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Ein kritischer Spaziergang durch das Internet

Von Hermann Maurer und Namik Delilovic, TU Graz, Kontakt: hmaurer@iicm.edu

Zusammenfassung

Das Wort „Internet“ im Titel steht für die gesamte moderne Computer-, Informations- und
Kommunikationstechnologie, kurz IKT. Diese IKT hat wie wir alle wissen in vielen Bereichen enorm
positive Effekte entwickelt. In diesem Spaziergang wollen wir aber den Grundsätzen der Aufklärung -
Sapere aude - folgen: Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!

Die schon ab ca. 1700 einsetzende Bewegung der Aufklärung will durch rationales Denken auf der
Basis des eigenen Verstandes gegen behindernde Strukturen vorgehen. Durch Wissen und Denken soll
man Antworten auf Fragen finden und Zweifel, Vorurteile oder falsche Annahmen ausräumen, selbst
gegen den Widerstand von Tradition, Gewohnheitsrecht und auch den technischen Fortschritt.
Es ist also die menschliche Vernunft die Basis für jedes Handeln. Dazu gehört auch zu erkennen, dass
nicht alles, was neu ist, ist notwendiger Weise besser ist. In diesem Sinn werden einige Aspekte der
Digitalisierung und des Internet im Folgenden kritisch beleuchtet.

In diesem „Spaziergang“ werden daher potenziell negative Auswirkungen behandelt, auf die man
darum so stark achten muss, weil sie sich schleichend immer mehr ausbreiten und damit unser Leben
unaufhaltbar verändern. Die Begeisterung für die Bedeutung der IKT (kein Politiker wagt es mehr, das
Wort „Digitalisierung“ nicht in den Mund zu nehmen) darf nicht daran hindern, Entwicklungen auch
kritisch zu betrachten.

1.Einleitung

Abschnitt 2 zeigt zahlreiche wichtige Aspekte der IKT, die offenbar unsere Gesellschaft und unser
Leben verändern; einige davon sind durchaus gefährlich. In Abschnitt 3 wird aber erkläret, warum
manche Gefahren zum Glück überschätzt werden. Jedenfalls ist aber zu beachten, dass fast alle
Auswirkungen der IKT, auch jene, die immer als positiv und notwendig dargestellt werden, so tief in
unsere Gesellschaft eingreifen, dass man sie genau beobachten und in vernünftige Bahnen lenken
muss.

2. Betrachtung einiger Kritikpunkte

2.1 Informationsmedien prägen das Denken und die Wünsche von Menschen

Schon vor 30 Jahren schrieb Neil Postman in seinem berühmten Buch „Das Verschwinden der
Kindheit“ [28] über bedenkliche Folgen des Fernsehens. War das Fernsehen bei der Einführung als
eine Segnung, als „Information und Bildung für alle“ gepriesen wurden, so erwies es sich im
Endeffekt eher als ein Medium der seichten, passiven Unterhaltung, das junge Menschen viel früher
mit Informationen, Gewalttätigkeiten und Sex überschüttet und ihnen damit die Kindheit („Unschuld“
im weitesten Sinn) raubt. Zudem weckt es durch den Blick in die Welt der Reichen unerfüllbare
Wünsche. Das Internet hat diese Tendenz weiter verstärkt. Medien und das Internet sind für viele
Probleme und Missverständnisse in der Welt verantwortlich:

In den 60ziger Jahren war Nepal noch fast überall ohne elektrischen Strom, aber die Menschen lebten,
weitgehend autark und recht zufrieden: Wasser und Klosett im Freien, gestampfter Lehm als
Fußboden mit vielleicht einigen Teppichen, ein paar Hühner und andere Haustiere, genug Platz für
Kartoffeln, Gemüse, Obstbäume, selbst gestrickte Kleidung, usw. Es ging ihnen nichts ab, weil sie
anderes nicht kannten. Als dann die Elektrifizierung und die Medien immer mehr in die Haushalte
eindrangen sahen die Menschen nette Dinge, die sie sich auch wünschten: Fließwasser, einen
Elektroherd, eine Mikrowelle, ein Motorrad, usw. Sie wurden dadurch deutlich unzufriedener. Eine
ähnliche Entwicklung gibt es zurzeit in vielen anderen Ländern.

Wissen ist manchmal gefährlich, ein Thema das auch in dem SF Roman [31] im Zentrum steht.
Medien haben aber noch eine andere Nebenwirkung: sie unterziehen uns einer dauernden
Gehirnwäsche, weil Quellen, die wir als recht verschieden ansehen, in Wahrheit nur Nuancen einer
gewissen Sichtweise bringen.

Als Test verwenden Sie bitte eine Google Suche für „Teheran“ und klicken dann auf „Bilder“. Sie
werden eine Stadt sehen, die sehr viel moderner ist, als Sie vermutlich geglaubt haben. Die meisten
von uns verbinden mit Teheran nur Moscheen, Bazare und Tschadors, aber nicht modernste
Bauwerke, Parks, Autobahnen, eine moderne Metro, oder eine Gondelbahn nahe Teheran auf einen
4000m hohen Berg, wo man Schi läuft mit einer Ausrüstung wie bei uns.

Medien beeinflussen also unsere Vorstellungen und sie führen zu Fehlvorstellungen (Teheran) oder zu
unerfüllbaren Wünschen (Nepal).

2.2 Informationsmedien ändern, wie wir Informationen konsumieren und zu Wissen kommen.

Wissen wurde traditionell entweder durch Lesen gewonnen, oder durch das Lernen von Menschen, die
sich schon das Wissen angeeignet hatten. Im Wesentlichen gab es fünf Schienen: (a) Das Lesen von
Unterlagen; (b) das Lernen in Schulen oder Fortbildungskursen; (c) das Zuhören, wenn Erwachsene
etwas erzählten; (d) die Beobachtung, wie jemand mit Erfahrung eine gewisse (typisch handwerkliche)
Tätigkeit erledigte; und (e) s die an eine kompetente Person gerichtete Frage „weißt Du…?“. Alle fünf
Aspekte haben sich geändert:

(a): Das Lesen hat an Bedeutung verloren. Viele Jugendliche lesen wenig, ja verstehen oft komplexer
geschriebene Texte nicht mehr, wie Brabazon [9] das erste Mal schon vor zehn Jahren schlüssig
nachgewiesen hat. Zu dem Phänomen haben Kurznachrichten wie SMS oder Twitter beigetragen, aber
auch Zeitungen, von denen viele auf die Darstellung längerer Berichte verzichteten und auf
Kurzbeiträge, verbrämt mit Bildern und Aufmerksamkeit erregenden Texten umstiegen. Provokant:
Viele Zeitungen haben sich vom Thema „wichtige Nachrichten“ dem Thema „Unterhaltung“
zugewandt. Wichtiges ist nicht mehr wichtig, wichtig ist nur Aufsehenerregendes: Dass z.B. täglich
mehr als 1.000 Menschen durch schlechte Luft sterben regt niemand auf, aber ein Terroranschlag, der
20 Menschen das Leben kostet, liefert Material für Tage.

(b): Schulungen und Vorträge existieren noch. Allerdings rechnet man mit nur mehr kurzen
Aufmerksamkeitsspannen und „muss daher den Unterricht auflockern“. Dort wo in Schulen
Smartphones erlaubt sind oder iPads eingesetzt werden wird die Konzentrationsfähigkeit durch SMS,
E-Mails, Nachrichten in einem Social Net, Abruf von YouTube Videos, usw. weiter gestört. Wie Carr
sagt: „Wir leben in einer Unterbrechungsökologie“, was selten hilfreich ist.

(c): Dass Jugendliche zuhören, wenn Erwachsene etwas besprechen ist selten geworden. Sie müssen ja
gerade telefonieren oder eine SMS bearbeiten, bei einem der seltenen Mahlzeiten vielleicht versteckt
unter dem Tisch, damit man es nicht merkt… aber man muss die SMS lesen und beantworten (ja, man
muss!!!) weil man sonst am Nachmittag mit den Freunden keine gemeinsame Basis mehr hat.
Umgekehrt, wie häufig sieht man eine Person sprechen und eine Gruppe von Menschen hört gebannt
zu? Wenn man so etwas beobachtet, dann handelt es sich meist um eine Gruppe von z.B. Touristen bei
einer Führung. Zuhören? Eher schon Musik aus dem Radio oder einem Gerät über einen weißen
Stöpsel im Ohr!

(d): Handwerkliche Tätigkeiten im Reparaturbereich sind seltener geworden (ein Fehler in einem
Gerät wird elektronisch lokalisiert und dann der große Bauteil mit dem kleinen Fehler durch eine
neuen großen ersetzt). Notwendige Handgriffe werden nicht durch Beobachtung von Menschen
gelernt, sondern durch das Beobachten von YouTube Clips oder von Instruktionen auf der mit dem
Gerät mitgelieferten DVD.

