Faktoren als die Literatur aufweist, und die Effekte des Theaters auf
das Publikum deswegen leichter zu bestimmen sind. Nur im Theater kann man
eigentlich noch eine Art von (indirekter) Interaktion zwischen Handlung und Publikum
wahrnehmen. Nicht nur wegen dieses Grundes habe ich mich entschlossen, die Texte
des Schweizer Autors Friedrich Dürrenmatt zu analysieren, aber auch weil er betont hat,
dass „ein Theater ohne Publikum nicht möglich ist“1, und weil er die Unmittelbarkeit,
die das Theater verursacht, schätzte und voraussetzte. Diesbezüglich scheint mir also
Dürrenmatts doppelte Kompetenz, seine Position als Theatertheoretiker und Autor,
äußerst interessant. „Die Unmittelbarkeit“, differenziert Dürrenmatt, „die jedes
Theaterstück anstrebt, die Sichtbarkeit, in die es sich verwandeln will, setzt das
Publikum, das Theater, die Bühne voraus.“2 Die drei Texte Dürrenmatts, die ich
diesbezüglich beleuchten werde, sind Romulus der Große [1949], Die Physiker [1962]
und Die Panne [1979]. Ich wählte diese drei, weil, meiner Meinung nach, in diesen
Theaterstücken die Verbindung zwischen Spiel-im-Spiel-Struktur, Macht und
Wahnsinn, die ich in dieser Arbeit diskutieren werde, am deutlichsten hervorgehoben
wird. Über die Dramen besteht in der Forschung aber manchmal Zweifel bezüglich der
Gattungsbezeichnung (Sind die Theaterstücke Dürrenmatts Komödien oder
Tragikomödien?), aber ich bringe sie alle auf den gemeinsamen Nenner der ‚Komödie’,
nicht nur, weil sie von Dürrenmatt selbst als Komödien bezeichnet werden (in den
1
Friedrich Dürrenmatt: Theaterprobleme. Zürich: Verlag AG „Die Arche“ 1955, S. 15.
2
Ebd., S. 16.
10

Untertiteln werden sie nämlich alle ‚Komödie’ genannt: Romulus der Große.
Ungeschichtliche historische Komödie, Die Physiker. Komödie, Die Panne. Komödie)
sondern meines Erachtens auch einfach, weil der ironische und komische Inhalt der
Texte sich dazu eignet. Es muss hier aber sicherlich auch betont werden, dass es die
Komödie Die Panne ist, die in dieser Arbeit analysiert wird, und nicht die zwei anderen
Gattungsbezeichnungen dieses Textes, das heißt die Erzählung oder das Hörspiel,
selbstverständlich, weil auch die zu untersuchenden Theaterstücke Romulus der Große
und Die Physiker beide Komödien sind.
Indem ich dem Spiel erhebliche Aufmerksamkeit widme, können mithin auch
bessere Erkenntnisse über die spezifischen Mechanismen und die typischen Konzepte,
die die dramatische Gattung der Komödie kennzeichnen, gewonnen werden. Diese
Untersuchung des ‚Spiels’ und, auf einer weiteren Ebene, des ‚Spiels im Spiel’ ist
deswegen sinnvoll, weil sie die scheinbare Oberflächlichkeit und Einfachheit der Form
und Struktur der Gattung der Komödie unterläuft. Das Spiel im Spiel wird nämlich auch
in den Tragödien oder in anderen Gattungen verwendet: Man kann die Komödie
deshalb nicht als eine oberflächliche Gattung, die wenig mit anderen, ‚seriöseren’
Gattungen zu tun hat.
Ich werde demnach die Spiel-im-Spiel-Strukturen der Komödie untersuchen, auch
weil das Spiel im Spiel immer mehr als ein Phänomen, das vor allem in der Moderne
sehr von Nutzen war, bezeichnet wird. Fischer und Greiner argumentieren nämlich, dass
the anthropological ubiquitousness of both play and performance as social action
as well as aesthetic experience testify to the international and multicultural
dimensions of the play within the play and its function as a motif in dramatic
literatures around the world.3
Es ist vor allem das Konzept der Selbstreflexivität, das das Spiel im Spiel für die
Moderne so attraktiv macht. Auch Fischer und Greiner konstatieren, dass das Spiel im
Spiel „a particularly apt device for the expression of the playful self-referentiality of the
post-modern condition“4 ist. Das Spiel im Spiel ist demnach mehr als ein Theaterstück,
das in ein anderes Theaterstück eingebettet ist. Wegen der Selbstreflexivität und der im
vorstehenden Zitat erwähnten Selbstreferentialität ist das Spiel im Spiel eigentlich auch

3
Gerhard Fischer und Bernhard Greiner: „The play within the play. Scholarly perspectives“. In: The play
within the play. The performance of meta-theatre and self-reflection. Hg. von Gerhard Fischer und
Bernhard Greiner. Amsterdam: Rodopi 2007, S. xi.
4
Ebd., S. xiii.
11

Metatheater, weil diese ungewöhnliche Struktur Fragen über die Gattung ‚Theater’
aufruft und zur Reflexion führt. Indem die normale Spielebene um eine weitere
erweitert wird, reflektiert die Spiel-im-Spiel-Struktur demnach schon selbst über die
Grenzen und Möglichkeiten der Theatergattung, wodurch das Spiel im Spiel als
Experiment und Metatheater betrachtet werden kann. Weil das Spiel im Spiel ein gutes
Instrument ist, um die Selbstreflexivität zum Ausdruck zu bringen, und weil die
Selbstreflexivität von Yifen Beus als „a marking of modernity in art and literature“5
umschrieben wird, lässt sich folgern, dass das Spiel im Spiel tatsächlich zu den
Kunstmitteln der modernen Literatur gehört.
Ich deute hier auf die Wichtigkeit der Selbstreflexivität der Spiel-im-Spiel-
Struktur hin, weil sie auch in Dürrenmatts Werken eine wichtige Position einnimmt.
Auch Dürrenmatt reflektierte über die Komödie, tastete die Grenzen des Theaters ab,
und plädierte für ein Theater als „Feld für Experimente“.6
Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit besteht darin, dass die Uneindeutigkeit der
Funktion der Spiel-im-Spiel-Struktur in Dürrenmatts Komödien erforscht wird, und die
zentrale Frage, die sich dabei stellen lässt, lautet: Warum benutzt Dürrenmatt so viel
Spiel im Spiel, eine Struktur, die von (Selbst-)Reflexivität ausgeht, und die wichtige
Aspekte wie Macht, Wahnsinn und (Rollen-)Spiel mitreflektiert und ihnen so Bedeutung
beimisst, in den zu besprechenden Komödien, während er dem Publikum keine Moral
beibringen will, überhaupt keine Erklärung seiner Stücke geben will? Laut Dürrenmatt
stellt die Bühne „nicht ein Feld für Theorien, Weltanschauungen und Aussagen, sondern
ein Instrument dar, dessen Möglichkeiten [er] zu kennen versuch[t], indem [er] damit
spiel[t]“7, das heißt ein „Feld für Experimente“, wie soeben erwähnt, was aber gar nicht
mit dem Gebrauch verschiedener metadramatischer Spiel-im-Spiel-Strukturen in diesen
Theaterstücken korrespondiert, weil das Spiel im Spiel normalerweise gerade dazu
eingesetzt wird, Überlegungen und Aussagen über die Form und Struktur des
Theaterstückes zu machen. Dürrenmatt merkt selbst an, dass es seine Leidenschaft ist,
auf dem Theater den Reichtum, die Vielfalt der Welt darstellen zu wollen. So
wird mein Theater oft vieldeutig und scheint zu verwirren. Auch schleichen sich

5
Yifen Beus: „Self-Reflexivity in the Play within the Play and its Cross-Genre Manifestation.“ In: The
play within the play. The performance of meta-theatre and self-reflection. Hg. von Gerhard Fischer und
Bernhard Greiner. Amsterdam: Rodopi 2007, S. 15.
6
Friedrich Dürrenmatt: Theaterprobleme, S. 20.
7
Ebd., S. 8.
12

Missverständnisse ein, indem man verzweifelt im Hühnerstall meiner Dramen


nach dem Ei der Erklärung sucht, das zu legen ich beharrlich mich weigere.8
Dürrenmatt will demnach dem Publikum keine Erklärungen und keine klare
Auseinandersetzung über seine einzelnen Stücke geben, auch nicht, wenn dies zu großer
Verwirrung führt. Ich werde deshalb versuchen, dieses „Ei der Erklärung“ doch zu
legen, und in diesem Zusammenhang versuchen, vor allem die spezifischen Funktionen
des Spiels im Spiel in Dürrenmatts Theaterstücken auszuarbeiten.
Den Anfang dieser Arbeit bildet ein einführendes Kapitel, um eine theoretische
Grundlage darzustellen, auf die in den weiteren, textnäheren Kapiteln dann aufgebaut
werden kann. Der theoretische Rahmen des ersten Kapitels wird aber schon von einigen
Beispielen zum Zweck der Erläuterung unterstützt. Den ersten Schwerpunkt dieses
Kapitels bildet eine Begriffsannäherung an die primäre Spielebene, das heißt des
eigentlichen ‚Spiels’, bevor mit der Analyse der komplexeren zweigliedrigen Struktur
des Spiels im Spiel angefangen werden kann. Für diese Begriffsannäherung beziehe ich
mich vor allem auf die theoretischen Beiträge von Klaus Schwind, der auf den
Unterschied zwischen den Spielregeln und den Regeln der Wirklichkeit aufmerksam
macht, und Renata Plaice, die zwei grundsätzlichen Prinzipien des Spiels beleuchtet: die
Wiederholung als konstituierende Eigenschaft des Spiels und die Transzendierung der
Wirklichkeit, das heißt das Spiel als ein übergreifendes Phänomen, das die ganze
Wirklichkeit umfasst.
Die Definition des ‚Spiels’ und die Befunde werden dann im zweiten Unterkapitel
erweitert und lassen sich auf die sekundäre Spielebene, das Spiel im Spiel,
transponieren. In diesem Kapitel wird eine Aufteilung zwischen den von Uwe Durst
beschriebenen realitätssystemisch (ein Terminus, den ich unter 1.2.1. erläutern werde)
einfachen und komplexen Spiel-im-Spiel-Strukturen, gemacht, weil nur so das
Dürrenmattsche Spiel im Spiel nachvollziehbar dargelegt werden kann. Die Basis der
Untersuchung des Spiels im Spiel besteht somit aus einer eingehenden
Auseinandersetzung mit Dursts Konzepten, und ich benutze diese Theorie, um die
verschiedenen Spiel-im-Spiel-Strukturen, die in Dürrenmatts Komödien enthalten sind,
aufzudecken. Der erste Schritt in der Untersuchung ist die Besprechung der einfachen
Spiel-im-Spiel-Strukturen, worauf dann der Übergang zur Diskussion der komplexen

8
Friedrich Dürrenmatt: Theaterprobleme, S. 29.
13

Varianten erfolgt. In Bezug auf die komplexen Spiel-im-Spiel-Strukturen sind vor allem
die Kommentare von Manfred Pfister und Yifen Beus zu beachten. Da die komplexen
Spiel-im-Spiel-Strukturen den wichtigsten Aspekt dieser Arbeit bilden, ist eine
eingehende Diskussion der Forschungsliteratur erforderlich. Ich benutze die
theoretischen Ansätze von Pfister und Beus, um meine Behauptung, dass unter anderem
das Verstellungsspiel, der Gebrauch von Lyrik im Spiel und die Parodie zu den
realitätssystemisch komplexen Spiel-im-Spiel-Strukturen gehören, zu unterstützen.
Wichtig für meine Argumentation scheint vor allem die Opposition zwischen dem von
Pfister eingesetzten Terminus der „Fiktionalität“ und dem von Beus beschriebenen
Konzept der „Illusion“. Eine weitere Begründung für den Wert des Konzepts der
Illusion bildet die Diskussion von Foucaults „illusorischer Heterotopie“, weil diese die
Komplexität und Macht der Spiel-im-Spiel-Struktur in Bezug auf das Verhältnis
zwischen Wirklichkeit und Illusion illustriert.
Neben den zwei Kategorien des Spiels im Spiel werden auch die Abweichungen
von den Basisstrukturen, die vielleicht noch wichtiger für die Analyse des Spiels im
Spiel als die ‚normalen’ Strukturen sind, beachtet, das heißt die Durchbrechung oder
Mischung der verschiedenen Spielebenen, meistens zum Zweck der Aufhebung der
dramatischen Illusion, der Desillusion, die den Zuschauer vom Bühnengeschehen
trennt. Ein anderes Element des Spiels im Spiel, nämlich das, was der Spielende, der
Schauspieler, für sich selbst, während des Aktes des Spielens, organisiert, empfindet –
ein Thema, das auch von Klaus Schwind ausführlich untersucht worden ist –, werde ich
in der Arbeit nicht besprechen, weil es mich in erster Linie zu weit führen würde, und
zweitens, weil es keine Bereicherung für meine Problemstellung ist, da es sich in
diesem Fall nicht um ein vom Autor bewusst inszeniertes Kunstmittel handelt.
Wie bereits bemerkt worden ist, formen die realitätssystemisch komplexen
Varianten der Spiel-im-Spiel-Struktur den Ausgangspunkt der weiteren textnahen
Analyse, weil ich mich mit zwei von mir eingesetzten Kategorien beschäftigen werde,
zwei Kategorien, die meines Erachtens auch zu den komplexen Spiel-im-Spiel-
Strukturen gerechnet werden können, und die anhand von den drei Komödien
Dürrenmatts besprochen werden können: das Verstellungsspiel der Figuren, das unter
anderem aus nationalsozialistischer Terminologie zum Zweck der Machterhöhung
zustande kommt, und das Narrenspiel.
14

Das erste Thema, das ich anschneiden werde, ist die komplexe Spiel-im-Spiel-
Struktur des (impliziten) nationalsozialistischen Verstellungsspiels. Die Untersuchung
der Verweise auf das Dritte Reich ist der erste Schritt in der Beispielanalyse, weil der
Zuschauer auf diese Art und Weise erfährt, wie die Machtverhältnisse liegen, damit die
Grundbeziehungen zwischen den verschiedenen Figuren deutlich werden.
Ich werde abschließend der Frage nachgehen, ob Macht, Spiel und Wahnsinn
miteinander zu verbinden sind. Das mache ich anhand einer Diskussion des
Narrenspiels, eine andere komplexe Spiel-im-Spiel-Struktur, die meines Erachtens
besser dazu geeignet ist, ausführlicher auf die einzelnen spezifischen Rollen(-Spiele)
der Figuren einzugehen. Der Grund, warum ich das Spiel des Narren in Dürrenmatts
Theaterstücken untersuchen will, geht aus der Tatsache hervor, dass der Narr eine
wichtige Position in seinen Werken einnimmt, da er als Stellvertreter des (tragischen)
Helden betrachtet wird. Aus Dürrenmatts Definition in Bezug auf den Narren lässt sich
aber folgern, dass fast all seine Figuren Narren sind, was im dritten Kapitel aber
erläutert werden wird. Deswegen liegt es nahe, dass eine Besprechung der
verschiedenen Arten von Narren notwendig ist, weil nur auf diese Art und Weise die
präzisen Effekte und Funktionen nachvollziehbar dargelegt werden können und deutlich
wird, welche Figuren aus Dürrenmatts Komödien zur Narrenfiguren benennt werden
können.
Der Anfang meiner Argumentation besteht darin, dass eine Definition des
‚Dürrenmattschen Narren’ aufzustellen versucht wird, und dass wegen der Vielfalt der
närrischen Figuren, die nach Anwendung dieser Definition entsteht, auf Elisabeth
Frenzels Theorie über die spezifischen Narren zurückgegriffen werden muss. Diese
Theorie, die im Gegensatz zu den anderen theoretischen Grundlagen dieser Arbeit nicht
so rezent ist, die aber für diese Arbeit wichtig ist in dem Sinne, dass sie die
verschiedenen Arten von Narren sehr deutlich darstellt, wird meine These, dass es
Unterschiede zwischen den ‚Dürrenmattschen Narren’, die den Aspekt des Wahnsinns
und der Macht hervorrufen und beeinflussen, gibt, in dem Sinne unterstützen, dass die
von ihr beschriebenen Narren auch in Dürrenmatts Komödien erscheinen. Der erste
Bezugspunkt ist die Besprechung des ‚weisen Narren’, die aber auch zugleich den
Unterschied zwischen den ‚natürlichen’ und ‚gespielten Narren’ mitimpliziert. Durch
die Integrierung der verschiedenen Narrenkonzepte in der Analyse erhoffe ich neue
15

Erkenntnisse über die Funktionen und Rollen der ‚Dürrenmattschen Narren’ und über
die Beziehung zwischen dem Spiel dieser Narren und ihrem Wahnsinn zu gewinnen.
In der Besprechung des Narrenspiels wird auch ein Bezug zum ‚Shakespearean
Fool’ hergestellt, weil Dürrenmatt oft Parodien oder Hinweise auf Shakespeare gemacht
hat, und weil es meiner Meinung nach mehr Übereinstimmungen zwischen dem
‚Shakespearean Fool’ und dem ‚Dürrenmattschen Narren’ gibt als man vermutet. Hinzu
kommt die Tatsache, dass, wie ich im ersten Kapitel zeigen werde, Shakespeare
manchmal die Spiel-im-Spiel-Struktur (wie zum Beispiel das Spiel im Spiel „The
Murder of Gonzago“ in der Tragödie Hamlet, das als Musterbeispiel der Spiel-im-Spiel-
Struktur bezeichnet werden kann) in Anspruch nimmt, wodurch es sinnvoll erscheint,
Shakespeares Narrenkonzept in die Besprechung der Spiel-im-Spiel-Struktur von
Dürrenmatts Komödien mit einzubeziehen. Vor allem auch die Verbindung mit
Wahnsinn in Hamlet ist meiner Meinung nach von Bedeutung, und eine gründliche
Untersuchung erscheint mir folglich lohnenswert.
In der Schlussfolgerung werden dann letztendlich die Ergebnisse der Analyse von
den verschiedenen Spiel-im-Spiel-Strukturen präsentiert und interpretiert.

1. Das ‚Spiel im Spiel’: Ein theoretischer Rahmen


1.1. Die primäre Spielebene: Eine Begriffsannäherung

Bevor ich mit der konkreten Analyse anfange, erscheint es sinnvoll die Thematik
und die Funktion des ‚Spiels’ im Theater zu erforschen. In diesem Kapitel wird der
Ausgangspunkt, das heißt die Besprechung des Spiels im Allgemeinen, aber weiter
ausgearbeitet und wird eine Annäherung an den Begriff ‚Spiel im Spiel’ beabsichtigt,
damit die eigentliche Textanalyse der drei Komödien sich aufgrund der Befunde dieser
Begriffsannäherung entfalten kann.
Zuerst wird auf die primäre Spielebene, das heißt, das Spiel, das die Grundlage für
das Spiel im Spiel bildet, eingegangen. In diesem Zusammenhang gibt es eine erste
Nuancierung, die sehr logisch anmutet, weil es Theaterstücke sind, die besprochen
werden, auf die aber trotzdem hingewiesen werden muss, nämlich auf die Tatsache,
dass es sich in dieser Arbeit um ‚Theaterspiel’ handelt. Theater, das von Schwind als
16

„‚modellbildendes’ kulturelles System, in dem Wahrnehmungsformen und


Bedeutungserzeugungen in komplexer Weise ereignishaft und sinnlich reflektiert,
inszeniert und kommuniziert werden“9, bezeichnet wird, stellt den Ausgangspunkt
dieser Arbeit dar. Wie zuvor erwähnt, wird nur auf die inhaltliche Ebene des Spiels des
Schauspielers, auf das Spiel als Spiel, und nicht auf die persönlichen Empfindungen des
Spielenden fokussiert. Laut Gebauer und Wulf ist das Spiel „ständige Erfindung,
Illusion und Faszination; es erzeugt eine verwandelte Welt, hervorgerufen durch eine
Verwandlung der Spieler und ihrer Beziehungen untereinander, ihrer Gemeinschaft
insgesamt“.10 Dem Zuschauer wird auf der Bühne eine fiktive Welt mit fiktiven
Ereignissen und Verhältnissen vorgeführt. Das Spiel auf der primären Ebene enthält
demnach nicht nur die Schauspielleistungen, sondern auch alles, was sie verkörpern:
Mit dem Spiel ist das Ganze, bestehend aus der von den Schauspielern kreierten
Spielwelt, in der sich die Handlung vollzieht, den einzelnen fiktiven Geschehnissen und
den Handlungen und Charakteristika der Figuren gemeint. Huizinga merkt übrigens an,
dass ein Spiel das „Heraustreten aus dem Kontinuum der Wirklichkeit in eine Welt mit
eigenen Gesetzen“ ist, und dass das Ende des Spiels eine „Rückkehr in die Wirklichkeit
mit Ergebnissen aus diesem frei geschaffenen Zwischenraum“ beinhaltet.11 In
Dürrenmatts Fall würde zu diesem Zweck als Spiel immer eine Komödie verwendet, da
die Komödie, so Dürrenmatt, die einzige Gattung ist, die Distanz zwischen Zuschauer
und dem Aufgeführten schafft.12 Nur infolge dieser Distanz kann der Zuschauer
paradoxerweise viel mehr aus dem Spiel in der Wirklichkeit übertragen. Die von
Huizinga hervorgehobene Definition des Spiels korrespondiert mit der Behauptung
Schwinds, dass
[e]rst die pragmatisch bedingte ‚metakommunikative’ Setzung des Rahmens [es]
ermöglicht, daß für die Wahrnehmung der Spielhandlungen innerhalb des
Rahmens immer zuerst die Regeln des Spiels gelten und nicht diejenigen Regeln,
die ansonsten außerhalb dieses Rahmens die Wahrnehmung von Wirklichkeit
ordnen.13

9
Klaus Schwind: „Theater im Spiel – Spiel im Theater. Theoretische Überlegungen zu einer
theaterwissenschaftlichen Heuristik“. In: Weimarer Beiträge 3 (1997), S. 419.
10
Gunter Gebauer; Christoph Wulf: Spiel, Ritual, Geste. Mimetisches Handeln in der sozialen Welt.
Hamburg: Rowohlt Verlag 1998, S. 199.
11
Johan Huizinga: Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. Reinbek: Rowohlt Verlag 1971, S.
14 f.
12
Friedrich Dürrenmatt: Theaterprobleme, S. 46.
13
Klaus Schwind: „Theater im Spiel“, S. 423.
17

Die Regeln, die in der Wirklichkeit gültig sind, treffen nicht auf die des Spiels zu. Das
Spiel bildet ein autonomes Universum mit seinen eigenen Gesetzen und (Spiel-)Regeln.
Diese ‚Spielwelt’ ist eine völlig andere als die reale Welt, unsere Wirklichkeit;
trotzdem, gibt es Elemente (das heißt die „Ergebnisse“, die das Theaterstück bei der
Rückkehr in die Wirklichkeit hervorruft), die der Zuschauer aus dem Spiel herausholt
und diese auf die eigene Umgebung überträgt und projiziert, wie auch Huizinga im
zuvor erwähnten Zitat anerkannt hat. Man könnte daraus schließen, dass das eigentliche
Spiel komplexer als die reale Welt ist. Dementsprechend erklärt Schwind, dass „Spieler
Elemente und Strukturen [komplizieren], die sie in den Spielprozeß hineinnehmen,
schon dadurch, daß diese Strukturen im Verhältnis zum ‚sonstigen’ Gebrauch andere
Bedeutungen bzw. Bedeutungsanteile erhalten.“14 Die realen und vertrauten
Konzeptionen und Perspektiven des Zuschauers werden somit nicht nur vom fremden
Stoff und Inhalt des Spiels umgestaltet, sie werden auch durch die Schauspieler, die je
ihre eigene Sicht auf die Dinge haben, und die die einzigen Medien sind, durch die der
Zuschauer von der fiktiven Welt erfährt, problematisiert. Man kann die Tatsache, dass
der Zuschauer von den Perspektiven des Schauspielers beeinflusst wird, als eine
Beschränkung auffassen, aber das Ziel der (Dürrenmattschen) Komödie bleibt in erster
Instanz die Schaffung der Distanz zwischen Publikum und Bühne, wodurch der
Zuschauer doch auf seine eigenen Standpunkte und die vertrauten Konventionen
zurückgreifen muss, um die Komplexität des Spiels irgendwie erklären zu können.
Außerdem ist auch das Verhältnis zwischen Spielern und Spiel kompliziert.
Gadamer generalisiert es folgendermaßen: „Das eigentliche Subjekt des Spiels […] ist
nicht der Spieler, sondern das Spiel selbst. Das Spiel ist es, was den Spieler in seinen
Bann schlägt, was ihn ins Spiel verstrickt, im Spiele hält.“15 Meiner Meinung nach kann
man diese Einsicht nicht in allen Bedeutungsschichten des Spiels anwenden. Wenn mit
‚Spiel’ das Spielen der Schauspieler gemeint ist, scheint es sehr unwahrscheinlich, dass
die professionellen Schauspieler so in ihrem Spiel aufgehen, dass sie vom Spiel
dominiert und zum Objekt werden. Gadamer bezieht sich hier aber nicht auf das
Schauspielen als Beruf, sondern auf das Spiel im allgemeinen Sinne.16 Dem Zitat

14
Klaus Schwind: „Theater im Spiel“, S. 425.
15
Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik.
Tübingen: Mohr Siebeck 1974, S. 106.
16
Ein anderer Text, auf den in diesem Zusammenhang verwiesen werden kann, ist die Komödie
Biografie: Ein Spiel vom Schweizer Schriftsteller Max Frisch, der genauso wie Dürrenmatt sein
18

Gadamers zufolge, könnte man behaupten, dass zum Beispiel die Hauptfigur aus
Dürrenmatts Komödie Die Panne, Herr Traps, allmählich vom (Gerichts-)Spiel
manipuliert wird, so dass er am Ende nicht mehr zwischen Sein und Schein
unterscheiden kann, und schließlich Selbstmord verübt. Das Spiel selbst hat die
Kontrolle und Traps, der am Anfang dem Spiel zustimmt und bewusst ‚Spieler’ wird,
wird in diesem Theaterstück letztendlich nur ein Spielball, ein Objekt. In dieser
Hinsicht fällt auch der Namengebrauch Dürrenmatts auf. Crockett hat nämlich
festgestellt, dass
[t]he connection between the name ‚Traps’ and the English ‚trap’ is obvious. The
protagonist walks into one after another. In fact he trudges into the prosecutor’s
traps awkwardly, with a heavy, clumsy footfall, as the German verb trapsen
suggests.17
Mitrache bezieht sich bei ihrem Versuch, den Namen ‚Traps’ zu erklären, auf einen
phraseologischen Ausdruck, der auch gut die Ironie, die für Dürrenmatt so
charakterisierend ist, ausdrückt. Mitrache merkt an, dass der Name ‚Traps’ eine
ironische Anspielung ist, die „auf den Phraseologismus Nachtigall, ick hör’ dir trapsen
‚ich merke, worauf die Sache hinausläuft’ [deutet], wobei ironischerweise genau das
Gegenteil gemeint ist.“18 Traps weiß nicht, dass er von den Gegenspielern, den Greisen,
manipuliert wird, und merkt nicht, dass er in die Falle geht, und dass das Spiel ihn
kontrolliert. Die Greise, sind diejenigen, die das Gerichtspiel erfunden haben, und die
deshalb nicht vom Spiel manipuliert werden können wie das bei Traps der Fall ist.
Dürrenmatts Theaterstücke sind demnach gute Beispiele für die Tatsache, dass
das Spiel seine Spieler manipuliert und überwindet. Es sind aber nicht nur die Spieler,
die vom Spiel besiegt werden. Die Moderne sieht nämlich das Spiel, wie auch Plaice

