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5 Erkrankungen durch Bakterien

Viktor Alexander Czaika, Wolfram Sterry

5.1 Übersicht
Tab. 5.1 Häufige bakterielle Erkrankungen.

Erregergruppe Bakterium Krankheit

Staphylokokken*
Staphylococcus aureus Follikulitis, Furunkel, Furunkulose, Karbunkel,
Phlegmone, Paronychie
Staphylococcus
epidermidis toxinbedingte Erkrankungen: Impetigo

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(seltener), Staphylococcal scalded skin
syndrome

Streptokokken*
Streptococcus pyogenes Erysipel, Impetigo, Scharlach, Ecthyma,
(β-Hämolyse, Gruppe A) Lymphangitis, nekrotisierende Fasziitis, Purpura
fulminans
Streptococcus viridans

Korynebakterien
Corynebakterium Erythrasma
minutissimum

Corynebakterium tenuis Trichomycosis palmellina

Corynebakterium kutane Diphtherie


diphtheriae

Borrelien
Borrelia burgdorferi Borreliose einschließlich
Erythema chronicum migrans, Lymphadenosis
cutis benigna, Acrodermatitis chronica
atrophicans

Treponemen
Treponema pallidum Syphilis (Lues)

Treponema pertenue Frambösie (Yaws)

Treponema carateum Pinta

Treponema endemicum Bejel

Mykobakterien
Mycobacterium leprae Lepra

Mycobacterium Tuberkulose
tuberculosis

Mycobacterium bovis Tuberkulose

Mycobacterium avium- chronische Infektion bei HIV/AIDS


intracellulare

Mycobacterium marinum Schwimmbadgranulom

Mycobacterium ulcerans Buruli-Ulkus

Aktinomyzeten
Actinmyces israelii Aktinomykose

Nocardia brasiliensis Nokardiose

gramnegative
Bakterien verschiedene gramnegative Follikulitis, gramnegativer
gramnegative Erreger Fußinfekt, Mischinfektionen, Pyodermien* bei
Immunsupprimierten

Haemophilus ducreji weicher Schanker


Haemophilus influenzae kindliche Gesichtsphlegmone

Pseudomonas Paronychie, gramnegativer Fußinfekt, Sepsis


aeruginosa

Klebsiella pneumoniae Mischinfektionen

Salmonella typhi Typhusfieber

Escherichia coli Mischinfektionen

Yersinia enterocolitica Yersiniose, Erythema nodosum

Yersinia pestis Pest

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Chlamydien
Chlamydia trachomatis Lymphogranuloma inguinale (venereum)

Neisserien
Neisseria gonorrhoeae Gonorrhö, Gonokokken-Sepsis

Neisseria meningitidis Meningokokkenmeningitis, Pneumonie

* Erkrankungen durch Staphylokokken und Streptokokken werden traditionell als Pyodermien bezeichnet.

5.2 Grampositive Bakterien: Staphylokokken


Staphylokokken werden in 2 klinisch relevante Gruppen unterteilt:
Koagulase-positive Staphylokokken (Staphylococcus aureus): Invasive Infektionen,
toxinbedingte Krankheitserscheinungen.
Koagulase-negative Staphylokokken (Staphylococcus epidermidis): Verschiedene
Hospitalismusinfektionen.

5.2.1 Follikulitis
Definition: Infektion oder Irritation des Haarfollikels, am häufigsten durch invasive Staphylokokken,
aber auch durch andere Bakterien, Viren und Pilze. Andere Follikulitiden (z.B. eosinophile Folikulitis
bei HIV-Infektion) sind steril. Auch mechanische Faktoren können eine Rolle spielen, so etwa langes
Sitzen (LKW-Fahrer, Radsportler) oder eng anliegende Kleidung (Jeanshosen-Follikulitis). Auch
Schneidölexposition ist ein Prädispositionsfaktor.
Superfizielle Follikulitis:
Synonym: Ostiofollikulitis.
Klinik:
Im Infundibulum des Haarfollikels lokalisierte kleine Pusteln mit erythematösem Hof
(▶ Abb. 5.1a).
Lokalisation: Bei Kindern meist am Kapillitium. Bei Erwachsenen meist an Stamm,
Gesäß, Oberschenkeln und im Bartbereich.
Diagnostik: Typischer klinischer Aspekt, ggf. Pustelabstrich.
Differenzialdiagnosen:
Pityrosporum-Follikulitis, gramnegative Follikulitis (z.B. Whirlpool-Dermatitis),
Tinea barbae.
Pusteln finden sich bei Acne vulgaris, perioraler Dermatitis oder Rosazea, bei HIV-
assoziierter eosinophiler Dermatitis, bei Steroid- oder Halogentherapie und auch unter
Einfluss chemischer Noxen (z.B. Chlorakne).
Entzündliche Reaktionen bei Pili recurvati.
Milien (nicht entzündliche weiße epidermale Hornperlen) werden gelegentlich
fehlinterpretiert.
Schließlich gehen auch Pityriasis rubra pilaris, Lichen planopilaris oder Keratosis
pilaris, Vitamin-A- und Vitamin-C-Mangel sowie der diskoide Lupus vulgaris mit
follikulär orientierter Entzündung einher.
Therapie: Lokale Antiseptika (Octenidin) oder lokale Antibiotika (Erythromycin oder
Fusidinsäure). Bei unbefriedigendem Ansprechen systemische Antibiose (penicillinasefeste
Penicilline oder Cephalosporine der 1. und 2. Generation über 7–10 Tage).
Abb. 5.1

Abb. 5.1a Superfizielle Follikulitis.

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Abb. 5.1b Furunkel der Oberlippe mit massivem Ödem.

Furunkel und Karbunkel:


Klinik:
Furunkel: Die an den Haarfollikel gebundene tief dermal bis subkutan lokalisierte
Staphylokokkeninfektion beginnt als derber roter Knoten, der rasch schmerzhaft wird
und nach einigen Tagen einschmilzt (▶ Abb. 5.1b). Narbige Abheilung im Verlauf
einiger Wochen. Bei manchen Menschen chronisch-rezidivierend.
Karbunkel: Größere entzündliche plattenförmige Infiltrate infolge Konfluenz mehrerer
Furunkel.
Lokalisation: Hals, Gesicht, Axillen, Leisten, oberer Rücken.
Achtung: Bei Immunsupprimierten Gefahr der Sepsis!
Diagnostik: Der Erregernachweis gelingt im bakteriellen Abstrich aus Pus. Ggf. separate
Materialentnahme für die Differenzialdiagnostik von Dermatophyten (Hautspäne, Haare) und
Aktinomyzeten (Laborinformation).
Differenzialdiagnosen:
Tiefe Trichophytie (Entzündung vom Endothrix-Typ und vom Kerion Celsi-Typ),
Acne conglobata, Aktinomykose (bakterielle Infektion durch Actinomyces spp.),
Fremdkörpergranulome.
Periporitis suppurativa = furunkelähnliche Schweißdrüsenentzündung am Kapillitium
Neugeborener.
Therapie:
Allgemein: Ruhigstellung, Vermeiden von Manipulationen. Lokale Antiseptika.
Systemantibiose (penicillinasefeste Penicilline oder Cephalosporine über 7–10 Tage,
z.B. Dicloxacillin, Oxacillin, Amoxycyllin/Clavulansäure bzw. Cefalexin).
Solitäre Furunkel: Systemantibiose. Bei Penicillinallergie ggf. Erythromycin. Inzision
und Drainage nach zentralem Erweichen (Fluktuation) innerhalb einiger Tage (▶ Abb.
5.1b).
Rezidivierende Furunkel (Furunkulose): Systemantibiose (oft Clindamycin 300
mg 4 × tgl. über 7–10 Tage), Suche nach Prädispositionsfaktoren (Immundefekte,
Diabetes mellitus, Staphylococcus aureus-Reservoire im Nasenrachenraum oder
perineal), sorgfältige Haut- und Kleiderhygiene.