(e): Die Frage „Weißt Du…? wird immer weniger an Menschen gestellt, häufiger an Googel, an den
Chatbot der einschlägigen Firma, etc.

2.3 Zu große Abhängigkeit von Technologien kann zu Katastrophen führen

Es gibt genug Katastrophenromane und Prognosen (Vor allem der Katastrophenroman „Blackout“ von
Elsberg [5], oder jener von Tietz [41], oder das SF-Buch [14]) die schildern, was geschehen kann,
wenn die Computernetze einmal eine längere Zeit ausfallen. Das entstehende Chaos kann den
Zusammenbruch der Zivilisation bedeuten.

Die Konsequenzen daraus werden nicht ernsthaft genug verfolgt. Eine gewisse Redundanz und
Unabhängigkeit von Netzen ist sinnvoll. Wir sollten nicht nur ein Kommunikationsnetz haben,
sondern mehrere. Nur in der Schweiz gibt es noch immer mehrere Kommunikationsschienen: das
normale Standtelefon, ein batteriegespeister Telefonbetrieb zwischen wichtigen Regierungsstellen, das
Internet, Mobiltelefonie und (ja! kein Scherz!) Brieftauben!

Natürlich gibt es auch andere Technologien, die die Menschheit vernichten könnten, von Atomkriegen
bis zu verheerenden Genmanipulationen [7].

Wenn wir am Handy Skype oder WhatsApp verwenden können dominiert nur noch das
Internetprotokoll. Eine Cyberattacke könnte dann jede Kommunikation stilllegen. Neben einer
sinnvollen Redundanz würde auch durch eine gewisse Regionalisierung die Sicherheit wachsen.
Einfamilienhäuser könnten einen Bruchteil ihrer Energie durch Solartechnologie gewinnen; die
Wasserversorgung sollte nicht ausschließlich von 100 km langen Wasserleitungen abhängen, das
Umland von Städten sollte eine gewisse Nahrungsmittelversorgung garantieren, usw.

2.4. Die Gefahr von Angriffen und Datenzerstörung durch IKT

Im Sinne moderner Berichterstattung ist es wohl am sinnvollsten, mit einer aktuellen Internetattacke
zu beginnen, der „Wannacry“ Attacke. Fängt man sich diesen Trojaner ein [7] hat man wirklich Pech
gehabt: alle Daten unter Windows werden verschlüsselt und nur wenn man rasch mit Bitcoins einige
tausend Euro überweist, werden sie wieder lesbar. Nach einer Woche zahlt man doppelt so viel, dann
werden die Daten gelöscht.

Obwohl über 200.000 Organisationen von dem Angreifer betroffen wurden sind die Urheber nach wie
vor unbekannt, und es ist nur gelungen, die verschlüsselten Daten unter gewissen Voraussetzungen
[52] zu entschlüsseln. Der „Wannacry“ Virus ist darum so interessant, weil er ein Erpresservirus ist,
der nur durch zwei technische Entwicklungen möglich wurde: erstens, man kann im Internet über
Anonymisierungsserver arbeiten, z.B. Meldungen verschicken, deren Quellen nicht aufspürbar sind
[55] und zweitens, man kann Geld über eine Methode wie Bitcoin (siehe eines der Bücher wie [3])
überweisen, ohne den Empfänger zu kennen.

Die Situation bei anderen elektronischen Zahlungsvorgängen ist subtiler: Zahlt man etwa mit
Kreditkarte, so ist diese Zahlung nicht nur dem Empfänger bekannt, sondern auch der
Kreditkartenfirma und Organisationen, die sich auf diese Daten (über einen von vielen Wegen)
Zugang verschaffen. Das Wissen über eine Transaktion mit Bargeld kann, wenn das gewünscht wird,
auf den Zahler und Empfänger beschränkt bleiben, und benötigt keine elektronischen Hilfsmittel.
Insgesamt erscheint es wichtig, dass wir nicht in eine bargeldlose Gesellschaft gezwungen werden.
Zurück zu Viren allgemein. Die nächsten potenziell mindestens so gefährlichen Viren (wie Nimda
[54]) sind offenbar in Vorbereitung. Was kann man als Benutzer tun: mindestens Updates der
Software nicht ignorieren und nie eine Mail oder gar einen Anhang öffnen, wenn der Sender
unbekannt ist.
Neben Viren (die Unfug anrichten, aber beim Abschalten des Computers oft verschwinden) sind die
Trojaner (die sich auf Speichermedien oder sogar in Datensätzen einnisten) natürlich besonders
gefährlich. Es gibt Schätzungen, dass über 25% der Benutzer in Österreich einen Trojaner haben, von
dem man nichts merkt. Wenn diese Trojaner aber „getriggert“ werden, können sie ständig bestimmte
Websites aufrufen, die dann durch Überlastung („denial of service“) zusammenbrechen.

Am erschreckendsten sind aber die Möglichkeiten, über Angriffe auf Computer Systeme
kriegsähnliche Ereignisse auszulösen. Man kann vielleicht einmal autonome Fahrzeuge in eine
Menschenmengen steuern (und zwar alle Fahrzeuge in einem großen Bereich), oder die Höhenruder
aller in der Luft befindlichen Flugzeuge blockieren und diese zum Absturz bringen, usw.

Ein paar Zeilen über das oft zitierte Dunkle Internet (Darknet) scheinen hier auch angebracht, siehe
[87] : Darknet bietet einen hohen Schutz gegen Überwachung. Darknet erfordert, dass spezielle
Software installiert, wie etwa der „Anonymisierungsserver“ Tor [95]. Es unterstützt kriminelle
Handlungen, wie illegalen Drogen- oder Waffenhandel. Geldwäsche, Kinderpornographie,
Terrorismus, usw. Ein Anfang Februar 2016 veröffentlichter Bericht (siehe austria-fourm.org, R063)
stufte 57 Prozent von über 5.000 untersuchten aktiven Seiten im Darknet inhaltlich als „illegal“ ein.

Freilich, es gibt immer zwei Seiten. In Staaten wie Ägypten wurden Social Networks, vor allem
Twitter, als ein Instrument der Befreiung gesehen. Der Journalist Andrew Sullivan schrieb „The
revolution will be twittered“ im Glauben, dass Twitter ein gutes Werkzeug für die unzufriedene Masse
ist. Dass Twitter aber auch von der herrschenden Klasse verwendet werden kann beschreibt Morozow
in seinem Buch „The Net Delusion“ [42], und wie gut damit „Fake news“ verbreitet werden können
und man die Welt beeinflusst, zeigt uns seit 2017 ein amerikanischer Präsident.

Dieser Beitrag soll nicht Schrecken-Szenarien beschreiben, sondern wie sie vermieden werden
können: Alle relevanten Informationen müssen (a) auf einem „relativ sicheren“ Server deponiert sein
und (b) die Daten müssen regelmäßig nicht nur gesichert werden sondern so, dass sie auch physisch
getrennt gelagert werden und (c) auf mehr als einem Speichermedium. Es muss bewusst werden, dass
man gutes Papier nach 3.000 Jahren noch lesen kann aber elektronische Daten nach 3.000 Jahren
kaum.

Teile unserer Kultur (interaktive Spiele oder Lernumgebungen, 3D Szenarien, usw.) sind von
geeigneter Hardware, Software und Benutzerschnittstellen abhängig, und werden daher mit Sicherheit
in 25 Jahren nicht mehr benutzbar sein, außer jenen "wichtigen", die man dauernd umprogrammiert
hat ... und von den unwichtigen wird man oft zu spät feststellen, dass sie doch wichtig waren, wie der
Beitrag über die Stabilität digitaler Informationen zeigt [50].

2.5 Der „Große Bruder“ ist nun Wirklichkeit, eine Privatsphäre gibt es nicht mehr

Seit es Kreditkarten und Kundenkarten gibt, werden über deren Benutzung sorgfältig Daten
gesammelt und ausgewertet. Eine der interessanten Anwendungen wurde 2013 vorgeführt. Eine große
Supermarktkette in Amerika speichert für alle Kunden mit Kundenkarte die entsprechenden Vorlieben.
Beim Auschecken eines Kunden werden dessen Präferenzen mit Artikeln verglichen, die man aus
irgendeinem Grund ohnehin rasch abverkaufen muss, und die daher gratis angeboten werden, wenn
man sie sofort kauft. Der Effekt ist klar: der Kunde freut sich über diese Aufmerksamkeit, der
Supermarkt muss weniger vernichten … und wie es sich herausstellt, kommt der Kunde mit den gratis
Angebot oft noch mit einem Zusatzeinkauf zurück.

