Schwerpunktherausgeber
K.Werdan, Halle
H.-P.Schuster, Hildesheim
Was ist „Schock“?
Klinische Zeichen
Septischer Schock
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Schwerpunkt: Der Patient mit Schock
Tabelle 1
Die Pathophysiologie des Schocks sei
Ursachen des Schocks. (Nach [19, 29])a exemplarisch am kardiogenen und septi-
Kardiogener Schock Hypovolämischer Schock schen Schock dargestellt.
Linksherzversagen Intravaskuläre Hypovolämie
Kardiogener Schock
Systolische Dysfunktion, Kontraktilität Ø : Blutung:
• Myokardinfarkt • Gastrointestinal
Ausgangspunkt des kardiogenen Schocks
• Ischämie und globale Hypoxie • Traumatisch
• Kardiomyopathie • Aortendissektion u. a. innere Blutungsquellen
ist die systolische Funktionsstörung mit
• Medikamente mit negativer Inotropie: Flüssigkeitsverluste über die Niere: herabgesetzter Auswurfleistung,aber auch
b -Blocker, Kalziumantagonisten, Antiarrhythmika • Diuretika die diastolische Störung mit Beeinträch-
• Herzkontusion • Osmotische Diurese (z. B. Diabetes mellitus) tigung der ventrikulären Füllung.Als sys-
• Respiratorische Azidose • Diabetes insipidus (centralis/renalis) temische Gegenreaktion erfolgt die Akti-
• Metabolische Störungen: Azidose, Gastrointestinale Flüssigkeitsverluste: vierung des sympathischen Nervensys-
Hypophosphatämie • Erbrechen tems sowie renaler, neurohumoraler und
Diastolische Dysfunktion: • Diarrhö lokaler vasoregulatorischer Mechanismen.
• Ischämie • Verlust über Magensonde Ziel der Gegenregulationen ist die Wie-
• Ventrikuläre Hypertrophie • Verlust über Stomata derherstellung und Aufrechterhaltung ei-
• Restriktive Kardiomyopathie Verlust in den extravasalen Raum: nes ausreichenden HZV mit suffizienter
• Nach prolongiertem septischem oder • Verbrennung Organperfusion.
hypovolämischem Schock • Trauma Der Abfall des Blutdrucks führt über
• Ventrikuläre Interdependenz • Postoperativ Erregung von Baro- und Chemorezepto-
Klappenfehler, strukturelle Schäden: • Sepsis ren zur Aktivierung des sympathischen
• Mitralstenose, Endokarditis Flüssigkeitsverluste über die Haut: Nervensystems. Folge ist ein Anstieg der
• Mitral-/Aorteninsuffizienz • Großflächige Wunden Herzfrequenz sowie eine Zunahme der
• Papillarmuskeldysfunktion/-ruptur • Verbrennungen venösen und arteriellen Vasokonstrikti-
• Ventrikelseptumruptur • Starkes Schwitzen
on insbesondere im Splanchnikus- und
• Ruptur der freien Ventrikelwand • Fieber
Muskelgefäßbett.Durch die Vasokonstrik-
Arrhythmien: Erhöhter venöser Widerstand
tion wird ein erheblicher Anteil des Blu-
Tachykarde Rhythmusstörungen Aszites
tes im Splanchnikusgebiet mobilisiert und
• Supraventrikuläre Tachykardie Tumorkompression oder -einbruch
die Vorlast somit erhöht. Das Renin-An-
• Ventrikuläre Tachykardie PEEP
Bradykarde Rhythmusstörungen Schwangerschaft
giotensin-Aldosteron-System (RAA-Sys-
Rechtsherzversagen Herabgesetzter venöser Tonus tem) wird als Folge inadäquater Nieren-
Kontraktilität Ø : Pharmaka: perfusion und sympathischer Stimulation
• Rechtsherzinfarkt • Sedativa aktiviert.Der konsekutive Anstieg von An-
• Ischämie und Hypoxie • Narkotika giotensin II führt zur peripheren Vaso-
• Azidose • Diuretika konstriktion und vermehrten Aldosteron-
Arrhythmien synthese; die renale Natriumretention und
Klappenfehler, strukturelle Schäden: Wasserresorption und damit das totale
• Trikuspidalklappeninsuffizienz Blutvolumen nehmen zu. Zusätzlich in-
• Klappenendokarditis duziert die Hypotonie die verstärkte Frei-
setzung von antidiuretischem Hormon
a Zur hämodynamischen Charakterisierung der einzelnen Schockformen siehe Tabelle 1 im Beitrag Laggner in
(ADH), das ebenfalls die renale Wasser-
dieser Ausgabe von Der Internist
retention begünstigt.