5.2.2 Bullöse Impetigo


Epidemiologie: In Deutschland meist durch Streptokokken, in den USA häufiger Staphylokokken-
Impetigo. Bullöse Läsionen lassen eine staphylogene Genese vermuten, allerdings ist ein Fehlen von
Blasen diagnostisch nicht hilfreich.
Pathogenese: Staphylokokken der Phagengruppe II synthetisieren ein phagenkodiertes Toxin
(Exfoliatin), welches die Epidermis im Stratum granulosum spaltet und so zu oberflächlichen Blasen
oder großflächigen Ablösungen führt (Angriff am Desmoglein 1). Zusätzlich Expression von
Superantigenen, die besonders heftige Immunantworten auslösen können.
Klinik:
Meist bei Neugeborenen, seltener bei älteren Kindern.
Aufschießen von Bläschen, die sich in flache Blasen umwandeln. Nur geringes umgebendes
Erythem. Abheilung unter „schwefelgelber“ Krustenbildung. Rasche Ausbreitung ist möglich.
Diagnostik: Die klinische Abgrenzung staphylogener und streptogener Genese anhand Blasengröße
oder Krustenfärbung ist unsicher. Daher bakterieller Abstrich mit Antibiogramm.
Umgebungsdiagnostik (z.B. Geschwister).
Differenzialdiagnosen: Streptokokkenimpetigo, Herpes simplex, zoophile Tinea, Iktusreaktion,
Strophulus infantum.
Therapie:
Topisch: Antiseptisch (Octenidin-Lösung z.B. Octenisept) oder antibiotisch (Fusidinsäure,

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z.B. Fucidine-Creme oder Erythromycin, z.B. Aknemycin-Lösung).
Systemisch: Antibiotika (penicillinasefeste Penicilline oder Cephalosporine der 1. und 2.
Generation) können den Heilungsverlauf beschleunigen.

5.2.3 Staphylococcal scalded skin syndrome (SSSS)


Definition: Großflächige bis generalisierte intraepidermale Ablösung der oberen Epidermis aufgrund
hämatogener Verbreitung von Exfoliatin.
Pathogenese: Die verursachenden Staphylokokken sezernieren das Exotoxin Exfoliatin, welches
Desmoglein 1 spaltet; hierdurch entsteht eine subkorneale Blase, in deren Sekret die Staphylokokken
sich vermehren. Spaltbildung analog zum → → Pemphigus foliaceus, wo sie durch Autoantikörper gegen
Desmoglein 1 ausgelöst wird.
Klinik:
Meist Neugeborene oder Kleinkinder.
Nach gelegentlichen Prodromalsymptomen rascher Beginn mit Fieber und schmerzhaftem
diffusem Erythem (Stadium erythematosum). Nach 12 Stunden Nikolski-Phänomen positiv:
verschiebliches Stratum corneum an unbefallener Haut (Stadium exfoliativum).
Gestörter Temperatur- und Flüssigkeitshaushalt durch großflächige Epidermisablösung.
Diagnostik: Kein läsionaler, nur fokaler Erregernachweis im Abstrich, z.B. nasal, pharyngeal.
Schnellschnitt-Histologie.
Achtung: Eile ist geboten!
Differenzialdiagnosen: Toxische epidermale Nekrolyse mit subepidermaler Hautablösung und
Keratinozytennekrosen der gesamten Epidermis (SSSS: subkorneale Ablösung), Virusexantheme,
Combustio, Dermatitis solaris (Anamnese), Kawasaki-Syndrom (akral betontes multiformes
Exanthem).
Therapie:
Lokal antiseptisch oder Fusidinsäure.
Bettruhe, Lagerung auf nicht klebenden Folien.
Flüssigkeitsbilanzierung, Elektrolyt- und Kreislaufkontrolle.
Immer Systemantibiose (penicillinasefeste Penicilline oder Cephalosporine der 1. und 2.
Generation, ggf. Umstellung nach Antibiogramm).
Suche nach „Staphylokokken-Trägern“ (auch Eltern, medizinisches Personal).
Achtung: Im Gegensatz zum Lyell-Syndrom sind Kortikosteroide beim SSSS
kontraindiziert!
Prognose: Unter frühzeitiger Therapie rasche Abheilung (Stadium desquamativum) mit Letalität < 5
%. Unbehandelt Sepsis und septischer Schock mit 50 % Letalität!

5.2.4 Staphylokokkenscharlach
Definition: Durch Exfoliatin ausgelöstes Scharlach-ähnliches Exanthem.
Klinik: Im Gegensatz zum echten, Streptokokken-induzierten →
→ Scharlach fehlen beim
Staphylokokenscharlach sämtliche weiteren Befunde wie Pharyngitis, Erdbeerzunge und sonstige
Mundschleimhautveränderungen (Enanthem).
Therapie: Analog zur →
→ bullösen Impetigo.

5.2.5 Staphylokokkensepsis
Pathogenese: Staphylococcus aureus ist der häufigste Erreger der ambulant erworbenen Sepsis,
dagegen wird die nosokomiale grampositive Sepsis hauptsächlich durch Staphylococcus epidermidis
hervorgerufen. Infektion meist über Venen-, Harn-, Dialyse- oder ZNS-Katheter sowie durch artifizielle
Manipulation.
Klinik: Am häufigsten Pusteln, subkutane Abszesse oder purpurische Areale mit Eiteransammlungen.
Diagnostik: Blutkultur, Antibiogramm.
Differenzialdiagnosen:
Kinder: Kawasaki-Syndrom.
Erwachsene: TEN, Candidasepsis, Kryptokokkose, Aspergillose.
Therapie:
Immer Systemantibiose entsprechend der regionalen „Hospital-Situation“, Antibiogramm.
Entfernung aller „verdächtigen“ Katheter.

5.2.6 Staphylokokken-Trägerstatus

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Allgemeines: Etwa 20 % der Menschen sind in den vorderen Nasenabschnitten oder seltener perineal
dauerhaft von Staphylococcus aureus besiedelt. Bis zu 60 % sind transiente Keimträger. Diese
Fokalherde stellen Quellen für rezidivierende Furunkulose, endogene Infektionen oder
Wundinfektionen (über unzureichende Händedesinfektion von Patienten und Personal) dar.
Therapie:
Sorgfältige Händedesinfektion und allgemeine Hygiene.
Täglich desinfizierendes Bad einschließlich Haarwäsche.
Mupirocin-Salbe intranasal 2 × tgl. über 5 Tage, weiter 2×/Wo. gilt als effektivste Prophylaxe.
Systemantibiotika wie Clindamycin oder Clofazimin.

