Erfolgreich lernen im
Studium
Natascha Henseler
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Erfolgreich lernen im Studium
1. Auflage
© 2015 Natascha Henseler & bookboon.com
ISBN 978-87-403-1175-4
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Erfolgreich lernen im Studium Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 6
Führungskompetenz
Lernen Sie, strategisch zu denken und eine bessere Führungskraft zu werden
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Erfolgreich lernen im Studium Inhaltsverzeichnis
3 Notfallkoffer 50
3.1 Tipping Point – Es wird schwerer, bevor es leicht wird 50
3.2 Veränderungskurve – Lernen ist ein bisschen wie Sterben 52
3.3 Ego Depletion – Disziplin trifft Schokolade 57
3.4 Verdrängungseffekt – Lassen Sie die Finger vom Geld 60
3.5 Enclosed cognition – Dress for (learning) success 62
3.6 The sunk cost fallacy – Alles auf Beginn 64
4 Literatur 67
Kommunikationsfähigkeit
Finden Sie heraus, wie Sie ein besserer Kommunikator werden
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Erfolgreich lernen im Studium Einleitung
Einleitung
Lernen als Grundvoraussetzung für Erfolg
Die Fähigkeit zu lernen ist eine jener Kompetenzen, die heute so hoch gehandelt werden. Kaum eine
Stellenanzeige kommt ohne den Hinweis auf Veränderungsfähigkeit, Offenheit für Neues oder eben
Lernfähigkeit aus.
Lernen gehört zu den Schlüsselkompetenzen, noch genauer gesagt zu den konzeptionellen Kompetenzen.
Diese beinhalten die Fähigkeit, sich selbst und andere zu organisieren, Prozesse zu gestalten und abstrakte
Zusammenhänge zu verstehen (vgl. Abb. 1). Sie stehen neben der Fachkompetenz und der sozialen
Kompetenz. Wie die Abbildung unten verdeutlicht, ist die konzeptionelle Kompetenz auf allen Ebenen
des Unternehmens von Bedeutung. Als Daumenregel gilt: Je höher der Aufstieg in einer hierarchisch
aufgebauten Organisation, desto mehr nimmt Fachkompetenz an Bedeutung ab (wohlgemerkt: nur
relativ). Und umso wichtiger werden konzeptionelle Kompetenzen.
Abbildung 1: Kompetenzprofil.
Diese Kompetenz zu trainieren ist also nicht nur etwas für die vergleichsweise kurze Zeit des Studiums.
Sie ist eine unentbehrliche Voraussetzung für beruflichen Erfolg in der berühmten Wissensgesellschaft.
Was erwarten Unternehmen heute (und morgen) von Hochschulabsolventen? Was charakterisiert die so
genannten High Potentials? Die Antworten hierauf variieren, fast immer tauchen jedoch Begriffe auf wie
Interdisziplinäres Denken
Soziale Kompetenz
Erkennbares Führungspotenzial
Besseres Problemlösungsverhalten
Reifere Persönlichkeit
Bessere Studienleistung
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Erfolgreich lernen im Studium Einleitung
„Bessere Studienleistungen“ haben dabei den vermeintlich direktesten Bezug zum Lernen. – Aber auch
interdisziplinäres Denken, erkennbares Führungspotential und besseres Problemlösungsverhalten sind
ein Lernprozess. Diese Fähigkeiten haben ihren Ursprung in der Auseinandersetzung mit dem (eigenen)
Lernen und dem Nachdenken über das eigene Verhalten.
Diesen Ansatz greift das Buch auf. Sie werden in diesem Buch angeregt (und aufgefordert), über Ihr
(Lern-)Verhalten und Ihre (Lern-)Einstellung nachzudenken. Die Erkenntnisse können Ihnen „sofort“
bei der Bewältigung von aktuellen Lernsituationen helfen. Sie sollen Ihnen darüber hinaus grundsätzliche
Fähigkeiten vermitteln, die Sie über das Studium hinaus nutzen und zielführend einsetzen können.
Ich erinnere mich an einen Artikel aus einem Magazin zur Personalentwicklung, in dem drei mutig in die
Kamera grinsende „Studenten“ abgebildet waren. Der Aufhänger des Artikels: Die drei hatten, laut eigener
Aussage, ein äußerst effektives und effizientes Lernteam gebildet. Die Zusammenarbeit hatte es ihnen
ermöglicht, ihr Bachelor-Studium in der Hälfte der Zeit zu absolvieren. Aus meiner Sicht kein Verdienst.
Lernen, zumindest echtes Lernen bedarf einer gewissen Muße. Manche Erkenntnisse müssen sich erst
langsam den Weg in Ihre Gehirnwindungen bohren. Und: Lernen ist nicht gleich Lesen. Lernen ist auch
mehr als nur das Bestehen einer Klausur.
Keine Sorge, es wird jetzt nicht esoterisch…gleichwohl ist eine Grundannahme wichtig. Lernen ist
hier nicht definiert als „Wie lese ich das Buch schneller“, sondern eben als ganzheitlicher Ansatz. Sie
werden in den einzelnen Kapiteln und Übungen Fragen finden, die Sie anregen über Ihre gesamte
Lernsituation nachzudenken. Dazu gehört nicht nur der Umgang mit der verwendeten Literatur, sondern
auch die Beschäftigung mit Ihrem (Lern-)Umfeld, Ihren eigenen Ansprüchen, wenn Sie so wollen: Ihrer
eigenen Lernphilosophie.
„Klassische Lerntechniken“ werden Sie insofern nicht in diesem Buch finden. Der Grund: Die meisten
dieser klassischen Methoden sind intuitiv nachvollziehbar. Nach dem heutigen Stand der Forschung
sind sie jedoch nicht mehr haltbar. Sie richten vielleicht keinen Schaden an – aber sie helfen Ihnen auch
nicht. Die betrifft unter anderem auch die Methode des Anstreichens mit dem Textmarker. Laut einer
Studie von Dunlosky et al. eine der am weitesten verbreiten Techniken. Und eine der am wenigsten
hilfreichen Methoden.
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Erfolgreich lernen im Studium Einleitung
Lernen im Studium
Auch wenn in der Einleitung die fast grenzenlose Vielfalt von Lernprozessen angesprochen wurde – für
die meisten von uns stehen an erster Stelle die ganz pragmatischen Anforderungen des Lernens.
Die Erkenntnisse aus diesem Buch sind auf Lernprozesse im Hochschulkontext bezogen. Je nach Ihrer
aktuellen Lage können dies sein:
-- Klausuren,
-- Mündliche Prüfungen,
-- Präsentationen,
-- Haus- und Seminararbeiten und/oder
-- Abschlussarbeiten (bspw. Bachelor oder Master).
Die Lernanforderung ist in den meisten Fällen gleich: Ein bestimmter Themenbereich wird vorgegeben.
Sie erhalten mehr oder weniger ausführliches Lernmaterial (Skripte, Literaturhinweise, Foliensätze) und
sind aufgefordert, dieses Lernmaterial zu verstehen, ggf. darüber hinaus gehendes Material selbstständig
zu recherchieren und sich die Inhalte anzueignen. Die oben aufgeführten Fälle sind dann lediglich die
Art und Weise, wie Ihr Lernerfolg abgeprüft wird. Also bspw. durch eine schriftliche Klausur oder eine
mündliche Prüfung.
Haus- oder Seminararbeiten sowie Abschlussarbeiten fallen ein wenig aus dem Rahmen. Sie unterscheiden
sich von den anderen Prüfungsformen dadurch, dass die Prüfung nicht auf ein einziges Ereignis – bspw.
die Klausurzeit – beschränkt ist. Bei einer Hausarbeit haben Sie einige Wochen Bearbeitungszeit. Dennoch
handelt es sich hier zweifelsfrei um einen Lernprozess. Eine gute Hausarbeit spiegelt Ihr Verständnis des
Themas wider und ist nicht die bloße Wiedergabe einer fremden Quelle.
Die Vielfalt am „Markt“ für Bildung ist heute reichhaltiger geworden. Es kann sein, dass Sie ein klassisches
Präsenzstudium absolvieren. Es kann aber auch sein, dass Sie ein Fernstudium aufgenommen haben
und Ihre Zeit zwischen Online-Seminaren und Selbststudium aufteilen.
Die gute Nachricht: Die „Darreichungsform“ ist nicht wichtig. Sie können die Erkenntnisse aus diesem
Buch in jedem Fall nutzen.
Die schlechte Nachricht: Egal, was man Ihnen versprochen hat – auch in einem online-basierten
Fernstudium müssen Sie selbst lernen.
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Erfolgreich lernen im Studium Einleitung
Die Gehirnforschung hat in den letzten Jahrzehnten an Fahrt aufgenommen. Moderne Messtechniken
machen es möglich, in Bereiche vorzudringen, die bislang einer direkten Einsicht verborgen blieben
und auf reine Hypothesen und Spekulationen angewiesen waren. Seit die Forschung Mittel und Wege
gefunden hat, Gedanken und Emotionen ein wenig zu entschlüsseln und sogar sichtbar zu machen,
sind viele alte Annahmen aus dem Fenster geflogen. Die Forschung hat auf Basis dieser Einsichten
so wunderbare Bücher hervor gebracht wie Hüthers Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn,
Medinas Brain Rules, Robinsons Out of our minds oder Roths Bildung braucht Persönlichkeit. Diese und
weitere Quellen sind Grundlage für die in diesem Buch vorstellten Aspekte – und jedes für sich die
Lektüre wert.
Das Lernen hat ein Up-date erfahren. Das Bild des Studierenden, der sich für Stunden in eine mit
Sprachverbot belegte Bibliothek vergräbt und still und einsam Buch um Buch durchackert – dieses Bild
ist ebenso fatal nostalgisch wie lernhemmend.
Die neuen Erkenntnisse beantworten Fragen über das so genannte Meta-Lernen, also Fragen darüber,
wie wir lernen. Was die Forscher heute sagen können öffnet ein weites Feld – und wird Sie vielleicht
in manchen Aspekten mit Verhaltensweisen versöhnen, von denen Ihre Eltern noch behaupteten „So
kann man doch nicht lernen!“.
Viele Ratgeberhefte der letzten Jahre sind damit überholt. Die darin enthaltenen Tipps klingen (auch
heute noch) intuitiv sofort nachvollziehbar. Aber sie sind es trotzdem nicht. Es sind vielfach Mythen und
anekdotenhaften Verallgemeinerungen, die im Laufe der Zeit so oft wiederholt und vermittelt wurden,
dass wir sie glauben.
Um Ihnen einen Vorgeschmack auf die Welt des Lernens und dieses Buch zu geben, hier ein paar
Appetithappen:
Wahrheit: Leise Musik im Hintergrund, die Geräuschkulisse in einem Café, als dies sind Faktoren, die
Lernen eher fördern, als es behindern.
Wahrheit: Der Wechsel des Arbeitsplatzes regt neue Verbindungen im Gehirn an und sorgt dafür, dass
das Gelernte mehrfach und „fester“ abgespeichert wird.
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Erfolgreich lernen im Studium Einleitung
Mythos: Entwickeln Sie ein festes Lernritual, bspw. die gleiche Zeit, die gleiche Umgebung, den
gleichen Ablauf.
Wahrheit: Unser Gehirn ist dann aufmerksam, wenn es durch Abwechslung gefordert wird. Monotonie
beantwortet das Gehirn mit einem gelangweilten Autopilot-Modus, in dem kaum Neues aufgenom-
men wird.
Wahrheit: Unser Gehirn ist ein Meister darin, auch in chaotisch dargebotenen Informationen ein Muster
zu erkennen. Nicht Strukturierung ist der Schlüssel zum Lernen, sondern vielmehr die Anreicherung
mit persönlichen Bezügen, Emotionen oder die Verbindung mit anderen Ideen.
Vielleicht haben Sie selbst ebenfalls einen liebgewonnen Mythos über das Lernen. Dann ist dieses Buch
eine gute Gelegenheit, diesen Mythos auf die Probe zu stellen.
Bei aller Euphorie über die neuen Erkenntnisse der Gehirnforschung – es darf nicht verschwiegen werden,
dass das Thema Lernen noch immer ein Work-in-Progress ist. Unterschiedliche Wissenschaften tragen
unablässig immer wieder neue Mosaiksteine zusammen, die unser Verständnis vom Lernen erweitern
und verbessern. Es bleibt spannend, wohin die Reise geht und welche neuen Erkenntnisse unser Lernen
vielleicht in zehn Jahren prägen werden.
Wenn Sie sich Ihres Lernweges und Ihres Lernerfolgs sicher sind und „lediglich“ auf der Suche nach der
besten „Technik“ sind, um nur schneller auswendig zu lernen oder kurzfristig für die nächste Klausur
zu lernen, dann werden Sie von diesem Buch enttäuscht sein.
Vielleicht haben Sie aber auch schon sämtliche Textmarker ausprobiert, unzählige Karteikartenkästen
gefüllt und können mit Checklisten Ihre Wände tapezieren…und haben trotzdem das Gefühl, dass Sie
das alles nicht so wirklich voran bringt.
Die Umstellung auf das Bachelor-/Master-System hat in Deutschland zu einer begrifflichen Erneuerung
geführt, die es vorher so nicht gab: Das Bulimie-Lernen.
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Erfolgreich lernen im Studium Einleitung
Der Studierende verabschiedet sich zwei Wochen vor der Klausurphase fast komplett aus seinem sozialen
Leben und versucht mit der Brachialmethode möglichst viel Stoff in möglichst kurzer Zeit auswendig
zu lernen. Dann wird in der anschließenden Prüfung das so Gelernte „wiedergegeben“ (um es zart
auszudrücken) und dann…nun, dann ist es „Lern“prozess beendet. Denn bei dieser Methode bleibt
naturgemäß wenig hängen. Für diesen Ansatz ist das vorliegende Buch nicht gedacht und nicht geeignet.
Aufmerksam machen – Wenn Sie wissen, welche Bestimmungsgrößen für Ihren Lernerfolg eine Rolle
spielen, dann können Sie diese aktiv gestalten.
Handlungsspektrum erweitern – Je mehr unterschiedliche Instrumente und Ansätze Sie zur Verfügung
haben, desto größer ist Ihre Auswahl, wenn Sie einmal in eine schwierige/stressige Lernsituation kommen.
Aha-Erlebnisse bringen – Viele der aufgezeigten Aspekte werden nah am Ihrem Alltag und Ihrem
alltäglichen Erleben sein. Die unterschiedlichen Wissenschaften erklären mehr als man für möglich
hält – und erlauben es damit, alte Mythen ad acta zu legen.
Das Buch macht sich die Erkenntnisse der Forschung zu Nutze. Nicht nur, indem Sie in diesem Buch
ausgewählte Beispiele hierfür finden. Auch der Aufbau des Buches orientiert sich hieran.
Zeitmanagement
Finden Sie heraus, wie Sie Ihre Zeit besser nutzen
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Erfolgreich lernen im Studium Einleitung
Unter der Überschrift „Den Kopf freimachen“ beginnen wir sehr grundlegend. Lernen ist Kopfsache
und wird daher im Kopf entschieden. Haben Sie jemals folgende Situation erlebt: Im Gespräch klagt
Ihnen ein Bekannter sein Leid. Er habe gerade mit einem schwierigen Kurs in der Schule/Universität zu
kämpfen. So viele Fakten, die es zu lernen gilt. Er habe dafür einfach kein Talent. Da Sie hierauf auch
spontan keine Antwort haben, geht es Gespräch weiter zum nächsten Thema – und Ihr Bekannter erzählt
Ihnen lebhaft und in allen Details von einem aktuellen Kinofilm oder von der Mannschaftsaufstellung
seiner Lieblingsmannschaft heute im Vergleich zu vor zwei Jahren.
Mit anderen Worten: Er kann es also doch! Es braucht kein Talent oder Ähnliches, um sich Dinge zu
merken. Der Unterschied, warum wir uns manche Dinge (vermeintlich) sehr leicht merken und andere
einfach nicht in den Kopf wollen, liegt in der Einstellung. Wenn wir einen Sinn im Gelernten sehen oder
eine persönliche Verbindung dazu erkennen, dann fällt es uns leicht. Wenn wir uns innerlich wehren,
weil wir eben keinen Sinn darin sehen oder uns nicht vorstellen können, wofür wir das Gelernte später
jemals brauchen können, dann schaltet auch unser Gehirn auf stur.
Noch bevor Sie das erste Buch aufgeschlagen oder das erste Vorlesungs-Skript herunter geladen haben,
haben Sie eine Einstellung zum Studium und zum Lernen.
Im Kapitel „Den Kopf freimachen“ erfahren Sie zu diesem Thema Hintergründe und Erklärungen.
Gleichzeitig geben die Abschnitte Anregungen, wie Sie sich die Erkenntnisse auf Ihre eigene Lerneinstellung
übertragen können.
Lernen basiert auf zwei wesentlichen Fragen: Wie kommen die Informationen ins Gehirn? Und wie
können Sie sie verlässlich wieder abrufen?
Für die Antwort auf diese Fragen gibt es keine Geheim-Methode. Nicht die Methode. In den
unterschiedlichen Abschnitten des Kapitels erfahren Sie vielmehr kleine Tipps und Tricks, die Sie wie
einzelne Puzzleteile zum Gesamtwerk Ihrer persönlichen Lernmethode zusammen setzen können.
Und müssen. Das gebe ich zu: Sie sind an vielen Stellen selbst gefordert. Einen Tipp auszuprobieren,
umsetzen oder auch gerne ihn mit Ihren individuellen Erfahrungen und Bedürfnissen anzupassen und
weiter zu entwickeln.
Ausgangspunkt für die Auswahl der Kapitel und Themen waren Gespräche mit und Beratungen von
Studierenden aus unterschiedlichsten Bereichen: aus Präsenz- und Online-Studiengängen, aus BWL-
Studienfächern (mein Fachgebiet) und ebenso aus Nicht-BWL-Studienfächern wie Jura, Biologie,
Soziologie und Pädagogik, aus Universitäten und Fachhochschulen, staatlichen und privaten Institutionen.
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Erfolgreich lernen im Studium Einleitung
Die Kapitel erheben insofern keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Man könnte spielend von weitere
Phänomene und Erkenntnisse einbringen. Sie sind vielmehr ein Best-of. Ein Best-of von Antworten auf
die häufigsten Fragen und vor allem die häufigsten Probleme von Studierenden.
