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resultierender Gefäßneubildung, meistens bei Patienten mit HIV/AIDS.

Klinik: Oft im Gesicht lokalisierte erythematöse Papeln und Plaques mit rascher Zunahme an
Zahl und Größe sowie Neigung zur Konfluenz. Auch Leber (Peliosis), Milz und Knochenmark
(häufigste Ursache für Osteomyelitis bei HIV/AIDS) können betroffen sein.
Diagnostik: Erregernachweis in der Hautbiopsie mittels Warthin-Starry-Färbung.
Diagnosesicherung durch PCR.
Differenzialdiagnosen: Kaposi-Sarkom, atypische Mykobakteriosen, viele weitere
Dermatosen bei immunsupprimierten Patienten.
Therapie: Makrolidantibiotika (Azithromycin, Clarithromycin) sowie Rifampicin sind die
Therapeutika der Wahl. Unter Berücksichtigung der Immundefizienz der Patienten ist eine
Langzeitbehandlung über mindestens 6 Wochen, ggf. in Kombination der genannten
Wirkstoffe, erforderlich.

5.6 Erkrankungen der Schweißdrüsen mit bakteriell-


infektiöser Komponente

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5.6.1 Miliaria rubra
Synonym: „Schweißfriesel“.
Definition: Entzündungsreaktion infolge einer Verstopfung und Abflussbehinderung der
Schweißdrüsenausführungsgänge durch Konglomerate aus gequollenem Keratin und residenten
Hautbakterien.
Ätiopathogenese:
Miliaria rubra: Sekretionsstop im Bereich des Stratum granulosum mit konsekutiver
Schweißperfusion in die papilläre Dermis mit entsprechender inflammatorischer Reaktion; die
Entzündung wird dabei teils durch die residenten Bakterien, teils durch die irritative
Schweißwirkung hervorgerufen.
Miliaria cristallina: Blockade im Bereich des Stratum corneum ohne dermalen
Schweißaustritt und demzufolge ohne Entzündungsreaktion; Typische Ursachen: Hohe
Umgebungstemperatur, Schweißneigung, Okklusiveffekte durch Kleidung oder Bettzeug;
gelegentliches Auftreten bei Neugeborenen, evtl. durch den plötzlichen Wechsel in eine
trockene Umgebung.
Klinik: Exanthematische Eruption juckender und brennender Papulovesikel an von Kleidung
bedeckten stammbetonten Hautarealen. Stärkere Impetiginisierung bezeichnet man als Miliaria
pustulosa, die Ausbildung tieferer Infiltrate als Miliaria profunda. Bei der abzugrenzenden Miliaria
cristallina sind multiple kleine wasserklare Bläschen steril.
Diagnostik: Klinisches Bild. Eine mikrobiologische Diagnostik ist meist unergiebig.
Differenzialdiagnosen:
Neutrophile ekkrine Hidradenitis: Ähnliches Bild, der ekkrine Schweiß ist verantwortlich
für die Elimination chemotherapeutischer Substanzen; manchmal werden die Schweißdrüsen
durch diese Chemikalien geschädigt und reagieren mit einer sterilen pustulösen Eruption;
häufig ist dieses Phänomen bei akuter myeloischer Leukämie unter Chemotherapie zu
beobachten, gelegentlich aber tritt es auch idiopathisch auf; ggf. bedarf es einer Biopsie zur
Sicherung der Diagnose.
Weitere DD: Superfizielle Follikulitis, Periporitis suppurativa, papulöse Exantheme und
Morbus Grover (transiente akantholytische Dermatose älterer Männer).
Therapie: Hitzstau und starkes Schwitzen verhindernde Maßnahmen sind beispielsweise der Wechsel
zu lockerer luftiger Baumwollkleidung und kühlende Bäder. Entsprechend der Akuizität des
Hautbefundes kommen topische Steroidlotionen und Antiseptika zum Einsatz.

5.6.2 Periporitis suppurativa


Definition: Überwiegend bei Säuglingen und Kleinkindern auftretende eitrige Entzündung der
ekkrinen Schweißdrüsenausführungsgänge.
Pathogenese: Die bakterielle Infektion durch die kutane Standort- oder Transientflora wird durch
mechanische Irritation, Wärmestau und Hyperhidrosis begünstigt. Der nicht ganz exakte Begriff der
„Periporitis“ ist vermutlich der auffälligen inflammatorischen Umgebungsreaktion geschuldet.
Klinik: Die von einem entzündlich-geröteten Hof umgebenden Pusteln sind zwar multipel ausgestreut,
aber auf charakteristische Prädilektionsstellen begrenzt: Bei Kindern Auflageareale wie Hinterkopf,
oberer Rücken und Gesäß, bei Erwachsenen hauptsächlich die Achseln.
Diagnostik: Klinik, bakterieller Abstrich.
Differenzialdiagnosen: Miliaria rubra, Follikulitis, Furunkel, axilläres Kontaktekzem, Intertrigo
candidomycetica.
Therapie: Ggf. Eröffnen der Pusteln. Lokal austrocknende und antiseptische Behandlung.
5.6.3 Hidradenitis
Definition: Eitrig einschmelzende Infektion der Schweißdrüsen.
Pathogenese: Ein akuter Abszess im Bereich schwitzender behaarter Regionen ist schwierig zu
definieren. In den Axillen handelt es sich meist um Follikulitis oder Acne inversa. Die „chronische
Hidradenitis suppurativa“ ist eine irrtümliche Bezeichnung, denn es besteht nahezu immer eine Acne
inversa, die die Haarfollikel betrifft. Die primäre Entzündung axillärer apokriner Drüsen ist selten.
Manche Autoren interpretieren sie auch als Maximalvariante des follikulären Okklusionssyndroms
(siehe Miliaria rubra).
Klinik: Zumeist solitärer, hasel- bis maximal walnussgroßer, heftig entzündlicher und äußerst
druckschmerzhafter axillärer Knoten mit Einschmelzung und Spontanperforation nach einigen Tagen.
Diagnostik: Blickdiagnose, ggf. bakterieller Abstrich aus Pus.
Therapie: Stichinzision, Antiseptika, Systemantibiose selten erforderlich.

5.7 Okuläre Infektionen

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Die Augenlider und die Periorbitalregion sind für verschiedene bakterielle Infektionen prädisponiert,
die sich klinisch ähnlich manifestieren.

5.7.1 Hordeolum
Synonym: Gerstenkorn.
Definition: Akute Staphylokokkeninfektion der Drüsen des Augenlides.
Hordeolum externum: Infektion der am Lidrand befindlichen Zeis- (modifizierte Talgdrüsen)
oder Moll-Drüsen (modifizierte apokrine Drüsen).
Hordeolum internum: Infektion der Meibom-Drüsen (modifizierte Talgdrüsen im hinteren
Lidbereich). Es kann nur an der ektropionierten Konjunktiva diagnostiziert werden und geht oft
mit Ödem oder Weichgewebsinfektion einher.
Klinik: Von erheblichem Fremdkörpergefühl oder Schmerzhaftigkeit begleitete Knötchen bzw.
Abszesse in den entsprechenden Lidbereichen.
Diagnostik: Bakterieller Abstrich. Bei ausgeprägtem oder rezidivierendem Befund ophthalmologische
Basisdiagnostik (Spaltlampenuntersuchung der Lider, der Lidkanten, der Bindehaut, der Hornhaut und
des Tränenfilms sowie Visusbestimmung).
Differenzialdiagnosen: Konjunktivitis (z.B. bei Xerophthalmie). Blepharitis. Chalazion.
Therapie: Lokal antibiotisch (Oxytetracyclin-Augensalbe). Bei orbitaler Ausbreitung oder Sepsis
Systemantibiose (Tetracycline oder Erythromycin), bei Hordeolum internum ggf. Stichinzision.
Allgemein lokale Wärmeanwendung, Lidrandhygiene.

5.7.2 Chalazion
Definition: Chronische granulomatöse Entzündung der Meibom-Drüse.
Klinik: Meist schmerzloser, manchmal zystischer Knoten im Bereich des Oberlides.
Diagnostik: Ophthalmologische Basisdiagnostik durch Fachkonsil.
Differenzialdiagnosen: Hordeolum, Karzinom der Meibom-Drüsen.
Therapie: Ophthalmologische operative Entfernung einschließlich histologischer Untersuchung bei
Tumorverdacht.