5.2.7 Methicillinresistenter Staphylococcus aureus (MRSA-


Stämme)
Epidemiologie: Durch den wachsenden und manchmal unnötigen Gebrauch von Antibiotika wurde der
methizillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA) zu einem Problemkeim, der heute 20–30 % der
Hospitalinfektionen verursacht. Auch der ambulant erworbene MRSA nimmt zu, insbesondere bei
dermatologischen Patienten, vermutlich wegen der prädisponierenden Barrieredefekte bei vielen
Dermatosen. Die ambulant-hospitale Übertragungsrate von MRSA (z.B. Pflegeheime) ist höher als die
umgekehrt hospital-ambulante. Sowohl für die endogene als auch die exogene Übertragung von MRSA
zwischen hospitalisierten Patienten scheint medizinisches Personal hauptverantwortlich zu sein.
Allgemeine Maßnahmen: Umgehende Umkehrisolation bei MRSA-Nachweis als einzig sinnvolle
Maßnahme um die Ausbreitung von MRSA auf andere Patienten zu stoppen und eine „Kolonisierung“
der ganzen Abteilung zu verhindern. Die stationäre Aufnahme ambulanter MRSA-Patienten sollte,
sofern nicht zwingend erforderlich, vermieden werden.
Therapie:
Bei nachgewiesener MRSA-Besiedelung intakter Haut und chronischer Wunden: Mittel
der 1. Wahl: Nichtzytotoxische Antiseptika sind Chlorhexidin, Octenidin (Octenisept) und
Polihexanid; das topische Antibiotikum Fusidinsäure (FucidinCreme) sowie silberhaltige
Wundauflagen gelten ebenfalls als effektiv (▶ Tab. 5.2).
Bei MRSA im Nasenabstrich: Mupirocin (z.B. Turixin-Salbe) gilt als Goldstandard. Die oft
breite und ungezielte Anwendung von Mupirocin könnte einen Anstieg der Mupirocin-
resistenten MRSA-Stämme bewirken, daher sollte dieser topische Wirkstoff ausschließlich der
indikationsgerechten nasalen Anwendung vorbehalten sein.
Bei bedrohlicher Systeminfektion: Vancomycin i.v. ist gegenwärtig die wichtigste
antibiotische Therapieoption. Dessen relativ schlechte Gewebegängigkeit versucht man durch
Kombination gut penetrierender Wirkstoffe wie Rifampicin, Fusidinsäure und Fosfomycin
auszugleichen (▶ Tab. 5.3).
Alternative insbesondere für ambulante Patienten: Linezolid p.o.
Bei Therapieversagen (VRSA = vancomycin-resistent s. aureus): Kombination der
Streptogramine Quinupristin und Dalfopristin verfügbar.
Weitere Möglichkeiten:
Auch moderne Quinolone wie Levofloxacin und Moxifloxacin (Cave: potenziell
hepatotoxisch) werden erfolgreich eingesetzt.
Für die Behandlung komplizierter Haut- und Schleimhautinfektionen durch
grampositive Bakterien einschließlich MRSA haben sich inzwischen auch in
Deutschland Daptomycin und Tigecyclin durchgesetzt.
Bakteriologische Verlaufskontrolle spätestens 2 Tage nach Dekontamination bzw. nach Beginn
der Antibiose.

Tab. 5.2 Optionen der Lokaltherapie bei Nachweis von MRSA (über mindestens 5 Tage).
Nachweis Empfehlung Wirkstoff Anwendung

Nase 1. Wahl Mupirocin 3 × tgl.

2. Wahl Octenidin 3 × tgl.

intakte Haut 1. Wahl Chlorhexidin 3 × tgl.

Polihexanid 1–3 × tgl.

Octenidin 3 × tgl.

Iodophor 1–3 × tgl.

chronische 1. Wahl Polihexanid 1–3 × tgl.


Wunden
Octenidin 1–3 × tgl.

2. Wahl Silber alle 1–3 d

PVP-Jod 1–3 × tgl.

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Tab. 5.3 Systemantibiotika gegen MRSA (mindestens über 7–10 Tage).

Wirkstoff Handelspräparat Stoffgruppe Dosierung

Vancomycin VancoCell Glykopeptide 4 × 500 mg/d i.v.

Teicoplanin Targocid Glykopeptide d1 400 mg, dann 200–400 mg/d i.v./i.m.

Linezolid Zyvoxid Oxazolidinone 2 × 600 mg/d p.o./i.v.

Quinupristin + Synercid Streptogramine 3 × 7,5 mg/kg/d i.v. (ZVK)


Dalfopristin

Daptomycin Cubicin Lipopeptide 1 × 4 mg/kg/d i.v.

Tigecyclin Tygacil Glycylcycline d1 100 mg, dann 2 × 50 mg/d i.v.

5.3 Grampositive Bakterien: Streptokokken

5.3.1 Klassifikation
Verschiedene Klassifizierungsprinzipien für Streptokokken:
Streptococcus pyogenes (Gruppe A, β-Hämolyse) ist für 90 % aller Infektionen ursächlich.
Streptococcus viridans (α-Hämolyse) und Streptococcus pneumoniae sind weitere
wichtige Vertreter dieser Gruppe.

5.3.2 Therapiegrundsätze
Allgemeine Prinzipien:
Bei relevanten Manifestationen immer Kultur und Antibiogramm.
Klinisch sind Mischinfektion mit Staphylokokken nicht auszuschließen, daher sind
penicillinasefeste Penicilline die Antibiotika der Wahl: z.B. Dicloxacillin oder Flucloxacillin
jeweils 3 × 500–1 000 mg/d i.v. oder p.o. Bei Penicillinallergie alternativ Cephalosporine der
1. und 2. Generation, Makrolide oder Clindamycin.
Achtung: ca. 40 % der Gruppe A-Streptokokken sind gegen Tetracyclin resistent.
Therapie für mindestens 10 Tage.
Leichte Infektionen (Impetigo, Scharlach, mildes Erysipel):
Dicloxacillin oder Flucloxacillin: 3 × 500–1000 mg/d p.o.
Bei Penicillinallergie: Erythromycin 4 × 500 mg/d p.o. oder Clindamycin 3 × 600 mg/d p.o.
Schwere Streptokokkeninfektion der Haut (ausgedehntes Erysipel, Streptokokkengangrän):
Stationäre Therapie. Erregerkultur und Antibiogramm.
Nafcillin 500–1000 mg i.v. alle 4–6 h oder Dicloxacillin bzw. Flucloxacillin jeweils 3 × 1
g/d i.v.
Bei fraglicher Penicillinallergie: Cefalotin 1,0 g i.v. alle 3–4 h.
Bei sicherer Penicillinallergie: Vancomycin 1,0–1,5 g/d i.v.
Gerinnungshemmung: Alle Patienten erhalten grundsätzlich eine „low dose“-Heparinisierung
(fraktioniertes Heparin 1 × 500 I.E./d s.c.).
Kontrollen: Aufgrund des Risikos renaler und kardialer Komplikationen bei Streptokokkeninfektionen
müssen zumindest nephrologische und kardiologische Basiskontrollen sofort und nach 6 Wochen
durchführt werden: Bei persistierender ASL-Erhöhung oder pathologischem Urinbefund Fortsetzung
der Therapie bis zur Normalisierung, ggf. nephrologisches Konsil. Kontroll-EKG nach 6 Wochen.
Suche nach Hautsymptomen einer subakuten bakteriellen Endokarditis.

5.3.3 Impetigo contagiosa


Synonym: Eiter- oder Borkenflechte.
Definition: Oberflächliche bakterielle Hautinfektion.
Epidemiologie: Meist sind Kleinkinder betroffen. Infektionsgipfel im Spätsommer und Herbst. Hohe
Kontagiosität, insbesondere bei mangelnder Hygiene (Volksmund: „Schmutzflechte“).
Pathogenese: In Europa wird die Impetigo zumeist durch Gruppe A-Streptokokken (Streptococcus
pyogenes) verursacht, Mischinfektionen mit Staphylococcus aureus sind nicht selten.
Klinik: Aus kleinen Bläschen und oberflächlichen Pusteln entwickeln sich „honiggelbe“ Krusten.
Prädilektion exponierter Hautareale (Gesicht, Handrücken, ▶ Abb. 5.2).
Beachte: Ganz abgesehen von einer möglichen Mischinfektion ist eine sichere klinische

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Unterscheidung zwischen staphylogener und streptogener Impetigo nicht möglich.

Abb. 5.2 Impetigo contagiosa mit honiggelben Krusten.

Komplikationen: Relativ häufig akute Glomerulonephritis, jedoch nahezu nie rheumatisches Fieber.
Diagnostik: In der Kultur meist Mischinfektion. Antistreptolysin (ASL)-Titer und Anti-
Streptodornase-B (ADB)-Titer sind erhöht. Urinstatus zu Beginn der Therapie und nach 6 Wochen.
Differenzialdiagnosen: Herpes simplex. Tinea (vor allem zoophil). Atopisches Ekzem.
Therapie: In milden Fällen Antiseptika oder topisch Fusidinsäure oder Erythromycin ausreichend. Die
Krusten sollten mit desinfizierenden Waschsyndets entfernt werden. Eine systemische Antibiose mit
penicillinasefesten Penicillinen (mögliche Mischinfektion) oder Cephalosporinen der 1. und 2.
Generation kann den Heilungsprozess beschleunigen und das Übertragungsrisiko vermindern.
Beachte: Kontakt zu anderen Kindern bzw. deren Spielzeug, Kleidern oder Handtüchern
vermeiden!