Theaterstück als Komödie bezeichnet hat, obwohl das Stück viele tragische Merkmale aufweist. In dieser
Komödie lässt ein Registrator dem todkranken Hannes Kürmann die Wahl, seine Biografie zu verändern,
wodurch sein Leben eigentlich zu einem Spiel wird. In dieser Hinsicht wirkt der Titel sehr ironisch, weil
eine objektive Gattung wie die Biografie sich normalerweise nicht mit ‚Spiel’ in Einklang bringen lässt.
Kürmann geht im Spiel des Registrators auf und glaubt, er kann sein Leben ändern, obwohl es eigentlich
nur eine Biografie ist, die er ändern kann. Das Theaterstück ist ein Spiel im Spiel in dem Sinne, dass der
Registrator und Kürmann Teil der primären und die gespielte Biografie Kürmanns Teil der sekundären
Spielebene sind. Die Distanz, die laut Dürrenmatt so wichtig ist für die Komödie, wird durch das Aus-
der-Rolle-Fallen der Figuren, das ich später in dieser Arbeit (vor allem in Bezug auf Dürrenmatts Panne)
beleuchten werde, kreiert.
17
Roger A. Crockett: Understanding Friedrich Dürrenmatt. Columbia (S.C.): University of South
Carolina press 1998, S. 92.
18
Liliana Mitrache: Intertextualität und Phraseologie in den drei Versionen der Panne von Friedrich
Dürrenmatt. Aspekte von Groteske und Ironie. Uppsala: Uppsala University Library 1999, S. 56.
19

anerkannt hat, „als die Bewegung der Überwindung der Wirklichkeit“19 oder die
Transzendierung der Wirklichkeit.20 Damit ist nicht nur der bewusste Eskapismus des
Zuschauers, der der Realität nur im Spiel entfliehen kann, sondern auch die zuvor
erwähnte Übertragung der neuen Bedeutungen, Belehrungen und Ergebnisse aus dem
Spiel auf die reale Welt, gemeint. Das Theater Dürrenmatts liegt deutlich in dieser
modernen Tradition, weil auch seine Komödien implizit oder explizit der Gesellschaft
den Spiegel vorhalten, aber keine Lösungen für die dargestellten Probleme bieten, wie
in der Einleitung schon erläutert wurde.
Das Spiel ist somit eine vielseitige und dynamische Sache, von der ich noch zwei
sehr wichtige Eigenschaften beleuchten muss, ehe mit der Besprechung einer noch
komplexeren Dimension des Spiels, nämlich dem Spiel im Spiel, angefangen werden
kann. Das erste Merkmal, an dem man ein Spiel erkennen kann, ist die Wiederholung,
die, laut Plaice, „neben der Bewegung die konstituierende Eigenschaft des Spiels [ist]
und in der sich das Phänomen des Spiels vielleicht am stärksten [zeigt].“21 Das Element
der Wiederholung findet man in allen drei Komödien. In der Komödie Die Panne fällt
zum Beispiel das kontinuierliche Trinken des Weins auf, bei dem das Ritual des
Riechens, Kostens, Zapfens und Trinkens auch sehr komisch anmutet. Die Hühner im
Theaterstück Romulus der Große, die alle nach früheren römischen Kaisern benannt
sind, bilden den komischen roten Faden des Stückes. Sie sind die Verkörperung des
Spiels des Kaisers, der sich für einen schlecht regierenden Machthaber, der nur mit
seinen Hühnern beschäftigt ist, ausgibt. Auch Die Physiker strotzt vor Wiederholungen.
So gibt es zum Beispiel das wiederkehrende Motiv der Ermordung der drei
Krankenschwestern und die Anfänge der zwei Akte sind fast völlig identisch, wie zum
Beispiel die wiederkehrende Diskussion über das Rauchen oder Trinken und die
Mörder-Täter-Diskussion. Hier verleiht Dürrenmatt dem Spiel aber eine zusätzliche
Dimension, indem er den Dialog beibehält, die Rollen der Figuren aber wechselt,
wodurch der Zuschauer paradoxerweise noch mehr darauf achtet, dass es wirklich ein
Spiel ist, das er sich ansieht. In den drei Theaterstücken sind diese Wiederholungen
immer unlösbar mit komischen Effekten verbunden. Aus der Tatsache, dass Komik

19
Renata Plaice: „Das Spiel als das Dynamische. Der Begriff des Spiels zwischen Moderne und
Postmoderne“. In: Literatur als Spiel. Evolutionsbiologische, ästhetische und pädagogische Konzepte.
Hg. von Thomas Anz und Heinrich Kaulen. Berlin: de Gruyter 2009, S. 362.
20
Ebd., S. 367.
21
Ebd., S. 364.
20

einen großen Bestandteil, wenn nicht den Hauptbestandteil des Spiels bildet, lässt sich
deshalb folgern, dass diese komischen Effekte in der Wiederholung, einer der
wichtigsten Eigenschaften des Spiels bzw. der Komödie hervortreten.
Das zweite Merkmal des Spiels hängt in wichtigem Maße mit der zuvor
erwähnten Eigenschaft der Transzendierung der Wirklichkeit zusammen. Plaice
umschreibt das Spiel nämlich als ein
Phänomen der Totalität, das immer wieder die Wirklichkeit als Ganzes mit
einbegreift und in sich hinein schließt. Das Motiv des ‚Spiels im Spiel’ wird als
Konsequenz besonders beliebt, weil es den Totalisierungsprozess des Spiels
veranschaulicht.22
Das Spiel ist die Instanz, die die ganze Wirklichkeit umfasst und gleichzeitig auch mehr
als nur diese Wirklichkeit ist. Plaice weist hier aber auf das „Motiv des ‚Spiels im
Spiel’“ (das ich aber eher als Kunstmittel bezeichne), das hervorragend für die
Darstellung dieser Totalität geeignet ist. Das Spiel im Spiel bietet dem Zuschauer die
visuellen Mittel, um die Ganzheit des Spiels zu überschauen, weil es selbst aus
verschiedenen (Spiel-)Ebenen und verschiedenen ‚Wirklichkeiten’, die zur
Totalisierung beitragen, besteht. Durch die Spiel-im-Spiel-Struktur, die ich später in
dieser Arbeit ausführlich diskutieren werde, werden der Nutzen und die Funktion des
eigentlichen Spiels erfasst. Plaice betont, dass
[d]as Modell des ‚Spiels im Spiel’ veranschaulicht, wie die ‚Struktur’ des Spiels
sich der Erfassung, Konzeptualisierung und damit der Strukturalisierung immer
wieder entzieht – auf den ersten Blick handelt es sich um statische Spielebenen,
die sich durch Reziprozität erstens verkehren und zweitens immer neu
verfremden; was aber das Spielerische ausmacht, ist der Raum zwischen den
Ebenen, das Verweisen selbst, die Bewegung zwischen dem Physischen und dem
Metaphysischen.23
Es wird somit mit den Übergängen zwischen primären, sekundären (oder noch
mehreren) Spielebenen gespielt. Die Elemente der Dynamik, der Totalisierung und der
Interaktion zwischen den verschiedenen Spielebenen sind die absoluten
Voraussetzungen des Spiels. Ein Beispiel dieser Totalität und Verschlingung der
Theaterebenen ist die von Manfred Pfister dargestellte „Thematisierung des Mediums
Drama und Theater, wodurch implizit auch das Verhältnis zwischen dem realen
Publikum und der realen Aufführung verfremdend bloßgelegt wird.“24 Jetzt, da das

22
Renata Plaice: „Das Spiel als das Dynamische“, S. 360.
23
Ebd., S. 361.
24
Manfred Pfister: Das Drama. Theorie und Analyse. München: Fink 2001, S. 299.
21

Element des ‚Spiels’ besprochen worden ist, und auf die Dynamik und Interaktion
zwischen den Spielebenen hingewiesen worden ist, kann letztendlich den Übergang zur
Diskussion der zweiten Spielebene, des Kunstmittels des ‚Spiels im Spiel’ gemacht
werden.

1.2. Die sekundäre Spielebene

Das Spiel im Spiel werde ich hier ausführlich besprechen, weil auf diese Art und
Weise die Komplexität und die Funktion des Spiels auf allen (Spiel-)Ebenen erläutert
werden können. Ich werde hier schon einen ersten Hinweis auf diese Komplexität
geben, damit deutlich wird, dass es nützlich ist, die Spiel-im-Spiel-Struktur gründlich zu
analysieren. Es handelt sich in diesem Fall um die von Gerhard Fischer und Bernhard
Greiner beschriebene inhärente doppelte Realität des Spiels. In Bezug auf das Spiel im
Spiel behaupten sie Folgendes:
Its most salient features is that it doubles an aesthetic experience which already
presents a dual reality: the actor, who appears on stage both in his/her own
physical presence and in the part he/she portrays, assumes and plays yet another
role, thus adding a third identity which itself is constructed in the context of a
third level of time, space, characterisation and action.25
Die Komplexität des Spiels (bzw. des Spiels im Spiel) besteht darin, dass das Spiel
schon auf der ersten Ebene eine doppelte Realität aufweist, das heißt die physikalische
Anwesenheit des Schauspielers, die mit dem Äußeren der Figur, die er vertritt,
zusammenfällt.
Wie bereits erwähnt, werden in dieser Arbeit verschiedene Arten vom Spiel im
Spiel erforscht, aber ich fange mit der Diskussion der allgemein anerkannten Spiel-im-
Spiel-Struktur, wie sie von Uwe Durst umschrieben wurde, an:
Die meisten Dramen generieren eine einzige fiktionale Ebene: Im Fall der
Aufführung betrachten die realen Zuschauer ein Geschehen, das sich durch seine
Scheinhaftigkeit von der Nicht-Scheinhaftigkeit ihrer eigenen Welt unterscheidet.
Im Spiel im Spiel wird dieser Fiktionalität 1 eine sekundäre hinzugefügt: Ein Teil
der Bühnenfiguren übernimmt die Rolle eines fiktionalen Publikums, vor dem ein
anderer Teil der Figuren wiederum ein Stück aufführt.26

25
Gerhard Fischer und Bernhard Greiner: „Scholarly perspectives“, S. xi.
26
Uwe Durst: „Realitätssystemisch einfache und komplexe Varianten der Spiel-im-Spiel-Struktur“. In:
Neohelicon 2 (2010), S. 489.
22

Das Musterbeispiel einer solchen Spiel-im-Spiel-Struktur ist, wie gesagt, die


Aufführung des Spiels „The Murder of Gonzago“ in der Shakespearischen Tragödie
Hamlet. In diesem Theaterstück lässt Hamlet das Spiel „The Murder of Gonzago“
aufführen, und Hamlets Onkel Claudius, seine Mutter Gertrude und andere Leute des
dänischen Hofstaates werden zum Publikum. Dieses Spiel im Spiel ist nicht ein
willkürlich gewähltes Theaterstück, sondern es dient dazu, die Reaktion von Claudius,
der den Vater Hamlets ermordet hat, um den Thron und die Frau (Hamlets Mutter
Gertrude) seines Bruders zu erhalten, zu ergründen, und ihn damit zu überführen. Im
Spiel im Spiel treten nämlich verschiedene Themen, die implizit auf den inzestuösen
Mörder Claudius hinweisen, hervor, so dass das Spiel im Spiel klare Beziehungen zu
der ersten Spielebene aufweist. Auch die Tatsache, dass „The Murder of Gonzago“
Hamlets Vermutung bestätigt und die Ursache einer Reihe von Handlungen Hamlets auf
der übergeordneten Handlungsebene ist, und somit deutlich Implikationen für diese
primäre Spielebene hat, deutet darauf hin, dass das Spiel im Spiel nicht als willkürlich
bezeichnet werden kann. In Bezug auf das Zitat von Durst ist aber weiter noch zu
bemerken, dass in den drei Theaterstücken Dürrenmatts diese doppelte Fiktionalität
kompliziert wird in dem Sinne, dass manche Figuren des fiktionalen Publikums (wie
zum Beispiel Möbius aus den Physikern, der das Rollenspiel der anderen Physiker nicht
bemerkt) nicht von ihrer Rolle als Teil des Publikums wissen, aber auf diese Tatsache
komme ich später noch zurück, nämlich bei der Diskussion des Rollenspiels in
Dürrenmatts Theaterstücken.
Das Spiel im Spiel wird also mit einer deutlichen Absicht des Autors eingesetzt.
Einer der wichtigsten Gründe für die Verwendung der Spiel-im-Spiel-Struktur in der
Moderne – ein Punkt, der bereits in der Einführung berührt worden ist – ist die
Selbstreflexivität dieser Theaterform. Yifen Beus merkt an, dass das Spiel im Spiel „is
often used by playwrights to reveal the workings of dramatic irony and the very nature
of drama.“27 Das Spiel im Spiel ist demnach als eine Form von Metatheater, das heißt
die immer wiederkehrende „Reflexion des Theaters auf sich als Medium“28, zu
betrachten. Das Spiel im Spiel reflektiert aber nicht nur über das Medium Theater und

27
Yifen Beus: „Self-Reflexivity“, S. 15.
28
Anke Bosse: „Retheatralisierung in Theater und Drama der Moderne. Zum Spiel im Spiel“. In:
Literatur als Spiel. Evolutionsbiologische, ästhetische und pädagogische Konzepte. Hg. von Thomas Anz
und Heinrich Kaulen. Berlin: de Gruyter 2009, S. 429.
23

über das Spiel als Spiel, laut Fischer und Greiner bietet das Spiel im Spiel auch „an
important organisational structure that highlights certain ways of approaching or dealing
with the world.“29 Dürrenmatts Komödien weichen hier aber ab in dem Sinne, dass sie
dem Zuschauer keine bestimmten Haltungen in Bezug auf den Umgang mit der Welt
bieten. Sie zeigen eher, wie man nicht mit der Welt umgehen soll (Romulus überlässt
das Volk seinem Schicksal, Traps nimmt das Gerichtsspiel zu ernst und verübt
Selbstmord, und Möbius versucht weltumstürzende Information zu verheimlichen), aber
die Erklärung seiner Komödien oder das Anbieten verschiedener Umgangsformen
gehören nicht zu seinen Absichten, wie bereits in der Einleitung erklärt wurde. Es ist
selbstverständlich aber nicht so, dass Dürrenmatts Komödien keine einzige
Verdeutlichung aufweisen, sonst wären sie nur abstrakte Aufführungen ohne
Zusammenhang. Es stimmt aber, dass sie im Verhältnis zu anderen Theaterstücken aus
der Moderne doch weniger erklärend sind.

1.2.1. Die realitätssystemisch einfachen Varianten der Spiel-im-Spiel-Struktur

Jetzt, da die einführenden Bemerkungen in Bezug auf das Spiel und das Spiel im
Spiel geäußert worden sind, werde ich mich in die Analyse der, um die Benennung
Dursts zu verwenden, ‚realitätssystemisch einfachen’ und ‚realitätssystemisch
komplexen Spiel-im-Spiel-Strukturen’ vertiefen, wobei ausführlich auf die für das Spiel
(im Spiel) bedeutende Beziehung zwischen Fiktionalität und Realität eingegangen wird.
Auf diese Art und Weise wird dann die konkrete Analyse von Dürrenmatts
Theaterstücken eingeleitet.
Die erste Kategorie, die hier besprochen wird, ist die der realitätssystemisch
einfachen Spiel-im-Spiel-Strukturen, das heißt eine Struktur bestehend aus zwei
Spielebenen, der übergeordneten und der untergeordneten Handlungssequenz. Mit
‚Realitätssystem’ meint Durst
das System der Gesetze, die in einer fiktionalen Welt gelten. Diese ergeben sich
aus der funktionalen Verknüpfung der Verfahren und dem Verhältnis dieser
Struktur zur literarischen Tradition. Die Sujetfügung des Volksmärchens z.B.
fordert die dreifache Wiederholung einzelner Handlungssequenzen, weshalb im
Realitätssystem des Volksmärchens nur dritte Versuche erfolgreich sind und es

29
Gerhard Fischer und Bernhard Greiner: „Scholarly perspectives“, S. xiii.
24

sinnlos ist, schon beim ersten oder zweiten auf ein Gelingen zu hoffen. Die
Evolution der Verfahren schließt die Evolution des Realitätssystems mit ein.30
Man könnte in diesem Fall somit auch von spezifischen ‚Spielregeln und Gesetzen des
Spiels im Spiel’ reden. Es handelt sich beim Spiel im Spiel um zwei Fiktionsebenen (die
primäre ist das Theaterstück, das selbstverständlich Fiktion ist, und die sekundäre Ebene
ist das ebenso fiktionale Spiel im Spiel), die beide ihre eigenen Realitätssysteme, das
heißt die eigenen spezifischen Systeme der Spielregeln und Gesetze, haben. Obwohl die
obengenannten Strukturen in die ‚einfache’ Kategorie eingeordnet sind, machen sich
hier doch einige Schwierigkeiten bemerkbar. Es handelt sich in diesem Fall vor allem
um den im Spiel eingebetteten Unterschied zwischen Fiktionalität und Realität, der von
Durst problematisiert wird. „Zudem“, differenziert Durst,
eignet der Spiel-im-Spiel-Struktur die gleiche Dialektik, die Lotman hinsichtlich
der Integration von Dokumenten in die Struktur künstlerischer Prosa beschreibt:
das Dokument dehnt das von ihm hervorgerufene Gefühl der Echtheit auf andere
Textabschnitte aus, während es gleichzeitig von seinem Kontext das Merkmal der
Gemachtheit empfängt. Das sekundäre Spiel hat dementsprechend einen
Beglaubigungseffekt auf das Realitätssystem des 1. Spiels: Spiel 2 ist fiktional,
also ist Spiel 1 ‚wirklich’ (ein analoges Verfahren ist in der Erzählliteratur
verbreitet: Ein Roman denunziert andere Romane als Romane, um die eigene
erzählte Welt als ‚wirklich’ auszugeben).31
Die sekundäre fiktionale Spielebene, das eigentliche Spiel im Spiel, bezeichnet also das
primäre Spiel als wirklich. Dursts Randbemerkung über das analoge Verfahren in der
Erzählliteratur ist meiner Meinung nach aber ziemlich problematisch, weil es nicht
direkt mit dem spezifischen Kunstmittel des Spiels im Spiel korrespondiert. So kann
man in der Komödie Romulus der Große auch diesen Beglaubigungseffekt registrieren,
besonders die mehrmalige Erwähnung der altgriechischen Literatur eignet sich hier als
Beispiel. Die expliziten Verweise auf den griechischen Dichter Homer oder den
römischen Dichter Vergil, wie in diesem Gespräch zwischen Romulus’ Kammerdienern
Achilles und Pyramus: „ACHILLES „Arma virumque cano“, ich kann den ganzen
Vergil auswendig./ PYRAMUS „Mēnin aeide, thea“, ich den Homer!“32 verleihen dem
primären Spiel mehr Glaubwürdigkeit. Das Problematische liegt aber darin, dass dieser
Beglaubigungseffekt nur auf der primären Spielebene stattfindet (wie es bei den

30
Uwe Durst: „Varianten der Spiel-im-Spiel-Struktur“, S. 490.
31
Ebd., S. 493
32
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große. Ungeschichtliche historische Komödie. Zürich: Diogenes
Verlag AG 1998, S. 96.
25

Romanen, die Durst fälschlicherweise mit dem Spiel im Spiel analogisiert, der Fall ist),
und nicht von der sekundären Ebene ausgeht. Laut Durst löst die sekundäre Spielebene
aber eine doppelte Wirkung aus, indem er anmerkt, dass das „Spiel 2 zugleich eine
negative Wirkung auf die Faktizität des 1. Spiels [hat], indem es das primäre Spiel
gleichfalls mit dem Merkmal der Gemachtheit versieht und so die Fiktionalität des
Bühnenraums bloßlegt.“33 Es ist vor allem diese letzte Bewegung, nämlich die
Entlarvung des primären Spiels als Fiktion, die auf Dürrenmatts Komödien anwendbar
ist. Seine Komödien sind in dieser Hinsicht geeignet (unter anderem durch die
verschiedenen Formen des Spiels im Spiel, die ich noch ausarbeiten werde), um die von
ihm vorausgesetzte Distanz zwischen Publikum und Dargestelltem zu erreichen. Durch
diese Entlarvung des primären Spiels erreicht Dürrenmatt die gewünschte Verfremdung
des Zuschauers sowohl vom Gerichtsspiel als auch vom (Theater-)Spiel im Ganzen,
denn, Bosse zufolge, verdoppelt das Spiel im Spiel „die Beobachtungsebenen – und
macht so dem Zuschauer seinen eigenen Status als Zuschauer eines Spiels sowie dieses
Spiel als Spiel bewusst.“34 Bosse konstatiert in diesem Zusammenhang, dass „[i]m
Angesichts seines Doubles auf der Bühne dem realen Zuschauer sein Spiel-Bewusstsein
[so] verdeutlicht [wird]“, und dass es vor allem das Spiel im Spiel ist, das „die
Artifizialität und den Inszenierungs- und Spielcharakter des Bühnengeschehens
ausweist[.]“35 Einige Techniken, die das Spiel im Spiel zu diesem Zweck einsetzt, und
die man auch in Dürrenmatts Komödien herausfiltern kann, sind Desillusionseffekte wie
allgemeiner „Regelverstoß“ (das heißt Verstöße gegen die Struktur der Komödie oder
gegen die Trennung zwischen Publikum und Bühne zum Beispiel), Maskenspiel,
Sprechen ad spectatores, oder „de[r] antiillusionistisch[e] Effekt des Aus-der-Rolle-
Fallens“36, wie in Dürrenmatts Panne deutlich zum Ausdruck gebracht wird. In einem
bestimmten Moment wendet sich die Figur Wucht ans Publikum, wodurch die Illusion
des Zuschauers völlig durchbrochen wird. Er begrüßt das Publikum, stellt sich diesem
eingehend vor, und sagt, dass einige Figuren „eigentlich erst am Ende des Stückes
auftreten“ sollten, denn diese Schauspieler gehören zu einer Wandertruppe, die nicht
vom Staat subventioniert wird.37 Diese Wendung ans Publikum korrespondiert aber

33
Uwe Durst: „Varianten der Spiel-im-Spiel-Struktur“, S. 493.
34
Anke Bosse: „Retheatralisierung“, S. 419.
35
Ebd., S. 419 f.
36
Ebd., S. 425.
37
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne. Hörspiel und Komödie. Zürich: Diogenes Verlag AG 1998, S. 77.
26

nicht mit der der drei Physiker in den Physikern, weil diese letzten sich (am Ende des
Stückes, während man in der Panne schon von Anfang an die Handlung durchbricht)
nur dem Publikum vorstellen ohne Kommentar zum Stück selbst zu geben. Sie teilen
auch nicht ihre wirklichen Namen mit, im Gegenteil, sie nehmen sogar eine andere
Identität an. Kilton und Eisler fallen wieder in ihre Rollen von Newton bzw. Einstein
zurück: „Ich bin Newton. Sir Isaac Newton“ und „Ich bin Einstein. Professor Albert
Einstein.“38 Nur Möbius ändert sein Spiel völlig und identifiziert sich jetzt mit König
Salomo, ein Hinweis, dass Möbius letztendlich wahnsinnig geworden ist, aber das
begründe ich später in dieser Arbeit noch weiter: „Ich bin Salomo. Ich bin der arme
König Salomo.“39 Sie bleiben gleichsam für immer im Spiel eingesperrt. In der Panne
liegt aber deutlich eine Durchbrechung der Grenze zwischen Theater und Realität vor.
Wucht übt an der zuvor erwähnten Stelle sogar Kritik am Autor des Theaterstückes,
Dürrenmatt, indem er, während er dem Publikum seine Mitspieler vorstellt, sagt, dass
unsere[n] Kollegen Charlotte Sender, Sigfrid Jobst, Dieter Mainka und René
Picard […] die diese Rollen spielen, auch noch zuzumuten ist, einen ganzen
Abend lang in wildfremden Städten und Städtchen und in noch wildfremderen
Garderoben auf ihren Auftritt zu warten – das, meine Damen und Herren, geht zu
weit. Dramaturgie hin oder her.40
In dieser Rede Wuchts, des Schauspielers Karl-Heinz Stroux, wird ausführlich betont,
dass es sich um ein Spiel handelt (schon die Frequenz der Wörter „Rolle“, „Spiel“ und
„Schauspieler“, die er benutzt, und die auch im nachstehenden Zitat stehen, zeigt das),
indem er die echten Namen der Schauspieler ausdrücklich verwendet, und indem er den
Eindruck aufruft, dass die Schauspieler jetzt unabhängig vom Autor handeln:
Wir haben das Stück „Die Panne“ gleich mit einer Panne begonnen, nämlich mit
dessen Ende, und damit […] uns, den Regisseur und den Autor inbegriffen, die
Peinlichkeit erspart, zeigen zu müssen, wie […] Peer Schmidt, der die Rolle des
Alfredo Traps spielt, in den Sarg gekommen ist, aus dem er jetzt eben steigt,
warum er da hineinkam, wird das Spiel ohnehin zeigen. Doch gaben wir das
Spielende, geben wir nun auch den Schlußapplaus[.]41
Dazu kommt noch die Tatsache, dass ein entfremdendes Bild, nämlich das des
Schauspielers, der aus dem Sarg herausgekrochen ist, hervorgerufen wird, und dass das
Ende des Stückes (einschließlich des Schlussapplauses) am Anfang aufgeführt wird. All

38
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker. Eine Komödie in zwei Akten. Zürich: Diogenes Verlag AG 1998,
S. 85 f.
39
Ebd., S. 86.
40
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, S. 78.
41
Ebd.
27

diese Elemente überzeugen den Zuschauer von der Fiktionalität des


42
Bühnengeschehens. Mitrache assoziiert diesen Monolog Wuchts aber mit
d[er] Funktion des Chors aus der antiken griechischen Tragödie, der auch die
Handlung kommentierte. Er ist auch im elisabethanischen Drama der
Shakespearezeit zu finden. Im Monolog ad spectatores fällt die Figur des Richters
aus der Rolle, um sich an das Publikum zu wenden und durchbricht auf diese
Weise die dramatische Illusion. Dürrenmatt schafft einen Effekt der Verfremdung,
der aber nicht wie in Brechts epischem Theater einen erzieherischen Effekt beim
Zuschauer zu erreichen versucht.43
Mitrache ignoriert hier aber die Tatsache, dass der Chor keinen Teil des eigentlichen
Dramas ausmachte, das heißt, dass er nur eine kommentierende Rolle hatte, und nicht
eine Figur ist, die die Handlung beeinflusst, während das bei Wucht, der in der Panne
die Position des Richters bekleidet, schon der Fall ist.
Nicht nur diese lange Ansprache an das Publikum, sondern auch verschiedene
andere Desillusions- oder Verfremdungseffekte erhöhen die Aufmerksamkeit des
Zuschauers, wie zum Beispiel die Bühnenarbeiter, die während der Aufführung
unverhohlen auf der Bühne erscheinen, um Veränderungen im Dekor durchzuführen.
Diese Abweichungen werden vor allem in den Didaskalien angegeben: Traps zieht sich
zum Beispiel die Jacke aus und „gibt sie einem Bühnenarbeiter“ oder „[v]on rechts wird
eine Bank hereingeschoben“.44
Dürrenmatts Komödien lassen sich deshalb nicht so einfach in eine bestimmte
Kategorie einordnen: Er spielt mit der Distanz zwischen Bühne und Zuschauer und
fordert somit das Publikum heraus, indem er oft gerade das Gegenteil der Desillusion
suggeriert, das heißt, dass er im Spiel (im Spiel) die reale Welt grundsätzlich in Frage
stellt. Eine Strategie, auf die auch Plaice schon aufmerksam gemacht hat, indem sie
konstatiert, dass

42
Ein bekanntes Beispiel der Durchbrechung der dramatischen Illusion ist Luigi Pirandellos Sechs
Personen suchen einen Autor, ein Theaterstück, das sich sehr deutlich mit der Spiel-im-Spiel-Struktur
zum Zweck der Desillusion auseinandersetzt. Die primäre Spielebene umfasst eine Theaterprobe mit
einem Direktor, einigen Schauspielern und anderen Theatermitarbeitern, wann plötzlich sechs
Bühnenfiguren, die eine Familie darstellen, auftauchen und fordern, dass der Direktor aus der primären
Ebene ihr unvollendetes Stück aufführt. Die anderen Schauspieler werden zum Zuschauer, weil die
Familie ihr Stück, das die Schauspieler dann nachspielen sollen, aufführt. Es gelingt den Schauspielern
nicht das Stück überzeugend nachzuspielen (hier gehört dann wieder die Familie zur primären
Spielebene, während sich die Schauspieler in der sekundären Spielebene befinden), weil sich das Spiel
der Schauspieler, das selbstverständlich illusionistisch ist, nicht mit der ‚Realität’ der Familie versöhnen
lässt.
43
Liliana Mitrache: Intertextualität, S. 79.
44
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, S. 111.
28

[i]n Werken mit der ‚Spiel im Spiel’-Struktur […] sich das Spiel als verbannendes
Phänomen, dem man nicht entkommen kann [erweist]. Wenn die Wirklichkeit des
Spiels zur Wirklichkeit wird, erscheint die reale Wirklichkeit aus der
Metaperspektive als verkehrte; das Hier wird im Jenseits verfremdet.45
Dieser Effekt kann man meines Erachtens eigentlich auf alle (Spiel-)Ebenen projizieren,
da alle Spielebenen als einzelne Wirklichkeiten konzipiert werden. Laut Traps droht so
das Spiel in der Panne „in die Wirklichkeit umzukippen.“46 Traps’ Unsicherheit über
die Fiktionalität des Gerichtsspiels, des Spiels im Spiel, verbindet die primäre mit der
sekundären Handlungssequenz, indem Traps allmählich zu glauben anfängt, das
Gerichtsspiel sei die Wirklichkeit. Am Anfang ist er noch von der spielerischen Art des
Spiels überzeugt, indem er seinen Mitspielern deutlich macht, er dachte sich „das Spiel
feierlicher, würdiger, förmlicher, mehr Gerichtssaal.“47 Das Spiel beginnt aber immer
mehr ein eigenes Leben zu führen und wird für Traps sogar allmählich Wirklichkeit.
Die Grenze zwischen Spiel und Wirklichkeit verwischt, zum Beispiel an der Stelle, wo
Traps und sein „Verteidiger“ Kummer im Garten seine Position als Angeklagter
besprechen. Kummer erteilt Traps einige Informationen über den „Henker“ des
Gerichts, Pilet, und sagt, dass Pilet „einer der tüchtigsten Henker im Nachbarlande
[war] und in seiner Kunst noch immer auf dem laufenden [ist].“48 Kummers
Umschaltung von Indikativ Präteritum auf Präsens, wodurch er den Eindruck gibt, Pilet
richte noch immer Leute hin, und auf diese Art und Weise Spiel (Pilet als figürlicher
Henker im Gerichtsspiel) und Wirklichkeit (Pilet als buchstäblicher Henker) vermischt,
versetzt Traps in Panik: „Kalt auf einmal. Bricht plötzlich in ein Gelächter aus.
Fürchtete mich plötzlich. Aber das ist Unsinn. Ohne Henker wäre das Spiel weniger
lustig[.]“49 Diese Herabsetzung der Wirklichkeit, die vom Spiel initiiert wird, gehört
auch zu Dürrenmatts Absicht. Dürrenmatt inkorporiert sogar so viel Spiel im Stück,
dass er in der Einleitung des Stückes selbst angibt, was Spiel ist und was nicht: Zuerst
gibt er eine lange Beschreibung des Gespielten wie zum Beispiel das Verführungsspiel
(die angebliche Verführung von Traps), das Justine spielt, das Gerichtsspiel und „die
gespielte Gerechtigkeit“, dann listet er „[a]lles, was nicht gespielt ist[,]“ auf.50