Das Internet hat die Speicherung von Benutzerprofilen sehr viel weitergetrieben. Ein Vorreiter dabei
war sicher Google, das mit seiner Suchmaschine vor mehr als zehn Jahren in das Kreuzfeuer der Kritik
kam, das erste Mal wohl 2005 in [43], oder was 2007 in Maurer [20] und Kulathuramaiyer et al. [16]
detaillierter behandelt wird, gefolgt von [19] und was in den neueren Büchern [22] und [23] noch
erschreckender beschrieben wird.
Weber [12] formulierte die Gefahr als “Wir ergoogeln uns die Realität”. Das das kann ergänzt werden
zu “Wir ergoogeln uns die Realität, wie jemand will, dass wir sie sehen.”

Zahlreiche Anwendungen verfolgen das Benutzerverhalten im Web um z.B. zu erkennen, wo welche


Werbung besonders sinnvoll ist. Eine der bekanntesten (und besten) Dienste, der Statistiken über die
Benutzung einer Website sammelt ist Google Analytics. Selbst wenn wir nie explizit einen Dienst von
Google verwenden stehen wir dennoch dauernd in Kontakt mit Google Anwendungen, weil mehr als
50% aller Server (zumindest in Europa) Google Analytics installiert haben. Eine sehr fundierte
Abhandlung über Suchen ist [45].

Die Zustellung von Waren mit Drohnen steht vor der Tür. Heute haben viele Drohen Videokameras
eingebaut. Der Große Bruder hört eben weder bei Handynetzen, noch bei Suchmaschinen oder anderen
Webanwendungen auf. Man denke nur an die Unzahl von Überwachungskameras, die zunehmend
fliegen lernen (siehe Drohnen [96], Drohnen [103]). Unlängst kursierte ein Videoclip, der einen
Spaziergänger zeigt, den eine bewaffnete Drohen aufforder, seine Brieftasche in einen von der Drohen
herabhängenden Beutel zu legen! Viele Menschen tragen ein dauernd ortbares Smartphone mit sich.
Dabei kann über das Einschleusen eines Schadprogramms in ein Smartphone alles von andern
mitgehört werden, was sich in der Umgebung des Smartphones abspielt, auch wenn dieses gar nicht
zum Telefonieren verwendet wird.

Auch gibt es seit mindestens zehn Jahren ganz normal aussehende Brillen mit eingebauter
Videokamera die es erlauben, Videoclips aufzunehmen. Mit einer solchen Brille [84] ist man in der
Lage, unbemerkt überall zu Filmen, im Theater, im Museum, bei einer Party, usw. Wozu das führen
kann, wird in dem Roman (der immer mehr Wahrheit wird) [22] erläutert.

In diesem Sinn gibt es wohl kaum eine Privatsphäre mehr. Die Tatsache, dass in den letzten 15 Jahren
zum Thema Privatsphäre über 500 (!) englischsprachige Bücher erschienen sind sagt eigentlich alles.
Interessant ist es zu beobachten, wie sich die Stimmung in dieser kurzen Zeit verschoben hat.
Während im Buch von Brin [34] aus dem Jahr 1999 noch gefragt wird “Wird uns die Technologie
dazu zwingen, zwischen Freiheit und Privatsphäre zu wählen”, findet man in den neueren Bücher Lee
[35] und Andrews [36] schon die Feststellung, dass es sehr schwer sein wird ein bisschen Privatsphäre
zu retten, und Schertz [37] sagt dann schon “privacy is a thing of the past”. Andrew Keen erklärt sehr
deutlich, dass das Internet in ein Debakel geschlittert ist, aus dem es kaum mehr einen Ausweg gibt
[21]. Man kann dies als furchtbar ansehen, oder auch mit den Schultern zucken: hat man in einem
kleinen Dorf in Deutschland vor 150 Jahren eigentlich eine Privatsphäre gehabt oder nicht?

Klar ist, dass man nirgendwo im Web Informationen deponieren sollte, von denen man nicht will, dass
sie bekannt werden. Man kann wohl sagen: „Etwas ins Internet zu stellen ist, wie sich tätowieren zu
lassen. Die Tätowierung mag zunächst originell und lustig sein, aber ob man sich 40 Jahre bei
verrunzelter Haut noch sehr darüber freut ist weniger sicher.“

2.6 Verschiedene Menschen leben mehr und mehr in ihrer eigenen Welt

Es ist die im vorhergehenden Abschnitt beschriebene Profilbildung, die für Benutzer Vor- und
Nachteile gleichzeitig bietet. Einerseits ist es ja toll, wenn uns von manchen Websites automatisch
Waren empfohlen werden, die sehr stark unserem Geschmack entsprechen. Der Nachteil ist, dass alles
was man aus dem Web bekommt “personalisiert” ist, d.h. wir sind mehr oder minder in “unserer” Welt
eingeschlossen und sehen nie Dinge außerhalb dieser Welt. Es ist ein interessantes Experiment nach
einem bestimmten Wort an verschiedenen Arbeitsplätzen mit derselben Suchmaschine zu suchen. Wie
die Suchergebnisse gereiht sind ist oft sehr verschieden. Nun, dagegen kann man sich noch wehren,
indem man seine Cookies regelmäßig löscht.

Nicht alle Suchmaschinen führen so detaillierte Persönlichkeitsprofile mit wie das etwas Google tut.
Die Suchmaschine Startpage [59] bietet zwar auch Werbung als ihre Finanzierungsquelle, aber nicht
personalisierte, siehe [39], führt also keine persönlichen Profile mit und sollte Besorgten eine gute
Hilfe sein.

2.7 Die „Weisheit der Vielen“ und der „Der Kult der Amateure“

In seinem Buch Die Weisheit der Vielen versucht Surowiecki [10] zu belegen, dass viele Menschen
zusammen mehr wissen und richtiger entscheiden als selbst die besten Experten. Er bringt viele
Beispiele. Bei einer Quizshow schneidet der Kandidat, der eine Frage nicht beantworten kann, aber als
„Joker“ entweder einen Experten telefonisch befragen kann oder die im Fernsehstudio versammelten
Menschen, nachweislich besser ab wenn er sich an die Zuhörerschaft wendet. In dem Buch The Cult of
the Amateur von Keen [11] werden viele der Argumente von Surowiecki entkräftet, beispielsweise
wird der Effekt bei Shows so erklärt, dass die Fragen oft skurrile Details betreffen, die zwar kein
Experte kennen kann, an die sich aber einer in einer großen Menschenmenge aus den Klatschspalten
der Presse zufällig erinnert.

Wie massiv Keen argumentiert, mögen zwei Zitate belegen: (We show) how blogs, MySpace,
YouTube, and the rest of today's user-generated media are destroying our economy, our culture, and
our values…” oder “Instead of creating masterpieces million of ‘monkeys’ are creating an endless
digital forest of mediocrity. They publish everything from uninformed political commentary, to
unseemly home videos, to embarrassingly amateurish music, to unreadable poems, reviews, essays
and novels.

Keen übertreibt in einigen Punkten, aber ein starkes Argument in Richtung “Weisheit der Vielen” ist
wohl die Wikipedia: obwohl die Beiträge oft von einem anonymen Kollektiv unbekannter
Qualifikation geschrieben sind ist die Qualität im allgemeinen „ganz“ gut (s.u.), vor allem wenn es
sich um Texte handelt, die von sehr vielen gelesen (und dann eben auch korrigiert) werden. So hat die
Wikipedia zur Vernichtung der großen Lexika wie Brockhaus oder Larousse geführt, die heute nur
marginal in elektronischer Form existieren wie Britannica [53], oder Brockhaus [56], [73] . Wie weit
die aufwendigen Redaktionen dieser Lexika in Zukunft finanziell vertretbar bleiben können ist nicht
klar, aber es gibt inzwischen eine Gegenbewegungen: Ein großes norwegisches Lexikon wird seit
einigen Jahren von der öffentlichen Hand finanziert [104], ist gratis benutzbar, und hat über 2
Millionen Abrufe pro Monat. Das Austria-Forum [100], hat schon über 1,1 Millionen gratis abrufbar
und qualitätsgeprüfte Medienobjekte.

Die Qualität der Wikipedia im Vergleich zu gängigen Lexika ist oft untersucht worden. In Nature,
einer der angesehensten Wissenschaftszeitschriften der Welt schneidet Wikipedia nur marginal
schlechter ab als Britannica [51]. Freilich sind zwei der bekanntesten und genauesten Analysatoren der
Internetszene, Carr und Keen doch recht kritisch. In [4] schreibt Carr: Wikipedia isn’t very good at all.
Certainly, it’s useful – I regularly consult it to get a quick gloss on a subject. But at a factual level it’s
unreliable, and the writing is often appalling. I wouldn’t depend on it as a source, and I certainly
wouldn’t recommend it to a student writing a research paper. Der Vater der Wikipedia, Jimmy Wales
stimmt sogar teilweise zu: I don't agree with much of this critique, and I certainly do not share the
attitude that Wikipedia is better than Britannica merely because it is free. It is my intention that we
aim at Britannica-or-better quality, period, free or non-free. We should strive to be the best. But the
two examples he puts forward are, quite frankly, a horrific embarassment. <Bill Gates> and <Jane
Fonda> are nearly unreadable crap.