5.3.4 Ecthyma
Definition: Ulzerierende Pyodermie durch Gruppe-A-Streptokokken.
Epidemiologie: Häufig unter Immunsuppression, bei Unterernährung oder mangelhafter Hygiene (z.B.
Obdachlose, Drogenabhängige); oft auch bei Touristen nach Tropenaufenthalt.
Klinik: Ausgestanzt wirkende Ulzera überwiegend an den Unterschenkeln, die sich aus Bläschen und
Pusteln entwickeln, oft nach Bagatelltraumen oder infolge längeren mechanischen Druckes (▶ Abb.
5.3). 0,5–3 cm große Defekte mit Umgebungsrötung. Langsame und narbige Abheilung.
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Abb. 5.3 Ecthyma.

Diagnostik: Kultur und Antibiogramm.


Differenzialdiagnosen: Venöse oder arterielle Ulcera crurum, Prurigo chronica simplex, Vasculitis
allergica, Kratzartefakte.
Therapie:
Beseitigung der begünstigenden Faktoren (Patientenberatung).
Topisch Antiseptika oder Fusidinsäure (Fucidine-Creme), ggf. Mupirocin (Turixin-Salbe).
Systemische Antibiose nach Antibiogramm.

5.3.5 Erysipel
Definition: Akute oberflächliche (koriale) Infektion unter Beteiligung der dermalen Lymphspalten und
-gefäße durch Streptokokken der Gruppe A. Selten, jedoch zunehmend Staphylokokken-Beteiligung.
Pathogenese: Meist ist eine Eintrittspforte vorhanden: Im Gesicht häufig Herpes-simplex-Läsion, an
den Beinen oft interdigitale Tinea mit Mazeration. Streptokokken-Reservoire sind Nase,
Respirationstrakt und Perinealregion. Oft nach vorangegangenen operativen Eingriffen, z.B.
Lymphadenektomie, Venenentnahme für Bypass etc.
Klinik:
Hellrotes, scharf begrenztes Erythem mit zungenförmigen Ausläufern. Im Gesicht oft
symmetrische Ausbreitung auf Nasenrücken und beiden Wangen (▶ Abb. 5.4a). An den
Beinen einseitiger Befall mit deutlicher Schwellung (▶ Abb. 5.4b).
Hohes Fieber, Schüttelfrost, allgemeines Krankheitsgefühl.
Komplikationen:
Rezidivierende Infektionen (Erysipelas recidivans) führen zur Obliteration der betroffenen
Lymphwege und damit zu chronischem Lymphödem (Gesicht: Lippenschwellung und
Lidödeme, Beine: unilaterale Elephantiasis nostras).
Glomerulonephritis.
Achtung: Immunsupprimierten droht unbehandelt Sepsis, nekrotisierende Fasziitis oder
Schock!
Diagnostik: Typische Klinik. Kultureller Nachweis schwierig. Leukozytose, BSG beschleunigt, hohes
CRP. Anstieg von ASL- und ADB–Titer.
Differenzialdiagnosen:
Gesicht: Akute Kontaktdermatitis (Juckreiz, Brennen), beginnender Zoster (halbseitig,
vesikulös), Wespenstichreaktion, allergisches Angioödem (Anamnese).
Extremitäten: Erysipeloid, Thrombophlebitis, tiefe Venenthrombose, akute
Stauungsdermatitis (Juckreiz), Erysipelas carcinomatosum, Erythema chronicum migrans
(milde Rötung, fehlende Systemzeichen).
Therapie:
Hochdosiert penicillinasefeste Penicilline (Beginn mit Flucloxacillin) i.v. über mindestens 10
Tage, bei Penicillinallergie mit Erythromycin. Ruhigstellung und Hochlagerung betroffener
Extremitäten. Feucht-kühle antiseptische Umschläge (Octenisept).

Antibiose:

Aufgrund der potentiellen und klinisch nie auszuschließenden


staphylogenen Beteiligung empfehlen wir prinzipiell die kalkulierte
Antibiose mit penicillinasefesten Penicillinen.

Abb. 5.4 Erysipel.

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Abb. 5.4a Im Gesicht.
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Abb. 5.4b Am Unterschenkel.

Bei ungenügendem Ansprechen auf Penicillintherapie oder bei Verdacht auf Beteiligung von
gramnegativen Keimen (etwa bei ulzeröser Eintrittspforte) Aminopenicillin +
Betalactamaseinhibitor (z.B. Unacid).
Bei ausgeprägten Befunden (bullöses oder gangränisierendes Erysipel) hat sich der primäre
Einsatz von Clindamycin bewährt, ggf. kann ein Chinolon (z.B. Ciprofloxacin) kombiniert
werden.
Symptomatische Therapie (antipyretisch, analgetisch).
Später Sanierung der Eintrittspforte, ggf. Kompressionstherapie.
Chronisch-rezidivierendes Erysipel: Nach Ende der lege artis über 10 bis 14 Tage erfolgten
Therapie des letzten Schubes Langzeitprophylaxe mit Benzathinpenicillin 1×/Mo. 1,2 Mio.
I.E. i.m. für 4–6 Monate. Alternativ Langzeitprophylaxe mit Erythromycin 1 × 1 g/d p.o.
oder/und Cotrimoxazol 800 mg/d über 5 Tage alle 4–6 Wochen.

5.3.6 Phlegmone
Definition: Tiefe, teils einschmelzende bakterielle Hautinfektion unter Einbeziehung der Dermis und
des subkutanen Fettgewebes, häufig Ausbreitung auf Muskeln und Knochen.
Beachte: Im englischen Sprachraum werden Phlegmone und Erysipel unter dem Begriff
„Cellulitis“ zusammengefasst.
Pathogenese: Staphylokokken und Streptokokken sind die häufigsten Erreger, aber viele andere
Bakterien einschließlich Clostridien (Gasbrand), Haemophilus influenzae (Gesichtsphlegmone) und
gramnegative Bakterien sind oft als Mischinfektion beteiligt. Anamnestisch häufig Traumen,
Durchblutungsstörungen oder Neuropathien (z.B. diabetisches Fußsyndrom).
Klinik: Tiefgreifende, unterschiedlich schmerzhafte (diabetische Neuropathie!), lividrote, unscharf
begrenzte Schwellung mit Nekrotisierung und Abszedierung. Sich langsam entwickelnde, schwere
Allgemeinsymptomatik.
Diagnostik: Kultur (ggf. nach Inzision oder bioptisch), Antibiogramm. Extrem ausgelenktes
„Entzündungslabor“.
Differenzialdiagnosen:
Die Abgrenzung von Erysipel und Phlegmone ist nicht immer leicht, Übergangsformen und
Mischbilder sind möglich („Erysipelphlegmone“).
Im Bereich der (insbesondere unteren) Extremitäten bieten die Thrombophlebitis (strangartige
Entzündung), die tiefe Beinvenenthrombose (bläulich-livide Schwellung) aber auch das
Erythema nodosum (bilaterale, extrem druckschmerzhafte, bevorzugt prätibiale Angioödeme)
Verwechselungsmöglichkeiten.
Entzündliche Schwellungen im Gesichtsbereich können auch Ausdruck eines toxischen bzw.
allergischen Kontaktekzems oder einer Dermatitis solaris sein (Anamnese).
Ferner müssen prävesikuläre Formen eines Zoster (streng halbseitig) oder einer Herpes-
simplex-Manifestation (Rezidive) unterschieden werden.
Therapie: Antibiogrammgerechte Antibiose anstreben. Kalkulierte Breitbandantibiose mit
penicillinasefesten Penicillinen, Cephalosporinen der 3. Generation (z.B. Ceftriaxon) oder
Fluorochinonen. Ggf. Inzision und Drainage.
Achtung: Das insbesondere bei komplizierten Weichgewebeinfektionen breit wirksame und
klinisch bewährte Fluorochinon Moxifloxacin (Avalox) darf nach Einzelberichten über
schwerwiegende Leberschäden und lebensbedrohliche bullöse Hautreaktionen seit 2008 nur
noch dann angewendet werden, wenn andere Antibiotika, die für die initiale Behandlung
empfohlen werden, ungeeignet erscheinen (Empfehlung der europäischen Arzneimittelbehörde
EMEA vom Juli 2008).