45
Renata Plaice: „Das Spiel als das Dynamische“, S. 360 f.
46
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, S. 116.
47
Ebd., S. 110.
48
Ebd., S. 114.
49
Ebd.
50
Ebd., S. 64.
29

Auch in den Regieanweisungen am Ende der Physiker gesteht Dürrenmatt


öffentlich, dass „[a]lles ausgespielt [ist]“51 und verweist somit wieder explizit auf die
verschiedenen (Rollen-)Spiele der drei Physiker und der Leiterin der Psychiatrie,
Mathilde von Zahnd. Im Theaterstück Romulus der Große dagegen, ist es die Figur
Ämilian, und nicht die Didaskalien oder die Einleitung des Stückes, der, nachdem er
dem Hosenfabrikanten Cäsar Rupf begegnete und sich bei dem Innenminister Tullius
Rotundus über Rupfs Absicht, die Tochter des Kaisers zu heiraten und als
Gegenleistung das römische Reich zu finanzieren, erkundigen will, dem Zuschauer die
Spielhaftigkeit des Bühnengeschehens zeigt, indem er die Redewendung „Was wird hier
gespielt, Innenminister?“52 benutzt. Diese expliziten Verweise auf die spielerische
Dimension des Stückes dienen selbstverständlich der Durchbrechung der dramatischen
Illusion und werden nicht zur Erklärung der Handlung, die Dürrenmatt niemals geben
will, wie ich schon in der Einleitung angezeigt habe, eingesetzt, das heißt, dass sie
meiner Meinung nach dem Publikum die Spielhaftigkeit der Handlung zeigen, aber
nicht handlungsstrukturierend bzw. erklärend wirken.
Dürrenmatts Spiel im Spiel hat demnach die Macht, die reale Wirklichkeit
herabzusetzen und dem Zuschauer der Unzulänglichkeit der Gesellschaft bewusst zu
machen, und ihn zugleich von der Fiktionalität des Dargestellten zu überzeugen. Diese
doppelte Wirkung des Spiels im Spiel und die Mischung der Spielebenen werden auch
von Zipfel anerkannt, der außerdem eine weitere Funktion des Spiels im Spiel betont:
The dramaturgical strategy of the play within the play can have different functions
within the structure of a play. Besides the rather technical function of
foregrounding (i.e. the mirroring and thereby highlighting an element of the outer
play in the internal play) and the more philosophical function of questioning our
experience and our understanding of reality by blurring the borders between the
different levels of fiction, i.e. between drama and metadrama, one of the most
important functions of the play within the play is to shed light on the same
problem, the same theme or the same element of a story from different, even
mutually exclusive perspectives. The tragic and the comic, if looked at from a
systematic point of view, seem to represent such mutually exclusive
perspectives.53

51
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, S. 85.
52
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 62.
53
Frank Zipfel: „‘Very Tragical Mirth’: The Play within the Play as a Strategy for Interweaving Tragedy
and Comedy.“ In: The play within the play. The performance of meta-theatre and self-reflection. Hg. von
Gerhard Fischer und Bernhard Greiner. Amsterdam: Rodopi 2007, S. 203.
30

Mit diesen gegensätzlichen Perspektiven zielt Zipfel also auf den tragischen und
komischen Blickwinkel, die, meiner Meinung nach, auch beide in Dürrenmatts Theater
eingebettet sind (obwohl das Komische doch deutlich dominiert). Das Thema der
Gerechtigkeit zum Beispiel, ist ein oft besprochenes Element in seinen Werken, vor
allem in der Panne, aber sicherlich auch in Romulus der Große oder in den Physikern.
Einerseits bietet das Gericht und die Gerechtigkeit in der Panne einen Anlass für ein
tolles Spiel, in dem viele komische Situationen (die Akrobatik der Alten, das reichliche
Trinken) auftauchen, und das Gericht wird mit Sympathie und Solidarität verknüpft, da
das Gerichtsspiel die Leute zueinander bringt, und ein Ventil für die Alten, die sonst mit
Gesundheitsproblemen kämpfen, bildet. Andererseits wird sehr negativ mit diesem
Begriff umgegangen und wird die Justiz und das Gericht lächerlich gemacht. Die
Tatsache, dass das Gericht Traps am Ende des Stückes sowohl für schuldig als auch für
unschuldig befindet, beweist das. Die stärkste Geringschätzung der Gerechtigkeit im
Stück lässt sich im nächsten Zitat registrieren, dem Zitat, in dem Wucht das
Gerichtsspiel als
[e]in[en] übermütige[n] Herrenabend, nichts weiter, eine Parodie auf etwas, was
es nicht gibt und worauf die Welt immer wieder hereinfällt, eine Parodie auf die
Gerechtigkeit, auf die grausamste der fixen Ideen, in deren Namen der Mensch
Menschen schlachtet[,]54
beschreibt. In diesem Zitat wird die Gerechtigkeit sogar vernichtet, indem das
Gerichtsspiel auf eine „Parodie auf etwas, was es nicht gibt“, auf ein Nichts
zurückgeführt wird. Man kann sogar behaupten, dass die obengenannte Tendenz der
Herabsetzung der Wirklichkeit weiter durchgesetzt wird, dass das Spielerische aller
Elemente bloßgelegt wird, und dass es nur noch das Spiel und keine Wirklichkeit gibt,
oder dass das Spiel die einzige Wirklichkeit ist, in der der Mensch noch existieren kann.

1.2.2. Die realitätssystemisch komplexen Varianten der Spiel-im-Spiel-Struktur

Diese komplexe, oft gegensätzliche Behandlung einzelner Themen in der


spezifischen Spiel-im-Spiel-Struktur führt mich zur Diskussion der realitätssystemisch
komplexen Spiel-im-Spiel-Strukturen. Die eigentlichen komplexen Strukturen können

54
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, S. 164 f.
31

verallgemeinernd anhand einer Aussage Pfisters definiert werden. Pfister stellt fest, dass
der Entstehungsprozess des Spiels im Spiel, das heißt die Unterordnung einer zweiten
Spielebene unter die erste Spielebene, weiter durchgeführt werden kann, und dass
„[d]ieser Prozeß der Einbettung einer sekundären Fiktionsebene in eine primäre
prinzipiell ad infinitum wiederholt werden [kann], indem man in die sekundäre
Fiktionsebene eine tertiäre einlagert usw [.]“55 Es handelt sich bei diesen
realitätssystemisch komplexen Strukturen demnach um Spiel-im-Spiel-im-Spiel-
Strukturen oder sogar um Strukturen mit drei oder mehr Spielebenen. Diese komplexen
Spiel-im-Spiel-Strukturen vergrößern selbstverständlich die Herausforderung für den
Zuschauer in Bezug auf die Unterscheidung zwischen Realität und Fiktionalität
wesentlich. Pfister expliziert noch einmal, dass das Spiel im Spiel das Verhältnis
zwischen dem Zuschauer und dem aufgeführten Spiel bloßlegt. Dies kann aber „zu einer
kalkulierten Verunsicherung des Publikums über die Grenzen von Sein und Schein, von
Realität und Fiktionalität [führen], die ihm schließlich auch die Realität als illusionäres
Theaterspiel […] erscheinen lässt.“56 Anke Bosse hat in diesem Zusammenhang aber
richtig aufgemerkt, dass das Spiel im Spiel sich mit Foucaults Konzept der
„illusorischen Heterotopie“ in Einklang bringen lässt.57 Die Heterotopien, die von
Foucault beschrieben werden, sind
reale, wirkliche, zum institutionellen Bereich der Gesellschaft gehörige Orte, die
gleichsam Gegenorte darstellen, tatsächlich verwirklichte Utopien, in denen die
realen Orte, all die anderen realen Orte, die man in der Kultur finden kann,
zugleich repräsentiert, in Frage gestellt und ins Gegenteil verkehrt werden. Es
sind gleichsam Orte, die außerhalb aller Orte liegen, obwohl sie sich durchaus
lokalisieren lassen.58
Diese Orte sind laut Foucault völlig anders „als all die Orte, die sie spiegeln und von
denen sie sprechen“59, und deswegen bezeichnet er sie im Gegensatz zu den Utopien als
Heterotopien. Die „illusorische Heterotopie“, die „einen illusionären Raum schaff[t],
der den ganzen realen Raum und alle realen Orte, an denen das menschliche Leben
eingeschlossen ist, als noch größere Illusion entlarvt“60, passt in meine Argumentation,

55
Manfred Pfister: Das Drama, S. 299.
56
Ebd., S. 300.
57
Anke Bosse: „Retheatralisierung“, S. 429.
58
Michel Foucault: „Von anderen Räumen“. In: Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und
Kulturwissenschaften. Hg. von. Jörg Dünne und Stephan Günzel. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006, S.
320.
59
Ebd.
60
Ebd., S. 326.
32

weil sie den Effekt des Spiels im Spiel auf den Zuschauer, die Bezeichnung der
Wirklichkeit, in der der Zuschauer sich befindet, als eine Illusion deutlich illustriert. Der
Grund, warum ich das Konzept der „illusorischen Heterotopie“ in Zusammenhang mit
den komplexen Spiel-im-Spiel-Strukturen bespreche, liegt darin, dass die „illusorische
Heterotopie“ noch weiter geht als die einfachen Spiel-im-Spiel-Strukturen, indem sie
behauptet, dass es sogar keine Wirklichkeit mehr gibt. Es gibt zwar nur Illusion, aber es
gibt Steigerung in dieser Illusion: Das Spiel ist ein illusionärer Raum, aber die reale
Welt des Zuschauers ist eine noch viel größere Illusion. Das Konzept der „illusorischen
Heterotopie“ illustriert die Macht und Komplexität des Spiels im Spiel als eine Struktur,
die alle Wirklichkeiten als Illusion abtut, und die die Herausforderung für den
Zuschauer, die Handlung richtig zu verstehen, steigert. Die andere Heterotopie, die
„kompensatorische Heterotopie“, die „einen anderen realen Raum [schafft], der im
Gegensatz zur wirren Unordnung [des] Raumes [vom Zuschauer] eine vollkommene
Ordnung aufweist[,]“61 kann man dann meines Erachtens vor allem mit der Tragödie,
einer Fabel oder einer anderen Gattung, die nicht wie die Komödie und das Spiel im
Spiel die Distanz zwischen Publikum und Aufgeführtem oder Geschichte deutlich
hervorrufen, assoziieren.
Bevor ich die Besprechung der Beispiele der komplexen Spiel-im-Spiel-
Strukturen fortsetze, werde ich zu diesen realitätssystemisch komplexen Spiel-im-Spiel-
Strukturen eine Bemerkung, die für das weitere Verständnis der Arbeit von
entscheidender Bedeutung ist, hinzufügen, indem ich mich von Pfisters Theorie in
Bezug auf das Rollenspiel, das er nicht als Spiel-im-Spiel-Struktur betrachtet,
distanziere. Pfister grenzt das Verstellungsspiel der Figuren vom Spiel im Spiel ab,
indem er behauptet, dass dieses Rollenspiel zur primären Spielebene gehört. Pfister
zufolge
spielen Figuren des Spiels zusätzliche Rollen vor anderen Figuren, doch sind
diese Rollen nicht fiktional, sondern fingiert. Als fingiertes Rollenspiel zielt
dieses Spielen im Spiel darauf ab, andere Figuren des Spiels zu täuschen, während
Fiktionalität ja nicht Täuschung intendiert, sondern gerade auf einer Übereinkunft
zwischen Spielern und Zuschauern über den besonderen ontologischen Status des
Spiels, seine Scheinhaftigkeit, beruht.62

61
Michel Foucault: „Von anderen Räumen“, S. 326.
62
Manfred Pfister: Das Drama, S. 306.
33

Auch Beus merkt an, dass das Spiel im Spiel auf „the breakdown of the spectator’s
suspension of disbelief“63, auf der von Pfister vorausgesetzten Übereinkunft zwischen
Spielern und Zuschauern beruht. Ich muss aber in dieser Hinsicht bemerken, dass die
realen Zuschauer sowohl das Spiel als auch das Spiel im Spiel als fiktional betrachten,
während die Figuren aus der ersten Spielebene nur die zweite Ebene als fiktional
bezeichnen, und dass deswegen die vorstehende Bemerkung Pfisters über „die
Übereinkunft zwischen Spielern und Zuschauern“ eigentlich nur auf die Situation, in
der sich die realen Zuschauer befinden, zutrifft.64 Beus weicht außerdem von Pfister ab
in dem Sinne, dass er, im Gegensatz zu Pfister, der den Terminus „Fiktionalität“
benutzt, von einer Opposition zwischen Realität und „Illusion“ spricht, wodurch der von
Pfister dargestellte Unterschied zwischen Verstellungsspiel und Spiel im Spiel, den er
auf der Opposition Fiktionalität-Fingiertheit basiert, im Folgenden nicht zutreffend ist.
Das Spiel im Spiel, differenziert Beus,
takes on the (con)fusion of various levels of reality, blending the theatrical reality
as well as illusion while maintaining a reflexive posture through this very design,
for within the larger play’s illusion, there are both reality of the spectator and
illusion.65
Wegen dieser Hinwendung zur Illusion, statt zur von Pfister beschriebenen Fiktionalität,
schließe ich mich Beus an, weil in dieser Arbeit die Illusion (und dann meine ich vor
allem die Behandlung der Illusion und des Wahnsinns im Kapitel über das Narrenspiel),
aber auch die Desillusion(-seffekte), die, wenn möglich, noch wichtiger und
bedeutungsvoller als die Illusion sei (bzw. seien), eine prominente Position einnehmen.
Außerdem hebt Beus besonders hervor, dass das Spiel im Spiel „is often used as a form
of irony and can be disguised as a simple performance within the play itself, a character
masquerading as another character, a character pretending to be out of his mind, or a
complex fusion of theatrical realities.“66 Damit bestätigt er explizit, dass das Rollenspiel

63
Yifen Beus: „Self-Reflexivity”, S. 17.
64
Die Behauptung, dass es eine Übereinkunft zwischen Publikum und Spielern gibt, ist nicht immer
beizubehalten, weil manche (fiktionalen) Zuschauer oft nicht wissen, dass ein Spiel aufgeführt wird, und
weil die Grenzen in Bezug auf die Rolle als Zuschauer zumindest als fließend bezeichnet werden können.
Als Beispiel eignet sich hier Arthur Schnitzlers Der grüne Kakadu. In diesem Einakter wird für die
adligen Besucher der Spelunke „zum grünen Kakadu“ ein Spiel aufgeführt, in dem die Schauspieler, die
früher zur Theatergruppe des Wirtes Prospère gehörten, jetzt aber Stammgäste sind, Verbrecher spielen.
Da sich die primäre Spielebene in der turbulenten Periode der Französischen Revolution situiert, entsteht
auch in der Kneipe Chaos: Den beiden Parteien, Schauspielern und adligen Zuschauern, gelingt es nicht,
klare Grenzen zwischen Sein und Schein, zwischen Rolle und Realität zu ziehen.
65
Yifen Beus: „Self-Reflexivity”, S. 17.
66
Ebd., S. 15.
34

der Figuren tatsächlich als eine (wenn auch komplexere) Spiel-im-Spiel-Struktur


bezeichnet werden kann. Dieses Spiel im Spiel, „a device of deception, intrigue and
masquerade and an ultimate truth-telling power about the nature of play/drama[,]“67
findet man im Rollenspiel der Dürrenmattschen Figuren, wie zum Beispiel Möbius, der
den Wahnsinnigen spielt, Romulus oder die Alten in der Panne. Ich werde demnach
Pfisters „Spielen im Spiel“ als Spiel im Spiel auffassen, auch weil das Rollenspiel der
Figuren Einfluss auf alle Spielebenen hat, und vor allem weil dieses
„Verstellungsspiel“, dessen der Zuschauer sich bewusst ist, dem realen Zuschauer
implizit die Artifizialität des Bühnengeschehens zeigt, was gerade das Hauptziel der
Spiel-im-Spiel-Struktur ist. Das Rollenspiel der Figuren macht nämlich die anderen
Figuren unvermeidlich zu Zuschauern und kreiert eine sekundäre Handlungssequenz
innerhalb der ersten, auch wenn die anderen Figuren nicht wissen, dass sie Zuschauer
sind.
Jetzt, da mit verschiedenen Argumenten untermauert ist, dass Rollenspiel zu den
Spiel-im-Spiel-Strukturen gehört, kann die schon eingesetzte Diskussion der
realitätssystemisch komplexen Spiel-im-Spiel-Strukturen wiederaufgenommen werden.
Es wurde erklärt, dass diese komplexen Strukturen vor allem als Intensivierungen und
Erweiterungen der Spiel-im-Spiel-Struktur betrachtet werden konnten, das heißt, dass es
sich in manchen Fällen in der sekundären Spielebene noch weitere Dimensionen
ergeben, und dass somit eine Art Spiel im Spiel im Spiel oder Spiel im Spiel im Spiel
im Spiel entsteht. Ich behaupte aber in Zusammenhang mit den Befunden in Bezug auf
das Rollenspiel im Spiel, dass auch das Narrenspiel der Kategorie der komplexen Spiel-
im-Spiel-Strukturen zuzuordnen ist, weil es doch ein Sonderfall ist. Beus hat zum
Beispiel auch schon konstatiert, dass der Narr eine spezielle Entität ist. Das macht er
anhand einer Besprechung des Shakespearischen Narren deutlich, indem er folgert, dass
[i]n Hamlet, the comic play within the play reveals the central, hidden truth that
Claudius has murdered Hamlet’s father. Fiction, here, becomes the perfect vehicle
for truth. In King Lear, the Fool’s jests show Lear the true nature of his daughters.
The Fool’s jokes both conceal and, at the same time, reveal the truth – and thus
might arguably be seen as another form of play within a play.68
Der Narr ist tatsächlich ein Sonderfall, der doch zum Spiel im Spiel gerechnet werden
darf, da er manchmal die Wahrheit offenlegt, aber zugleich ein Spiel aufführt. Das

67
Yifen Beus: „Self-Reflexivity”, S. 17.
68
Ebd.
35

Narrenspiel kommt jeder Eigenschaft und Voraussetzung der Spiel-im-Spiel-Struktur


entgegen: Der Narr spielt ein Spiel innerhalb der ersten Spielebene, und verkündet dem
Publikum implizit die Wahrheit, die den Zuschauer anspornt über das Verhältnis und
die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion nachzudenken. Diese offenbarende
Funktion des Narren wird auch von Landfester spezifiziert. Der Narr ist, Landfester
zufolge,
the one persona allowed, or even bound, to speak what the drama stages as ‘the
truth’. This ‘truth’ is the knowledge of exactly where the boundaries between the
metadrama’s different levels of playacting are to be found – and, more
importantly, where they are superseded by those levels’ structural affinities to
each other. Whenever the Fool tells the truth about the relationship between the
play and the play within the play, he also tells the truth about the structural
affinity between the drama onstage and reality offstage. Thus it is the Fool’s
privilege to reveal that fact and fiction, or, in terms of the drama, playacting and
reality, not only both participate in basically the same formal designs of
communication, but that the significance of each is dependent on that of the other.
The Fool makes it clear that there is no speaking the truth without using theatrical
forms to express it, while on the other hand the form’s self-conscious theatricality
paradoxically serves to underscore that what is spoke is, in fact, the truth.69
Die Komplexität des Narrenspiels liegt deswegen darin, dass der Narr im Spiel implizit
die Wahrheit zu verkünden versucht, während das Spiel, wie zuvor erwähnt, sowohl
eine negative als auch eine positive Wirkung auf die Perzeption der Wirklichkeit (das
heißt eine Ersetzung der Wirklichkeit durch das Spiel bzw. die Entlarvung des Spiels als
Spiel) hat, die Grenzen liegen demnach keineswegs offen. Die Verwirrung, die der Narr
hervorruft, ist ein Aspekt, der auch hervorragend auf Dürrenmatts Theater zutrifft, wie
bereits erklärt worden ist, und bildet deswegen einen guten Grund, warum ich das Spiel
der Narren in meine Analyse von Dürrenmatts Werken aufnehmen wollte. Das
Narrenspiel und seine verschiedenen Funktionen (vor allem in Bezug auf den
Wahnsinnsaspekt) werden aber im dritten Kapitel weiter erörtert.
Neben diesen zwei ersten Kategorien (dem mehrfachen Spiel im Spiel und dem
Narrenspiel) gibt es noch weitere realitätssystemisch komplexe Spiel-im-Spiel-
Strukturen. Es sind, meiner Meinung nach, noch sicherlich drei andere Kategorien zu
präsentieren. Die erste stellt eine Abweichung der Basiskategorie der komplexen Spiel-
im-Spiel-im-Spiel-Struktur dar, nämlich eine Art Spiel im Spiel im Spiel, die aus

69
Ulrike Landfester: „The Invisible Fool: Botho Strauss’s Postmodern Metadrama and the History of
Theatrical Reality.“ In: The play within the play. The performance of meta-theatre and self-reflection. Hg.
von Gerhard Fischer und Bernhard Greiner. Amsterdam: Rodopi 2007, S. 129.
36

verschiedenen Rollenspielen aufgebaut ist. Ein Beispiel lässt sich in Dürrenmatts


Physikern finden: Der Physiker Joseph Eisler ist Mitglied eines (östlichen)
Geheimdienstes, aber er gibt sich als Ernst Heinrich Ernesti aus, der seinerseits in der
Psychiatrie Einstein spielt. Es erstrecken sich also drei verschiedene Identitäten über
ebensoviel Spielebenen. Ein zweites Beispiel solcher Spiel-im-Spiel-im-Spiel-
Strukturen bildet Simone aus der Panne, die „von Zorn als Frau Gygax in das Spiel mit
einbezogen“70 wird. Simone verkörpert für eine kurze Periode die Rolle von Frau
Gygax, die Frau von Traps’ Chef, im Gerichtsspiel (das heißt im Spiel im Spiel).
Simone, die am Anfang nicht in das Gerichtsspiel einbezogen war, wird auf einmal von
der primären (das Spiel selbst, das Theaterstück Die Panne), über die sekundäre (das
Gerichtspiel, in dem sie vom Staatsanwalt Zorn als Teil seiner Beweisführung gegen
den Angeklagten, Traps, einbezogen wird), in die tertiäre Spielebene (das Spielen der
Rolle von Frau Gygax innerhalb des Gerichtspiels) geleitet.
Dürrenmatt kompliziert diese Spiel-im-Spiel-im-Spiel-Struktur aber noch, und es
entsteht sogar ein Spiel im Spiel im Spiel im Spiel. Diese quartäre Spielebene lässt sich
auch in den Physikern, einem Theaterstück mit offensichtlich sehr viel Rollenspiel,
entdecken: Alec Jasper Kilton, der auch Physiker und Mitglied eines westlichen
Geheimdienstes ist, wendet genauso wie Eisler einen falschen Namen an, und in der
Identität Herbert Georg Beutler spielt er den Wahnsinnigen, indem er sich als Newton
ausgibt. Als Newton vertraut er aber (fälschlich selbstverständlich, weil es nur eine
Rolle ist, die er spielt) dem Kriminalinspektor Richard Voß an, er sei Einstein:
NEWTON Ich bin nicht Sir Isaac. Ich gebe mich nur als Newton aus.
INSPEKTOR Und weshalb?
NEWTON Um Ernesti nicht zu verwirren.
[…]
NEWTON Im Gegensatz zu mir ist Ernesti doch wirklich krank. Er bildet sich
ein, Albert Einstein zu sein. […] Wenn Ernesti nun erführe, daß ich in
Wirklichkeit Albert Einstein bin, wäre der Teufel los.71
In dieser Szene wirkt das sich auf mehrere Handlungssequenzen abspielende
Rollenspiel äußerst komplex: Der Zuschauer hat große Schwierigkeiten mit den
Grenzen von Sein und Schein, und stellt, wegen der Absurdität des Behaupteten und der
Situation im Stück, das ganze Spiel in Frage. Das Gewirr der Rollenspiele, dieser
realitätssystemisch komplexen Spiel-im-Spiel-Strukturen, lässt den Zuschauer demnach
70
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, S. 129.
71
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, S. 21.
37

verstärkt einsehen, dass die Verbindung zwischen dem Aufgeführten und der Realität
artifiziell ist. In den Physikern gibt es somit viele Identitätsverschiebungen, die als
Rollenspiel aufgefasst werden. Diese Identitätsverschiebungen lassen sich hier aber
nicht immer mit Rollenspiel bzw. Spiel im Spiel gleichsetzen. Wenn man zum Beispiel
die These, dass Möbius (aber auch Einstein und Newton) am Ende des Stückes dem
Wahnsinn verfällt (bzw. verfallen), voraussetzt, kann man daraus schließen, dass, wenn
Möbius die Identität des Königs Salomo annimmt, er dies nur aus Wahnsinn macht, und
nicht bewusst ein Rollenspiel vorführt. Auf die Frage, ob die drei Physiker tatsächlich
wahnsinnig werden oder nicht, komme ich später in meiner Arbeit, nämlich im dritten
Kapitel, in dem ich der Beziehung zwischen Wahnsinn und Spiel ausführlich
Aufmerksamkeit widme, zurück.
Die dritte Art realitätssystemisch komplexen Spiel-im-Spiel-Strukturen wurden
schon von Durst als „Spiel 0“ definiert.72 Die Dramen mit einer Spiel 0-Struktur gehen
in die entgegengesetzte Richtung von den mehrfachen Spiel-im-Spiel-Strukturen, indem
die Schauspieler aus dem Spiel in die Realität treten, wie das zum Beispiel mit dem
zuvor erwähnten „Aus-der-Rolle-Fallen“ von Wucht, der das Publikum direkt anredet,
in der Panne der Fall ist. Das Spiel 0 korrespondiert deswegen mit den zuvor erwähnten
Desillusionseffekten, die das Spiel im Spiel kennzeichnen und das Spiel im Spiel auch
paradoxerweise als solches bestätigen. Durst nimmt das Spiel 0 aber in seiner Kategorie
der realitätssystemisch komplexen Spiel-im-Spielstrukturen auf, während es eigentlich
auch im Allgemeinen nur als Irregularität des Spiels im Spiel, als Einbruch auf die
realitätssystemisch einfache Spiel-im-Spiel-Struktur betrachtet werden kann. In der
Forschung wird diese Vermischung der Spielebene mit der Realitätsebene oft als eine
Art dramatische Metalepse dargelegt. Dieser ‚Inkonsistenz’, dem Ineinandergreifen der
Theaterebenen in Dürrenmatts Panne kann man dann tatsächlich auch den Begriff der
Metalepse beimessen.
Die sechste und letzte Unterkategorie der komplexen Spiel-im-Spiel-Strukturen
enthält, meiner Meinung nach, die spezifischen Spiel-im-Spiel-Strukturen, die von
Verweisen auf Literatur innerhalb des Theaterstückes, wobei vor allem die Lyrik und
die Parodie wichtig sind, ausgelöst werden. Diese Behauptung wird auch von Jauslin
unterstützt, indem er anhand einer Analyse der Physiker die Lyrik mit Verstellungsspiel

72
Uwe Durst: „Varianten der Spiel-im-Spiel-Struktur“, S. 495.
38

gleichsetzt. Jauslin konstatiert, dass, „wenn die Verstellung der Irren jeweils ihren
Höhepunkt erreicht, sie in Lyrik [übergeht]. „Der Psalm Salomos, den Weltraumfahrern
zu singen“ […] erinnert im Ton an BRECHTS Gedichte.“73 Er folgert, dass in diesem
Fall „eine Flucht in die Verstellung ihren sprachlichen Ausdruck durch eine Flucht in
die Lyrik [findet].“74 Der Gebrauch von Lyrik im Stück wird demnach mit
Verstellungsspiel assoziiert, und, wie zuvor erklärt wurde, gehört dieses
Verstellungsspiel zum Spiel im Spiel. Im Zitat Jauslins wurde als Beispiel der „Psalm
Salomos, den Weltraumfahrern zu singen“, der von Möbius rezitiert wird, genannt. Um
seine Verstellung als Wahnsinniger, an Überzeugungskraft gewinnen zu lassen, greift er
auf die Lyrik zurück. Möbius’ Verstellungsspiel wird übrigens auch durch den Namen
‚Möbius’ hervorgehoben. Crockett zufolge, ist es
not the man but his most renowned invention that bears on Dürrenmatt’s
character: the Möbius Band, a paper ring with no inside or outside, which shows
only one side no matter how one twists or turns it. For the past fifteen years
Möbius has shown only one side of his personality, the false side, while hiding his
real nature even from his family.75
Möbius nimmt bei der Rezitation des Psalms die Rolle eines Schauspielers ein und seine
Familie (seine Ex-Frau Lina Rose, ihr neuer Mann und seine Buben) wird zum
Publikum, da sie der Zeuge von Möbius’ Aufführung ist. Die Aufteilung zwischen
primärer und sekundärer Spielebene wird auch deutlich durch die Sprache selbst
bewirkt. Das Spiel 1, in dem sich das Publikum, die Familie, befindet, wird durch
normalen Sprachgebrauch (man könnte ja sagen durch Prosa) gekennzeichnet, während
Möbius’ Spiel im Spiel durch Verssprache, zumindest poetische Sprache, zustande
kommt. „Der Psalm Salomos, den Weltraumfahrern zu singen“ wird auf die folgende
Art und Weise von Möbius eingeleitet: „Hören Sie gut zu, Missionar, Sie lieben
Psalmworte, kennen sie alle, lernen Sie auch die auswendig: Ein Psalm Salomos, den
Weltraumfahrern zu singen.“76 Möbius spricht vor allem Missionar Rose zu, da dieser
als ‚Psalmenspezialist’ erscheint, aber selbstverständlich sind auch die anderen Teil des