Carr in [4] ist gleichfalls sehr kritisch: The Internet is changing the economics of creative work – or, to
put it more broadly, the economics of culture – and it’s doing it in a way that may well restrict rather
than expand our choices. Wikipedia might be a pale shadow of the Britannica, but because it’s created
by amateurs rather than professionals, it’s free. And free trumps quality all the time. So what happens
to those poor saps who write encyclopedias for a living? They wither and die. The same thing happens
when blogs and other free on-line content go up against old-fashioned newspapers and magazines. Of
course the mainstream media sees the blogosphere as a competitor. It is a competitor. And, given the
economics of the competition, it may well turn out to be a superior competitor. The layoffs we’ve
recently seen at major newspapers may just be the beginning, and those layoffs should be cause not
for self-satisfied snickering but for despair. Implicit in the ecstatic visions of Web 2.0 is the hegemony
of the amateur. I for one can’t imagine anything more frightening.

Ich komme im Abschnitt 2.12 noch einmal auf die Qualität von Informationen zurück, die man mit
Wikipedia oder Suchmaschinen findet. Aber ein Punkt sollte nachdenklich stimmen: Sucht man ein
bestimmtes Thema in verschiedensprachigen Wikipedias dann sind die Ergebnisse oft verblüffend
verschieden. Natürlich überrascht das nicht, denn hinter den Wikipedias in den verschiedenen Ländern
stehen verschiedene Communities, die nur über manche gemeinsame Sammlungen (etwa Bilder bei
Wikicommons) auf dasselbe Material zurückgreifen, sonst aber entweder eigene Beiträge schreiben
oder von der englischsprachigen Wikipedia Teile übersetzen.

Das wohl schon sehr abgenützte Beispiel ist die Frage nach dem Erfinder der Nähmaschine. In der
deutschen Wikipedia ist das der Österreicher Madersperger [58]. In der englischen findet man viele
andere Namen [59], die sich wieder grundlegend von denen in ISMACS unterscheiden [60]. Freilich
ist dabei vieles eine Definitionsfrage: Ab welchem Komplexitätsgrad kann man von einer
Nähmaschine sprechen? Muss der Erfinder dafür ein Patent erworben haben oder nicht? usw.

Neben der Wikipedia gibt es natürlich viele andere Websites, die oft tiefgehende Informationen
anbieten und wirtschaftlich operierenden Unternehmen Konkurrenz machen. Dazu gehört etwa das
System des Smithonian Instituts [76] in Washington. Vor allem gibt es viele thematisch oder regional
fokussierte Server, wie etwa das Austria-Forum [74] eine „allgemeine Sammlung zitierbaren Wissens
mit Schwerpunktinteresse für ÖsterreicherInnen“, die serbische Variante davon [75], ferner frei oder
sehr günstig abrufbare Bücher wie in der Open Library [77] oder im Museums- und Archivverbund
Europeana [79], große andere Archive und unzählige weitere regionale Websites.

Das Internet bringt nicht nur die Druckbranche in Bedrängnis. Viele Dienste verlagern sich ins
Internet, oder Produkte werden über Online-Shops vertrieben. YouTube und Online Video Dienste
sind am besten Weg, das Fernsehen zu gefährden, Skype und WhatsApp das Telefonieren, wie wir es
gekannt haben, Online-Shops wie Amazon bringen traditionelle Vertriebswege in Bedrängnis,
Buchungsagenturen und Direktangebote setzen Reisebüros unter Druck, große Firmen wie Microsoft
oder IBM verzichten auf immer mehr Büroflächen und unterstützen Heimarbeit in dem Sinn, dass
Mitarbeiter einen guten Teil Ihrer Zeit zu Hause oder sonst auswärts arbeiten; es gibt neue
Geschäftsmodelle für „Soziale Netzwerke“ (Twitter, Facebook, …) oder Bilddienste wie Flickr und
Instagramm und Pixabay [61], oder Wikicommons. Etwas weniger bekannte Bilddienste sind u.a.
Gifboom, Cinemagram, Flixel, Vine, Tout, Viddy oder Keek. Sie ändern allmählich die
Medienlandschaft. Dabei gibt es auch kuriose Auswüchse. Sendet man ein Bild über Snapchat [85]
dann verschwindet es in Sekunden. Auf der Snapchat Site stand seinerzeit explizit: “Snapchat is the
fastest way to share a moment with friends. You control how long your friends can view your message
- simply set the timer up to ten seconds and send. They'll have that long to view your message and
then it disappears forever.”

Solche Aussagen verführten Teenager zu glauben, dass es nicht gefährlich ist, auch intime Bilder nach
einer Aufforderung “Sei nicht feige, zeige mir…“ über Snapchat zu versenden. Aber natürlich kann
der Empfänger das Bild als Screendump abspeichern bevor es verschwindet.

Dann gibt es „Zusatzangebote“, bei denen es nicht sicher ist, ob sie nicht irgendwann die gedruckten
Originalangebote verdrängen werden: manche (noch) gedruckte Zeitung kann man sich beim
Autofahren vorlesen lassen, Podcasts gewinnen gegenüber Hörbüchern immer mehr an Boden.
Insgesamt ist es denkbar, dass selbst Reisen oder Museumsbesuch u. Ä. durch virtuelle Angebote an
Attraktivität verlieren. Nur, kann es nicht sein, dass gerade die Verringerung von z.B. Druckprodukten
und Reisen die Energieproblematik entschärft?

2.8 Automatisierung, Arbeitslosigkeit und Entqualifizierung


Die Automatisierung erlaubt es, vieles mit weniger Arbeitskraft zu tun, als dies sonst möglich wäre.
Wenn damit Leistungen erbracht werden, die von Menschen nicht durchführbar sind, dann ist dies
sicher positiv zu sehen. Dies gilt z.B. für die Flugsicherung, für die Bahnberechnung von Satelliten,
für Prognosen, die auf großen Datenmengen beruhen, usw. Dann gibt es viele Einsatzbereiche, wo die
Automatisierung zwar „Arbeitsplätze vernichtet“, aber andere (meist höher qualifizierte) entstehen
lässt, z.B. für Programmierer, Manager, Forscher. Ferner gibt es Tätigkeitsbereiche, wo wir zu wenig
menschliches Personal haben, also durch Automatisierung freiwerdende Kapazität sinnvoll eingesetzt
werden kann: sei es in Bildungseinrichtungen, bei der Betreuung von älteren Personen, für die
Betreuung von Menschen nach Katastrophen oder in armen Ländern, für künstlerische Unterfangen,
usw. Man beruhigt gerne mit solchen Argumenten die Ängste, dass die Automatisierung die
Arbeitslosigkeit vergrößern könnte.

Ein autonomer Traktor kann z.B. ein Feld ohne menschliche Unterstützung abernten. So kommt es zu
der Aussage, dass demnächst 1% der Menschheit die Nahrung für alle Menschen herstellen wird
können [98]. Die Ängste in Richtung Arbeitslosigkeit sind daher gerechtfertigt, wenn wir nicht
reagieren. So wie seit 1900 die Anzahl der durchschnittlichen Arbeitsstunden pro Mensch und Jahr auf
die Hälfte (von 3.200 auf 1.600 Stunden) gesunken ist (durch die Kürzung der wöchentlichen
Arbeitszeit, höhere Urlaubsansprüche, Karenzzeit für Kinder, großzügige Behandlung von
Krankenständen, freie Tage für spezielle Anlässe, usw.) werden auch in Zukunft weniger Menschen
mit weniger Aufwand für alles sorgen können.

Auf diese an sich ja erfreuliche Tendenz gibt es zwei Auswege: Man schafft immer mehr überflüssige
Arbeit, Stichwort Bürokratisierung. Man kann es z.B. der Phantasie der Österreicher durchaus
zutrauen, dass noch mehr unnötige Aufgaben und ein noch größerer Verwaltungsapparat geschaffen
werden. Aber wollen wir wirklich, dass in der Zukunft 70% der Zeit Menschen eine eigentlich
unnötige Tätigkeit (Formulare ausfüllen?) durchführen, oder wollen wir, und das ist eine Änderung
der Kultur, die Arbeit neu verteilen, und abwertende Begriffe wie Arbeitslosigkeit, Stipendium,
Hilflosen-Unterstützung, usw. abschaffen und dafür eine Art Grundeinkommen einführen?