5.7.3 Blepharitis
Definition: Entzündung des Lidrandes, meist im Rahmen einer seborrhoischen Dermatitis oder infolge
irritativer Noxen wie Rauch und Staub.
Klinik:
Blepharitis squamosa mit trockener Schuppung am Wimperngrund und Madarosis
(Wimpernausfall).
Blepharitis ulcerosa mit entzündlich verdickten, borkig belegten Lidrändern. Madarosis und
Trichiasis (Fehlstellung der nachwachsenden Wimpern).
Diagnostik: Es sollte immer nach Erythem und Schuppung in anderen Prädilektionen (Kapillitium,
retroaurikulär, nasolabial) gesucht werden.
Differenzialdiagnosen:
Rosazea kann ebenfalls eine schmerzhafte und trockene Blepharitis verursachen, fast immer ist
dann eine Konjunktivitis assoziiert.
Auf Nissen achten.
Möglichkeit einer allergischen Kontaktdermatitis gegen Ophthalmologika berücksichtigen.
Keratokonjunktivitis sicca bei Sjögren-Syndrom.
Therapie: Lidrandhygiene. Lokaltherapie mit Desinfizienzien oder Antibiotika, ggf. kurzzeitig auch
topische Steroide oder Steroid-Antibiotika-Kombinationen. Bei schwerem Befund systemische
Antibiose mit Tetracyclinen oder alternativ Erythromycin. Ggf. Expositionsprophylaxe durch
Schutzbrille.

5.8 Infektionen der Finger s. → Nagelerkrankungen

5.9 Zoonosen
Definition: Unter natürlichen Bedingungen von Tieren auf Menschen übertragene Infektionen.

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5.9.1 Anthrax
Synonym: Milzbrand.
Epidemiologie:
Bacillus anthracis ist ein grampositives, aerobes, sporenbildendes Stäbchen, das Jahrzehnte
im Erdreich überdauern kann. Milzbrand tritt bei Haus- und Wildtieren auf und ist traditionell
eine Erkrankung von Veterinären, Tierpflegern, Wildhütern und Arbeitern in der Woll-, Leder-
und Pelzindustrie.
Beachte: Meldepflicht bei Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod.
Heute wird der Einsatz von Milzbrandsporen als Biowaffe gefürchtet. Traurige Berühmtheit
erlangte eine Briefsendung mit Anthrax-Sporen 2001 in den USA.
Klinik:
Hautmilzbrand: Nach Sporeneintritt im Bereich von Bagatelltraumen entwickeln sich rötliche
Papeln, die sich erst vesikulös, dann pustulös umwandeln und schließlich ulzerieren. Später
entsteht ein harter schwarzer Schorf, der mit leichter Narbenbildung abheilt. Obwohl diese
charakteristische und überraschenderweise schmerzfreie Läsion Pustula maligna genannt
wird, ist Eiterabsonderung eher ungewöhnlich. Lymphadenopathie kann assoziiert sein
(ulzeroglanduläre Form). Unbehandelt sind septische Verläufe möglich.
Lungenmilzbrand: Nach Inhalation von Sporen. Zu Beginn grippeähnliche Symptomatik mit
Fieber. Verbreitertes Mediastinum im Thoraxröntgen (nekrotisierende Mediastinitis). Im
Anschluss fulminanter Verlauf mit Todesfolge nach 1–2 Tagen. Darmmilzbrand ist eine seltene
Folge der Aufnahme von Sporen über die Nahrung und verläuft ebenfalls meist fatal.
Diagnostik: Anamnese. Bakteriologische Diagnostik aus Abstrich- oder Biopsiematerial.
Sensibilitätsprüfung gegen Penicillin!
Differenzialdiagnosen: Furunkel (schmerzhaft), Bulla repens, Granuloma pyogenicum, Herpes-
simplex-Infektion (Rezidive), Orf, Melkerknoten, Tularämie, Hautpest.
Therapie: Mittel der Wahl sind Ciprofloxacin 500 mg 2 × tgl. p.o. oder Doxycyclin 100 mg 2 × tgl.
für milde Formen der Erkrankung unterhalb des Kopfes. In schwereren Fällen, bei ausgeprägtem Ödem
oder bei Gesichtsbefall ist die intravenöse Anwendung empfohlen. Bei nachgewiesener Sensibilität
gegen Penicillin ist der Wechsel auf Amoxicillin oder i.v.-Penicillin günstig. Bei Ödem ggf. intravenöse
Kortikosteroide.
Achtung: Die Therapie beeinflusst die Hautläsionen nicht! Die Behandlung muss über 60
Tage fortgeführt werden, um eine effektive Prophylaxe gegen den Lungenmilzbrand
darzustellen.
Prophylaxe: Ciprofloxacin oder Doxycyclin nach möglicher Exposition.
Immunisierung: 2 Impfstoffe sind verfügbar, allerdings sind diese nur kurzzeitig wirksam und fraglich
effektiv. Genereller Einsatz beim US-Militär.
Prognose: Lungenmilzbrand endet fast immer letal, Hautmilzbrand kann meistens geheilt werden.

5.9.2 Erysipeloid (Rotlauf)


Epidemiologie: Erysipelothrix rhusiopathiae ist ein ist ein grampositives Stäbchen, das eine
Vielzahl von Tieren einschließlich Schweinen, Salzwasserfischen und Geflügel infiziert. Risikogruppen
sind Metzger und Fischer mit Krankheitshäufung in den Sommermonaten.
Klinik:
Inkubationszeit: 2–8 Tage.
Charakteristischer Befund: Livide oder rötliche, randbetonte Plaques, meist an Fingern oder
Handrücken.
Meistens milder Verlauf. Selten Gelenkbeteiligung; bei Immundefizienz evtl. Sepsis oder
Endokarditis.
Diagnostik: Anamnese. Ggf. Erregernachweis aus Biopsiematerial.
Differenzialdiagnosen: Schwimmbadgranulom. Tularämie (Lymphadenopathie). Hautmilzbrand
(schwarzer Schorf). Vibrio vulnificus, übertragen durch Kontakt mit Krabben oder Hummern,
verursacht ähnliche Läsionen, speziell bei Immunsupprimierten.
Therapie: Penicillin G 1,2 Mio. I.E. 1–2 × tgl. i.m. Bei Penicillinallergie Erythromycin oder
Tetracyclin.

5.9.3 Rickettsiosen
Synonym: Fleckfieber.
Definition: Rickettsien sind kleine obligat intrazelluläre gramnegative Bakterien mit Zellwand.
Wichtige Vertreter, s. ▶ Tab. 5.5.

Tab. 5.5 Rickettsien.

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Erreger Erkrankung Vektor

Rickettsia rickettsii Rocky-Mountain-Fleckfieber Zecken

Rickettsia prowazekii epidemischer Flecktyphus Läuse

Rickettsia typhi endemischer Flecktyphus Läuse, Flöhe

Rickettsia conori mediterranes Zeckenbissfieber Zecken

Rickettsia acari Rickettsienpocken Milben

Epidemiologie: Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch Biss oder Stich viszeral infizierter
Arthopoden. Nagetiere sind meistens das natürliche Tierreservoir, der Mensch ist nur Zufallswirt.
Geografische und hygienische Faktoren spielen bei der Verbreitung eine wichtige Rolle (typisch:
Fleckfieberepidemien in Kriegsgebieten und nach Naturkatastrophen). Endemisch in kühleren
Höhenlagen der Tropen (Asien, Zentral- und Südamerika, Zentral- und Ostafrika). Langanhaltende
Immunität.
Klinik:
1–3 Wochen nach Infektion durch Insektenstich oder -biss Kopfschmerzen, Nausea,
Schüttelfrost und hohes Fieber. Typischerweise nekrotisierende Papel an der Eintrittsstelle.
Beim Rocky-Mountain-Fleckfieber (RMSF) kann Lymphadenopathie auftreten, die beim
Flecktyphus fehlt.
Wenige Tage nach dem Fieber entwickeln sich meist stammbetonte makulopapulöse
Exantheme evtl. mit hämorrhagischer Umwandlung. Beim RMSF Beginn an Palmae und
Plantae. Beim epidemischen Typhus auch periphere Vaskulitis.
Diagnostik: Die klassische Weil-Felix-Reaktion ist nicht speziesspezifisch und wird erst knapp 2
Wochen nach Infektion positiv. Daher ist der Einsatz von Mikroimmunfluoreszenz oder Immunoblot
empfohlen, die Antikörper sind auch für die Histologie anwendbar.
Differenzialdiagnose: Die Exantheme sind klinisch nicht spezifisch, die Anamnese und eine
hämorrhagische Morphe können jedoch Anhaltspunkte sein.
Therapie:
Leichte bis mittelschwere Infektionen: Doxycyclin 2 × 100 mg/d p.o. über 2–5 Tage.
Schwere Infektionen: Hospitalisation und i.v. Medikation.
Bezüglich Therapiealternativen siehe Lehrbücher der Infektiologie.
Prophylaxe: Einmalig Doxycyclin 100–200 mg p.o. bei Zeckenstich oder Läusebiss in
Endemiegebieten. Konsequente Läusebekämpfung und Hygiene.