73
Christian Markus Jauslin: Friedrich Dürrenmatt. Zur Struktur seiner Dramen. Zürich: Juris-Verlag
1964, S. 115.
74
Ebd.
75
Roger A. Crockett: Understanding Friedrich Dürrenmatt, S. 110.
76
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, S. 40 f.
39

Publikums, und gilt der Psalm auch ihnen. Er hat sogar eine Art Bühne gebaut: Möbius
ist nämlich „zum runden Tisch links gegangen, kehrt ihn um, steigt hinein, setzt sich.“77
Solch ein lyrisches Spiel im Spiel präsentiert sich auch in der Panne, in dem es,
neben dem ersten Spiel im Spiel, dem Gerichtsspiel, noch ein Spiel im Spiel gibt,
diesmal aber aus Versen und Blasphemien bestehend. Laut Wucht „spielten [wir] das
Spiel des Gerichts vom Menschen über Menschen, und nun spielen wir das Spiel vom
Gericht des Menschen über die Götter, welche die Welt regieren.“78 Hierauf fangen die
Greise an, während sie griechische Göttermasken tragen, Verse, in den die Herren nur
sinnlose, absurde Beleidigungen benutzen, zu rezitieren: „In erdenfernen
Himmelstiefen/ Obszöner, fett gewordner Herr,/ Den uns zu leiten wir beriefen./ Du
weibertoller Jupiter. […] Der uns vergessen, sei getötet,/ Von unsren Schüssen
zugelötet./ Feuer!“79 Nachdem diese Versen ausgesprochen sind, beschießen sie die
Götter Jupiter, Mars, Saturn, Venus und Merkur, das heißt, dass sie eigentlich nur wild
drauflosschießen.
Wenn ich wieder einen Vergleich zu Shakespeares Hamlet ziehe, einem Stück,
das vor allem mit Dürrenmatts Romulus der Große viel gemeinsam hat, wie ich später
in der Arbeit noch erklären werde, lässt sich auch hier die Verwendung von Lyrik
feststellen, und zwar in den Liedern Ophelias. Da Ophelia aber nach Hamlets
Abweisung und dem Tod ihres Onkels Polonius wahnsinnig wird und diese Lieder vor
allem singt, wenn der Wahnsinn seinen Höhepunkt erreicht, kann man den Gebrauch
von Lyrik in Dürrenmatts Werken, die oft mit Shakespeares Stücken parallele
Strukturen und Parodien auf diese aufweisen, wie ich im Folgenden deutlich machen
werde, auch mit Wahnsinn in Verbindung bringen. Die Lieder von Ophelia, die
normalerweise ein sehr sittsames Mädchen ist, enthalten aber jetzt, da sie wahnsinnig
geworden ist, viele impliziten („tumbled me“, das heißt nicht nur das ‚rückwärts
Fallen’, sondern auch, und vor allem in diesem Kontext, ‚der Verlust der
Jungfräulichkeit’) und expliziten Verweisen („do’t“, „Cock“) auf Sexualität wie im
folgenden Zitat deutlich wird:
By Gis, and by Saint Charity,/ Alack, and fie for shame!/ Young men will do’t, if
they come to’t,/ By Cock, they are to blame./ Quoth she ‘Before you tumbled me,/

77
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, S. 40.
78
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, S. 166.
79
Ebd., S. 167.
40

You promised me to wed.’/ ‘So would I ha’ done, by yonder sun,/ An thou hadst
not come to my bed.’80
Der Gebrauch von Lyrik kann also meiner Meinung nach sowohl mit
(Verstellungs-)Spiel als auch mit Hinweisen auf Wahnsinn (vor allem dann in Bezug
auf die Greise aus der Panne, aber die Verbindung der Greise mit Wahnsinn werde ich
im dritten Kapitel erläutern) assoziiert werden.
Das Motiv der Lyrik als Spiel im Spiel kehrt auch in der Komödie Romulus der
Große zurück, besonders in der Figur von Rea, Tochter des Kaisers Romulus, die vor
allem im zweiten Akt unaufhörlich Verse aus der Tragödie Antigone von Sophokles
rezitiert. Sie macht die anderen Figuren durch den Gebrauch von Verssprache zum
Publikum auf die gleiche Art und Weise wie Möbius seine Familie zum Zuschauer
machte. Unter anderem Spurius Titus Mamma, der „keine Klassiker hören [kann]“81,
der Schauspieler Phylax, der Rea begleitet, und Ämilian, der Geliebte Reas, sind,
wohlwollend oder nicht, Teil ihres Publikums. Durch Reas Zuflucht zur Literatur wird
sie von Sabine Schu „als schwache Persönlichkeit gezeichnet, die sich vor den
Schrecken der Realität in die fiktive Welt der Literatur flüchtet, die Literatur absolut
setzt und nicht in der Lage ist, zwischen Fiktion und Realität zu trennen [.]“82 Das
römische Reich steht tatsächlich vor der absoluten Vernichtung durch die Germanen,
und Rea wird immer mit einem Vater konfrontiert, der keine Initiative nimmt, um die
Auflösung seines Reiches zu verhindern. Deshalb verfällt sie dem Eskapismus: „Ich
halte das einfach nicht mehr aus! […] Ich gehe die Antigone studieren!“83 Rea versteckt
sich gleichsam hinter der Rolle der Antigone und vermischt auf diese Art und Weise
primäre und sekundäre Spielebene, das heißt die ‚Realität’ der ersten Handlungssequenz
und die ‚fiktive’ Welt aus der Tragödie von Sophokles. Auch Schu zufolge stärken nicht
nur Reas Rezitierungen „den Eindruck einer Ersetzung der Realität durch die Literatur,
sondern auch die Parallelisierung von Text und Spielgeschehen. Gegenstand der
Übungen Reas ist das Klagelied der Antigone, deren Schicksal mit dem Reas
parallelisiert wird.“84 Durch diese Parallelisierung von Rea und Antigone werden von
Dürrenmatt eigentlich schon einige ‚Prophezeiungen’ gemacht, da der Zuschauer

80
William Shakespeare: Hamlet. Hg. von G. R. Hibbard. Oxford: Oxford University Press 2008, S. 300.
81
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 56.
82
Sabine Schu: Deformierte Weiblichkeit bei Friedrich Dürrenmatt. Eine Untersuchung des
dramatischen Werkes. St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag 2007, S. 159.
83
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 28.
84
Sabine Schu: Deformierte Weiblichkeit, S. 159.
41

vermuten kann, dass Rea wahrscheinlich genauso wie Antigone sterben wird: „Der alles
schweigende Todesgott, lebendig führt er mich zu der Hölle Ufer, und nicht zu
Hymenäen berufen bin ich, noch ein bräutlicher singt mich, irgendein Lobgesang,
dagegen dem Acheron bin ich vermählt!“85 Schu argumentiert sogar, dass die
Wassermetaphorik („der Hölle Ufer“) in diesem Zitat auf den bevorstehenden
Ertrinkungstod Reas verweist.86 Reas Eskapismus und die in dem von Schu zuvor
erwähnten Zitat angedeutete „Ersetzung der Realität durch die Literatur“ lassen sich
auch mit einer Szene aus der Panne verbinden. Wenn Ämilian Rea sagt, die Tragödie
sei in die Wirklichkeit (der primären Handlung) eingedrungen, erinnert dies an die
Passage in der Panne, in der Traps fürchtet, dass „[d]as Spiel in die Wirklichkeit
umzukippen [droht].“87 In Romulus der Große wird das folgendermaßen ausgedrückt:
„ÄMILIAN Dagegen dem Acheron bin ich vermählt. Hast du nicht diese Verse zitiert?
Sie sind wahr geworden, diese Verse. Geh, nimm ein Messer. Geh, geh!“88 In dieser
Szene fordert Ämilian Rea auf, für ihr Vaterland zu kämpfen, auch wenn es ihren Tod
bedeutet. Es stimmt aber nicht, dass man die Person Rea jetzt völlig mit Antigone
parallelisieren muss, wie auch Delbrück anerkannt hat, indem er aufmerkt, dass Rea
sich nicht,
wie oft behauptet wird, nur einer überholten Adaption der Antigone-Rolle
schuldig [macht], sondern diese Rolle grotesk in ihr Gegenteil [verkehrt]. Die
Verse, die Rea unmittelbar vor dem Auftauchen ihres Verlobten ausführlich
rezitiert, spricht Antigone vor ihrem Untergang in einen Tod, den sie gegen die
Forderungen des Staates und zur Erfüllung ihrer Schwesterpflicht gegenüber dem
Bruder auf sich genommen hat.89
Rea ist nämlich völlig dazu bereit, sich dem kaiserlichen Staat zu opfern, indem sie
beschlossen hat, den Hosenfabrikanten Cäsar Rupf, den einzigen, der das Reich vor dem
Untergang retten kann, zu heiraten. Es wirkt dann auch wieder ziemlich ironisch, dass
Dürrenmatt hier den Namen Cäsar benutzt, und somit impliziert, dass ein (zwar
unermesslich reicher) Hosenfabrikant eigentlich ein besserer Kaiser als Romulus wäre.
Der Geschäftsmann Cäsar Rupf ist übrigens, laut Fickert, „named for the coin of the
realm which he amasses and for a kind of coarse cloth which he might be selling; in

85
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 56.
86
Sabine Schu: Deformierte Weiblichkeit, S. 161.
87
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, S. 116.
88
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 59.
89
Hansgerd Delbrück: „Antiker und moderner Helden-Mythos in Dürrenmatts ‚ungeschichtlicher
historischer Komödie’ Romulus der Große“. In: The German Quarterly 3 (Summer 1993), S. 295.
42

addition, ‚rupfen’ can mean to deprive someone of his money.“90 Die Bemerkung, dass
Rea die Rolle der Antigone in ihr Gegenteil verkehrt, ändert aber nichts an der
Tatsache, dass die Versrezitierungen Reas als eine komplexere Spiel-im-Spiel-Struktur
aufgefasst werden können.
Eine andere Art komplexe Spiel-im-Spiel-Strukturen, die zwar keine Lyrik
beinhalten, die aber doch mit ihr in Verbindung stehen, sind die impliziten Verweise auf
andere literarische Werken. Es handelt sich in diesem Fall um Parodien, die meines
Erachtens auf den gemeinsamen Nenner des ‚versteckten Spiels im Spiel’ zu bringen
sind. Dürrenmatt sieht die Parodie als eine der wichtigsten Komponenten der Komödie
und, um eine Parodie herzustellen,
muss […] der Künstler die Gestalten, die er trifft, auf die er überall stösst,
reduzieren, will er sie wieder zu Stoffen machen, hoffend, dass es ihm gelinge: Er
parodiert sie, das heisst, er stellt sie im bewussten Gegensatz zu dem dar, was sie
geworden sind. Damit aber, durch diesen Akt der Parodie, gewinnt er wieder seine
Freiheit und damit den Stoff, der nicht mehr zu finden, sondern nur noch zu
erfinden ist, denn jede Parodie setzt ein Erfinden voraus.91
Die Parodie ist demnach immer noch ein Schöpfungsakt und nicht nur eine bloße
Übernahme eines bestimmten Stoffes und so geeignet für die Integrierung verschiedener
(Spiel-)Ebenen, weil sie neue (intertextuelle) Sichten und Verweise mit sich bringt.
Dürrenmatt findet die Parodie nützlich, weil sie die etablierte Ordnung stört, und weil
[d]ie Tyrannen dieses Planeten durch die Werke der Dichter nicht gerührt
[werden], bei ihren Klageliedern gähnen sie, ihre Heldengesänge halten sie für
alberne Märchen, bei ihren religiösen Dichtungen schlafen sie ein, nur eines
fürchten sie: ihren Spott. So hat sich denn die Parodie in alle Gattungen
geschlichen […] und mit der Parodie hat sich auch das Groteske eingestellt [.]92
Indem Dürrenmatt sich in seinen Komödien oft auf die Parodie bezieht, benutzt er
eine Technik, die, ihm zufolge, von der heutigen Gesellschaft allzu gern eingesetzt
wird. Dürrenmatt behauptet nämlich, dass „die Menschheit alles [nachäfft], sie wird
bisweilen zu ihrer eigenen Parodie.“93 Durch die Verwendung der Parodie deutet er
demnach auch implizit auf die Verweismentalität als eine der wichtigsten Eigenschaften
der Gesellschaft hin.

90
Kurt J. Fickert: „Wit and Wisdom in Dürrenmatt's Names“. In: Contemporary Literature 3 (Summer
1970), S. 383.
91
Friedrich Dürrenmatt: Theaterprobleme, S. 55.
92
Ebd.
93
Friedrich Dürrenmatt: Labyrinth. Stoffe I-III. Zürich: Diogenes 1990, S. 201.
43

Die meisten Parodien findet man aber in Romulus der Große, und zwar vor allem
die Parodien auf Shakespeares Dramen. Der dritte Akt scheint zum Beispiel eine
Parodie auf eine Szene aus Shakespeares Julius Caesar zu sein. Die größte implizite
Parallele mit Shakespeares Stück liegt vielleicht im Ausdruck „Koch, auch du?“94, die
mit der Shakespearischen Aussage „Et tu, Brute?“95 übereinstimmt. In dieser Aussage
wird der Koch, laut Romulus „de[r] wichtigst[e] Mann meines Reichs“96,
ironischerweise als vornehmster Genosse des Kaisers angedeutet (genauso wie Brutus
eine der wichtigsten Vertrauenspersonen Julius Caesars war). Es handelt sich hier um
die Szene in Romulus’ Schlafzimmer, in dem fast jede Figur der dramatis personae auf
den Kaiser wartet, um ihn zu ermorden, damit das römische Reich vielleicht
wiederhergestellt werden könne. Auch Jauslin konstatierte bereits, dass
die Szene, in der Romulus umgebracht werden soll, bewußt die entsprechende
Szene von SHAKESPEARE (JULIUS CAESAR, III, 1) [parodiert]. Diese Parodie
wird erreicht durch die Variation des sprichwörtlich gewordenen letzten Wortes
von Caesar. Das Shakespearesche „Et tu, Brute? Then fall, Caesar!“[…] wird bei
Dürrenmatt zur Frage: Koch, auch du? […] Daß Shakespeare-Parodie beabsichtigt
ist, sehen wir auch daran, daß die Handlung des Stückes ebenfalls zur Zeit der
Iden des März spielt, wie SHAKESPEARES JULIUS CAESAR, wo der Kaiser
von einem Wahrsager vor den Iden des März gewarnt wird.97
Es werden mit dem Ausdruck „Koch, auch du?“ demnach gleichzeitig zwei Spiele
hervorgerufen: Die Handlung aus Dürrenmatts Romulus der Große wird mit der des
Shakespearischen Stücks Julius Caesar vermischt. Diese Verweise auf Shakespeare
sind also eine Form von Intertextualität, und gerade durch diese Intertextualität kommt
die Vermischung der Handlungen, die implizite, intertextuelle Aufführung eines schon
vorher geschriebenen Spiels (Julius Caesar) in Dürrenmatts Spiel (Romulus) zustande.
Deswegen spreche ich hier im buchstäblichen Sinne vom Spiel (dem eingebetteten
Theaterstück Shakespeares) im Spiel (Dürrenmatts Romulus).
Ein anderes Beispiel solcher impliziten Verweise auf Shakespeares Werke ist die
Anspielung auf Romeo and Juliet, die man in den Namen des Kaiserpaares
wiedererkennt: Romulus und Julia. Auch Bursch hat in einer Fußnote auf diese Tatsache
hingedeutet, nämlich auf

94
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 88.
95
William Shakespeare: Julius Caesar. The illustrated Stratford Shakespeare. London: Chancellor Press
1982, S. 763.
96
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 17.
97
Christian Markus Jauslin: Friedrich Dürrenmatt, S. 53.
44

die parodistische Anspielung auf Shakespeares Romeo und Julia, welche der
Kaiserin Name in sich birgt (vgl. auch die lakonischen Zehn Paragraphen zu
‚Romulus der Große’, die der Autor 1949 für das Programmheft der Uraufführung
geschrieben hat. „§ 9/ Romulus und Julia.“ […] Von einer Liebesbeziehung kann
hier kaum die Rede sein, haben beide einander doch lediglich gebraucht, um
voneinander unabhängigen Interessen […] gerecht zu werden.98
Diese unexistierende Liebesbeziehung zwischen Romulus und Julia verstärkt
paradoxerweise die Behauptung, dass hier tatsächlich auf das Stück Romeo and Juliet
abgezielt wird: Diese Verkehrung des äußersten Musterbeispiels der Liebe in der
Literatur in eine völlig lieblose Beziehung zwischen Romulus und Julia ist nämlich ein
typisches Beispiel der Dürrenmattschen Ironie. Auch hinter dem Namen „Romulus der
Große“ steckt Dürrenmattsche Ironie, weil Romulus überhaupt kein großer, guter und
geschätzter Kaiser ist, sondern nur ein Hühnerzüchter, der für den Untergang des
römischen Reiches verantwortlich ist, und den seine Untertanen sogar „Romulus den
Kleinen“99 nennen. Die Parodien und diese einzelnen intertextuellen Verweise sind
somit als ‚verstecktes Spiel im Spiel’ zu definieren, da sie in die erste Spielebene
implizit mit einbezogen werden.
Jetzt, da klar ist, was das Spiel im Spiel beinhaltet, und die realitätsssystemisch
einfachen von den realitätssystemisch komplexen Spiel-im-Spiel-Strukturen abgegrenzt
worden sind, werde ich mich im Folgenden mehr in die letzte Kategorie, nämlich in die
der komplexen Spiel-im-Spiel-Strukturen vertiefen. Ich werde eine textnähere Analyse
von Dürrenmatts Komödien durchführen, und dabei auf die spezifische Funktion dieses
konkreten Spiels im Spiel fokussieren. Einerseits werde ich den Zusammenhang
zwischen den Spiel-im-Spiel-Strukturen (das Verstellungsspiel, das ich anhand einer
Besprechung der nationalsozialistischen Verweise aufdecken werde) in Dürrenmatts
Werken und den Machtstrukturen untersuchen. Andererseits werde ich mich mit der
Verbindung zwischen dem Spiel im Spiel (dem Narrenspiel) und dem
Wahnsinnskonzept beschäftigen.

98
Roland Bursch: „Wir dichten die Geschichte“. Adaption und Konstruktion von Historie bei Friedrich
Dürrenmatt. Würzburg: Königshausen und Neumann 2006, S. 36.
99
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 66.
45

2. Die Verbindung zwischen Spiel im Spiel und Machtstrukturen


2.1. Vorüberlegungen zur Position Dürrenmatts in Bezug auf den
Nationalsozialismus

In diesem Kapitel werde ich den Einfluss des Spiels auf die Beziehungen
zwischen den Figuren in den drei Komödien erforschen. Konkreter: Es stellt sich
heraus, dass die Schauspielerei der Figuren und die Wortspiele im Text die Frage nach
Macht hervorrufen, da es einige Stellen, die ich in diesem Kapitel erläutern werden,
gibt, an denen manche Figuren ihre Autorität und ihr Ansehen vergrößern wollen, das
heißt, dass sie die Sprache und Maskerade als Instrumente zum Zweck der Manipulation
und Machtsteigerung anwenden. Hierzu ist aber noch zu bemerken, dass das Wortspiel
nicht als Spiel im Spiel bezeichnet werden kann, sondern als Mittel, mit dem das
Verstellungsspiel der Figuren, das eigentliche Spiel im Spiel, zustande kommt.
Anhand einer Untersuchung der Interaktion zwischen Spiel und Macht werden die
Machtverhältnisse und das Maß, inwieweit die Figuren dem Spiel ihre Machtposition zu
verdanken haben, ausgearbeitet. Dieses Kapitel untersucht das Spiel im Spiel in dem
Sinne, dass jetzt mehr auf das Rollenspiel der Figuren innerhalb des Theaterstücks
fokussiert wird, damit die Hierarchie und die Machtverhältnisse in den verschiedenen
Texten erläutert werden. Es handelt sich hier um eine Art Verstellungsspiel, das heißt,
dass die Figuren einander gegenüber eine Rolle spielen, um ihre Macht zur Schau zu
stellen, und zu diesem Zweck benutzen sie allerhand nationalsozialistisch gefärbte
Ausdrücke. Ich werde in diesem Kapitel somit den spezifischen Effekt dieses
Verstellungsspiels, das ich, der zuvor erwähnten Definition von Beus zufolge, für eine
vollwertige, zwar komplexe, Spiel-im-Spiel-Struktur halte, erforschen. Es ist demnach
sinnvoll, den Autoritätsaspekt und die komplexen und oft unerwarteten Machtstrukturen
zu beleuchten, weil auf diese Art und Weise dem eigentlichen Spiel der Figuren ein
konkreter Sinn verliehen wird.
Ein erster Schwerpunkt meiner Analyse ist die Besprechung der Verweise auf das
Dritte Reich und den Nationalsozialismus. Es erscheint mir lohnenswert, die
Verbindung zwischen der Verwendung nazistischer Terminologie, dem Machtanspruch
der Figuren und dem Spiel zu untersuchen, weil der Nationalsozialismus ein Thema ist,
mit dem Dürrenmatt sich schon viel auseinandergesetzt hatte, und das auch ein
46

wesentlicher Teil seines Lebens war. Er hat den Aufstieg des Nationalsozialismus
bewusst erlebt, und hat mit einem Vater, Reinhold Dürrenmatt, der „im
Nationalsozialismus zunächst eine Gegenkraft zum Kommunismus“100 sah, und der am
Anfang deutlich Vorbehalte gegen Juden hatte, bald aber „den Aufstieg Hitlers mit
zunehmender Sorge, Skepsis, endlich mit Abscheu“101 verfolgte, leben müssen. In
einem Fragment aus Labyrinth, in dem Dürrenmatt über den Nationalsozialismus
reflektiert, gesteht er, dass er sich für eine relativ kurze Periode „einer frontistischen
Jugendorganisation“ anschloss.102 In dieser Passage versucht er aber, wie auch Rüedi
anerkennt, die Bedeutung seiner Teilhabe am Nationalsozialismus etwas
herabzusetzen.103 Dürrenmatt behauptet, dass die Absicht der Teilhabe vor allem die
Provokation seines Vaters und die Darstellung einer „Opposition gegen die väterliche
Welt“104 beinhaltete. Er sagt, dass er sich zu diesem Zweck auch „als Kommunist
ausgeben [könnte]. Aber ich hatte vom Marxismus nur eine verzerrte Vorstellung
[…].“105 Die Frage, ob Dürrenmatt dann ein Nazi gewesen ist, soll, meiner Meinung
nach, aber nicht gestellt werden, weil sich Dürrenmatts Haltung gegenüber dem
Nationalsozialismus aus vielen seiner Aussagen und Werken als eine sehr kritische und
verurteilende erweist. In seinen Theaterproblemen, assoziiert er zum Beispiel Hitler mit
einem Metzger, indem er konstatiert, dass
wir keine tragischen Helden, sondern nur Tragödien vorfinden, die von
Weltmetzgern inszeniert und von Hackmaschinen ausgeführt werden. Aus Hitler
und Stalin lassen sich keine Wallensteine mehr machen. Ihre Macht ist so
riesenhaft, dass sie selber nur noch zufällige, äussere Ausdrucksformen dieser
Macht sind, beliebig zu ersetzen, und das Unglück, das man besonders mit dem
ersten und ziemlich mit dem zweiten verbindet, ist zu weitverzweigt, zu
verworren, zu grausam, zu mechanisch geworden und oft einfach auch allzu
sinnlos.106
Auch die Frage, ob Dürrenmatt Kommunist war, lässt sich durch dieses Zitat
Dürrenmatts leicht beantworten, indem auch Stalin auf dieselbe Ebene als Hitler,
nämlich auf die des „Weltmetzgers“, gestellt wird. Rüedi stellt sich trotzdem die Nazi-
Frage, kann darauf keine klare Antwort geben, und sagt letztendlich, dass Dürrenmatt

100
Peter Rüedi: Dürrenmatt oder Die Ahnung vom Ganzen. Biographie. Zürich: Diogenes 2011, S. 130.
101
Ebd.
102
Friedrich Dürrenmatt: Labyrinth, S. 195.
103
Peter Rüedi: Dürrenmatt, S. 131.
104
Friedrich Dürrenmatt: Labyrinth, S. 195.
105
Ebd.
106
Friedrich Dürrenmatt: Theaterprobleme, S. 43 f.
47

„zumindest das, was man ‚germanophil’ nennen könnte“107 war. Die Liebe Dürrenmatts
für sein Land spiegelt sich auch in der Figur Romulus in der Komödie Romulus der
Große, in dem auch Romulus von seiner Frau Julia seine Liebe für das germanische
Volk vorgeworfen wird, wider: „Du bist direkt germanophil, Romulus.“108 Das macht
ihn aber noch nicht zum Anhänger des Nationalsozialismus. Außerdem darf man nicht
vergessen, dass Dürrenmatt ein Schweizer Autor ist, nicht ein Deutscher, und dass die
Schweiz vor und während des Zweiten Weltkriegs für eine lange Periode neutral
gewesen ist.
Auch die Tatsache, dass Dürrenmatt sich schon mit dem Nationalsozialismus, und
zwar vor allem in den Texten Der Richter und sein Henker und Der Besuch der alten
Dame befasst hat, bildete einen Ansatz, um die Verweise auf das Dritte Reich, die sich
vor allem aus dem Sprachgebrauch herausfiltern lassen, in den drei Theaterstücken zu
untersuchen und mit dem Spiel (im Spiel), der Hauptthematik dieser Arbeit, in
Verbindung zu bringen. Das Theaterstück Romulus der Große weist die meisten
expliziten nazistischen Verweise auf, aber auch in der Panne und in den Physikern
lassen sich meines Erachtens Beispiele der nazistischen Terminologie finden.