In diesem Kapitel erfahren Sie, welche Erkenntnisse aus der Forschung Sie sich zu Nutze machen können,
um Ihr Lernen bestmöglich zu gestalten.
Notfallkoffer
Egal, wie gut Sie sich mit dem Lernen auseinander gesetzt haben und wie engagiert Sie das Lernen
angehen – irgendwann werden Sie auf Probleme stoßen. Es geht einfach nicht voran. Ihnen steht doch
nicht die Zeit zu Verfügung, die Sie für das Lernen eingeplant haben. Ihre Motivation ist dahin. Auch
ein gut trainierter Marathonläufer hat während eines Laufs plötzlich Schmerzen oder gar Krämpfe. Ein
noch besser trainierter Marathonläufer hat sich auf diesen Fall vorbereitet und sich Strategien für den
Ernstfall – eben einen Notfallkoffer – zurechtgelegt. Für Ihr Lernen gilt das Gleiche.
Für diese Fälle hält das Kapitel Einsichten in die Hintergründe bereit. Das Beste daran: auch wenn es
sich im akuten Fall anders anfühlt, bedenken Sie einmal Folgendes: Wenn es für die angesprochenen
Probleme ein eigenes Konzept, eine eigene psychologische Forschungsrichtung gibt, dann bedeutet dies
auch – es geht vielen Menschen so wie Ihnen! Sie sind nicht die ersten oder gar einzigen Studierenden,
die dieses Problem haben.
Studierende sitzen vielfach in Veranstaltungen und haben den Eindruck, dass nur sie gerade den Faden
verloren haben, dass nur sie mit dem Thema Schwierigkeiten haben und dass nur sie sich Sorgen um
die Klausur machen. Alle anderen um sie herum scheinen die Herausforderungen mit Leichtigkeit
zu meistern.
In der Gruppe gibt es dann meistens einen kollektiven Aha-Effekt, wenn ich typische Probleme aufzeige
und die Studierenden plötzlich merken, dass sie eben nicht alleine mit ihren Sorgen und Schwierigkeiten
sind. Sie können sich also beruhigt vom selbstauferlegten Druck befreien, dass nur Sie gerade vollkommen
planlos seien.
Sie müssen sich diesen Problemen natürlich nicht kampflos ergeben. Wie Sie damit umgehen können,
lernen Sie in diesem Kapitel.
Sämtliche Kapitel im Buch bringen Ihnen kurz und knackig gezielt einen Aspekt näher. Wenn Sie Interesse
an einem einzelnen Kapitel gefunden haben, finden Sie im Literaturverzeichnis Quellen, mit denen Sie
tiefer in das jeweilige Thema einsteigen können.
Wann werden Sie wissen, dass Sie nun besser lernen können? Die einfache Antwort ist: natürlich dann,
wenn Sie bessere Noten schreiben. Dies ist sicher ein naheliegender und greifbarer Indikator.
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Erfolgreich lernen im Studium Einleitung
Vielleicht können Sie darüber hinaus mit einigen typischen Aussagen und Reaktionen gelassener
umgehen:
„Ich hab viel mehr gelernt als die anderen und die haben zum Teil bessere Noten.“
Aus fast 15 Jahren Lehrerfahrung weiß ich: Jeder muss lernen! Sollte ein Kommilitone Ihnen gegenüber
damit kokettieren, dass er auch total überrascht sei über seine gute Note, er habe doch fast gar nichts
dafür getan, dann nehmen Sie es als das, was es ist: Koketterie und gepflegtes Understatement.
„Ich konnte alles und dann kamen so doofe Fragen in der Prüfung dran.“
Hm, wenn Sie ehrlich sind, werden Sie daraus schlussfolgern müssen: Ich konnte eben nicht alles. Meistens
bereitet man sich auf eine Art und Weise vor. Wenn dann die Fragestellung in der Prüfung variiert ist
es mit dem berühmten Transferwissen meist nicht so weit.
„Wenn ich nur eine andere Lernmethode hätte, dann würde ich bestimmt bessere Noten schreiben.“
Es gibt sie leider nicht, die Lernmethode. Viel wichtiger, als sich auf die Suche nach der einen Super-
Methode zu machen, ist es, sich ein breites Spektrum an unterschiedlichen Methoden oder Strategien
zu erarbeiten und dabei grundlegende Verhaltensweisen auf den Prüfstand zu stellen.
Führungskompetenz
Lernen Sie, strategisch zu denken und eine bessere Führungskraft zu werden
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Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
Mindset, das bedeutet zunächst einmal nur, unser Selbstbild. Also das Bild, das wir von uns selbst haben.
Ein Selbstbild ist nichts, was Sie sich bewusst ausgesucht haben. Es hat sich vielmehr wie ein Puzzle
aus vielen kleinen Teilen im Laufe der Zeit zusammen gesetzt. Da war das Feedback Ihrer Lehrer, als
Sie in die Schule gekommen sind und sich plötzlich mit ganz neuen Fächern beschäftigen mussten. Da
war die Reaktion Ihrer Familie, als Sie die ersten Noten nach Hause brachten. Da waren natürlich die
Gespräche mit Freunden und Klassenkameraden.
Schon im jungen Alter machen Kinder etwas für uns Menschen ganz Typisches: Wir suchen nach
Gründen und Zusammenhängen. Wir oder bzw. unser Gehirn kann erst dann entspannen, wenn wir
wissen, warum unsere Lieblingstasse einen kleinen Riss hat, wo unser Haustürschlüssel jetzt gerade ist
und warum das Gespräch mit dem Chef so eskaliert ist.
Gründe bestimmen unser Leben. Und noch eine spannende Eigenschaft kommt hinzu. Wenn wir den
Grund für etwas nicht erkennen (können), dann tun wir etwas, das in der Fachsprache Konfabulieren
heißt. Auf gut deutsch: irgendein (ausgedachter) Grund ist besser als keiner, selbst wenn dieser Grund
mehr als fadenscheinig ist.
So ergeht es schon kleinen Kindern beim Lernen. Da das Feedback in Form von Noten oder angestrichenen
Fehlern in einer Arbeit unausweichlich ist, suchen sie nach Gründen. Und hier, so konnte Dweck schon
bei Kindern im Alter von fünf oder sechs Jahren zeigen, trennt sich die Welt.
Stellen wir uns ein Kind vor, das vor einem Mathetest sitzt. Die Aufgaben haben einen leichten bis mittel
schweren Charakter – und das Kind besteht den Test mit einer 1. Alles richtig. Super.
Überlegen Sie selbst ganz spontan: Welches Feedback würden Sie diesem Kind geben? Wofür würden
Sie es loben?
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Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
Loben Sie das Kind für seine Intelligenz – „Du bist aber ein schlaues Kerlchen“ – legen Sie damit den
Grundstein für den so genannten Fixed Mindset.
Loben Sie das Kind für seine Anstrengung – „Du hast bestimmt viel geübt“ – legen Sie den Grundstein
für den Growth Mindset.
Grundsatz: Man ist intelligent oder eben nicht und das kann man auch nicht verändern.
Einstellung zu Veränderungen: Veränderungen sind potenzielle Bedrohungen.
Einstellung zu Risiken: Wer wagt, der kann viel verlieren (zum Beispiel das Ansehen der Anderen).
Gründe für Fehler: Die Anderen (der Lehrer, der Professor, die Rahmenbedingungen) waren Schuld.
Grundsatz: Durch Anstrengung kann ich lernen und mich stetig verbessern.
Einstellung zu Veränderungen: Veränderungen werden angestrebt und als Lernchance gesehen.
Einstellung zu Risiken: Nur wer wagt, gewinnt (und ein Scheitern ist ja schließlich kein Beinbruch).
Gründe für Fehler: Ich habe mich wohl nicht genug angestrengt.
Die genannten Aussagen haben Einfluss auf das Selbstbild des Kindes und bestimmen seine kausale
Zuschreibung dessen, was zum Erfolg geführt hat. Hat meine Intelligenz mir die 1 im Mathetest beschert
oder mein Üben?
Vielleicht sagen Sie an dieser Stelle: Ist doch egal. Eine 1 ist eine 1. Da haben Sie natürlich Recht. Und
wenn es sich um eine einmalige Testsituation handelt, würde dem auch nichts entgegenstehen. Aber wie
wir alle wissen, kommen Tests und Arbeiten und Klausuren und mündliche Prüfungen in einer gewissen
Regelmäßigkeit im schulischen Leben vor. Für Studierende wie Sie sogar noch länger. Es macht also Sinn
sich nicht nur zu fragen, wie ist diese eine 1 zustande gekommen, sondern auch in die Zukunft zu schauen.
Und tatsächlich: Diese einfache Dichotomie – Fixed Mindset versus Growth Mindset – hat gravierende
Auswirkungen. Ganz pragmatisch auf die Frage: Wie wird das Kind beim nächsten Test agieren?
Ein Kind mit einem Fixed Mindset ist darauf bedacht, seine einmal attestierte Intelligenz zu bewahren.
Am sichersten geht dies, indem man für nachfolgende Tests einen Schwierigkeitsgrad wählt, der genauso
schwer ist, wie beim letzten Mal. Oder noch besser, man wählt eine Aufgabe, die deutlich leichter ist und
damit garantiert wieder zu einer 1 führen wird. Mit anderen Worten: ein Fixed Mindset, die Vorstellung,
es gäbe nur intelligent oder dumm, führt dazu, dass aus einer Art Angst- und Verteidigungsposition
heraus zunehmend leichtere, sich wiederholende Aufgaben gewählt werden. Der sicherere Erwerb einer
1 steht vor der risikobehafteten Herausforderung eine schwierigere Aufgabe möglicherweise nur mit
einer 2 oder gar einer 3 zu bestehen.
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Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
Beim Growth Mindset geschieht das genaue Gegenteil: Eine 1 ist Bestätigung darin, dass die eigene
Anstrengung zu etwas geführt hat. Anstrengung kann, im Gegensatz zur als fest wahrgenommenen
Intelligenz, dosiert und beeinflusst werden. Ich kann mehr lernen. Ich kann mich beim nächsten Mal
mehr anstrengen. Kinder mit einem Growth Mindset nehmen daher zukünftige Herausforderungen
stärker an. Sie gehen Risiken ein, da sie gelernt haben, dass eine Note in einem Test kein hopp oder top
in Bezug auf Ihre Persönlichkeit ist, sondern eben lediglich das: eine Note in einem Test.
Noch deutlicher zeigt sich dieser Unterschied, wenn der Test nicht mit einer 1 bestanden, sondern mit
einer 5 nicht bestanden ist. Achten Sie einmal im Gespräch darauf, wie Menschen mit Fehlern oder
Scheitern umgehen. Dies betrifft nicht nur die nicht bestandene Klausur, sonder geht viel weiter: Jemand
ist mit seinem Job unzufrieden – ist es ihr wichtig zu sagen, dass der Chef ein „bekannter“ Tyrann ist?
Eine Beziehung ist in die Brüche gegangen – ist es ihm wichtig, dass sie schuld war und er das Opfer ist?
Gerade beim Scheitern und unserem Umgang damit legen wir den Grundstein für weitere (Lern-)Erfolge.
Das entstehende Selbstbild verändert unsere Leistungsbereitschaft und unsere Leistungsfähigkeit.
Auch wenn in den Darstellungen bislang von „Kind“ die Rede war: es wird im Alter nicht besser. Der
Bezug auf ein frühes Alter verdeutlicht vielmehr, dass dieser Grundstein schon sehr früh gelegt wird
und dann lange „reifen“ kann.
Kommunikationsfähigkeit
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Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
Mit folgenden Fragen erhalten Sie einen ersten Eindruck, wie Ihr Selbstbild geprägt ist.
Welchen Aussagen stimmen Sie zu, welche lehnen Sie ab (eigene Übersetzung nach Dweck):
1. Ihre Intelligenz ist ein grundlegender Bestandteil Ihrer Person den Sie kaum verändern können.
2. Sie können neue Dinge lernen, aber wie intelligent Sie sind, bleibt relativ konstant.
3. Egal wie viel Intelligenz Sie besitzen, Sie können dies immer ein wenig verändern.
4. Sie können maßgeblich Einfluss darauf nehmen, wie intelligent Sie sind.
Welchen Aussagen haben Sie zugestimmt? Welche haben Sie spontan abgelehnt? Frage 1 und 2 sind
Fixed-Mindset-Fragen. Die Fragen 3 und 4 weisen auf einen Growth Mindset hin.
Häufig fällt es uns ja leichter, bei anderen besondere Verhaltensweisen zu erkennen. Daher hier einige
Auszüge aus Mails, die mich im Laufe der Zeit erreicht haben:
Nun, wie würden Sie als unvoreingenommener Beobachter diese Aussagen einordnen? In welcher Mail
steht Entwicklung im Vordergrund? (Growth Mindset) Wo geht es um Rechtfertigung? Wo um Angst
und Schuldzuweisung? (Fixed Mindset)
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Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
Diese kurzen Fragen und Mailauszüge sind kein Test im eigentlichen Sinne, aber sie können Ihnen
Anregungen geben, über Ihr eigenes Selbstbild nach zu denken. Eine Beschäftigung, die sich auf jeden
Fall lohnt – denn Ihr Mindset hat direkte Auswirkungen auf Ihre Lernbereitschaft.
Bevor Sie an Vorlesungen oder Seminaren teilnehmen, nehmen Sie sich bewusst Zeit, um sich auf diese Veranstaltungen
einzustimmen. Wenn Sie merken, dass Sie Angst haben, sich zu blamieren oder zu scheitern (Fixed Mindset), fragen Sie
sich einmal: warum eigentlich? Es geht in jeder Veranstaltung darum, etwas Neues zu lernen und durch Ihren Einsatz
können Sie dies maßgeblich mitbestimmen (Growth Mindset).
Eine schlechte Note oder einen nicht bestandenen Test möchten wir am liebsten schnell vergessen: Was beschäftigt Sie
dabei am meisten? Dass Sie versagt haben? Dass andere Personen dies ggf. sehen? (Fixed Mindset) Oder ärgern Sie sich
einfach, dass es eben nicht geklappt hat und fragen sich dann, wie Sie beim nächsten Mal anders vorgehen werden?
(Growth Mindset)
Als Katja die Klausur bei Professor Müller antrat, hatte sie ein mulmiges Gefühl in der Magengegend.
Aus den Gesprächen mit Kommilitonen wusste sie, dass diese Klausur eine der schwierigsten überhaupt
werden würde. Als ein paar Wochen später die Ergebnisse der Klausur gekannt geben werden, ist sie
daher überglücklich: eine 2,0! Als eine Bekannte, die die gleiche Klausur noch vor sich hat, Katja nach
ihren Erfahrungen fragt, sagt diese: „Das ist eine schwierigsten Klausuren überhaupt. Ich habe mit viel
Glück eine 2,0 bekommen. Aber es sind ganz viele durchgefallen.“ Warum? Eigentlich müssten ihre
Erfahrungen Katja doch zu einer ganz anderen Aussage bewegen.
Dass Ihre Einstellung einen maßgeblich Einfluss auf Ihre Bereitschaft und Ihre Fähigkeit zu lernen hat,
haben wir schon gesehen. In diesem Kapitel werfen wir einen Blick auf den so genannten Backfire Effect:
Eine Situation, in der der Beweis des Gegenteils uns nicht zu einer Anpassung unserer Meinung, sondern
vielmehr zu einer Verstärkung unserer ursprünglichen Meinung bringt.
Es ist das klassische Verschwörungs-Theorie-Szenario: Die Tatsache, dass die NASA immer neue Bilder
und Presseerklärungen veröffentlicht ist ein Beweis dafür, dass es die Mondlandung nie gegeben hat.
Warum sollte „die Regierung“ sonst so „verzweifelt“ versuchen, uns zu überzeugen?
19
Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
Fettes Essen macht doch nicht dick? Da steckt doch bloß wieder die Lebensmittelindustrie dahinter und
will uns Konsumenten etwas verkaufen. Die haben wissenschaftliche Studien durchgeführt? Die sind
doch alle gekauft. Die Wissenschaftler waren bestimmt nicht unabhängig. Und so weiter und so weiter.
Statt also die Beweise für die andere Meinung zu prüfen, wird diese grundsätzlich abgelehnt und
darüber hinaus sogar als Bestätigung für die ursprüngliche Meinung genommen. Diese wird dann noch
leidenschaftlicher vertreten.
Aus psychologischer Sicht kommt ein weiteres Phänomen hinzu: die selektive Wahrnehmung. Sie
beschäftigen sich gerade intensiv mit dem anstehenden Kauf eines Autos. Ein schwarzer Kombi soll es
werden – und siehe da: immer wenn Sie unterwegs sind, sind die Straßen voll mit schwarzen Kombis.
Sind sie das wirklich? Nein, natürlich nicht. Aber Sie sind so auf diesen einen Typus fokussiert, dass Sie
alle anderen kaum wahrnehmen.
Mit anderen Worten: Unser Gehirn ist, wenn es einmal auf ein bestimmtes Thema angesetzt worden ist,
wie ein Spürhund. Alles andere wird ausgeblendet, nur die Reize aus der Umwelt, die zu diesem einen
Thema passen finden ihren Weg in unser Bewusstsein. Alles andere, alles was nicht dazu passt, wird heraus
gefiltert: egal, ob es tatsächlich „Störreize“ sind oder wertvolle Informationen für eine andere Sichtweise.
Zeitmanagement
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20
Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
Auch an Hochschulen tritt dieses Phänomen auf, mit anderen Themen natürlich, aber mit ähnlich
schädlichen Effekten für die Betroffenen.