5.9.4 Tularämie
Synonym: Hasenpest.
Definition: Francisella tularensis ist ein gramnegatives Stäbchen und kommt bei einer Vielzahl
kleiner Säugetiere in Europa und überwiegend in Nordamerika vor; Tulare ist eine Stadt in Kalifornien.
Epidemiologie: Übertragung durch direkten Kontakt (z.B. Jäger) oder über Vektoren (Mücken,
Zecken).
Beachte: Meldepflicht bei Verdacht, Erkrankung und Tod.
Klinik: 4 klinische Formen:
Ulzeroglanduläre Form: Häufigste Variante. Oft bei Jägern, die infizierte Hasen ausnehmen.
2–10 Tage nach kutaner Erregerinvasion entsteht eine kleine Pustel, die rasch nekrotisch
zerfällt und sich zu einem großen, von schwarzen Krusten bedeckten Ulkus mit erhabenem
Randwall ausdehnt. Regionäre Lymphadenopathie. Mortalität unbehandelt 5 %.
Okuloglanduläre Form: Ähnlich mit periokulärer Nekrosebildung, die Erregerinvasion
erfolgt über die Konjunktiven. Eine sekundäre Schädigung des Augapfels ist möglich.
Typhoidale Form: Fieber ohne Lokalsymptome.
Pulmonale Form: Direkte Lungeninfektion (primäre Pneumonie).
Diagnostik: Klinik. Direkte Immunfluoreszenz für Erregernachweis aus Hautbiopsie, Blut oder
Knochenmark. Typische Lymphknoten-Histologie (zonale Nekrose), Serologie erst nach Wochen
positiv.
Differenzialdiagnosen: Hautmilzbrand, Erysipeloid, hämorrhagische Iktusreaktion,
Schwimmbadgranulom. Initial Granuloma pyogenicum, Melkerknoten, Orf.
Therapie: Streptomycin 1–2 g/d i.m. oder Gentamycin 5 mg/kgKG/d i.v. über 7–14 Tage. Eventuell
adjuvant Interferon-γ zur Immunstimulation. Für Alterativen s. Lehrbücher der Infektiologie.

5.9.5 Katzenkratzkrankheit
Definition: Gutartige, selbstheilende Infektionskrankheit durch Bartonella henselae, ein kleines

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pleomorphes gramnegatives Stäbchen.
Epidemiologie: Meist sind Kinder und Jugendliche betroffen. Übertragung durch Katzen (Kratz- oder
Bissverletzung).
Klinik:
Inkubationszeit: 3–14 Tage.
Primärläsion im Bereich des Kratzdefektes (nur bei 50 % der Patienten): 0,5–1 cm große
Papeln mit zunächst papulöser und dann knotiger Umwandlung, meist an Hand oder Unterarm.
Abheilung nach 1–2 Monaten.
Zumeist einseitige, oft entzündlich-fluktuierende und schmerzhafte Lymphknotenschwellung.
Rückbildung nach 1–2 Monaten.
Allgemeinsymptome: Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit, Gelenk- und Muskelschmerzen,
auch Erythema exsudativum multiforme oder Erythema nodosum. Seltene Komplikationen
sind Retinitis, Enzephalitis und Parinaud-Syndrom (sterile Konjunktivitis und unilaterale
Lymphadenopathie).
Diagnostik: Sehr schwierig. Der Erreger ist erst seit kurzem bekannt. Die klinische Diagnose wird
durch die PCR unterstützt.
Differenzialdiagnosen: Bei Tularämie, Sarkoidose, Lupus vulgaris und Sporotrichose besteht
gleichfalls Lymphadenopathie. Beim Schwimmbadgranulom und auch bei der Tuberculosis verrucosa
cutis fehlen regionäre Lymphknotenschwellungen.
Therapie: Meist Spontanheilung. Azithromycin 250 mg 1 × tgl. p.o. gilt als Mittel der Wahl.

5.9.6 Tierbisse
Tierbisse stellen etwa 1 % aller Notfälle in chirurgischen Ambulanzen dar. Bei allen Patienten sind das
Risiko einer Tollwutinfektion und der Bedarf einer Tetanusimmunisierung abzuschätzen. Das klinische
Bild variiert entsprechend der Tierart:
Hundebisse:
Meist Riss- und Quetschwunden.
Infektion in nur etwa 20 %, dabei höchstes Infektionsrisiko für die distalen Extremitäten.
Häufigste Erreger: Staphylokokken und Streptokokken, Pasteurella multocida und eine
Reihe von pathogenen Keimen, die ausschließlich bei Hunden auftreten wie Capnocytophaga
canimorsus (Sepsisgefahr bei Splenektomierten!).
Therapie: Amoxicillin/Clavulansäure. Wunden außerhalb des Gesichts und alle älteren
Wunden dürfen nicht verschlossen werden.
Katzenbisse:
Eher punktuelle Wunden, die aber aufgrund ihres „Stichcharakters“ tiefere Strukturen leichter
erreichen als Hundebisse.
Mindestens 50 % aller Bisse infizieren sich.
Pasteurella multicida ist der häufigste Erreger.
Therapie: Amoxicillin/Clavulansäure.
Exotische Bisswunden: Aktuelle Informationen über das Internet. Schwäne beispielsweise übertragen
Pseudomonas aeruginosa. In den USA wurde eine durch Eichhörnchen übertragene
Affenpockenepidemie bekannt. Schlangenbisse imponieren zunächst ebenfalls punktuell, wandeln sich
aber später hämorrhagisch-nekrotisch um und gehen mit teils lebensbedrohlichen
Systemvergiftungserscheinungen einher.
Menschenbisse:
Die übelste aller Bisswunden. Der „versehentliche Biss“ nach Faustschlag mit Zahnkontakt
verursacht häufig Sehnen- und Gelenkinfektion beim Angreifer.
Meistens handelt es sich um Mischinfektionen einschließlich anaerober Spezies.
Therapie: Amoxicillin/Clavulansäure. Bei Handverletzung handchirurgische Vorstellung.

5.10 Borreliose-Infektion (Borreliose)


Synonym: Lyme-Borreliose oder Lyme disease.
Definition: Durch Zeckenstich, selten auch über Stechfliegen und Bremsen übertragene Infektion mit
Borrelia burgdorferi. Stadium I und II entsprechen der Frühphase, Stadium III der Spätphase der
Erkrankung (▶ Abb. 5.8).

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Abb. 5.8 Stadien der Borrelieninfektion (nach Orfanos und Garbe).

Epidemiologie: Borrelia burgdorferi ist eine Spirochätenart, 3 verschiedene Spezies wurden


identifiziert:
Borrelia burgdorferi sensu stricto.
Borrelia garinii.
Borrelia afzelii.
In Europa sind alle 3 Spezies vertreten, in den USA jedoch ausschließlich Borrelia burgdorferi sensu
strictu. Borrelia afzelii verursacht eher neurologische Erkrankungen und Acrodermatitis chronica
atrophicans (diese Manifestationen daher selten in den USA).
Erste Fälle der Borrelien-Arthritis wurden in Connecticut entlang des Lyme River beschrieben, daher
der Name Lyme disease.
Natürlicher Wirt sind Zecken. In Endemiegebieten können über 90 % der Population infiziert sein. Die
wichtigsten Vektoren sind Ixodes ricinus (Westeuropa), Ixodes scapularis (östliche USA) und
Ixodes pacificus (westliche USA). Sowohl adulte Zecken als auch Nymphenstadien übertragen die
Bakterien über Stiche. Das Erkrankungsrisiko liegt bei 1–5/100 Stichen je nach Endemiegebiet. Eine
Übertragung innerhalb der ersten 36 Stunden ist selten, da die Borrelien in den anhaftenden Zecken erst
aktiviert werden müssen. Ein positiver Antikörperstatus bietet keinen Schutz vor Reinfektion.
Klinik:
Stadium I:
Inkubationszeit 10 Tage bis 8 Wochen.
Erythema chronicum migrans (ECM): Ausgehend von einer roten Papel an der
Einstichstelle meist im Bereich des Stammes oder der Extremitäten langsame
zentrifugale Ausbreitung eines zentral abblassenden, anulär wirkenden Erythems (▶
Abb. 5.9a). Oft Juckreiz. Varianten sind multilokuläre Erytheme oder polyzyklische
Läsionen.
Zusätzlich Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Krankheitsgefühl. Abheilung nach
etwa 10 Wochen mit oder ohne Elimination des Erregers.
Beachte: Ein den Zeckenstich umgebender kleiner roter Hof ist nicht zwangsläufig
ein beginnendes Erythema chronicum migrans.
Die Differenzialdiagnosen anulärer Läsionen sollte stets beachtet werden (▶ Tab.
49.5).
Stadium II:
Inkubationszeit 2–12 Monate.