Der erhöhte Sympathikotonus führt
zur peripheren Vasokonstriktion und stei-
gert damit den peripheren Gefäßwider-
Pathophysiologie ▂ arterieller Sauerstoffpartialdruck, stand. Es kommt zur Kreislaufzentralisa-
▂ HZV. tion mit Minderperfusion von Splanch-
Bei den meisten Schockformen liegt das nikusgebiet,Nieren,Haut und Muskulatur,
Hauptproblem in einem inadäquaten Sau- Die genaue Kenntnis der Determinanten die über eine hohe Dichte an a-adrener-
erstofftransport (DO2). Der systemische des HZV ist zur klinischen Beurteilung gen Rezeptoren verfügen. Insgesamt re-
DO2 wird durch folgende Faktoren be- aber auch Steuerung der Therapie uner- sultiert eine Erhöhung des Blutdrucks mit
stimmt: lässlich. Hierzu zählen die Vorlast, die Umverteilung der Perfusion zugunsten
Nachlast und die Kontraktilität [9]. der lebenswichtigen Organe Herz und
▂ Hämoglobinkonzentration, zentrales Nervensystem (⊡ Abb. 2; [1]).
▂ arterielle Sauerstoffsättigung,
▂ Freisetzung von vasoaktiven Hormo- gung oder niedrigem Hämoglobin. Bei Organbeteiligung
nen wie Adrenalin, Noradrenalin so- manchen Schockformen wie der Sepsis,
wie Kortison. Verbrennung oder Trauma besteht ein Unabhängig von der auslösenden Ursa-
▂ Herzfrequenzanstieg und Steigerung deutlich erhöhter Sauerstoffbedarf. Un- che finden sich bei einem schweren und
der Kontraktilität mit dem Ziel, das ter normalen Bedingungen ist die Sauer- persistierenden Schock Schäden und Fehl-
HZV anzuheben. stoffaufnahme (VO2) unabhängig vom funktionen nahezu aller Organsysteme
▂ Arterioläre Vasokonstriktion mit DO2,da der Bedarf über die Sauerstoffex- (⊡ Abb.3). Ursächlich hierfür ist die Aus-
Umverteilung des Blutvolumens zu traktion geregelt wird. Die Sauerstoffex- bildung einer generalisierten Entzün-
Gehirn und Herz auf Kosten von traktionsrate kann von 25% bis auf 75% dungsreaktion,wodurch es zu einer inad-
Haut, Skelettmuskulatur, Nieren und gesteigert werden.Ab einem bestimmten äquaten und exzessiven Freisetzung von
Splanchnikusgebiet (Kreislaufzentra- Punkt, dem sogenannten kritischen DO2, Entzündungsmediatoren mit konsekuti-
lisation). besteht jedoch eine lineare Abhängigkeit ver Zellschädigung kommt [25].
▂ Konstriktion von venösen Kapazi- der VO2 vom DO2 [3]. Der zelluläre Ener- Jedes einzelne Organsystem sollte eng-
tätsgefäßen, um einen vermehrten giestoffwechsel muss in dieser Situation maschig auf eine beginnende Fehlfunk-
venösen Rückstrom zu erreichen. auf die anaerobe Glykolyse umstellen, tion hin überprüft werden, dazu zählen
▂ Freisetzung von ADH und Aktivie- wobei neben Adenosintriphosphat Lak- neben der klinischen Untersuchung auch
rung des RAA-Systems. Hierdurch tat entsteht. organbezogene Laborparameter.
vermehrte Wasser- und Natriumre- Dieses Konzept der pathologischen Nach der Phase der Multiorgandys-
tention, um das Intravasalvolumen Sauerstofftransportabhängigkeit wurde funktion schließt sich das Multiorganver-
aufrechtzuerhalten. jedoch vor allem für die Sepsis immer sagen (MOV) an.Dieses MOV,ein gleich-
wieder in Frage gestellt [9]. Hier scheint zeitiger oder in kurzen Abständen aufein-
Sauerstoffschuld es zu einer Entkoppelung der mitochon- anderfolgender Ausfall von Organsys-
drialen oxidativen Phosphorylierung zu temen, stellt bei den Patienten, die
Der Schweregrad eines Schocks ist mit kommen, sodass es trotz ausreichender den Schockzustand überlebt haben, im-
dem Grad der Sauerstoffschuld auf zel- oder sogar erhöhter VO2 zu einer Abnah- mer noch die Haupttodesursache dar
lulärer Ebene assoziiert [3]. In den meis- me der intrazellulären Energiespeicher (⊡ Abb. 4).
ten Fällen beruht das Sauerstoffdefizit auf kommt [10].
einem ungenügenden DO2 bei herabge-
setztem HZV, schlechter Sauerstoffsätti-
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