Ein typischer verbaler Schlagabtausch zwischen zwei Studierenden sieht dann ungefähr so aus:
„Du hast doch die Klausur bei XY geschrieben. Ich habe gehört, die soll total schwer sein.“
„Nein, es geht. Die ist auch insgesamt ganz normal ausgefallen. Es gab viele gute Noten“
„Nein, ganz normal eben. Ich habe mich vorbereitet wie für andere Klausuren auch und habe
eine 2 bekommen.“
„Mensch, dann hast du bestimmt ein besonderes Talent für diesen Stoff.“
„Nein, wie gesagt. Es werden für die Klausur klare Hinweise zu den verlangten Inhalten gegeben
und die habe ich gelernt.“
„Das war bestimmt viel zu lernen. Mehr als bei den anderen Klausuren. Darum ist die Klausur
wahrscheinlich auch so schwer.“
Sicher können Sie sich den weiteren Fortgang des Gesprächs vorstellen. Von außen betrachtet scheint
es fast so, als reden die beiden Studierenden aneinander vorbei. Tatsächlich ist dies der lebende Backfire
Effect. Hinweise, die die ursprüngliche Meinung in Frage stellen werden nicht gehört oder fix im eigenen
Sinne uminterpretiert. Was nicht passt, wird passend gemacht.
Führen Sie sich vor Augen, dass die Voreingenommenheit gegenüber einem bestimmten Fach oder einer
besonderen Klausur schädlich für Ihren Lernprozess ist. Ihr Gehirn ist damit beschäftigt, „Beweise“ für
Ihre These zu suchen. Und siehe da, es findet sie auch. Natürlich, denn Ihr Gehirn interpretiert einfach
alle Informationen in diesem Sinne um. Statt sich also um das eigentliche Lernen zu kümmern, ist Ihr
Gehirn damit beschäftigt, unsinnige „Fakten“ zur Bestätigung eines Vorurteils zu sammeln.
Seien Sie skeptisch wenn besonders leidenschaftlich gegen eine Klausur oder einen Prof gewettert wird. Auch (und
gerade) online sind diejenigen oftmals am lautesten, die in einer Prüfung schlecht abgeschnitten haben.
21
Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
Wäre es nicht schön, wenn uns das Lernen leichtfallen würde? Wenn wir Freude am Prozess des Lernens
hätten? Wer wir gar nicht merken würden, dass wir gerade jetzt mit etwas so Anstrengendem wie dem
Lernen beschäftigt sind?
Dass diese Frage so scheinbar utopisch, ja geradezu esoterisch daher kommen hat einen Grund. Und mit
diesem Grund hat sich Ken Robinson, genau genommen Sir Ken Robinson, beschäftigt. Er hat bei der
Suche nach neuen Schul- und Lernansätzen zunächst einmal alte Konzepte unter die Lupe genommen.
Dabei ist er zu der wenig erbaulichen Erkenntnis gekommen, dass das Schulsystem, welches Sie und
ich durchlaufen haben, auch unsere Eltern und deren Eltern, dass dieses Schulsystem immer dasselbe
geblieben ist. Nicht was die technische oder räumliche Ausstattung angeht. Da hat es in den letzten
Jahren und Jahrzehnten tatsächlich massive Veränderungen gegeben.
Aber inhaltlich haben wir alle dasselbe gelernt: Die „wichtigen“ Fächer Deutsch, Mathe, später Englisch.
Sie nehmen den Hauptteil Ihrer Ausbildung ein. Hinzukommen die „anderen“, zum Teil etwas belächelten
Fächer wie Musik, Kunst und Sport. Unabhängig Ihrer persönlichen Neigungen oder Interessen sind
dies die Themen, die Sie lernen.
Die Idee hinter diesem System, so Robinson, ist relativ einfach erklärt. Nämlich aus dem Geist der
Zeit, in der es entstanden ist: der frühen industriellen Revolution. Dabei kam es darauf an, möglichst
schnell und effizient den Nachwuchs für die anfallenden Tätigkeiten in den neu entstandenen Fabriken
zu formen. Für Geschäftskorrespondenz war die sichere Beherrschung der deutschen Sprache wichtig.
Für die einwandfreie Erstellung einer Rechnung die Mathematik. Alles andere war Beiwerk, aber eben
nicht wirklich wichtig.
Aus dieser Idee hat sich indirekt eine Hierarchie der Berufe heraus kristallisiert. Es gibt gehobene Berufe,
für die man eine hohe schulische oder gar akademische Ausbildung braucht. Und es gibt handwerkliche
Tätigkeiten, für die eine Ausbildung ausreicht. Eine klare Wertung, die sich bis heute und bis in die
Hochschulen fortsetzt. Wenn ich eine Erstsemestergruppe von 200 oder 300 Studierenden in der BWL
frage, warum sie sich für dieses Fach entschieden haben, dann wird es meist sehr still im Saal.
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Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
BWL klingt irgendwie nach was. Die Eltern fanden es auch gut. Da kann man bestimmt später was mit
werden. BWL gehört zu den „guten“ Fächern. Das Problem an diesen Aussagen: Sie spiegeln nicht das
Interesse des jeweiligen Studierenden wider. Es ist lediglich die Meinung anderer oder eine vage Aussicht
auf eine rosige (Berufs-)Zukunft.
In einem so „gewählten“ Studienfach ist es fast schon zwangsläufig, dass ein Studierender keinen Spaß
am Lernen hat. Alles fällt schwer und ist mühselig. Man wartet darauf, dass es irgendwann doch noch
Klick macht und alles gut wird. Eine trügerische Hoffnung, bei der auch Lernhilfen nur ein Tropfen auf
den heißen Stein sind.
Diesem doch recht deprimierenden Bild stellt Robinson eine einfache Frage entgegen:
Was wäre, wenn Sie Ihr Studienfach nach Ihren Interessen und Neigungen gewählt hätten (oder vielleicht
haben, ich möchte Ihnen da nichts unterstellen)? Mit anderen Worten: Wenn Sie in Ihrem Studienfach
in Ihrem Element wären – und nicht etwas ein Fach gewählt haben, welche vielversprechend scheint?
Oder angesehen ist? Oder einfach?
In seinem Element zu sein bedeutet, seine eigenen Interessen zu (er-)kennen und für diese die
bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Es ist dann so ähnlich wie beim Flow-Erlebnis, welches
wir an späterer Stelle noch betrachten werden.
Führungskompetenz
Lernen Sie, strategisch zu denken und eine bessere Führungskraft zu werden
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Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
An der umgangssprachlichen Formulierung – das war ich ganz in meinem Element – ist also augenschein-
lich etwas dran. Wer in seinem Element ist, der zeigt ganz automatisch bestimmte Verhaltensweisen. Der
beschäftigt sich bspw. freiwillig mit den Themen. Er investiert gerne seine Zeit – es ist ja Zeit für etwas,
dass ihm Spaß macht und nicht etwa Zeit, die irgendwie abgesessen werden muss, bis man wieder das
machen kann, was eigentlich Spaß macht.
Um Lernen nicht zu einem Zwang oder notwendigen Übel werden zu lassen (da hilft dann auch die
vermeintlich beste Lerntechnik nichts mehr), ist die Sinnfrage angebracht. Wollen Sie wirklich das
studieren, was Sie studieren? Sehen Sie einen Sinn in den Themen, mit denen Sie sich im Studium
beschäftigen?
Wählen Sie Fächer nach Ihren Interessen aus und fragen Sie sich vorher, ob Sie aus der Kursbeschreibung Anknüpfungs-
punkte für sich erkennen. Machen Sie sich klar, wo Sie das Wissen aktiv anwenden können.
Stellen Sie sich einen Eisberg vor. Genau genommen ein Foto von einem Eisberg. Noch genauer: mehrere
Fotos von mehreren Eisbergen, die unterschiedlich weit aus dem Wasser herausragen. Nun denken Sie
an Ihre Freunde oder Mitglieder Ihrer Familie. Stellen Sie sich weiter vor, der Teil des Eisbergs, der aus
dem Wasser ragt, repräsentiere den wahren Charakter Ihrer Freunde. Ragt viel vom Eisberg aus dem
Wasser heraus, können Sie also viel von der wahren Natur Ihrer Freunde sehen. Wenn wenig heraus
ragt, dann bleibt Ihnen der größte Anteil verborgen und ist unter der Oberfläche.
Wenn Sie eine Einschätzung abgeben sollen: Wie viel vom wahren Charakter Ihrer Freunde ist für Sie
sichtbar? Mit anderen Worten: Wie weit ragt der Eisberg aus dem Wasser heraus?
24
Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
Wenn Sie wie die meisten Menschen sind, dann werden Sie zu der Einschätzung kommen, dass Sie in
der Tat einen ziemlich genauen Einblick in die Natur Ihrer Freunde haben. Nur ganz wenig bleibt Ihrer
scharfen Beobachtung verborgen. Sie wissen einfach, was Ihren Kumpel zurückhält und warum Ihre
Bekannte immer wieder die gleichen Fehler macht.
Wie sieht es umgekehrt aus? Wenn der Eisberg Ihre Natur wiedergibt. Wie viel von Ihrer wahren Natur
kann Ihre Umwelt, können Ihre Freunde sehen? Wie viel bleibt ihnen verborgen?
Wenn Sie auch hier wie die meisten Menschen sind, dann fällt Ihre Einschätzung ganz anders aus.
Wir selbst sind ein unerkundbares Enigma. Für unsere Umwelt sind wir ein Buch mit sieben Siegeln.
Mit verborgenen Einstellungen und ganz individuellen Zielen und Werten. Das Meiste unter der
Oberfläche verborgen.
Komisch, oder? Aber so lautet das Ergebnis, dass der oben geschilderte Versuch hervor brachte. Wir
überschätzen unsere eigene Fähigkeit, andere zu „erkennen“ und unterschätzen gleichzeitig die Fähigkeit
anderer Menschen uns ebenfalls wie ein offenes Buch zu lesen. Die Forscher nannten diesen Effekt
schlicht: illusion of asymmtric insight.
Das Phänomen findet sich überall und es wird besonders dann spannend, wenn es benutzt wird, um
eine „Wir gegen die anderen“-Mentalität aufzubauen.
Auf politischer Ebene können sich die Mitglieder einer Partei köstlich über die Mitglieder der anderen
Partei aufregen. Die verstehen einfach den Kern der Sache nicht, daher machen die so naive Vorschläge.
Nur unsere Partei hat die richtigen Experten an Bord.
Im Unternehmen entdecken selbst ganz unterschiedliche Mitarbeiter schnell einen gemeinsamen Nenner,
wenn es um „die da oben“ geht. Die Geschäftsführung oder die Führungskräfte, die mal wieder vom
alltäglichen Geschäft keine Ahnung haben, aber große Sprüche klopfen.
Ach, wenn doch nur alle so ______ wären wie wir! Wahlweise zu ergänzen durch nett, besonnen,
engagiert, klug und Ähnliches.
Die Hochschule ist ebenso ein Biotop für das Wachsen und Gedeihen dieses Phänomens. Die
Seminargruppe, die ihrem Frust über den Dozenten Luft, weil der einfach zu viel abverlangt. Warum
tut er das? Weil Profs halt so sind. Können sich überhaupt nicht mehr in die Situation der Studierenden
hinein versetzen. Weiß der denn gar nicht, dass wir noch andere Kurse haben?
25
Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
Haben Sie schon nach kurzer Zeit im Studium das Gefühl gehabt, dass Sie Ihre Dozenten durchschaut
hatten. Sie konnten ziemlich genau sagen, wie er oder sie reagieren würde? Wer nett ist und wer nicht?
Können Sie Ihre Kommilitonen einwandfrei einordnen? Wissen Sie genau, wer die Sache zu locker
nimmt? Wer ein Streber ist? Wer es „einfach nicht drauf hat“?
Wenn Sie sich mit der einen oder anderen der oben geschilderten Situationen identifizieren können,
dann machen Sie sich keine Sorge. Sie sind in guter Gesellschaft. Nahezu jeder Mensch ist ein Opfer
der illusion of asymmetric insight.
Es ist, wie der Name schon sagt, eine Illusion. Die Illusion, dass wir mit übernatürlichen Beobachtungsgaben
ausgestattet sind, die uns erlauben mehr über andere (oder ein Thema) zu wissen, als diese über uns.
In der Interaktion mit Studierenden bekommen Dozenten die Auswirkungen dieses Phänomens sehr
deutlich zu spüren. Der Ton in Mails ist härter geworden. Was besonders verwundert: Wie viel Zeit auf
den Kampf gegen aktuelle Prüfungsbedingungen, Klausurbewertungen und Ähnliches investiert wird.
Zeit (und Nerven), die eindeutig besser ins Lernen investiert werden können.
Aber auch bei weniger dramatischen Begebenheiten zeigt sich die falsche Wahrnehmung. Hin und
wieder offenbaren Studierende im Gespräch spannende Einsichten: es sei ja bekannt, dass Dozent XY bei
Präsentationen auf Folgendes Wert lege. Oder dass Professor XY nur Bachelorarbeiten betreut, wenn….
Meist folgt dann eine sehr detaillierte und überzeugend klingende Darstellung der Aspekte, auf die der
Prüfer eben achtet. So tickt der eben. Wohlgemerkt: Sehr überzeugend klingend. In Wahrheit haben diese
Einschätzungen meist wenig der Realität zu tun. Allzu häufig führen diese vermeintlichen Erkenntnisse
dann in eine (Lern-)Sackgasse.
Bedenken Sie: je felsenfester ein Überzeugung ist – desto mehr entpuppt sie sich oft als Illusion.
Verwenden Sie nicht zu viel Zeit auf den Kampf gegen Windmühlen oder in diesem Fall: vergangene Ereignisse,
Rahmenbedingungen, Prüfungsordnungen etc. Wenn Sie bei einer Klausur durchfallen, nehmen Sie es zum Anlass, nach
einer anderen Vorbereitungsmethode zu suchen.
Gehen Sie beim Lernen nicht davon aus, dass Fehler in den Skripten oder gar Lehrbüchern sind, die bislang noch
Niemandem aufgefallen sind.
Prüfen Sie sich selbst. Was lernen Sie für eine Klausur? Worauf legen Sie Wert? Wenn die Antwort auf diese Fragen mit „Ich
glaube, dass will der Prof so…“ oder „Ich kenne diesen Typ Dozent, der will…“ beginnen, dann halten Sie inne. Verlassen
Sie sich für die Vorbereitung nicht auf Hörensagen oder Ihre spontane Einschätzung. Es lohnt sich, sich in Prüfungsfragen
Gewissheit zu verschaffen und beim Prüfer nachzuhaken.
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Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
1.5 Talent – Haben oder brauchen, das ist hier die Frage
Talent ist Voraussetzung für den Erfolg auf einem Gebiet, sei es Sport, Beruf oder eben
Studium. Soviel scheint selbstverständlich… oder eben doch nicht. Zahlreiche Autoren haben
sich in den letzten Jahren daran gemacht, das Phänomen Talent zu entzaubern. Die schlechte
Nachricht: „fehlendes Talent“ ist ab heute keine erlaubte „Begründung“ mehr für Sie. Die
gute Nachricht: Talent ist nicht entscheidend für Ihren Erfolg. Das richtige Training macht
es – auch beim Lernen.
Talent ist eines jener alltäglichen Knockout-Argumente, die uns locker über die Lippen gehen. Der
Ausspruch „Da habe ich einfach kein Talent zu“ ist selbsterklärend und enthebt Sie jeglicher weiteren
Begründung. Ihr Gegenüber wird verständnisvoll nicken. So ist das halt. Der eine hat’s, der andere nicht.
Wie bei allen Knockout-Argumenten entpuppt sich auch die Talent-Diskussion gnadenlos als Trugschluss
oder eben als Schein-Argument. Schnell: Wie würden Sie Talent definieren?
Wahrscheinlich fällt Ihnen spontan keine wirkliche Beschreibung ein. Talent ist eine unbestimmte,
unsichtbare Kraft, die…ja, die was genau eigentlich? Dafür sorgt, dass Ihnen gute Noten einfach in den
Schoß fallen? Dass Sie gar nicht lernen müssen?
Kommunikationsfähigkeit
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Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
Wohl kaum.
Doch wie steht es mit berühmten Sportlern? Die sind doch bestimmt talentiert? Oder Bill Gates? Der
hatte doch bestimmt ein Talent für Computer und Software? Bestimmt! Oder doch nicht?
Malcolm Gladwell hat sich mit diesen Fragen im Gepäck auf die Suche nach Erklärungen und
Zusammenhängen gemacht. Lässt sich der Erfolg von bestimmten Menschen tatsächlich auf einen
Talentfaktor zurück führen?
In seinem Buch Outliers nimmt Gladwell Sportler, Künstler und eben auch Bill Gates unter die Lupe.
Hatten diese Menschen ein besonderes Talent? Gladwell kommt zu der süffisanten Schlussfolgerung:
Keine Ahnung, ob sie Talent hatten oder nicht…für ihren Erfolg haben diese Menschen es aber nicht
gebraucht. Für ihren Erfolg war etwas ganz anderes verantwortlich: Training.
Aus Gladwells Buch stammt die magische Zahl 10.000. Diese Zahl ist nicht ganz so bedeutungsschwer
wie die 42, aber doch mindestens so interessant. 10.000 Stunden planvollen Trainings braucht es, um
auf einem Gebiet ein Kenner oder Meister zu werden.
10.000 Stunden. Das ist eine Menge. Sie können dies ja einmal auf ein tägliches Trainingspensum
herunter rechnen.
Der „Trick“ in etwas wirklich gut zu werden – sei es im Sport, im Programmieren von Software oder
in Ihrem Studienfach – liegt also nicht in einem ominösen Talentfaktor, sondern in der Investition von
Zeit. Viel Zeit. Zeit, die Sie in planvolles, zielgerichtetes Trainieren investieren können und müssen.
Das bedeutet: Das Training liegt in Ihrer Hand und Sie können es entsprechend steuern. Wie viel Zeit
Sie investieren, ob Sie bewusst lernen, ob Sie über die vorgegebenen Themen hinaus gehen, als dies liegt
in Ihrem Einflussbereich.
Schaut man sich die Beispiele von Sportlern, Musikern oder eben IT-Gurus an, dann spielt offenbar die
planvolle oder bewusste Beschäftigung mit ihren jeweiligen Themen die entscheidende Rolle. Damit
ist gemeint, dass Sie die 10.000 Stunden nicht einfach absitzen können. Von den fünf Stunden am
Schreibtisch waren vielleicht nur 30 Minuten wirklich planvoll und auf Ihr Lernen bezogen. Den Rest
der Zeit waren Sie unkonzentriert, haben mehr am Folienmaster gebastelt als am Inhalt oder haben ein
Dutzend PDFs herunter geladen, die eine realistische Chance haben, niemals wieder geöffnet zu werden.