5.3.7 Nekrotisierende Fasziitis

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Synonym: Streptokokkengangrän, nekrotisierendes oder gangränisierendes Erysipel.
Definition: Lebensbedrohliche, foudroyante Weichgewebsinfektion mit Gangrän des subkutanen
Fettgewebes und der Muskulatur entlang der Faszien.
Pathogenese: Zumeist durch besonders toxogene Streptokokken der Gruppe A („Killerkokken“),
seltener durch MRSA oder gramnegative Bakterien.
Klinik: Meist sind die Beine betroffen, selten das äußere Genitale (Fournier-Gangrän, extrem
dramatisch). Oft ist eine Hautläsion die Eintrittspforte. Beginn mit Rötung, Ödem und Überwärmung.
Nach 2–3 Tagen bläulich-livide Verfärbung, Blasenbildung und ausgedehnte dermale Nekrose mit
Thrombosierung der Hautgefäße. Das Bein schwillt weiter an und ist derb palpabel. Ausbreitung auf
tiefe Faszien und Muskeln mit drohendem Kompartmentsyndrom (▶ Abb. 5.5). Toxische Produkte aus
Bakterien- und Zellzerfall triggern eine massive Entzündungsreaktion.

Abb. 5.5 Nekrotisierende Fasziitis.

Komplikationen: Sepsis, toxischer Schock mit Multiorganversagen.


Diagnostik: Klinik. Labor: Leukozyten, BSG, Akutphaseproteine extrem hoch. Anstieg von ADB
überproportional zu ASL-Titer. Sonografischer Ausschluss einer tiefen Beinvenenthrombose.
Differenzialdiagnosen: Erysipel, clostridiale Myonekrose (Gasbrand), streptokokkenassoziiertes
toxisches Schock-Syndrom, Beinvenenthrombose (Phlegmasia coerulea dolens), postthrombotisches
Syndrom, arterielle Embolie (akrale Nekrose), kritische Ischämie bei PAVK (kühles, blasses Bein),
posttraumatisches Kompartmentsyndrom, nekrotisierende Vasculitis allergica (bilateral symmetrisch),
Pyoderma gangraenosum, Kalziphylaxie und Kumarinnekrose.
Therapie: Intensivmedizinische Überwachung. Sofortiges großzügiges chirurgisches Débridement
schon im Verdachtsfall. Effiziente Drainage. Initial hochdosiert Penicillin G (30 Mio. I.E./d i.v.) oder
Cephalosporin i.v. (z.B. Cefuroxim) jeweils in Kombination mit Clindamycin i.v. So schnell wie
möglich antibiogrammgerechte Antibiose anstreben. Amputation als Ultima ratio.

5.3.8 Perianale Streptokokkendermatitis


Epidemiologie: Persistierende perianale Infektion mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe
A. Meist bei Kindern, überwiegend Knaben.
Pathogenese: Häufig asymptomatische Besiedelung des Pharynx durch die gleichen Bakterien.
Vermutlich digital-taktile Übertragung. Die perianale Lokalisation bleibt unklar.
Klinik: Die Kinder klagen über Pruritus oder über Schmerzen beim Stuhlgang. Oft leichte Rötung der
Perianalregion.
Diagnostik: Kultur. Information an Labor, dass nach Streptkokken und nicht nur nach enteralen
Bakterien zu suchen ist.

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Differenzialdiagnosen: Psoriasis, Candidose, Spulwürmer, chronisch entzündliche
Darmerkrankungen, Kindesmissbrauch.
Therapie: Lokaltherapie mit Fusidinsäure oder Erythromycin kann versucht werden, eine Sanierung ist
jedoch am effektivsten durch eine Systemantibiose mit Erythromycin (Kleinkinder), Flucloxacillin oder
Dicloxacillin zu erzielen.

5.3.9 Subakute bakterielle Endokarditis


Pathogenese: Ursächlich sind in 60 % der Fälle α-hämolysierende Streptokokken, in 20 % der Fälle
Staphylokokken, in 10 % gramnegative Bakterien und Pilze. Seltenere Erreger bei immunsupprimierten
Patienten. In 10 % der Fälle gelingt kein Erregernachweis.
Klinik:
Der Hautbefund ist oft der erste und einzige Hinweis auf die lebensbedrohliche Herzinfektion.
Petechien an Extremitäten, oberem Thorax, Konjunktiven und Gaumen.
Subunguale Splitterblutungen: Kleine dunkelrote Streifen am distalen Ende des Nagels.
DD: Splitterblutungen bei chronischem Trauma (Handwerker).
Janeway-Läsionen: Kleine hämorrhagische Papeln an Fingern, Hand- und Fußflächen als
Hinweis auf bakterielle Mikroembolien.
Osler-Knötchen: Kleine, 2–3 mm große, schmerzhafte rötliche Papeln meist an Finger- und
Zehenspitzen (seltener zentraler), durch Immunkomplexe bedingt.
Diagnostik: Blutkultur, Echokardiografie.
Differenzialdiagnosen: Das Zusammentreffen kardialer Symptomatik und akraler Hautveränderungen
lässt aus dermatologischer Sicht an die Manifestation von Kollagenosen wie z.B. der progressiven
systemischen Sklerose denken.
Therapie: Sowohl die Diagnostik als auch die Therapie der Endokarditis ist ein klare Domäne der
Inneren Medizin. Entscheidend ist die sofortige Einleitung einer breiten Antibiose unter stationärem
Monitoring (s. entsprechende internistisch-kardiologische Fachliteratur).

5.3.10 Purpura fulminans


Definition: Lebensbedrohliche Sonderform der disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC =
disseminated intravascular coagulation).
Epidemiologie: Meist sind Kinder betroffen. Häufigstes Auftreten während eines
Streptokokkeninfektes wie Scharlach, seltener in der nachfolgenden Genesungsphase oder auch
sporadisch durch andere infektiöse Trigger.
Klinik:
Hautbefund: Großflächige Ekchymosen mit scharfer unregelmäßiger Begrenzung.
Lokalisation meist an den Extremitäten, symmetrisch. Rasche gangränöse Umwandlung durch
Thromben in den Arteriolen.
Kritischer Allgemeinzustand: Hohes Fieber, Schock, Anämie, Tachykardie, schweres
Krankheitsgefühl. Die einsetzende Verbrauchskoagulopathie führt zur dramatischen
Thrombozytenreduktion.
Diagnostik: Blutbild, Gerinnung.
Differenzialdiagnose: Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom (Meningokokkensepsis): Ähnliche,
aber eher disseminierte Läsionen, die ZNS-Symptomatik ist führend.
Therapie: Intensivtherapie, hochdosiert Penicillin, Antikoagulation, ggf. hochdosierte Steroide. Bei
voraussichtlichem Risiko für DIC prophylaktische Heparinisierung.
Prognose: Hohe Mortalität.
5.3.11 Toxinbedingte Syndrome
Sowohl Staphylokokken als auch Streptokokken bilden eine Vielzahl von Toxinen. Es gibt folgende
klinische Hinweise:
Lokalisierte Infektionen (z.B. Streptokokken-Pharyngitis) verursachen disseminierte
Hautsymptome wie Scharlach. Dabei sind die Bakterien auf der Haut nicht nachweisbar.
Trotz milder oder begrenzter Infektion können schwere Systemreaktionen auftreten. Die
Toxine können als Superantigene fungieren und eine massive Zytokinausschüttung bewirken.
▶ Tab. 5.4 fasst die toxinmediierten Reaktionen zusammen, einige wurden bereits ausführlicher
dargestellt. Auch das →
→ Kawasaki-Syndrom scheint durch Superantigene bedingt zu sein.