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Lymphadenosis cutis benigna: Frühes ödematöses Stadium mit lymphozytärer
Infiltration an den Ohrläppchen (▶ Abb. 5.9b), Mamillen oder Wangen (Kinder), dann
Entstehung solider rotbrauner Knoten mit glatter Oberfläche. Die 1–2 cm großen
Tumoren bestehen über Monate bis zu 1 Jahr. Histologisch benigne B-Zell-
Proliferation mit zahlreichen Keimzentren.
Neurologische Manifestationen: Meningoenzephalitis, lymphozytische
Meningoradikulitis (Bannwarth-Syndrom), Radikulitis und periphere Paresen
(Fazialisparese u.a.). Liquorpleozytose.
Kardiale Beteiligung: Perikarditis, Myokarditis mit AV-Block und Pankarditis.
Rheumatologische Manifestationen: Arthralgien, Myalgien, Oligoarthritis (oft Knie);
häufiger in den USA.
Weiteres: Lymphadenopathie, entzündliche Augenveränderungen, Nierenbeteiligung.
Stadium III:
Nach 1–10 Jahren (Jahrzehnten).
Acrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer: Es handelt sich um eine
schwerwiegende, chronisch-progressiv atrophisierende Hautinfektion, die sich im
Bereich der distalen Extremitäten (Gelenke, Knie) nicht selten symmetrisch
manifestiert. Nach initialem lividrotem und unscharf begrenztem Hautödem
(ödematöses Stadium) kommt es im Verlauf von Jahren zur Atrophie mit
charakteristischer zigarettenpapierartiger Hautfältelung (▶ Abb. 5.9) und ausgeprägter
durchscheinender Venenzeichnung durch Verlust des subkutanen Fettgewebes
(atrophisches Stadium).
Juxtaartikuläre Knoten: Fibroide Proliferationen über Ellbogen und Knien, die bei
streifenförmiger Ausdehnung auf den Unterarm auch als Ulnarstreifen bezeichnet
werden.
Kutanes Marginalzonen-B-Zell-Lymphom, spricht gelegentlich auf eine Anti-
Borreliose-Therapie an.
Systemzeichen: Periphere Neuropathien, Enzephalomyelitis, chronische Arthritis.
Abb. 5.9
Abb. 5.9a Erythema chronicum migrans.

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Abb. 5.9b Lymphadenosis cutis benigna (Lymphozytom).

Abb. 5.9c Acrodermatitis chronica atrophicans.

Diagnostik:
Dermatologische, neurologische, rheumatologische und kardiologische Untersuchung
entsprechend Stadium und klinischer Symptomatik.
Der serologische Nachweis mittels ELISA und Westernblot gelingt im Stadium I bei 20–50 %
(vorwiegend IgM), im Stadium II bei 70–90 % (initial überwiegend IgM, dann IgG) und im
Stadium III bei 100 % der Patienten (vorwiegend IgG).

Borrelien-Antikörper:

Falsch positive IgM-Titer erscheinen bei Syphilis, Malignomen,


Autoimmunerkrankungen und akuter EBV-Infektion. IgG-Titer allein
können eine aktive Infektion nicht beweisen.

Andere Infektionszeichen: Komplementfaktoren↓. BSG↑. CRP↑.


Aktive Neuroborreliose: Entzündliche lymphozytäre Liquor-Pleozytose und intrathekale
Antikörperproduktion (Liquor-Serum-Quotient).
Histologischer Nachweis des Lymphozytoms bzw. der Acrodermatitis chronica atrophicans.
Therapie:
Die stadiengerechte Therapie kommt in ▶ Tab. 5.6 zur Darstellung. Eine adäquate Behandlung
einschließlich Verlaufskontrolle ist wegen der gefürchteten Spätkomplikationen wichtig; es
sollte jedoch bei wenig wahrscheinlicher Infektion (s.o.) und ohne gesicherte Diagnose keine
prophylaktische Therapie erfolgen.
Cave: Es sollte insbesondere vermieden werden, Patienten wegen positiver Borrelien-IgG-
Titer oder aufgrund fraglicher chronischer Borreliose-Symptome zu therapieren.
Wenn relevante Titer und klinische Symptome persistieren, kann eine Nachbehandlung mit
Ceftriaxon i.v. erwogen werden.

Tab. 5.6 Stadiengerechte Standardbehandlung kutaner Borreliosen.

Stadium I Stadium II Stadium III

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Doxycyclin 2 × 100 Doxycyclin 2 × 100 mg/d p.o. für Ceftriaxon 1 × 2 g/d i.v. für
mg/d p.o. für 14–21 d 21 d 14 d

oder

Ceftriaxon 1 × 2 g/d i.v. für 14 d

alternativ: Tetracyclin, alternativ: Penicillin 3 × 5–10 Mio. alternativ: Penicillin G 3 × 5–


Ampicillin, I.E./d i.v. für 21 d 10 Mio. I.E./d i.v. für 21 d
Cephalosporine p.o.

Kinder/Schwangere:

Ampicillin/Amoxicillin, Ampicillin/Amoxicillin, Erythromycin


Erythromycin

Prophylaxe:
Waldspaziergänge und Camping in Endemiegebieten möglichst vermeiden, zumindest
schützende Kleidung und sorgfältige „Zeckenkontrolle“ 1–2 × tgl.
Die schnelle und sachgerechte Entfernung der Zecke (Ringkürette) in den ersten 24 Stunden ist
die wichtigste Maßnahme.
Kontrolluntersuchungen: Kontrolle der Antikörpertiter (ELISA, Westernblot) nach 6 Wochen und
nach 6 Monaten.

5.11 Mykobakteriosen: Tuberkulose

5.11.1 Grundlagen
Synonym: Morbus Koch.
Erreger: Mykobakterien sind kleine, nichtbewegliche, leicht gekrümmte, säurefeste Stäbchen.
Mycobacterium tuberculosis ist in > 95 % Erreger der menschlichen Tuberkulose, für die übrigen
Fälle ist Mycobacterium bovis verantwortlich.
Am 24. März 1882 hielt Robert Koch in Berlin einen berühmt gewordenen Vortrag, in dem er
den von ihm entdeckten Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Tuberkel-Bazillen
und der Entstehung der Tuberkulose erstmals darlegte. Er erhielt für seine wissenschaftliche
Leistung 1905 den Nobelpreis für Medizin.
Epidemiologie:
Nur etwa 10 % aller mit Mycobacterium tuberculosis infizierten Personen mit normaler
Abwehrlage entwickeln eine aktive Tuberkulose.
Abwehrschwächende Prädispositionsfaktoren:
Unterernährung, Immunsuppression, Malignome oder andere schwerwiegende
Erkrankungen.
Lebensalter: Kinder < 3 Jahren zeigen schwerere Verläufe, während es bei Kindern
von 3–12 Jahren meistens zur Spontanheilung kommt. Mit höherem Lebensalter
nimmt die Wirtsresistenz dann wieder ab.
Pulmonale Silikose: Hohes Tuberkulose-Risiko, daher in der Anamneseerhebung
nachfragen!
In Mitteleuropa bilden heute HIV/AIDS-, Lymphom- und Leukämie-Patienten,
Drogenabhängige und iatrogen Immunsupprimierte die Hauptgruppe der Erkrankten. Situativ
(z.B. Gefängnisinsassen in Osteuropa) ist die Infektion epidemisch.
Immigranten aus Ländern mit endemischer Tuberkulose tragen wesentlich zum Anstieg der
Erkrankungszahlen in den entwickelten Industriestaaten bei.
Mycobacterium bovis ist heute selten Auslöser der menschlichen Tuberkulose, da die
Rindertuberkulose in den entwickelten Ländern weitgehend ausgerottet ist.
Beachte: Meldepflicht bei Erkrankung (aktive Form) und Tod.
Erregerresistenz:
Die Zahl nachgewiesener mono- und multiresistenter Mycobacterium tuberculosis-Stämme
steigt stetig an. Ursachen sind inadäquate Monotherapie, zu kurze Therapiedauer mit Selektion
resistenter Stämme sowie Spontanmutationen. Diesem Problem kann grundsätzlich nur mit
einer konsequenten Kombinations-Chemotherapie, gegebenenfalls unter direkter Aufsicht,
begegnet werden.

Erregerreservoire:

Patienten mit HIV/AIDS und Patienten mit multiresistenten Stämmen


von Mycobacterium tuberculosis gelten gegenwärtig als die
Hauptinfektionsquellen.