Lernen ist insofern immer eine bewusste Beschäftigung mit Informationen. Talent brauchen Sie dazu
nicht – aber den Willen, sich aktiv mit den Themen einer Vorlesung auseinander zu setzen.
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Erfolgreich lernen im Studium Den Kopf freimachen
Halten Sie sich lieber an veränderbare Größen wie bspw. die Anstrengung oder die Zeit, die Sie in das Üben investieren.
Diese Aspekte haben Sie in der Hand und können sie „nach Belieben“ verändern – wenn Sie wollen.
Trainieren Sie bewusst und planvoll. Die lediglich „abgesessenen“ Stunden in der Bibliothek, in denen Sie mal das eine,
mal das andere Buch durchgeblättert haben, sie zählen leider nicht.
P.S.: Haben Sie sich die besonderen Leistungen oder die (vermeintlich) besondere Eignung von
bestimmten Menschen für bestimmte Sportarten oder Tätigkeiten bislang mit dem Begriff Talent erklärt?
Und sagt Ihnen jetzt eine innere Stimme: Nur mit Training und Übung zum Erfolg, dass mag für
Ausnahmefälle gelten. Bei meisten Menschen ist es eben doch das Talent.
Zeitmanagement
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einer Party. Viele Leute um Sie herum, die Sie noch nicht kennen. Der
Gastgeber hat Erbarmen mit Ihnen. Er nimmt Sie zur Seite und stellt Ihnen einige Partybesucher vor,
indem er auf sie zeigt und deren Name und ggf. Beruf benennt. Also bspw.: Da drüben steht Herr Koch.
Ach ja, und da hinten… den Namen hab‘ ich vergessen, aber der arbeitet irgendwo als Koch.
Wenn ich Sie in einer Woche frage, an wen werden Sie sich noch erinnern – an Herrn Koch oder an den
Koch? Wer wird das Rennen in Ihrem Gedächtnis machen? Obwohl beide Begriffe absolut gleich sind,
ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Sie sich an den Koch erinnern. So zumindest die Ergebnisse von
Studien, die Dean Buonomano in seinem Buch Brain Bugs zusammenfasst.
Eine erste Erklärung liegt im Bild, welches wir uns, oder besser gesagt, welches sich Wissenschaftler von
unserem Gehirn machen. Lange Zeit dominierte der Vergleich mit einem starken Großrechner. Und
wie es bei Computern so ist, sie funktionieren mit Zahlen, Daten und Fakten. Hierfür sind sie ausgelegt
und hierbei zeigen sie ihre phänomenalen Fähigkeiten. Mit ausreichend Speicherplatz können Sie die
unterschiedlichsten Informationen auf einem Rechner speichern und sie problemlos über eine Wortsuche
oder eine ausgeklügeltes Ablagesystem wiederfinden.
Dieses Bild hat in den letzten Jahren an Aussagekraft verloren. Es ist ersetzt worden durch das Bild
eines neuronalen Netzwerkes. Unser Gehirn als chaotisches, in jedem Fall aber komplexes Netz mit
unzähligen Querverbindungen. In diesem Netz sind nicht diejenigen Informationen am besten verankert,
die isoliert und möglichst nüchtern daher kommen. Einen sicheren Platz im Netzwerk unseres Gehirns
finden diejenigen Informationen, die mit zahlreichem zusätzlichen „Ballast“ ankommen. In so genannten
semantischen Netzen gesellt sich gleiches zu gleichem. Unser Gehirn orientiert sich bei der Suche nach
einem idealen Speicherort für neue Informationen offenbar an Wort- und Sinnkategorien.
30
Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Bei einem Rechner macht es Sinn, Dateien zu komprimieren. Sie sind dann leichter zu speichern oder
können einfacher verschickt werden. Für Ihren Lernprozess ist das Komprimieren von Informationen
dagegen hinderlich. Je „nackter“ und kontextloser der Lernstoff präsentiert wird, desto weniger bleibt
im Gedächtnis hängen.
Dies erklärt, warum Herr Koch für uns uninteressant ist. Durch „Herr“ wird ein spezifisches semantisches
Netz aktiviert: das für Name. Und so landet Herr Koch im gleichen Abschnitt wie Herr Meier und Frau
Schulze. Das Äquivalent eines mentalen Telefonbuchs – und ebenso spannend.
Für „den Koch“ sieht die Sache schon anders aus. Als Sie den Begriff gelesen haben, haben sich sofort
Bilder in Ihrem Kopf breit gemacht, bspw. das eines freundlichen, runden Mannes mit weißer Kochmütze.
Vielleicht mussten Sie schmunzeln, weil der Mann auf der Party genauso rund und freundlich aussah.
Oder Sie mussten schmunzeln, welch er das genaue Gegenteil war und er überhaupt nicht so aussah.
In jedem Fall landet der Koch in einem anderen semantischen Netz. Einem mit Erinnerungen, Gefühlen
und sogar Gerüchen.
Ein so vielschichtiges Erlebnis wird besser abgespeichert. Zum einen wird das gesamte semantische Netz
erweitert und gestärkt (Sie kennen jetzt einen echten Koch) und zum anderen werden Sie noch nach
Tagen sagen können: „Da war ein Mann, der als Koch arbeitete. Ich erinnere mich, weil der genauso
aussah, wie ich mir einen Koch immer vorgestellt haben.“ oder „Da war ein Mann, der Koch war. Ich
erinnere mich, weil der so gar nicht nach Koch aussah. Er war ganz dünn.“
Versuchen Sie nicht, Informationen aus einem Lehrbuch noch zusätzlich zu komprimieren. Stichwort-Zettel, Kurz-
Zusammenfassung etc. sind eher kontraproduktiv.
Suchen Sie nach Anknüpfungspunkte zwischen bereits vorhandenem Wissen oder aktuellen Erfahrungen und dem
neuen Lernstoff suchen. Wenn sich diese Verbindungen nicht automatisch anbieten, dann müssen Sie aktiv danach
suchen und kreativ werden.
Verbinden Sie nüchterne Zahlen, Daten und Fakten zu einer Geschichte. Sie können sie auf einen Fall anwenden oder
eine konkrete Alltagssituation. Sie können sie verfremden oder sich auf die Suche nach Analogien machen.
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Wie kommt es, dass selbst eine so schädliche Gewohnheiten wie das Rauchen uns glücklich und zufrieden
macht? Der Schlüssel liegt drin, eine Gewohnheit nicht nur als Ereignis zu betrachten (Sie greifen zur
Zigarette oder zu den Chips oder Sie bleiben vor dem Fernseher hängen, statt zu lernen), sondern sie
als Prozess zu begreifen.
Charles Duhigg hat dies in seinem Buch The Power of Habit ausführlich und teilweise sehr amüsant
vorgeführt. Eine Gewohnheit setzt sich demnach aus drei Komponenten zusammen:
Führungskompetenz
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Zunächst einmal einem Auslöser: Es gibt einen bestimmten Reiz, der ein bestimmtes Routineverhalten
nach sich zieht. Bleiben wir für den Moment beim Beispiel Rauchen. Der Griff zur Zigarette ist nicht
der Auslöser, sondern Folge davon. Der Auslöser kann ein Gefühl (Sie sind nervös), eine Situation
(immer wenn Sie mit anderen Rauchern zusammen sind) oder ein Ort sein (wenn Sie mit dem Auto
unterwegs sind).
Auf den Auslöser folgt eine Routine, ein immer gleiches Verhaltensschema: In diesem Fall der Griff zur
Zigarettenpackung und das Rauchen der Zigarette.
Damit ist der Zyklus aber noch nicht abgeschlossen. Was auf die Routine folgt ist eine Belohnung. Beim
Rauchen vielleicht das Gefühl, jetzt etwas ruhiger und nicht mehr so nervös zu sein. Oder das Gefühl,
mit den anderen Rauchern gemeinsam (nebenbei) ein schönes Gespräch gehabt zu haben. Mit anderen
Worten: Unser Gehirn steuert uns über ein Glücksgefühl.
Erst mit der Belohnung ist der Wirkungskreis der Gewohnheit abgeschlossen und der Kreis schließt
sich im wahrsten Sinne des Wortes. Zumindest solange, bis Sie das nächste Mal nervös werden oder
sich ins Auto setzen.
Das Beispiel Rauchen ist auf der einen Seite eine leicht nachvollziehbare, auf der anderen Seite aber sicher
eine eher kritische Gewohnheit. Kann eine Gewohnheit auch positiv sein? Sie kann. Denn der gleiche
Wirkungsmechanismus tritt ein, wenn Sie sich angewöhnt haben jeden Abend noch einen Spaziergang
an der frischen Luft zu machen. Ob wenn Sie ein Sonntag-Morgen-Ritual mit Kaffee, Zeitung und
frischen Brötchen entwickelt haben. Richtig eingesetzt können Gewohnheiten sogar sehr förderlich sein.
Sie machen sich quasi die Fähigkeit Ihres Gehirns zu Nutze, auf Auto-Pilot zu schalten. Beim Rauchen
ist diese Eigenschaft des Gehirns nicht so schön, aber sie ist trotzdem sehr nützlich.
Wenn Sie Ihrem Gehirn viele Optionen anbieten, es viele Entscheidungen treffen muss, dann hat es
irgendwann keine Lust mehr. Wir werden auf diesen Effekt im Kapitel Ego Depletion genauer zu sprechen
kommen. Wenn Sie es Ihrem Gehirn aber leicht machen, indem Sie nur eine Option vorstellen, dann kann
es sich ganz auf die Umsetzung dieser Option konzentrieren. Beispiel Sport: Jeder hat sich wahrscheinlich
schon einmal vorgenommen „mehr Sport“ zu machen. „Mehr Sport“ ist dabei genau eine jener vagen
Formulierungen, die das Gehirn erschöpfen. Wann genau soll ich Sport machen? Montag oder lieber
Freitag? Morgens, mittags, abends? Einmal die Woche, zweimal? Welchen Sport überhaupt? Und wo?
Sie sehen, unglaublich viele Fragen, noch bevor Sie den ersten Turnschuh geschnürt haben. Dies ist
der Grund, warum „mehr Sport“ oder „gesünder leben“ als Neujahrsresolution meistens schon in der
zweiten Januarwoche beschwerlich und kompliziert wirkt.
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Wie wäre es dagegen mit: Jeden Donnerstagabend jogge ich ab 18 Uhr eine Runde um den See, egal bei
welchem Wetter. Da findet Ihr Gehirn nicht so schnell eine Ausrede. Auch das Ablenkungsmanöver über
unzählige Detailfragen entfällt. Der konkrete Tag und Zeitpunkt sind quasi die ersten (selbstbestimmten)
Reize, die Sie bewusst einsetzen. Wenn Sie dann noch am Donnerstagmorgen vorsorglich Ihre Trainings-
kleidung gut sichtbar auf Ihr Bett legen, dann gibt es am Donnerstagabend kaum ein Entkommen. Die
Routine Laufen wird gestartet. Nach ein paar Mal einüben mehr oder weniger automatisch. Irgendwann
reicht schon der Blick auf Ihre Turnschuhe und Sie haben das Verlangen, zu joggen.
An diesen Punkt möchten Sie auch im Hinblick auf das Lernen kommen. Wäre es nicht schön, wenn
alleine der Anblick Ihres aufgeklappten Laptops oder eines Buches Sie in den Lern-Modus versetzen
würde? Um an diesen Punkt zu gelangen, müssen Sie anfangs aktiv etwas tun: nämlich aktiv rund um
das Lernen hilfreiche Gewohnheiten initiieren.
Im Beispiel oben wurde der Auslöser verändert. Nicht immer haben Sie vollständige Kontrolle über die
Auslöser: Sie können nicht verhindern, dass Sie nervös werden oder Hunger bekommen. Beim Lernen
können Sie nicht verhindern, dass irgendwann Ihre Konzentrationsfähigkeit nachlässt. In diesen Fällen
lohnt sich ein Blick auf die Routinen. Über diese haben in der Regel volle Kontrolle und Sie können die
Gewohnten damit umleiten.
Kommunikationsfähigkeit
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Sie haben festgestellt, dass Sie zur Zigarette greifen, wenn Ihre Konzentration nachlässt. Dass Ihre
Konzentration nachlässt, können Sie schwer abstellen. Was Sie tun können, ist, dem Auslöser nicht
den Griff zur Zigarette folgen zu lassen, sondern stattdessen einen kurzen Spaziergang zu machen. Da
Rauchen in öffentlichen Gebäuden eh nicht erlaubt ist, sind Sie ja eigentlich sowieso schon auf dem
Weg nach draußen.
Der Auslöser ist also geblieben (meine Konzentration lässt nach). Die alte Routine (ich gehe schnell
eine Zigarette rauchen) ist aber durch eine neue (ich gehe einmal uns Gebäude herum) ersetzt worden.
Gewohnheiten sind hartnäckig. Wenn Sie eine positive, lernförderliche Gewohnheit etabliert haben, ist
das sehr gut. Sie ermöglichen es Ihnen bspw. an jedem beliebigen Ort, sei es in der Bahn oder in einem
lauten Café zu lernen. Genauso, wie ein guter Läufer auch bei Sonne und Regen, Wind und Wetter laufen
kann, ohne lange mit sich selbst diskutieren zu müssen.
Lernhinderliche Gewohnheiten sind ebenso hartnäckig. Seien Sie mit sich selbst nachsichtig, wenn es
am Anfang nicht sofort damit klappt, alte Routinen durch neue zu ersetzen. Es dauert ein bisschen.
Wenn Sie lernhinderliche Gewohnheiten entdecken, untersuchen Sie, ob Sie die Auslöser abstellen können.
Wenn dies nicht möglich ist, dann leiten Sie die Gewohnheit in eine neue Bahn, indem Sie neue Routinen einführen.
Probieren Sie unterschiedliche Varianten aus und seien Sie kreativ – schließlich müssen Sie Ihr eigenes Gehirn überlisten.
Seien Sie geduldig mit sich selbst: Gewohnheiten lassen sich nachhaltig nicht von heute auf morgen verändern. Bleiben
Sie dran!
Stellen wir uns zwei Marathonläufer vor. Oder vielmehr: zwei angehende Marathonläufer. Beide haben
noch keine Erfahrung mit dem Laufen, haben aber das gemeinsame Ziel, im nächsten Jahr einen Marathon
zu laufen. Beide haben einen anstrengenden Berufsalltag, so dass sie die Trainingszeiten in ihren Alltag
einbauen müssen und sich keinesfalls in ein Trainingslager zurück ziehen können.
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Die beiden versuchen es mit unterschiedlichen Trainingsansätzen: Der Eine hat die nächsten Wochen-
enden für sein Projekt Marathon freigeschaufelt. Mit wenigen Ausnahmen läuft er jeden Samstag und
jeden Sonntag lange Strecken, teilweise sogar eine Einheit am Morgen und eine am Abend. Der Andere
läuft mehrmals in der Woche, dann allerdings nur kleine Einheiten, d.h. wenige Kilometer. Wie schätzen
Sie die Erfolgsaussichten unserer beiden Marathonaspiranten ein?
In diesem Fall zeigt nicht nur die Forschung, sondern auch die ersten praktischen Fälle von realen
Marathonläufern: die kurzen Einheiten bringen den Erfolg und sind darüber hinaus trainingseffizient.
Wer hat schließlich Zeit, sich für Tage oder Wochen in ein gesondertes Trainingslager zu begeben?
Auch für das Lernen hat diese Erkenntnis Auswirkungen. Lernen hat zwei Seiten:
Auf der einen Seite geht es darum, möglichst viele Informationen in das Gehirn „hinein“ zu bekommen.
Dies bezeichnet man in der Fachsprache als Retention. Es ist die Fähigkeit unseres Gehirns, in kurzer
Zeit möglichst viele Informationen aufzunehmen und „abzuspeichern“.
Dieses Abspeichern ist in der Regel nicht das Problem, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Unser
Gehirn nimmt über die Sinnesorgane eher zu viele Reize aus der Umwelt auf. Dies können undifferenzierte
Reize wie Nebengeräusche, eine Unterhaltung im Nebenraum, das Rauschen der Blätter im Garten oder
ein vorbei brausendes Auto sein. Es können aber auch systematische, bedeutungsvolle Reize sein wie
die Fachbegriffe für Ihre nächste Klausur oder das Korrekturlesen des ersten Kapitels Ihrer Hausarbeit.
Wenn es interessant erscheint, dann nimmt es unser Gehirn auf. Sie kennen vielleicht den berühmten
Spruch, dass wir nur 20% unseres (Gehirn-)Potenzials nutzen. Nun, dieser Spruch geht in eine ähnliche
Richtung: unser Gehirn weiß mehr, als es uns manchmal verrät.
Und damit kommen wir zur zweiten Seite: Wie bekommen Sie das, was im Gehirn ist, wieder „heraus“?
Dies wird in der Literatur als Retrieval bezeichnet und ist, wenn man genau darüber nachdenkt, der
eigentliche Knackpunkt beim Lernen. Schließlich können Sie Ihrem Prüfer nicht tief in die Augen schauen
und sagen: „Ich hab das alles im Kopf…ich kann es nur gerade nicht finden.“
Retrieval bedeutet insofern die Fähigkeit, das Gelernte tatsächlich abrufen und wiedergeben zu können,
also bspw. die Fachbegriffe in Klausurfragen anwenden zu können.
Die Betrachtung von Retention und Retrieval wirft also die spannende Frage auf: gibt einen optimalen
Zusammenhang zwischen Gestaltung des Lernens und der Fähigkeit, das Gelernte wieder abzurufen?
Wann ist das Verhältnis zwischen bspw. investierter Zeit in das Lernen und Menge an erinnerten
Informationen am besten? Wenn ich in der kommenden Woche einen Test habe, wie nutze ich meine
(Lern-)Zeit bis dahin am besten?
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Keine ganz unwesentlichen Fragen. Die Forschung hat sich damit eingehend beschäftigt. Die wesent-
lichste und vielleicht überraschendste Erkenntnis: Die oben angesprochene Hardcore-Lernsession, also
das vermeintlich durch-gelernte Wochenende oder der All-Nighter. Sie sind gut für die persönliche
Legendenbildung, aber leider nicht geeignet um effizient und effektiv zu lernen.