2.2. Manipulation und Verstellungsspiel anhand nationalsozialistischer


Terminologie

In diesem Unterkapitel wird die konkrete Analyse des Verhältnisses zwischen


dem Verstellungsspiel (den nationalsozialistischen Verweisen) der Figuren und den
spezifischen Machtstrukturen eingesetzt. Zunächst werde ich genauer auf die
Darstellung des Nationalsozialismus im Theaterstück Romulus der Große eingehen.
Fast alle Figuren des Stückes weisen Bezüge zum Dritten Reich auf. Crockett erwähnt
zwei dieser Figuren: „War Minister and Minister of State Tullius Rotundus have all the
cliches of Nazi Germany at their disposal as they talk [of] a fierce battle against the
approaching Teutons.”109 Die Wortspiele Dürrenmatts beziehen sich auf die vielen
anachronistischen Themen, die er in den Text einführt, wie zum Beispiel das

107
Peter Rüedi: Dürrenmatt, S. 136.
108
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 23.
109
Roger A. Crockett: Understanding Friedrich Dürrenmatt, S. 29.
48

nationalsozialistische Vokabular. Die nazistische Terminologie, die benutzt wird, ist


ziemlich explizit. Der Kriegsminister, der nicht zufälligerweise ‚Mares’, eine
Verschmelzung des griechischen Kriegsgottes ‚Ares’ und des römischen Äquivalentes
‚Mars’, heißt, bekommt von Kaiser Romulus, wie auch Crockett schon bemerkt hat, den
Titel ‚Reichsmarschall’.110 Auf diese Art und Weise wird ein Vergleich zwischen dem
römischen Reichsmarschall Mares und dem bekanntesten Reichsmarschall des Dritten
Reichs Hermann Göring gezogen. Es ist hier aber wichtig zu bemerken, dass
Dürrenmatt nicht so sehr die Absicht hatte, manche Figuren mit Nazi-Prominenten
gleichzustellen, sondern vor allem auf die einzelnen nationalsozialistischen Slogans
aufmerksam machen wollte, weil er auf diese Art und Weise eigentlich den ganzen
Nationalsozialismus aufs Korn nehmen kann. Er wollte nur die Tyrannei, die diese
Slogans ausstrahlen, darstellen und suggerieren, dass es immer diktatorische Leute
geben wird. Mares hat also nach seiner Beförderung die zweithöchste Machtposition
des römischen Reiches inne. Diese Betitelung als Reichsmarschall ist aber ziemlich
unbedeutend, weil Mares diesen Titel von Romulus, der den vertrottelten und
gleichgültigen Kaiser spielt, erhält, und weil es kaum noch Leute gibt, über die Mares
Macht hat, da sie dem römischen Reich entflohen oder nicht mehr angehörig sind.
Dementsprechend wirkt auch Mares’ Vorschlag zur „totalen Mobilmachung“ des
Staates ironisch, da das Reich nur noch ein Dutzend Anhänger zählt: „Majestät!
Odoaker besitzt eine Armee von hunderttausend gut ausgerüsteten Germanen, und mir
steht nur noch mein Adjutant zur Verfügung.“111 Das Konzept der totalen
Mobilmachung erinnert selbstverständlich an die im Zweiten Weltkrieg von Hitler
angeordnete totale Mobilisierung und den totalen Krieg. Dürrenmatt spielt mit diesem
nazistischen Konzept in dem Sinne, dass Mares behauptet, dass er die totale
Mobilmachung erfunden hat. Der römische Reichsminister gibt aber eine exakte
Definition der nazistischen Initiative: „Das habe ich gerade jetzt erfunden. Totale
Mobilmachung ist die Bezeichnung für die vollständige Zusammenfassung aller Kräfte
einer Nation zu militärischen Zwecken.”112 Romulus’ ironisch-lakonische Reaktion auf
diese ‚Erfindung’ von Mares zeugt von der zuvor erwähnten, impliziten Kritik am
Nationalsozialismus, der hier doch wieder von Romulus lächerlich gemacht wird: „Was

110
Roger A. Crockett: Understanding Friedrich Dürrenmatt, S. 29.
111
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 37.
112
Ebd., S. 36.
49

ist denn das für ein Wort? […] Das gefällt mir schon rein stilistisch nicht.“113 Der
oströmische Kaiser Zeno stimmt Mares in seiner naiven Absicht zu, indem er sagt, dass
sie das Reich „nur durch die totale Mobilmachung retten [können].“114 „Rüste dich
total”115 ist sein Wahlspruch. Crockett erwähnt auch noch andere Beispiele der
nationalsozialistischen Terminologie, die Zeno verwendet: „He [Zeno], too, echoes
Hitlerean concepts: “unsere geschichtliche Sendung” (our historic mission) […];
“Glauben an den Endsieg des Guten” (belief in the final triumph of right) […].”116 Zeno
ist, wie Mares, auch am Gebrauch des nazistischen Vokabulars beteiligt und will auf
diese Art und Weise die Überlegenheit des römischen Reiches den Germanen
gegenüber beweisen. Zeno ist aber ein Feigling und immer von anderen abhängig, weil
er viele Politiker um Asyl bittet: „Seit ich Konstantinopel verlassen habe, mußte ich die
unzähligen Verse des ‚Hilfe erbitt ich’ ungefähr dreimal täglich vor allen möglichen
politischen Persönlichkeiten vortragen.“117 Nicht nur die angebliche Autorität von
Mares, sondern auch die von Zeno werden durch Wortspiel und Situationskomik stark
nuanciert. Sie kämpfen wie Don Quijote gegen die Windmühlen, gegen ein Reich, das
nicht mehr zu retten ist. Sie verwenden die autoritär anmutende nationalsozialistische
Terminologie, um ihrem Vorhaben, das Reich vor dem Untergang zu bewahren,
Nachdruck zu verleihen, aber dieses Vorhaben erweist sich als lächerlich, da der
Untergang des Reichs unabwendbar ist. Die Slogans des Dritten Reichs werden von
Dürrenmatt eingesetzt, um gerade das Umgekehrte von Macht zu erreichen: die
Glaubwürdigkeit und Machtposition der Figuren werden von den Zuschauern in Zweifel
gezogen.
In Romulus der Große zeigen sich aber noch spezifischere Anspielungen auf den
Nazismus. Der rote Faden des zweiten Aktes zum Beispiel, ist der Rauch, der in den
Didaskalien oft erwähnt wird. Innenminister Tullius Rotundus gibt als Erklärung, dass
man mit der Verbrennung der römischen Archive angefangen hat: „Wir verbrennen die
Archive. […] Die wertvollen Dokumente römischer Regierungskunst dürfen unter
keinen Umständen in die Hände der Germanen geraten […].“118 Meiner Meinung nach,

113
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 36.
114
Ebd.
115
Ebd.
116
Roger A. Crockett: Understanding Friedrich Dürrenmatt, S. 30.
117
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 30.
118
Ebd., S. 48 f.
50

könnte man hier eine Parallele zu der Tatsache, dass auch die Nazis, als der Untergang
des Dritten Reichs nahte, beschwerliche Dokumente (unter anderem über den
Holocaust) und Archive (auch die der besetzten Gebiete) verbrannten, damit diese nicht
in die Hände der Alliierten fielen. Man soll hier aber selbstverständlich die
Dürrenmattsche Ironie beachten, in dem Sinne, dass die Verbrennung der „wertvollen
Dokumente“ einer römischen Regierung, die niemals gut regiert hat, die eher einer
Farce als einer „Regierungskunst“ gleicht, eigentlich total nutzlos ist, es sei denn, dass
die Regierungen von Romulus’ Vorgänger gemeint ist, was aber wegen Dürrenmatts
Vorliebe für Ironie wenig wahrscheinlich ist.
Noch spezifischere Anspielungen auf den Nationalsozialismus sind die Hinweise
auf den Propagandaminister des Dritten Reiches Joseph Goebbels. Die Aussage von
Romulus „Was in meinem Hause klassisches Latein ist, bestimme ich“119 zum Beispiel,
ähnelt dem Ausspruch Goebbels „Wer Jude ist, bestimme ich“. Romulus’ Aussage ist
der einzige deutlich nazistisch gefärbte Satz des Kaisers. Hier benutzt Romulus den
impliziten nationalsozialistischen Ton, um dem Kammerdiener Pyramus seine erhabene
Position als Kaiser deutlich zu machen. Es handelt sich aber wieder um eine ironische
Aussage in einer nutzlosen Diskussion. Romulus will frühstücken und befiehlt Pyramus
„das Morgenessen“ zu holen. Pyramus wendet ein, dass es „Frühstück“ heißt, während
Romulus am Terminus „Morgenessen“ festhält. Romulus will Pyramus an seine
untergeordnete Position erinnern, indem er sagt, dass er die Sprache, das „klassisch[e]
Latein“ bestimmt. Diese Aussage wirkt doppelt ironisch durch das Wortspiel, das
Dürrenmatt hier einsetzt: Beide Figuren reden über die deutschen Wörter
„Morgenessen“ und „Frühstück“, während Romulus sagt, dass er das klassische Latein
benutzt und bestimmt; man würde fast vergessen, dass es sich hier um die lateinische
Sprache handelt. Die Diskussion über das deutsche „Frühstück“ und das schweizerische
„Morgenessen“ in Rom des 5. Jahrhunderts wirkt befremdlich und ist selbstverständlich
total anachronistisch. Die Diskussion über die Autoritätsbestätigung ist meine
zusätzliche Interpretation zu dieser Szene, aber ursprünglich bezieht sich diese
Diskussion zwischen Pyramus und Romulus auf einen Wortwechsel zwischen
Dürrenmatt und dem Hauptdarsteller aus Romulus der Große. Enklaar und Ester
konstatieren, „dass bei den Proben zu Romulus dem Großen der deutsche Darsteller der

119
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 17.
51

Hauptrolle Dürrenmatt auf einen ‚Fehler’ aufmerksam gemacht habe, statt ‚Frühstück’
habe Dürrenmatt den Helvetismus ‚Morgenessen’ verwendet.“120 Somit wurde die
Diskussion zwischen den beiden in das Theaterstück aufgenommen und könnte man
behaupten, dass es sich hier nicht nur um eine Autoritätserhöhung Romulus, sondern
auch Dürrenmatts handelt.
Goebbels Satz „Wer Jude ist, bestimme ich“ erscheint auch in der Komödie Die
Physiker. Die Psychiaterin Mathilde von Zahnd versucht, wie Romulus, ihre Autorität
zu verstärken, indem sie sagt: „Für wen sich meine Patienten halten, bestimme ich.“121
Diese Aussage ist eine Antwort auf die Frage des Kriminalinspektors Richard Voß
„Sind Sie sicher?“122, die von Zahnds Glaubwürdigkeit und Kompetenz als Psychiaterin
in Frage stellt. Im Vergleich zu Romulus ist die Aussage Mathilde von Zahnds viel
ernster gemeint. Von Zahnd bestätigt hier ihre Macht dem Kriminalinspektor Richard
Voß gegenüber. In diesem Zusammenhang kann wieder kurz auf Dürrenmatts ironische
Namensymbolik, die die machtlose Position des Inspektors bestätigt, hingewiesen
werden. Laut Crockett ist der Name ‚Richard Voß’ nämlich
a probable reference to the most popular animal fable of the Middle Ages, Reinke
de Vos (Reinhard the Fox). If so, then this reference is ironic. The inspector is
outfoxed by Dr. von Zahnd and ends up eating out of her hand, ordering exactly
what she wants, male nurses for the physicists.123
Auch Sabine Schu erkennt die Überlegenheit von Zahnds: „In diesem – an Goebbels
Satz ‚Wer Jude ist, bestimme ich’ gemahnenden – Ausspruch erweist sich die
diktatorische Absolutheit, mit der Mathilde von Zahnd die Kontrolle über die Physiker
beansprucht.“124 Von Zahnd will mit dieser Aussage nicht nur ihre Herrschaft zeigen,
sondern auch keinen Zweifel über ihre Kompetenz als Leiterin der Psychiatrie zulassen.
Wenn von Zahnd unterstellt, dass sie bestimmt, für wen sich die Patienten halten,
könnte man folgern, dass sie nicht nur die Wirklichkeit, sondern auch die Rollenspiele
der Patienten in ihrer Psychiatrie bzw. das Spiel im Spiel bestimmt. Sie teilt Newton
seine Rolle als Newton, Einstein seine Rolle als Einstein zu, und vielleicht hat sie sogar
auch Möbius dazu angespornt, sich die Salomo-Halluzinationen anzueignen, obwohl die

120
Jattie Enklaar; Hans Ester: Vivat Helvetia. Die Herausforderung einer nationalen Identität.
Amsterdam/Atlanta: GA 1998, S. 76.
121
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, S. 25.
122
Ebd.
123
Roger A. Crockett: Understanding Friedrich Dürrenmatt, S. 110.
124
Sabine Schu: Deformierte Weiblichkeit, S. 205.
52

letzte Hypothese weniger wahrscheinlich ist, weil von Zahnd selbst an die Existenz
Salomos glaubt. Die These, dass von Zahnd wirklich die Rollen zuteilt, lässt sich aber
schwer mit der Tatsache versöhnen, dass sowohl Eisler als auch Kilton Mitglied eines
Geheimdienstes sind, und dass sie sogar ein zweifaches (Spiel im Spiel im Spiel) bzw.
dreifaches Rollenspiel (Spiel im Spiel im Spiel im Spiel), wie im ersten Kapitel
festgestellt wurde, aufführen. Meiner Meinung nach hat von Zahnds Versuch, ihre
Autorität darzustellen, demnach weniger Bedeutung und Effekt als man auf den ersten
Blick vermutet.
Das Auftauchen der Aussprüche von Goebbels im Theaterstück Romulus der
Große wird auch von Crockett angenommen. Er gibt das folgende Beispiel:
Propaganda slogans worthy of Joseph Goebbels ring familiar and hollow in the
face of total desertion by all the Roman troops who have not been captured or
killed: “Our strategic position grows more favourable hour by hour. It improves
from defeat to defeat [Die strategische Lage wird stündlich günstiger. Sie
verbessert sich von Niederlage zu Niederlage].”125
Der erwähnte Slogan ist wieder eine ironische Verkehrung, die auf die Naivität und
eigentliche Machtlosigkeit von Kriegsminister Mares hindeutet. Anstatt dass sich die
Lage von Sieg zu Sieg verbessert, behauptet Mares, sie „verbessert sich von Niederlage
zu Niederlage“, was selbstverständlich Nonsens ist. Diese absurden Behauptungen
lassen sich mit der deutschen Propaganda während des Zweiten Weltkrieges, die dem
deutschen Volk auch Sand in den Augen streute, verbinden. Die hartnäckig positive
Berichterstattung über die großen Fortschritte der deutschen Helden in der Schlacht von
Stalingrad, während in Wirklichkeit viele hunderttausend Soldaten in den schlimmsten
Umständen, die man sich vorstellen kann, ums Leben kamen, ist ein der bekanntesten
Beispiele solcher absurden Berichterstattung.
Kriegsminister Mares und der oströmische Kaiser Zeno verwenden, wie bereits
gesagt, häufig nationalsozialistische Wahlsprüche, aber auch Kaiserin Julia bedient sich
des Vokabulars des Dritten Reiches. Laut Sabine Schu tragen alle Äußerungen der
Kaiserin Julia
zum Eindruck einer Ideologisierung des Staates bei, welche auffallend parallele
Züge zu den Parolen des Dritten Reiches aufweisen. Durch den Gebrauch
nationalsozialistischen Vokabulars werden römische Geschichte und jüngste
Vergangenheit für den Leser verknüpft und so die Irrationalität und geistige
Brandschatzung in Julias Staatswahn hervorgehoben […] Des Weiteren spricht

125
Roger A. Crockett: Understanding Friedrich Dürrenmatt, S. 29.
53

die Absolutheit, mit der Julia berei[t] ist, (fast) alles für den Staat zu opfern, für
die Pervertierung der Staatsidee im Sinne des Dritten Reiches: „Ich bin
entschlossen, in Sizilien den Widerstand gegen den Feind fortzusetzen. Um jeden
Preis.“126
Es ist logisch, dass durch den Gebrauch von nationalsozialistischer Terminologie, die
römische und nazistische Geschichte miteinander in Verbindung gebracht werden. Ich
möchte aber noch dazu bemerken, dass nicht nur die römische Zeit (der Untergang
Roms) und die Zeit des Nazismus, sondern auch die fünfhundert Jahre früher
stattgefundene Ermordung Julius Caesars, die über eine Parodie Dürrenmatts auf
Shakespeares Julius Caesar, auf die ich schon im ersten Kapitel hingewiesen habe,
miteinbezogen werden. Es gibt hier verschiedene zeitliche Schichten, die
ineinandergewoben sind. Diese Mischung mehrerer Zeitebenen ist meines Erachtens
einer der Gründe, warum Dürrenmatt dieses Theaterstück in seiner Anmerkungen als
„eine schwere Komödie, weil sie scheinbar leicht ist“127 bezeichnete. Außerdem
unterstützt diese Mischung der verschiedenen Zeitebenen meine Theorie, dass die
Rollenspiele, unter anderem bestehend aus den nazistischen Slogans und intertextuellen
Verweisen zu Shakespeares Stücken, zur realitätssystemisch komplexen Spiel-im-Spiel-
Struktur gehören, in dem Sinne, dass sie noch einmal auf die Mehrschichtigkeit von
Dürrenmatts Komödien hindeutet: Unter anderem die Parodie auf Julius Caesar und die
Rollenspiele (die nazistischen Aussagen) bilden nämlich, wie im ersten Kapitel betont
wurde, das Spiel im Spiel. In Schus Zitat wird Julias Machtgier und angeblicher
Kampfgeist anerkennt. Man könnte eine Parallele zu Hitler und seiner engsten
Umgebung ziehen, die genauso wie Julia und ihre Mitkämpfer die Germanen, bis zum
letzten Atemzug die Alliierten vom letzten Bollwerk Berlin aus weiter bekämpften. Das
letzte Bollwerk des römischen Reichs in Romulus der Große ist nicht, wie man
normalerweise erwarten würde, die Hauptstadt Rom, sondern Sizilien. Der Kampf von
Sizilien aus ist also wieder ironisch gemeint, weil Sizilien der entlegenste Winkel des
Landes ist, und die Reise nach Sizilien eigentlich nur einen Fluchtversuch darstellt. Die
Aussprüche Schus „Wäre sie [Julia] vom Staat überzeugt, würde sie nicht fliehen,
sondern heroisch mit ihm untergehen“128 und „Doch in ihrem narzisstischen Gebäude
von Ausflüchten und Selbstlügen stellt sie ihre eigene Person über den abstrakten Wert

126
Sabine Schu: Deformierte Weiblichkeit, S. 336 f.
127
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 119.
128
Sabine Schu: Deformierte Weiblichkeit, S. 338.
54

des Staates“129 stimmen deswegen auch. Mares, Zeno und Julia wollen das Reich auf
jeden Fall retten, als aber die Germanen da sind, fliehen sie alle, und dem Zuschauer
wird ihr Egoismus und ihre Feigheit klar. Sie spielen alle den „Retter des Vaterlands“,
aber durch die Realität der heranrückenden Germanen werden die eigentlichen
Absichte, nämlich Selbstrettung und Egoismus, klar.
Romulus der Große stellt nicht nur das Rollenspiel von Romulus dar. Dürrenmatt
spielt auch mit der Geschichte der zwei kämpfenden Reiche und den gegensätzlichen
Positionen: Die Italiener reden hier Deutsch, während die Germanen ihre Gegner sind.
Es ist ironisch, dass das zuvor erwähnte nationalsozialistische Vokabular gegen die
Germanen verwendet wird. Diese Sprachproblematik (hierzu gehört auch die auf
Deutsch geführte Diskussion über die Bestimmung des klassischen Lateins zwischen
Romulus und Pyramus) und der reichliche Gebrauch von allerhand Arten von Spielen
im Spiel, wie zum Beispiel das Rollenspiel von Romulus oder die Parodien auf
Shakespeares Werken (vgl. Kapitel 1), vergrößern noch einmal die zuvor erwähnte
Herausforderung für den Zuschauer, eine Unterscheidung zwischen Realität und
Fiktionalität zu machen. Auch die Tatsache, dass die Germanen, „die Weltgefahr des
Germanismus“ 130, den Krieg (gegen Rom) gewinnen werden, während das dem Dritte
Reich nicht gelungen ist, wirkt komisch. Eine andere ironische Umkehrung ist, meiner
Meinung nach, der Eindruck, dass nicht die Germanen, sondern das römische Reich
eine Art von Stunde Null erfährt. Auch Rüedie bestätigt die Existenz „d[er]
zeitgeschichtlichen Bezüge auf die Stunde null“131 in Romulus der Große. Diese
Annahme der Existenz der Bezüge auf die Stunde Null lässt sich unter anderem aus
einer Umschreibung von Ämilian, der im römischen Reich umhergeschweift ist,
ableiten. „Ich schlich durch zerstörte Städte und durch rauchende Dörfer“, erklärt
Ämilian, „ich ging durch zerhackte Wälder und zog über zerstampfte Äcker. […] Ich
sah die Männer hingemetzelt, die Frauen geschändet und die Kinder verhungert.“132 Das
römische Reich hat zwar noch nicht offiziell kapituliert, aber der Untergang steht bevor.
Ämilians Beschreibung eines zerstörten Reiches erinnert an den Trümmerhaufen, der
Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg war.

129
Sabine Schu: Deformierte Weiblichkeit, S. 338.
130
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 34.
131
Peter Rüedi: Dürrenmatt, S. 348.
132
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 67.
55

Nur Romulus ist sich eigentlich der Zerstörung, die ein Krieg verursacht, bewusst.
Deshalb möchte ich hier auch dem Konzept der Schuld Aufmerksamkeit widmen.
Roland Bursch behauptet, „dass Romulus, dessen „judging of the Roman Empire“, wie
auch Fred Mensch anerkennt, mit „Dürrenmatt’s judging of Hitler’s Germany“
korrespondiert.“133 Es gibt im Stück zwar keine explizite Verurteilung von Hitlers
Deutschland, aber die implizite Kritik am Dritten Reich wird anhand von Dürrenmatts
Wortspiel klar. Es handelt sich meines Erachtens bei beiden Fällen, dem römischen und
dem Dritten Reich, um die Schuldfrage: Man hat entweder Schuld am Blutvergießen
durch das römische Reich oder Schuld am Holocaust. Romulus spielt den idiotischen
Kaiser, der nichts tut, um sein Reich zu retten, weil er glaubt, dass der Staat ein
abscheuliches Organ ist, das so schnell wie möglich liquidiert werden soll. Im
folgenden Zitat listet Romulus die schlimmsten Verbrechen, an denen das römische
Reich, ihm zufolge, die Schuld trägt, auf:
Ich bezweifle nicht die Notwendigkeit des Staates, ich bezweifle nur die
Notwendigkeit unseres Staates. Er ist ein Weltreich geworden und damit eine
Einrichtung, die öffentlich Mord, Plünderung, Unterdrückung und
Brandschatzung auf Kosten der andern Völker betrieb, bis ich gekommen bin.134
Romulus entwickelt ein Schuldgefühl und behauptet, dass auch er und die heutige
römische Generation an der Vergangenheit, an den Verbrechen des römischen Reichs,
das genauso wie das Dritte Reich gemordet, geplündert und unterdrückt hat, die Schuld
trägt, und will deswegen das Reich auflösen, damit ein Teil der Schuld ausgelöscht
wird. Dieses Schuldgefühl von Romulus lässt sich mit der Tatsache, dass im 20.
Jahrhundert (und vor allem in der unmittelbaren Nachkriegszeit, im Jahre 1949, als die
Uraufführung von Romulus stattfand) sich viele Deutsche von der Schuld an der
Zerstörung durch den Krieg und vor allem von der Schuld am Holocaust (auch wenn sie
nicht daran beteiligt waren) verfolgt fühlten, verbinden. Für Dürrenmatt selbst steht die
Schuld außer Frage, auch wenn er aus der sich für neutral haltenden Schweiz stammt,
aber die von Dürrenmatt vielleicht ungemeinte Assoziation des Schuldgefühls von
Romulus mit der prekären Situation und Schuldfrage direkt nach dem Krieg kann man
hier trotzdem ableiten.
Das (ungewollte) Schuldgefühl des deutschen Volkes über die Nazi-
Vergangenheit ist meines Erachtens auch in den zwei anderen Stücken impliziert. In den
133
Roland Bursch: „Wir dichten die Geschichte“, S. 129.
134
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 77.
56

Physikern spielt das Schuldgefühl von Möbius, der eine ‚Weltformel’, die die
Menschheit zerstören kann, erfunden hat, eine zentrale Rolle. Diese Entdeckung
korrespondiert mit der Erfindung der Atombombe und den schrecklichen Folgen dieses
Fundes. Möbius erklärt, dass es Risiken gibt,
die man nie eingehen darf: der Untergang der Menschheit ist ein solches. Was die
Welt mit den Waffen anrichtet, die sie schon besitzt, wissen wir, was sie mit jenen
anrichten würde, die ich ermögliche, können wir uns denken. Dieser Einsicht habe
ich mein Handeln untergeordnet. […] Die Verantwortung zwang mir einen
anderen Weg auf. Ich ließ meine akademische Karriere fahren, die Industrie fallen
und überließ meine Familie ihrem Schicksal. Ich wählte die Narrenkappe.135
Die beiden Hauptfiguren Romulus und Möbius nehmen die Verantwortung für die
vergangenen Untaten des Reichs bzw. die Erfindung einer möglichen
Massenvernichtungswaffe auf sich. Ihre Handlungen, um die Schuld einigermaßen zu
erleichtern (Romulus will sein Reich und Möbius seine ‚Weltformel’, sein Wissen,
indem er sich in die Psychiatrie einsperren lässt, liquidieren), basieren in beiden Fällen
auf Spiel. Romulus spielt den faulen Kaiser, der keinen einzigen Versuch unternimmt,
um das Reich vor dem Untergang zu bewahren, und Möbius spielt den Wahnsinnigen,
er „wählt die Narrenkappe“, und spielt also den Narren, wie man im letzten Zitat lesen
kann, um keine Aufmerksamkeit auf sich oder auf seine grausame wissenschaftliche
Erfindung zu ziehen. Die beiden Figuren scheitern aber: Das weströmische Reich ist
zwar erloschen, aber die nahe Zukunft wird einen neuen mörderischen Herrscher,
nämlich Odoakers Neffe Theoderich, hervorbringen. Auch Möbius’ Plan scheitert, weil
Chefärztin Mathilde von Zahnd die Weltformel Möbius’ kopiert hat, und diese für die
Eroberung der Welt einsetzen wird. Punkt 18 „Jeder Versuch eines Einzelnen, für sich
zu lösen, was alle angeht, muß scheitern“136 der „21 Punkte zu den Physikern“ wird also
respektiert.
Auch in der Panne wird die Schuldfrage gestellt und ausführlich behandelt. Der
Generalvertreter Alfredo Traps wird in dieser Komödie von vier alten Greisen
eingeladen, an einem Gerichtsspiel teilzunehmen. Die vier Greise spielen ihre alten
Justizberufe nach und Traps soll den Angeklagten darstellen. Das ganze Spiel besteht
darin, dass sie Traps ein Verbrechen, in diesem Fall den Mord an seinem Chef,
einreden. Traps hat diesen Mord zwar nicht verübt, aber durch die Manipulation und

135
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 73 f.
136
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, S. 93.
57

scheinbar gut untermauerten Bezichtigungen des fiktiven Gerichts, glaubt Traps


letztendlich, dass er doch an dem ihm angedichteten Mord Schuld hat: „Vorher träumte
ich, unschuldig zu sein. Jetzt – jetzt bin ich wach geworden und sehe, daß ich schuldig
bin. Schuldig. Schuldig.“137 Die unmittelbare Wiederholung oder Geminatio des Wortes
„schuldig“ betont, dass Traps wirklich von seiner Schuld überzeugt ist. Bevor das
eigentliche Gerichtsspiel anfängt, wird ein Gespräch zwischen Richter Wuchts
Enkelkind Justine von Fuhr und Traps aufgeführt. In diesem Gespräch nimmt Justine
einige merkwürdige Standpunkte zu der Schuldfrage ein. Sie spricht über ihren
Ehemann Jean-Claude, der sich erschoss, „um schuldig zu werden“, weil er „es für
unanständig [hielt], unschuldig zu sein“138. Diese ‚Geständnisse’ von Justine gehören
eigentlich schon zum Spiel, weil sie falsch sind. In Wirklichkeit hat Justine Jean-Claude
ermordet, indem sie ihn in einem Brand, den sie selbst durch eine Zigarette verursachte,
umkommen lassen hat, damit ihr „Großväterchen“ Wucht Jean-Claudes Weinkeller
bekam. Die Manipulation Traps’ fängt hier schon an, weil Traps von der schönen
Justine beeindruckt ist, und diese letzte ihre Schönheit ausnutzt, um Traps’ Perspektive
zur Schuldfrage zu verdrehen. Justine behauptet zum Beispiel paradoxerweise, dass es
„kein größeres Verbrechen als die Unschuld [gibt]“139, und sie erwähnt ihr Motto „Die
Schuld ist etwas Wunderbares“140, um Traps zu beeinflussen. Durch die Manipulation
der Greise und Justine erschießt Traps sich am Ende des Stückes, weil er, genauso wie
Jean-Claude, schuldig sein will (nicht nur, weil er meint, dass er nur auf diese Art und
Weise Justines würdig ist, sondern auch, weil die vier Männer seinen
Minderwertigkeitskomplex ausgenutzt haben). Im Gegensatz zu Möbius und Romulus
wählt Traps somit den Selbstmord, um seine Schuld zu tilgen. Dieses Gerichtsspiel
erinnert an die Scheinprozesse in der Nazizeit, wo auch Gericht gespielt wurde, und
durch die oft politische Gegner zum Schweigen gebracht wurden. In diesem Fall ist
Traps zwar kein politischer Gegner, aber das korrupte Gericht verlegt sich deutlich auf
eine Verurteilung Traps’, und wenn es zu diesem Zweck Traps’ Aussagen manipulieren
muss, wird das Gericht das nicht unterlassen, wie Wucht deutlich macht: „Ein
Verbrechen läßt sich immer finden.“141

137
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, S. 148.
138
Ebd., S. 86.
139
Ebd.
140
Ebd.
141
Ebd., S. 92.
58

Die Untersuchung der expliziten oder impliziten (wie zum Beispiel die
Schuldfrage) Anspielungen auf den Nationalsozialismus hat ergeben, dass, wenn die
Machtfrage am deutlichsten gestellt wird, die Figuren auf die nazistischen Slogans, von
denen die zwei Varianten von Goebbels Ausspruch „Wer Jude ist, bestimme ich“ in den
Physikern und in Romulus der Große die besten Beispiele sind, zurückgreifen. Die
Verweise auf den Nationalsozialismus werden mithin vor allem mit Diktatur,
Machterhöhung und Unrecht assoziiert. In Romulus der Große wird aber durch die
ironischen Verkehrungen, durch das Spiel von Romulus und das Wortspiel mit dem
nazistischen Vokabular das Umgekehrte erreicht: Die Macht von Mares und Zeno wird
als lächerlich und naiv entlarvt und hinter ihrem und Kaiserin Julias Spiel steckt
deutlich Egoismus und Feigheit. Die ironischen Umkehrungen werden also großenteils
durch das Wortspiel ausgelöst: die Verweise auf die Stunde Null, die von Romulus
angeordnete Verbrennung der Archive und vor allem die nationalsozialistische
Terminologie, die jetzt gegen die Germanen verwendet wird und die eine Vertauschung
der römischen und germanischen Positionen erzielt. Die Autorität der wahnsinnigen
Mathilde von Zahnd aus den Physikern hingegen wird gesteigert, auch wenn sie die
Gesunde spielt. In diesem Fall wirken die Hinweise auf den Nationalsozialismus
autoritätsbestätigend und wird das Unrecht markiert, aber als der Zuschauer später im
Stück erfährt, dass von Zahnd eigentlich psychisch erkrankt ist, wird auch hier der
Einfluss des nazistischen Slogans eingeschränkt.
Aus der Analyse des Nationalsozialismus in den drei Texten lässt sich folgern,
dass die Figuren nationalsozialistische Terminologie benutzen, um Macht zu
beanspruchen, aber dass das (Verstellungs-)Spiel der Figuren selbst eine Umkehrung
dieser Absicht erreicht, und dass die nazistischen Slogans eher die Machtstrukturen
unterlaufen als die Machtverhältnisse zwischen den Figuren klar darzustellen. Das
Verstellungsspiel der Figuren, das vorwiegend aus diesen nationalsozialistischen
Ausdrücken, die eigentlich die Macht dieser Figuren erhöhen sollten, besteht, hat
demnach einen Einfluss, der sich zum Machtanspruch umgekehrt proportional verhält.
Man kann daraus schließen, dass Dürrenmatt auf diese Art und Weise mit dem
Nationalsozialismus Abrechnung hält, indem er diese autoritäre Organisation lächerlich
macht. Nicht nur in seinen theoretischen Schriften und Vorträgen, sondern auch in
59

seinen Theaterstücken suggeriert Dürrenmatt demnach, dass er kein Nazi gewesen sein
könnte.