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Diagnostik:
Mikroskopie: Spezialfärbung nach Ziehl-Neelsen oder Fluoreszenzmethode (meist Auramin)
aus Körperflüssigkeiten und Gewebebiopsien. Vorteil: schnelle Verdachtsdiagnose, aber nur
bei hoher Keimzahl ab 103–104/ml sensitiv.
Kultur: Sowohl Mycobacterium tuberculosis und als auch Mycobacterium bovis wachsen
langsam auf Spezialnährmedien (z.B. Löwenstein-Jensen oder Flüssigkulturen). Bei einem
Initialwachstum von 3–10 Wochen beträgt die Gesamtdauer der Diagnostik einschließlich
anschließender Differenzierung und Resistenzbestimmung 2–3 Monate. Ein Schnellnachweis
ist mittels radiometrischer Messung im BACTEC-System in 7–10 Tagen möglich.
Tuberkulose-Screening:
Tuberkulin-Hauttest (THT) nach Mendel-Mantoux: Screeningtest, der auf einer
zellulären Immunität gegen Tuberkuloprotein beruht. Applikation von 10 I.E.
Tuberkulin i. c. (üblich Unterarm volarseitig). Positiv nach Ausbildung eines > 6 mm
Infiltrates nach 48 Stunden. Bewertung: Bei stark positiver Reaktion Tbc-
Infektionsverdacht, jedoch auch bis 5 Jahre nach Tbc-Schutzimpfung reaktiv.
Interferontest: Bei den seit einiger Zeit verfügbaren Tests (T-SPOT.TB,
QuantiFERON-TB Gold) wird Interferon γ gemessen, welches die T-Zellen nach
Stimulation durch tuberkulöse Mykobakterien freisetzen. Dadurch werden atypische
nichttuberkulöse Mykobakterien oder BCG-Impfantigene kaum miterfasst. Die
Spezifität dieser Methode ist wesentlich höher als die des Hauttests.
Weitere Diagnostik: PCR für Mykobakterien-DNA-Nachweis in Hautbiopsien, aufgrund des
schwierigen kulturellen Erregernachweises aus der Haut erlangt diese Methode zunehmende
Bedeutung.
Pathogenese:
Primärinfektion:
Ort der Primärinfektion ist zumeist die Lunge (Tröpfcheninfektion). Hier entwickelt
sich eine zunächst unspezifische, leukozytenreiche Entzündung, die als Primäraffekt
bezeichnet wird. Von hier gelangen die Erreger in die regionären Lymphknoten
(Primärkomplex oder Ghon-Komplex). Nach lymphogener Erregerinvasion in das
Blutsystem hämatogene Verbreitung im gesamten Organismus möglich (meist
inapparente Bakteriämie).
Nach 2–4 Wochen entwickelt sich eine spezifische zelluläre Immunität, durch die der
Wirt die Infektion unter Kontrolle bringen kann. Meist Abheilung unter Fibrose und
Verkalkung.
Endogene Reaktivierung: Nach der hämatogenen Streuung während der initialen
Infektionsphase können die Mykobakterien in verschiedenen Organen jahrzehntelang
überleben. Bei Nachlassen der Wirtsresistenz gelingt es den Mykobakterien erneut, eine aktive
Erkrankung zu verursachen. Bei noch moderater Abwehrlage chronisch lokalisierte Infektion,
bei fehlender Wirtsresistenz jedoch schwere disseminierte Verläufe.
Sekundärinfektion: Sekundärinfektionen sind bei vorhandener spezifischer Immunität und
guter Abwehrlage insgesamt selten aber prinzipiell möglich.

5.11.2 Klinische Formen der Hauttuberkulose


Die klinischen Formen der Hauttuberkulose reflektieren allesamt das Kräfteverhältnis zwischen der
Virulenz des Erregers und der Abwehrsituation sowie früheren Expositionen des Wirts. Aus der
verwirrenden Vielfalt der Krankheitsbilder sind hier einige Beispiele dargestellt. Sie sind zwar heute
selten, ein Prävalenzanstieg im Zuge der Zunahme der Lungen-Tuberkulose erscheint jedoch durchaus
möglich.
Primäraffekt:
Synonym: Tuberkulöser Schanker.
Definition: Die Läsion resultiert aus der direkten Hautinfektion mit Mycobacterium
tuberculosis oder Mycobacterium bovis bei bislang fehlender Exposition des Wirtes.
Epidemiologie: Sehr selten, meist sind Kinder betroffen.
Klinik: An der Infektionsstelle entstehen zunächst kleine Papeln, die sich in ein bis mehrere
Zentimeter große schmerzlose Ulzera umwandeln: Primäraffekt (analog zum
Lungentuberkel). Nach 3–8 Wochen regionäre Lymphadenopathie: Primärkomplex (analog
zum Ghon-Komplex). Meist narbige Abheilung innerhalb von 1 Jahr.
Diagnostik: Mikroskopie und Kultur.
Differenzialdiagnosen: Häufige Fehlinterpretation als staphylogene oder streptogene
Pyodermie (z.B. Ecthyma). Ferner Ähnlichkeit zur Mycobacterium marinum-Infektion
(„Schwimmbadgranulom“), Katzenkratzkrankheit, Sporotrichose, Tularämie. Auch ein
syphilitischer Primäraffekt ist abzugrenzen.
Therapie: →
→ Systemtherapie.

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Tuberculosis cutis miliaris disseminata:
Definition: Miliartuberkulose der Haut, die durch hämatogene Aussaat der Tuberkelbazillen
entsteht (hämatogene Frühgeneralisation).
Epidemiologie: Selten, dann meist bei Kleinkindern und Neugeborenen sowie bei
Immunsupprimierten (z.B. HIV/AIDS).
Klinik: Stammbetont exanthematische Aussaat multipler winziger rötlicher Hautläsionen
makulopapuloser, purpurischer oder vesikulokrustöser Morphe. Schwer reduzierter
Allgemeinzustand. Zeichen der Systeminfektion unterschiedlich nach bevorzugtem
Organbefall, z.B. pleuropulmonale oder meningeale Miliartuberkulose. Extrem ungünstige
Prognose.
Diagnostik: Histologie (Mikroabszesse mit massenhaft säurefesten Stäbchen). Röntgenthorax
(ubiquitär diffuses feinfleckiges Infiltrat, daher auch der Begriff „miliar“, d.h. hirsekornartig)
Blutkultur. Tuberkulintest bleibt infolge der schlechten Reaktionslage negativ.
Differenzialdiagnosen: Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom (Meningokokkensepsis,
Ekchymosen und führende ZNS-Symptomatik). Candidasepsis, Kryptokokkose, Aspergillose.
Morbus Schönlein-Hennoch (Vasculitis allergica).
Therapie: Auch bei sofortiger tuberkulostatischer Therapie meistens letal.
Tuberculosis mucosae et cutis ulcerosa:
Synonym: Tuberculosis orificialis.
Epidemiologie: Meist ältere Menschen mit hohen Erregerzahlen von Mycobacterium
tuberculosis (massive Organtuberkulose) und schlechter Abwehrlage.
Klinik: Zerklüftete, schmerzhafte Ulzera an der Mundschleimhaut und perioral. Die Prognose
ist schlecht.
Differenzialdiagnosen: Herpes simplex vegetans. Aphthen, Lichen ruber mucosae oris.
Therapie: →
→ Systemtherapie.
Tuberculosis cutis colliquativa:
Synonym: Skrophuloderm. Tuberkulöses Gumma.
Definition: Subkutane Tuberkulose mit Entwicklung kalter (d.h. nicht überwärmter) Abszesse
und sekundärer Ausbreitung auf die Haut.
Epidemiologie: Meist sind Kinder oder alte Menschen betroffen.
Pathogenese:
Scrophuloderm: Ausbreitung tuberkulöser Prozesse per continuitatem in das
subkutane Fettgewebe und die angrenzenden Hautschichten, meist von Lymphknoten
oder Herden in Gelenken, Knochen oder Nebenhoden ausgehend.
Tuberkulöse Gummen: Hämatogene Ausbreitung der Mykobakterien mit multiplen
subkutanen kalten Abszessen und Kolliquation nach außen.
Klinik:
Zumeist sind die Lymphknoten im Hals- und Kieferwinkelbereich betroffen. Sie
werden über die primäre Lungentuberkulose oder über die exogen befallenen Tonsillen
infiziert (früher beim Trinken von mit Mycobacterium bovis infizierter Milch).
Zunächst Entstehung indolenter blau-roter Knoten („kalte Abszesse“), die sich
plattenartig vergrößern und einschmelzen. Die Ulzera sind bizarr, unterminiert und
neigen zur Fistelbildung (▶ Abb. 5.10a). Abheilung nach Jahren unter Ausbildung
charakteristischer Narbenstränge.
Hämatogene Läsionen betreffen den Stamm und die Extremitäten, oft finden sich
gleichzeitig Knochenherde (Phalangen, Sternum oder Rippen).
Diagnostik: Histologie aus dem Randbereich eines typischen Tuberkels mit Kultur oder PCR
aus dem gewonnenen Material.
Differenzialdiagnosen: Syphilitische Gummen, tiefe Mykosen, Pyodermien, Acne
conglobata, zervikofaziale Aktinomykose, Lymphome.
Therapie: →
→ Systemische Therapie.
Abb. 5.10

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Abb. 5.10a Tuberculosis cutis colliquativa.