Der Schlüssel hierzu liegt in der Aufspaltung der Lernzeit, wenn Sie so wollen ein modernes divide and
conquer. Ebenso wie beim Marathonläufer im Beispiel bringen kleine Einheiten, verteilt über die Tage
bis zur Prüfung, den Erfolg.
Die Forschungen, aus denen diese Erkenntnisse stammen beziehen sich auf sehr enge Lerngebiete: das
Lernen von Vokabeln und gar sinnlosen Worten oder Silben. Nun werden Sie wahrscheinlich über das
reine Vokabel-Lernen hinaus sein. Ihre Veranstaltungen an der Hochschule finden in deutscher Sprache
statt, vielleicht kommt Englisch hinzu. Gleiches gilt für die Literatur, die Sie verwenden: je nach Fach
verarbeiten Sie deutsche und/oder englisch-sprachige Literatur.
Die beruhigende Nachricht: trotzdem können Sie von den Erkenntnissen profitieren. Denn: Jede
Fachrichtung hat ihre eigene Fachsprache und die gilt es möglichst schnell zu verinnerlichen. Darüber
hinaus konnten aktuelle Studien den Effekt mittlerweile auch für komplexere Zusammenhänge
nachweisen. Ein Versuch lohnt sich also.
Zeitmanagement
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Blocken Sie keine Lernzeit mit mehreren Stunden für dieses Fach, sondern verteilen Sie das Lernen auf mehrere kleine
Einheiten á 20-30 Minuten und über mehrere Tage.
Achten Sie darauf, dass eine Lerneinheit wiederholt wird. Je weniger Zeit Sie bis zum Test haben, desto kurzfristiger
sind die Wiederholungen.
Sie erinnern sich vielleicht noch mit Schrecken an die Schule. Wenn es darum ging, ein Gedicht auswendig
zu lernen und vielleicht sogar anschließend „öffentlich“, sprich vor der gesamten Klasse vorzutragen.
Diese Zeiten sind wahrscheinlich (Gott sei Dank?!) vorbei. Dennoch werden Sie auch im Studium nicht
umhin kommen, bestimmte Dinge auswendig zu lernen. Zumindest zu Beginn müssen Sie sich in die
Sprache des Faches einfinden und dies ist, wie schon angesprochen, durchaus vergleichbar mit dem
Lernen von Vokabeln oder von Gedichten.
Wie wir schon gesehen haben, hat Lernen zwei Bestandteile: zum einen die Inhalte im Gehirn „verankern“
und zum anderen in der Lage zu sein, diese Inhalte auch wieder abrufen zu können.
Wie verankern Sie neue Informationen am besten? Und wie stellen Sie sicher, dass Sie sie verlässlich
wieder abrufen können?
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen klaren Zeitrahmen bis zur nächsten Prüfung. Sie wissen auch, welche
Inhalte abgefragt werden. Sie wissen schon, wie Sie Ihre Zeit an sich am besten einteilen (siehe Spacing
out). Die Skripte und Bücher liegen offen vor Ihnen. Wie gehen Sie am besten vor? Stürzen Sie sich ins
Lesen? Wie lange lesen Sie? Wie oft gehen Sie die gleichen Abschnitte durch?
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Mit anderen Worten: Verwenden Sie nur einen kleinen der Lernzeit auf das Durchlesen und tatsächliche
Bearbeiten der neuen Inhalte. Den weitaus größeren Teil der Lernzeit sollten Sie mit dem sofortigen
und häufigen Testen verbringen.
Lesen – Buch zuklappen – frei wiederholen. Der erste Selbsttest erfolgt sofort nach dem Lesen. Wie viel
können Sie von den gerade gelesenen Inhalten wiedergeben? Beim ersten Mal werden Sie wenig erinnern.
Das macht aber nichts. Jeder Test und erst recht jedes aktive Suchen in Ihren Gehirnwindungen stärkt
den Trampelpfad zum Fundort. Aus dem erst kaum erkennbaren Weg wird irgendwann eine Autobahn,
auf der Sie schnell und zielsicher Zugriff auf die gewünschte Information haben.
Wahrscheinlich haben Sie die Begriffe erkannt. Sie als englische Vokabeln identifiziert. Sie vielleicht grob
übersetzt. Wenn Sie diese und vielleicht noch einige Dutzend mehr Vokabeln erkennen… beherrschen
Sie dann fließend die englische Sprache?
Die Antwort ist ein ernüchterndes nein. Worte zu erkennen, die uns vorgelegt werden, ist eine trügerische
Kenntnis. Erkennen ist nicht gleich erinnern oder abrufen. Viel wichtiger wäre in Bezug auf die Sprache,
dass Sie im Gespräch mit einer anderen Person diese Begriffe spontan abrufen und frei in einen Satz
einbauen können.
Was hier beschrieben wird, nennt sich Fluency. Das Konzept bezieht sich nicht nur auf Sprachkenntnisse,
sondern hat wiederum Implikationen für Ihr Studienfach: Wie flüssig Sie die Sprache Ihres Faches schon
beherrschen zeigt sich, wenn Sie das jeweilige Lehrbuch zuklappen und frei eine Frage oder Aufgabe
bearbeiten. Oftmals wägt man sich in falscher Sicherheit: Man hat die Seiten im Buch ja gelesen. Und
beim erneuten Durchblättern der Seiten hat das Gehirn wohlwollend genickt und gesagt, kenn‘ ich,
kenn‘ ich, kenn‘ ich auch.
Tatsächlich hat es Ihnen damit aber nur eine sehr oberflächliche Rückmeldung gegeben. Es hat Ihnen –
durchaus wahrheitsgemäß – gesagt, dass Sie, bei Vorlage der gleichen Seiten und Texte, diese einwandfrei
wiedererkennen. Zwar ist selbst das „einwandfrei“ gelogen, aber das soll uns hier nicht weiter interessieren.
Der Punkt ist: In den wenigsten Klausuren oder Prüfungen sind Sie aufgefordert, Texte oder gar Begriffe
bloß zu identifizieren. In mündlichen Prüfungen stelle ich manchmal Fragen wie: „Kennen Sie den
Begriff Motivation?“ oder „Kennen Sie die Motivationstheorie von Herzberg?“ Manch kecker Studierende
antwortet darauf tatsächlich zunächst mit einem Schmunzeln: „Ja.“ – nach einer kurzen Pause erläutert
er oder sie jedoch (hoffentlich) den Begriff oder die Theorie.
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Wenn keine Aufgaben oder Fragen vorformuliert sind, können Sie sich diese selbst ausdenken oder gemeinsam mit
Kommilitonen erarbeiten. Jedes Mitglied Ihrer Lerngruppe darf (muss!) sich zu einem Kapitel Fragen ausdenken, die
die anderen dann beantworten müssen.
Widerstehen Sie der Versuchung, sofort wieder ins Buch zu schauen, um eine Informationen nachzulesen. Fordern Sie
Ihr Gehirn, in dem Sie es nach Verbindungen, Worten, Modellen etc. aktiv suchen lassen. Selbst wenn es nicht sofort
klappt, lassen Sie Ihrem Gehirn ein paar Stunden oder Tage Zeit, es wird die Verbindungen finden.
Wenn Ihnen der Begriff„Test“ nicht gefällt, stellen Sie sich einfach vor, Sie müssten einer fachfremden Person den Lernstoff
präsentieren. Auch dabei müssen Sie frei wiederholen und sogar Ihre eigenen Worte finden.
Denken Sie an den Unterschied zwischen dem bloßen Wiedererkennen und tatsächlichen Erinnern. Letzteres brauchen
Sie für Klausuren und andere Prüfungen.
Führungskompetenz
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Motivation ist ein schillernder Begriff. Nicht nur in der Forschung sind zahlreiche Modelle und Ansätze
entwickelt worden. Auch die Bestsellerlisten sind fast dauerhaft mit neuen oder zumindest vermeintlich
neuen Erkenntnissen zu diesem Thema gefüllt. Nicht immer stecken hinter viel versprechenden Titeln
auch wahre Erkenntnisse.
Einen tatsächlich interessanten und viel beachteten Ansatz hat vor einigen Jahren der Psychologe Mihaly
Csikszentmihalyi entwickelt. Sein Ausgangspunkt: Jeder Mensch kennt Situationen, in denen man ganz
in einer Tätigkeit aufgeht. Man ist hochkonzentriert und vergisst Raum und Zeit. Viele kennen diesen
Zustand, den Csikszentmihalyi als Flow bezeichnet, aus dem Sport oder auch aus dem Hobby-Bereich.
Langläufer sprechen von einem nahezu ekstatischen Gefühl, dass sie selbst Schmerzen vergessen lässt.
Können Sie sich an eine Situation erinnern, bei der Sie Raum und Zeit verloren haben?
Vielleicht sind Sie an einem sonnigen Tag gejoggt und plötzlich ist Ihnen die Strecke, die Ihnen sonst so
schwer fällt, ganz leicht gefallen? Vielleicht ist es Hobby, das Sie mit Leidenschaft ausüben und bei dem
Sie regelmäßig die Zeit aus den Augen verlieren? Wann sind Sie das letzte Mal mit hochrotem Kopf vom
Schreibtisch aufgestanden und haben überrascht festgestellt, dass nicht nur mehrere Stunden vergangen
waren, sondern Sie auch alles um sich herum – inklusive Essen – vergessen hatten?
Dies sind Situationen, die Csikszentmihalyi als Flow-Erlebnisse bezeichnet. Schließen Sie für einen
Moment die Augen und genießen Sie noch einmal die Erinnerung an dieses Erlebnis.
Csikszentmihalyis Verdienst ist es, dieses Konzept auf die private und vor allem die berufliche Sphäre
übertragen zu haben. Seine Probanden bekamen Pager, die zufällig über den Tag verteilt losgingen. Immer
dann, wenn das Signal ertönte, waren die Teilnehmer der Studie aufgefordert, kurz inne zu halten und
zu schildern, was sie gerade machten und wie sie sich dabei fühlten.
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Flow, das ist ein Zustand, der uns zu Hochleistungen animiert. Csikszentmihalyi bohrte also weiter und
untersuchte die Situationen, in denen die Teilnehmer Flow-Erlebnisse schilderten. Seine Erkenntnisse
finden Sie in der Abbildung unten zusammen gefasst. Flow ist der perfekte Korridor, in dem Anforderungen
und Kompetenzen zueinander passen. Was bedeutet „zueinander passen“? Laut Csikszentmihalyi sind
dies Situationen, in denen die Anforderungen unseren Kompetenzen entsprechen oder diese um einen
Hauch übersteigen.
Spannend auch die Erkenntnis, was passiert, wenn wir uns außerhalb dieses Korridors befinden. Passen
Anforderungen und Kompetenzen nicht zusammen, führt dies zu Stress. Zu Stress durch Überforderung,
wenn wir uns Situationen aussetzen, denen wir nicht oder noch nicht gewachsen sind. Ein Marathon-
Läufer kommt in einem Flow-Zustand, weil er sich entsprechend vorbereitet hat und seine Kompetenzen
und Fähigkeiten der Herausforderung angepasst hat. Ein Untrainierter, der „spontan“ einen Marathon
läuft, wird sicher kein Flow-Erlebnis erreichen, sondern viel wahrscheinlicher mit Krämpfen ins Erste-
Hilfe-Zelt torkeln.
Kommunikationsfähigkeit
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Überforderung führt zu Stress und, auf das Studium und die spätere Arbeitswelt übertragen: zu Burn-
out. Im Studium kann diese Überforderung qualitativer Natur sein – man hat sich einfach hinsichtlich
bestimmter Fähigkeiten überschätzt, den Einsteigerkurs übersprungen oder den Vorbereitungskurs
nicht besucht und sitzt nun in der Hauptveranstaltung und hat seine liebe Not mitzukommen. Die
Überforderung kann ebenso quantitativer Natur sein – auf dem Papier sah der „gestraffte“ Stundenplan
mit Kursen aus einem höheren Semester so gut aus…in der Praxis führen die vielen Kurse zu einer
Dauerbelastung.
Das Pendant zum Stress durch Überforderung ist der Stress durch Unterforderung. Es folgt Langeweile,
oder neudeutsch: Bore-out. Auch dieses gibt es im Studium: Meistens dann, wenn man einen Kurs nur
gewählt hat, weil man gehört hat, der Professor gehe sehr generös mit den Noten um. Die Anforderungen
sind entsprechend gering – der Herausforderungen aber auch.
Das Flow-Erlebnis und damit der Spaß am Lernen setzen dann ein, wenn ein Gleichgewicht zwischen
den Anforderungen und Ihren Kompetenzen erreicht wird (siehe Abbildung 2). Ein zu schwieriges
oder ein zu umfangreiches Lernpensum führen zu Stress. Ein zu geringes Lernpensum oder Kurse ohne
wirkliche Herausforderung führen zu einem Bore-out.
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Sie können sich den Lerneinstieg erleichtern, in dem Sie bei einem neuen Modul ein Fach-Lexikon (egal ob elektronisch
oder Print) zulegen: Fehlende „Vokabeln“ im Hauptbuch können Sie so schneller nachschlagen.
Achten Sie in Kursbeschreibungen auf geforderte Vorkenntnisse. Wenn Sie mit den genannten Stichworten nichts
anfangen können, wird der Kurs stressig werden. Stress wiederum wird Sie nachhaltig beim Lernen behindern.
Unterstützen Sie den Lernprozess, indem Sie Ihre Kompetenzen systematisch ausbauen. Dies bezieht sich auf die
kontinuierliche Beschäftigung mit dem Lernstoff. Darüber hinaus auf die Reflektion Ihres Lernens. An den meisten
Hochschulen werden hierzu kostenlos (!) Seminare angeboten, bspw. Schreibkurse oder Präsentationsseminare. Nutzen
Sie diese.
Wenn Sie bereits einige der vorangegangenen Kapitel gelesen haben, dann wissen Sie um die Wichtigkeit,
Dinge in ein neues Licht zu rücken und Verbindungen herzustellen. Für beides brauchen Sie eine
Fähigkeit, die – wie so vieles im Bereich des Lernens – mit Mythen und Legenden belegt ist.
Die Rede ist von Kreativität. Picasso hatte sie. Da Vinci auch. Ein Steve Jobs wahrscheinlich auch. Also
wieder nur etwas für Ausnahmepersönlichkeiten? Gar wieder eine jener angeborenen Eigenschaften, die
uns Normalsterblichen vergönnt bleiben?
Es wird Sie an dieser Stelle nicht mehr überraschen, dass die Antwort auf die letzten beiden Fragen ein
herzliches nein ist.
Kreativität ist, ebenso wie das Lernen an sich oder das schon behandelte Talent, keine angeborene
Eigenschaft, sondern Ergebnis einer Anstrengung. Kreativ sein bedeutet dabei in unserem Sinne nicht
nur das Erfinden von neuen Produkten oder das Malen von Bildern. Kreativität bezieht sich darauf,
Verbindungen zu sehen, wo diese nicht offensichtlich erscheinen. Oder darauf, ein abstraktes Modell
auf eine alltägliche Situation zu übertragen.
Betrachtet man Kreativität auf diese Weise, ist der Sprung zum Lernen im Studium nicht mehr weit.
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
In seinem Buch Thinkertoys beschreibt Michael Michalko in insgesamt 39 Kapiteln ebenso viele kreative
Ansätze und noch weitaus mehr kreative Übungen. Ken Robinson, den wir schon bei The Element
kennen gelernt haben, ist ebenfalls ein Verfechter der Kreativität. Nach seiner Definition ist Kreativität
ein Prozess, der neue, wertvolle Ideen oder Erkenntnisse hervorbringt.
Genau dies brauchen Sie beim Lernen. Einen Prozess, Sie können auch sagen: einen spielerischen Ansatz,
um aus den bloßen Informationen, die Sie bekommen lebendige Geschichten zu machen. Dies mag in
den Geistes- und Sozialwissenschaften (vermeintlich) leicht(er) sein, da es hier vielfach implizit schon um
handelnde Personen geht. Aber auch Zahlen und Moleküle kann man zum Leben erwecken. Wer hierzu
einen Impuls braucht, braucht sich nur Serien wie Numb3rs oder The Big Bang Theory anzuschauen.
Vielleicht haben Sie sich als Kind die Himmelsrichtung und deren Anordnung mit dem kleinen Spruch
„Nicht Ohne Seife Waschen“ gemerkt. Vielleicht hat ein Lehrer Ihnen erklärt, dass die Strahlensätze
aus der Mathematik wunderbar dazu geeignet sind, die ideale Position eines Torwarts vor seinem Tor
zu berechnen. Kramen Sie in Ihren Erinnerungen – wahrscheinlich gibt es Wissensfetzen, die sich in
Ihrem Gedächtnis festgesetzt haben. Sie wissen nicht mehr, was sonst noch in dem Fach gelehrt wurde,
aber ein Bild, eine Idee, eine kleine Geschichte waren so lustig, so irrig, dass Sie sie noch heute wissen.
Dieser eine Punkt ist noch so lebendig wie eh und je.
Zeitmanagement
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Das Gemeinsame in den Beispielen: Egal ob durch Vergleiche, Verfremdung, Übertragung oder
Analogiebildung – Ihr Lernstoff wird angereichert und dadurch spannender für Ihr Gehirn. Wenn Sie
so wollen: er wird komplexer. Und dadurch gleichzeitig besser im Gehirn verankert. Nicht Vereinfachung
ist das Zauberwort für effektives Lernen, sondern kreative Komplexität.
Sie können die Themen auf eine alltägliche Situation übertragen, auf einen fiktiven Fall oder auf aktuelle Nachrichten.
Sie können sich fragen, „was wäre wenn“, bspw. was wäre, wenn die Informationen aus Ihrem Lehrbuch nicht
stimmen würden?
Sie können sich vorstellen, wie Sie selbst die nächste Vorlesung halten: was würden Sie präsentieren und wie?
Waren Sie heute schon mit dem Bus oder der Bahn unterwegs? Wenn ja, als Sie sich umgeschaut haben,
haben Sie da gedacht, dass Sie wahrscheinlich der unfreundlichste Mensch im ganzen Abteil sind?
Alle anderen Passagiere waren fröhliche, aufgeschlossene, freundliche Menschen…nur Sie fallen aus
dem Rahmen?