Tab. 5.4 Toxin-bedingte Reaktionen.

Bakterium Toxin Erkrankung

Streptococcus pyrogene Scharlach


pyogenes Toxine
Streptokokken-Toxic shock syndrome

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Staphylococcus TSST-1 toxic shock syndrome
aureus Exfoliatin Staphylococcal scalded skin syndrome
Staphylokokkenimpetigo
Staphylokokkenscharlach
REDD-Syndrom (recalcitrant erythematous
desquamating disorder)

5.4 Weitere grampositive Bakterien

5.4.1 Erythrasma
Definition: Häufige oberflächliche Infektion der intertriginösen Areale durch Corynebacterium
minutissimum.
Klinik: Rotbraune, oberflächliche, feinschuppende, sich langsam ausbreitende Herde in den
intertriginösen Arealen (Leistenregion, Axillen; ▶ Abb. 5.6).
Diagnostik: Klinisches Bild. Im Wood-Licht korallenrote Fluoreszenz. Mikroskopie schwierig. Kultur
nicht möglich.
Differenzialdiagnosen:
Tinea inguinalis: Stärker infiltrierte Plaques mit ausgeprägter Randbetonung.
Intertriginöse Candidose: Düsterrote, teils mazerierte Plaques mit Satellitenpusteln.
Therapie: Lokal Erythromycin (Lösung, Creme) oder antibakteriell wirksame Imidazole (z.B.
Clotrimazol). Gründliche Hygiene. Bei Therapieversagen oder Rezidiven: Erythromycin 250 mg 4
× tgl. p.o. über 5–7 Tage.

Abb. 5.6 Erythrasma.


5.4.2 Trichomycosis palmellina
Synonym: Trichomycosis axillaris.
Definition: Besiedlung der Achselhaare durch Corynebacterium tenue.
Klinik: Die Achselhaare sind von kleinen Bakterienkolonien ummantelt, deren orange-bräunlicher
Farbton (Sekrete der Korynebakterien) den Eindruck vermittelt, als seien die Haare mit gefärbtem
Puderzucker bestäubt (▶ Abb. 5.7). Ferner stechender Schweißgeruch. Das Pigment der
Korynebakterien findet sich auch in der Leibwäsche.
Diagnostik: Klinischer Aspekt, unangenehmer Geruch. Im Wood-Licht korallenrote Fluoreszenz.
Mikroskopie. Kultur nicht möglich.
Differenzialdiagnosen: Haarschaftzylinder („hair casts“), Nissen.
Therapie: Abrasieren der Achselhaare, Körperhygiene, reizarme Desodorantien, antiseptische Seifen.

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Abb. 5.7 Trichomycosis palmellina.

5.4.3 Hautdiphtherie
Definition: Primär kutane Infektion mit Corynebacterium diphtheriae.
Epidemiologie: In den Tropen häufig, meist sind Kinder betroffen. Import durch Tourismus ist
möglich. In den USA wurden Endemien bei Obdachlosen beschrieben.
Klinik: Initial Blasenbildung, dann zentrale Nekrose mit Ausbildung eines schlecht heilenden, tiefen,
graubelegten Ulkus. Anfänglich keine Allgemeinsymptome.
Komplikationen: Risiko der Nasen- (einseitiger Eiterpfropf) und Rachendiphtherie. Neurologische
und kardiale Komplikationen infolge Toxinproduktion.
Diagnostik: Haut- oder Rachenabstrich. Immunstatus.
Differenzialdiagnosen: Hauttuberkulose, Schwimmbadgranulom, Erysipeloid, Hautmilzbrand, Herpes
simplex, Melkerknoten.
Therapie: Penicillin G 1,2 Mio. I.E./d i.m. für 3 Wochen oder Erythromycin 3–4 × 500 mg/d p.o.
Achtung: Bei Verdacht auf klassische Rachendiphtherie sofortige Antitoxinapplikation und
infektiologisches Fachkonsil.

5.5 Gramnegative Bakterien

5.5.1 Akute Meningokokkensepsis


Definition: Lebensbedrohliche generalisierte Infektion durch Neisseria meningitidis.
Beachte: Meldepflicht bei Verdacht, Erkrankung und Tod.
Klinik:
Allgemeinsymptome: Kopfschmerzen, Nackensteife, Übelkeit, Erbrechen, Myalgien.
Hautveränderungen:
Multiple kleine Petechien, zumeist an den Extremitäten einschließlich der Palmae und
Plantae, selten im Bereich der Mundschleimhaut.
Bei großflächigen Hämorrhagien und Nekrosen schlechte Prognose.
Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom: Maximalvariante mit disseminierter intravasaler
Gerinnung (DIC) und Nebennierenrinden-Infarkten. Meist bei Kleinkindern.
Diagnostik: Unverzüglich Liquorpunktion und Blutkultur. Im eitrigen Liquorsediment gramnegative,
extra- und intrazellulär gelagerte Diplokokken.
Differenzialdiagnosen:
Neisseria meningitidis verursacht über 50 % der bakteriellen Meningitiden bei Jugendlichen
und 30 % bei Erwachsenen. Bezüglich weiterer Erreger wird auf die Lehrbücher der
internistischen Infektiologie verwiesen.
Die wichtigsten dermatologischen Differenzialdiagnosen sind bei schwerem Verlauf die
Purpura fulminans (meist durch Streptokokken), bei milderem Verlauf die subakute bakterielle
Endokarditis, die leukozytoklastische Vaskulitis und virale Exantheme.
Therapie: Isolation bereits bei Verdacht auf Meningokokkenmeningitis. Infektiologisches Fachkonsil.
In leichten Fällen Ceftriaxon 2,0 g 2 × tgl. i.v. und Ampicillin 2,0 g 4 × tgl. i.v. über 2 Wochen. Bei

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komplizierten Fällen (Infektion im HNO-Bereich, Trauma, Nosokomialinfektion) das Gesundheitsamt
informieren. Kontaktpersonen ermitteln, ggf. Prophylaxe mit Rifampicin oder Ciprofloxacin.

5.5.2 Chronische Meningokokkensepsis


Definition: Häufig übersehene chronische Infektion durch Neisseria meningitidis mit Haut- und
Gelenkbeteiligung.
Epidemiologie: Selten; epidemisches Auftreten in Studentenwohnheimen und Kasernen.
Klinik:
Langsame progrediente Symptomatik mit Fieber, Cephalgie, Myalgie und Arthralgie.
Rezidivierende Fieberschübe.
Die Hautveränderungen sind oft juxtaartikulär lokalisiert. Kleine blassrote Papeln oder Pusteln,
Petechien, manchmal Hämorrhagien. Seltener Erythema nodosum.
Diagnostik: Blutkultur, Hautbiopsie.
Differenzialdiagnose: Ähnlich der disseminierten Gonokokkensepsis, aber eher chronisch.
Therapie: Wie bei akuter Meningokokkensepsis, evtl. kürzere Behandlungsdauer.