Abb. 5.10b Lupus vulgaris.

Tuberculosis cutis luposa:


Synonym: Lupus vulgaris.
Definition: Chronische dermale Infektion mit Mycobacterium tuberculosis oder
Mycobacterium bovis.
Epidemiologie: Meist ältere Patienten. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Häufigste Form der Hauttuberkulose in Europa.
Pathogenese: Meist als Folge einer endogenen Reaktivierung. Die Mykobakterien gelangen
per continuitatem von Lymphknoten aus, hämatogen oder lymphogen in das Bindegewebe der
Haut.
Klinik:
Große braunrote atrophische Flecken oder Plaques mit Teleangiektasien (▶ Abb.
5.10b). Prädilektionsstellen sind Gesicht (besonders Nase und Ohren), Mammae und
Oberschenkel. Zu Krankheitsbeginn können Lupus vulgaris-Herde plaqueförmig
erhaben sein. Verkrustung, Ulzeration und Zerstörung angrenzender Gewebe (Ohr- und
Nasenknorpel) führen zu schwerer Mutilation.
Leiteffloreszenz: Das 2–3 mm große, nur gering erhabene Lupusknötchen am Rande
größerer erkrankter Areale. Diaskopie: Apfelgeleeartige Eigenfarbe, von einem
anämischen Hof umgeben. Drückt man mit einer Sonde auf das Lupusknötchen, so
bricht man wenig schmerzhaft in die zentrale Nekrose (Verkäsung) ein:
Sondenphänomen. Histologisch entspricht das Lupusknötchen einem Tuberkel.
40–50 % der Patienten mit Lupus vulgaris haben eine Organtuberkulose in anderen
Lokalisationen. Im Vergleich zur Gesamtpopulation ist die Lungentuberklose hier fast
10-fach häufiger. Ferner sind Lymphknoten, Schleimhäute, Gelenke und Knochen
befallen.
Selten entwickelt sich ein Plattenepithelkarzinom (Carcinoma in lupo vulgari).
Diagnostik:
Biopsie: Erregerdarstellung in der Ziehl-Neelsen-Färbung (auch für PCR). Das
mikoskopische Bild zeigt Granulome mit dem klassischen Dreizonenaufbau der
Tuberkulose: Zentrale Nekrose, bandförmig umgeben von Epitheloidzellen
(Antigenpersistenz) und Langhans-Riesenzellen sowie peripherer Lymphozytensaum.
Kultur und Antibiogramm.
Systematische Durchuntersuchung nach extrakutaner Tuberkulose. Suche nach
Hinweisen für Immundefizienz.

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Differenzialdiagnosen: Kutane Sarkoidose, Schwimmbadgranulom, chronisch-diskoider
Lupus erythematodes, syphilitische Gummen, Basaliom, Spinaliom, kutanes Lymphom.
Therapie: →
→ Systemtherapie.
Tuberculosis cutis verrucosa:
Synonym: Verruca necrogenica.
Definition: Exogene Reinfektion der Haut bei bestehender spezifischer Immunität. Sehr selten.
Pathogenese: 2 Infektionsquellen:
Infiziertes menschliches Material: Bagatellverletzungen mit Infektion durch
Mycobacterium tuberculosis bei Anatomen, Pathologen und medizinischem
Hilfspersonal (Leichentuberkel, prosectors wart).
Infizierte Rinder: Heutzutage selten, betroffen waren gewöhnlich Landwirte und
Schlachter meist durch Mycobacterium bovis.
Klinik: Solitäre dunkelrote verruköse Papeln oder Knoten, meist an Händen oder Fingern.
Keine Lupusknötchen. Zentrale Abheilung.
Diagnostik: Histologie, PCR. Erreger anderweitig schwer zu identifizieren.
Differenzialdiagnosen: Metzgerwarzen (HPV 7, multiple Herde). Orf. Melkerknoten.
Atypische Mykobakteriosen (Schwimmbadgranulom). Erysipeloid (stärker entzündlich).
Therapie: →
→ Systemische Therapie.
Tuberkulide:
Definition: In der Vergangenheit war das Tuberkulid als Reaktion auf Mycobacterium
tuberculosis ohne eine direkte Infektion definiert. Darunter wurden viele Dermatosen
zusammengefasst, die histologisch wie die Tuberkulose granulomatöse Züge aufweisen, aber
keinen Bezug zur Tuberkulose haben, wie z.B. Rosazea. Mit dem Rückgang der Tuberkulose
wurde der pathogenetische Zusammenhang bei den folgenden Dermatosen fraglich bzw.
unwahrscheinlich:
Tuberkulide im engeren Sinne: Lichen scrophulosorum, papulonekrotisches
Tuberkulid, Erythema induratum Bazin. Assoziation zu Mycobacterium tuberculosis
möglich.
Tuberkulide im weiteren Sinne: Lupus miliaris disseminatus faciei, rosazeaartiges
Tuberkulid, akneiformes Tuberkulid. Assoziation zu Mycobacterium tuberculosis
unwahrscheinlich.
Therapie:
Überblick: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt spezielle Richtlinien für die
Therapie der Tuberkulose (▶ Tab. 5.7). Zielsetzung ist das Verhindern der Reaktivierung zu
„offenen“ Tuberkulosen, die Verminderung der Übertragungsrate und die Vermeidung der
Selektion resistenter Stämme. Alle Therapieschemata haben 2 Phasen: eine Initialphase
(aggressivere, tägliche Therapie, meist über 2 Monate) und eine Stabilisierungsphase
(weniger aggressive Therapie, oft nur 3×/Wo., über 4–6 Monate). Dabei ist Folgendes
entscheidend:
Anwendung vieler Wirkstoffe und deren Kombination um Resistenzen zu vermeiden.
Wenn möglich Patientenbeobachtung zur Therapieüberwachung.
Medikation mindestens 3×/Wo. für eine sichere tuberkulostatische Wirkung.
Therapie der Hauttuberkulose: Im Gegensatz zu den klaren Richtlinien für die Behandlung
der Lungentuberkulose gibt es nur wenige konkrete Konzepte zur Therapie der
extrapulmonalen Tuberkulose. Rifampicin ist in diesem Zusammenhang das wichtigste
Tuberkulostatikum. Folgendes Standardschema wird für die Therapie des Lupus vulgaris und
der primären Hauttuberkulose vorgeschlagen:
Phase I: Isoniazid + Rifampicin + Ethambutol oder Pyrazinamid, täglich über 2–3
Monate.
Phase II: Medikation wie oben, aber nur 3×/Wo. für 4–6 Monate, Ethambutol kann
abgesetzt oder reduziert werden.
Alternativ: Isoniazid 300 mg + Rifampicin 600 mg täglich über 6 Monate.
Immunsupprimierte sollten länger therapiert werden. Eine Vierfachkombination unter
Zusatz von Streptomycin kann hier indiziert sein.
Verlaufskontrolle nach 6 und 12 Monaten.
Impfung: Attenuierter Lebendimpfstoff: Mycobacterium bovis-BCG. Wegen unsicherer
Wirksamkeit, Nebenwirkungen und relativ geringer Tuberkulose-Inzidenz von der STIKO in
Deutschland nicht mehr empfohlen.

Tab. 5.7 Von der WHO empfohlene Tuberkulostatika.

Wirkstoff Dosierung täglich Dosierung 3×/Woche


(mg/kgKG) (mg/kgKG)

Isoniazid 5 10

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Rifampicin 10 10

Pyrazinamid 25 35

Streptomycin 15 15

Ethambutol 15 30

Thiacetacon* 2,5 2,5

*Nicht empfohlen wenn Ethambutol verfügbar ist.