Vielleicht waren Sie auch mit dem Auto unterwegs? Haben Sie den anderen Autofahrern zugesehen und
gedacht, dass alle bessere Fahrer sind als Sie?
Was ist in der Uni? Schauen Sie sich in einer Vorlesung oder einem Seminar regelmäßig um und denken
sich, dass Sie der dümmste Studierende sind?
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist die Antwort auf jeder dieser Frage ein kopfschüttelndes
nein. Niemand von uns würde sich selbst schlecht einschätzen. Gut, es gibt vielleicht ein paar Autofahrer,
die besser sind. Und ja, auch einige Kommilitonen sind besser. Aber Sie liegen doch deutlich über dem
Durchschnitt, nicht wahr?
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
So geht es allen von uns. In Studien, in denen Menschen bspw. sich selbst und ihre Fahrkünste
einschätzen (ihre Kochkünste, ihre Fähigkeit zuzuhören, ihre Höflichkeit etc.) liegen 80 Prozent über
dem Durchschnitt. Mit anderen Worten: Wenn man Sie bittet, auf einer 10er-Skala ihr Fähigkeit als
Autofahrer einzuschätzen werden Sie mit einer 7 oder 8 antworten. (Je jünger Sie sind, desto tendenziell
höher fällt die Zahl aus.) Selbst die Nicht-Statistiker haben ein mulmiges Gefühl angesichts dieser Zahlen.
Wie können 80 Prozent über dem Durchschnitt liegen?
Natürlich können sie es nicht. Es ist eine Verzerrung, eine Fehleinschätzung. Bei einigen wenigen Men-
schen ist sie negativ besetzt. Sie sehen sich tatsächlich als minderwertig und sprechen anderen Menschen
enorme Fähigkeiten zu, während sie sich selbst Fähigkeiten absprechen. Aber das ist die Ausnahme.
Die meisten von uns sind mit einer robusten, tiefsitzenden, positiven Einstellung gegenüber uns selbst
gesegnet. Wir haben vielleicht keine Superkräfte, soweit würden wir nicht gehen. Aber hey, wir sind
schon ziemlich weit vorn.
Das, was hier beschrieben ist, ist der so genannte self enhancement bias. Auf gut Deutsch: Die rosarote
Brille, durch die wir uns selbst sehen.
Führungskompetenz
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Im Großen und Ganzen hilft unser diese rosarote Brille. Wer würde ein Studium aufnehmen, wenn er
ganz realistisch die persönlichen Anstrengungen und Kämpfe einschätzen würde, die damit einhergehen?
Wer würde ein Unternehmen gründen, wenn sie nicht davon überzeugt wäre, es besser zu machen als
all die anderen Gründer?
Der self enhancement bias hilft Ihnen morgens aus dem Bett zu kommen und Niederlagen nicht allzu
sehr an sich heran zu lassen. Es gibt jedoch Situationen, in denen uns dieser Bias einen Streich spielt
und sich ins Gegenteil verkehrt. Wenn die rosarote Brille mehr vernebelt, als preisgibt.
Die rosarote Brille sorgt bspw. dafür, dass Studierende ihr Organisationstalent in der Vorbereitungsphase
vor den Klausuren überschätzen. Sie gehen davon aus, dass alles perfekt oder zumindest reibungslos
laufen wird. Man wird genügend Zeit haben, um sich intensiv vorzubereiten…bis Teile der schon längst
abgehakten Hausarbeit noch einmal überarbeitet werden müssen. Oder der Laptop streikt. Oder die
Bücher in der Bibliothek ausgeliehen sind. Oder man doch eine Erkältung bekommt. Oder man schlicht
und einfach dann doch irgendwie keine Lust hat.
Mit anderen Worten: Die rosarote Brille gaukelt Ihnen perfekte Rahmenbedingungen vor und rechtfertigt
das ewige Aufschieben. Das lange Aufschieben des Lernens führt schließlich dazu, dass die Vorbereitung
letztlich unter Stress stattfindet und Sie mehr schlecht als recht die Klausurphase überstehen.
Und man sollte meinen, spätestens nach dem ersten Semester würde man aus diesen Fehlern lernen.
Weit gefehlt. Bei der Planung der nächsten Klausurvorbereitung ist er wieder da, der self enhancement
bias. Man ist jetzt ja schon ein erfahrener Studierender. Daher wird dieses Semester alles besser, daher
kann man es jetzt ruhig angehen lassen…oder etwa nicht?!
Ein anderes Beispiel sind schriftliche Ausarbeitungen wie Haus- oder Abschlussarbeiten. Eigentlich
müssten Sie ziemlich aufgeregt sein: eine Hausarbeit haben Sie ggf. noch nie angefertigt. Wenn Sie schon
bei der Abschlussarbeit sind, nun, es ist eine Abschlussarbeit mit entsprechendem Gewicht. Gerade
wenn es die erste Hausarbeit ist, ist es eine Herausforderung, da Sie noch nicht mit den Anforderungen
des wissenschaftlichen Schreibens vertraut sind. Die rosarote Brille gaukelt Ihnen vor, dass Sie es schon
schaffen werden. Dass Sie kein Beratungsgespräch brauchen.
Der self enhancement bias ist nützlich, wenn er Ihnen erlaubt, Herausforderungen ohne zu Zögern
anzunehmen. Er sorgt dafür, dass Sie sich und Ihre Fähigkeiten nicht jedes Mal grundsätzlich in Frage
stellen, sondern es einfach machen. Dann ist er sehr hilfreich. Diese „Sorgenfreiheit“ kann Sie aber auch
blind machen. Wenn Sie sich einreden (lassen), dass der Dozent schon nicht merken wird, dass Sie Teile
aus einer anderen Arbeit übernommen haben.
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Erfolgreich lernen im Studium Stoff fürs Gehirn
Vielleicht werfen Sie jetzt ein: Das hört sich alles sehr (selbst-)kritisch an. Damit lege ich mir doch selbst
Steine in den Weg. Was ist mit dem Wert des positiven Denkens? Gibt es nicht haufenweise Literatur,
die das positive Denken und dessen positive Wirkungen hervorheben? Sollte die rosarote Brille nicht
noch dicker sein?
Auch dieses Phänomen ist mittlerweile untersucht und das Ergebnis: Positives Denken hilft – aber nur,
wenn es mit Anstrengungen und tatsächlichen Aktionen verbunden ist. Das Stoßgebet gen Himmel allein
reicht nicht. Ebenso wenig der morgendliche Ausflug vor den Spiegel und das wiederholte Aufsagen von
„Ich schaffe das. Ich schaffe das“. Suchen Sie stattdessen aktiv nach alternativen Vorgehensweisen und
putzen Sie hin und wieder Ihre rosarote Brille.
Schlagen Sie dem self enhancement bias ein Schnäppchen, indem Sie Feedback aus Prüfungen oder von Dozenten
ernstnehmen und aktiv an Veränderungsmöglichkeiten arbeiten. Sich über eine schlechte Note zu ärgern reicht nicht.
Viel wichtiger ist die Frage, was Sie beim nächsten Mal anders machen werden.
Beim Projektmanagement rechnet man in Zeit- und Budgetpläne einen Puffer ein. Dies können Sie für Ihren Lernplan
ebenfalls tun. Wenn Sie den Puffer nicht brauchen, haben Sie nichts verloren. Wenn Sie ihn aber brauchen, steht er Ihnen
zu Verfügung und führt nicht zu zusätzlichem Stress.
Kommunikationsfähigkeit
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
3 Notfallkoffer
3.1 Tipping Point – Es wird schwerer, bevor es leicht wird
Lern-Ratgeber propagieren eine absehbaren Formel: Folgen Sie unserer Methode und das
Lernen wird für Sie ganz einfach werden – schon ab morgen. Die Inhalte werden Ihnen nur
so zufliegen. Eine schöne Idee, leider kaum realistisch. Egal, wie gut die Methode ist, Lernen
braucht Zeit und der Anfang ist immer schwer. Wie bei allen Fertigkeiten werden auch die
Inhalte des Studiums nicht von heute auf morgen ein stimmiges Ganzes ergeben. Zu Beginn
heißt es: Dranbleiben, Basis aufbauen.
Erinnern Sie sich noch, wie es damals in der Schule war? Beim Lernen der ersten Fremdsprache? Wenn
man heute darauf zurück blickt, kann es kaum glauben: Wusste man tatsächlich nicht, was „Tisch“ auf
Englisch heißt? Man musste sich mühselig durch Vokabeln wühlen. Vokabeln, die zunächst fast isoliert
nebeneinander stehen. Es war ja nicht so, dass man nach ein paar Unterrichtsstunden ein Gespräch auf
Englisch hätte beginnen können.
Bei der Fremdsprache haben wir diesen Prozess des sich langsam Herantastens hingenommen.
Irgendwann auf dem Weg von der ersten Fremdsprache zum Studium werden wir ungeduldig. Oder
wir vergessen unsere eigenen Erfahrungen. In jedem Fall bauen sich falsche Erwartungen auf: Man hat
schließlich das Abitur in der Tasche. Oder schon eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Oder sogar
schon einige Jahre gearbeitet.
Wie schwer kann da schon ein Studium sein? Selbstständiges Lernen? Ein Klacks!
Der Begriff Tipping Point beschreibt eine Entwicklungslinie. Eigentlich aus der Biologie. Genau
genommen, wenn es um die Verbreitung von Krankheiten geht. Aber, aus irgendeinem Grund, den wir
hier nicht näher kommentieren wollen, lässt sich das Konzept wunderbar auf andere Themen übertragen.
Besonders anschaulich finden Sie dies im gleichnamigen Buch von Malcolm Gladwell.
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
Kein Wirbelsturm, kein Tsunami, keine Epidemie und kein Verkaufstrend entsteht von heute auf morgen.
Der letzte Akt mag dies gelegentlich so erscheinen lassen – der Wirbelsturm fegt plötzlich über ein Gebiet
hinweg, alle Teenager haben plötzlich ein Handy. Wir nehmen diese Dinge als Ereignisse und punktuelle
Geschehnisse wahr und belegen sie mit dem Begriff „plötzlich“. Tatsächlich bauen sich Wirbelstürme
und Trends langsam auf. Viele kleine Entwicklungen treten ein und addieren sich auf. Jede Entwicklung
für sich ist ganz unscheinbar. Zusammen haben sie jedoch irgendwann eine kritische Masse erreicht:
den Tipping Point.
Der Tipping Point ist der Punkt, ab dem es steil bergauf geht: der Sturm nimmt Fahrt auf, die Verkaufs-
zahlen für Handys schnellen nach oben. Nicht immer muss dieser Tipping Point automatisch erreicht
werden. Nicht aus jeder Luftveränderung wird ein Sturm, nicht aus jeder Produktinnovation wird ein
Verkaufsschlager. Der Weg zum Tipping Point ist hart. Allzu häufig wird keine kritische Masse erreicht
und die Entwicklung verläuft unspektakulär im Sande.
Lernen ist ein Prozess. Der Nicht nur auf der Mikroebene einer Lernphase oder im Hinblick auf die
Prozessschritte der Speicherung und des Abrufs. Auch auf Makroebene: Als langsamer und andauernder
Lernprozess, in dem aus Grundlagenkursen irgendwann Spezialkurse und Wahlfächer werden.
Der Tipping Point ist der Punkt, an dem Sie merken, dass Sie neue Inhalte leichter lernen als die
Inhalte aus den vergangenen Semestern. Die Informationen ergeben einen Sinn. Sie sehen sofort
Anknüpfungspunkte an vorhandenes Wissen. Wenn Ihnen alte Vorlesungsmitschriften in die Hände
fallen und Sie Ihre eigenen Anmerkungen lesen, dann denken Sie schmunzelnd: war ich jemals so jung?
Das Lernen wird leichter, weil Sie eine solide Basis aufgebaut haben. Genau wie ein Läufer, der durch
kontinuierliches Training irgendwann genug Kondition aufgebaut hat, um tatsächlich einen Marathon zu
bestreiten. Die Grundlagenkurse aus den ersten Semestern sind nicht die Werbung vor dem eigentlichen
Kinofilm: irgendwie hat man sich damit abgefunden, aber eigentlich möchte man sie lieber überspringen.
Die Grundlagenkurse sind wichtig für Ihren zukünftigen Lernerfolg.
Sich das Grundlagenwissen anzueignen fühlt sich manchmal an wie das Auswendiglernen von Vokabeln
in der Schule. Es fühlt sich vielleicht nicht nach Hochschule an. Um aber später auf Augenhöhe
mitdiskutieren zu können brauchen Sie dieses Grundlagenwissen. Mit einer soliden Basis wird das
Lernen (und das Mitreden) in den höheren Semestern leichter. Diese Basis aufzubauen ist nicht immer
leicht. Also: Dranbleiben.
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
Nutzen Sie die Chance, mit anderen Kommilitonen und insbesondere fachfremden Personen über Ihr Fach zu sprechen.
Gerade letztere stellen die berühmten „dummen Fragen“ und Sie sind aufgefordert immer wieder aufs Neue Ihre
Kenntnisse darzustellen und zu erzählen.
Veränderung ist die einzige Konstante. Diesen Spruch haben Sie wahrscheinlich schon häufiger
gehört. Er scheint zu unserer Zeit zu gehören, wie kaum ein anderer: ganze Unternehmen üben sich
in Veränderung und natürlich ist auch jeder Einzelne gefragt. Aber wie steht es eigentlich mit unserer
Veränderungsbereitschaft? Sind wir die geborenen Veränderer? Keine ganz unwesentliche Frage auch
und gerade für das Studium und Ihren Umgang mit dem Lernen.
Zeitmanagement
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
Tatsächlich legen Studien nahe, dass wir ganz und gar nicht auf Veränderungen erpicht sind. Unser
Gehirn spielt auch hierbei die wesentliche Rolle, in diesem Fall über die Ausschüttung der berühmten
Glückshormone. Sie bestimmen, ob wir ein Ereignis oder eine Handlung als positiv empfinden und es
gerne wiederholen möchten oder eben nicht. Glückshormone sind wie das anerkennende chemische
Schulterklopfen, das uns ein gutes Gefühl gibt. Unser Gehirn macht reichlich Gebrauch von dieser
einfachen Steuerungsmethode und wir lassen uns gerne führen, auch wenn wir für unser Verhalten
immer eine rationale Erklärung finden würden. Sie können sich selbst fragen, wann Sie das letzte Mal
als Begründung gesagt haben: „Die chemische Zusammensetzung in meinem Gehirn hat mich zu dieser
Entscheidung verleitet.“ Wohl eher weniger.
So weit, so gut. Nun stellt sich die Frage, wofür uns unser Gehirn belohnt. Und hier wird es spannend.
Unser Gehirn belohnt uns mit Vorliebe für das Aufsuchen und Wiederholen bekannter Situationen.
Bekannt ist gleich sicher und muss daher gut sein. Neu könnte potenziell eine Gefahr beinhalten und wird
daher äußerst vorsichtig betrachtet. Diese Einstellung betrifft nicht nur reale Vorgänge wie Autofahren
oder Essen, sondern gilt ebenso für mentale Prozesse und Einstellungen.
Das Festhalten an alten Gewohnheiten und Ansichten wird belohnt. Es fühlt sich gut an – wir haben auf
diesen Effekt als Backfire Effect schon kennen gelernt. Werden Sie gezwungen, etwas Neues anzunehmen,
dann folgen Abwehrversuche: unser Gehirn läuft Amok und versucht zahlreiche Finten und Rückzüge.
Studieren ist eine der größten Veränderungsherausforderungen. Sie erhalten nicht nur Einblick in
neue Themen, Sie erkennen auch, dass alte Ansichten wohlmöglich naiv oder gar falsch waren. Auch
im ganz pragmatischen Sinne stellt das Studium hohe Anforderungen: Wenn Sie es ernst meinen mit
dem Studium, dann müssen Sie Ihren Tagesablauf anders planen. Und auch wenn die Entscheidung
zu Studieren hoffentlich Ihre ganz persönliche und selbstständige war, Sie sind nun eingebunden in
das „System Hochschule“. Dies ist der oben angesprochene Zwang: Sie müssen zu bestimmten Zeiten
an Veranstaltungen teilnehmen – und frecher Weise hat der Professor diese Termine nicht mit Ihnen
abgestimmt. Es gibt festgelegte Prüfungsphasen – wieder: ohne persönliche Absprache mit Ihnen. Das
bedeutet, dass die Prozesse im Studium weiterlaufen, egal, ob Sie mitkommen oder nicht.
Diese Situation – Herausforderungen auf der einen und ein nicht beeinflussbarer Prozess auf der anderen
Seite – führt dazu, dass Ihr Gehirn Ihnen einfache Auswege anbietet. Schauen Sie sich die Abbildung 3
an. Sie gibt idealisiert wieder, wie Menschen auf Veränderungen reagieren. Lassen Sie zunächst einfach
die Begriffe auf sich wirken.
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
In welcher Phase befinden Sie sich? Sind Sie in der Schockphase, d.h. haben Sie das Gefühl, dass das
Studium und seine Anforderungen Sie gerade erdrücken? Sie laufen gehetzt von Termin zu Termin, Ihre
Familie und Freunde beschweren sich, dass Sie keine Zeit mehr für sie haben.
Oder sind Sie schon in der Abwehr- und Verneinungsphase? Reden Sie sich ein, dass es so schlimm
schon nicht sein kann? Andere haben das Studium ja auch geschafft. Natürlich werden Sie irgendwann
mehr lernen müssen, aber das Semester ist ja noch jung.
Haben Sie die Herausforderungen des Studiums bereits rational angenommen? Erzählen Sie Ihren
Freunden mit Begeisterung, dass Sie nun Studenten/in sind? Und wie anstrengend das ist? Und wie
viel Sie arbeiten müssen? – Und wissen doch, dass Sie bis jetzt noch gar nichts wirklich getan haben?
Nach dieser Phase kommt, nicht automatisch aber doch mit schöner Häufigkeit, das berühmte Tal der
Tränen: Sie haben eine Krise. Irgendetwas passiert, dass nun keine Ausrede mehr erlaubt. Sie fallen durch
die ersten Klausuren durch. Es kommt zu einem Streit mit der Familie, dem/der Partner/in oder den
Freunden. Egal, was es ist, Sie merken, dass Sie sich bislang etwas vorgemacht haben und Sie tatsächlich
etwas ändern müssen. Nicht nur darüber reden. Sondern es wirklich tun.