5.5.3 Pseudomonas-Infektionen
Pseudomonas aeruginosa verursacht vielfältige Hautinfektionen. Die Manifestationen des
sogenannten „Pyozyaneus“ reichen von harmlos bis lebensbedrohlich.
Pseudomonas aeruginosa-Paronychie:
Definition: Infektion des Nagelapparats mit Pseudomonas aeruginosa.
Klinik: Typisch ist chronische Exposition der Hände gegen Wasser mit Mazeration der zuvor
intakten Kutikula. Sehr schmerzhafte Rötung und Schwellung des Nagelwalles, graugrüne
Verfärbung des Nagels.
Diagnostik: Im Woodlicht wird das grün fluoreszierende bakterielle Pigment sichtbar.
Bakterien- und Pilzkultur.
Differenzialdiagnose: Alle Formen der Paronychie.
Therapie:
Lokale austrocknende und antiseptische Maßnahmen, Essigsäure (feuchter
Weinessigverband, anschließend Föntrocknung).
Prädisponierende Faktoren ausschalten.
Bei Mischinfektion mit Candida albicans zusätzliche Lokalbehandlung mit
Imidazol-Lösung oder Systemtherapie mit Fluconazol.
Selten systemische Antibiose mit Chinolon (Ciprofloxacin), Cephalosporin
(Cefuroxim), oder Gyrasehemmer (Ofloxacin) notwendig.
Cave: Multiple Antibiotikaresistenzen von Pseudomonasa aeruginosa unter
Klinikbedingungen.
Gramnegativer Fußinfekt:
Definition: Akute Infektion der Zehenzwischenräume, meistens durch Pseudomonas
aeruginosa, aber auch durch andere gramnegative Erreger, evtl. als Mischinfektion.
Klinik: Stark nässende, süßlich-faulig riechende Infektion, oft bei Hyperhidrose und
okklusiver Fußbekleidung (erhebliches Problem bei US-Soldaten im Vietnamkrieg). Häufig
chronische Tinea pedis als Eintrittspforte (gemischter Fußinfekt).
Diagnostik: Bakterien- und Pilzkultur. Mykologisches KOH-Nativpräparat.
Differenzialdiagnosen: Kontaktekzem, Podopompholyx, Phlegmone.
Therapie:
Prädisponierende Faktoren (siehe oben) ausschalten.
Lokal austrocknende und antiseptische Maßnahmen. Lokale und systemische
Imidazole.
Systemantibiose mit Chinolonen (Ciprofloxacin) bzw. nach Antibiogramm.
Cotrimoxazol ist zwar ebenfalls wirksam, begünstigt aber die Resistenzentwicklung
von gramnegativen Bakterien.
Whirlpool-Dermatitis:
Definition: Rezidivierende Follikulitiden durch Baden in von Pseudomonas aeruginosa
kolonisierten Whirlpools.
Klinik: Oberflächliche, meist follikuläre Infektionen. Das Risiko schwerer Systeminfektionen
ist gering.
Diagnostik: Das klinische Bild im anamnestischen Zusammenhang ist diagnoseweisend.
Versuch des Erregernachweises im bakteriologischen Abstrich.
Differenzialdiagnosen: Impetigo Bockhart, Miliaria rubra, Varizellen.

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Therapie: Die Hauterscheinungen sind oft selbstlimitiert, so das eine über austrocknende
Maßnahmen hinausgehende Therapie zumeist nicht erforderlich ist. In hartnäckigen Fällen
wird eine Systemantibiose mit Chinolonen empfohlen.
Infektionen von Wunden und Brandverletzungen durch Pseudomonas aeruginosa:
Klinik: Pseudomonas aeruginosa kolonisiert häufig Verbrennungsareale und großflächige
Wunden. Dabei verleiht er dem Exsudat neben dem typischen grünblauen Farbton
(„Pyozyaneus“) einen charakteristischen süßlich-fauligen Geruch.
Diagnostik: Kultur, Antibiogramm. Grünfluoreszenz der Wunden im Woodlicht.
Differenzialdiagnosen: Weichgewebsinfektionen durch andere gramnegative Keime wie E.
coli, Klebsiellen, Proteus und Enterobacter müssen insbesondere wegen der
Resistenzproblematik mikrobiologisch abgegrenzt werden. Ferner ist an streptogene
Infektionen (Maximalvariante: Fourniersche Gangrän) mit anderen therapeutischen
Konsequenzen zu denken.
Therapie: Desinfizierende feuchte Umschläge (Octenisept) meist ausreichend.
Cave: Risiko einer Pseudomonas aeruginosa-Sepsis, insbesondere bei Diabetikern und
Immunsupprimierten.
Pseudomonas-aeruginosa-Sepsis:
Definition: Lebensbedrohliche Infektion durch Pseudomonas aeruginosa. Manchmal kann
anhand der Hautsymptome die frühe Diagnose gestellt werden.
Epidemiologie: Prädisponierende Faktoren: Immunsuppression, Diabetes mellitus, maligne
Tumoren, Langzeitantibiose.
Klinik:
Initial hämorrhagische Bläschen und Blasen, einzeln oder gruppiert über das gesamte
Integument verteilt. Ulzerationsneigung in Beugenbereichen: Ecthyma
gangraenosum.
Fortschreiten mit subkutanen Abszessen und Cellulitis gangraenosa: An
Dekubitalulzera erinnernde Läsionen, die jedoch nicht im Bereich von Druckstellen
gelegen sind.
Schwere Allgemeinsymptomatik.
Diagnostik: Verdächtig sind akut und schwer erkrankte Patienten mit Risikofaktoren und
kutanen Hämorrhagien oder Ulzerationen. Gramfärbung des Direktpräparates, Biopsie für
Kultur und Histologie.
Differenzialdiagnosen: Viele Mikroorgansimen können eine Sepsis bei immunsupprimierten
Patienten verursachen. Vordergründig sollte an Meningokokkensepsis und Purpura fulminans
gedacht werden.
Therapie: Breitbandantibiotika nach Antibiogramm. Initialtherapie mit Tobramycin, ggf. in
Kombination mit Breitspektrumpenicillinen oder Cephalosporinen.
Cave: Tobramycin ist oto- und nephrotoxisch. Aminoglykoside und Penicillin dürfen
wegen Inaktivierung des Aminoglykosids nicht in derselben Infusion gemischt
werden.

5.5.4 Hautveränderungen bei Haemophilus influenzae-


Infektionen
Epidemiologie: Die Verfügbarkeit einer Impfung hat die Erkrankungszahl deutlich reduziert.
Klinik:
Invasive Infektionen durch Haemophilus influenzae betreffen zumeist Kinder. Häufigste
Manifestation in dieser Altersgruppe ist die Meningitis, aber auch Phlegmonen und andere
Infektionen treten auf. Die Phlegmone folgt im typischen Fall einer Infektion der oberen
Atemwege und manifestiert sich daher meist im Gesicht.
Diagnostik: Kultur aus Nasen-Rachen-Abstrich.
Differenzialdiagnosen: Weichgewebeinfektionen durch Staphylokokken oder Streptokokken, Herpes
simplex (vegetans), Zoster (Trigeminus).
Therapie: Breitbandantibiotika wie Cephalosporine der 2. Generation oder Amoxicillin/Clavulansäure,
alternativ Cotrimoxazol oder Ciprofloxacin.

5.5.5 Hautveränderungen bei Salmonelleninfektionen


Definition: Salmonella typhi und die verwandte Paratyphus-Gruppe verursachen Systeminfektionen
einschließlich des Typhusfiebers. Andere Salmonella spp. rufen hauptsächlich Gastroenteritiden
hervor.
Epidemiologie: Hautveränderungen treten bei etwa 60 % der Salmonella typhi-Infektionen auf. Bei
anderen Salmonellenarten sind sie seltener und wenig spezifisch.

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Klinik:
Schweres Krankheitsgefühl, respiratorische Symptome und Hepatosplenomegalie. Eine milde
Enteritis kann vorangehen.
Typhusroseolen: Meist am Abdomen lokalisierte, gruppierte, 2–3 mm große, blassrosafarbene
und unter Diaskopie abblassende Papeln im späteren Verlauf der Erkrankung. Abheilung unter
Hyperpigmentierung, gleichzeitig können neue Läsionen entstehen.
Weitere Hautmanifestationen: Ulzeröse Vulvitis oder Proktitis, hämorrhagische Exantheme,
Erythema nodosum.
Diagnostik: Stuhlkultur.
Differenzialdiagnosen: Syphilis, Taches bleues, bazilläre Angiomatose.
Therapie: Ciprofloxacin 500 mg 2 × tgl. p.o. oder Ceftriaxon 2 g/d i.v. über 10–14 Tage.