Die Automatisierung hat noch einen anderen Effekt: Das Ziel war ja doch, die Maschinen zu unsern
Dienern (Sklaven?) zu machen. Geschehen ist das Umgekehrte. Der gut ausgebildete Pilot oder
Maschinenbauer steuert nicht das Flugzeug oder den Produktionsprozess,das macht die IKT, der Pilot
schaut Stunde um Stunde nur auf einen Kontrollschirm und verliert dabei seine Erfahrung, sein
Wissen. Wenn er im Notfall dann doch glaubt eingreifen zu müssen hat er die richtigen Reaktionen
vielleicht vergessen und löst eine Katastrophe aus. Pointiert: Automation soll zu einer Neuverteilung
der Arbeit führen, zwischen den Menschen aber auch zwischen Menschen und Maschinen.

2.9 Die Notwendigkeit „in“ zu sein zerstört die Verbindung zwischen alt und jung

Diese Aussage ist wohl die originellste in dem Buch von Bauerlein [17], das ansonsten wie die Bücher
von Brabazon [9] und Spitzer [15] auf die Gefahren des Internets für Konzentration,
Erinnerungsvermögen und „verstehendes Lesen“ hinweist. Der Titel des Bauerlein Buches „The
Dumbest Generation: How the Digital Age Stupefies Young Americans and Jeopardizes Our Future
or: Don’ trust anyone below thirty“ sagt schon viel über den Tenor des Buches, aber der Klappentext
enthält auch die angesprochene weniger bekannte These „Communication technology creates a barrier
between generations. Young people have only one main aim: to be ‚in’“.

Die Grundbeobachtung ist bestechend. Die gegenwärtige Jugend, die “In generation” sieht es als
wesentlichste Aufgabe an, „in“ zu sein. Das heißt aber, dass man eine SMS oder eine Twitter
Botschaft, die auf ein neues YouTubeVideo hinweist, nicht ignorieren darf, sondern sich den Clip
sofort ansehen muss, sonst kann man in seiner Gruppe nicht mehr mitreden. Bauerlein argumentiert,
dass sich die Familie vor z. B. 60 Jahren noch regelmäßig zum Essen zusammensetzte, und dann die
Kinder ob sie wollten oder nicht zuhören mussten, was die Erwachsenen so besprachen. Sie lernten
dadurch unbewusst viel von den vorhergehenden Generationen. Heute sitzt die Familie als Verbund
nur noch selten zusammen. Und wenn, dann verwenden die Kinder Twitter, SMS oder YouTube,
wenn es sein muss unterm Tisch, d.h. klinken sich von der Unterhaltung am Tisch aus: sie lernen nicht
mehr durch Weitergabe von den Älteren, sondern nur noch von Informationen aus ihrem Alterskreis.

2.10 Gewalt verherrlichende Computerspiele führen zu einer Verrohung der Menschen

Das Ausmaß der Verfügbarkeit von gewalttätigen oder sexuell orientierten Angeboten ist unglaublich.
Es wurde schon oft argumentiert, dass solche Angebote nicht nur im Sinn von Postmann [28]
gefährlich sind: Gegenargument könnte es sein, dass die vielen wahrhaft blutigen Computer Spiele ein
Ventil sind und Aggressivität in der Wirklichkeit abzubauen. Oder ist es doch wie befürchtet so, dass
die „shooter Games“ wie solche auf [86] , [62] oder die über 12.000 (!!!) auf Congregate [63] nicht
doch nur zeigen, wie man verletzt, tötet und zerstört?

Alle seriösen Untersuchungen zeigen leider das letztere. Ein Zitat vom Amerikaner Bushman [18]: ”In
1972, the Surgeon General issued the following warning on violent TV programs: "It is clear to me
that the causal relationship between televised violence and antisocial behavior is sufficient to warrant
appropriate and immediate remedial action. … There comes a time when the data are sufficient to
justify action. That time has come." (Steinfeld, 1972).

Gewaltverherrlichende Spiele und Fernsehsendungen sind in mehr als 100 Studien mit über 130.000
Probanden untersucht worden und haben deutlich gezeigt, dass Spieler durch eine große Dosis solcher
Materialien aggressiver und zorniger werden, und weniger bereit, anderen Menschen zu helfen.

Natürlich ist auch das sexuell orientierte Angebot im Internet vor allem dann mehr als bedenklich,
wenn es zu gewalttätiger oder Kinderpornographie ausartet. Freilich hat eine Tatsache immer
verblüfft, wenn nicht amüsiert: Menschen umbringen ist gesetzlich verboten, aber wird andauernd in
Filmen und Computerspielen angeboten. Sex ist nicht verboten, sondern ist eher etwas Natürliches und
oft Erfreuliches; aber ein nackter Busen beim Superbowl hat in den prüden USA für enormes
Aufsehen gesorgt.

2.11 Internet und Computer zerstören kognitive Fähigkeiten

Schon seit zehn Jahren gibt es Bedenken, dass moderne Medien durch Reizüberflutung die
Konzentrationsfähigkeit verringern und damit unsere Fähigkeit, klar zu denken und sich an etwas zu
erinnern oder komplexere Passagen mit Verständnis zu lesen. Die „Häppchen“ Kommunikation über
z.B. SMS und Twitter scheinen das „verstehende Lesen“ massiv zu gefährden, wie Brabazon [9] mit
harten Fakten belegt. Auf dem Umschlag des zitierten Buches findet man schon die provokanten
Aussagen: “Looking at schools and universities, it is difficult to pinpoint when education, teaching and
learning started to haemorrhage purpose, aspiration and function. As the internet offers a glut of
information, bored surfers fill their cursors and minds with irrelevancies, losing the capacity to sift,
discard and judge.”

Weber [12] sagt Ähnliches, aber bei ihm geht es mehr um die negativen Folgen von Copy/Paste. Aber
Keen [11] und Bauerlein [17] schlagen mit Brabazon in dieselbe Kerbe: Hand aus Herz, wann haben
Sie sich das letzte Mal genüsslich zurückgelehnt und ruhig analysiert wie ihr Leben und das Ihrer
Lieben verläuft? Übertrieben formuliert, nicht nur Kinder leiden immer mehr an dem ADS, auch
zunehmend viele Erwachsene müssen sich immer mit etwas beschäftigen, und sei es auch nur das
Lösen von Sodukos, das Zappen durch TV Kanäle wenn sie nicht gerade ohnehin beschäftigt sind mit
Radio, Musik bei der Arbeit, SMS, Handy, Skypen, Email, Twitter, Facebook, Instagram, YouTube
Clips anschauen, usw.

Unser Gedächtnis wird brüchig, auch ohne Alzheimer, weil wir es zu wenig benutzen: Warum soll
man sich eine Telefonnummer merken, oder Termine, an die das Smartphone ohnehin erinnert? Wenn
man ein Handy in der Wohnung nicht findet, ruft man das Telefon mit einem anderen Telefon an und
das gesuchte Handy meldet sich brav.
Aber nicht nur unsere Erinnerungsfähigkeit leidet, sondern wohl auch unser Denken und unsere
Beobachtungsgabe. Warum soll man sich Sorgen um das hintere Ende eines Autos machen, die
Entfernungswarnungsanlage piepst schon rechtzeitig. Oder, warum soll man Wechselgeld nachzählen
beherrschen, wenn man ohnehin Bankomatkarte oder Kreditkarte verwendet? Diese Liste ist beliebig
lang fortsetzbar: sie spiegelt die negativen Aussagen der erwähnten Autoren wieder: Die
Informationsflut der neuen Medien lenkt ab und stört, und verschlechtert unser Denk- und
Erinnerungsvermögen.

Fürchteten wir nicht alle noch vor wenigen Jahren bald auf einer kahlen Welt zu leben, weil der saure
Regen die Wälder zerstört? Was gestern das Ozonloch war ist heute das böse Kohlendioxyd das uns
aber andererseits vielleicht in Zukunft zusammen mit Wasser wertvolle Nahrung wie Traubenzucker
und Proteine liefern könnte, oder zumindest umweltneutral in der Methanol-Wirtschaft (siehe austria-
forum.org , R061 und R060) verwendet werden kann.

Von allen Übertreibungen abgesehen bleibt ein unwiderlegbares Faktum bestehen: Die Fähigkeit des
„verstehenden Lesen“ nimmt tatsächlich ab. Das entspricht auch der Beobachtung des Mensch-
Computer Interface Spezialisten Nielsen, der an vielen Testpersonen nachgewiesen hat, dass diese
nicht mehr wirklich lesen, sondern den Text nur überfliegen, „scannen“. Verdummt die Technik also
die Menschen? Das ist die zentrale Frage, die in Abschnitt 3 beantwortet wird.