5.12 Mykobakterien: Lepra

5.12.1 Grundlagen
Definition: Chronisch verlaufende Infektionskrankheit durch das säurefeste Stäbchen Mycobacterium
leprae.
Epidemiologie:
Vorkommen primär in tropischen und subtropischen Ländern.
Weltweit sind 2–3 Millionen Menschen erkrankt, davon die meisten auf dem indischen
Kontinent.
In den gemäßigten Zonen schien die Lepra weitgehend ausgerottet, durch die zunehmende
Migration aus endemischen Ländern wird die Erkrankung aber in jüngerer Zeit auch in
Mitteleuropa wieder häufiger gesehen.
Durch intensive gesundheitspolitische Maßnahmen ist die weltweite Inzidenz deutlich
rückläufig, allerdings Zunahme der gegen Dapson und Rifampicin resistenten Stämme.
Erregerübertragung meist bereits im Kindesalter. Wegen der langen Inkubationszeit (2–10
Jahre) und der sich entwickelnden Immunität (80–90 % der Infizierten) kommt die Lepra nur
bei relativ wenigen Patienten zum Ausbruch. Chronische Exposition scheint ein wesentlicher
Pathogenitätsfaktor zu sein, da Touristen fast nie erkranken.
Beachte: Meldepflicht bei Verdacht, Erkrankung und Tod.
Pathogenese: Ähnlich wie bei der Tuberkulose Wechselspiel zwischen Resistenzlage des infizierten
Organismus und Virulenz der Leprabakterien (▶ Tab. 5.8). Dadurch manifestiert sich ein bipolares
Formenspektrum der Lepra mit Grenzformen zwischen den beiden Endpunkten (Borderline-Lepra).

Tab. 5.8 Vergleich der beiden klinischen Polformen der Lepra.

Merkmal tuberkulöse Form lepromatöse Form

Resistenz hoch gering

Erregerzahl niedrig hoch

Symmetrie asymmetrisch symmetrisch

Begrenzung scharf unscharf

Histologie Granulome diffuses Infiltrat

Klinik:
Lepra vom indeterminierten Typ: Die frühen kutanen Veränderungen der Lepra sind diskret
und unspezifisch (Initialphase der Lepra). Beginn mit hellroten, bei pigmentierten Menschen
blassen Erythemen. Meist Spontanheilung, in einigen Fällen Übergang in eine der
nachfolgenden Formen (s.u.).
Tuberkuloide Lepra:
Hautsymptome: Ein oder mehrere makulöse, teils erythematosquamös-plaqueförmige,
gut abgegrenzte Areale, meist hypo- oder anästhetisch (▶ Abb. 5.11a).
Obligate Nervenbeteiligung: Die Entzündung der Schwann-Zellen führt zur
Verdickung der peripheren Nerven bis hin zu Nervenabszessen.
Meist gutartiger Verlauf.
Lepra vom Borderline-Typ:
Hautsymptome: Mehr, diffuser verteilte, unschärfer begrenzte und weniger
schuppende Läsionen als bei der tuberkuloiden Form. Manchmal girlandenförmige
Anordnung. Am Stamm meist symmetrische, im Gesicht auch asymmetrische
Verteilung.
Mäßige Allgemeinsymptomatik, Nervenbeteiligung nicht im Vordergrund.
Lepra vom lepromatösen Typ:

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Hautsymptome: Meist symmetrische Verteilung papulöser und nodulärer Läsionen. Oft
Beginn an Nase und Ohren (▶ Abb. 5.11b), später auch Beteiligung von Händen,
Armen sowie der Glutealregion. Bei Gesichtsbefall polsterartige Schwellung in den
konvexen Partien (Facies leonina) oder Verlust von Augenbrauen und Wimpern
(Lucio-Phänomen) möglich. In Mexiko und in Zentralamerika prägte das
schwellungsbedingte Verschwinden der Gesichtsfalten den Begriff der „leprosy
bonita“ (Lepraschönheit). Glossitis ist möglich. Später Destruktion der knorpeligen
Areale der Nase mit Mutilationen.
Im Nasensekret massenhaft Leprabakterien.
Orchitis, faziale Mutilation, neurotrophe Ulzera, Beugekontrakturen und Paresen der
Hände und Füße sind seit altersher gefürchtete Komplikationen.
Abb. 5.11 Lepra.

Abb. 5.11a Tuberkuloider Typ.


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Abb. 5.11b Lepromatöser Typ. (Mit freundlicher Genehmigung von Juan J.
Ochoa, Chihuahua, Mexiko).

Diagnostik:
Histologie aus Hautbiopsie. Die Ziehl-Neelsen-Färbung ist v. a. bei der erregerreichen
lepromatösen Lepra (v. a. Nasensekret oder Gewebsflüssigkeit aus Hautabkratzpräparaten, z.B.
Ohr) erfolgreich. Für paucibazilläre Formen erweist sich die PCR weniger effektiv als erhofft.
Neurologische Untersuchung: Anästhetische Plaques, verdickte Nerven.
Lepromintest (Mitsuda-Reaktion): Hautinjektion von Lepromin, einem Extrakt aus
lepromatösem Gewebe. Eine Positivreaktion besteht bei tuberkuloider Lepra bei Entwicklung
eines Knötchens 3–4 Wochen nach Applikation.
Achtung: Häufig falsch-positive Syphilisserologie (VDRL) bei lepromatöser Lepra!
Differenzialdiagnosen:
Indeterminierter Typ: Vitiligo, Naevus anaemicus, Naevus achromicus, postinflammatorische
Hypopigmentierung, Pityriasis alba, Pityriasis versicolor.
Tuberkuloide Lepra: Kutane Sarkoidose, Lupus vulgaris, chronisch diskoider Lupus
erythematodes, Tinea corporis.
Borderline-Typ: Kutane Sarkoidose, Granuloma anulare.
Lepromatöser Typ: Myxödem, Neurofibromatose, kutane Sarkoidose, Post-Kala Azar-
Hautleishmaniose.
Therapie:
Eine Vielzahl leprostatischer Wirkstoffe steht zur Verfügung. Die WHO empfiehlt gegenwärtig
folgende Therapieschemata:
Tuberkuloide Lepra: Dapson 100 mg/d + Rifampicin 600 mg/Monat für 6–9
Monate.
Einzelläsion (Tuberkuloid oder Borderline-Typ): Dapson 600 mg + Ofloxacin 400
mg + Minocyclin 100 mg als „single shot“.
Lepromatöse Lepra: Dapson 100 mg/d + Clofazimin 150 mg/d + Rifampicin 600
mg/d für 12–18 Monate.
Beachte: Schon nach der ersten Dosis sind die Patienten nicht mehr infektiös.
Bei Unklarheiten oder mangelndem Therapieansprechen Rücksprache mit dem Tropeninstitut.

5.12.2 Leprareaktionen
Definition: Immunvermittelte akut-entzündliche Krankheitserscheinungen unter leprostatischer
Therapie. Entsprechend dem zugrunde liegenden Reaktionstyp werden die Typ I-Reaktion
(zellmediiert) und die Typ II-Reaktion (immunkomplexmediiert) unterschieden.
Typ I-Reaktion („reversal reaction“):
Pathogenese: Anstieg der zellvermittelten Immunität mit verstärkter entzündlicher Nerven-
und Hautbeteiligung innerhalb bestehender Läsionen (sog. Umkehrreaktionen). Neben dem so
verstärkten entzündlichen Aspekt und der Zunahme neuritischer Beschwerden können auch
neue „Satellitenläsionen“ sowie leichtes Fieber auftreten. Selten Ulzeration.
Differenzialdiagnosen: Fehlinterpretation als Therapieversagen der antilepromatösen
Therapie. In Unkenntnis der Diagnose evtl. Verwechselung mit Morphea.
Therapie: Systemische Kortikosteroide (Prednisolon 20–60 mg/d).
Typ II-Reaktion (vaskulitische Reaktion):
Pathogenese: Aggravation der Lepra durch zirkulierende Immunkomplexe (Typ III nach
Coombs und Gell) mit Vaskulitis.
Klinik: 2 klinische Formen:
Erythema nodosum leprosum: Rötliche Knötchen an Armen und Beinen. Das „echte“
Erythema nodosum manifestiert sich vergleichsweise weniger entzündlich und
hauptsächlich an den unteren Extremitäten.
Kutane nekrotisierende Vaskulitis.
Differenzialdiagnosen: Vasculitis allergica, Erythema nodosum. Makulopapulöses
Arneimittelexanthem.
Therapie: Thalidomid 100–200 mg/d.