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
Auch wenn die Kurve in der Grafik danach so wunderbar optimistisch nach oben verläuft: Viele scheitern
an diesem Punkt und brechen bspw. das Studium entnervt ab. Sie fallen quasi zurück in die Stufe der
Frustration. Eine dramatische Entscheidung. Nicht nur, weil ein Studium abgebrochen wird, sondern
weil das Gehirn lernt: „Siehste, hab‘ ich es doch gewusst, Veränderungen sind nicht gut. Viel besser, es
abzubrechen und zu Bekanntem zurück zu kehren.“ Eine fatale Erkenntnis, die dazu führt, zukünftig
noch abwehrender gegenüber Veränderungen zu sein.
Sich durch das Tal der Tränen hindurch zu kämpfen ist nicht schön. Aber es ist notwendig, um sich nach
diesem klärenden Gewitter tatsächlich auf etwas Neues einlassen zu können. In der Grafik steht Trauer
(die Punkte stammen tatsächlich ursprünglich aus der Bewältigung eines Todesfalls). Dies bedeutet
Abschied von etwas Altem: alten Gewohnheiten, Freunden, liebgewonnenen Hobbies. Die Belohnung,
die am Ende des Prozesses wartet sollte Sie für diese Anstrengungen mehr als entschädigen: Kaum etwas
ist so spannend, wie zu sehen, wie Studierende sich auf Neues einlassen, Dinge wagen und ausprobieren
und mit den Erfolgen aufblühen.
Wenn Sie ein Studium aufgenommen haben oder insbesondere, wenn Sie sich für ein berufsbegleitendes
Studium entschieden haben, dann ist dies ein massiver Einschnitt in Ihr Leben und dessen ganz alltägliche
Organisation. Schaffen Sie gerade zu Beginn Zeit für die Reflektion und stellen Sie sich die bitteren
Fragen (siehe unten).
Führungskompetenz
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
Wenn Sie nicht vor Aufnahme Ihres Studiums das Gefühl gehabt haben, sich tagtäglich zu langweilen –
und jetzt froh sind, mit Hilfe des Studiums etwas Zeit füllen zu können, dann müssen Sie bewusst Platz
in Ihrem Tagesablauf schaffen.
Zu lange an Altem festzuhalten – die Ausflüge mit den Kumpels am Wochenende etwa oder mehrmals in
der Woche Sport in einem Verein – führt zu einer recht paradoxen und gleichzeitig doppelt belastenden
Situation. Nehmen wir das Beispiel Sportverein. Sie werden de facto nicht mehr so viel Zeit haben, Ihren
Sport mit gleicher Intensität zu betreiben wie vorher. Typische, eigentlich ganz harmlose Zeitkiller sind:
-- Die Universität ist in der Regel nicht direkt vor Ihrer Haustür, d.h. Sie werden durch Fahrzeiten
„Zeit verlieren“.
-- Vorlesungen liegen „ungünstig“, d.h. auch wenn Sie an einem Tag nur wenige Vorlesungen
haben, kann es sein, dass diese zeitlich weit auseinander liegen.
-- In Ihrer Projektgruppe sind mehrere Studierende, d.h. die Terminplanung kann nicht
ausschließlich auf Ihren Kalender Rücksicht nehmen.
-- Irgendetwas ist immer mit dem Studentenausweis, dem Semesterbeitrag, der Anmeldung für
das Seminar, dem Laptop etc., d.h. Sie sind mit administrativen Aufgaben beschäftigt.
Wenn Sie gedanklich an der Vorstellung festhalten, es könne alles so wie bisher weitergehen, reiben Sie
sich auf.
Für einige Studierenden kann es unter Umständen mehrere Semester dauern, bis sie sich in diesem
neuen Lebensabschnitt eingefunden haben. Wohlgemerkt: Wir reden nicht über die Beherrschung des
Faches, sondern lediglich um das subjektive Gefühl, im Studium angekommen zu sein. Studierende
schildern dann, dass sie sich gehetzt fühlen. Jeder zerrt an Ihnen – die Freunde wollen mehr Zeit, der
Prüfer ist mit der ersten Fassung Ihrer Arbeit nicht einverstanden – und der Termin für die Klausuren
rückt unerbittlich immer näher. Es ist ein bisschen wie Laufen unter Wasser – die Bewegungen sind die
richtigen, aber man kommt trotzdem nur im Schneckentempo vorwärts.
Umgekehrt zeigen die Rückmeldungen gerade der erfolgreichen Studierenden: Sie haben eine fast
gleichgültige „so what“-Attitüde gegenüber Entbehrungen angenommen. Eine typische Aussage ist:
„Ja, ich habe gleich zu Beginn meine Mitgliedschaft im Verein XY auf Eis gelegt. Ich wusste, dass ich
das sonst nicht packe. Die Zeit des Studiums ist ja auch absehbar, dann kann ich ja wieder anfangen.“
oder „Ich habe meinen Freunden gesagt, dass ich letzten Phase der Klausurvorbereitungen nicht mehr
wirklich ansprechbar sein werde. Dann tauche ich eben ein paar Wochen komplett ab, aber bin danach
auch wieder da.“
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
-- Wie viel Zeit wird Ihr Studium beanspruchen? Machen Sie sich eine Liste, die auch Fahrzeiten, Pausenzeiten, etc.
beinhaltet. Sie werden sehen, da kommt einiges zusammen.
-- Welche Hobbies oder Freizeitaktivitäten werden wahrscheinlich zurück treten müssen? Dies ist eine hervorragende
Gelegenheit, um die „guten Dinge“ von den weniger guten zu trennen. Fragen Sie sich: bringt mir dieses oder
jenes eigentlich etwas oder „verdaddel“ ich damit eigentlich nur meine Zeit?
-- Was werden Sie besonders vermissen?
-- Was können (und werden) Sie aufgeben, wenn die Zeit knapp wird?
Wenn eine innere Stimme Ihnen sagt „so schlimm wird es schon nicht werden, ich kriege das alles locker unter einen
Hut“, schauen Sie noch einmal im Kapitel self enhancement bias nach.
Glaubt man den Forschern, die sich mit dem Thema Willenskraft beschäftigen: eine ganze Menge.
Roy F. Baumeister ist Psychologe und hat zu diesem Thema zahlreiche Experimente durchgeführt und
in seinem Buch Willpower dargestellt. Eine typische Versuchsanordnung sah dabei wie folgt auf:
Die Probanden wurden gebeten zu einem bestimmten Termin im Labor zu erscheinen. Sie erhielten
ferner die Aufforderung, an diesem Tag vorab keine Mahlzeiten zu sich zu nehmen, da es in dem
Experiment (vermeintlich) um die Geschmackswahrnehmung gehe. Die Probanden erschienen also
hungrig. Sie wurden in Gruppen eingeteilt und für das natürlich vollkommen überflüssige Ausfüllen
eines Fragebogens in einen eigens präparierten Raum geführt: im Raum roch es nach frisch gebackenen
Plätzchen und auf einem Tisch standen eine Schale mit eben jenen frisch gebackenen Plätzchen und
daneben eine Schale mit Radieschen. Die Bühne war frei für den ersten Teil des Versuchs.
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
Eine erste Versuchsgruppe erhielt den Hinweis, dass sie sich nach Herzenslust an den Plätzchen bedienen
dürfe. Um der Coverstory des Experiments treu zu bleiben, wurden die Teilnehmer aufgefordert, ihre
Geschmackseindrücke der Plätzchen aufzuschreiben.
Eine zweite Gruppe wurde ebenfalls in den nach Plätzchen duftenden Raum geführt. Sie durften jedoch
lediglich von den Radieschen kosten. Auch sie sollten ihre Eindrücke hinsichtlich des Geschmacks
anschließend festhalten.
Eine dritte Gruppe hatte weder Plätzchen noch Radieschen vor sich.
Nach diesem ersten Teil folgte der Höhepunkt des Experiments. Die Probanden wurden in einen weiteren
Raum geleitet und mussten einen Test absolvieren. Dabei ging es um etwas eigentlich sehr Simples: Mit
einem Stift die Linien einer Figur auf einem Blatt Papier nachverfolgen, ohne den Stift abzusetzen. Sollten
die vorherigen Erlebnisse mit Plätzchen oder Radieschen tatsächlich einen Einfluss auf diesen Teil haben?
Kommunikationsfähigkeit
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
Und ob! Diejenigen, die sich nach Herzenslust an den Plätzchen bedienen durften, führten den Test durch
und fingen bei einem Fehlversuch einfach noch einmal von vorne an. Etwa schlechter, aber immer noch
gut, schnitt die Kontrollgruppe ab, also die Probanden, die weder Plätzchen von Radieschen vor sich
hatten. Und unsere Radieschen-Kauer? Sie machten nicht nur mehr Fehler, sie gaben insgesamt schneller
auf und waren sichtlich verärgert über sich, den Versuchsleiter und den Test. – Eben unzufrieden mit
der Gesamtsituation.
Selbst wenn Sie keine täglichen Kampf mit Plätzchen ausstehen müssen. Für das Lernen gilt: Sie brauchen
Willenskraft. Willenskraft ist aber nur eine endliche Ressource. Und, sie wird nicht nur beim Kampf
gegen Hunger, sondern bei jeder Entscheidung ge- bzw. aufgebraucht. Was soll ich heute anziehen? Was
zum Frühstück essen? Schaffe ich es noch zur Bahn? Sollte ich lieber gleich das Auto nehmen? Wenn Sie
im Stau stehen, sollen Sie bei der nächsten Ausfahrt abfahren und sich durch Nebenstraßen kämpfen?
Löst sich der Stau gleich wieder auf und Sie kommen doch noch pünktlich zu Ihrem Termin?
Wenn Sie also am Tag schon Dutzende kleiner und großer Entscheidungen getroffen haben, dann ist
Ihr Vorrat an Willenskraft am Abend schlichtweg aufgebraucht. Es ist einfach nichts mehr übrig, um
sich in einen neuen Sachverhalt hinein zu denken oder die neuen Fachbegriffe auswendig zu lernen.
In unserer heutigen Zeit müssen wir täglich unzählige solcher Entscheidungen treffen: kleine, große,
wichtige oder nichtige. Jede Entscheidung zählt aber auf der Negativseite Ihres Willens-Kontos.
Vereinfachung ist das Zauberwort: Machen Sie sich frei von bestimmten Entscheidungen und schaffen
Sie damit Platz für Willenskraft-Ressourcen, die Sie zum Lernen brauchen.
Ein guter Weg der Vereinfachung sind die Gewohnheiten, die schon angesprochen wurden. Aber
auch den Einkauf im Supermarkt einmal richtig zu planen ist sinnvoller, als jeden Tag aufs Neue vor
dem leeren Kühlschrank zu stehen. Und nur als Tipp: Der US-Präsident Barack Obama hat in seinem
Kleiderschrank nur dunkle Anzüge der ungefähr gleichen Machart. Warum? Seine Erklärung ist simple:
eine Entscheidung weniger am Tag.
Machen Sie sich bewusst, dass Willenskraft eine endliche Ressource ist. Zu viele Entscheidungen auf ein Mal erschöpfen
diese Ressource. Wenn Lernen der letzte Punkt auf Ihrer To-Do-Liste ist, dann ist schlichtweg keine Energie mehr übrig.
Planen Sie bewusst Entspannung und Erholung ein. Dabei lieber häufige kleine Pausen, statt dem trügerischen
Versprechen, nach der Klausurphase mal so richtig Urlaub zu machen. Erstens kommt doch wieder etwas dazwischen
und zweitens ist eine große Reise mit zu vielen Planungen verbunden.
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
Belohnungen sind wichtig für das Wiederaufladen Ihrer Willenskraft (siehe Ego Depletion). Wie wäre es
mit einer eindeutigen und klar belegbaren Belohnung wie Geld? Sie stellen für sich selbst eine Prämienliste
auf. 50 Euro geben Sie sich für eine 1, 40 Euro für eine 2, 15 Euro für eine freiwillig eingereichte Aufgabe
etc. Sie könnten einen ganzen Prämienkatalog aufstellen: von „früh aufstehen“, über „regelmäßig Sport
treiben“ bis hin zu „drei Artikel pro Woche lesen“ oder „alle Klausuren bestehen“ könnten Sie alles
mit einem Eurobetrag verbinden. Für das Geld können Sie sich dann nach geleisteter Arbeit etwas
Besonderes gönnen.
So verführerisch der Plan (vielleicht) erscheinen mag, er wird nicht funktionieren. Und das liegt an der
fehlenden Motivationswirkung von Geld.
Geld hatte schon immer eine faszinierende Wirkung auf Menschen. Geld ermöglicht Dinge. Geld beruhigt
und gibt Sicherheit. In einer einfachen Gleichung ist „Geld haben“ sicher besser als „kein Geld haben“. In
Unternehmen wird Geld nicht nur als Grundlohn eingesetzt, sondern über Leistungslöhne und Prämien
an besondere Leistungen geknüpft.
Gehen wir das Thema einmal von einer anderen Seite an. Denken Sie zurück an Ihre Kindheit. Sie
haben wahrscheinlich mit Ihren Freunden gespielt, sind mit dem Fahrrad durch die Gegend gefahren,
haben im Verein Sport getrieben, ferngesehen. Aber natürlich hatten Sie auch bestimmten Aufgaben
und Pflichten. Sie mussten Ihr Zimmer aufräumen oder den Rasen mähen, den Müll rausbringen und
selbstverständlich Ihre Hausaufgaben machen.
Für welche diese Tätigkeiten (wenn überhaupt) haben Sie Geld bekommen?
Haben Ihre Eltern vor Ihnen gestanden und gesagt: „Wir geben dir 5 Euro, wenn du jetzt Fernsehen
guckst.“ oder „Würdest du für 10 Euro jetzt bitte mit deinen Freunden spielen?!“
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
Oder haben sie eher so Dinge gesagt wie: „Wenn du dein Zimmer aufräumst bekommst du dafür 5 Euro
(oder ein Eis oder ein _____).“ oder „Wenn du bei der Oma Rasen mähst, dann gibt sie dir bestimmt
auch was dafür“.
Ohne Ihre Familie genau zu kennen, die Wahrscheinlichkeit ist mehr als groß, dass, wenn Geld geflossen
ist, es für die zuletzt genannten Dinge eingesetzt wurde. Und das ist die Erfahrung, die wir mit ins
Erwachsenenalter nehmen. Geld bekommen wir für Tätigkeiten, die uns eigentlich keinen Spaß machen.
Für das Spielen mit unseren Freunden oder fürs Fernsehen musste uns niemand „künstlich“ anreizen.
In unserem Kopf kristallisiert sich daher eine einfache, aber durchaus fatale Verbindung heraus. Wenn
ich dafür Geld bekomme, dann mache ich es wohl nicht gerne. Denn sonst würde ich es ja aus freien
Stücken machen. Auf diese Weise wird in unserem Kopf Schritt für Schritt die intrinsische Motivation –
ich mache etwas, weil ich Spaß daran habe – ersetzt durch eine reine Zwecküberlegung – ich mache etwas,
damit ich Geld dafür bekomme, damit ich mir dann etwas leisten kann. Die Erfüllung der Aufgabe an
sich ist nicht mehr Selbstzweck, sondern nur noch Mittel zum Zweck. Eine fatale Umdefinition, denn
sie bedeutet, dass wir unsere Aufmerksamkeit nicht mehr auf die Aufgabe an sich, sondern auf den zu
erzielenden Geldbetrag lenken.
Zeitmanagement
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
Definieren Sie Lernen nicht als Mittel zum Zweck: heute lernen, damit Sie morgen einen Abschluss bekommen und
übermorgen den tollen Job – diese Gleichung funktioniert heute eh nicht mehr. Lernen ist kein notwendiges Übel,
sondern hat einen Wert an sich.
Sehen Sie Lernen als Selbstzweck. Etwas, dass an sich Spaß machen kann. Unterhalten Sie sich mit Menschen, die schon
im Beruf sind: Sie werden Ihnen sagen, dass Sie nie wieder so ausgiebig Zeit haben, sich intensiv in ein Thema hinein
zu denken. Nur im Studium haben Sie diese Zeit.
Nun, intelligenter im eigentlichen Sinne macht Kleidung natürlich nicht. Noch gibt es sie nicht, die
High-Tech-Faser, die Ihre Gehirnaktivität beeinflusst. Dennoch hat Kleidung eine ganz erstaunliche
Wirkung auf uns und unsere Umwelt.
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen zu Beginn des Semesters im Hörsaal und warten voller Spannung auf den
Beginn der neuen Veranstaltung. Im Vorlesungsverzeichnis hörte sich die Kursbeschreibung mehr als
spannend an. Als der Dozent den Saal betritt schlucken Sie: das, was gerade zehn Minuten zu spät durch
die Tür gekommen ist, scheint ein Zeitreisender aus den 1970er Jahren zu sein. Haare, Outfit, Tasche,
alles erinnert an längst vergangenen Zeiten. Ihre Stimmung sinkt. Sie hatten eine spannende, moderne
Veranstaltung erwartet. Aktuelle Erkenntnisse. Und jetzt sowas.
Mit anderen Worten: Wir nehmen andere Menschen auf Basis ihrer Kleidung wahr.
Ist es auch für Sie selbst von Bedeutung, was Sie tragen? Es zeigt sich: Mehr als Ihnen lieb ist.
Kleidung hat eine Aussage. Wenn Sie jetzt sagen: In meinem Studiengang ist das nicht so. Da achtet
man auf so etwas nicht; wir laufen alle leger in Jeans und Turnschuhen herum. Diese Aussage ist wie ein
Schild auf dem geschrieben steht „Bitte ignorieren“ – es ist paradox. Denn um der Anweisung folgen zu
können, muss ich das Schild lesen und habe es damit automatisch gerade nicht ignoriert.
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
Kleider machen Leute. Diese alte Weisheit sollten Sie nicht nur in der Interaktion mit anderen im Kopf
behalten. Bei der Kleidung oder der Kleiderordnung in Ihrem Studiengang ist es genauso. Genau wie Sie
nicht nicht kommunizieren können, können Sie auch nicht nicht durch Ihre Kleidung kommunizieren.