2.12 Copy/ Paste ist ein ernsteres Problem als es oft gesehen wird

Copy/ Paste hat drei ganz verschiedene Aspekte. Einer ist die Tatsache, dass Plagiate sicher
zugenommen haben, schlichtweg weil sie durch Copy/ Paste so einfach geworden sind. Besonders
heikel ist das für Schulen, weil es Angebote gibt, die solche Plagiate bewusst unterstützen. Websites
wie [80] bieten fertige Aufsätze für fast jedes Schulthema an. [81] behauptet, mehr als 200 Themen
auf dem Doktoratsniveau bearbeiten zu können. Natürlich gibt es Software zur Erkennung von
Plagiaten, siehe etwa die Arbeiten von Maurer et al. [8] und [25], oder Kulathuramaiyer [26], doch löst
das nicht alle Probleme. Einerseits wird schon Anti-Plagiatserkennungssoftware (!) angeboten, die
etwas verfremdete Aufsätze vor Plagiatserkennung schützt, andererseits gibt es bis heute keine gute
sprachübergreifende Plagiatserkennung.

Auf Forschungsniveau scheint mir nur dauernde Verfolgung der Fortschritte mit einem
Forschungstagebuch wie in Maurer et al [27] beschrieben eine echte Abhilfe zu schaffen. Ein zweites
Problem ist bei Copy/ Paste die Tatsache, dass man ja oft nicht sicher sein kann, ob die Quelle, von
der man kopiert, richtig ist oder nicht. Wenn man z.B. die ersten Suchergebnisse mit Google zur
Anfrage “boiling point of Radium” betrachtet so findet man dort (genauer: fand man am 3. Mai 2013)
vier verschiedene Angaben in vier scheinbar verlässlichen Quellen: 1737, 1430, 1140, und 1500 Grad!
Natürlich, vielleicht ist der Siedepunkt des Radiums nicht ganz so wichtig. Aber als der erste Autor im
Sommer 2012 den Pilz „Echter Ritterling“ („Grünling“) ergoogelte, fand er 5 Einträge von „Guter
Speisepilz“ bis zu „Tödlich giftig“, also doch „recht verschiedene“ Aussagen.

Schwerwiegende Bedenken rühren auch daher, dass Copy/ Paste von großen Passagen von Schülern
und Studenten verwendet wird, ohne dass die Textstücke überhaupt genau gelesen und schon gar nicht
verstanden werden! Es darf bei aller Hochachtung vor den Inhalten der Wikipedia nicht verschwiegen
werde, dass sie gendermäßig nicht gut ausgeglichen ist (über 90% der Beiträge sind von Männern
erfasst) und dass politisch gesehen eine liberale, soziale, ja leicht linke Ausrichtung in mehreren
Untersuchungen festgestellt werden konnte. Es spricht allerdings für die Wikipedia, dass sie beides
nicht abstreitet, siehe etwa [99] und [101], vergleiche aber auch [100].

Unabhängig davon, ob man sich um das Vergehen des Plagiatisierens Sorgen macht oder nicht steht es
fest, dass Aufsätze von Studenten sehr häufig nichts anderes sind als zusammengeklebte Teile, die mit
Copy/ Paste von irgendwo übernommen wurden. Mit Unterstützung des österreichischen
Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung wurde versucht, im Rahmen des “Sparkling
Science Programms” [78] mit 11-17 jährigen Schülern Alternativen zu erproben. Die Schüler konnten
sich ein beliebiges Thema aussuchen, zu dem sie einen Aufsatz schreiben wollten. Insbesondere durfte
nur zitierbares Material verwendet werden. Es gelang zu überzeugen, dass sorgfältige Recherchen und
das Zitieren verlässlicher Beiträge sinnvoll sind. Aber es tauchten dabei zwei Probleme auf:

(1) Es war unklar, welche Beiträge im Web im obigen Sinn zitierbar sind. Z. B. sind das Wikipedia
Einträge im Allgemeinen nicht, da weder Zeitpunkt noch Autoren leicht erkennbar sind. Aus diesem
Grunde wurde das Austria-Forum [74] eine der Hauptquellen, weil dort viele Beiträge zeitlich stabil
und mit nachvollziehbaren Autoren vorliegen.

(2) Obwohl also für alle Aufsätze nachweisbar mehrere Quellen verwendet wurden, entstanden daraus
in fast allen Fällen nicht eigenständige Formulierungen, sondern doch nur wieder mit Copy/ Paste
Zusammengeklebtes, nur eben aus mehr als einem Beitrag. Mit anderen Worten, die Grundidee, dass
die Schüler in ihrem Kopf Ideen zusammentragen, verschmelzen, prüfen und neu anordnen und dann
kreativ einen wirklich eigenen Aufsatz verfassen würden wurde selten erfüllt. In diesem Sinn scheinen
die Sorgen einer Brabazon oder eines Spitzers jedenfalls teilweise gerechtfertigt.

Vollständigkeitshalber sollen hier die wichtigsten Alleinstellungsmerkmale des Austria-Forums [74]


(kurz AF) aufgelistet werden, einer umfassenden Sammlung von Wissen über alles (so ist es geplant)
was für Österreicher und Österreicherinnen interessant ist. Das Austria-Forum basiert auf einigen
wichtigen Überzeugungen.: (a) Es gibt zu komplexen Themen keine objektive Wahrheit; (b)
Quellenangaben bei Beiträgen sind notwendig; (c) Aktualisierung zerstört: Es wird übersehen, dass
Aktualisierung auch Verlust bedeutet. Wie viele schöne alte Kirchen sind in Österreich durch
Aktualisierung (z.B. durch das Anbringen von Goldengelchen und Goldverzierungen im Barock)
zerstört worden; (d) Im Gegensatz zu gängigen Lexika beinhaltet das AF auch viele ganze Bücher.
Es sind dies die so genannten Web-Books [88]; (e ) es gibt vielfältige Suchmöglichkeiten, nicht nur
eine Variante des Suchens; (f) Das Austria-Forum archiviert in der Kategorie AustriaWiki auch
Artikel der deutschsprachigen Wikipedia, wobei eine "Verifizierung" dieser eingefrorenen Beiträge
angestrebt wird; (g) Das Austria-Forum verfügt über eine umfangreichen Teil mit Informationen zu
anderen Ländern „Global-Geography“ [68]. Neben den in andern geographischen Servern üblichen
numerischen Daten und allgemeinen Informationen wird ein Versuch gemacht, sich auf andere
Bereiche zu konzentrieren: erstens, auf hochqualitative Bilder mit guten Beschreibungen darunter auch
360° Panoramabilder siehe [65] und [66] (wobei wir auch auf den Foto-Kiosk [71] hinweisen wollen],
zweitens auf Geschichten/Mythen/Berichten die typisch für ein Land sind [67], drittens auf kulturelle
Aspekte jedes Landes (UNESCO World Heritage Sites, Nationalparks, Nobelpreisträger,…), viertens
auf ein experimentelles Labor [69], in dem man sich über beliebige Länder und Eigenschaften einen
Bericht erstellen lassen kann, und fünftens die Möglichkeit, Daten graphisch zu visualisieren [70].

Das Austria-Forum bietet mit inzwischen über 1,1 Millionen Objekten natürlich sehr viel mehr. Für
einen ersten Einstieg empfehlen wir die Highlights [72].

2.13 E- Learning

Der Versuch, neue Medien für die Ausbildung in Schulen, Universitäten, Firmen und anderen
Organisationen einzusetzen ist mindestens 50 Jahre alt. Einen auch heute noch gültigen Überblick über
das Auf und Ab der Entwicklung und die vielen enttäuschten Hoffnung gibt Maurer [32]. Seit diesem
Bericht hat sich wenig geändert: der Durchbruch von E-Learning im Sinne, dass damit Schulen und
Universitäten ersetzt werden hat sich so wenig ereignet wie der Buchdruck Schulen und Universitäten
und andere Ausbildungsinstitutionen überflüssig gemacht hat. Eine gute und objektive
Zusammenstellung gibt das Buch von Martin Ebner und Sandra Schön [2]. Spitzer [15] enthält einige
interessante Beobachtung, aber auch viele Übertreibungen, etwa wenn er plakativ de facto schreibt
„dass Computer für den Biologieunterricht so notwendig sind wie Fahrräder zum Erlernen des
Schwimmens“.
Freilich, Spitzer will nicht den Computer aus der Schule verbannen. Aber er spricht sich massiv
dagegen aus, alle Schüler einer Klasse mit einem Tablet-Computer auszurüsten. Tatsächlich zeigen
viele Erfahrungen, dass Lehrer häufig mit so ausgerüsteten Klassen nicht zu Rande kommen: die
Schüler hören nicht mehr dem Lehrer zu, sondern surfen im Web, Twittern, sind auf Facebook, oder
konzentrieren sich auf ein Computerspiel oder ein YouTube Video, wenn sie nicht ohnehin mit dem
Handy unsichtbar SMS verschicken und empfangen.