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5.13 Atypische Mykobakterien

5.13.1 Schwimmbadgranulom
Definition: Infektion mit Mycobacterium marinum.
Pathogenese: Mycobacterium marinum lebt im Wasser und verursacht bei Fischen eine
tuberkuloseähnliche Krankheit. Es kann die Haut nach Bagatelltraumen in natürlichen Gewässern,
Aquarien oder Schwimmbädern infizieren.
Klinik:
Inkubationszeit: 3 Wochen.
Eintrittspforte: Meist kleine Hand- oder Knieverletzungen.
Meist verruköse Papeln oder Knoten (▶ Abb. 5.12), manchmal mit →
→ Sporotrichose-
ähnlicher Lymphangitis.
Verlauf: Spontanheilung nach Jahren.
Diagnostik: Kultur aus homogenisierter Hautbiopsie bei 31–33 °C. Bei Verdacht immer Labor
informieren. Fotochromogene sind nach 7–10 Tagen beurteilbar.
Differenzialdiagnosen: Verruca vulgaris, Orf, Tuberculosis cutis verrucosa, bei Lymphangitis,
Sporotrichose, Plattenepithelkarzinom.
Therapie:
Exzision kleiner Herde.
Clarithromycin 1000 mg/d p.o. (Therapie der ersten Wahl) oder Doxycyclin 2 × 100 mg/d
p.o. über 8–12 Wochen.
Lokale Wärmeapplikation (Heizkissen oder ähnliches).
Bei Nichtansprechen und bei schwerer Infektion (sporotrichoider Aspekt, Tenosynovitis,
Osteomyelitis) Rifampicin 3 × 150 mg/d und Ethambutol 3 × 400 mg/d entsprechend
Antibiogramm und klinischem Verlauf.

Abb. 5.12 Schwimmbadgranulom.

5.13.2 Buruli-Ulkus
Definition: Infektion mit Mycobacterium buruli.
Epidemiologie: Primär im tropischen Afrika und in Australien (feuchtwarme Umgebung).
Pathogenese: Mycobacterium buruli ist das einzige Mykobakterium, das ein stark
gewebeschädigendes Toxin produziert.
Klinik: Initial subkutane Knötchen an der Verletzungs- bzw. Inokulationsstelle, meist an den
Extremitäten. Progredienz zu großflächigen Ulzerationen. Ausdehnung teils bis auf die Muskelfaszien,
Läsionen jedoch überraschend asymptomatisch. Narbige Abheilung nach Jahren.
Diagnostik: Nachweis der säurefesten Stäbchen im Biopsiepräparat.
Differenzialdiagnosen: Sporotrichose, Aktinomykose, Myzetom, schankriforme Pyodermie,
Pyoderma gangraenosum, nodöse Vaskulitis, Plattenepithelkarzinom.
Therapie:
Chirurgisches Débridement und Hauttransplantation.
Adjuvante Maßnahmen: z.B. Infrarot-Bestrahlung der hitzelabilen Erreger.
Rifampicin, evtl. in Kombination mit Cotrimoxazol oder Clarithromycin, erscheint am
effektivsten.

5.13.3 Mycobacterium avium-intracellulare

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Erreger: Gruppe ubiquitärer, langsam wachsender Mykobakterien. Eine Exposition ist unvermeidbar.
Epidemiologie: Eine primäre Inokulation bzw. pulmonale Infektion gesunder Menschen ist selten. Vor
Einführung der HAART stellte sie jedoch ein großes Problem bei HIV/AIDS-Patienten dar. Weltweites
Vorkommen in Boden und Wasser.
Klinik:
Verantwortlich für das „→
→ wasting syndrom“ bei HIV/AIDS-Patienten, Auftreten bei
mindestens 40 % der Patienten mit disseminierter Infektion.
Seit Einführung der HAART eher lokale Manifestationen wie Gewebeabszesse oder
Lymphadenitis.
Diagnostik:
Beachte: Kennzeichen aller atypischen Mykobakteriosen ist eine nur schwache, meist
fehlende Tuberkulinreaktion!
Nachweis der Erreger oder ihrer RNA in Sputum, Urin, Blut, Lymphknoten oder
anderweitigem Biopsiematerial. Nonchromogenes Kulturwachstum von Mycobacterium
avium-intracellulare.
Röntgen/ CT des Thorax.
Differenzialdiagnosen: Lungentuberkulose, Sarkoidose. Lymphadenitis bei Virusinfektionen und
Lymphomen. Pyodermie.
Therapie: Langzeitiger Einsatz multipler Wirkstoffe. Als Standardkombination gelten Clarithromycin
(oder Azithromycin), Ethambutol und Rifabutin für mindestens 6 Monate.

5.13.4 Mycobacterium kansasii


Epidemiologie: Die natürlichen Reservoire sind Erdreich und wahrscheinlich Leitungswasser. Der
Erreger ist für Immunkompetente ungefährlich und von Mensch zu Mensch nicht kontagiös.
Klinik:
Die Lungeninfektion ähnelt der pulmonalen Tuberkulose, spricht jedoch auf die üblichen
Tuberkulostatika nicht an.
Selten extrapulmonale Manifestationen wie Lymphadenits oder muskuloskeletale Infektion).
Dissemination (meist katheterassoziiert) nur bei schwerer Immunsuppression möglich
(AIDS/HIV, Organtransplantierte).
Diagnostik: Fehlen einer signifikanten Tuberkulinreaktion. Kultur oder RNA-Nachweis aus Sputum,
Urin, Blut und Lymphknotenmaterial. Röntgen/CT des Thorax.
Differenzialdiagnosen: Lungentuberkulose. Sarkoidose. Pneumonien anderer Genese. Lymphome.
Therapie: Antibiogrammgerechte Polychemotherapie mit Clarithromycin, Rifabutin und Ethambutol.

5.14 Aktinomykose
Definition: Chronische, langsam progrediente Infektion mit Actinomyces israelii, einem anaeroben
grampositiven Bakterium.
Pathogenese: Actinomyces israelii gehört zur Standortflora von Mundhöhle, Atemwegen und
Magen-Darm-Trakt. Endogene Infektion nach Gewebeverletzungen, die anaerobes Erregerwachstum
fördern. Die Patienten sind nicht infektiös. Sekundäre Mischinfektionen, speziell mit Actinobacillus
actinomycetemcomitans, sind häufig.
Klinik:
Zervikofaziale Aktinomykose: Häufigste Form (> 50 %), meist nach Zahnbehandlungen oder
bei Zahnfleischentzündungen. Entzündliche brettharte Indurationen im Unterkiefer- oder
Halsbereich mit ausgeprägter Fistelbildung. Frühzeitiger Knochenbefall (z.B. Mandibula).
Keine regionäre Lymphknotenbeteiligung.
Thorakale Aktinomykose: Meist aspirationsbedingte Pleuraherde mit Fistelbildung zur
darüberliegenden Haut.
Abdominelle Aktinomykose: Chronische Entzündung und Fistelbildung nach Entzündung
(Appendizitis) oder Trauma. Eine Variante ist die zumeist IUD-assoziierte pelvine
Aktinomykose.
Diagnostik: Histologie mit direktem Nachweis der charakteristischen Drusen (schwefelgelbe Granula
= Bakterienhaufen), anaerobe Kultur.
Differenzialdiagnosen: Schankriforme Pyodermie, tiefe Trichophytie, Tuberculosis cutis colliquativa,
Plattenepithelzellkarzinom, Lymphom, Metastase.
Therapie:
Chirurgische Sanierung des infizierten Areals unter Antibiotikaschutz.
Zervikofaziale Form: Amoxicillin 30 mg/Clavulansäure 3 mg/kgKG 3 × tgl. über 2

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Wochen.
Die bisherige Standardbehandlung mit hochdosiertem Penicillin G (10–20 Mio. I.E.
i.v. über 4–6 Wochen) ist in Anbetracht vieler sekundärer und potenziell resistenter
Keime nicht sehr effektiv.
Bei Penicillinallergie: Clindamycin oder Tetracycline.
Abdominelle und thorakale Aktinomykose: Infektiologisches Fachkonsil. Die Auswahl der
antibiotischen Therapie muss bestehende Sekundärinfektionen berücksichtigen.

5.15 Nokardiose
Definition: Infektion durch Nocardia asteroides oder Nocardia brasiliensis: Aerobe, grampositive
Stäbchenbakterien.
Pathogenese: Nokardien sind im Erdreich und in Pflanzenbestandteilen weltweit anzutreffen. Betroffen
sind überwiegend Immunsupprimierte.
Klinik:
Nocardia asteroides: Pulmonale Erkrankungen und Hirnabszesse bei Patienten mit
reduzierter Abwehrlage.
Nocardia asteroides und Nocardia brasiliensis: Nach kutaner Inokulation lokale Abszesse
oder sporotrichoide Hauterscheinungen.
Nocardia brasiliensis: Einer der Haupterreger des Myzetoms (Madurafuß).
Diagnostik: Schwierige Kultur, langsames Wachstum, daher immer Vorinformation an das Labor.
Differenzialdiagnosen: Hautmanifestationen: Sporotrichose, Lupus vulgaris, Pyodermien,
Eumyzetom durch Pilze.
Therapie: Cotrimoxazol für mindestens 6 Wochen, bei Immunsuppression länger.

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