Selbst ein Understatement mit Jeans und Turnschuhen ist eine Uniform, ein Dress Code. Dies wird
spätestens dann deutlich, wenn ein neuer Studierender hinzu kommt und einen Anzug trägt. Erstaunte
oder gar abschätzige Blicke wären ihm ebenso sicher wie Getuschel hinter seinem Rücken.
Diese Wahrnehmung und das (Kleidungs-)Bild, welches wir mit bestimmten Berufen verbinden, prägen
uns. Wir glauben, nur wir würden bei anderen diese Rückschlüsse ziehen. Wenn andere uns wahrnehmen,
dann nehmen sie unsere strahlende Persönlichkeit wahr, egal, welche Kleidung wir tragen. Dieses
Missverständnis haben wir schon kennen gelernt: als illusion of asymmetric insight.
Natürlich nehmen andere Personen uns über unsere Kleidung wahr. Auch unsere Mitmenschen ziehen
spontane Rückschlüsse vom zerknitterten Hemd, der zu engen Hose oder den ausgetretenen Schuhen.
Das Fatale: Sie selbst werden ebenfalls von Ihrer Kleidung beeinflusst. Kann Kleidung intelligenter
machen? Kann es Ihnen das Lernen und das Präsentieren von Ergebnissen erleichtern?
Studien deuten auf eine spannendes ja als Antwort auf all diese Fragen hin. Forscherteams ließen dazu
Gruppen von Versuchsteilnehmern Puzzle, Worttests und ähnliche Übungen durchführen. Ein Teil der
Probanden trug normale Kleidung. Einem anderen Teil wurde unter einem Vorwand erklärt, sie müssen
einen weißen Laborkittel tragen. Wie wirkte sich dieser kleine Unterschied auf den Versuch aus?
Das erste Ergebnis war fast schon zu erwarten. In der Außendarstellung, d.h. in der Wahrnehmung
von anderen Personen, wurden die Laborkittelträger als intelligenter eingestuft. Alleine das Tragen
dieses Kleidungsstücks bewirkte eine andere Wahrnehmung. Offenbar war „weißer Laborkittel“ für
die Beobachter in einem spezifischen semantischen Netz verankert. Einem Netz, welches Begriffe wie
wissenschaftlich, genau oder gelehrt enthält. Diese Begriffe werden automatisch und unbewusst mit dem
Träger des Kittels in Verbindung gebracht und führen zu einer veränderten Wahrnehmung.
Das zweite Ergebnis was noch interessanter: Die Probanden mit den Laborkitteln schnitten auch objektiv
besser bei den Tests ab als die anderen Teilnehmer. Nicht nur die Fremdwahrnehmung hatte sich
verändert. Offenbar auch die Selbstwahrnehmung. Auch die Träger der Kittel wurden beeinflusst – ebenso
automatisch und unbewusst – die die Beobachter. In diesem Fall ebenfalls positiv.
Kleidung kann Lernen auf keinen Fall nicht ersetzen – aber sie kann Ihren Lernprozess positiv (oder
negativ) beeinflussen.
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
Kleidung bestimmt das Bild, welches Sie von sich selbst haben. Trainingshose und Turnschuhe signalisieren unserem
Gehirn ggf.: Freizeitmodus! Mit den entsprechenden Folgen für Ihr Lernverhalten. Nutzen Sie diesen Effekt für sich, indem
Sie Ihre Kleidung an die Situation anpassen.
Machen Sie sich mit dem Dress Code der Organisation, des Unternehmens oder der Branche vertraut, in der Sie
später einmal arbeiten möchten. Wie kleiden sich die Menschen? Können Sie Aspekte dieses Dress Codes schon heute
übernehmen?
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
In seinem Buch Thinking fast and slow rekapituliert der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann die
wichtigsten Stationen und Erkenntnisse seiner Forschungen. Zusammen mit seinem Kollegen Amos
Tversky untersuchte Kahnemann seit den 1970er Jahren Fragen wie Sind Menschen gute Statistiker, d.h.
haben sie ein intuitives Verständnis für statistische Zusammenhänge oder Wahrscheinlichkeiten?
Aus anderen Forschungen war bereits bekannt, dass wir Menschen eine gute Intuition für die Grammatik
unserer Muttersprache haben. Wie sonst könnten Kleinkinder so scheinbar mühelos eine Sprache
erlernen? Nun, um die Geschichte nicht zu weit auszuholen: wir sind keine guten, intuitiven Statistiker.
Wir unter- und überschätzen fast alles in unserem täglichen Leben.
Ganz besonders eklatant wird unser Vermögen, die Dinge richtig einzuschätzen, wenn es um Gewinne
und Verluste geht. Sicher haben Sie schon einmal davon gehört, dass in Studien sowohl Lottogewinner
als auch Opfer von Unfällen oder Verbrechen sich schon nach kurzer Zeit (der Freude oder der Trauer)
auf einem gleichen Glückslevel wiederfinden. Der Lottogewinner ist nach kurzer, sicher sehr euphorischer
Zeit nicht glücklicher als Otto Normalverbraucher. Und auch das Unfallopfer verfällt nicht etwa in eine
tiefe Depression, sondern findet zu einem normalen Leben zurück.
Die Fragestellung, die Kahnemann/Tversky untersuchten, ging in eine ähnliche Richtung. Wie gehen
wir allgemein mit Gewinnen und Verlusten um? Hat 10 Euro verlieren die gleiche emotionale Intensität
wie 10 Euro gewinnen? Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen fassten Kahnemann/Tversky unter dem
schönen Titel loss aversion zusammen. Loss aversion besagt: Wir nehmen Gewinne und Verluste nicht
gleichwertig war. Letztere wiegen viel schwerer. In Bezug auf das Beispiel oben: Wenn ich Ihnen jetzt
sage, dass Sie 10 Euro gewonnen haben, werden Sie sich natürlich kurz freuen. 10 Euro sind ganz nett.
Aber Sie werden nicht tagelang Ihren Freunden davon berichten.
Was aber wenn Sie beim Blick in Ihr Portemonnaie gleich feststellen, dass Sie einen 10 Euro-Schein
verloren haben? Das ärgert Sie, nicht wahr. Wahrscheinlich wird es Sie auch nicht nur heute, sondern
auch morgen noch ärgern. Mist, dass ausgerechnet Ihnen so etwas passieren muss.
Wie ist es in dieser Situation: Sie haben 200 Euro auf eine Urlaubsreise angezahlt, die insgesamt 1000
Euro kostet. Dann stellen Sie fest, dass ein anderer Anbieter eine viel coolere Reise anbietet. Der Preis
800 Euro. Was tun Sie? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die erste Reise trotzdem antreten – Sie
haben ja immerhin schon 200 Euro angezahlt. Oder nicht?! Ganz nüchtern betrachtet müssen Sie für
jede der Reisen noch 800 Euro zahlen. Die 200 Euro, die Sie schon bezahlt haben, dürften eigentlich
keine Rolle spielen. Eigentlich.
Die Forscher schlussfolgerten, dass wir Menschen bei einer Sache bleiben, wenn wir das Gefühl haben,
schon etwas investiert zu haben. Egal, ob diese Sache aktuell noch richtig oder gut oder sinnvoll oder
zielführend ist.
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Erfolgreich lernen im Studium Notfallkoffer
Gemeint ist keineswegs nur eine Investition in Form von Geld. Auch unsere Zeit, unsere Energie und
natürlich unsere Nerven investieren wir. Wer bei Candy Crush das 22. Level erreicht hat, der gibt nicht
einfach so auf. Ansonsten wären ja die bisher gespielte Zeit und die schönen Levels, die man sich erspielt
hat, für die Katz gewesen. Also wird weitergespielt.
So gesehen macht sich eine ganze Armada von Online-Spielen die Loss Aversion zu Nutze.
Auch beim Lernen investieren Sie: Zeit, Nerven, Geld für Bücher und vieles mehr. Und genau wie in
den oben genannten Fällen, kann diese Investition nach hinten losgehen. Nämlich dann, wenn Sie zu
sehr daran festhalten und dem Irrglauben erliegen, dass Sie es sich nicht leisten können, jetzt aufzugeben
oder abzuweichen.
Sie stellen während der ersten Semester fest, dass Ihnen das Studienfach doch keinen Spaß macht. Sie
haben schon die Hälfte der Veranstaltungen einer Vorlesung besucht und finden keinen Zugang zum
Thema. Sie haben 15 Seiten einer Hausarbeit geschrieben und erhalten das Feedback, dass Sie das Thema
falsch interpretiert haben.
Im Sinne eines wirklichen Lernprozesses setzen all diese Fälle voraus, dass Sie Ihre natürlich Loss Aversion
überwinden und vorangegangene Investitionen abschreiben. Es sind Sunk Costs – Sie bekommen sie
eh nicht wieder.
Starres Festhalten an einem ersten Entwurf oder den 15 Seiten, die man doch schon geschrieben hat, sind ein Beharren
an falscher Stelle. Gerade bei Haus- oder Abschlussarbeiten ist es zielführender und sogar oftmals viel leichter, von
vorne zu beginnen.
Sie haben bislang mit ausgefeilten Stichwortzetteln gelernt? Sie haben viel Geld in ein aufwendiges Karteikartensystem
investiert? Leider nicht immer mit Erfolg in der Klausur? Trennen Sie sich von lernhinderlichen Vorgehensweisen, egal,
wie viel Zeit oder Geld Sie schon investiert haben. Sie sollen schließlich nicht der Verkäufer der Karteikarten glücklich
machen, sondern erfolgreich lernen.
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Erfolgreich lernen im Studium Literatur
4 Literatur
Einleitug
Dunlosky, J. et al. (2013): Improving students‘ learning with effective learning techniques: promising
directions from cognitive und educational psychology. In: Psychological Science in the Public Interest,
14 (1), 4–58.
Der Begriff Lerntechnik verspricht Erfolg, er hört sich nach etwas an. Dass nicht alle Techniken
halten, was sie anscheinend versprechen, konnten das Forscherteam in einem Vergleich der
beliebtesten Techniken unter Umständen wenig Wirkung zeigten. Nicht alles, was sich im Bereich
des Lernens intuitiv gut anhört, zeigt auch Erfolg.
Wie der Titel schon erahnen lässt: ein kurzweilig geschriebenes Buch für alle Gehirnbesitzer. Wer
mehr über die graue Masse und ihre Eigenschaften wissen möchte, ist hier an der richtigen Stelle.
Kommunikationsfähigkeit
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Erfolgreich lernen im Studium Literatur
Medina, J. (2008): Brain Rules. 12 principles for surviving and thriving at work, home, and school.
Ein typisch amerikanisches Buch: Locker und kurzweilig geschrieben, nimmt der Autor 12 Regeln
unter die Lupe, die man aus der Gehirnforschung ableiten kann. Allgemeine Kapitel wechseln sich
mit spannenden Spezialthemen wie Schlaf oder männliche vs. weibliche Gehirne ab.
Sicher ein eher umfangreiches Buch, welches neben grundlegenden Ausführungen eine Analyse
aktueller didaktischer Schul- und Lernkonzepte beinhalt
Sicher ein eher umfangreiches Buch, welches neben grundlegenden Ausführungen eine Analyse
aktueller didaktischer Schul- und Lernkonzepte beinhaltet. Dennoch in jedem Fall ein lesenswertes
Buch für all diejenigen, die ein grundsätzliches Verständnis des Lernens anstreben.
Carey beleuchtet das Thema aus der Brille der neuen Erkenntnisse der Gehirnforschung. In
kurzweilig aufgebauten Kapiteln entlarvt er insbesondere beliebte Lernmythen und zeigt so Wege
auf, Lernen ganz neu zu sehen, zu verstehen und umzusetzen. Wenn Sie Lernen nicht nur als
notwendiges Übel betrachten, sondern sich dieser Herausforderung dauerhaft stellen möchten,
finden Sie in diesem Buch zahlreiche Anregungen und Hintergründe.
Im Buch finden Sie Hinweise, wie man die unterschiedlichen Mindsets an sich und anderen
erkennt. Darüber hinaus werden die Erkenntnisse neben der Schule auch auf den Beruf sowie
das Privatleben übertragen. Dabei macht die Autorin auf unterhaltsame Art und Weise deutlich,
wie sehr unser Selbstbild uns in alltäglichen Entscheidungen beeinflusst. Mittlerweile schon ein
Klassiker und in jedem Fall ein absolut lesenswertes Buch.
Der Autor geht auf Spurensuche nach längst bekannten, aber teilweise noch nicht weit verbreiteten
Erkenntnissen aus der Psychologie und den Neurowissenschaften. Dabei wird deutlich: Wir wissen
schon viel, wir wissen es nur nicht wirklich. Mit viele Aha-Erlebnissen und nachvollziehbaren
Bezüge zum alltäglichen Leben.
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Erfolgreich lernen im Studium Literatur
Robinson, K. (2009): The Element. How finding your passion changes everything.
Das Buch setzt bei schulischen Leistungen und dem Aufbau von Schulkonzepten allgemein an, stellt
aber insbesondere das individuelle Erleben jeden Einzelnen in den Vordergrund. Mit zahlreichen
Beispielen von Menschen, die ihr Element gefunden haben. Als Tipp: Von Sir Ken Robinson finden
Sie auf www.ted.com sehr sehenswerte Videos – als Einstieg wunderbar geeignet.
Buonomano, D. (2011): Brain Bugs. How the brain’s flaws shape our lives.
Wer im tagtäglich all die kleinen und großen Herausforderungen des Alltags bewältigt, der fühlt
sich mit seinen Entscheidungen zumeist sehr wohl. Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass wir
die richtige Entscheidung getroffen, dass wir gegenüber Beeinflussungen, sei es durch Personen
in unserem Umfeld oder durch die Werbung, immun sind. Wer ein bisschen hinter diese Fassade
schauen möchte, kann dies mit diesem Buch tun. Spannende Erkenntnisse garantiert.
Duhigg, C. (2012): The Power of Habit: Why we do what we do, and how to change.
Die Macht der Gewohnheit ist ein bekannter Ausdruck. Duhigg entschlüsselt in seinem Buch
nachvollziehbar was Gewohnheiten eigentlich sind, wie sie funktionieren und wie wir sie
aufbrechen oder umdefinieren können. Nicht nur zur Entwöhnung vom Rauchen geeignet.
Der Klassiker und das Buch, welches den Begriff Flow geprägt und ihn einer breiteren Masse
bekannt gemacht hat. Ausgehend von Flow-Erlebnissen im Sport und Hobbybereich, überträgt
Csikszentmihalyi die Erkenntnisse auf Beruf, Schule und Privatleben.
Wenn Sie bislang den Talentfaktor gerne zur Begründung von Erfolg heran gezogen haben, dann
wird Ihnen dieses Buch nicht gefallen. Gladwell referiert Beispiele aus der Sport-, Geschäfts- und
Kunstwelt, die zeigen: Talent wird überbewertet. Wer Erfolg hat, hat auch etwas dafür getan und
nicht etwa das Talent für sich arbeiten lassen.
Kein ganz einfaches Buch, dafür vollgepackt mit Studien, Ergebnissen, Erkenntnissen und
überraschenden Aha-Erlebnissen. In zahlreichen Kapiteln kann man sich in kleinen Übungen
selber testen…und allzu oft wird man feststellen, dass man auf die gleichen Denkfehler hereinfällt,
wieder alle anderen auf.
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Erfolgreich lernen im Studium Literatur
Kreativität ist heute in aller Munde. Wie Sie mit ganz praktischen und leicht umsetzbaren Übungen
Ihre eigenen kreativen Muskeln stärken können, erfahren Sie in diesem umfangreichen Buch.
Spätestens nach den ersten Kapiteln wird klar: Kreativität ist für den Lernerfolg fast unentbehrlich.
In der zweiten und vollständig aktualisierten Fassung, erzählt Robinson eine lockere Geschichte –
bis man merkt, wie vielschichtig und weitreichend seine Aussagen und Forderungen sind. Wenn
es um Kreativität und Lernen geht, ist Robinson aktuell sicher einer der eloquentesten Autoren
und Sprecher.
Schwartz nimmt unsere Gesellschaft unter die Lupe und untersucht die zahllosen und zum Teil
sinnlosen Entscheidungen, die von uns jeden Tag abgefordert werden: Angefangen von der Frage,
ob Sie sich gleich morgens an Ihre Mails machen sollten bis hin zur Qual der Wahl aus 57 Sorten
Müsli oder Marmelade das Beste zu finden.
Zeitmanagement
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Erfolgreich lernen im Studium Literatur
Notfallkoffer
Baumeister, R.F./J. Tierney (2011): Willpower. Why self-control is the secret to success.
Die Entschlüsselung der Willenskraft. Die Autoren zeigen auf, welche wissenschaftlichen Studien
es zur Wirkungsweise dieser so wichtigen Ressource gibt. Allein die Erkenntnis, dass Willenskraft
keine unendliche Ressource ist, gibt zu denken. Mit teilweise überraschenden Beispielen für
vielfältige Bereiche unseres Lebens.
Geld und Motivation gehören im populären Verständnis unabdingbar zusammen. Was wäre
besser geeignet, um sich und andere zu Leistungen anzutreiben? Wie falsch die Einschätzung ist,
zeigen die Autoren insbesondere hinsichtlich der intrinsischen Motivation auf.
Trends entstehen nicht einfach von heute auf morgen. Sie bauen sich vielmehr über eine lange Zeit
auf. Viele kleine Ereignisse und Schritte führen irgendwann dazu, dass aus einer kleinen Bewegung
eine große Welle wird. Der Vergleich zum Lernen liegt quasi auf der Hand. Ein kurzweiliges und
interessantes Buch mit zahlreichen Beispielen.
Nicht nur der Titel des Artikels deutet es an: die Erkenntnisse zum Thema Motivation sind zum
Teil schon lange bekannt – nur mit der Beachtung in Schulen, Hochschulen oder insbesondere
Unternehmen hapert es noch. Herzberg zeigt die Kurzfristigkeit und zum Teil die Sinnlosigkeit
von Motivationsanstrengungen über Geld oder ähnliche Anreize plakativ auf.
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