Kritik am E-Learning ist auch insofern berechtigt, als Multimedia und Animationen häufig
kontraproduktiv sind (weil sie den Lernenden zu viel Zeit kosten], wie Hasebrook et al. [30] und
Maurer [29] zeigen. Auch die Verwendung von Videos im E-Learning ist häufig weniger sinnvoll als
viele das annehmen: Videos sind unübersichtlich. So wie man einen Text schneller überfliegen kann
als einen Audiofile, kann man einen Schirm voll kleiner Bildchen, aus denen man sich das interessante
heraussucht und vergrößert, meist besser überblicken als einen Film.

Spitzer ist aber sehr viel radikaler, wenn er sagt „E-Learning hat nie wirklich funktioniert“.
Tatsächlich gibt es keinen Nachweis, dass z.B. das Durcharbeiten einer gut ausgearbeiteten
Kurseinheit anstelle einer Vorlesung das Verständnis erleichtert oder beschleunigt. Das Verarbeiten
von Wissen findet in unserem Hirn statt, d.h. eine gewissen Denkleistung kann uns nicht abgenommen
werden: etwas Komplexes zu verstehen erfordert von uns einen Denkaufwand, wie eine sportliche
Leistung uns etwas körperlich abverlangt. Dass aber E-Learning oft sinnvoll ist, etwa weil man Teile
einer Vorlesung versäumt hat, oder diese wiederholen will, oder weil man prüfen will, ob man für ein
Seminar genügend gerüstet ist und durch E-Learning Lücken schließen kann, oder weil eine weite
Anreise nicht sinnvoll ist, vor allem aber als spontane Hilfe wenn man Wissen benötigt („on the job“,
„when needed“) ist wohl auch klar.

Insgesamt wir die Bedeutung von E-Learning vor allem für Schulen überschätzt. Es stellt sich sehr viel
mehr die Frage: WAS soll man in Zukunft WANN unterrichten… da ist das WIE (mit oder ohne
Computerunterstützung) vergleichsweise unwichtig. Denn dass vielleicht manche Fakten, die wir
jederzeit aus dem Web abrufen können, dort besser aufgehoben sind als in unserem Kopf, oder dass es
wohl wirklich nicht so wichtig ist zu wissen, wie man ein Dreieck aus drei Bestimmungsstücken
konstruiert, usw. sollte klar sein.

Ich hebe das Buch von Spitzer [15] insofern hervor, als es bei allen mit E-Learning Beschäftigten sehr
heftige Reaktionen ausgelöst hat. Denn wenn er als Neuropsychologe Beispiele bringt, diese aber nicht
bewertet, dann ist das verwunderlich. Ein Beispiel sei erlaubt: Spitzer belegt mit
Computertomographieaufnahmen, dass die Region des Gehirns, die örtliche Informationen
abspeichert, bei Londoner Taxifahrern sehr viel stärker ausgeprägt ist als bei Taxifahrern in Los
Angeles, weil in London die Taxiprüfung sehr viel Wissen über Straßen, Einbahnen und dergleichen
abverlangt, während man in Los Angeles nur einen Führerschein braucht und ein GPS System
bedienen können muss. Die Tatsache, dass Lernen tatsächlich die Struktur des Hirns verändert ist nicht
neu, die Massivität vielleicht schon, aber Spitzer berichtet nicht darüber, ob das so stärker ausgeprägte
Ortsgedächtnis des Londoner Taxifahrers diesem auch in anderen Städten, oder bei andern
Merkaufgaben hilft. Gerade das wäre aber besonders interessant.

Während Spitzer das Internet in erster Linie was E-Learning anbelangt angreift, gehen andere Autoren
weiter und greifen Internet insgesamt an, etwa Zittrain in [44] oder wie schon erwähnt Keen in [21].

E-Learning hat auch eine sehr starke Wirkung auf den Sprachunterricht ausgeübt, weshalb wir diesen
angelehnt an [97] genauer besprechen möchte: Man leidet, wenn man in einem Land unterwegs ist
ohne sich mit dort lebenden Menschen verständigen zu können. Daher stellt der
Fremdsprachunterricht eine wichtige Komponente der schulischen Ausbildung dar, bzw. bewirkt, dass
Sprachkurse fallweise mit Begeisterung konsumiert werden.

Eine erste Stufe ist es wohl, Englisch (in der Diplomatie: Französisch, für manche Teile der Welt:
Spanisch) zu lernen und hoffen zu können, wenn schon nicht in der Landessprache, dann doch mit
einigen Menschen ein bisschen kommunizieren zu können, um einfache Fragen zu stellen und die
Antworten zu verstehen. Tiefe Gespräche sind ohnehin unmöglich in Gegenden, wo keine der großen
Sprachen beherrscht werden.

Die Kultur des Lernens einer Sprache um international auftreten oder lesen oder Fernsehsendungen
verstehen zu können ist sicher ein wichtiger Teil unserer Ausbildung gewesen, und die Motivation
dazu war klar. Dies ist im Begriff sich zu ändern. Nicht nur gibt es im WWW ausgezeichnete
Wörterbücher, etwa das Wörterbuch [90] oder SW zu kaufen, siehe eine kleine Übersicht auf [91],
sondern ein Smartphone kann problemlos jedes Wort von fast jeder Sprache in jede andere übersetzen,
ja man kann sogar die Eingabe sprechen (nicht tippen), und die Aussprache der Übersetzung hören. Es
gibt ja auch im WWW Programme, die ganze Dokumente leidlich gut übersetzen, wenn die Sätze und
Themen nicht zu kompliziert sind. In erster Linie ist da wohl Google Translate [92] zu nennen, aber
auch andere, wie das ältere Babelfisch [93] u.v.m..

Eine Übersicht [94] zeigt einige tragbare Übersetzungsgeräte, wobei z.B. die von Vasco schon einen
sehr hohen Komfort bieten. Es ist damit klar: In wenigen Jahren kann man überall in der Welt
technisch unterstützt mit Einheimischen über zunehmend komplexe Themen sprechen.

Damit ist die Hauptmotivation für das Erlernen von Fremdsprachen verschwunden. Ein junges Kind
heute mit dem Erlernen einer Fremdsprache für Trivialgespräche zu plagen ist so, als würden wir vor
fünf Jahren noch Rechenschieber oder Logarithmentafeln unterrichtet haben.

Das bedeutet nicht, dass damit die Motivation für den Sprachunterricht verschwunden ist. Aber die
die Motivation hat sich ändert. Für einfache Kommunikation muss man keine Fremdsprache mehr
erlernen, für das tiefe Verstehen einer anderen Kultur aber durchaus: Altgriechisch und Latein wurden
nicht unterrichtet, um diese Sprachen an sich zu lernen, sondern um die Kultur der betreffenden
Zivilisationen eindringen zu können.

Provokant formuliert: Man kann ein Land nicht wirklich verstehen ohne seine Sprache sehr gut zu
beherrschen. Freilich machen wir in Europa einen Fehler: Wir konzentrieren uns zu sehr auf
indogermanische Sprachen und können dadurch in gewisse mentale Welten wie die zeitlose der Hopi
Indianer, die hauptwortlose der Navoutkas, der Tantren tibetanischer Mönche etc. kaum eindringen.

3. Warum nicht alle negativen Aspekte der IKT so negativ sind

In Abschnitt 2 wurden eine Reihe von Punkten besprochen, von denen einige eine tastsächliche Gefahr
für Mensch und Gesellschaft darstellen, und es wurden einige Aspekte hervorgehoben, die viele der
kognitiven Fähigkeiten der Menschen („Schreiben“, „Rechtschreiben“, Lesen, Rechnen,
Merkfähigkeit, Orientierung, …) beeinträchtigen. Viele ernst zu nehmende Untersuchungen bestätigen
dies, d.h. dieser Effekt kann nicht bestritten werden. Und wenn oben „Schreiben“ und
„Rechtschreiben“ unter Anführungszeichen stehen, dann sehr bewusst. Denn vieles muss gar nicht
mehr geschrieben/getippt werden, sondern kann sprachlich eingegeben bzw. gibt es viele
Wortergänzungsprogramme, die nach einigen Buchstaben schon oft das richtige Wort vorschlagen, das
man gar nicht mehr tippen muss.

Es folgt daraus aber NICHT, und das muss hier sehr deutlich gesagt werden, dass IKT, die das bewirkt
gefährlich oder falsch eingesetzt wird. Vielmehr schließen wir daraus etwas ganz anderes, nämlich
dass wir den Begriff "Mensch" neu definieren müssen: Ein Mensch ist heute nicht nur ein biologisches
Wesen, er hat in und um sich diverse Technologien, und er darf nur mehr als Symbiose mit diesen
verstanden werden.