3. Die Verbindung zwischen Spiel im Spiel und Wahnsinn


3.1. Die verschiedenen Narrenfiguren
3.1.1. Der ‚Dürrenmattsche Narr’

Im vorigen Kapitel wurden die Machtverhältnisse zwischen den Figuren anhand


einer Diskussion des verwendeten Nazi-Vokabulars untersucht. Es wurde gefolgert,
dass der Gebrauch von nationalsozialistischer Terminologie gegen alle Erwartungen die
vorgeführte Autorität nicht steigert, sondern die Figuren lächerlich macht, und dass die
Situationskomik und vor allem das Spiel der Figuren selbst dafür verantwortlich sind. In
diesem Kapitel wird ausführlicher auf das (Rollen-)Spiel dieser Figuren eingegangen,
weil meiner Meinung nach die Frage nach der geistigen Gesundheit der Figuren auch
vom Spiel (im Spiel) gelöst werden kann. Anhand einer Untersuchung des spezifischen
Spiels der Figuren, wobei ich mich vor allem mit dem Narrenkonzept auseinandersetzen
werde, wird die Beziehung zwischen Wahnsinn und Spiel verdeutlicht. Das Narrenspiel
bestimmter Figuren wird in diesem Kapitel, auf die gleiche Art und Weise wie im
vorigen Kapitel den Gebrauch der nazistischen Slogans, als Rollenspiel, und deshalb
auch als Spiel im Spiel, aufgefasst.
Zunächst werde ich eine Definition des ‚Dürrenmattschen Narren’ unter
Zugrundelegung einiger Aussagen Dürrenmatts aufzustellen versuchen. Es ist aber
wichtig, zuerst auf eine allgemeine Definition der Narrenfigur zu verweisen, so dass der
Unterschied mit dem ‚Dürrenmattschen Narren’ deutlich wird. Butzer und Jacob
zufolge ist der Narr ein „Symbol der Volkstümlichkeit, Dummheit und Sünde, der
verkehrten Welt aber auch der Weisheit und der Melancholie.“142 Außerdem bilden das
Stegreifspiel und das Improvisieren „die wichtigsten Merkmale des N[arren.]“143 Die
Umschreibung aber, die am besten mit der Dürrenmattschen Narrenfigur übereinstimmt,
ist die, die den Narren als Symbol der Weisheit und der Melancholie konzipiert, wie ich

142
Günter Butzer; Joachim Jacob (Hg.): Metzler Lexikon literarischer Symbole. Stuttgart: Metzler 2008,
S. 247.
143
Ebd.
60

auch später in diesem Kapitel erläutern werde. Butzer und Jacob konstatieren in diesem
Zusammenhang, dass „[a]uf den satir. Hofnarren des MA zurückgehend, der auch die
Adligen mit Narrenfreiheit parodieren darf, der volksnahe Clown seit dem 17. Jh.
zunehmend vom mitunter auch in Rätseln sprechenden weisen N[arren] abgelöst
[wird.]“144 Die Weisheit und die Melancholie, die hier mit dem Narren assoziiert
werden, werde ich besonders unter 1.2. ausführlich besprechen.
Es lässt sich aber ein deutlicher Unterschied zwischen dieser allgemeinen
Definition von Butzer und Jacob und der ‚Definition Dürrenmatts’ feststellen, und das
ist das Motiv des Zufalls, das in Dürrenmatts Werk eine zentrale Position einnimmt.
Laut Urs Büttner „interessiert Dürrenmatt sich so besonders für den unerklärten Rest,
der in der Moderne unter dem Namen ‚Zufall’ Karriere gemacht hat. Er bezieht den
Zufall auf die Frage nach der Gerechtigkeit.“145 Dürrenmatt selbst definiert den Zufall
als
das Unvoraussehbare. Wenn wir uns einbilden, wir lebten in einer Welt des
Voraussehbaren, dann sind wir Narren. […] Wer die Welt nur aus Kausalitäten
aufbauen will, ist ein Narr. Wir müssen mit dem unvoraussehbaren Zufall
rechnen.146
Implizit kann man aus diesem Zitat schon einen Teil der Dürrenmattschen
Narrendefinition ableiten. Dürrenmatt bezeichnet diejenigen, die den
„unvoraussehbaren Zufall“ nicht berücksichtigen, als Narren. Wenn man diese
Definition wörtlich interpretiert und auf die drei Texten überträgt, erweisen sich auf den
ersten Blick eigentlich fast alle Figuren, darunter auch die drei Hauptfiguren Romulus,
Möbius und Traps, als Narren. Romulus hat nämlich nicht mit dem Zufall gerechnet,
dass Odoaker, genauso wie Romulus, auch Hühnerzüchter ist, und dass dieser
Germanenfürst den gleichen menschenfreundlichen Charakter wie Romulus hat.
Dementsprechend hat Odoaker den Zufall nicht berücksichtigt, weil er davon
ausgegangen war, Romulus akzeptiere die Kapitulation des germanischen Volkes.
Somit ist auch Odoaker ein Narr. Auch Möbius, der sich zufälligerweise in eine von
einer verrückten Psychiaterin geleitete Psychiatrie einsperren lässt, könnte man gemäß
obengenannter Definition als Narr betrachten. Während Möbius’ Aufenthalt in der

144
Günter Butzer; Joachim Jacob (Hg.): Metzler Lexikon, S. 248.
145
Urs Büttner: „Urteilen als Paradigma des Erzählens. Dürrenmatts Narratologie der Gerechtigkeit in
seiner Geschichte Die Panne (1955/1956)“. In: Monatshefte 4 (Winter 2009), S. 508.
146
Friedrich Dürrenmatt: Die Entdeckung des Erzählens. Gespräche 1971-1980. Zürich: Diogenes 1996,
S. 294.
61

Irrenanstalt, kopiert die Psychiaterin Mathilde von Zahnd nämlich die Weltformel
Möbius’ und benutzt diese, um die Weltherrschaft zu ergreifen. Möbius wollte durch
seine Einsperrung vermeiden, dass die Weltformel in die falschen Hände gerate, aber
hier hat Möbius die Unvermeidlichkeit des Zufalls ignoriert. Der Generalvertreter Traps
ist das vierte Opfer des Zufalls, weil er durch eine zufällige Autopanne auf die
Türklingel Wuchts drückt, in ein Spiel gerät und schließlich Selbstmord verübt. Die
Tatsache, dass Dürrenmatt dem Zufall großen Wert beimisst, spricht nicht nur aus dem
zuvor erwähnten Zitat, sondern auch aus den „21 Punkte[n] zu den Physikern“.
Dürrenmatt schreibt in diesem Anhang, dass „[d]ie schlimmstmögliche Wendung nicht
voraussehbar [ist]. Sie tritt durch Zufall ein.“147 In den drei Texten führt die Handlung
wegen des zuvor erwähnten Ignorierens des Zufalls tatsächlich zu ihrer
schlimmstmöglichen Wendung: Traps erschießt sich, Möbius verspielt seine Weltformel
und Romulus wird pensioniert, „das Entsetzlichste, was [ihm] zustoßen könnte“148, weil
ihm auf diese Art und Weise einen Heldentod verweigert wird, und er jetzt ohne
Familie, ohne das Volk, das er, um den Untergang des Reiches zu erwirken, als Opfer
eingesetzt hat, leben muss. Dürrenmatt gibt mit Punkt sieben der „21 Punkte zu den
Physikern“ eine Definition des Zufalls, indem er behauptet, dass „[d]er Zufall in einer
dramatischen Handlung darin [besteht], wann und wo wer zufällig wem begegnet.“149
Traps begegnet zufälligerweise den vier Greisen, die ihn indirekt in den Tod treiben,
Möbius läuft in der Irrenanstalt „Les Cerisiers“ Mathilde von Zahnd in die Arme und
Romulus begrüßt seinen Seelenverwandten Odoaker. Man könnte somit daraus
schließen, dass die Nichtberücksichtigung des Zufalls eine erste Eigenschaft des
‚Dürrenmattschen Narren’ ist. In den Werken Dürrenmatts werden meines Erachtens
(fast) alle Handlungen vom Zufall bestimmt, aber der Zufall ist für meine Interpretation
sehr nützlich, besonders weil er eine erste große Grenze zwischen den Narren und den
‚normalen’ Figuren zieht, und weil er den Ansatz zu einer weiteren Untersuchung der
verschiedenen Arten von Narren bildet.
Es gibt aber noch Figuren, die dem Zufall keine Aufmerksamkeit widmen, aber
die Tatsache, dass fast alle Figuren Narren sind, ist selbstverständlich Teil von
Dürrenmatts Spiel. Wegen dieses Einwands, wollte ich auch die Besprechung des

147
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, S. 91.
148
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 111.
149
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, S. 91.
62

‚weisen Narren’ in die Analyse mit einbeziehen, weil auf diese Art und Weise
Nuancierungen und konkretere Aussagen über das Narrenspiel und subtile Unterschiede
zwischen den närrischen Figuren ermöglicht werden.
Aus Dürrenmatts Theaterproblemen lässt sich auch eine zweite Eigenschaft des
‚Dürrenmattschen Narren’ ableiten, da Dürrenmatt feststellt, dass der Narr „immer mehr
zur tragischen Figur wird.“150 Die von mir als Narr bezeichneten Figuren, Traps,
Romulus, Odoaker und Möbius, besitzen alle sowohl die Fähigkeit, tragische Reden zu
halten, als auch die Schwäche, zu planmäßig vorzugehen und blind für den Zufall zu
sein. Sie sind deswegen gute Beispiele des ‚Dürrenmattschen Narren’, aber die
Definition ist nicht ausreichend, wenn man ein detailliertes Bild des Narrenspiels
darzustellen beabsichtigt. Daher liegt es nahe, einige andere spezifischere
Narrenkonzeptionen zu betrachten, um die Narrenfiguren in Dürrenmatts Komödien
besser bestimmen zu können. Eine Auseinandersetzung mit Elisabeth Frenzels Theorie
über den ‚weisen Narren’ erscheint folglich lohnenswert.

3.1.2. Der ‚weise Narr’

Ich möchte hier die Diskussion des ‚weisen Narren’ und den Unterschied
zwischen dem ‚natürlichen’ und dem ‚nur gespielten Narren’ einbeziehen, damit die
spezifischen Rollen und Spiele in den Komödien entlarvt werden. Ich beziehe mich bei
der Besprechung der Narrenspiele der Figuren vor allem auf Elisabeth Frenzels
Kommentare zu dem ‚weisen Narren’. Frenzel umschreibt den ‚weisen Narren’
folgendermaßen: „Seine Komik ist sowohl aktiv, indem er andere bloßstellt, wie
freiwillig passiv, indem er Dummheit, Ungeschick und Mißverstehen heuchelt, teils um
seine Existenz zu schützen, teils aus Spaß am Spaß.“151 Anhand dieser ersten
Umschreibung des ‚weisen Narren’ stellen sich schon einige Unterschiede zwischen den
zuvor erwähnten ‚Dürrenmattschen Narren’ heraus. Romulus entspricht der Definition,
weil er durch seinen Witz die Unwissenheit und die Schwächen der anderen Figuren
offenbart. Es gibt zum Beispiel eine Szene, in der Romulus, der während des ganzen

150
Friedrich Dürrenmatt: Theaterprobleme, S. 42.
151
Elisabeth Frenzel: Motive der Weltliteratur. Ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte.
Stuttgart: Kröner 1976, S. 552.
63

Stückes den vertrottelten hühnerzüchtenden Kaiser spielt, die Machtgier und den
Ehrgeiz seiner Frau bloßstellt, nachdem sie ihre Absicht, nach Sizilien zu fahren, um
von dort aus den Krieg gegen die Germanen fortzusetzen, verkündet hat:
JULIA Du kannst mir nichts vorwerfen. Wir haben das gleiche getan.
ROMULUS Nein, wir haben nicht das gleiche getan. Zwischen deiner und meiner
Handlung ist ein unendlicher Unterschied.
JULIA Das sehe ich nicht ein.
ROMULUS Du hast mich aus Ehrgeiz geheiratet. Alles, was du tust, geschieht
aus Ehrgeiz. Auch jetzt willst du nur aus Ehrgeiz den verlorenen Krieg nicht
aufgeben.152
Romulus demaskiert nicht nur seine Frau oder die einzelnen Figuren, sondern auch ihre
gemeinschaftliche Illusion, das römische Reich noch retten zu können. Im Fall von
Odoaker ist es nicht deutlich, ob er ein ‚weiser Narr’ ist, weil er auch erst im vierten Akt
am Ende des Stückes auftritt, und der Zuschauer sein Spiel deswegen nicht ganz
durchschauen kann. Im Gespräch mit Romulus stellt sich aber heraus, dass Odoaker
doch viel Menschenkenntnis aufweist, denn er ist sich des Ehrgeizes seines Neffen
Theoderich bewusst: „Noch ist mein Neffe zahm, noch ist er der höfliche Mann, aber
einmal, in wenigen Jahren, wird er mich ermorden. Ich kenne die germanische
Treue.“153 Deswegen glaube ich, dass man Odoaker als ‚weisen Narr’ bezeichnen
könnte, zwar einer, der offensichtlich weniger Autorität als Romulus hat, weil er einem
Krieg gegen das römische Reich zugestimmt hat, der aber viel mit Romulus, unter
anderem seine Liebe für die Hühnerzucht und für sonstige närrische Aktivitäten, gemein
hat. Dazu kommt auch die Tatsache, dass Odoaker in der Forschung häufig als
Spiegelfigur von Romulus aufgefasst wird.
Traps aus der Panne hingegen, gehört meines Erachtens nicht zur Kategorie des
‚weisen Narren’, weil er nicht derjenige ist, der andere entlarvt, sondern derjenige, der
entlarvt wird. Die vier Alten demaskieren Traps als jemanden, der außerordentlich sein
will, der nicht mehr die unbeachtete Person, die er immer war, sein will. Im
Gerichtsspiel wird der „angeklagte“ Traps von seinem Verteidiger Kummer treffend als
ein „Möchte-gern-Mörder“154 dargestellt. Man könnte in diesem Fall, im Gegensatz
zum ‚weisen Narr’ Romulus, von einem ‚dummen Narren’ reden, weil Traps nur dem
Gelächter ausgesetzt ist und nicht die Dummheit oder Schwächen der Mitspieler

152
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 75.
153
Ebd., S. 108.
154
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, S. 148.
64

bloßstellen kann. Es gibt im Text auch Wortspiele, die auf Traps’ Naivität hinweisen.
So haben sich der Polizist am Anfang des Stückes und Justine von Fuhr ‚unabsichtlich’
versprochen, indem sie statt ‚Traps’, ‚Taps’, was soviel wie ‚Trottel’ bedeutet, sagten.
Er ist jedoch ein (Dürrenmattscher) Narr, weil er nicht mit dem Zufall gerechnet hat. Ich
werde im Folgenden aber den ‚dummen Narren’ (die sich ihrem Narrenstatus oft nicht
bewusst sind), außer Traps, weil er in Bezug auf die Diskussion der Narrheit der Greise
wichtig ist, weiter keine Aufmerksamkeit widmen, weil ich sonst fast alle Figuren aus
Dürrenmatts Komödien besprechen muss. Ich werde mich deswegen auf die Diskussion
der Narren, die für meine Untersuchung des Spiels im Spiel interessanter sind,
beschränken.
Jetzt, da kurz auf die Existenz des ‚dummen Narren’ hingedeutet ist, kann die
Untersuchung des ‚weisen Narren’ wieder aufgenommen werden. In den Physikern ist
Möbius, wie schon gesagt, ein ‚Dürrenmattscher Narr’, aber nicht wirklich ein ‚weiser
Narr’, denn er durchschaut das Rollenspiel der anderen Physiker, Kilton und Eisler, die
eigentlich Mitglieder zweier Geheimdienste sind, nicht. Romulus dagegen, entlarvt jede
Person und ist auch der einzige, der in der Anagnorisis-Szene Ämilian nach dessen
Gefangenschaft in Germanien, erkennt. Nicht einmal Rea, die Verlobte Ämilians, hat
ihren Geliebten erkannt. Man kann nur Romulus und Odoaker als ‚weise Narren’
betrachten. Frenzel geht mit ihrer Umschreibung der Eigenschaften des ‚weisen Narren’
noch weiter ins Detail und erklärt, dass
[i]ndem der Narr sich selbst zur Zielscheibe des Witzes macht und sich dem
Gelächter aussetzt, um es unversehens wieder auf den Angreifer abzulenken, er
den Ernst seines Anliegens [verwischt], und seine Absichten leichter akzeptiert
[werden]. Vielleicht provoziert er das Gelächter auch zur Selbstbestrafung für die
eigene Aggressivität.155
In Romulus der Große wird der ‚weise Narr’ Romulus tatsächlich ausgelacht und
angeprangert. Im folgenden Zitat zum Beispiel, macht Ämilian sich lustig über
Romulus: „Willkommen, Imperator des guten Essens und des gesegneten Schlafs in der
Mittagshitze. Sei gegrüßt, Cäsar der Hühner und Stratege des Eierlegens! Heil dir, den
die Soldaten Romulus den Kleinen nennen.“156 Trotz der Tatsache, dass Romulus sich
dem Spott und Kritik seiner Umgebung aussetzt, hat er doch sein Ziel, nämlich das
römische Reich zugrunde zu richten, erreicht. Die von Frenzel aufgelisteten Merkmale

155
Elisabeth Frenzel: Motive der Weltliteratur, S. 551.
156
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 66.
65

des ‚weisen Narren’ sind meiner Meinung nach nicht auf Möbius anwendbar, weil er
die Spiele der anderen Figuren nicht demaskieren kann, und weil er auch den wirklichen
Charakter der anderen Mitspieler nicht bloßstellt. Wie zuvor erwähnt, korrespondiert
auch Traps nicht mit dem Bild des ‚weisen Narren’, aber die Greise aus der Panne kann
man bei genauerem Hinsehen schon in diese Kategorie einordnen. Das ganze Gericht
benimmt sich närrisch und die Greise, die alle über achtzig Jahre alt sind, verrichten
allerlei akrobatische Verrenkungen, die von den Didaskalien angedeutet werden: Zorn
zum Beispiel, „klettert auf seinen Sessel, setzt sich auf die Lehne“157 oder man tanzt
und singt: „Alle außer Traps tanzen vor Vergnügen im Zimmer herum und singen
kanonartig.“158 Der Henker Pilet führt sich nicht nur als Narren auf, er sieht auch so aus:
Pilet „ist der Clown der Runde – darum trägt er auch eine Melone -, ständig bemüht,
Wein zu ergattern; sein penetrantes „Zapfen“ (Korken) ist der Versuch, den anderen das
Trinken zu verleiden.“159 Pilet stellt die traditionelle Clownfigur dar, „seine Witze sind
indessen auf eine einzige – sich aber ständig wiederholende – Bemerkung reduziert:
„Zapfen“ […]“, erklärt Bloch.160 Pilet sagt nicht viel im Stück und ist eigentlich nur mit
Trinken beschäftigt. Er trägt nichts Sinnvolles zur Diskussion bei, und macht fast keine
Witze, deswegen ist er noch weniger als ein Clown, geschweige denn, dass er als ein
‚weiser Narr’ konzipiert wäre. Wie ich schon einige Male gezeigt habe, sind die Namen
der Dürrenmattschen Figuren fast nie willkürlich, und das ist auch so im Fall der Greise.
So hat auch Mitrache besonders auf
den Namen des Staatsanwalts, Zorn, der seine aggressive Einstellung gegenüber
dem Angeklagten andeutet; den Namen des Henkers, Pilet, der auf das
französische „piller“, „Zerstampfer, „Zermalmer“ hindeuten könnte, den Namen
des Verteidigers, Kummer, der auf seine schwierige und fast hoffnungslose
Aufgabe als Verteidiger anspielt, da der Angeklagte ja schuldig sein will[,]161
hingewiesen. Zorn, Wucht und Kummer sind wirklich Akrobatiker und lieben das Spiel,
sie decken aber auch den Minderwertigkeitskomplex von Traps auf und nutzen den zu
ihren Zwecken (das heißt, dass sie Traps ein Verbrechen anreden und eine Verurteilung
aussprechen wollen) aus. Deshalb könnte man sie auch, im Gegensatz zu Pilet, als
‚weise Narren’ betrachten. Die Tatsache aber, dass sie nicht nur Traps, sondern auch

157
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, S. 126.
158
Ebd., S. 122.
159
Ebd., S. 62.
160
Peter André Bloch: „Die Panne“. In: Über Friedrich Dürrenmatt. Hg. von Daniel Keel. Zürich:
Diogenes Verlag 1980, S. 238.
161
Liliana Mitrache: Intertextualität, S. 44.
66

sich selbst entlarven, entspricht nicht dem Ideal des ‚weisen Narren’, der, laut Frenzel,
„seine Existenz schützen [will]“162 und seine persönlichen Geheimnisse sicherlich nicht
preisgeben wird. So wird im Text die Korruption von Wucht, Zorn und Kummer von
ihnen selbst aufgedeckt. Im folgenden Zitat wird deutlich, dass das ‚Gericht’ Traps
durchschaut hat und ist er laut Kummer
zum großen, reinen, stolzen Verbrechen ebenso unfähig wie wir alle, und aus
diesem Mangel heraus träumt er nun, es begangen zu haben, genauso – verzeiht
mir diesen Vergleich – wie wir aus unserem Mangel heraus das gerechte Gericht,
das wir einst nicht waren, jetzt spielen.163
In der Rede von Verteidiger Kummer erweist Traps sich wegen seines
Minderwertigkeitsgefühls als ein „Möchte-gern-Mörder“, aber zugleich erklärt
Kummer, dass ihr Gericht, als sie noch nicht pensioniert waren, nicht gerecht, sondern
korrupt war. Diese Aussage ist sehr ironisch, weil man auch jetzt im Spiel, im
Gegensatz zu dem, was Kummer behauptet, nicht gerecht ist, stärker noch, sie haben ihr
Gericht sogar von allen gerichtlichen Gesetzen, die es gibt, ‚befreit’. Die Korruption
dieses Gerichtsspiels wird schon in der Einführung erwähnt, sowie eine Kritik
Dürrenmatts an dem Gericht und der Gerechtigkeit im Allgemeinen: „Was stattfindet,
ist einerseits ein Schauprozeß, durchgeführt von einem korrupten Gericht, in welchem
ein harmloser Durchschnittsbürger dazu geführt wird, sich schuldig zu bekennen – was
es immer wieder gab und immer wieder geben wird.“164 Wegen dieser übertriebenen
Offenheit der Greise, sind sie meiner Meinung nach doch nicht als ‚weise Narren’ zu
betrachten. Im Fall der Alten aus der Panne, ist der Definitionsversuch der Greise
demnach etwas komplizierter und ist man meines Erachtens auf einen weiteren - und für
diese Arbeit interessanten – Unterschied, nämlich den von Frenzel dargestellten
Kontrast zwischen dem ‚natürlichen’ und dem nur ‚gespielten’ Narren165, angewiesen.

162
Elisabeth Frenzel: Motive der Weltliteratur, S. 552.
163
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, S. 148.
164
Ebd., S. 63.
165
Elisabeth Frenzel: Motive der Weltliteratur, S. 551.
67

3.1.3. Kontrastfiguren: ‚Natürlicher Narr’ vs. ‚Gespielter Narr’

Die zwei Kategorien, die ich in diesem Unterkapitel besprechen werde, bedürfen
keiner großen Definierung, weil die beiden Konzepte sich selbst schon erklären. Mit
dem ‚natürlichen Narren’ ist nämlich eine Person gemeint, die von Natur aus närrische
Eigenschaften aufweist, die sich wie ein Narr verhält, ohne dass es die Absicht ist. Die
Personen, die sich wie ein Narr benehmen, ohne dass sie es wirklich sind, oder die sich
für einen Narren ausgeben, sind selbstverständlich die ‚gespielten Narren’.
Diese Arten von Narren sollen somit die Kategorisierung in der Dürrenmattschen
Komödie Die Panne vereinfachen. Die vier Greise zum Beispiel sind, wie ich bereits
anzeigte, keine ‚weisen Narren’, sie stellen aber auch nicht, wie Traps, den ‚dummen
Narren’ dar. Es gibt keinen Zweifel in Bezug auf die Funktion von Pilet oder Traps: Sie
sind beide der Kategorie des ‚natürlichen Narren’ zugeordnet. Pilet ist der Clown der
Gruppe und Traps ist zu naiv, um den Narren vorzuspielen. Die drei anderen Greise
gehen zwar völlig in ihrem Rollenspiel auf, aber die akrobatischen Verrenkungen und
Tanzbewegungen sind nicht orchestriert. Sie spielen nicht den Narren, sie sind es
einfach. Deshalb gehören auch sie zur Kategorie des ‚natürlichen Narren’. Möbius
hingegen, gibt sich für einen Wahnsinnigen aus, und spielt nur einen Narren. Er „wählte
die Narrenkappe“166, damit man ihn nicht ernst nehme und man nicht nach seiner
Weltformel suche. Möbius hat aber nicht die Absicht, die schlechten Eigenschaften oder
die Dummheit der Herrscher aufzudecken, weil er keineswegs Aufmerksamkeit auf sich
lenken will. Möbius ist somit ein Narr, nur in dem Sinne, dass er den Zufall nicht
berücksichtigt, wodurch er ein Musterbeispiel des ‚Dürrenmattschen Narren’, und nicht
des ‚weisen Narren’, ist. In den drei Texten ist vor allem Romulus (aber auch Odoaker,
da dieser in der Forschung auch sehr oft als Spiegelfigur Romulus’ markiert wird, wie
ich bereits erklärt habe) dem ‚weisen Narren’ gleichzustellen. Auf den ersten Blick
vermutet man, Romulus spielt nur einen Narren, weil er auf diese Art und Weise das
römische Reich zugrunde zu richten hofft, wie er auch selbst angibt: „Er [der
germanische Spion Äbi] hat dir von einem Narren berichtet, Odoaker. Ich legte mein
ganzes Leben auf den Tag hin an, da das römische Imperium zusammenbrechen

166
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, S. 74.
68

würde.“167 Diese Hypothese soll aber doch tiefer untersucht werden, weil es
verschiedene Ereignisse und Situationen gibt, die sich nicht mit der obengenannten
Behauptung reimen. Roland Bursch sagt zur Frage, ob Romulus ein ‚natürlicher’ oder
ein nur ‚gespielter Narr’ ist, das Folgende:
Allein Romulus spielt bis zum (neuen) vierten Akt nicht nur den Narren, er ist es
[…] auch […]: Sich selbst zum kolossalen Schlusspunkt einer Ära stilisierend,
deren gesamte historische Schuld er meint, auf seine Schultern laden zu können,
ficht ihn weder die Zukunft an noch die Gegenwart.168
Wenn man, wie Bursch hier anerkennt, als Individuum ein ganzes Reich zerstören will,
ist man tatsächlich ein ‚natürlicher Narr’. Es ist aber komplizierter als das. Romulus ist
ein ‚natürlicher Narr’, wie ich später noch weiter belegen werde, aber er ist sich
zugleich gut seines Narrenspiels bewusst. So sagt er zu Odoaker: „Spielen wir noch
einmal, zum letzten Mal, Komödie.“169 Deswegen ist, meines Erachtens, Romulus ein
‚natürlicher Narr’, der den Narren spielt. Er ist sowohl ‚natürlicher’ als auch ‚gespielter
Narr’. Odoaker lässt sich auf jeden Fall in die Kategorie des ‚natürlichen Narren’
einordnen, aber der Zuschauer weiß zu wenig von ihm, um ihn auch als ‚gespielten
Narren’ zu betrachten. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass er hier doch von Romulus
abweicht, in dem Sinne, dass er die Rolle eines mörderischen germanischen Herrschers
spielt, um dem Eroberungsdrang seines blutrünstigen Volkes entgegenzukommen.
Deswegen scheint es mir ziemlich unrealistisch, dass auch Odoaker den Narren spielt,
denn diese Rolle würde von seinen germanischen Untertanen nicht mit Dank
angenommen werden.
Jetzt, da die wichtigsten Figuren einer bestimmten ‚Narrenkategorie’ zugeordnet
sind, ist es möglich mit der Diskussion des letzten großen Schwerpunktes in der
Analyse des Narrenspiels anzufangen: die Verbindung zwischen Narrheit und Wahnsinn
in Dürrenmatts Komödien.