5.5.6 Gramnegative Pyodermien


Definition: Häufig nach Tropenreisen, langer Antibiotikatherapie oder bei immunsupprimierten
Patienten.
Klinik: Es gibt verschiedene klinische Manifestationsmuster.
Tropische Ulzera: Ausgestanzt wirkende, schmierig belegte Ulzera nach Tropenaufenthalt.
Schweres Krankheitsgefühl, respiratorische Symptome und Hepatosplenomegalie. Eine milde
Enteritis kann vorangehen.
Schankriforme Pyodermie: Aggressive, stark unterminierte Ulzera, oft im Genitalbereich.
Häufig Fehlinterpretation als →
→ Pyoderma gangraenosum.
Blastomykotische Pyodermie: Ähnlich der schankriformen Pyodermie, aber zusätzlich die
epithelial-verrukösen Läsionen der Blastomykose.
Noma: Destruktive orofaziale Ulzeration, häufig bei unterernährten Kindern ärmerer Länder.
Extreme Erscheinungsform der Malnutrition.
Diagnostik: Aerobe und anaerobe Kultur aus Abstrich und Biopsie: Oft verwirrendes Kulturergebnis
aus sowohl Staphylokokken und Streptokokken als auch gramnegativen Aerobiern und Anaerobiern.
Zudem kann eine gesteigerte Immunreaktion bestehen.
Differenzialdiagnose: Ecthyma (Streptokokken, Überlappung möglich), arterielle (PAVK IV) und
venöse (CVI) Ulzera, Pyoderma gangraenosum (sehr selten), Artefakte, Mykobakteriose (Buruli-
Ulkus), kutane Blastomykose.
Therapie: Antibiogrammgerechte Antibiose. Kalkuliert Metronidazol 400 mg 3 × tgl. p.o. in
Kombination mit Ciprofloxacin 500 mg 2 × tgl. p.o.

5.5.7 Bartonella-Infektionen
Bartonellen sind kleine gramnegative Bakterien, die nur schwer zu kultivieren und zu klassifizieren
sind. Es gibt Überlappungen zu den Rickettsien.
Die wichtigsten Spezies sind:
Bartonella henselae: Erreger der →
→ Katzenkratzkrankheit.
Bartonella quintana: Erreger des Fünftagefiebers (Synonym: Trench fever, Wollhynsches
Fieber). Wird durch die Kleiderlaus übertragen, der Mensch ist das einzige Reservoir. Im 1.
Weltkrieg war das „Schützengrabenfieber“ gefürchtet.
Bartonella bacilliformis: Auftreten in den Anden, Verbreitung durch die Sandfliege.
Manifestation als akute Systeminfektion (Oroya-Fieber) oder als chronische, selbstheilende,
verruköse Gefäßtumoren (Verruga peruana).
Bazilläre Angiomatose:
Definition: Chronische Infektion durch Bartonella henselae oder Bartonella quintana mit
resultierender Gefäßneubildung, meistens bei Patienten mit HIV/AIDS.
Klinik: Oft im Gesicht lokalisierte erythematöse Papeln und Plaques mit rascher Zunahme an
Zahl und Größe sowie Neigung zur Konfluenz. Auch Leber (Peliosis), Milz und Knochenmark
(häufigste Ursache für Osteomyelitis bei HIV/AIDS) können betroffen sein.
Diagnostik: Erregernachweis in der Hautbiopsie mittels Warthin-Starry-Färbung.
Diagnosesicherung durch PCR.
Differenzialdiagnosen: Kaposi-Sarkom, atypische Mykobakteriosen, viele weitere
Dermatosen bei immunsupprimierten Patienten.
Therapie: Makrolidantibiotika (Azithromycin, Clarithromycin) sowie Rifampicin sind die
Therapeutika der Wahl. Unter Berücksichtigung der Immundefizienz der Patienten ist eine
Langzeitbehandlung über mindestens 6 Wochen, ggf. in Kombination der genannten
Wirkstoffe, erforderlich.

5.6 Erkrankungen der Schweißdrüsen mit bakteriell-


infektiöser Komponente

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5.6.1 Miliaria rubra
Synonym: „Schweißfriesel“.
Definition: Entzündungsreaktion infolge einer Verstopfung und Abflussbehinderung der
Schweißdrüsenausführungsgänge durch Konglomerate aus gequollenem Keratin und residenten
Hautbakterien.
Ätiopathogenese:
Miliaria rubra: Sekretionsstop im Bereich des Stratum granulosum mit konsekutiver
Schweißperfusion in die papilläre Dermis mit entsprechender inflammatorischer Reaktion; die
Entzündung wird dabei teils durch die residenten Bakterien, teils durch die irritative
Schweißwirkung hervorgerufen.
Miliaria cristallina: Blockade im Bereich des Stratum corneum ohne dermalen
Schweißaustritt und demzufolge ohne Entzündungsreaktion; Typische Ursachen: Hohe
Umgebungstemperatur, Schweißneigung, Okklusiveffekte durch Kleidung oder Bettzeug;
gelegentliches Auftreten bei Neugeborenen, evtl. durch den plötzlichen Wechsel in eine
trockene Umgebung.
Klinik: Exanthematische Eruption juckender und brennender Papulovesikel an von Kleidung
bedeckten stammbetonten Hautarealen. Stärkere Impetiginisierung bezeichnet man als Miliaria
pustulosa, die Ausbildung tieferer Infiltrate als Miliaria profunda. Bei der abzugrenzenden Miliaria
cristallina sind multiple kleine wasserklare Bläschen steril.
Diagnostik: Klinisches Bild. Eine mikrobiologische Diagnostik ist meist unergiebig.
Differenzialdiagnosen:
Neutrophile ekkrine Hidradenitis: Ähnliches Bild, der ekkrine Schweiß ist verantwortlich
für die Elimination chemotherapeutischer Substanzen; manchmal werden die Schweißdrüsen
durch diese Chemikalien geschädigt und reagieren mit einer sterilen pustulösen Eruption;
häufig ist dieses Phänomen bei akuter myeloischer Leukämie unter Chemotherapie zu
beobachten, gelegentlich aber tritt es auch idiopathisch auf; ggf. bedarf es einer Biopsie zur
Sicherung der Diagnose.
Weitere DD: Superfizielle Follikulitis, Periporitis suppurativa, papulöse Exantheme und
Morbus Grover (transiente akantholytische Dermatose älterer Männer).
Therapie: Hitzstau und starkes Schwitzen verhindernde Maßnahmen sind beispielsweise der Wechsel
zu lockerer luftiger Baumwollkleidung und kühlende Bäder. Entsprechend der Akuizität des
Hautbefundes kommen topische Steroidlotionen und Antiseptika zum Einsatz.

5.6.2 Periporitis suppurativa


Definition: Überwiegend bei Säuglingen und Kleinkindern auftretende eitrige Entzündung der
ekkrinen Schweißdrüsenausführungsgänge.
Pathogenese: Die bakterielle Infektion durch die kutane Standort- oder Transientflora wird durch
mechanische Irritation, Wärmestau und Hyperhidrosis begünstigt. Der nicht ganz exakte Begriff der
„Periporitis“ ist vermutlich der auffälligen inflammatorischen Umgebungsreaktion geschuldet.
Klinik: Die von einem entzündlich-geröteten Hof umgebenden Pusteln sind zwar multipel ausgestreut,
aber auf charakteristische Prädilektionsstellen begrenzt: Bei Kindern Auflageareale wie Hinterkopf,
oberer Rücken und Gesäß, bei Erwachsenen hauptsächlich die Achseln.
Diagnostik: Klinik, bakterieller Abstrich.
Differenzialdiagnosen: Miliaria rubra, Follikulitis, Furunkel, axilläres Kontaktekzem, Intertrigo
candidomycetica.
Therapie: Ggf. Eröffnen der Pusteln. Lokal austrocknende und antiseptische Behandlung.

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