Ich hoffe, dass einige Beispiele überzeugen. Jeder Mittelohrtaube könnte ohne Hörbrille kein Wort
mehr verstehen. Viel sehen scharf nur mit einer Brille. Ein Schrittmacher versorgt ein Herz mit dem
richtigen Takt. Ein Hüftgelenk besteht aus Titan.
Warum soll es so schlimm sein, wenn man nicht mehr flüssig einigermaßen schön schreiben kann:
Man tippt auf der Tastatur oder man diktiert, und die „Speech to Text“ Software ist inzwischen
leidlich gut; die Rechtschreibung ist wegen des Rechtschreibprüfprogramms auch nicht schlecht.
Rechnen kann ja ohnehin schon fast niemand mehr, warum auch: das Handy hat einen ganz guten
Taschenrechner integriert. Das GPS System sorgt dafür, dass man sich überall auskennt. Eine Tafel,
die bei einer Wanderung die Wege erklärt fotografiert man natürlich, damit man sie später immer
wieder ansehen kann, etc.

Kurzum, die Tatsache, dass Technologien gewisse Fähigkeiten verkümmern lassen ist ja nicht
tragisch, wenn diese Fähigkeiten durch Technologie überkompensiert werden: wir müssen nur den
Menschen als Symbiose von biologischem Lebewesen und Technologie anerkennen.

Eigentlich ist das nicht neu. Unsere Großväter hatten starke Muskeln, weil sie viel körperlich
arbeiteten. Sie konnten 50 kg 20 km in 4 Stunden tragen. Beeindruckend? Wir bringen 500 kg 200 km
weit, in nur 2 Stunden, weil wir ein Auto verwenden. Und mit einer Motorsäge fällt man einen Baum
schneller als es trotz Geschick und Kraft möglich war.

4. Wie geht es weiter?

Die Symbiose Mensch-Technologie geht unaufhaltsam weiter. Solange wir emotional und kreativ
Mensch bleiben und dabei immer „mächtiger“ werden, weil wir mit IKT viele Funktionen besser
ausführen können als ohne diese, ist das nicht gefährlich, wenn wir uns gegen eine totale Abhängigkeit
von der Technologie durch Redundanz oder Alternativtechnologien schützen und wenn wir wichtige
Teile der Kultur, die wir nicht verlieren wollen schützen können.

Natürlich haben neue Technologien auch ihre Gefahren. Aber nur zu betonen, dass das Web unsere
Kultur zerstört, wird dann nur von jenen Menschen benutzt werden, die zu träge sind, sich mit
innovativen Entwicklungen zu beschäftigen, wie Dueck in seiner schönen Arbeit [38] so deutlich
erklärt.

Dass Innovation trotz aller Bedenken, die man haben kann, der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft
ist kann kaum bezweifelt werden. Ja, natürlich ist die Frage erlaubt: Wie viel Technologie braucht der
Mensch um glücklich zu sein. Und natürlich ist die Antwort: „fast keine“, wie mit der Geschichte von
Nepal in Abschnitt 2.1 erklärt wurde. Nur ist eine Welt, die auf 10 Milliarden Menschen zusteuert,
ohne immer bessere Technologien unmöglich.

5.Literatur

Beiträge und Bücher

[1] Maurer, H., Tochtermann, K.: Is the Internet turning us into dummies; In: Proceedings of ED-MEDIA
Conference 2013, Jan Herrington et al. (Eds.), Chesapeake, VA, AACE; pp. 2524-2534
[2] Ebner, M. (2011). Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien. Epubli Verlag
[3] Giese,H., Preuss, M. (2016) Die Bitcoin Bibel. BTC Echo
[4] Carr, N. (2016) Utopia is Creepy: And Other Provocations. W. W. Norton & Company
[5] Eslberg, M. (2013) BLACKOUT - Morgen ist es zu spät. Blanvolet
[6] Eslberg, M. (2016) Zero. Blanvolet
[7] Eslberg, M. (2016) Helix. Banvolet
[8] Maurer, H., Kappe, F., Zaka, B. (2006). Plagiarism - A Survey. J.UCS , Vol. 12 / Issue 8, pp. 1050 - 1084
http://www.jucs.org/jucs_12_8/plagiarism_a_survey
[9] Brabazon, T. (2007). The University of Google; Ashgate
[10] Surowiecki, J.(2005). The wisdom of Crowds. Anchor Books
[11] Keen, A. (2007): The cult of the amateur. Double Day
[12] Weber, St. (2006). The Copy-Paste Syndrom, Teleopolois-Heine
[13] Maurer, H., Kappe, F., Zaka, B. (2006). Plagiarism - A Survey. J.UCS , Vol. 12, Issue 8, pp. 1050 – 1084
[14] Maurer, H. (2003). Das Paranetz- Der Zusammenbruch des Internets. Frey Verlag bzw. iicm.edu/Xperten
[15] Spitzer, M. (2012). Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen. Roemer
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[16]Kulathuramaiyer, N., Balke, W.T (2006): Restricting the View and Connecting the Dots. Dangers of a Web
Search Engine Monopoly. J.UCS, 12 (12), 1731-1740
[17] Bauerlein, M. (2008). The dumbest generation. Paperback and available on Kindle.
[18] Bushman, B .J. The effects of violent video games. Do they affect our behavior?
[19] Reischl, G. (2008). Die Google Falle. Ueberreuter.
[20] Maurer, H. (2007). Google-Freund oder Feind? Informatik Spektrum, 30/4, 272-278.
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[23] Fricke, T., Novak, U. (2015) Die Akte Google. Herbig, München
[24] Carr, N. (2010). The Shallows: What the Internet Is Doing to Our Brains. W. W. Norton & Company.
[25] Maurer,H., Zaka, B. (2007). Plagiarism. A problem and how to fight it. Proc. ED-MEDIA 07, Vancouver,
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Learned Publishing vol., 20, no. 4, 252-258
[27] Maurer,H., Kulathuramaiyer, N. (2008). Learning Ecosystems for Dealing with the Copy-Paste Syndrome;
Journal for Research in Innovative Teaching, Vol. 1, No.1, 1-25.
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[29] Maurer, H. (2010). Unforseen Effects of the WWW; Journal of IT in Asia Vol 3, No. 1, 3-11.
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[31] Maurer, H. (2009). Im Banne des Wissens. Freya Verlag bzw. www.iicm.edu/Xperten
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2002, AACE Charlottesville, USA, Volume 1 (2002), 2-7
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[34] Brin, D. (1999). The Transparent Society- Will Technology Force Us to Choose Between Privacy and
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[35] Lee, O. (2011). Waiving Our Rights: The Personal Data Collection Industry and Its Threat to Privacy and
Civil Liberties.Rowman & Littlefield
[36] Andrews, L. (2012) I Know Who You Are and I Saw What You Did: Social Networks and the Death of
Privacy. Free Press
[37] Schertz Ch., Hoech, D.(2011). Privat war gestern- Wie Medien und Internet unsere Werte zerstoeren.
Ullstein Verlag
[38] Dueck, G. (2013) Wildes Wunschkind Innovation, Informatik Spektrum, vol. 36., No.1, 1004-110
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[57] https://startpage.com
[58] https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Madersperger
[59] https://en.wikipedia.org/wiki/Sewing_machine#Invention
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[62] http://www.bgames.com/shooting-games
[63] http://www.kongregate.com/shooter-games
[64] http://yfcc100m.appspot.com
[65] https://austria-forum.org/af/Geography/Many_Pictures
[66] https://austria-forum.org/af/Geography/Stories/Panoramas
[67] https://austria-forum.org/af/Geography/About/Main_Ideas/Current_List_of_Stories
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[71] https://austria-forum.org/af/AEIOU/Foto-Kiosk
[72] https://austria-forum.org/af/ Highlights
[73] http://www.brockhaus-enzyklopaedie.de
[74] https://austria-forum.org
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[78] https://austria-forum.org/af/Sparkling_Science
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[80] http://www.e-hausaufgaben.de
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[84] http://www.dhgate.com/720p-high-definition-glasses-camera-video/p-
ff808081399451740139bec36c0e5f41.html#s3-10-1
[85] https://www.snapchat.com
[86] http://www.addictinggames.com/shooting-games/index.jsp
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[90] https://www.dict.cc
[91] https://strawpoll.de/uebersetzungssoftware
[92] https://translate.google.com
[93] https://www.babelfish.com [94] https://www.elektronische-ubersetzer.de/3-
produkte?gclid=CLDU0ufpktQCFYwQ0wod2RENzw
[95] https://www.torproject.org
[96] https://austria-forum.org/af/ AEIOU/Drohnen
[97] Wissenssammlungen/Essays/Medien/Müssen_wir_noch_Fremdsprachen_lernen
[98] https://austria-forum.org/af/ AEIOU/Automatisierung_in_der_Landwirtschaft
[99] https://en.wikipedia.org/wiki/Gender_bias_on_Wikipedia
[100] https://austria-forum.org
[101] https://en.wikipedia.org/wiki/Criticism_of_Wikipedia
[102] https://www.outstandingdrone.com/how-to-register-a-drone-us
[103] https://en.wikipedia.org/wiki/Unmanned_aerial_vehicle
[104] https://en.wikipedia.org/wiki/Store_norske_leksikon

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