167
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 108.
168
Roland Bursch: „Wir dichten die Geschichte“, S. 62 f.
169
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 113.
69

3.2. Der ‚wahnsinnige Narr’

In diesem Kapitel, das den Kern der Untersuchung des Narrenspiels bildet, wird
die Beziehung zwischen Wahnsinn und Narrheit in den drei Komödien Dürrenmatts
analysiert. Zu diesem Zweck greife ich auf die in 3.1.3. angefangene Diskussion vom
Stück Romulus der Große zurück. Hansgerd Delbrück sagt über Odoaker, dass dieser es
„[a]ls komplementäre Gegenfigur […] dem Romulus an [natürliche] Narrheit kaum
nach[tut]. Wie Romulus sieht er den Feind in den eigenen Reihen, allerdings nicht wie
der Kaiser in seinen Vorgängern, sondern in seinen Nachfolgern.“170 Dieses Zitat drückt
meine Annahme, dass Odoaker an einer Art von Paranoia leidet, aus. Er fürchtet sich
vor seinem Neffen Theoderich, der doch als ein „höflicher junger Mann“171 und als sehr
gehorsam erweist („Jawohl, lieber Onkel, sehr wohl, lieber Onkel […]“172),
umschrieben wird, und von dem Odoaker kontinuierlich sagt, er werde ihn ermorden.
Auch Romulus ist nicht der geistig gesunde Mann wie man auf den ersten Blick
vermuten würde. Wann Romulus nämlich, „[s]ich selbst zum kolossalen Schlusspunkt
einer Ära stilisierend,“173 um noch einmal auf Burschs Zitat zurückzukommen, die
historische Schuld des römischen Reiches ganz allein auslöschen will, deutet das
eigentlich auf Größenwahn hin. Die Tatsache, dass er sich selbst zu „Roms Richter“174
ausruft und sich als großer ‚Lenker der Geschichte’ betrachtet, oder dass er keinen Wert
auf die Aussagen von anderen legt, belegen diese Behauptung. Romulus begegnet seiner
Umgebung ohne Respekt und glaubt, ihr überlegen zu sein. So wirft er Ämilian und den
Mitverschwörern, die im Begriff sind, Romulus zu liquidieren, vor, „nichts als Motten,
die um mein Licht tanzen, nichts als Schatten, die untergehen, wenn ich nicht mehr
scheine, [zu sein].“175 Romulus’ Wahnsinn zeigt sich nicht nur im Größenwahn,
sondern auch in seinen befremdlichen Reaktionen. Romulus bleibt zum Beispiel sehr
ruhig, wenn er von seinen Kammerdienern vernimmt, seine ganze Familie und sein
Gefolge seien auf der Überfahrt nach Sizilien ertrunken. Seine Reaktion lautet
folgendermaßen: „Die Germanen werden mich töten. Noch heute. So kann mich kein

170
Hansgerd Delbrück: „Antiker und moderner Helden-Mythos“, S. 302.
171
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 107.
172
Ebd.
173
Roland Bursch: „Wir dichten die Geschichte“, S. 62.
174
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 78.
175
Ebd., S. 90.
70

Schmerz mehr treffen. Wer bald sterben muß, beweint nicht die Toten. Nie war ich
gefaßter, nie war ich heiterer als nun, da alles vorüber ist. Das Morgenessen.“176 Das ist
keine Antwort, die man von einem geistig gesunden Menschen erwartet. Hätte Romulus
wirklich tot sein wollen, so dass er seine Familie nicht vermisste, dann hätte er, wie
Traps, Selbstmord verübt statt in eine Villa in Campanien mit einer „Pension von
sechstausend Goldmünzen im Jahr“177 zu ziehen. In Odoakers und Romulus’ Fall lässt
sich die (natürliche und gespielte) Narrheit demnach mit Wahnsinn verbinden.
Lässt sich dieser Zusammenhang zwischen Narrheit und Wahnsinn auch in der
Panne und in den Physikern finden? Die Greise in der Panne sind auch keineswegs
normal. Sie reagieren auf den Selbstmord von Traps auf eine ähnliche Art und Weise,
wie Romulus auf den Tod seiner Familie reagierte: „Der gute Alfredo. Er verteufelte
mir [Wucht] beinahe den schönsten Herrenabend.“178 Die Unmenschlichkeit, die von
dieser Gesellschaft ausgeht, ist klar. Die Alten sehen die Gäste als Objekte, mit denen
sie spielen können. Außerdem definiert Brock-Sulzer das Alter als eine Instanz, die den
Menschen „zu jener äußersten Form seines Charakters zwingt, die oft von der
Verrücktheit kaum mehr zu unterscheiden ist[.]“179 Die von Brock-Sulzer angedeutete
oft dünne Grenze zwischen Alter und Wahnsinn wird in dieser Komödie also wegen der
obengenannten Gründe überschritten, was selbstverständlich nicht bedeutet, dass jede
alte Person wahnsinnig ist. Die Tatsache, dass Alter häufig mit Wahnsinn assoziiert
wird, ist ein geliebtes literarisches Phänomen, das in der Panne sicherlich anwendbar
ist.
In der Panne wird deswegen Narrheit mit Wahnsinn assoziiert, im Theaterstück
Die Physiker scheint das aber auf den ersten Blick nicht der Fall zu sein. Der
‚Dürrenmattsche Narr’ Möbius, Newton und Einstein spielen alle den Wahnsinnigen,
sie sind es nicht. Laut Brock-Sulzer kann man in der von Dürrenmatt kreierten
dramatischen Welt aber leicht dem Wahnsinn verfallen.180 Das passiert meiner Meinung
nach am Ende der Physiker. Möbius und die zwei anderen Physiker, die ironischerweise
auch zwei Physiker spielen, werden am Ende auch tatsächlich schizophren, weil sie sich
dem Publikum als Newton, Einstein und König Salomo vorstellen. Die Wiederholungen

176
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 98
177
Ebd., S. 114.
178
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, S. 173.
179
Elisabeth Brock-Sulzer: Friedrich Dürrenmatt. Stationen seines Werkes. Zürich: Arche 1964, S. 223.
180
Ebd., S. 123.
71

„Ich bin Newton. Sir Isaac Newton. […] Ich bin Newton. Sir Isaac Newton“ von Kilton,
„Ich bin Einstein. Professor Albert Einstein. […] Ich bin Einstein. Professor Albert
Einstein“ von Eisler und „Ich bin Salomo. Ich bin der arme König Salomo. […] Ich bin
Salomo, ich bin Salomo, ich bin der arme König Salomo“181 von Möbius deuten darauf
hin, dass die drei definitiv eine neue Identität angenommen haben, und dass sie
wahnsinnig geworden sind. Es gibt keinen Ausweg mehr, sie müssen ihr ganzes Leben
in der Psychiatrie von Zahnds wohnen, weil sie alle eine Krankenschwester erdrosselt
haben und von der Gesellschaft jetzt als Mörder gesehen werden. Mit der Aussicht, nie
mehr die Irrenanstalt verlassen zu können und mit den Morden an den Schwestern und
den zukünftigen Morden an tausenden Leuten (wegen des Diebstahles der Weltformel
durch Mathilde von Zahnd) auf ihrem Gewissen, können die drei Männer nicht mehr
normal reagieren: Mathilde von Zahnd hat sie gebrochen. Weil der ganze Plan von
Möbius und den anderen völlig misslungen ist, und weil es für die drei keine Hoffnung
auf Rettung gibt, wäre es nutzlos, eine Rolle zu spielen oder sich als jemand anders
auszugeben, aber Kilton, Eisler und Möbius nehmen trotzdem eine andere Identität an.
Meiner Meinung nach sind sie somit am Ende des Stückes wahnsinnig geworden.
Möbius spielte erst den Wahnsinnigen, er „wählte die Narrenkappe“, und am Ende des
Stückes wird er es sogar. Bei genauerem Hinsehen korrespondiert Narrheit somit auch
in diesem Theaterstück mit geistiger Erkrankung.
Die Frage, ob Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd eine Närrin ist, lässt sich
leicht beantworten. Mathilde von Zahnd ist die einzige Person, die man mit
Bestimmtheit als wahnsinnig bezeichnen kann. Es gehört aber nicht zu ihrem Ziel mit
Witz ihre Umgebung bloßzustellen – während das für den Narren das Hauptziel seines
Handelns beinhaltete –, sie will „nur“ die Weltherrschaft. Durch die Aufnahme von
Möbius in ihre Anstalt, eine Gelegenheit, die von Zahnd ausnützt, um Möbius’
Weltformel zu kopieren, wird sie vom Zufall begünstigt. Sabine Schu argumentiert,
dass Dürrenmatt es dahingestellt sein lässt, ob von Zahnd wahnsinnig ist oder nicht:
Wenn sie nicht krank wäre, benutzt sie Salomo nur, um Möbius deutlich zu machen,
dass sie sein Spiel durchschaut hat.182 Diese Hypothese scheint mir aber
unwahrscheinlich, weil auf diese Art und Weise den Konzept des Zufalls, eine der
wichtigsten Komponenten in Dürrenmatts Stücken, an Bedeutung verliert. Der Zufall
181
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, S. 85 ff.
182
Sabine Schu: Deformierte Weiblichkeit, S. 381.
72

wollte, dass Möbius sich in die Psychiatrie einer Chefärztin einsperren lässt. Es ist
wichtig für die Komödie, dass von Zahnd an Wahnsinn leidet, weil es sonst im Stück
keinen einzigen Wahnsinnigen gibt. Von Zahnd ist die Gegenfigur zu Möbius, und weil
es sich in diesem Theaterstück um Wahnsinn und Spiel handelt, ist ein Kontrast
zwischen gesund und krank unvermeidlich.
Man muss in die Argumentation auch die Wichtigkeit der Dürrenmattschen Ironie
und des Grotesken mit einbeziehen. Die Tatsache, dass eine Psychiatrie von einer
‚verrückten’ Irrenärztin geleitet wird, ist ein gutes und essentielles Beispiel dieser Ironie
und des Grotesken. Deswegen ist es, meiner Meinung nach, ausgeschlossen, dass von
Zahnd entweder krank oder eine Närrin ist. Das einzige Spiel, das sie spielt – und was
sie wegen der allgemeinen Verwirrung über die Frage, ob sie wahnsinnig ist oder nicht,
auch hervorragend macht –, ist die Verstellung ihres Intellekts und Genialität, die mit
ihrem Wahnsinn verbunden sind und eine tödliche Kombination bilden. Die Verbindung
der Genialität mit dem Wahnsinn stammt von Nietzsches These, dass Genie und
Wahnsinn eng miteinander verknüpft sind. Auch Ottmann stimmt dieser These
Nietzsches bei. „Das Genie,“ differenziert Ottmann, „gekennzeichnet durch die Lösung
des Intellekts vom Lebenswillen, verurteilt zur Objektivität und Allgemeinheit, wirkt im
Leben exzentrisch, ja töricht. Es wohnt in der Nähe zum Wahnsinn.“183 Auch wenn von
Zahnd wahnsinnig ist, ist sie imstande die Rollenspiele der Physiker zu durchschauen,
sie für immer in ihrer Psychiatrie einzusperren, und Möbius die Weltformel abzulisten.
Dazu kommt dann auch noch die Tatsache, dass ihr Wahnsinn vor allem aus
Halluzinationen über König Salomo, den biblischen König der absoluten Weisheit und
Autor verschiedener Weisheitsbücher, wie zum Beispiel das Hoheslied oder das Buch
der Weisheit, besteht, wodurch somit ein direkte Verbindung zwischen Intellekt, Genie
und Wahnsinn dargestellt wird.
Es lässt sich herausstellen, dass der Wahnsinn in den drei Theaterstücken eine
wichtige Rolle einnimmt. Welchem Zweck dient der Gebrauch des Wahnsinns in diesen
Komödien aber? Sandra Heinrici konstatiert, dass, wenn das Stück Die Physiker nach
dem freiwilligen Entschluss der Physiker, ewig in der Psychiatrie zu bleiben, um das
Geheimnis der Weltformel zu bewahren, endete,

183
Henning Ottmann: Philosophie und Politik bei Nietzsche. Berlin: de Gruyter 1999, S. 89.
73

der Wahnsinn nicht nur als Mittel zur Komik, zum Rollenspiel und zur Täuschung
sowie als einzig möglicher freier Raum der Gedanken, sondern auch als Metapher
für die Errungenschaften der modernen Wissenschaft und ihre Nutzung in den
Händen der Menschen und Möbius’ Verhalten somit als Kritik an der modernen
Wissenschaft gedeutet werden [könnte].“184
Das vorzeitige Ende der Physiker, auf das Heinrici hier verweist, gleicht dem des
Romulus. Während Romulus die Verhandlung mit Odoaker mit der Aussage „Spielen
wir noch einmal, zum letzten Mal, Komödie“185 abschließt, schließt Newton in den
Physikern mit „Verwandeln wir uns wieder in Verrückte.“186 Bei den Physikern endet
die Geschichte hier aber nicht: Mathilde von Zahnd hat die Unterlagen von Möbius
kopiert, und die Absicht der Physiker ist misslungen, sie brauchen ihre Komödie nicht
mehr weiterzuspielen und sie werden, wie zuvor erwähnt, wahnsinnig. Die Behauptung
Heinricis, dass der Wahnsinn als der einzig möglicher freier Raum der Gedanken
betrachtet werden kann, stimmt mit der Funktion des Narren, diese in komische Worte
und Handlungen gekleidete Wahrheit darzulegen, überein.
In Dürrenmatts Theaterstücken ist der Narr somit eigentlich eine der wichtigsten
und interessantesten Figuren. Hier kann man einen kurzen Exkurs zu Shakespeare, der
dem Narren auch eine wichtige Rolle zuteilt, machen. Es erscheint mir lohnenswert eine
Besprechung von Shakespeares Narrenkonzept in die Analyse der Beziehung zwischen
Wahnsinn und (Narren-)Spiel mit einzubeziehen, weil auch in den Werken
Shakespeares ein Zusammenhang zwischen Wahnsinn und Spiel zu entdecken ist, und
weil Dürrenmatt in seinen Werken mehrmals auf Shakespeare hinweist. Bevor ich aber
mit der Analyse des Shakespearischen Narren anfange, soll ich noch auf einen
Unterschied in Bezug auf das Spiel im Spiel zwischen beiden Stücken hindeuten.
Während bei Dürrenmatt meistens die Figuren aus der primären Spielebene auch am
Spiel im Spiel, an der sekundären Spielebene beteiligt sind, werden die Spiele im Spiel
bei Shakespeare vor allem von Figuren, die von der ersten Handlungssequenz so gut
wie unabhängig sind, dargestellt. Die Verbindung, differenziert Pfister in diesem
Zusammenhang,
zwischen den über- und untergeordneten Sequenzen ist am lockersten, wenn das
Spiel im Spiel von einem SELBSTÄNDIGEN PERSONAL getragen wird, das

184
Sandra Heinrici: Maskenwahnsinn. Darstellungsformen des Wahnsinns im europäischen Theater des
20. Jahrhunderts. Bonn: Bouvier Verlag 2008, S. 67.
185
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 113.
186
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, S. 77.
74

heißt, wenn die fiktiven Schauspieler, die die Figuren des Spiels im Spiel
verkörpern, in den übergeordneten Sequenzen nicht auftreten oder nur sehr
peripher eingeführt werden.187
Ein Beispiel, auf das schon einige Male hingewiesen worden ist, lässt sich in
Shakespeares Hamlet finden. Das Spiel im Spiel „The Murder of Gonzago“ wird hier
von einer unabhängigen Schauspielertruppe, die Hamlet in das Schloss Elsinore
eingeladen hatte, aufgeführt. In Dürrenmatts Panne hingegen, gehören die Alten, die
das Gerichtsspiel spielen, auch zur ersten Handlungssequenz. Man kann folgern, dass
Dürrenmatts Figuren in allen möglichen Spielebenen integriert sind, und dass es
deswegen eine viel engere Verbindung zwischen den verschiedenen Spielebenen
entsteht. Es lässt sich aber nicht verleugnen, dass Shakespeare eine große Inspiration für
Dürrenmatt bildet, was nicht nur durch die vielen Parodien, die er auf Shakespeares
Dramen gemacht hat, bestätigt wird, sondern auch durch die Elemente und Themen, mit
denen ich mich im Folgenden auseinandersetzen werde.
Die Figur des Narren ist ein dieser gemeinsamen Elemente. Heinrici konstatiert in
diesem Zusammenhang,
dass auch heute noch traditionelle Elemente wie die Funktion des Narren als
Verkünder der unliebsamen Wahrheit oder explizite und implizite Bezugnahmen
auf Shakespeares große Wahnsinnstragödien partiell fortbestehen. Zugleich
jedoch werden diese Elemente auch mit Reflexionen der Moderne verbunden und
ermöglichen hierdurch neue Formen der Darstellung.188
In Shakespeares Tragödien erscheint der Narr tatsächlich als expliziter Verkünder von
Wahrheiten, aber in diesem Diskurs werde ich nicht die einzelnen „Shakespearean
Fools“ (wie zum Beispiel die Totengräber in Hamlet oder der sehr stereotypische
„Fool“ in King Lear, der jedes Spiel durchschaut und schon im Voraus weiß, dass zwei
Töchter Lears falsch sind, wie Odoaker voraussagt, dass sein scheinbar gehorsamer
Neffe seinen Onkel eines Tages aus dem Weg räumen wird) ausführlich diskutieren,
sondern nur die für diese Arbeit relevanten Beziehungen zwischen Dürrenmatts und
Shakespeares Narrenkonzeption beachten.
Wie ich bereits gezeigt habe, findet man die elementare Funktion des Narren, das
Verkünden jeglicher Wahrheit, auch in Dürrenmatts Komödien. Es stimmt aber
natürlich, dass Dürrenmatts Narrenkonzeption einzigartig und an die Moderne
angepasst ist. Die Ahnung des Zufalls zum Beispiel, ist ein typisches Dürrenmattsches
187
Manfred Pfister: Das Drama, S. 300.
188
Sandra Heinrici: Maskenwahnsinn, S. 149.
75

Thema. Im Anhang zu Romulus der Große, stellt Dürrenmatt selbst einen expliziten
Verweis auf Shakespeare, das heißt einen Zusammenhang zwischen Shakespeares
Hamlet und Dürrenmatts eigenem Romulus der Große, her.
Es ist vielleicht wichtig, daß man mich gleich versteht: Es geht mir nicht darum,
einen witzigen Mann zu zeigen. Hamlets Wahnsinn ist das rote Tuch, hinter dem
sich der Degen verbirgt, der Claudius gilt, Romulus gibt einem Weltreich den
Todesstoß, das er mit seinem Witz hinhält.189
Dürrenmatt behauptet in diesem Zitat, dass Romulus und Hamlet beide den
Wahnsinnigen oder zumindest den Trottel spielen, damit sie ihre Ziele erreichen
können. Den Wahnsinn vorspielen heißt bei Romulus und Hamlet, dass sie auf diese Art
und Weise die Gelegenheit bekommen, ungestört den richtigen Moment abzuwarten,
um das römische Reich bzw. den Onkel Claudius, der Hamlets Vater umbrachte und
seine Mutter heiratete, liquidieren zu können. Hamlet verwendet den vorgespielten
Wahnsinn und das Spiel im Spiel, „The Murder of Gonzago“, um Claudius als den
Mörder seines Vaters zu entlarven, so dass dieser bestraft werden kann. Wie zuvor
erwähnt, spielt Romulus aber nicht nur einen Narren, er ist es auch. Auch Hamlet leidet
an Wahnsinn, wenn man das im 17. Jahrhundert gängige Konzept der Melancholie, das
damals (in der deutschen Literatur aber auch noch im 18., in Karl Philipp Moritz’ Anton
Reiser zum Beispiel, und sogar im 19. Jahrhundert) mit Wahnsinn assoziiert wurde,
zugrunde legt. Die Melancholie Hamlets lässt sich nicht nur mit seinen Stimmungen
von allesbeherrschender Traurigkeit wegen des Todes seines Vaters in Einklang
bringen, sie drückt sich auch im Tragen ausschließend schwarzer Kleidung aus. Die
Tatsache, dass er diese Stimmungen von Traurigkeit schon am Anfang des Stückes hat,
bevor er den Wahnsinnigen zu spielen beginnt, deutet darauf hin, dass Hamlet, den
Auffassungen der Renaissance in Bezug auf die Melancholie zufolge, doch wirklich für
wahnsinnig gehalten werden kann.
Dürrenmatt behauptet, dass bei Shakespeare
nirgends ein komischer König auf[tritt], seine Zeit konnte einen Herrscher wohl
als bluttriefendes Scheusal, doch nie als Narren zeigen. Komisch sind bei ihm die
Hofschranzen, die Handwerker, die Arbeiter. So zeigt sich denn in der
Entwicklung des tragischen Helden eine Hinwendung zur Komödie. Das gleiche
lässt sich beim Narren nachweisen, der immer mehr zur tragischen Figur wird.190

189
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 121.
190
Friedrich Dürrenmatt: Theaterprobleme, S. 42.
76

Zu dieser Aussage Dürrenmatts möchte ich doch eine kleine Nuancierung zum
Ausdruck bringen, und zwar zu der Behauptung, dass bei Shakespeare nirgendwo ein
komisch anmutender König auftritt. Ich glaube aber schon, dass es doch mindestens
eine Ausnahme, nämlich in Form von King Lear, gibt. Der König ist wahnsinnig
geworden, nachdem er zu der Einsicht gekommen war, er habe seine einzige
tugendhafte Tochter Cordelia vertrieben, während er von den habgierigen Töchtern
Goneril und Regan betrogen worden ist. Darauf fängt er an sich die Kleider vom Leib
zu reißen, er ist „fantastically dressed with wild flowers“ und trägt eine „crown of
weeds and flowers[.]“191 Diese Regieanweisungen und die Szene, in der einen fast
völlig nackten König Lear von den Kompagnons Cordelias verfolgt wird, rufen doch ein
komisches Bild hervor, auch in einer Zeit, in der es vielmehr Zensur als jetzt gab, und in
der es fast undenkbar war, einen König auf solche ‚ehrfurchtslose’ Art und Weise
darzustellen. In diesem Kontext stimmt das Bild des wahnsinnigen und vertrottelten
Königs Lear mit dem des närrischen Kaisers Romulus überein. Sogar Dürrenmatt selbst,
der Vorkämpfer der Komödie ist, deutete auf Komik in Shakespeares Tragödien. Er
merkt an, dass
[u]ns nur noch die Komödie [beikommt]. […] Doch ist das Tragische immer noch
möglich, auch wenn die reine Tragödie nicht mehr möglich ist. Wir können das
Tragische aus der Komödie heraus erzielen, hervorbringen als einen schrecklichen
Moment, als einen sich öffnenden Abgrund, so sind ja schon viele Tragödien
Shakespeares Komödien, aus denen heraus das Tragische aufsteigt.192
Es lässt sich außerdem noch eine weitere Parallele zwischen Lear und Romulus
ziehen, nämlich die Tatsache, dass beide Machthaber ihr Reich vernachlässigen.
Während Ämilian über „zerstörte Städte“ und „rauchende Dörfer“ redet, erkennt Lear in
dem berühmten Sturm, dass er zu wenig für seine Untertanen getan hat: „Poor naked
wretches, whereso’er you are, […] How shall your houseless heads and unfed sides […]
defend you from seasons such as these? O, I have ta’en too little care of this!“193 Lear
verliert nach dieser und den zuvor erwähnten Erkenntnissen immer mehr die Kontrolle
über seine Sinne mit den komischen Szenen, in denen Lear sich mit Blumen herausputzt
und vor den Kompagnons Cordelias flieht, als Folge. Man könnte deshalb behaupten,
Shakespeares Könige werden doch manchmal in ein komisches Licht gestellt.

191
William Shakespeare: „King Lear“. In: The Norton anthology of English literature. Hg. von Stephen
Jay Greenblatt und M. H Abrams. New York: Norton 2006, S. 1205 ff.
192
Friedrich Dürrenmatt: Theaterprobleme, S. 48.
193
William Shakespeare: „King Lear“, S. 1185.
77

Die von Dürrenmatt angedeutete Tendenz, dass der Narr immer mehr tragische
Züge aufzuweisen beginnt, kann man tatsächlich schon bei Shakespeare feststellen. Der
Narr Feste aus Shakespeares Komödie Twelfth Night, ist meines Erachtens das
Musterbeispiel dieser Hinwendung zum Tragischen. Feste ist eine gute Illustration des
Shakespearischen Narren in dem Sinne, dass er ohne allzu viele Verschleierungen die
Wahrheit sagen kann, ohne dass er dafür von den Machthabern bestraft wird. Trotz der
Tatsache, dass das Theaterstück als eine Komödie bezeichnet wird, zeugt Twelfth Night
doch von einem gewissen tragischen Bewusstsein in der Figur von Feste, die sicherlich
nicht als ein äußerst komischer Narr erscheint. Vor allem Festes Lied am Ende des
Stückes zeigt dieses: Die immer wiederkehrende Zeile „For the rain it raineth every
day“194 verschafft dem Stück einen melancholischen und nachdenklichen Beiklang und
wenig hoffnungsvolle Zukunftsperspektiven. Diese in Shakespeares Werken
vorhandenen tragischen Elemente bestätigen demnach die von Dürrenmatt festgestellte
Tendenz, dass der Narr zu einer tragischeren Figur wird.
Die Entwicklung vom komischen zum tragischeren Narren, die parallel verläuft
zu der vom tragischen Helden zu einem Helden mit mehr komischen Zügen, die von
Dürrenmatt im zuvor erwähnten Zitat beschrieben wird, zeigt sich auch schon bei
Shakespeare. Colpaert zufolge, wurde der tragische Held unter anderem durch
Shakespeare degradiert.195 Hamlet wird in der Forschung beispielsweise nicht mehr als
stereotypischer Held bezeichnet. Dafür ist Hamlets nicht gespielter Wahnsinn teilweise
verantwortlich: Ein wahrer Held lässt seine Freunde Rosenkranz und Güldenstern nicht
ermorden, jagt seinen Degen nicht ohne Überlegung und Vorsicht durch den Teppich,
hinter dem Polonius sich befindet oder treibt seine Geliebte Ophelia nicht in den
Wahnsinn, mit dem Tod als Folge.
Der Narr wird somit in der Literatur, aber vor allem im Theater, immer wichtiger.
Bei Dürrenmatt wird der Narr sogar zum Stellvertreter des (tragischen) Helden, und ist
es nicht der Held, sondern der Narr, der bei ihm eine zentrale Rolle erhält. Der Narr hat
den Helden völlig ersetzt. In den drei Stücken gibt es nicht viel Figuren, die auf den
Titel ‚Held’ Anspruch erheben können. In der Panne wird nur ein Gerichtsspiel, in dem

194
William Shakespeare: „Twelfth Night, or What You Will“. In: The Norton anthology of English
literature. Hg. von Stephen Jay Greenblatt und M. H. Abrams. New York: Norton 2006, S. 1138.
195
Marc Colpaert: Een origineel gevecht met ideologieën. Antwerpen: Uitgeverij De Nederlandsche
Boekhandel 1976, S. 28.
78

keine einzige Figur für die Heldenrolle in Betracht kommt, dargestellt. Crockett führt
ein gutes Beispiel des von Dürrenmatt als lächerlich dargestellten Heroismus, an: „The
monumental exhaustion of imperial messenger Spurius Titus Mamma quickly becomes
a running gag, a leitmotif for the meaninglessness of exaggeratedly heroic deeds in an
unheroic time.“196 Die Tatsachen, dass der Reiterpräfekt Spurius Titus Mamma aus
Romulus der Große während des ganzen Stückes klagt, dass er durch die lange Reise zu
Romulus’ Villa todmüde ist sowie, dass er im Stück keine einzige Handlung
unternimmt, betonen, dass der Heldenkult zu bestehen aufgehört hat. Wenn er
letztendlich seine Botschaft Romulus verkünden kann, sagt dieser letzte, dass „Rom
längst gestorben [ist]. Du opferst dich einem Toten, du kämpfst für einen Schatten, du
lebst für ein zerfallenes Grab. Geh schlafen Präfekt, die heutige Zeit hat dein Heldentum
in eine Pose verwandelt!“197 Spurius’ heldenhafte Leistung wird als nutzlos abgetan.
Auch Ämilian scheint der Held der Geschichte zu werden, indem er das römische Reich
um jeden Preis retten will. Als aber die Germanen nahen, flieht er. Romulus ist der
einzige des Stückes, der noch in die Nähe des Heldentums kommt. Außerdem hat
Dürrenmatt selbst Romulus der Kategorie des ‚mutigen Menschen’ zugeordnet, indem
er sagt, dass nur „[d]er Blinde, Romulus, Übelohe [und] Akki mutige Menschen
[sind].“198 Sie sind zwar keine Helden, aber sie weisen trotzdem die Bereitschaft auf,
gegen die Sinnlosigkeit zu kämpfen. Dürrenmatt meint, dass es zwei Arten von Leuten
gibt, indem er argumentiert, dass
wer das Sinnlose, das Hoffnungslose dieser Welt sieht, verzweifeln [kann], doch
ist diese Verzweiflung nicht eine Folge dieser Welt, sondern eine Antwort, die er
auf diese Welt gibt, und eine andere Antwort wäre sein Nichtverzweifeln, sein
Entschluss etwa, die Welt zu bestehen, in der wir oft leben wie Gulliver unter den
Riesen.199
Die erste Kategorie umfasst die übergroße Mehrheit der verzweifelten Leute und
die anderen werden als die ‚Nichtverzweifelten’, als Dürrenmatts ‚mutige Menschen’,
zu denen somit auch Romulus gehört, konzipiert.
Romulus zweifelt tatsächlich nicht, und sein Ziel, das römische Reich zu
liquidieren, wird erreicht, aber laut Odoaker werden in der Zukunft noch andere
mörderische Reiche an die Stelle des römischen treten, wodurch Romulus’ Leistung

196
Roger A. Crockett: Understanding Friedrich Dürrenmatt, S.29.
197
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 46.
198
Friedrich Dürrenmatt: Theaterprobleme, S. 49.
199
Ebd., S. 48 f.
79

ziemlich sinnlos erscheint. Auch die Tatsache, dass er nicht wie der wirkliche tragische
Held stirbt, sondern seine Pensionierung antritt, unterstreicht die Tatsache, dass
Romulus das Heldentum nicht erreicht.
Die Physiker präsentiert auch einen Pseudo-Held: Möbius. Sein Versuch, die Welt
vor dem Untergang zu schützen, indem er sein „Wissen“ zurückhält, das heißt seine
Weltformel vor der Menschheit zu bewahren, scheitert aber, weil es Mathilde von
Zahnd gelingt, die Formel zu kopieren. Möbius scheitert genauso wie Romulus und
bleibt völlig bestürzt in der Psychiatrie, die am Ende des Stücks zum Gefängnis
geworden ist. Möbius ist deshalb sicherlich nicht als prototypischer Held zu definieren.
Außerdem spricht der Heldenkult heutzutage das Publikum immer weniger an. Laut
Dürrenmatt ist die Komik (und somit auch die Narrheit) wichtiger denn je, weil
„[u]nsere Welt ebenso zur Groteske geführt [hat] wie der Atombombe“200 und nur die
Komik die getroffene Welt mit Sinn versehen kann. Die Komödie bildet gerade das
Mittel, das für das Publikum einen Ansatz zu weiteren persönlichen Überlegungen in
Bezug auf moralische, soziale und politische Themen in der realen Gesellschaft
auslösen kann, weil nur sie die „Aufgabe der heutigen Dramatik“, nämlich „Gestalt,
Konkretes zu schaffen“ erledigt. Dürrenmatt zufolge, setzt die Tragödie „eine gestaltete
Welt“, eine erfundene, phantastische Welt voraus, während die Komödie „eine
ungestaltete, im Werden, im Umsturz begriffene, eine Welt, die am Zusammenpacken
ist wie die unsrige“ 201 darstellt, das heißt eine unvollkommene Welt, die an die reale
Welt erinnert. Der Zuschauer sieht sich, im Gegensatz zur Tragödie, bei der Komödie
nicht nur ein fiktives Spiel an, sondern wird durch die Schaffung von Distanz (mithilfe
von allerhand Desillusionseffekte) auf die Zustände in der realen Welt aufmerksam
gemacht. Die Komödie spornt den Zuschauer an, nicht nur eine Erzählung oder
Geschichte zu betrachten, sondern auch kritisch zu denken, eine Eigenschaft, die für
Dürrenmatt in der modernen Zeit unentbehrlich ist.
Aus der Auseinandersetzung mit dem Narrenspiel in Dürrenmatts drei Komödien
folgt, dass die Grenzen zwischen Wahnsinn, gespieltem Wahn und Narrheit sehr vage
sind. Trotzdem ließen sich die echten ‚weisen Narren’ aus einer großen Menge närrisch
anmutender Figuren herausfiltern. Der erste Bezugspunkt der Analyse war die
Besprechung des ‚Dürrenmattschen Narren’, der sich aufgrund von Dürrenmatts
200
Friedrich Dürrenmatt: Theaterprobleme, S. 48.
201
Ebd., S. 45.
80

Konzeption des Zufalls von den anderen Figuren abgrenzt. Ein konkreteres und
detailliertes Bild des Narrenspiels innerhalb des Spiels wurde mit der Einbeziehung der
Diskussion von Frenzels Definition des ‚weisen Narren’ erreicht. Somit wurde eine
Unterscheidung zwischen den ‚natürlichen’ Narren und den Figuren, die die Narrheit
nur vorspielten, aufgebaut. Anhand einer Detailanalyse von Romulus’ Rollenspiel und
seinem natürlichen Charakter, und einer Besprechung der Schauspielerei der Greise aus
der Panne wurde gefolgert, dass der ‚natürliche Narr’ mit Wahnsinn (im Fall von
Romulus Größenwahn, und im Fall der Greise Alter, das heißt Alter als literarisches
Phänomen, und nicht als Unterstellung, dass alle älteren Leute wahnsinnig sind)
assoziiert werden kann. Der Wahnsinn, der von Dürrenmatt unterstellt wird, dient
wiederum, um die Worte Heinricis noch einmal zu zitieren, der Komik, dem Rollenspiel
und der Täuschung. Der Wahnsinn fungiert so wie die Narrheit als „einzig möglicher
freier Raum der Gedanken“.202 Heinricis Bemerkung konfligiert aber mit der Tatsache,
dass der Narr, der normalerweise wie der Wahnsinnige ungestraft die Wahrheit sagen
kann, in Dürrenmatts Komödien doch gestraft wird. Die ‚weisen Narren’ Romulus, der
seine Pensionierung, „das Entsetzlichste, was [ihm] zustoßen könnte“203, antritt, und
Odoaker, der auch „vor dem Entsetzlichsten [steht]“204, da er zum König von Italien
ausgerufen wird, und die richtige Vermutung äußert, später von seinem Neffen getötet
zu werden, entgehen ihrer Strafe sicherlich nicht. Auch der typische ‚Dürrenmattsche
Narr’ Möbius, der auf den Zufall keine Rücksicht genommen hat, wird gestraft, und
bleibt für ewig in von Zahnds Psychiatrie eingesperrt. Nur die Greise, die der Kategorie
der ‚natürlichen Narren’ zugeordnet worden sind, bleiben ungestraft, weil sie ihr
Gerichtsspiel mehrere Male ausführen ohne von der Polizei wirklich gestraft zu werden.
Sie bekommen immer nur eine Ermahnung, und wenn es doch eine Untersuchung nach
ihren Praktiken angeordnet wird, „wird sich [Wuchts] Freund und Schüler, der
Justizminister, totlachen“205, das heißt, dass jedes Verfahren eingestellt werden wird.
Aus diesen Bemerkungen lässt sich deswegen folgern, dass in Dürrenmatts
Komödien meistens niemand – sogar nicht die Narren, die eigentlichen Hauptfiguren,
die ‚Helden’ seiner Theaterstücke – ungestraft bleibt. Diese Folgerung, dass niemand

202
Sandra Heinrici: Maskenwahnsinn, S. 67.
203
Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große, S. 111.
204
Ebd.
205
Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, S. 76.
81

unschuldig oder perfekt ist, deutet meines Erachtens wieder auf Dürrenmatts
gesellschaftskritische Perspektive, die er in all seinen Komödien einnimmt.

4. Schluss: Ausblick auf eine desillusionierende Spiel-im-Spiel-Struktur

Das Spiel im Spiel ist ein Kunstmittel, das schon seit vielen Jahrhunderten benutzt
wird, heute vor allem wegen seiner Selbstreflexivität bzw. seiner metadramatischen
Perspektiven als ein Phänomen der Modernität geschätzt wird. Das Spiel im Spiel ist
also ein gutes Instrument, um die Selbstreflexivität, „a marking of modernity in art and
literature“206, zum Ausdruck zu bringen. Die Untersuchung der Spiel-im-Spiel-Struktur,
die die Selbstreflexivität, die eigen an der Moderne ist, anzeigt, bildete deshalb einen
guten Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit, die sich auf die Komödien von
Friedrich Dürrenmatt, Autor der Moderne, fokussiert.
Der erste Schwerpunkt dieser Arbeit war die Besprechung des ‚Spiels’ bzw. der
primären Spielebene. Es wurde gefolgert, dass die Dynamik, die Wiederholung und die
Transzendierung der Wirklichkeit zu den wichtigsten Prinzipien des Spiels gehören.
Aus der Auseinandersetzung mit Yifen Beus’ Theorie über das Spiel im Spiel im ersten
Kapitel dieser Arbeit ließ sich folgern, dass das Verstellungsspiel vor allem in Bezug
auf das Vorspielen des Wahnsinns und der Narrheit, im Gegensatz zu Pfisters
Behauptung, doch als Spiel-im-Spiel-Struktur betrachtet werden kann. In diesem ersten
theoretischen Kapitel wurde ein Unterschied zwischen den realitätssystemisch
einfachen und den komplexen Varianten der Spiel-im-Spiel-Struktur hergestellt, weil es
sich in Dürrenmatts Komödien nicht nur um einfache Spiel-im-Spiel-Strukturen, die nur
aus zwei Spielebenen bestehen, handelt, sondern auch um komplexere Strukturen, die
mehr als zwei Handlungssequenzen umfassen, wie zum Beispiel die komplexen
Rollenspiele von Einstein und Newton, die aus drei bzw. vier Spielebenen bestehen. So
wurde das Verstellungsspiel und das konkretere Narrenspiel in die Kategorie der
komplexen Strukturen eingeordnet, und wurde die eigentliche Analyse angefangen, die
sich vor allem auf die komplexen Spiel-im-Spiel-Strukturen, die für meine Arbeit

206
Yifen Beus: „Self-Reflexivity in the Play within the Play and its Cross-Genre Manifestation.“ In: The
play within the play. The performance of meta-theatre and self-reflection. Hg. von Gerhard Fischer und
Bernhard Greiner. Amsterdam: Rodopi 2007, S. 15.
82

besonders wichtig waren, weil nur diese Spiel-im-Spiel-Strukturen neue Einsichten in


Bezug auf die Machtverhältnisse und den Wahnsinn in Dürrenmatts Komödien bieten
konnten, fokussierte.
Die erste komplexe Spiel-im-Spiel-Struktur, die in diesem Zusammenhang
untersucht wurde, war das Verstellungsspiel der Figuren anhand nationalsozialistischer
Terminologie, wie zum Beispiel anhand von nazistischen Slogans, von denen die zwei
Varianten von Goebbels Ausspruch „Wer Jude ist, bestimme ich“ in den Physikern und
in Romulus der Große die deutlichsten Beispiele sind. Diese Untersuchung hat ergeben,
dass sich aus dem Spiel der Figuren die Machtverhältnisse nicht ableiten ließen, und
dass ihre Absicht, durch den Gebrauch von Verweisen auf das Dritte Reich ihre
Autorität und Macht zu erheben, nicht gelingt, sondern nur ironische Verkehrungen, wie
zum Beispiel die lächerlichen Versuche von Mares und Zeno in Romulus der Große,
Anspruch auf eine Machtposition zu erheben, herbeiführt. Im Gegenteil, durch die
nationalsozialistischen Slogans werden die Machtstrukturen sogar unterlaufen, und lässt
sich aus der Figurenmenge in den drei Theaterstücken keine absolute Hierarchie
herauskristallisieren. Daraus kann man schließen, dass die Spiel-im-Spiel-Struktur auch
in Bezug auf die Machtverhältnisse eine ironische Verkehrung herbeiführt (die
Machtansprüche der Figuren scheitern und erreichen den umgekehrten Effekt, die
Unterlaufung der Machtstrukturen), und dass es folglich nur einen Faktor gibt, der die
absolute Macht hat: der Zufall. Der Zufall bestimmt die ganze Handlung und wie die
Verhältnisse zwischen den verschiedenen Figuren aussehen. Durch die Verwendung
solcher Spiel-im-Spiel-Strukturen ironisiert Dürrenmatt den Nationalsozialismus und
impliziert er deutlich, dass er dieser Diktatur nicht gut gesinnt ist.
Durch die Untersuchung dieser Art von Verstellungsspiel, kam ich zur Erkenntnis,
dass manche Figuren wegen ihres Gebrauches von nationalsozialistischem Vokabular
doch keine normalen Figuren sein konnten. Den nächsten Schritt in der Analyse bildete
dann die Untersuchung des Narrenspiels der Figuren, einer anderen Art von
Verstellungsspiel, und der Beziehung zwischen dem Spiel und der geistigen Gesundheit
der Figuren. Auf diese Art und Weise hat die Arbeit nachgewiesen, dass nicht nur die
Machtverhältnisse, sondern auch der Wahnsinnsaspekt durch das (Verstellungs-)Spiel
bestimmt werden. Es stellte sich heraus, dass durch die Einordnung der Figuren in
verschiedene Narrenkategorien, sich auch die Figuren, die mit Wahnsinn in Verbindung
83

gebracht werden konnten, aus einer großen Menge von Figuren herausfiltern ließen. Der
erste Schritt in dieser Figurenordnung geschah aufgrund von Dürrenmatts
Zufallsperspektive, durch die eine erste Kategorie der ‚Dürrenmattschen Narren’, das
heißt der Figuren, die auf den unvoraussehbaren Zufall keine Rücksicht nehmen,
eingesetzt wurde. Eine weitere Aufteilung war notwendig, denn es stellte sich heraus,
dass es immer noch sehr viele Figuren gibt, die Dürrenmatts Definition entsprechen,
weil fast alle Stücke Dürrenmatts vom Zufall abhängig sind. Erst mit der Besprechung
von Elisabeth Frenzels ‚weisen Narren’ wurde die Kategorisierung der Narren
detaillierter. Vor allem Romulus und Odoaker erwiesen sich als ‚weise Narren’ im
Gegensatz zu Traps, der als ‚dummer Narr’ definiert wurde. Die Schwierigkeit, die
Greise aus der Panne einer bestimmten Kategorie zuzuordnen, führte mich zur
Untersuchung des von Frenzel dargestellten Kontrastes zwischen dem ‚natürlichen’ und
dem nur ‚gespielten’ Narren, das heißt dem Narren, der seine Narrheit nur vorspielt, in
den drei Komödien. Ich kam zu dem Schluss, dass die Greise zur Kategorie des
‚natürlichen Narren’ gehören, weil ihre akrobatischen Verrenkungen oder andere
Handlungen, zwar vom Trinken stimuliert, nicht orchestriert sind, und weil sie das
Gerichtsspiel auf sehr regelmäßiger Basis (fast jeden Tag) betreiben. Auch Traps ist ein
‚natürlicher Narr’ wegen seiner Dummheit, Naivität und Unfähigkeit, einen Narren zu
spielen. Letztendlich wurde gefolgert, dass auch Romulus und Odoaker zur Gruppe der
‚natürlichen Narren’ gehörten, weil Romulus das römische Reich zerstören will und
somit tausende Menschen opfert, und weil Odoaker als Spiegelfigur von Romulus
betrachtet wird wie das Gespräch zwischen den beiden Narren über ihre gemeinsame
Hühnerpassion statt über die Zukunft des römischen und des germanischen Reiches
auch beweist.
Diese Kategorisierung ermöglichte demnach eine effiziente Skizzierung der
Beziehung zwischen Narrheit und Wahnsinn. Vor allem die Detailanalyse von
Romulus’ Charakter und die Auseinandersetzung mit der Schauspielerei der Greise aus
der Panne haben nachgewiesen, dass der ‚natürliche Narr’ mit Wahnsinn assoziiert
werden kann. Romulus’ Größenwahn und das literarische Phänomen des Alters als
Symptom für den Wahnsinn der Greise führten zu dem zuvor erwähnten Schluss, auch
wenn es sich um zwei verschiedene Arten von Wahnsinn handelt. Sogar der ‚natürliche
Narr’ Traps kämpft mit psychischen Problemen, weil seine Reaktionen auf das Spiel
84

nicht den Reaktionen eines gesunden Menschen entsprechen: Er verübt Selbstmord,


weil er glaubt, Justine wird ihn nur auf diese Art und Weise akzeptieren, und weil er auf
jeden Fall an dem Mord seines Chefs Gygax Schuld tragen will. Die echte Narrheit, die
‚natürliche’ Narrheit stimmt in Dürrenmatts Komödien somit sehr oft mit Wahnsinn
überein. Demnach kann man behaupten, dass es eigentlich keine ‚natürliche’,
unschuldige Narrheit mehr gibt, sondern nur noch Wahnsinn, und dass Dürrenmatt hier
wieder eine kritische Perspektive in Bezug auf die Gesellschaft einnimmt, die laut ihm
nicht mehr normal funktionieren kann, wenn nur noch der Wahnsinn vorherrscht.
Aus der Analyse der Beziehung zwischen Wahnsinn und Narrheit ergab sich
weiter noch, dass Frenzels Definition des Narren als Figur, die ungestraft die Wahrheit
sagen kann, nicht auf Dürrenmatts Narren zutrifft, denn unter anderem Romulus,
Odoaker und Möbius können ihrer Bestrafung, die bei Dürrenmatt immer vom Zufall
initiiert ist, nicht entgehen. Dementsprechend wurde auch Heinricis Behauptung, dass
nur im Wahnsinn die Freiheit der Gedanken, Aussagen und Handlungen liegt, dass der
Wahnsinnige nicht gestraft werden kann, bestritten. Außer den Greisen bleibt niemand
ungestraft bei Dürrenmatt: Romulus verliert seine ganze Familie, seine Umgebung und
soll die „entsetzliche“ Pensionierung antreten, Odoaker wird ungewollt zum König von
Italien ausgerufen, Möbius wird für ewig in von Zahnds Psychiatrie eingesperrt und
Traps verübt sogar Selbstmord.
Die Analyse der Spiel-im-Spiel-Strukturen in Dürrenmatts Komödien, lässt nach
Auflistung aller soeben erwähnten Ergebnisse zu, eine Antwort auf die
Untersuchungsfrage zu formulieren, nämlich auf die Frage, warum das Kunstmittel des
Spiels im Spiel, eine Metastruktur, die die (Selbst-)Reflexivität voraussetzt, in
Dürrenmatts Komödien stark vertreten ist, während der Gebrauch dieses
metadramatischen Kunstmittels im Gegensatz zur Tatsache, dass Dürrenmatt keine
einzige Erklärung oder Verdeutlichung in Bezug auf seine Stücke geben will, steht. In
dieser Arbeit wurde stets betont und argumentiert, dass Dürrenmatt implizit alles
versucht, um die dramatische Illusion aufzuheben, um eine Distanz zwischen Publikum
und Bühne zu kreieren. Auch wurde immer auf die ironischen Verkehrungen, die vor
allem im Kapitel über das Verstellungsspiel und den Nationalsozialismus erforscht sind,
aufmerksam gemacht. Daraus lässt sich schließen, dass der Gebrauch der
metadramatischen Spiel-im-Spiel-Struktur die größte ironische Umkehrung seiner
85

Komödien ist. Das Spiel im Spiel funktioniert als Bewusstseinsfaktor, das heißt als
Mittel, um den Zuschauer zu desillusionieren, um die Grenze zwischen Fiktionalität und
Realität deutlich zu machen. Die Tatsache, dass Dürrenmatt eine reflexive Struktur
benutzt und nichts erklärt, trägt deshalb noch mehr zur Distanz zwischen Publikum und
Spiel bei. Es gehört demnach nicht zu Dürrenmatts Absicht, dem Publikum eine Moral
beizubringen, aber zugleich ist es auch nicht seine Absicht, eine bloße Fabel oder eine
alternative Wirklichkeit zu skizzieren. Vielmehr wird uns als Lesern bzw. Zuschauern
auch der Narrenspiegel vorgehalten.
Außerdem hat diese Arbeit nachgewiesen, dass das Spiel im Spiel nicht nur ein
komisches, illusionsbrechendes Ziel hat, sondern dass Dürrenmatt durch die
Verwendung des Spiels im Spiel, durch die Mischung verschiedener Ebenen, das
Tragische und das Komische kombinieren kann, und somit seine Theaterstücke
kompliziert dadurch, dass es eine Interaktion zwischen sowohl tragischen, wie zum
Beispiel den negativen Enden seiner Stücke, als auch komischen Elementen, wie zum
Beispiel den vielen komischen Wiederholungen, die eine der konstituierenden
Eigenschaften des ‚Spiels’ bilden, entsteht. Diese seinen Komödien inhärente
Kombination tragischer und komischer Elemente, wie zum Beispiel Reas Rezitierungen
von der Tragödie Antigone innerhalb der Komödie Romulus der Große, ist auch der
wichtigste Grund, weshalb es so viele Meinungsverschiedenheiten über die Gattung des
Dürrenmattschen Theaterstückes gibt.
Jetzt, da die Ergebnisse meiner Arbeit präsentiert sind, muss ich als letztes nur
noch sagen, was ich nicht mehr besprochen habe. Ich hätte nämlich noch die Diskussion
von Luhmanns Systemtheorie in die Analyse mit einbeziehen können, vor allem in
Bezug auf das ‚Theaterspiel’, das von Schwind als kulturelles System, in dem
Wahrnehmungsformen und die Komplexität der Welt reflektiert werden, bezeichnet
wird, aber Luhmanns Systemtheorie oder andere systemtheoretische Überlegungen
können meiner Meinung nach vielleicht gute Ansätze für weitere Diskussion und
Untersuchung bilden.
86

5. Bibliografie

Primärliteratur

Dürrenmatt, Friedrich: Die Entdeckung des Erzählens. Gespräche 1971-1980. Zürich:


Diogenes Verlag AG 1996.

Dürrenmatt, Friedrich: Die Panne. Hörspiel und Komödie. Zürich: Diogenes Verlag AG
1998

Dürrenmatt, Friedrich: Die Physiker. Eine Komödie in zwei Akten. Zürich: Diogenes
Verlag AG 1998.

Dürrenmatt, Friedrich: Labyrinth. Stoffe I-III. Zürich: Diogenes 1990.

Dürrenmatt, Friedrich: Romulus der Große. Ungeschichtliche historische Komödie.


Zürich: Diogenes Verlag AG 1998.

Dürrenmatt, Friedrich: Theaterprobleme. Zürich: Verlag AG „Die Arche“ 1955.

Frisch, Max: Biografie: Ein Spiel. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1967.

Pirandello, Luigi: Sechs Personen suchen einen Autor. Stuttgart: Reclam 1995.

Schnitzler, Arthur: Anatol. Anatols Größenwahn. Der grüne Kakadu. Stuttgart: Reclam
1981.

Shakespeare, William: Hamlet. Hg. von G. R. Hibbard. Oxford: Oxford University


Press 2008.

Shakespeare, William: Julius Caesar. The illustrated Stratford Shakespeare. London:


Chancellor Press 1982.

Shakespeare William: „King Lear“. In: Greenblatt, Stephen Jay, Abrams, M. H.: The
Norton anthology of English literature. New York: Norton 2006, S. 1143-1223.

Shakespeare William: „Twelfth Night, or What You Will“. In: Greenblatt, Stephen Jay,
Abrams, M. H.: The Norton anthology of English literature. New York: Norton 2006, S.
1079-1139.

Sekundärliteratur

Beus, Yifen: „Self-Reflexivity in the Play within the Play and its Cross-Genre
Manifestation.“ In: Fischer, Gerhard; Greiner, Bernhard (Hg.): The play within the play.
The performance of meta-theatre and self-reflection. Amsterdam: Rodopi 2007, S. 15-
26.
87

Bloch, Peter André: „Die Panne“. In: Keel, Daniel (Hg.): Über Friedrich Dürrenmatt.
Zürich: Diogenes Verlag 1980, S. 226-240.

Bosse, Anke: „Retheatralisierung in Theater und Drama der Moderne. Zum Spiel im
Spiel“. In: Anz, Thomas; Kaulen, Heinrich (Hg.): Literatur als Spiel.
Evolutionsbiologische, ästhetische und pädagogische Konzepte. Berlin: de Gruyter
2009, S. 417-430.

Brock-Sulzer, Elisabeth: Friedrich Dürrenmatt. Stationen seines Werkes. Zürich: Arche


1964.

Bursch, Roland: „Wir dichten die Geschichte“. Adaption und Konstruktion von Historie
bei Friedrich Dürrenmatt. Würzburg: Königshausen und Neumann 2006.

Büttner, Urs: „Urteilen als Paradigma des Erzählens. Dürrenmatts Narratologie der
Gerechtigkeit in seiner Geschichte Die Panne (1955/1956)“. In: Monatshefte 4 (Winter
2009), S. 499-513.

Butzer, Günter; Jacob, Joachim (Hg.): Metzler Lexikon literarischer Symbole.


Stuttgart: Metzler 2008.

Colpaert, Marc: Een origineel gevecht met ideologieën. Antwerpen: Uitgeverij De


Nederlandsche Boekhandel 1976.

Crockett, Roger A.: Understanding Friedrich Dürrenmatt. Columbia (S.C.): University


of South Carolina press 1998.

Delbrück, Hansgerd: „Antiker und moderner Helden-Mythos in Dürrenmatts


‚ungeschichtlicher historischer Komödie’ Romulus der Große“. In: The German
Quarterly 3 (Summer 1993), S. 291-317.

Durst, Uwe: „Realitätssystemisch einfache und komplexe Varianten der Spiel-im-Spiel-


Struktur“. In: Neohelicon 2 (2010), S. 489-507.

Enklaar, Jattie; Ester, Hans: Vivat Helvetia. Die Herausforderung einer nationalen
Identität. Amsterdam/Atlanta: GA 1998.

Fickert, Kurt J.: „Wit and Wisdom in Dürrenmatt's Names“. In: Contemporary
Literature 3 (Summer 1970), S. 382-388.

Fischer, Gerhard; Greiner, Bernhard: „The play within the play. Scholarly
perspectives“. In: Dies. (Hg.): The play within the play. The performance of meta-
theatre and self-reflection. Amsterdam: Rodopi 2007, S. xi-xvi.

Foucault, Michel: „Von anderen Räumen“. In: Dünne, Jörg; Günzel, Stephan (Hg.):
Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt am
Main: Suhrkamp 2006, S. 317-329.
88

Frenzel, Elisabeth: Motive der Weltliteratur. Ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher


Längsschnitte. Stuttgart: Kröner 1976.

Gadamer, Hans-Georg: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen


Hermeneutik. Tübingen: Mohr Siebeck 1974.

Gebauer, Gunter; Wulf, Christoph: Spiel, Ritual, Geste. Mimetisches Handeln in der
sozialen Welt. Hamburg: Rowohlt Verlag 1998.

Heinrici, Sandra: Maskenwahnsinn. Darstellungsformen des Wahnsinns im


europäischen Theater des 20. Jahrhunderts. Bonn: Bouvier Verlag 2008.

Huizinga, Johan: Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. Reinbek: Rowohlt
Verlag 1971.

Jauslin, Christian Markus: Friedrich Dürrenmatt. Zur Struktur seiner Dramen. Zürich:
Juris-Verlag 1964.

Landfester, Ulrike: „The Invisible Fool: Botho Strauss’s Postmodern Metadrama and
the History of Theatrical Reality.“ In: Fischer, Gerhard; Greiner, Bernhard (Hg.): The
play within the play. The performance of meta-theatre and self-reflection. Amsterdam:
Rodopi 2007, S. 129-142.

Mitrache, Liliana: Intertextualität und Phraseologie in den drei Versionen der Panne
von Friedrich Dürrenmatt. Aspekte von Groteske und Ironie. Uppsala: Uppsala
University Library 1999.

Ottmann, Henning: Philosophie und Politik bei Nietzsche. Berlin: de Gruyter 1999.

Pfister, Manfred: Das Drama. Theorie und Analyse. München: Fink 2001.

Plaice, Renata: „Das Spiel als das Dynamische. Der Begriff des Spiels zwischen
Moderne und Postmoderne“. In: Anz, Thomas; Kaulen, Heinrich (Hg.): Literatur als
Spiel. Evolutionsbiologische, ästhetische und pädagogische Konzepte. Berlin: de
Gruyter 2009.

Rüedi, Peter: Dürrenmatt oder Die Ahnung vom Ganzen. Biographie. Zürich: Diogenes
2011.

Schu, Sabine: Deformierte Weiblichkeit bei Friedrich Dürrenmatt. Eine Untersuchung


des dramatischen Werkes. St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag 2007.

Schwind, Klaus: „Theater im Spiel – Spiel im Theater. Theoretische Überlegungen zu


einer theaterwissenschaftlichen Heuristik“. In: Weimarer Beiträge 3 (1997), S. 419-443.

Zipfel, Frank: „‘Very Tragical Mirth’: The Play within the Play as a Strategy for
Interweaving Tragedy and Comedy.“ In: Fischer, Gerhard; Greiner, Bernhard (Hg.):
89

The play within the play. The performance of meta-theatre and self-reflection.
Amsterdam: Rodopi 2007, S. 203-220.

Das könnte Ihnen auch gefallen